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DIE KUNSTDENKMÄLER
DER PROVINZ HANNOVER
HERAUSGEGEBEN VOM PROVINZIAL-
AUSSCHUSS UND LANDESDIREKTORIUM
DER PROVINZ HANNOVER
I. REGIERUNGSBEZIRK HANNOVER
HEFT 1 UND 2
STADT HANNOVER
BEARBEITET VON
ARNOLD NÖLDEKE
SELBSTVERLAG DER PROVINZIALVERWALTUNG
THEODOR SCHULZES BUCHHANDLUNG, HANNOVER
1932
HEFT 19 UND 20 DES GESAMTWERKES
KLISCHEEHERSTELLUNG UND DRUCK
G E R R Ü D E R JÄNECKE,
DRUCK-UND VERLAGSHAUS, HANNOVER
I.
DENKMÄLER DES „ALTEN"
STADTGEBIETES HANNOVER
(EINGEMEINDUNGSSTAND BIS 1. JANUAR 1870)
BAND
MIT 8 TAFELN UND 530 TEXTABBILDUNGEN
Inhaltsverzeichnis:
Seite
EINLEITUNG l
WEICHBILDENTWICKLUNG 21
BEFESTIGUNG 41
GEISTLICHE GEBÄUDE UND ANLAGEN:
Kirchen und Kapellen 75
Klöster und Ablader geistlicher Orden 215
Stifter 229
Friedhöfe 249
HÖFISCHE GEBÄUDE UND ANLAGEN:
Leineschloß 261
Residenzpalais' und Ablager .'50 1
Hofmarställe und Zubehörungen 321
AMTSGEBÄUDE:
Archiv 329
Gerichtsgebäude 337
Konsistorium 339
Münzstätten 341
Rathäuser 345
Regierungsgebäude 370
Ständehäuser 373
Waage 378
MILITÄRISCHE GEBÄUDE UND ANLAGEN:
Behörden 379
Kasernen und Zubehörungen 383
Lehranstalten 391
Ratsmarstall 392
Wachgebäude 394
Zeughäuser und Zubehörungen 396
WOHNGEBÄUDE:
Höfe und Häuser des Adels 407
Bürgerhäuser 435
Fachwerkbauten bis Mitte des 17. Jahrhunderts 439
Massiv- und Mischbauten bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts . 444
Wohnbauten seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts . 449
Liste der Bürgerhäuser 15 1
GEBÄUDE UND ANLAGEN VERSCHIEDENER ZWECK-
BESTIMMUNG:
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser 641
Gesundheits- und Wohlfahrtsanstalten 663
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof 677
Schulgebäude, Theater und Museen 691
Strafanstalten 716
TECHNISCHE BAUTEN UND ANLAGEN:
Brücken 719
Brunnen und Wasserwerke 727
Mühlen 740
Wehre 746
Werkanlagen 749
EHRENMÄLER 751
IV
Vorwort.
Die Provinzialkommission zur Erhaltung und Erforschung der Denk-
mäler in der Provinz Hannover hat in ihrer Sitzung vom 24. Juni 1920
mit Rücksicht auf die damaligen Zeitumstände, die der Fortsetzung
der Denkmalaufnahme Beschränkungen auferlegten, beschlossen, die Be-
arbeitung der Denkmäler in der Stadt Hannover in Angriff zu nehmen,
weil sie Reisekosten nicht erforderte. Sie entschied sich aber für eine
ausführliche, der Bedeutung der Landeshauptstadt entsprechende Be-
handlung des Stoffes. Die Bearbeitung wurde dem Dr. phil. A. Nöldeke
übertragen.
Während für die Denkmälerverzeichnung allgemein als Zeitgrenze das
Jahr 1870 festgesetzt ist, mußte hinsichtlich der örtlichen Umgrenzung
das Stadtgebiet gelten gemäß dem Umfange, den es zur Zeit der Be-
arbeitung hatte. Die topographisch-politische Einheit, welche das Stadt-
gebiet Groß-Hannover gegenwärtig darstellt, blieb während der Bear-
beitung nicht unverändert: sie erweiterte sich namentlich auf die in
Hinsicht auf das Denkmalinventar wichtigen beiden Bezirke Herrenhausen,
den Schloß- und Gartenbezirk und den Gutsbezirk Herrenhausen und das
Kloster Marienwerder. Diejenigen im Stadtgebiet Hannover aufgegan-
genen, ehemals politisch selbständigen Einheiten, welche als zugehörig
zu den Landkreisen Hannover oder Linden im ersten Inventarbande von
1902 bereits behandelt waren, sind im vorliegenden Bande in Überar-
beitung aufgenommen, so daß in dieser Hinsicht eine Neuauflage des
vergriffenen Bandes des Inventarwerkes I. L, Landkreise Hannover und
Linden, vorweggenommen ist.
Eine topographische Stoffanordnung, welche das alte Stadtgebiet
Hannover nach dem Begriffe vom 1. Januar 1870 herausstellt gegen-
über dem späteren Zuwachs an ehemals politisch selbständigen und mit
eigener Geschichte herangewachsenen Gemeinden, schien sich also zu
empfehlen.
Außer in Mithoffs Arbeiten hat die Denkmalverzeichnung in der
Stadt Hannover Wegbereitung gefunden in der mannigfaltigen Stoff-
sammlung, welche in den Hannoverschen Geschichtsblättern niedergelegt
ist. Unter den Autoren sind Namen vertreten - der Zeitfolge nach
geordnet — wie Jürgens f, Schuchhardt, Engelke, Peßler, Habicht, Riemer f,
V
Haiig, Leonhardt. In die Ziele dieser Zeitschrift hat vor einem Menschen-
alter ihr Begründer und Herausgeber, der inzwischen verstorbene Stadt-
archivdirektor Dr. Jürgens, die Wegbereitung für ein künftiges Denkmäler-
inventar bewnüt einbegriffen. Dies an dieser Stelle anzuerkennen und
zugleich aller durch ihn der vorliegenden Arbeit zuteil gewordenen un-
mittelbaren Förderung dankbar zu gedenken, ist uns Flucht. Als Amts-
nachfolger von Jürgens sowie vorher als Privatgelehrter hat Herr Dr.
Leonhardt von Anbeginn seine unmittelbare Anteilnahme der Arbeit
zugewendet; seine wissenschaftliche Freigebigkeit ist ihr ständig zugute
gekommen; das abgeschlossene Manuskript hat seiner Durchsicht unter-
legen, und die Wahl der Abbildungen ist vielfach von ihm beraten. In
aufrichtiger Verbundenheit heben wir daher Leonhardts verdiente Mit-
wirkung gebührend hervor. Daß eine derartige Mitwirkung auch dienstlich
geschehen konnte, wird dabei dem verständnisvollen Wohlwollen des
Herrn Senators Dr. Engelke verdankt. Die zeichnerischen Aufnahmen
sind größtenteils in Gemeinschaft mit Herrn Landesbaurat Darr her-
gestellt; seiner Hand entstammen zahlreiche Reinzeichnungen; seine
vielfache Beratung darüber hinaus verpflichtet den Bearbeiter zu freund-
schaftlichem Dank. Herrn Vermessungsdirektor Siedentopf werden außer
freundlichen Mitteilungen aus seinen Forschungsgebieten Photographien
und Pläne verdankt.
Der Magistrat der Stadt Hannover hat eine amtliche Anteilnahme
an der Herausgabe des Denkmälerwerkes über die Hauptstadt der Provinz
durch die Übernahme eines großen Teiles der Druckkosten und jede
mögliche Förderung der Bearbeitung bekundet. Er ist an der Druck-
legung selbst durch die Hergabe von Abbildungen beteiligt, für die er
das Recht der Wiedergabe im Druck besitzt, und hat eine Anzahl von
Druckstöcken zur Verfügung gestellt. Bei unserem Dank an den
Magistrat erübrigt es sich nicht, einzelner städtischer Dienststellen,
wie des Stadtbauamtes, des Kestnermuseums und des Vaterländischen
Museums sowie des städtischen Verkehrsamtes besonders zu gedenken.
Der Direktion der Kunstabteilung des Provinzialmuseums haben wir für
freundliche Mitteilungen und die Hergabe von Abbildungen zu danken.
Seitens des Staatsarchive, der Klosterkammer und der Geistlichkeit hat
die Bearbeitung bereitwillige Förderung gefunden. Dem Entgegenkommen
der Obersten Verwaltung des Gesamthauses Braunschweig und Lüneburg
war es zu verdanken, daß der von Alvenslebenschen Arbeit über Herren-
hausen ein gewisser Vorschub geleistet werden konnte, so daß deren
jüngere Forschungsergebnisse dem Inventarwerke rückwirkend zugute
gekommen sind.
Über den Plan des Gesamtwerkes und die für die Stoffbehandlung
maßgebenden Gesichtspunkte ist im ersten Hefte des Gesamtwerkes
(I. 1 Landkreis Hannover und Linden, Seite Vif.) des näheren berichtet.
VI
Hier mögen die wesentlichsten darunter hervorgehoben werden:
In der Einleitung sollen Angaben über Lage, Größe, Natur, Bevöl-
kerungsverhältnisse, über ethnographische und frühere politische und
kirchliche Zustände, über Handel und Verkehr, Straßen und Wege sowie
über das Kunsthandwerk in gedrängter Kürze und stets nur so weit ge-
geben werden, als zum Verständnis der Denkmäler unerläßlich ist. Es
bleibt vorbehalten, derartige zusammenhängende, die ganze Provinz
betreffende Angaben im Schlußbande des Werkes zu machen. Auf-
genommen werden alle Denkmäler, welche dauernd in der Provinz vor-
handen sind, gleichviel in welchem Besitz sie sich befinden. Vorchristliche
Denkmäler werden jedoch nur dann berücksichtigt, wenn ihre Bedeutung
eine solche ist, daß sie im Rahmen dieses Werkes nicht entbehrt werden
können. Die Beschreibung erfolgt auf Grund der vorangestellten
geschichtlichen Angaben und der technischen und stilistischen Merkmale
in möglichst knapper Form; Mitteilungen über diesen Rahmen hinaus
sowie Eingehen auf wissenschaftliche Streitfragen werden vermieden.
Die Ausstattungsstücke sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Inschriften werden nicht sämtlich, aber in möglichst großer Zahl gegeben;
auf die Art der Typen wird im Text hingewiesen, auf eine doch nur
andeutende Wiedergabe derselben verzichtet. Unser Denkmälerverzeichnis
soll umfassende wissenschaftliche Untersuchungen vermeiden, nur das-
jenige geben, was auf Grund örtlicher Untersuchung und der bisherigen
Forschung als feststehend zu betrachten ist; es soll eine Sammelstelle
der kunstgeschichtlichen Quellen und eine Grundlage für weitere Arbeiten
bilden und endlich übersichtlich geordnetes Material für eine umfassende,
allgemeine deutsche Kunstgeschichte bieten.
Den Druck des vorliegenden Buches besorgte die Buchdruckerei
von Gebrüder Jänecke in Hannover, wie auch die Druckstöcke sämt-
licher Abbildungen, soweit nichts anderes vermerkt ist, aus der Kunst-
anstalt der gleichen Firma hervorgegangen sind.
Die Flugbildaufnahme Tafel 1 wird der Akademischen Fliegergruppe
an der Technischen Hochschule zu Hannover verdankt.
Das Manuskript des Inventarwerkes über die Stadt Hannover ist zu
Ostern 1929 abgeschlossen. Die Drucklegung begann Ostern 1931 und
wurde nach mehrmonatiger Unterbrechung seit Ostern 1932 fortgesetzt.
Die Verzeichnisse werden dem zweiten Bande angehängt werden.
H a n n o v e r , im September 1932.
Das Landesdirektorium
der Provinz Hannover.
Tafel 1
Einleitung.
Die Berechnung der Ortslage von Hannover geht auf die von Gauß für
die hannoversche Landesvermessung errechneten Zahlen, bezogen auf den
Marktkirchturm zurück. Es ergibt sich die Breite zu 52 Grad 22 Min.
24 Sek. und die Länge zu 27 Grad 23 Min. 59 Sek. ö. Greenwich. Die
Meereshöhe des Stadtgebietes liegt im Mittel bei 55 m. Das hannoversche
Klima ist das der norddeutschen Tiefebene, steht aber deutlich unter dem
Einfluß der Meeresnähe hinsichtlich der Luftfeuchtigkeit und der mittleren
Temperatur, welche 8,5 Grad Celsius beträgt. Die Niederschlagsmengen
sind verhältnismäßig gering, die Regentage mit 167 dagegen häufig.
Die geophysikalische Lage Hannovers wird durch zwei Koordinaten
bestimmt: einmal die Grenzlinie zwischen dem deutschen Mittelgebirgs-
lande und dem norddeutsch-mitteleuropäischen Tieflande, sodann den
Leinetalgraben. Als diejenige topographische Eigentümlichkeit von
Hannovers Lage, der siedlungbildende Kraft in besonderem Maße und
im Sinne einer nicht lediglich auf bodenwirtschaftlicher Produktion
beruhenden Ansiedln ng innewohnen mochte, wird die Einengung des
Leinetales zwischen dem Lindener Kalksteinstock und den Kronsberg-
abhängen angesehen, innerhalb deren die hannoversche Talsandinsel
zwischen dem Leine-Wietze-Urstrombett und dem vielverzweigten Leine-
Ihme-Strombett sich einschiebt und einen leichten Übergang ermöglicht.
Die diluviale, westlich gerichtete Stromknickung wenig unterhalb davon
ließ dem aus dem Leinetal nach Norden ziehenden linksleinischen Verkehr
in dieser Gegend kaum eine andere Wahl zum Übergange*).
In der Besiedlungsgeschichte ist die Rolle der hannoverschen Tal-
sanddüne offenbar recht alt; sie erscheint in frühgeschichtlicher Zeit als
Grenzpunkt zwischen Engern und Ostfalen. Der engrische Marstemgau
griff hier auf das andere Leineufer über, umschloß das spätere Weichbild
Hannovers und bog von der Wietze wieder zurück nach Westen. Den
Grenzen zwischen Marstemgau und Ostfala schlössen sich die Bistümer
*) In diesem Zusammenhange ist zu erwähnen der Fund (192<S) einer Römer-
münze von Alexander Severus am Ufer des 1645 beseitigten Hauptarmes der Leine
(Grundstück des Friederikenstiftes). Die Münze befindet sich im Vaterl. Museum.
Minden und Hildesheim an; auch die calenbergischen und lüneburgischen
Besitzungen der Weifen und nach deren Vereinigung die Ämter Koldingen
und Langenhagen haben sich an den alten Grenzverlauf gehalten.
Die Vorgänge der frühgeschichtlichen Besiedlung der Gegend werden
durch Bodenfunde nicht hinreichend beleuchtet. Die frühesten Schrift-
urkunden, welche Namen von Siedlungen in der nächsten Nähe des heutigen
Hannovers nennen, entstammen meist dem 10. Jahrhundert: Velbere 947,
Ondertunum (Änderten) und Thorniti (Döhren) 991, Lembere (Limmer)
und Haringhusen (Herrenhausen) 1022. Die Siedlungsform aller dieser
Ortschaften beruht auf der Bodenbewirtschaftung, noch gegenwärtig
erkennbar. Hannover selbst, das beachtlicherweise erst geraume Zeit
später urkundlich genannt wird, hat eine andere Wirtschafts- und Siedlungs-
form und kann von Anfang an nur auf anderer Grundlage erwachsen sein,
für die die Bedingungen frühestens seit karolingischer Zeit gegeben sind.
In einer landesherrlichen Verwaltungs- und Zollstation hat es die Keim-
zelle, von der seine städtische Entwicklung ausgegangen ist. Wie benach-
barte Siedlungen oder Bestandteile davon aufgesogen sein mögen, so kann
selbst der Name übertragen sein.
Der Name Hannovers, von dem das Hannoversche Urkundenbuch die
Schreibweisen Honovir 1202, Honovere 1225, Honnovere 1226, Hannover
1260 und 1320 aufweist, ist in Niederdeutschland noch anderweitig, selbst
dicht unterhalb der Stadt bei Marienwerder an der Leine (Bedecker,
Chron. S. 790) vertreten, wo die Örtlichkeit eine hochgelegene Flur an
geböschtem Hange aufweist. Schon der noch unbekannte Verfasser der
Halberstädter Bilderchronik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts (ver-
öffentlicht 1732 durch Caspar Abel) und später Elias Holwein in seinem
Gedicht „Laus Hannoverae" 1636 geben ihm die Deutung „Hohes Ufer".
Sie erregte Bedenken — zuerst bei Grupen - - ist aber volkstümlich ge-
worden und hat sich bis zu einer Straßenbenennung „Am hohen Ufer"
(1911) durchzusetzen vermocht. Einen neuen Erklärungsversuch des
Namens unternimmt M. Mittelhäußer (H. G., 1929, S. 182): honhof-
ere; honhof = Hof des Hundertschaftsgrafen; die Endung ere bleibt
unerklärt. Leonhardt möchte in hono-bere die im Calenbergischen
häufige Zusammensetzung mit bere = büren erblicken wie in Velbere,
Limbere, Embere u. a. und den Namen als „Dorfsiedelung des Hano"
deuten. (Vgl. dazu die Form Hanobruinborgar im Beisetagebuche des
isländischen Abtes Nicolaus um 1150.)
geschickte Gegenüber der Zeit, da der Verfasser der hannoverschen Chronik sein
Werk mit den Worten einleitete: „Von dem Ursprung und Anfang der
Stadt Hannover hat man nichts Gewisses", besteht der Fortschritt der
Forschung in der Erkenntnis von der Bedeutung des landesherrlichen Hofes
als bedingendes Moment städtischer Entwicklung. In der urkundlichen
Nennung der curia Honoverae 1163 ist geschichtlicher Boden zuerst
gegeben. Heinrich der Löwe hielt hier einen Hoftag, an welchem mehrere
westfälische Bischöfe, Äbte und Grafen teilnahmen. Das Territorium
erscheint als landesherrlich. Die Anwohner standen in einem besonderen
Abhängigkeitsverhältnis vom Landesherrn. Soweit sie in anderen frühen
Urkunden und Lehnsregistern genannt werden, erscheinen sie als Lehns-
leute und Ministerialen der Kurie und ihrer Verweser. Die Tatsache der
Hoftagung und die Teilnahme hoher Würdenträger läßt darauf schließen,
daß die Örtlichkeit sich vor anderen für den Zweck besonders
empfahl. Vielleicht drückt sich in dieser Wahl aus, daß der Löwe sie
begünstigte nach der Einziehung des Schwalenberger Lehens im Jahre 1156.
Heinrich der Löwe wurde 1180 von der Höhe seiner Macht gestürzt.
Der Zwist mit Barbarossa führte 1189 zu dem Strafzuge Heinrichs VI.
gegen Braunschweig und Hannover. Hannover wurde niedergebrannt;
die Gräflich Rodensche Burg Limmer widerstand. Diese Niederbrennung
muß hervorgehoben werden, weil sie offenbar die Veranlassung war, die
Stadt nach überlegtem Plane neu und verbessert wieder erstehen zu lassen.
Sie wird in einer der Urkunden über die 1202 stattgehabte Erbteilung der
väterlichen Güter zwischen den Söhnen Heinrichs des Löwen als oppidum
bezeichnet, d. h. als Weichbild oder als Marktort, der abhängig von einem
Grund- oder Marktherrn zu sein pflegte. Etwa gleichzeitig mit dem
Wiederaufbau der Stadt tritt die landesherrliche Burg Lauenrode auf, die
als Lehen an die Grafen von Roden ausgetan war. In ihr erstand die
landesherrliche Kurie in neuer Gestalt wieder. Es ist also zwischen Landes-
herrn und Stadt ein engeres Abhängigkeitsverhältnis bislang unverändert
bestehen geblieben. Die Bürger von Hannover werden sogar cives de
Lowenroth genannt (U. B. Nr. 7; vom Jahre 1234). Die Jahrzehnte
währenden Kämpfe zwischen Weifen und Staufen brachten die Kräfte
des Landes in tiefen Verfall. Dem Herzoge Otto I. mit dem Beinamen
„das Kind" gelanges, seines weifischen Erbbesitzes und der allzu selbständig
gewordenen Ministerialen wieder Herr zu werden, vornehmlich durch das
Mittel, die Städte für sich zu gewinnen. Er erreichte das in den Jahren
1229 — 47 durch die Erteilung von Privilegien und Rechtsbestätigungen.
Das an Hannover am 25. Juni 1241 verliehene Stadtrecht bestätigt so alle
längst bestehenden Rechte und bedeutet durch die Versprechungen,
die Otto in der Urkunde gibt, eine Besserung und Mehrung derselben,
so daß es als Rechtsgrundlage für Hannovers Fortentwicklung als städ-
tisches Gemeinwesen gelten darf. Insbesondere werden die Befugnisse
der Lauenroder Grafen gegenüber der Stadt beschränkt; die Vogtei wird
fortab vom Herzoge selbst durch seinen Ministerialen besetzt; grund-
herrliche Gefälle, Worthzins und Bede bleiben dem Landesherrn.
Die Stadtrechtverleihung von 1241 bedeutet die volle Anerkennung
der republikanischen Selbstverwaltung der Bürgerschaft, wie sie sich auf
der Grundlage des Sachsenrechtes herausgebildet hat.
Die wirtschaftlichen Grundlagen des bürgerlichen Gemeinwesens, auf
die von nun ab durch geschichtliche Daten reicheres Licht fällt, Handel
und Gewerbe, erstarkten durch die den Kaufleuten erteilten Vorrechte
außerordentlich. Hannoversche Kaufleute stehen in Handelsbeziehungen
zu Celle, Hildesheim, Bremen, Hamburg und Lübeck. Ihren sicheren
Verkehr schützen Verträge mit diesen Städten. Schon um 1260 findet
sich Hannover unter den sächsischen Städten, welche sich bei der Stadt
Gent über ungerechte Behandlung beschweren. 1295 erscheint es im Verein
mit einer großen, von Köln bis Biga reichenden Anzahl anderer Städte,
welche wegen eines Urteiles des Gerichtshofes zu Nowgorod an die Stadt
Lübeck appellieren sollen. Nächst dem Handel mit flämischen Tuchen,
an dem sich sogar die Stadt als Körperschaft beteiligte, war es der auf der
calenbergischen Produktion beruhende Kornhandel, der zu den weitgehen-
den Beziehungen führte. Der Graf von Hoya bewilligte 1338 den hanno-
verschen Bürgern den Einkauf von Vieh. Die Herzöge dehnten ihre
Privilegien für den Handel mit Tuchen auf Märkte und Jahrmärkte aus
(1277 und 1282) und ermäßigten den Zoll zu Winsen an der Luhe auf die
Heringseinfuhr (1333). Wesentlich vor allem war der Erwerb von Münze
und Wechsel durch die Stadt (1322). Die Kapitalisten sind die Tuch-
händler, die ihr Geld in Bankiergeschäften anlegen.
Von der Gewerbetätigkeit der Bürger zeugt die Anzahl der in der Stadt
bestehenden siebzehn Innungen, die in bestimmter Beihenfolge seit der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in den Stadtbüchern aufgezählt werden.
Auch die zahlreichen, in der Stadt und deren nächster Umgebung vor-
handenen Mühlen waren ein wesentlicher Bestandteil gewerblichen
Betriebes des mittelalterlichen Hannovers.
Der Kaufmannstand bezeichnet die Artung der Bürgerschaft. Die
Kaufleute, d. h. seit dem 13. Jahrhundert die Tuchhändler, stehen an
erster Stelle in der Ordnung der Stadtbücher, in der sich die soziale Struk-
tur der Bürgerschaft abzeichnet. Die handwerkende Bürgerschaft gliederte
sich in vom Bäte genehmigte Innungen — Ämter, da die Zugehörigkeit zu
ihnen als obrigkeitlicher Auftrag angesehen wurde, von denen die vier
von der Kaufmannschaft unabhängigeren als solche im Bäte selbst Sitz
und Stimme hatten, während die übrigen in der Meinheit, das ist
die Gesamtheit der hausbesitzenden Bürgerschaft, ihre Vertretung fanden.
Herrschaftliche Dienstmannen und Adelige wohnen in der Stadt unter
besonderen mit dem Bäte vereinbarten Bedingungen.
Die Stadtobrigkeit, welche das Gemeinwohl vertrat, bildete der
einem Geschworenenkolleg, „Bat unde Sworene", entnommene „sitzende
Bat", der 1255 bereits aus zehn, später in der Begel aus zwölf consules
bestand. Ihm zur Seite steht für bestimmte Aufgaben ein Viererausschuß
der nicht „sitzenden" Ratsherren, die „vere ut den Sworenen", und zwei
Burmester, „magistri civium"; die Leitung obliegt dem Prokonsul oder
Burgermeister. Ein regelmäßiger Wechsel findet nur in der Person des
Bürgermeisters und bei den Vertretern der „großen Ämter" statt, während
im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Städten ein regelmäßiger
Wechsel mehrerer vollständiger Ratskollegien nicht zu beobachten ist.
Unabhängig vom Rat bestehen eine Vertretung der „Meinheit", d. h. der
Gesamtheit der hausbesitzenden Bürgerschaft, ferner als „Olderlüde und
Werkmester" solche der Kaufmannschaft und der privilegierten Innungen,
der „Ämter". Die ausgebildete Stadtverfassung unterscheidet noch Käm-
merer, Münz-, Schoß- und vielfältige andere „Herren" als Leiter der ver-
schiedenen Verwaltungszweige, die anscheinend ohne Zugrundelegung eines
besonderen Schlüssels lediglich nach der persönlichen Eignung diesem an
die 100 Köpfe starken Personenkreis entnommen werden. (Leonhardt.)
Die politische Wirksamkeit des Rates bezog sich nach außen hin auf
das Verhältnis zum Landesherrn, zu den Bischöfen von Minden und
Hildesheim sowie zu den größeren Städten der Umgebung. „Des Friedens
wegen und zu Frommen des Landes" wurde 1360 ein Bündnis mit Goslar,
Braunschweig, Lüneburg, Einbeck, Hameln und Helmstedt geschlossen.
1368 erscheint Hannover unter den Hansestädten. Jedoch ist von einer
Teilnahme der Stadt an den nordischen Unternehmungen der Hansa
wenig bekannt. Die Sateverträge von 1392 schufen eine nähere Ge-
meinschaft zwischen Hannover, den Prälaten, der Ritterschaft und den
übrigen Städten der Fürstentümer Calenberg und Lüneburg. Die auf
die städtische Handels- und Verkehrsfreiheit gerichtete Politik gegen-
über den Ansprüchen des Landadels wie dynastischen Hoheitstendenzen
führte gelegentlich zu blutigen Fehden, hat jedoch verhältnismäßig
selten Differenzen mit der eigentlichen Landesherrschaft verursacht.
Nach innen zielte die Politik darauf, unter Ausnutzung der Schwäche
des Fürstentums herrschaftliche Rechte zu erwerben. 1322 erkaufte
die Stadt in Gemeinschaft mit Ritterschaft und Land von Herzog Otto
das Münzmonopol samt dem Wechsel und stellte vier Bürger zu dem
Ausschuß, welcher diese Regalien verwaltete. Der Worthzins wurde
1348 von den Herzögen an die Stadt veräußert. Zugleich ging das Schul-
patronat aus landesherrlichem Besitz an sie über.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ist derart in schrittweisem,
klugem Vorgehen die obrigkeitliche Stellung der Stadt so verbreitert,
daß sie verschiedene staatliche Aufgaben erfüllte, die von ihren berufenen
Trägern vernachlässigt waren.
Der Eintritt der Hochblüte wird bezeichnet durch das in das Jahr
1371 fallende Ereignis der Zerstörung der Burg Lauenrode am Schlüsse
des Lüneburger Erbfolgestreites. Die Stadt hatte sich für die sächsischen
Herzöge Albrecht und Wenzel entschieden und sich wohl auch an der
Eroberung der Burg kriegerisch beteiligt; dafür erhielt sie neben neuen
Privilegien die Verfügung über die Burg. Die Bürger brachen diese
daraufhin ab, wie im gleichen Jahre die Lüneburger die Burg auf dem
Kalkberge zerstört hatten.
Auf der politischen Höhe, die nun erreicht war, vermochte sich Hanno-
ver zu halten bis zur Reformation und darüber hinaus. Während ander-
wärts das Territorialfürstentum bereits die Macht der Städte beein-
trächtigte, verdankt Hannover dem Umstände, daß das Weifenhaus
durch vielfache Erbteilungen niedergehalten wurde, die längere Be-
hauptung seiner Stellung. Scheinbar dehnt sich die Blütezeit der hanno-
verschen Stadtrepublik sogar bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges
hinaus. Bereits die Reformation läßt jedoch die Zeitenwende erkennen.
In Hannover führte die Reformation zum Zwist zwischen den kon-
servativ-kirchlichen Geschlechtern, die letzthin gewohnheitsmäßig die
Ratsherren stellten, und dem gut kaiserlichen Herzoge Erich von Calen-
berg auf der einen Seite und der Meinheit auf der anderen Seite. Die
kirchliche Bewegung wurde zur politischen, in der Herzog Erich seine
fürstliche Gewalt geltend machte. Die Bewegung endete mit der Ge-
stattung freier Religionsübung und einer schonenden Neuordnung des
Kirchenwesens. Hannover trat dem Schmalkaldener Bunde bei.
Schon Herzog Erich der Jüngere ließ sich das Recht der freien Reli-
gionsübung und die Privilegien der Bürger für eine hohe Summe ab-
kaufen. Beim Regierungsantritt eines jeden neuen Landesherrn wieder-
holte sich zwar die Bestätigung der Privilegien; sie bedeutete aber nicht
eine Mehrung der bürgerlichen Selbstherrlichkeit. Vielmehr mußte die
Stadt vor den Ansprüchen der aufstrebenden Fürstenmacht auf dem
Gebiete des Gerichtswesens, des Steuer- und Abgabenwesens vielfach
zurückweichen. Der Wohlstand der Bürgerschaft blieb einstweilen ge-
sichert durch Handel und Gewerbe, obwohl auch hier Wandlungen sich
vollzogen hatten, insofern an die Stelle des Kornhandels mit zurück-
gehender Leineschiffahrt der Wollhandel getreten war. Das Finanz-
wesen der Stadt selbst geriet aber seit der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts in dauernden Rückgang. Die Stürme des Dreißigjährigen Krieges
hat Hannover besser überdauert als manche andere Stadt Niedersachsens,
und die Duvezeit bedeutet eine kurze, prächtige Nachblüte, der aber
der Boden unabhängigen Städtetumes bereits abgegraben war.
Die Verlegung von Hof und Regierung durch Herzog Georg von Calen-
berg nach Hannover als der festesten Stadt Calenbergs gegen den Ein-
spruch der Bürgerschaft ist der sichtbare Ausdruck des stabilierten
souveränen Fürstentums. Ein Besidenzvergleich ordnete das künftige
Verhältnis zwischen Hof und Stadt im Tone und im Sinne einer landes-
herrlichen Verfügung. Die Hofhaltung und die mehr und mehr in Hanno-
ver zusammengezogene Regierung versprachen zwar der Stadt nach des
Herzogs Voraussage ,, guten Zugang, Aufnahme und Wachstum", doch
wurde dieser Zugang alsbald durch den Ausbau der Neustadt wieder
abgezogen. In der Neustadt bildete sich ein Gemeinwesen heraus, auf
das der altstädter Rat seine Privilegien nicht auszudehnen vermochte.
Die wichtigsten öffentlichen Gebäude erhielten hier ihren Platz, Hofadel
und Beamte wohnten dort. Die Konkurrenz der Neustadt wurde nur
äußerlich durch den Umstand gemildert, daß Georg von Calenberg sein
Residenzschloß auf altstädtischem Boden errichtet hatte, so daß es auch
dort einen Teil der Bevölkerung gab, für den der Hof die Quelle von
Wohlstand war. Es blieb nicht aus, daß Hoheitsrechte des Rates frei-
willig oder unter Zwang den neuen Verhältnissen geopfert wurden. Die
Landesherren beanspruchten eine Beaufsichtigung des Stadtregimentes.
Die Wahl Hannovers zur Residenz durch Georg von Calenberg gibt
Zeugnis von dessen staatsmännischen und militärischen Weitblick;
die Leistung, es mitten im Dreißigjährigen Kriege zur Residenz her-
gerichtet zu haben, verdient Bewunderung. Fürstliches Gepräge und
Gepränge gaben der Residenz unter den vier nacheinander zur Regierung
gekommenen Söhnen Georgs von Calenberg besonders Johann Friedrich
und Ernst August. Sie entfalteten ein Hofleben, das mit der Pracht der
Höfe zu Paris und Wien in Wettbewerb treten konnte. Beide unterhielten
nahe Beziehungen zu Italien. Johann Friedrich pflegte die italienische
Musik und die Oper; sein Prachtbedürfnis nicht minder als seine religiöse
und romantische Sinnesrichtung ließen ihn zum katholischen Glauben über-
treten. Herrenhausen ist seine Schöpfung, soweit die Anlage bis zu seinem
Tode 1679 gediehen war. Ernst Augusts Regierungszeit bedeutete einen
beispiellosen Aufstieg der Dynastie. Nachdem das weifische Haus die
Primogeniturordnung eingeführt hatte, war dem Herzog Ernst August
die Kurwürde zuteil geworden. Dem Anwachsen seiner politischen Macht
entsprechend, mehrte er den Glanz seines Hofstaates. Durch die Kur-
fürstin Sophie wurde der hannoversche Hof zu einem der geistigen Zentren
Deutschlands, dem der Name Leibniz seinen Adel verlieh. Für Hannover
als Residenz waren die wenigen Jahrzehnte der Regierungszeit dieser
beiden Fürsten die große Zeit schlechthin; sie endete fast gleichzeitig
mit Sophies Tode 1714, indem auf Grund der Erbansprüche der Kur-
fürstin deren Sohn Georg Ludwig die Krone Englands zufiel, und der
Hof nach dorthin übersiedelte.
Die Hofhaltung wurde auf das Mindestmaß beschränkt, das gehalten
werden mußte, um bei Besuchen der Könige den gesamten Glanz vor-
übergehend wiedererstehen zu lassen. Georg III. hat während seiner
langen Regierungszeit seine kurfürstliche Residenz nie gesehen.
Dem an der Spitze der Regierung stehenden Geheimratskollegium
lag die Führung der Regierungsgeschäfte im Einvernehmen mit der Krone
ob. Hannover erhielt das Gepräge einer Beamten- und Garnisonstadt.
Der allgemeine Stillstand des öffentlichen Lebens beeinträchtigte
auch das hannoversche Bürgertum; die wirtschaftlichen Fortschritte
waren gering. „Zum Betriebe von Fabriken fehlte es an Neigung, Zeit,
Geld und Händen" (Patje). Die Beschäftigung der arbeitenden Hände
für die höheren Gesellschaftsklassen, im Fremdenverkehr und im Spe-
ditions- und Kommissionshandel ließen industrielle Betriebe nicht ent-
stehen. Nur wenige Anlagen 7.11 eigenem Bedarf der Bevölkerung, Bar-
chent- und Tabakfabrikation, gab es. Die Gobelinweberei der Hugenotten
war nicht heimisch geworden. Des Bürgermeisters Grupen großzügige
Stadterweiterung durch die Ägidien-Neustadt, die den Zweck verfolgte,
durch Ansiedlung fremder Gewerbearten dem wirtschaftlichen Leben
aufzuhelfen, erwies sich in diesem Sinne als ein Fehlschlag.
Auf geistigem Gebiete dagegen ist seit der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts gerade das Bürgertum zum Träger feiner Kultur geworden.
Besonders das Jahrzehnt von 1770 — 80 ist die klassische Zeit Hannovers:
Boie, Leisewitz und Hölty, drei Dichter des Göttinger Hainbundes,
lebten hier. Der Zusammenschluß geistig interessierter Kreise in wissen-
schaftlichen und literarischen Gesellschaften begann damals.
Die Leidenszeit der französischen Fremdherrschaft 1803 — 13 hat
diese Kultur nicht ganz zum Erliegen gebracht; dem wirtschaftlichen
Wohlstande aber schlug sie tiefe Wunden. Die Befreiung vom napole-
onischen Joch brachte für Hannover die Erhebung zum Königreich.
Als Generalgouverneur nahm 1816 Herzog Adolph Friedrich von Cam-
bridge, seit 1831 als Vizekönig, seinen Sitz in Hannover. Die Einwohner-
zahl begann zu steigen, Handel und Wandel sich zu beleben. Dem allge-
meinen Fortschritt des städtischen Wesens nach den Freiheitskriegen
entsprach eine neue, 1824 verliehene städtische Verfassung, durch die
auch die Trennung von Alt- und Neustadt aufgehoben wurde.
Die Personalunion mit England löste 1837 der Tod Wilhelms IV.,
und der Herzog Ernst August von Cumberland bestieg als König den
hannoverschen Thron. Der Stadt Hannover war damit der Glanz einer
Hofhaltung wiedergegeben. Ihr wirtschaftliches und geistiges Gedeihen
vollzog sich fortab unter der unmittelbaren Förderung der Könige Ernst
August und Georg V. Die günstige Verkehrslage der Hauptstadt wurde
der Ausgangspunkt einer seit den 1840er Jahren einsetzenden Eisenbahn-
politik, die namentlich nach dem Beitritt des Königreiches zum Zoll-
verein von größter Bedeutung für Hannover wurde, indem sie die Grund-
lage für die Stellung schuf, die es heute in Handel und Industrie ein-
nimmt.
Großhandelsstadt ist Hannover nicht geworden. Von dem einstigen
Dorfe Linden, das bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausgesprochener
Villen- und Gartenvorort gewesen ist, ging die Industrialisierung Hanno-
vers aus. Als königliche Besidenz und seit 1866 als Provinzialhauptstadt
wurde es in wachsendem Maße zum Sitz zahlreicher politischer, mili-
tärischer und Verkehrsbehörden, Lehranstalten, Stiftungen und Ver-
8
einigungen. Mit der Mehrung der Einwohnerzahl ging die Vergrößerung
des Stadtgebietes durch Eingemeindungen Hand in Hand.
Bis zum 1. Januar 1870 waren die ehemals selbständigen Gemeinden,
die Vorstadt Hannover (1859) und die Vorstadt Glocksee mit der Resi-
denzstadt Hannover zu einer politischen Einheit verschmolzen, die an
Grundfläche etwa 2500 ha und an Einwohnerzahl etwa 87600 Seelen
einbegriff. Das weitere Anwachsen des Stadtgebietes ist dem Stande
von 1879 nach aus einer Karte bei Drape „Fünfundzwanzig Jahre aus dem
Leben der Königl. Residenzstadt Hannover von 1854 bis 1879" zu ersehen.
Nach der Zählung von 1890 betrug die Einwohnerzahl 163593. 1891
kamen die weiter hinausbelegenen Dörfer Herrenhausen, Hainholz,
Vahrenwald und List hinzu, so daß der Umfang des Stadtgebietes auf
nunmehr 3950 ha anwuchs.
Die Eingemeindung der Dörfer üöhren, Wülfel, Kirchrode, Buchholz.
Bothfeld und Stöcken am 1. Oktober 1907 brachte fast den doppelten
Flächeninhalt hinzu. Die Zahl der Einwohner betrug 1911 rund 303000.
Das Stadtgebiet Linden, dem im Jahre 1902 die Dörfer Limmer,
Davenstedt, Badenstedt, Bornum und Ricklingen angegliedert waren,
umfaßt bei seiner Eingemeindung in Hannover am 1. Januar 1920 etwa
90000 Einwohner.
Die jüngsten Eingemeindungen vom Jahre 1928 zogen das Klostergut
Marienwerder und den Schloß- und Gartenbezirk Herrenhausen sowie
den 1882 daraus ausgesonderten Gutsbezirk Herrenhausen in das groß-
hannoversche Stadtgebiet, das nun mit etwa 434000 Einwohnern an
zwölfter Stelle unter den deutschen Großstädten steht.
Dem nach außen gerichteten Druck in weitere Bauräume gegenüber,
den die Zuführung immer neuer Menschenmengen ausübte, hat sich in
entgegengesetzter Richtung wirksam erwiesen die Steigerung der Boden-
werte nach dem Stadtkerne zu, eben der mehr und mehr zum geschäft-
lichen Mittelpunkte, zur „City", gewordenen Altstadt.
In dieser Kräftewirkung liegt wesentlich das Schicksal der Altstadt
Hannover als Gesamtdenkmal beschlossen, und die neuzeitliche Groß-
stadt Hannover wird nicht zögern, ihr Recht auf Leben gegen sie geltend
zu machen.
*
Der Anteil untergegangener Denkmäler an der hannoverschen Denk- Übersicht über
mälerliste ist sowohl der Zahl wie auch dem Kunstwerte nach recht erheb- DIE DENKMÄLER-
lieh. Die Verzeichnung nicht mehr bestehender Denkmäler wird immer
als ein Erfordernis zur Wahrhaftigkeit des kunstgeschichtlichen Gesamt-
bildes betrachtet werden müssen; im besonderen Falle Hannovers ist
sie außerdem geeignet, Zeugnis abzulegen von der Ungunst des Geschickes,
unter dem das hannoversche Kunstgeschehen sich vollzogen hat.
9
Die Erhebung zur landesherrlichen Residenz im Jahre 1636 geht in
ihrer Bedeutung für Stadt und Bürgerschaft weit über das Politische
hinaus und bildet in der künstlerischen Kultur Hannovers einen ent-
schiedenen Wendepunkt. Bis zur Duvezeit war das in seiner Stadtrepublik
repräsentierte Bürgertum politisch wie künstlerisch durch die stadt-
hannoverischen Geschlechter zu hohem Stande hinaufgeführt. Fortab
trat es in den Hintergrund gegenüber dem landesherrlichen Hof. Eine
neuartige, höfische Kunst drängte zur Entfaltung; man könnte den
Inbegriff dieses Vorganges mit dem Namen „Herrenhausen" umschreiben.
Dieser höfischen Kunst aber war die Zeit nicht beschieden, eigene Wurzeln
zu schlagen, obwohl es den Anschein hatte, als sei für die Residenz eine
glanzvolle Entwicklung unter den Händen einer bodenständig gewordenen
Künstlerschaft bereits gesichert. Die Übersiedelung des Hofes nach
England im Jahre 1714 entzog ihr den Boden und gab sie dem Hinwelken
preis. Hannover sank zum Range einer Provinzstadt hinab.
Freilich begann das Bürgertum eine geistige Kultur zu entfalten,
deren Höhe schon von zeitgenössischen Beobachtern als über gewöhnliches
Maß hinausgehend bemerkt wird. Sie konnte aber in Sachdenkmälern
nur so weit zum Ausdruck gelangen, als der bescheidene Wohlstand der
Zeiten um den Siebenjährigen Krieg es gestattete.
Die Wiedererrichtung der dauernden Residenz im Jahre 1814, an die
sich für die künstlerische Neublüte der Stadt Hannover hohe Erwartungen
knüpfen ließen, stand Jahrzehnte hindurch unter dem Zeichen sparsamen
Behelfs. Künstlerische Schöpferkräfte, wie sie in einem Laves zur Ver-
fügung standen, konnten dabei zur vollen Auswirkung nicht hindurch-
dringen. Wir sehen die Tragik im hannoverschen Kunstgeschehen sich
wiederholen, daß es zerrissen und torsohaft bleiben mußte, weil miß-
günstige Umstände den Gegebenheiten oder Ansätzen zu hoffnungs-
vollem Gedeihen Abbruch taten.
Dazu kommt die Tragik, der das Geschick des Denkmälerbestandes
selbst unterworfen war. Ohne Zweifel fällt den Bilderstürmern der
Reformation die Vernichtung eines erheblichen Teiles vom kirchlichen
Denkmälerschatze aus vorreformatorischer Zeit zur Last*).
An dem überkommenen Restbestande aber hat sich insbesondere das
19. Jahrhundert einsichtslos vergriffen. Das Jahrhundert beginnt mit der
Verschleuderung der beiden barocken Kunstbrunnen der Stadt: des
Aktäonbrunnens auf dem Altstädter Markt und des Parnaßbrunnens
auf dem Neustädter Markt.
*) So wurde der den Altstädter Kirchen gehörende Bestand an liturgischen
Geräten und Gefäßen, einer Urkunde vom 27. Juni 1539 im Stadtarchiv zufolge,
dem Magistrat zur Münzprägung überantwortet und ergab die Summe von 2500
Gulden.
10
Anfangs der 1820er Jahre ward in der Residenzstadt eine Kommission
zusammengesetzt „zur Beförderung der Baue. . . . und der Verschönerung
derselben". Eine Pflege der bestehenden Baudenkmäler im heutigen Be-
griffe lag nicht in der Anschauung des wiedererwachten historischen Sinnes;
die Auffassung zielte vielmehr auf eine „Verbesserung" derselben hin.
Eine Restauration der Kreuzkirche, 1822, beseitigte bis auf Taufe
und Kanzel alles, was an älteren Kunstwerken darin vorhanden war.
Das Innere der Ägidienkirche wurde 1826 im Geschmack englischer
Gotik erneuert; die Marktkirche 1852 außen und innen dem Stile nach
bereinigt: man verkaufte die Überreste aller nichtgotischen Ausstattung
daraus buchstäblich nach Fudern. Die Minoritenkirche als Schloßkirche
versetzte Laves 1832 auf Befehl durch Stucküberzug in den Stil eng-
lischer Gotik. Die ältere Ausstattung wurde dabei aufgegeben. Der
Apothekenflügel und der Fleischscharren, Musterbeispiele des hohen
Standes der niedersächsischen Kunstentwicklung im 16. Jahrhundert,
fielen in den 1840er Jahren. Das Schloßopernhaus opferte man 1852
dem Schloßbauprogramm, obwohl dessen Fortführung insgeheim längst
aufgegeben war. Längere Zeit hindurch plante man den Abbruch des
Altstädter Rathauses; eine Wiederherstellung im Jahre 1878 hat schließ-
lich alle Renaissancewerkstücke daran und daraus beseitigt, deren Fehlen
wir heute bedauern müssen. Das Land- Ständehaus von Remy de la
Fosse fiel 1887 einem Straßendurchbruch zum Opfer. Von den Treppen-
und Fialengiebeln der ziegelgebauten Bürgerhäuser sprechen heute nur
noch zwei im Straßenbilde mit. Man hat sich der Fachwerkbauten ge-
schämt, die man der Würde der Residenz nicht für angemessen hielt,
und veränderte, wo man sie nicht ganz beseitigte, wenigstens die Erd-
geschoßfassaden. Das Straßenbild Hannovers würde sich demjenigen von
Braunschweig und Hildesheim gleichwertig anreihen dürfen, bestünden
wenigstens die bis ins 19. Jahrhundert hineingeretteten markigen Bürger-
hausbauten noch in voller Zahl.
Die Ursprungsgeschichte Hannovers reicht in das Forschungsgebiet
der Siedlungsgeographie hinein, die sich dieser Aufgabe bisher noch kaum
bemächtigt hat. Eine vorgeschichtliche Besiedlung der Stätte ist durch
Bodenfunde belegt. In dem Werdegang Hannovers weist die neuere
Lokalforschung dem 1152 in landesherrlichem Besitze befindlichen Wirt-
schaftshofe, an dessen Überbleibsel, dem Ballhofe, das ehemalige landes-
herrliche Haus noch heute ein gewisses Anrecht hat, die Rolle des in jeder
Stadtbildung mehr oder minder ausgeprägt erkennbaren Siedlungs-
kernes zu. Sie nimmt an, daß an diesem Wirtschaftshof in der zweiten
Hälfte der Ottonenzeit eine planmäßige Marktsiedlung angegliedert
wurde, welche eine stadtmäßige Fortentwicklung einleitete. Diese er-
reichte innerhalb der folgenden zwei Jahrhunderte eine gewisse Bedeutung;
11
mit ihrer Niederbrennung im Jahre 11<S9 sollte Heinrich der Löwe offenbar
empfindlich gezüchtigt werden.
Den Eintritt Hannovers in die Kunstgeschichte etwa mit seinem
Wiedererstehen aus der Asche gleichzusetzen, lassen greifbar überkommene
Denkmäler noch nicht zu; einige in der Ägidienkirche vermauerte
romanische Werkstücke sind die frühesten und, obschon stadtgeschicht-
lich bedeutungsvolle, so doch kunstgeschichtlich kaum auszuwertende
Dokumente.
Seit dem 14. Jahrhundert, also verhältnismäßig spät, werden Denkmale
in größerer Zahl greifbar: einer beispiellosen, um die Mitte des Jahr-
hunderts ungefähr gleichzeitig betriebenen Bautätigkeit werden die drei
Altstädter Hauptkirchen verdankt; im Gürtel der Stadtmauer schließen
sich die letzten Lücken; die Zahl der Mauertürme wird durch den „Neuen
Turm", den stattlichen, noch heute erhaltenen Beginenturm vermehrt.
Die Stadt gewinnt ein abgeschlossenes Bild, dessen Grundzüge bis zur
Gegenwart erkennbar sind. Einzelzüge bleiben indes noch undeutlich:
so ist von dem Grundelement einer jeden Stadt, dem Bürgerhause, aus
so früher Zeit in Hannover - - anders als etwa in Hildesheim — kein
Beispiel erhalten. Zu den Vorgängen der Grundstücksbebauung und im
Zusammenhange damit zur Entwicklungsgeschichte des städtischen
Wohnhauses bietet Hannover erst seit dem 15. Jahrhundert Unterlagen.
Als Kemenaten anzusprechende bürgerliche Baulichkeiten, die hier so
gut wie in den Nachbarstädten erwartet werden dürfen, sind nur in
einem Falle, und zwar nur schrifturkundlich nachweisbar; kein monumen-
tales Beispiel ist zweifelsfrei erhalten.
Die Baulichkeiten geistlicher Anstalten und Stiftungen, die gleich
anfangs sich dem Weichbilde eingliedern, sind für unsere Vorstellung
durch Bedeckers Aufzeichnungen — Chronik und Collectanea 1723 — 62
(Hs. Stadtarch.) — mehr oder minder anschaulich, die Denkmäler selbst
nur geringenteils oder verändert überkommen. Von den außerhalb der
Tore gelegenen, noch in das 14. Jahrhundert gehörenden Kapellen
St. Marien vor dem Ägidientor, St. Marien auf der Neustadt und der
St. Nikolaikapelle gilt dasselbe.
Von einem für die Geschichte und die Kunstgeschichte der Stadt
gleichermaßen wichtigen Denkmale, der schon 1371 zerstörten Burg
Lauenrode genügen weder Überreste noch Nachrichten zu einer deutlichen
Vorstellung. Ihre Gründung scheint um das Jahr 1200 gesetzt werden
zu müssen. Ebenso wenig läßt sich über die Beschaffenheit der anderen
beiden Burgen, die im heutigen Stadtgebiete bestanden haben, derer zu
Limmer und Herrenhausen, feststellen.
Nächst der Architektur hat die monumentale Plastik des 14. Jahr-
hunderts der Gegenwart frühe Denkmäler überliefert. Der Grabstein des
Thiedericus von Binteln (f 1321), ein kleines Kreuzigungsrelief an der
12
Marktkirche, das Habicht (H. G. 1913, Seite 243 und 254) in die Zeit um
1385 setzt und ein Christophorusrelief, das der Zeit nach zwischen beiden
steht, sind die wenigen Repräsentanten der frühesten bildhauerischen
Kunst in Hannover.
Sehr der Erwähnung wert sind auch einige der Glasfenster im Chore
der Marktkirche, die möglicherweise noch der Vorgängerin dieser Kirche
entstammen.
Der Baustoffverwendung nach erscheint Hannover sogleich bei seinem
Eintritt in die Kunstgeschichte als eine Stadt, in der keinesfalls der
Ziegelbau vorherrschend geübt wurde. Das massige Ziegelgebäude der
Marktkirche steht als solches vereinzelt neben den zeitgenössischen kirch-
lichen Werksteinbauten. Die Stadtmauer und der Beginenturm sind
andere etwa der gleichen Zeit angehörende Baudenkmale in Bruchstein.
Der Werkstoff wurde großenteils aus den Kalksandsteinbrüchen der
nahen Umgebung gewonnen. Die Verwendung von Deistersandstein tritt
später dazu. Bezeichnenderweise bildeten die lapicidae schon 136(5 eine
eigene Bruderschaft (siehe H. G. 1913, S. 237).
Die Brennöfen des Ratsziegelhofes, deren Leistungen seit Ende des
14. Jahrhunderts bekannt sind, lieferten nur eine verhältnismäßig geringe
Anzahl von Ziegeln. Die Menge der Bürgerhäuser wird entgegen
anderer Meinung - - keinesfalls damals eine andere Bauart aufgewiesen
haben als später — eben den Fachwerkbau*).
Die Baudenkmale der jüngeren Gotik seit etwa 1400 lassen allerdings
eine offenbare Zunahme der Ziegelbauweise erkennen. Wahrscheinlich
gehören die Anfänge des heute noch bestehenden Rathauses schon in
das 3. Jahrzehnt des Jahrhunderts. Sein Marktflügel mit dem besonderen
Schmuck der Giebel und Lucarnen wurde 1454/55 durch die beiden
Meister Haverkoper geschaffen.
Fast gleiche Giebelausbildungen finden sich wieder an Bürgerhaus-
bauten; die Anzahl der Beispiele dieser Art darf indes nicht überschätzt
werden: erhalten ist gegenwärtig nur noch eins, das Haus Knochenhauer-
straße 28. In diesen Giebelausbildungen besitzt Hannover einen ganz
eigenen Typ.
Den Ziegelbauten ist auch das älteste, überhaupt in der Stadt noch
bestehende Bürgerhaus zuzuzählen, ein an der Marktstraße Nr. 48 be-
legenes Traufenhaus, das wohl um 1420 errichtet wurde (man hat ihm bei
einem Umbau 1925 eine Fachwerkfassade aufgemalt). Von einem kirch-
lichen Ziegelbau, der in dieser Zeit vor den Toren, in dem heute zum
Stadtgebiet gehörenden Hainholz als Wallfahrtskirche entstehen sollte,
ist nur der Chor vollendet worden und auf die Gegenwart überkommen.
*) Über die Werkstoffe in Niedersachsen im Znsammenhange mit der Land-
schaft handelt V. C. Habicht im Jahrbuch 1928 d. Geogr. Ges. zu Hannover,
S. 60 ff.
13
Wie es scheint, haben auch die mildtätigen Anstalten und klösterlichen
Niederlassungen bei der Ausführung einzelner Gebäude, denen eine
gewisse Monumentalität zukam, in der späteren Gotik den Ziegelbau
bevorzugt. Hinzu kommen die jüngeren Türme der Stadtbefestigung,
die Zwinger und der Turm der Wasserkunst an der Klickmühle, so daß
sich in der Tat seit dem 15. Jahrhundert eine gewisse Häufigkeit der
Ziegelbauweise bis um 1550 feststellen läßt, wo sie in dem Treppengiebel-
hause Osterstraße 59 den letzten noch erhaltenen Vertreter einer Ziegel-
hausgruppe hat, die gleichzeitig mit den Lüneburger Häusern am Sande
entstanden war. Seit der Renaissance verbirgt man in Hannover den
Ziegel unter Putz.
Mit der Ziegelarchitektur verbindet sich eng eine monumentale
Terrakottakunst reliefierter Glasurfliesen. Die wichtigsten dieser Arbeiten
sind die Friese am Rathause (1453 — 55) und am Leibnizhause, datiert 1499.
Dem Rathausfriese kommt eine besondere Stellung innerhalb der gotischen
Terrakottaarchitektur zu; er ist älter als der Lüneburger Löwenfries am
Johannisturm, der aus dem Jahre 1482 stammt. Beispiellos sind die
Ritter an den Erkern des Rathauses. Die Kunst der glasierten Form-
steine überhaupt scheint in Hannover eher bestanden zu haben als in
Lüneburg, von wo aus nach der bisher geltenden Anschauung
Hannovers Ziegelbauweise befruchtet sein soll. In Celle werden um die
gleiche Zeit die Pöttker von Hannover zu Arbeiten herangezogen, nicht
solche aus Lüneburg.
Welche Rolle der monumentale Werksteinbau in spätgotischer Zeit
spielt, seit das Baubedürfnis im allgemeinen und insbesondere auf kirch-
lichem Gebiet durch die großen Kirchenbauten der Mitte des 14. Jahr-
hunderts befriedigt war, ergibt der Umstand, daß nur ein kirchlicher Bau
derart sich nachweisen läßt, die etwa um 1430 neu erbaute Minoriten-
kirche.
Die Renaissance bedient sich des Werksteinbaues reichlicher; sie hat
aber, abgesehen von den Torhäusern der Stadtbefestigung, keine eigent-
lich monumentalen Aufgaben mehr gefunden, will man nicht auch den
reizvollen Auswirkungen der neuen Formenwelt an den Erkerbauten des
alten Rathauses von 1576 monumentalen Charakter zugestehen. Die
Bürgerhäuser der Renaissance verwenden in ihren Fassaden den Werk-
stein zur Anbringung der Schmuckformen. Nur an dem von M. Mersmann
aus Petershagen erbauten Hause Leinstraße 32 ist die Fassade vollständig
aus Stein. Die erhaltenen Beispiele von Fassaden dieser Art beginnen
mit dem Jahre 1583 und enden im Barock der Mitte des 17. Jahrhunderts,
wo das Leibnizhaus ihren reichsten Vertreter darstellt.
Keinerlei bürgerliche Bauten aus Fachwerk sind aus vorreformatori-
scher Zeit überkommen. Etwa gleichzeitig mit der Reformation wird ein
Baubedürfnis bemerkbar, das in einer über 50 Jahre anhaltenden Periode
14
sich erschöpft, indem es die ältere, abgelebte Generation der bürgerlichen
Fachwerkhäuser durch neue Hausindividuen ersetzt und damit den
zahlenmäßigen Hauptbestandteil der gegenwärtig noch erhaltenen Denk-
mäler Hannovers überhaupt schafft.
Der überkommene Bestand vorreformatorischer Denkmäler auf dem
Gebiete der Skulptur, Malerei und des Kunstgewerbes ist aus den dar-
gelegten Gründen äußerst gering. Einige Leitstücke sind in den Museen
gerettet. Eine berufene kunstgeschichtliche Würdigung haben die Denk-
male zuletzt durch Habicht erfahren (H. G. 1913, S. 234 ff. und „Stätten
der Kultur", Hannover, S. 17 ff.). Es sind der Altar des Minoritenklosters
um 1415 (Prov. -Museum), die gleichzeitige Altartafel der Nikolaikapelle
und die späteren, um 1500 zu datierenden Werke der Rückseite des Altars
der Ägidienkirche, der Tafel mit dem Drachenkampf des heiligen Georg
in der Marktkirche und des Triptychons aus der Kreuzkirche. Dazu
kommen insbesondere die drei hervorragenden Bronzearbeiten der Taufen
in den drei Altstädter Hauptkirchen; die älteste davon in der Kreuzkirche
um 1420, die beiden anderen um 1490 — 1500. Im übrigen gewähren vom
Stande des Kunstgewerbes zu Ende des 15. Jahrhunderts einige im
Provinzialmuseum aufbewahrte Stücke aus dem Inventar der Markt-
kirche eine Vorstellung: Kelche, Monstranzen und ein Evangelienbuch-
deckel. Die in der Stadt Hannover gefertigten Goldschmiedearbeiten sind
als solche erst seit 1598 durch den Beistempel des Kleeblattes gezeichnet.
Die Neustadt führte 100 Jahre später den Löwen als Beschaustempel ein.
Die Ernüchterung, die mit der Reformation einherging, hat nach der
Dezimierung des Denkmalbestandes auf das kirchliche Kunstschaffen
lähmend eingewirkt. Aus nachreformatorischer Zeit besitzt die Schloß-
kirche in dem Altarbilde Lucas Cranachs ein überragendes Werk, bei
dem aber zu bemerken ist, daß es erst 1669 der Alexanderkirche zu Einbeck
entnommen und hierher verpflanzt wurde. Ein profanes Werk der nach-
reformatorischen Zeit, das durch die Themata seiner bildnerischen Dar-
stellungen der kirchlichen Kunst nahesteht, ist der 1551 geschaffene
Piepenborn. Der Meister ist Arndt Siemerding, f 1566 (vgl. Schuchhardt,
B. d. R., S. 10, Leonhardt, H. G. 1929, S. 76 ff.). Die jüngst wieder
aufgefundenen Reliefplatten dieses Brunnens gehören schlechthin zu dem
Besten, was Hannover an plastischen Denkmälern der Vergangenheit
besitzt. Selbst die Spitzenwerke der hannoverschen Bildhauerschule,
deren ununterbrochenes Bestehen von 1550 bis um 1750 Schuchhardt
zuerst behauptet hat, sind künstlerisch kaum höher zu werten, obwohl
darunter Werke sind, wie der Grabstein der Geschwister Romeis und der
des Pastors David Meyer, beide an der Marktkirche.
Schon einige Jahre bevor der Herzog Georg von Calenberg auf der
Stätte des Minoritenklosters den Bau seines Palatiums in Angriff nahm,
rief landesherrlicher Wille die Riesenarbeit der Neustadtbefestigung ins
15
Leben. Der Einzug eines neuen Geistes bereitete sich sichtlich vor.
Unter Christian Ludwig und dem gebildeteren Georg Wilhelm waren
weder die Fortführung des Schloßbaues noch die Anlagen der Hofhaltung
aufwendig zu nennen. Für das Stadtbild aber ergaben einmal die mit der
Einbeziehung der Neustadt in den Festungsbereich einhergehende Ver-
legung des Flußlaufes 1616 und die Veränderung des Judenteiches, sodann
die Bauten des Schlosses, der Marställe und Wagenhäuser, des Jäger-
hofes, des Ballhauses und des fast 60 m in der Front messenden monumen-
talen Zeughauses sogleich ganz neuartige Einzelzüge.
Johann Friedrich unterstellte die Fortführung des Schloßbaues dem
italienischen Architekten Sartorio, die Ausstattung in Stuck dem Dossa
Grana. Er und sein Bruder und Nachfolger Ernst August hatten auf
ihren Reisen nach Italien die Vorliebe für Venedig gefaßt, die es erklärt,
daß sie als Herzöge ihrer nordischen Residenz ein venezianisches Gepräge
zu verleihen trachteten. Sartorio und Giusti waren die Hofarchitekten
dieser Zeit, beide in palladianischer Lehre erzogen, Giusti ein Architekt
und Maler zugleich.
Die Nüchternheit, welche die unter italienischem Einfluß entstandenen
Bauten im Äußeren zeigen, steht ganz im Gegensatz zu der Ausstattung
der Innenräume, die eine außerordentliche Prachtentfaltung anstrebt.
Stukkaturen und Gemälde pflegen sich auf den Deckenschmuck zu er-
strecken, während die Wandbekleidungen aus Tapeten und Gobelins
bestanden, deren Herstellung einen hervorragenden Zweig des hannover-
schen Kunstgewerbes bildete, seit die Hugenotten diese Kunst nach
Hannover verpflanzten. Von ihrer reichen Produktion ist bisher kein
Stück mehr nachweisbar. Auch nur wenige Innenräume der geschilderten
Art sind unverändert erhalten; im Leineschloß im wesentlichen der
Rittersaal. Herrenhausen enthält in der Orangerie den „umfangreichsten
Freskenzyklus des Barock in Norddeutschland" (v. Alvensleben, Herren-
hausen, S. 9).
Hofwelt und Adel schufen sich um die Wende des 17. Jahrhunderts
mehr oder weniger in Anlehnung an das Vorbild zu Herrenhausen Lust-
häuser und Gärten. Von diesen Anlagen geht ein bestimmender Einfluß
auf die Herrenhäuser im ganzen Lande aus. Das einzige und zugleich
fast unberührte Beispiel eines solchen Lusthauses vor der Stadt ist das
im Jahre 1700 vom Oberhofmarschall von Platen erbaute Schloß Linden.
Die adeligen Stadthäuser des ausgehenden 17. Jahrhunderts sind sämt-
lich verschwunden. Von einem, dem von Redenschen Hause an der
Osterstraße, erbaut 1686, abgebrochen 1913, ist die Dekoration des
Hauptsaales vor dem Untergange bewahrt geblieben.
Bei dem außerordentlich bemerkenswerten Gotteshause der Neu-
städter St. Johanniskirche, das 1666, noch vor dem ersten Auftreten
Sartorios, erbaut wurde, erscheint unmittelbarer italienischer Einfluß
16
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mindestens zweifelhaft. Die Raumschöpfung entspricht durchaus einem
protestantischen Ideal. Diese, erste Saalkirche Norddeutschlands bildet
den Ausgangspunkt der Entwicklung eines neuen Kirchentyps, der in
zahlreichen Landkirchen der Folgezeit wiederkehrt.
Als fast ausschließlich italienischer Kirchenbau steht dagegen die
katholische St. Clemenskirche da, ein leider unvollendet gebliebener
oberitalienischer Zentralbau, für den Tomaso Giusti 1713 den Entwurf
geliefert hat.
Sudfeld Vicks Ägidienkirchturm, der fast zu gleicher Zeit sich im
Bau befand, geht nach des Architekten eigenen Angaben auf das Studium
von Vitruv, Palladio und anderen Theoretikern zurück.
Die Zeit des französischen Einflusses in der Architektur beginnt aus-
geprägt mit dem Auftreten Remy de la Fosses 1705, der den französischen
Spätbarock in Hannover einführte. Während der kaum neun Jahre
seines Aufenthaltes hier baute er — soweit man weiß — das Kielmannsegg-
sche Lusthaus Fantaisie, das von Platensche Monbrillant, beide in Fach-
werk, und das Landständehaus, einen Massivbau in der Art eines Pariser
Adelshotels. Von seinen hannoverschen Bauten gehört außer dem einen
der beiden Eckpavillons im Herrenhäuser Großen Garten das Neue Reit-
haus und das Archivgebäude zum vorhandenen Denkmalbestande.
Nach der Übersiedelung des Hofes war es im wesentlichen der in
Hannover verbliebene Hofadel, der namhafte bauliche Aufträge zu ver-
geben hatte. Die Wiedererrichtung des 1741 abgebrannten Flügels vom
Leineschloß durch Johann Paul Heumann auf Grund von dessen in Paris
revidierten Plänen ist als das wichtigste unter der Hofbaudirektion
zustande gekommene Werk bis zum Auftreten von Laves zu verzeichnen.
Die Künstlerpersönlichkeit Johann Paul Heumanns ist bislang zu
wenig ins Licht gestellt. Zu Unrecht hat man mehr auf den Festungs-
baumeister Dinglinger geschaut, der irrig als Architekt des großen Gast-
stättenbaues auf der Calenberger Neustadt, in dem heute das Landes-
kirchenamt seinen Sitz hat, galt, und dem auch das von dem Busschesche
Palais nicht mit voller Sicherheit zugeschrieben werden kann. Heumann
war in Wirklichkeit der Schöpfer des „Wappens von England" (British
Hotel) und kommt für das von dem Busscheschen Palais und die ver-
wandten Bauten Breite Straße 8 und Schmiedestraße 3 in Frage. Er
baute die Münze, das v. Hardenbergsche Haus in Herrenhausen, die alte
Gartenkirche und ist als Architekt beteiligt an dem Kanzelaltar in der
Neustädter und Gartenkirche sowie an der Kanzel der Kreuzkirche.
Der Ägidienanbau wurde unter Grupen bis ins einzelne nach Plänen
von Dinglinger durchgeführt. Er ist unter den wohnkolonialen Bau-
anlagen, deren Hannover seit dem Mittelalter einige zu verzeichnen hat,
wie die Budenkolonien auf dem Rösehof oder dem Potthof, up den
Specken und die Duveschen Kolonien auf der Neustadt, die erste, der
2 17
echte städtebauliche Gedanken zugrunde liegen. Zudem stellt er die
bedeutendste Äußerung baulicher Unternehmungslust des Bürgertums seit
dem Wegzuge des Hofes dar. Vereinzelte, auch künstlerisch ansehnliche
bürgerliche Wohnbauten entstanden schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts:
erhalten geblieben sind davon die Häuser mit französisch beeinflußter
Fassadenausbildung Burgstraße 6 und Breite Straße 18.
Wenn vom bürgerlichen Bokoko Hannovers Johann Paul Heumann
und bedingungsweise Dinglinger in der Architektur als die Exponenten
gelten dürfen, so war Johann Friedrich Ziesenis sein vornehmster Ver-
treter auf kunstgewerblich-bildhauerischem Gebiete. Die Hauptwerke
seiner Kunst entstanden bezeichnenderweise in kirchlichem Auftrage:
seine Kanzel in der Kreuzkirche (1758) und der Kanzelaltar in der Neu-
städter Kirche (1759) sind über die Grenzen des Landes hinaus berühmte
Denkmäler.
Das zu Ende gehende 18. Jahrhundert ist nicht eben durch Beichtum
an Denkmälern ausgezeichnet. Dem in die Zeit um 1780 fallenden
Bau der Leibgarde-Kaserne unter dem Grafen Wallmoden und dem
gleichzeitigen Umbau von dessen Lusthause im Wallmodenschen Park -
beides ausgeführt durch den Ingenieur H. Borchers — mag noch das
Gebäude der „Neuen Vieharzneyschule" (1793) vor dem Clevertore
und der Leibniztempel hinzugefügt werden, um die nennenswerten, noch
bestehenden architektonischen Dokumente vor Augen zu führen. Die
Zeit bereitete durch die Schleifung der Festungswerke neue bauliche
Möglichkeiten vor: vorerst entstanden repräsentative Toranlagen vor den
Haupteingängen der Stadt, und die Wälle wurden zu Promenaden um-
gestaltet. Die behelfsmäßige Unterbringung der Staatsbehörden blieb
bestehen, doch liegt in einem Entwurf, der in die 1790er Jahre gehört,
ein bemerkenswerter Versuch vor, für Justizkanzlei und Konsistorium
ein Amtsgebäude zu erstellen. 1803 bereiste Friedrich Weinbrenner das
Kurfürstentum in staatlichem Auftrage und schlug Veränderungen an
dem Leineschlosse vor. Die napoleonische Zeit ließ architektonisches
Schaffen nicht aufkommen. Unmittelbar nach den Freiheitskriegen
trat Laves — damals 26j ährig - - in Hannover bei der Instandsetzung
des von dem Busscheschen Palais an der Leinstraße für den Herzog
Friedrich von York auf. Die Bestauration des Herrenhäuser Schlosses
begann einige Jahre später. In das Jahr 1816 fällt Laves' Entwurf zu
einem neuen Besidenzschloß vor dem Clevertore. Eine Entschließung
des Königs und Kurfürsten vom 3. Dezember 1816 entschied sich aber
für die Wiederherstellung und den Ausbau des Leineschlosses. Infolge
davon scheint ein Wettbewerb stattgefunden zu haben, wenigstens findet
sich eine Beihe von unsignierten Entwürfen im Staatsarchiv, die dieses
Projekt behandeln. Das Vorhandensein derartiger archivaler Denkmäler
ist besonders willkommen zur Erkenntnis des tieferen architektonischen
18
Wollens jener Zeit, die wirklich ausgeführte Denkmäler als Anschauungs-
und Belegmaterial nur in geringem Umfange zur Verfügung gestellt hat.
Im archivalen künstlerischen Nachlaß von Laves ist darüber hinaus ein
biographisches Material zur Beurteilung eines Genius überliefert.
Die Entwicklung Hannovers zur Großstadt städtebaulich in die Wege
zu leiten, war seit etwa 182cS Laves beschieden, in der Ausgestaltung der
Esplanade zum Waterlooplatz 1828 hat er die erste Probe seines weit-
ausschauenden Könnens erbracht. Ein städtebaulich einheitlich in
klassizistisch-romantischem Sinne durchgebildetes Hannover als König-
liche Residenzstadt erscheint bei ihm als Leitgedanke seiner Planungen
selbstverständlich, obwohl es den bewußten Begriff des Städtebaues
damals noch nicht gab. Von seiner Zeit konnte seine überragende Fähig-
keit in dieser Hinsicht weder voll erkannt noch nach Gebühr geschätzt
werden.
Die „Hannoversche Architektenschule", welche der Stadt im übrigen
den Ausdruck der nunmehr Königlichen Residenz zu geben bemüht war,
suchte mit heißem Eifer in der Wiederanknüpfung an frühere Stilarten
und deren Fortentwicklung das Heil der Architektur und endete folge-
richtig in der Auflösung des Eklektizismus.
Ebeling, ein Weinbrennerschüler, baute 1831 das Polytechnikum an
der Georgstraße in florentinisch-romanischen Formen. Von den drei in
München bei Gärtner vorgebildeten Architekten Andreae, Droste und
Hase baute der erste 1844 den ,, Dogenpalast" genannten Rathausflügel,
der zweite 1850 — 54 die Hohen Schulen am Georgsplatze, und Hase 1852
das Museum in der Sophienstraße. Der Bau der Christuskirche 1856
führte Hase ganz der Backsteingotik zu, die dann im Straßenbilde in
durchaus eigenartiger Ausdrucksform zur Herrschaft gelangte.
Die Münchener romantische Bauart behielt insbesondere der bevorzugte
Hofarchitekt der 1850er Jahre, Tramm, unbeirrt bei. In seinem Weifen-
schloß oder dem Simonschen Palais hat der von ihm, Heldberg und Rasch
vertretene neuromanische Stil, der bis in die 1870er Jahre hinein mit
der Neugotik im Stadtbilde wetteifert, seinen bezeichnendsten Ausdruck
gefunden.
19
~ 22
20
Weichbildentwicklung.
ANFANGE.
Untergrund.
Fernhandelsstraße.
übergangstelle und Siedelung.
Wirtschaftshof.
Markt.
Rechtsleinischer Straßenzweig.
MITTELALTER.
Mittelalterlicher Weichbildzuwachs.
He völkerungszuwachs.
Grundstücke.
Blockaufteilung.
17. UNI) LS. JAHRHUNDERT.
Calenberger Neustadt.
Altstadterweiterungen.
Ägidienanbau, Friedrichstraße, Georgstraße.
STÄDTEBAULICHE ENTWICKLUNG
IM 19. JAHRHUNDERT.
Laves.
Eingemeindungen.
Ernst-August- Stadt.
Bebauungsplan von 1852.
21
Weichbildentwicklung.
Untergrund Den Untergrund dos hannoverschen Stadtgebietes bilden die Kies-
ablagerungen eines eiszeitlichen Gletscherbettes, auf dem diluviale Sande
von durchschnittlich 12 m Mächtigkeit bei flachwelliger Oberflächen-
gestaltung und südost-nordwestlich streichender Schüttungsfront ab-
gelagert sind. Diese Sande gehören zu der Moränenschüttung, welche das
Leine-Wietzeurstromtal abriegelte; sie stemmten sich dem Flußlaufe
entgegen, drängten ihn gegen die linksufrigen Ausläufer des Mittelgebirges
(Lindener Berg) und zwangen ihn weiterhin zur Richtungsänderung nach
Westen.
»Jim ^
IV
Abb. 2. Hannover; Physikalische Karte der Umgebung Hannovers um KiOO.
22
Weichbildentwicklung
Diese Umstände mußten die seit dem Neolithikum nachweisbar vom Fernhandelsstraße
Durchgangsverkehr benutzte Fernhandelsstraße durch den Leinetalgraben,
deren letzte Etappen vor dem Austritt in das Flachland noch in Carolin-
gischer Zeit der linksufrig gelegene Bischofssitz Elze und der Ort Pattensen
gebildet haben, veranlassen, hier an dem Leinebogen auf das andere Ufer
hinüberzugehen. Eine frühe, quer zu dieser Leinetalstraße verlaufende
Fernhandelsstraße, die gerade beim heutigen Hannover die erstgenannte
gekreuzt hätte, ist nicht anzunehmen, da wenig weiter südlich der Hellweg
durch die Porta Westfalica die Ronneberger Höhe querte, um mit dem durch
die Hameler Senke führenden einen gemeinsamen Flußübergang etwa bei
Sarstedt zu suchen.
Der Isohypsenverlauf des rechten Urstromufers der Leine beim späteren Übergangsstelle und
Hannover zeigt abwärts der tiefen Einbuchtung beim heutigen Holzmarkte s,edcluns
eine westwärts stark ausspringende Ufernase, die, heute vom stadt-
hannoverschen Sandrücken durch die Leine getrennt, geologisch als im
Zusammenhange mit diesem — nicht aber mit dem Lindener Berge —
stehend festgestellt ist. Die Höhe dieses Vorsprunges in geschichtlicher Abb. 2.
Zeit ist auf etwa 56 m über NN berechnet, so daß die Annahme einer
natürlichen Trennung durch Ausspülung entfällt und nur eine künstliche
Durchstechung in Frage kommt.
Die gegebene Uebergangsstelle für die Fernhandelsstraße war dieser
Vorsprung, der von seinem Bewuchs den Namen Brühl trug. Dem örtlichen
Verlauf der Fernhandelsstraße vor dem Flußübergang entspricht linksufrig
die Bäckerstraße, rechts setzt er sich auf dem Sandvorde in Richtung auf
die spätere Nikolaikapelle fort.
Analog den Vorgängen bei anderen Flußübergangs- und Umschlagstellen
entwickelte sich hier eine Etappensiedlung, die bald von Bedeutung wurde
und die ohne Zweifel eben jenes 1022 genannte vicus Honovere war, die
Heimat des blinden Mädchens, an dem nach den Aufzeichnungen eines
Hildesheimer Mönches der heilige Bernwardt die wunderbare Heilung
vollzog (Hdschr. d. Miracula St. Bernwardi, Mon. Germ. SS. IV, 783, 16).
Im Jahre 1283, während inzwischen die Stadt Hannover sich an benach-
barter Stelle entwickelt hatte, besteht diese Siedlung noch als praeurbium
(Urk. B. Nr. 47). Bei ihrer Niederlegung, welche 1314/15 die Fürsprache
des Herzogs Otto d . Strengen zugunsten der Stadt bei den Grundeigen-
tümern erwirkte, zeigt sich, daß dieses „praeurbium auf dem Santforde"
mit 30 bis 40 Wohnstätten größer war als irgendeine andere Siedlung der
näheren Umgebung. Auffällig ist dabei die große Zahl der Lehnsadeligen,
welche Grundeigentümer der niedergelegten Kotstellen gewesen waren.
Ebenfalls rechtsufrig, in Nähe des vermutlichen Leineüberganges, whtschaftshoi
besteht, für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts belegt, ein Wirtschafts-
hof, der spätere St. Gallenhof, auf dessen Bedeutung für die Entwicklung
der Stadt Schuchhardt zuerst aufmerksam gemacht hat (H. G. 1903, S. 27).
23
Weichbildentwicklung
Heinrich der Löwe hielt 1163 in „curie nostre Honovere" einen Hoftag ab
(Urk. B. Nr. 1). Ganz allgemein pflegt in Niedersachsen ein landesherrlicher
Wirtschaftshof die Keimzelle zu fortschreitender Besiedlung zu sein.
Die neuere Forschung glaubt, daß schon einer der Frankenkönige nahe
dem Flußübergange einen jener Wirtschaftshöfe, wie sie Karl's des Großen
Capitulare de villis in ihrem wirtschaftlichen Betriebe eindringlich schildert,
für den König selbst und seine Sendboten angelegt habe als wohlvorbereitete
Beisestationen, die an geeigneter Stelle, und so auch wohl hier, Sitz des
königlichen Verwalters der Finanz-, Militär- und Kultusangelegenheiten
des Grafen waren. Bege Wechselbeziehungen zwischen Königshof und
Dorf werden bestanden haben; das Dorf wird dem Hofe die nötigen Hand-
werker gestellt und der Hof den Dorfbewohnern sein Ackerland zur Nutzung
überlassen haben (Leonhardt).
Markt Der Charakter einer Siedlung, wie sie an Bast- und Umschlagplätzen
entsteht, ist von allem Anfang an mehr bestimmt durch ihre Beziehungen
zum Beise- und Handelsverkehr als durch die landwirtschaftliche Erwerbs-
weise der Siedler. Eine derartige Etappensiedlung pflegt bald zum Zentrum
des Warenangebotes für einen gewissen Bezirk und zur Stätte gelegent-
licher Märkte zu werden, zumal wenn sie in unmittelbarer Nähe einer
Völkerschaftsgrenze — hier Engern und Ostfalen, zugleich Bistumsgrenze
Minden-Hildesheim — liegt. Unbedenklich darf der Vorgang so auch für die
Siedlung beim Leineübergang angenommen werden, und ebenso unbedenk-
lich ist die Annahme, daß der Grundherr ihn mit Aufmerksamkeit verfolgte
und schließlich, als in der zweiten Hälfte der Ottonenzeit die Gründung
von Märkten geradezu zu einem Gründungsfieber ausartete, auch hier der
Grundherr, um seinen Vorteil wahrzunehmen, in den Gang der Dinge eingriff.
Rechtsieinischer Sehr zu beachten ist nun, daß die Leinetalstraße inzwischen durch die
straßenzwe.g Verlegung des Bischofsitzes nach Hildesheim im Jahre 815 eine Ab-
zweigung von Northeim über Gandersheim erhalten hatte, die sich bei
Hannover mit dem alten Straßenzuge wieder vereinte und sicher von allen
denen bevorzugt wurde, die auf ihrer Beise der geistlichen Erquickungen
der Bischofstadt teilhaftig zu werden wünschten.
Innerhalb der Straßengabelung, beide Straßen beherrschend, finden wir
den landesherrlichen Wirtschaftshof angelegt. Der örtliche Verlauf des in
der unmittelbaren Nähe des Wirtschaftshofes vorbeiziehenden rechts-
leinischen Straßenzweiges wurde bestimmend für die Stätte des grund-
herrlichen Marktes, und zwar gilt der Hokenmarkt an der Schmiedestraße
als diese vom Grundherrn gewählte Stätte der ersten, wohl nur geringen
Marktsiedlung, weil hier noch bis in das 17. Jahrhundert hinein die landes-
herrliche Zollbude gestanden hat. Der Hokenmarkt wird noch 1279
,,in foro nostro" bezeichnet (Urk. B. Nr. 45). Im Gegensatz dazu heißt
der Platz südlich der Marktkirche 1257 „in cimiterio Sancti Georgii in
Honovere" (Urk. B. Nr. 20, s. auch Urk. B. Nr. 99, Anm. 2).
24
Weichbildentwicklung
Die neue Siedlung tritt nun in Wettbewerb mit jener älteren beim Stapel
und überwindet sie unter grundherrlicher Förderung.
Um 1300, wo die bis auf kleine Lücken vollzogene Schließung des Mittelalterlicher
Mauerringes für die Weichbildsgestalt einen sicheren Anhalt gewährt, Weichbildzuwachs
zeigt sich die Stadt in einem schon weit vorgeschrittenen Besiedlungs-
zustande: zwei kirchliche Gemeinwesen finden sich vor; die Kauf manns- Tafel 2
Siedlung hat sich längst aus einer vom Grund- und Marktherrn geleiteten
Marktgemeinde zu einem sich selbst verwaltenden städtischen Gemein-
wesen fortentwickelt; die landesherrliche Anerkennung dieses Zustandes
besitzt die Bürgerschaft seit 1241 durch die Stadtrechtverleihung.
In die Vorgänge der Weichbildentwicklung etwa seit dem 11. Jahr-
hundert hat die Kleinarbeit der Hausgrundstückforschung insoweit Licht
bringen können, als sie aus dem mittelalterlichen Weichbilde zunächst
zwei Kernstücke herausgeschält und die Erweiterungen aufgezeigt hat,
die es zu dem an Baum gesättigten Ganzen abrundete, als welches es bis
ins 17. Jahrhundert hinein bestand.
Als das eine der beiden, je von einheitlicher Grenzlinie umzogenen
Kernstücke erscheint im nordwestlichen Weichbildwinkel ein 125 xl80 qm
umfassendes Rechteck, der frühe Umfang des Wirtschaftshofes; als das
andere erscheint das von ovaler Umgrenzung eingehegte Stadtgebiet, das
längs aufgeschlossen wird von dem Markt-Schmiedestraßenzuge und von
der Osterstraße.
Auch dieses Gebilde differenziert sich noch, wie die schon 1211 aus-
gesondert erscheinende Worthzinspflicht der südlichen Osterstraße
erkennen läßt.
Der Einäscherung der Stadt im Jahre 1189 kommt die erhebliche
Bedeutung zu, die Ursache für deren bauliche Fortentwicklung gewesen
zu sein. Bald nach diesem Vorgange ersteht nicht nur die landesherrliche
Wirtschafts- und Verwaltungsstation auf besser verteidigungsfähiger Stelle
als Burg Lauenrode neu, sondern der Landesherr teilt auch südöstlich der
älteren Marktsiedlung Fronland aus an Kaufleute und Gewerbetreibende,
so daß sehr bald ein neues Gemeinwesen worthzinspflichtiger Angesiedelter
mit kirchlichem Mittelpunkt entsteht. Die überkommenen architektoni-
schen Beste der Vorläuferin der Agidienkirche sind Zeugen dieser Zeit.
Im weiteren Ausbau wachsen die beiden Gemeinwesen, das um die Jacobi-
kirche und das um die Agidienkirche, zu dem Stadtgebilde zusammen,
welches 1241 das Stadtrecht erhielt.
Die hauptsächlichste der Weichbilderweiterungen bildet die Ausdehnung
des Stadtgebietes gegen Westen nach der Leine hin, wo wahrscheinlich
ein alter, dem Zwischenverkehr dienender Uferweg bestand. 1291 hatten
sich hier die Minoriten, reichlich 30 Jahre früher (zwischen 1216 und 1264)
bereits die Zisterzienser von Betzingerode (Marienrode) niedergelassen
(ungedrucktes Chronicon des Priors Franziscus Borsum, vor 1581, Hdschr.
25
Weichbildentwicklung
im Stadt-Arch.), beide auf exterritorialem Boden, denn sie unterstanden
nicht der Stadtgerichtsbarkeit. Die beabsichtigte Einbeziehung dieses
Gebietes in das Weichbild war vermutlich die Ursache des Streites
zwischen Herzog Otto und der Stadt, der 1297 versöhnlich durch die
Erlaubniserteilung zur Vollendung des begonnenen Mauerbaues geschlichtet
wurde (Urk. B. Nr. 65).
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts bereits hatte die Anlage des
Heiligengeist-Stiftes eine kleinere Stadterweiterung hervorgerufen, die
das Gebiet vom Marienseerhofe bis zum Kleinen Wulveshorne umschloß.
Weiter außerhalb nach Norden und Westen bestand noch zwischen Stapel
und Steintor das alte Dorf Honovere, dessen Grund und Boden zum
Teil im Eigentum der St. Gallenkapelle war, zu anderen Teilen ver-
schiedenen Adelsgeschlechtern gehörte. In den Jahren 1314 und 1315
erst traf die Stadt mit den Eigentümern die vorher erwähnte Vereinbarung
auf Abbruch von über 30 Kotstellen, offenbar, um hier das Weichbild
ausdehnen zu können (Urk. B. Nr. 116 ff.).
Ein weiterer Zuwachs, der das mittelalterliche Weichbild so weit
abrundete, daß das Bedürfnis nach Siedlungsgebiet auf mehrere Jahr-
hunderte hinaus befriedigt blieb, war der allmähliche Erwerb des Werders
von der Klickmühle bis zum Leinstoven in der ersten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts. So gelangte 1340 mit Zustimmung der Herzöge eine Häuser-
gruppe der v. Alten in das Gerichts- und Weichbildsrecht der Stadt
(Urk. B. Nr. 217), während andere Teile ihren grundherrlichen Gerichts-
barkeiten unterstellt blieben und das Ganze mit Bücksicht auf die ver-
schiedenen Zuständigkeiten von der Einbeziehung in den Mauerring
ausgeschlossen blieb.
Das Gelände der Burg Lauenrode kam nach deren Zerstörung im
Jahre 1371 als letzte der mittelalterlichen Erweiterungen hinzu.
Bevöikerungs- Mit der machtpolitischen Stellung des städtisch und bürgerlich freien
Zuwachs pjannov€rj mjt dem Stande seiner Handelsbeziehungen und mit dem
seiner Wirtschaft steht der Bevölkerungszuwachs der Stadt als Ursache
der Weichbilderweiterungen in Wechselwirkung. Das 14. Jahrhundert
bahnt die Hochblüte des hannoverschen Gemeinwesens an; mit der
Privilegerteilung von 1371 und dem Fall der Burg Lauenrode ist sie
erreicht.
Die natürliche Vermehrung der eingesessenen Bevölkerung allein
konnte nicht einen so starken Zuwachs schaffen, wie er durch den Zuzug
von außen zustande kam. Dieser setzte sich zusammen aus jungen Söhnen
des Landadels, des freien Bauerntums und des auswärtigen Patriziates,
aus der Einwohnerschaft der wüste gelegten Ortschaften — zum Teil ent-
lassene Hörige -- und in allmählich zunehmendem Maße den wandernden
Handwerksgesellen, die eine freigewordene Meisterstelle zur Seßhaft-
machung veranlaßte. Das zahlreiche Auftreten von klösterlichen Nieder-
26
Weichbildentwicklung
lassungen und Ablagern geistlicher Orden ist ein Gradmesser für die
beginnende Blüte.
Die bodenwirtschaftliche Entwicklung des Weichbildes erscheint Grundstücke
um 1300 in dem Sinne abgeschlossen, daß die Grundstücksgrenzen —
soweit das Weichbild damals reichte — festliegen. Sie bleiben mit wenigen,
in besonderen Umständen begründeten Ausnahmen unverändert bis zur
Neuzeit (siehe dazu den von Leonhardt für den niedersächsischen Städte-
atlas vorbereiteten Plan der Grundstücksgrenzen seit 1428). Es tritt
lediglich eine Differenzierung der Besitzverhältnisse innerhalb der Grenzen
der mit vollem bürgerlichen Becht begabten Grundstücke (domus) ein
durch die Abteilung von Wohnstätten minderen Bechtes (bodae). (Siehe
darüber „Bürgerhäuser".)
Die Blockaufteilung des Weichbildes durch ein rostförmiges Straßen- Biockaufteiiu
System mit nur wenigen Querstraßen ist um 1300 abgeschlossen.
Dieses System ergibt sich aus der Erweiterung des durch Schmiede-
Marktstraßenzug und Osterstraßenzug aufgeschlossenen Kernes einmal
durch die Bebauung des an den Klosterhöfen vorbeiführenden Weges
nach dem landesherrlichen Wirtschaftshof, der Leinstraße. Diese zog
auch die Bebauung der Köbelingerstraße, bis dahin eines rückseitigen
Zufahrtweges für die Grundstücke der Marktstraße, wie er sich als Gasse
„Hinter der Mauer" vielerorts erhalten hat, nach sich. Andererseits
ergab das System sich aus der Auflassung des Wirtschaftshofes, dessen
Erhaltung — munitio inter castrum pp. sie manebit - noch 1241
vorgesehen war, die wiederum die Bebauung der Knochenhauerstraße,
des schmalen Trennungsgeländes zwischen Stadt und Hof ermöglicht
und einen neuen Weg zum Steintore, den wohl daher sogenannten
neuen Steinweg, schafft.
Auch in der Verwaltungsteilung der Altstadt zeichnet sich dieser
Entwicklungsgang des Weichbildes ab. Zu dem Viertel der Osterstraße,
welche in ihrem Nordwestende vom zeitweise sogenannten Pferdemarkt
an Kopperslägerstraate, auch Gropengeterstraate, im Mittelalter hieß,
gehörten das Große und Kleine Wulveshorn, jetzt Große und Kleine
Packhofstraße, die Unslinger- später Seilwinderstraße und die Grütte-
meker-, später Böselerstraße. Bösehof, Johannishof, Potthof sind erst
im 16. und 17. Jahrhundert Straßen geworden. Zum Viertel der Markt-
straße gehörte als Fortsetzung die Schmiedestraße, ferner die Juden-,
jetzt Schuhstraße. Zur Köbelingerstraße gehörten Damm-, Kramer-,
Knochenhauer-, Bock- später Juden-, jetzt Ballhofstraße, Kreuzstraße
und Kreuzkirchhof, Tiefenthal, Goldener Winkel, Mauernstraße, jetzt
Marstallstraße, und Vrenschenhagen, jetzt Kaiserstraße. Das vierte
Stadtviertel hieß nach der Leinstraße; zu ihr gehörten deren Verlänge-
rung, nämlich die Stadt-, jetzt Burgstraße, ferner Knappenort, Twenger-
straate oder Blauer Donner, jetzt Neuer Weg, die Mühlenstraße, die
27
Weichbildent wicklung
Schuh-, jetzt Schloßstraße, die Brückstraße, jetzt Ernst-August- Straße,
Stovenweg-, jetzt Rademacherstraße, Beginen-, jetzt Pferdestraße und
Pieperstraate, jetzt Roßmühle.
Im Jahre 1431 sah sich der Magistrat, um Wohnstätten für den Be-
völkerungszuwachs zu schaffen, zu dem Beschlüsse genötigt, daß die
wüsten Statten, die vor Zeiten dingpflichtig waren, bebaut werden sollten,
andernfalls sollten sie enteignet werden, und der Rat wollte die Bau-
arbeiten selbst übernehmen.
Caienberger Die Neustadt, die im weiteren Sinne auch den Burgbezirk und den
Neustadt Brüiil umfaßt, findet, hier von jenen Unterbezirken und dem preurbium
gesondert, die erste sichere Erwähnung in einer Urkunde aus dem Jahre
1283 (Urk. B. Nr. 47a. Siehe die Anm. 5 auf S. 46).
Die seit 1652 geführten Schoßregister der Neustadt lassen noch die
Cloppenburg - - die Vorburg oder den Baumgarten - - erkennen, einen
Gebietsteil, an den sich im Osten die Burg Lauenrode unmittelbar an-
schloß. Östlich der Burg erstreckte sich ein zu ihr gehörender Mühlen-
bezirk.
Diese drei Teile des Burgbezirkes bildeten ein ostwestlich sich er-
streckendes Rechteck, das im Süden und Westen von einem Leinearm
berührt wurde, von dem der spätere Judenteich ein kolkartig erweitertes
Überbleibsel war.
Auf ebenfalls hochwasserfreiem Gelände, nordwestwärts, wird die
• älteste Siedlung Honovere vermutet. Sie zerfällt spätestens seit Er-
bauung der Burg um 1200 und den dadurch veranlaßten Leinedurchstich
in die 1283 genannten Teile Brühl und Preurbium, und hat sich wohl
bis an den heutigen Königsworther Platz und die Goseriede erstreckt.
Hier lagen die in Kotstätten aufgeteilten Lehnshöfe von wenigstens
einem Dutzend adeliger Geschlechter. Anfangs des 14. Jahrhunderts
wurde der größere Teil dieser Siedlung den militärischen Interessen
der Altstadt geopfert, während ein nicht unbeträchtlicher Teil der Rest-
siedlung auf dem Brühl 1648 zugunsten der Clevertorbefestigung der
Neustadt fiel.
Ganz anderen Charakter trägt das Gebiet der Neustadt im engeren
Sinne.
Im Überschwemmungsgebiet gelegen, war es durchflössen vom
„äußersten Mühlenstrange" der Leine und deren vielfachen Verzwei-
gungen, die teilweise durch Zuflüsse von der Ihme verstärkt wurden.
Wir finden es besetzt von 8 bis 9 Sattelhöfen der eigentlichen Burg-
mannen, die sich nordwärts der in der Gegend des nachmaligen Roten
Turmes (Gelände des Hilfslazarettes an der Adolfstraße) sich vereinigenden
beiden Ihmearme erstreckten, teilweise durchschnitten von der Heer-
straße. Von West nach Ost waren es ein großer v. Altenscher Hof, daran
anschließend drei v. Iltensche Höfe, ein Türckscher Hof; ein fünfter
28
Weichbildentwicklung
Hof, gegenüber dem Baumgarten, gehörte den v. Alten -- auf ihm wurde
nach der Zerstörung der Burg die Kapelle St. Marie errichtet - ferner
ein v. Limburgscher Hof (Friederikenstift) usw. Ursprünglich dem per-
sönlichen Aufenthalte des Burgmanns und seiner Reisigen dienend,
scheint ein Teil von ihnen die bei Niederlegung des Preurbium obdachlos
gewordenen Kotsassen des gleichen Grundherrn aufgenommen zu haben,
während ein anderer seit Zerstörung der Burg völlig unbenutzt liegen blieb.
Das geringe Neustädter Gemeinwesen, das vorwiegend aus Knechten
und Leinewebern bestand, war, obwohl es 1284 vom Bischof Volquin
von Minden ein oppidum genannt wird (s. v. Spilcker a. a. O. S. 122),
seiner rechtlichen Verfassung nach ein Dorf. Es war von der Burg ab-
hängig und blieb auch nach deren Zerstörung 1371 unter der Botmäßigkeit
eines landesherrlichen Vogtes. Durch den Fall der Burg erlitt die Neustadt
schwere Einbuße; ihre Fortentwicklung wurde gehemmt durch elementare
Ereignisse, wiederholte Überschwemmungen und Feuersbrünste. Dazu
kam die Eifersucht des Rates zu Hannover, der 1407 und abermals 1433
die Übersiedlung aus der Altstadt in die Neustadt bei hoher Vermögens-
einbuße verbot. Ein Statut von 1486 untersagt den Altstädter Bürgern
das Bauen auf den Ländereien, die sie etwa im Gebiete der Neustadt
besäßen.
Eine Entwicklung der Neustadt in städtebaulichem Sinne beginnt
in bescheidenem Maße gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit der Auf-
teilung des Burgbezirkes. Aber erst die schweren Zeitläufte des 30jährigen
Krieges, die für den Herzog Georg von Calenberg wesentlich die Wahl
Hannovers zu seiner Residenz bestimmt haben, bringen die Entwicklung,
welcher das seltene Beispiel deutscher Städtebaukunst im 17. Jahrhundert
zu verdanken ist, wie es in der Calenberger Neustadt noch heute fast
unberührt vorliegt. Diese Entwicklung geht unter unmittelbarer Be-
einflussung durch den Landesherrn vor sich, der mit der Befestigung
der Neustadt eine bewußte und weitausschauende städtebauliche Planung
verband und in späteren Anordnungen die weitere Ausgestaltung be-
stimmte.
Die Befestigung beseitigte durch die Abschneidung und Verlegung
des äußersten Mühlenstranges die Überschwemmungsgefahr, so daß
der Brand bebauungsfähig wurde. Außerdem gewann man Baugelände
dadurch, daß die Altstadtbefestigung am Leinewerder als überflüssig
hinweggeräumt werden konnte.
Die Besiedlung förderten die Herzöge durch die Erteilung von Pri-
vilegien und Freiheiten und durch die Duldung aller Glaubensbekenntnisse.
Eine politische Vereinigung mit der Altstadt, die 1652 vom Altstädter
Magistrat angestrebt wurde, lehnte die Regierung ab, um freie Hand in
der Ausgestaltung der Neustadt zu behalten; sie verwies darauf, daß
der Herzog sich den Bau seiner Residenz auf der Neustadt vorbehalte.
29
Weichbildentwicklung
Die Bebauung des hochwasserfrei gewordenen Geländes begann
unmittelbar nach 1618 (s. dazu die Karle in H. G. 1927, Tafel V). An
neuen Straßen entstanden die Wagener-, Brand-, Mittelstraße und die
Calenberger Straße. Wegen des hohen Grundwasserstandes mußten
die Häuser auf Pfahlrosten gegründet werden.
Als Finanzmann und Bauunternehmer durch Gelegenheit spielt der
Kaufherr Johann Duve in der Siedlungsfrage eine sehr wichtige Bolle.
Der Herzog Georg Wilhelm erließ an ihn am 14. November 1660 eine
Verfügung, der gemäß Duve den weiteren Ausbau der Calenberger Neu-
stadt vorzunehmen hatte (den Wortlaut der Verfügung siehe Hann.
Magazin 1835, S. 71 bis 73).
Das Ergebnis der daraufhin von Duve in den Jahren 1661 — 1664
entwickelten Bautätigkeit sind die fast unberührt erhaltenen Häuser-
gruppen der Boten Reihe, der Großen und der Kleinen "Duvenstraße.
Es sind vierzig Wohnhäuser in vier Zeilen auf fünf zusammengekauften
adeligen Höfen erbaut. Für jede der Straßen ist eine Einheitsform ge-
wählt: die Häuser der Roten Reihe bildeten eine große Mietskaserne,
wogegen die der Großen Duvenstraße als dreigeschossige Patrizier- und
Kaufmannshäuser mit dielenartigen Einfahrten und geräumigen Höfen
ausgestattet waren. Die Kleine Duvenstraße bestand aus einheitlich
dreiachsigen Wohnhäusern von drei Geschossen für Kleinbürger.
Die gegebene Hauptstraße der Neustadt war der Calenberger Steinweg,
der den Verkehrsstrom vom Lande her durch das 1648 fertiggestellte
Calenberger Tor nach dem Leinetor zu in einem gegen die früheren Zeiten
teilweise veränderten und begradigten Verlauf leitete. An dieser Straße
legte Georg Wilhelm 1661 den Marktplatz für die Neustadt an, indem er
die. kolkartige Erweiterung der Leine südlich des Lauenroder Berges,
die damals Judenteich hieß, zuschütten ließ. Die Arbeiten dauerten
über die Bauzeit der Kirche hinaus, die am Nordrande des gewonnenen
viereckigen Platzes 1666 entstand. 1678 wurde durch den Bauschreiber
Brand Westermann das Kieselpflaster hergestellt. Erst 1719 zedierte die
Landesherrschaft den Platz an die inzwischen in die Reihe der „kleinen"
Städte aufgenommene Neustadt (Red. Chron., S. 813).
Altstadt- Die Lange Straße in ihrem unteren Teil und die Neue Straße wurden
erweiterungen. cjem Altstädter Festungsgelände durch Zuschütten der Gräben abge-
wonnen. Ihre Bebauung geschah seit 1681; sie wurde großenteils finan-
ziert durch den Herzog Ernst August und ausgeführt nach den Plänen
Brand Westermanns.
Zu den großen Erdmassenbewegungen, welche durch diese Platz- und
Straßenanlagen bedingt waren, gehört die Planierung des 1541 als „Dreck-
wall" aufgeschütteten „Hohen Ufers". Neben dem Beginenturm war 1643
bereits das landesherrliche Zeughaus entstanden; flußabwärts schloß sich
daran der Marstallbezirk, dessen Anlage etwa um 1650 beginnt (Plan der
30
Weichbildentwicklung
Gegend von Zeughaus, Stadtmauer usw. am Hohen Ufer (um 1650) im
Staatsarch., Karten, Katal. A. IV. B. 4). Hier lag um die Wende des
17. Jahrhunderts das Feld städtebaulicher Betätigung. An die 1682 durch
einen Durchbruch des Eckturmes geschaffene Toranlage, zu der der Torplatz
und die davorliegende Leinebrücke zu rechnen ist, gliederte 1712 — 1714
Bemy de la Fosse eine Erweiterung des Marstallbezirkes nordwärts an.
Die geschlossene Gestaltung desselben erzielte er durch die Abstimmung
der neuen Marstallgebäude auf gleiche Simshöhen mit den älteren und
durch eine Bepflanzung des Flnßufers mit Pappelbäumen in gleichmäßigen
Zwischenräumen. Die Erweiterung des Bezirkes war durch eine Hinaus-
schiebung des nördlichen Walles und Grabens erreicht.
Mit dieser steht ferner im Zusammenhange eine kleine Verlängerung
der Steintorstraße, deren Häuser in der nächstfolgenden Zeit in Fachwerk
erbaut wurden. Der mittelalterliche Steintorturm bestand bis 1741.
Diese Veränderung bildete den Ersatz für eine Stadterweiterung beim
Steintore, die schon 1707 geplant war, und zu der Remy de la Fosse zwei
Entwürfe geliefert hatte. An Stelle des Steintores sollte ein unregelmäßig
rechteckiger Platz treten. Das Straßennetz bestand aus rechtwinklig
zueinander verlaufenden Straßen, die cpiadratische Häuserblocks ein-
schlössen.
Die Übersiedlung des Hofes nach England im Jahre 1714 machte
nicht nur diesen Plan zunichte, sondern brachte auch die städtebauliche
Fortentwicklung Hannovers auf Jahrzehnte zum Stillstande. Mit einer
Vermehrung der Bevölkerung war einstweilen nicht zu rechnen, das
Bedürfnis nach Raum steigerte sich nicht.
Ein solches Bedürfnis bestand auch noch nicht, als seit dem Jahre Ägidienanbau
1746 der Bürgermeister Ulrich Grupen seine Stadterweiterung, den
Ägidienanbau, betrieb; er hatte den kühnen Gedanken, durch Schaffung
von Siedlungsraum den erwünschten Bevölkerungszuwachs herbeizu-
ziehen, um dem wirtschaftlichen Rückgange der Stadt entgegenzuwirken.
Die neue Bebauungsfläche sollte durch eine Ausfüllung des Haupt-
grabens zwischen der Bährenbastion und der Süder-Bothfelder Bastion
gewonnen werden. Mit dem Entwurf dieser Stadterweiterung wurde
zunächst der Hauptmann und Stadtbaumeister E. Braun beauftragt,
der im Oktober 1746 zwei Pläne einlieferte, welche die Schleifung von
einem Stück des inneren Stadtwalls vorsahen und 26 bzw. 60 Häuser
hinter dem Ravelinwall des Ägidientores einpferchten. Zwei weitere
Entwürfe Brauns schoben die Erweiterung bis zur Contre garde vor
und gaben Platz für den Bau von etwa 120 Häusern.
1747 wurde der Festungsbaumeister Dinglinger mit Entwürfen befaßt.
Fünf Pläne von ihm liegen vor. (Die Braunschen und Dinglingerschen
Pläne befinden sich im Stadtarchiv; Dinglingers erster Riß vom März
1747 in der Ratsregistratur: „Stadterweiterung" II. 1.) Dinglinger nahm
31
Weichbildentwicklung
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Abb. 3. Hannover; Anlageplan für den Aegidienanbau nach dem Original Dinglingers vom Oktober 1747.
Stadtarchiv.
die letzte Lösung Brauns auf: im Mittelpunkt der Stadterweiterung,
dem jetzigen Hundemarkt, einen durch ein Straßenkreuz durchschnittenen,
Abb. 3 fast quadratischen Platz. Diese Planung fand den Beifall des Königs
Georg II. Für die Ausführung kommt Dinglinger allein in Frage; er hat
für jedes Haus einen Lageplan gefertigt, die Bisse geliefert und die Ober-
aufsicht geführt. (Näheres bei Habicht, H. G. 1916, S. 274; O. Ulrich
in Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1893, S. 165 ff.; Schlemm, Zentral-
blatt d. Bauverw. 1917, S. 548 ff., 553 ff.)
32
Tafel 3
Hannover; Stadtplan von Matthaeus Seutter um 17 15.
Weichbildentwicklung
Bei den Block- und Straßenfronten der Ägidien-Neustadt, wie diese
zum Unterschiede von der Calenberger Neustadt genannt wurde, ist
durch gleichmäßige Breite der Häuser und gleiche Höhen eine Einheit-
lichkeit angestrebt, allerdings nicht überall durchgeführt oder später
durchbrochen. Die Häuser sind Fachwerkbauten; nur ausnahmsweise
finden sich Massivbauten mit mäßigerVerwendung von Zierformen darunter.
Die Erwartungen Grupens erfüllten sich nur so weit, als von den neu
geschaffenen Bauplätzen zu Beginn des Siebenjährigen Krieges 72 besetzt
waren; neue Erwerbs- und Handwerksarten ließen sich aber nicht herbei-
locken. Der Ägidienanbau wurde beliebt als Beamten- und Honoratioren-
viertel.
Bedecker (Chron. S. 14) zählte 1750 in der alten Stadt „wann die Tafel 3
Auslage am Aegidienthor völlig bebauet seyn wird, 1026 Häuser und auf
der Neustadt 171". Mit etwa dem gleichen Gesamtbetrage trat die Stadt
in das neue Jahrhundert ein. Lohmann (a. a. O. Anhg. S. 219) gibt um
1818 die Häuserzahl Hannovers auf 1 150 an, die bürgerliche Einwohner-
zahl auf 20500, einschließlich Militär auf 22000. Die Altstadt enthielt
nach seiner Angabe damals 985, die Ägidien-Neustadt 79, die Calenberger
Neustadt 380 Häuser. Da seit der Schleifung der Festungswerke das
Wohnen vor den Toren zugenommen hatte, konnten die beiden Garten-
gemeinden eine Vergrößerung verzeichnen.
Die Entfestigung ermöglichte eine Erweiterung des Weichbildes Friedrichstraße
städtebaulich wie rechtlich zu Ende des 18. Jahrhunderts: im Anschluß
an die Ägidien-Neustadt wurde 1783 die Friedrichstraße mit ihrer Seiten-
allee angelegt, sogenannt nach dem Herzog Friedrich von York. Durch
den Kammervergleich vom 13. Februar 1782 war die Jurisdiction der
Altstadt über diesen Weichbildzuwachs geregelt. Die Friedrichswall-,
allee fand nordwestlich zunächst ihren Abschluß am Mühlenplatze gegen-
über der 1768 geschaffenen Esplanade, wo im Jahre 1790 in dem Bam-
bergschen Leibniztempel ein Blickziel erstand. Die ursprüngliche Be-
pflanzung der Wallallee bestand bis 1806 aus ,,Platanusbäumen"; die
späteren gärtnerischen Anlagen gingen auf Schaumburg zurück.
Andererseits der Ägidien-Neustadt war 1787 der Festungswall bis Georgstraßc
zum Steintore abgetragen und bald darauf eine Straße angelegt, die
nach Georg III. ihren Namen erhielt, weil der König deren Herstellung
durch erhebliche Zuschüsse gefördert, auch für jeden Neubau Beihilfen
zugesichert hatte.
Die Bebauung beider Bingstraßen war einseitig gedacht, die andere
Seite bildete die Wallpromenade. Neubauten entstanden mir zögernd;
die Zeitumstände ließen bis zum Friedensschluß von 1816 keine Baulust
aufkommen, obgleich auch der Magistrat neben der unentgeltlichen Ab-
gabe von Grundstücken und zehnjähriger Abgabenfreiheit die Lieferung
von Bausteinen aus der städtischen Ziegelei zugesagt hatte.
3 33
Weich l)i kirnt wicklung
Seit etwa 1 <S 1 <S siedelten sieh an Friedrich- und Georgstraße die
adeligen Familien von Platen, von Bremer, von Campe, von Wangen-
heim, von Linsingen, von Schulte usw. an. Ihre Häuser waren meist von
nüchternen, in napoleonisch-klassizistischen Formen gehaltenen Fassaden,
die sich höchstens durch vorgesetzte Säulen und flache Giebel auszeichneten.
19. Jahrhundert Eine Kommission „zur Beförderung der Baue . . . und der Verschöne-
rung derselben" trat 1822 in Wirksamkeit; zu ihr gehörte Laves.
Laves Laves war seit 181 1 in Hannover als Hof-Bauverwalter eingestellt;
er hatte sofort begriffen, daß allein eine Hinausverlegung des Besidenz-
schlosses aus der City Schaffensfreiheit für den Architekten und Ent-
wicklungsmöglichkeit für die Besidenzstadt gewährleisten würde, wo es
sich darum handelte, daß „eine anständige Besidenz für den Souverain
in Stand gesetzt werde" (Schreiben des Königs an das Ob.-Hof-Marschall-
Amt v. 3. 12. 1816). Die königliche Entscheidung aber bestimmte, daß
aus Gründen der Kosten das Leineschloß wiederherzustellen und aus-
zubauen sei. Damit entfiel die Verwirklichung des Lavesschen Grund-
gedankens, der der Besidenzstadt städtebaulich einen ganz neuen Ent-
wicklungskern zugebracht haben würde.
Zum Bilde der städtebaulichen Gesamtgestaltung der Königlichen
Besidenzstadt, wie es Laves vorgeschwebt haben mag, gehört die Schützen-
Abb. 4 hausanlage in der Ohe von 1826 mit ihrer Allee und dem Neuen Tore (1833),
an die sich der Park von Bella Vista mit der Villa der Frau von Schulte
angliederte. Oberhalb von Linden, das damals die Gartenvorstadt von
Hannover war, erhob sich, als Blickziel für die gesamte Stadt und ihre
Abb. 4. Hannover; Das Neue Tor, erbaut 1833. Phot. IS'JU.
34
Weichbildentwicklung
a^irim^^
Abb. 5. Hannover; „Plan von dem jetzigen Zustande der Umgebung des Königlichen Schlosses zu
Hannover in Beziehung eines nach dem Projekt A anzulegenden, mit roten Linien angedeuteten,
größeren Faradeplatz.es". O. J. signiert von Laves. (Orig. Staatsarchiv, Karten L. 1.)
Umgebung samt den Herrenhäuser Gärten gedacht, die Villa auf dem
Lindener Berge, von großzügigen Anlagen umgeben, an welche sich der
von Altensche Parkbezirk anschloß.
Die wachsende Industrialisierung Hannovers und Lindens hat diese
Züge einer städtebaulichen Planung in romantisch-klassizistischem Sinne
heute bis zur Unkenntlichkeit überwuchert.
Über seine unmittelbare Bauaufgabe hinaus beschäftigte Lavesfortgesetzt
das Problem, Schloß und Stadt zu einer städtebaulichen Einheit in Beziehung
zueinander zu bringen. Dahin zielen Entwürfe aus dem Jahre 1827, die ein
Strahlensystem von Straßen die Altstadt, vom Schloß ausgehend, durch-
schneiden lassen, welche aufgenommen werden durch den Georgstraßenring
in kreisförmig gedachten Schmuckplätzen an den Schnittpunkten.
Gleichzeitig (1826 — 31) spielt die Anlage des Waterlooplatzes*),
eines Bechteckes von 394 m Länge und 130 m Breite mit halbkreisförmigen
Ausbuchtungen an den Schmalenden, mit der Mittellängsachse auf Schloß-
mitte und Marktkirchturm bezogen; am südwestlichen Ende erhebt sich
Abb. 5.
*) 1830 wurden die letzten Bastionen durch die einberufenen Artillerie- und
Trainreserven abgetragen.
35
Weichbildentwicklunfl
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Abb. ('). Hannover; „Entwurf zu einer Erweiterung der Königlichen Residenzstadt
Hannover". Ausschnitt. Original signiert von Andreae 1831 im Stadtarchiv. Maßstab
links in Fuß, rechts in Hüten Calbg.
36
Weichbildentwicklung
die Waterloosäule, militärische Gebäude umgeben den von Linden um-
säumten Platz (Entwürfe zum Wateriooplatz und zur Waterloosäule
im Staatsarchiv, Kartensammlung L. 1).
Mit dem Jahre 1828 beginnt eine Zeit der Vorentwürfe für die Er-
weiterung der königlichen Residenzstadt. Außer Laves ist an diesen Abb. 6
der Baurat Hagemann und sehr beachtlich Andreae beteiligt. Es
handelt sich einmal um die Arrondierung des westlichen Teiles der Stadt,
vor der Laves eine nach dem Verlauf der Befestigung gekrümmte Straße
mit Grünanlagen und Wasserläufen vorsieht. Vor der Windmühlen-
bastion sind Häuserblocks eingeteilt (1830), durch die nachmalige Luisen-,
Theater-, Sophienstraße und den Georgsplatz. Bei der heutigen König-
straßenunterführung ist ein Triumphtor mit Wachgebäuden geplant.
Mit der Umgestaltung des Walles zwischen Calenbergertor und Neuer
Esplanade beschäftigen sich Hagemann und Laves 1830 und 1832. Zwei
undatierte Pläne von Laves behandeln die Gegend zwischen Windmühlen-
platz und Ägidientor. Auf dem einen der Pläne ist der Eingang zum
Ägidientorplatz von der heutigen Marienstraße durch ein Triumphtor
mit halbkreisförmigem Kolonnadenplatz abgeschlossen (Staatsarchiv
Karten D 29, 32, 36, Staatsarchiv Katalog II A. b. 63; Katalog B., S. 118
Nr. 29).
Die königliche Baukommission gab 1834 (2. April) in den „Hannover-
schen Anzeigen" bekannt, daß sie mit der Entwerfung eines umfassenden
Bauplanes höchsten Ortes beauftragt sei und daß künftig die Erstreckung
des städtischen Zingels über einen Teil des Steintorfeldes ausgeführt
werden würde, so daß der allerhöchsten Ortes für solchen Fall genehmigte
Erweiterungsplan dabei befolgt werden solle.
Als im Juni 1840 die Pläne der Erweiterung zur Beratung kamen
(Näheres darüber s. Hausmann, a. a. 0. S. 172), waren diese Vorschläge
im Lavesschen Sinne so weit gesichert, daß auch die neu hinzutretende
Frage der Anlage des Eisenbahnhofes eine Lösung fand, die sich in die
Lavessche Planung der sogenannten Ernst-August- Stadl einpaßte. Am
14. Februar 1843 wurde der Lavessche Plan der Bahnhofsanlage zur
Ausführung beschlossen.
Da Hannover außerhalb der Zingeln keine der Stadthoheit unter- Eingemeimhin^n
stehende Feldmark besessen hat, so verknüpft sich jede einzelne Aus-
dehnung des Weichbildes mit einem politischen Akt. Bei einem Teil des
Ägidienanbaues, der zum Hoheitsgebiet des Amtes Coldingen gehörte,
führten erst 30 Jahre andauernde Verhandlungen 1782 zur Vereinigung
mit der Altstadt.
Das Verhältnis der Calenberger Neustadt zur Altstadt, deren beider
Weichbildgebiete ohne natürliche Grenze ungetrennt ineinander über-
gingen, während jedes unter eigener Verwaltung bei verschiedener Ver-
fassung stand, bedurfte seit den Freiheitskriegen um so mehr einer
37
Weichbildentwicklung
Regelung, als die Interessen der beiden Gemeinwesen sieh immer enger
miteinander verquickten. Als äußere Anerkennung ihres günstigen
Entwicklungsstandes war die Einreihung der Calenberger Neustadt
unter die kleinen Städte des Herzogtums bereits 1710 geschehen. Beide
Slädte zu vereinigen gelang nach langwierigen Verhandlungen, die am
12. März 1824 zum Abschluß führten.
Vor den Toren hatten sich seit Beginn des 1«S. Jahrhunderts zerstreute
Niederlassungen angebaut, über deren Zuwachs Redecker gelegentlich
Aufzeichnungen hinterlassen hat. Das Gebiet dieser Niederlassungen
gehörte links des Schiffgrabens zum Amte Coldingen, rechts zu Langen-
hagen. Nachdem sie sich zur Agidientor-Gartengemeinde und Steintor-
Gartengemeinde zusammengeschlossen hatten, schieden sie 1793/95 aus
den Amtern aus und bildeten zusammen das Amt Hannover. Dieses Amt
wurde 1828 in Ortschaften zergliedert: sechs für die Agidientor-Garten-
gemeinde, acht für die Steintor-Gartengemeinde. Als besondere Ort-
schaften zählten Glocksee und Ohe*). 1843 faßte man die Ortschaften
zusammen unter dem Namen ,, Vorstadt Hannover"; Glocksee und Ohe
bildeten eine abgesonderte Gemeinde. Aus der „Vorstadt" wurde nach
Fertigstellung der Eisenbahn 1817 schließlich der Ernst-August-Stadtteil
ausgenommen und ging in die Verwaltung des Magistrates über.
Die Gemeindeverwaltung der Vorstadt betrieb 1852 auf Anregung
und Unterstützung der Regierung die Wiederaufnahme von Verhand-
lungen zur Vereinigung mit der Hauptstadt, die 1835 gescheitert waren.
Auf Grund der Vereinbarungen vollzog dann eine Verordnung des Königs
vom 27. Mai 1859 die Vereinigung, und zwar mit ausdrücklicher Ausnahme
des Schloß- und Gartenbezirkes Herrenhausen sowie des Geländes der
Cavalleriekaserne am Königsworther Platz (s. Staatsarch. Kartenkatalog B.
S. 74 Nr. 74 Charte des aus den Königl. Besitzungen in der Vorstadt
Hannover gebildeten besonderen Gemeindebezirks [1865]).
Eine Erweiterung der Innenstadt förderte die Regierung seit 1854,
indem sie das fiskalische Kanonenwallgelände an die Stadtgemeinde
abtrat unter der Bedingung, daß die Vorstadt Glocksee Anschluß an die
Hauptstadt fände. Die Abtragung des Walles wurde der Stadt sogleich
vom Kriegsministerium gestattet, doch gerieten die Verhandlungen
betreffs der Glocksee ins Stocken. Auf Grund des sogenannten Kanonen-
wall-Rezesses, der 1866 diese Verhandlungen abschloß, konnte erst am
1. Januar 1870 die Vereinigung der Vorstadt Glocksee mit Hannover
vollzogen werden.
Die Eingemeindungen hatten der Stadt in wenig mehr als drei Jahr-
zehnten einen Geländezuwachs gebracht, der städtebaulich allergrößten-
teils ein Wirrsal darstellte, das nicht binnen kurzem zu meistern war,
*) Als zum Gericht Linden gehörig.
38
Tafel I
Plan der Königlichen Residenzstadt Hannover, der Vorstädte Hannover und Glocksee und der Gemeinde Linden, 1854. Ausschnitt.
Weichbildentwicklung
zumal die Mittel beschränkt blieben und nicht dringendes Baubedürfnis
diese Eingemeindungen veranlaßt hatte.
Auf Grund der von Laves lange vorbereiteten Plane begann 1842 die Ernst- August- Stadt
Ausgestaltung der Ernst-August-Stadt. Die längs des Georgstraßen-
walles aufgereihten Reste der Bastionen hatten das Motiv für die. Folge
großabgemessener Platzanlagen - des Ägidientor-, Georgs- und Theater-
platzes - - geliefert. Den südöstlichen Abschluß des bis zur Artillerie-
und Rosenstraße herumgreifenden Stadtteiles bildete die längs des be-
gradigten Stadtgrabens angelegte Prinzenstraße. Die Blockaufteilung
folgte der erwähnten Planung von 1830.
Das Bahnhofsgelände gliederte Laves diesem Stadtteile an durch das
System des polygonalen Ernst-August-Platzes mit seinen strahlenförmig
von ihm ausgehenden Straßen, unter denen die mittlere, die Bahnhof-
straße, als Hauptzuweg in die Achse: Waterloosäule - - Schloß Markt-
kirche -- Bahnhof fällt. Wie die Bahnhofstraße, verlief auch die Reitwall-,
spätere Schillerstraße, großenteils auf dem Gelände des zugeschütteten
Stadtgrabens. Die Verlängerung der Schillerstraße wurde stadteinwärts
auf dem Gelände des Hofmarstalles fortgeführt.
Die Bebauung dieser Straßen kam in Fluß, als der seit 1847 fertig-
gestellte Eisenbahnhof den Verkehr an sich zu ziehen begann.
Die schleppende Behandlung des Kanonenwall-Problems hat die
Anlage des heutigen Goethe-Humboldtstraßenzuges und seiner Umgebung
in die Jahre nach 1865 hinausgerückt, wo von der Gestaltung, die Laves
für diese Gegend einst geplant hatte, nicht mehr die Rede sein konnte.
Der Beginn stadtmäßiger Bebauung im Gebiete der ehemaligen Vor- Bebauungsplan von
stadt Hannover folgte der raschen Entwicklung der Ernst-August-Stadt.
Einen Bebauungsplan für das unmittelbar nördlich des Eisenbahnhofes
belegene und von dem Ernst-August-Stadtteile durch das sogenannte
„Eisenbahntor" beim Tivoli zugängliche Gelände hatte die königliche
Baukommission im Jahre 1852 aufgestellt*). Auf den Rat von Laves Tafel 4
waren die Straßen in gleicher Breite geplant wie in der Ernst-August-
Stadt. Der Einspruch der Grundeigentümer hiergegen, dem die Regierung
stattgab, bewirkte aber eine Einschränkung der Straßenbreiten und hat
die bauliche Ausgestaltung des Viertels, das auch die Werkstätten der
Eisenbahn aufnehmen mußte, beeinträchtigt (s. auch Sievert a. a. O.
S. 103).
Im nordwestlichen Teile der Vorstadt schloß sich die Bebauung in
den führenden Linien an das System der bei der Goseriede vor dem
Steintor sich sammelnden alten Heerstraßen an. Der Anbau der „Alten
*) „Plan der Königlichen Residenzstadt Hannover, der Vorstädte Hannover
und Glocksee und der Gemeinde Linden mit Bezeichnung der öffentlichen Straßen
in außerstädtischem Districte. 1854. In Commission bei Schraders Nachfolger
zu Hannover." Vier Blätter.
39
Weichbildentwicklung
Celler I leerstraße", welche infolge der Durchschneidung durch die Eisenbahn
benachteiligt war, ging zunächst in dem zwischen Artilleriehof und Bahnhof
belegenen Teile, der sogenannten Artilleriestraße, vor sich und war 1854
auf der stadtwärts belegenen Seite vollständig. Die nach der Einrichtung
des Posthofes am Postkamp 1643 geschaffene Celler Straße, die noch um
1860 eine zwischen Graben verlaufende, baumbepflanzte Landstraße war,
wurde in ihrer Bebauung wesentlich gefördert durch die Anlage des
Weifenplatzes und der diesen Platz umsäumenden Kasernen (1858/60).
Der Engelbosteler Damm baute sich stadtmäßig aus, als auf dem zu-
geschütteten Ochsenpump durch königliche Stiftung 1859 die Christus-
kirche entstanden war. Das im Entstehen begriffene Weifenschloß schließ-
lich machte das Gartengelände an der Langen Laube und an der Brühl-
straße für den Adel als Baugrund begehrenswert.
Auf die alte Grenzteilung zwischen Steintor und Ägidiengarten-
gemeinde griff Georg V. zurück, als er 1862 den nordwestlich des Schiff-
grabens sich erstreckenden Teil der „Vorstadt" nach seinem eigenen
Namen ,, Georgstadt" benannte, während der andererseits des Schiff-
grabens belegene Teil nach der Königin Marie seinen Namen erhielt.
In der Marienstadt konnte die stadtmäßige Bebauung vielfach an
die Führung vorhandener Gartenwege anknüpfen, die erschlossen wurden
durch die Heerstraße nach Braunschweig. Nachdem der Platz am
Ägidientor infolge des Abbruches der Wache 1861 in polygonale Ge-
stalt gebracht war, hatte man als neue Straßenzüge die neue Hildes-
heiraer Straße und die Maschstraße*) angelegt und deren Bebauung ein-
geleitet.
Die Kriege von 1866 und 1870/71 verursachten Stockungen in der
großstädtischen Fortentwicklung Hannovers, die in den Gründerjahren
in verstärktem Maße wieder einsetzte.
*) Die Maschstraße ist als Anfang der Straße nach Hildesheim ursprünglich
zwar vorhanden, wie die etwa 1665 zu datierende Karte im Stadtarch. zeigt. Der
Eingang in die Straße nach Hildesheim ist aber durch die Neuanlage der Ägidien-
torbefestigung nach der jetzigen Höltystraße verschoben.
40
Tafel 5
a) Hannover von der Ostseite; nach dem Kupferstich von Matheus Meriai 1
(Originalplatte r
A. Pfarrkirche S. Georgii et Jacobi.
B. Fürstlich Hans und Canzlei.
C. S. Crucis.
D. Neustädter Kirche.
E. Zeughaus.
F. Rathaus.
G. S. Aegidien-Kirche.
II. Die Neustadt.
J. Neustädter Thor.
K. Stein-Thor.
L. Calenberger Thor.
M. Lein-Thor.
N. S. Aegidien-Thor.
O. S. Nicolai-Hospital.
P. Linden.
b) Hannover vom Lindener Berge aus geseht
Liun
Ir Werdenhagens 1641 erschienenes Werk ,,De rebus publicis Hanseaticis"
Stadtarchive).
nach dem Kupferstich in Merlans Topographie der Herzogtümer Braunschweig und
rg, 1654. (Originalplatte im Stadtarchive).
Befestigung.
BURG LAUENRODE.
MITTELALTERLICHE MAUERBEFESTIGUNG.
Ältere Abbildungen.
Überreste der mittelalterlichen Mauer.
Wächtergang.
Mauertürme.
Stadttore.
Ausfallpforten.
Mittelalterliche Wall- und Grabenanlagen.
AUSBAU DER WALLBEFESTIGUNG BIS UM 1630.
Homeyden und Zwinger.
Stenhovede.
Streichmauern und Fausse brave.
Brücken.
Bäh reu.
Zingeln.
Gesamtbild um die Wende des 16. Jahrhunderts.
LANDWEHREN.
DIE FESTUNG SEIT DEM DREISSIGJÄHRIGEN
KRIEGE.
ENTFESTIGUNG.
„Demolition" 1780.
Promenaden.
41
Befestigung.
L)ie hannoversche Marktsiedlung stand unter dem Schutze des landes-
herrlichen Wirtschaftshofes, den man sich nach Analogie der in dem
capitulare de villis beschriebenen Stationshöfe als mit einer verteidigungs-
fähigen Umhegung („munitio") versehen vorstellen darf. Verteidigungs-
anlagen, etwa ein Hagen- oder Palisadenwerk, dürfen auch für die Markt-
siedlung im 11. und 12. Jahrhundert angenommen werden.
Nach der Überrennung und Niederbrennung von 1189 ging offenbar
die bisherige Rolle des Wirtschaftshofes auf eine wirkliche Veste, die Burg
Lauenrode, über.
bürg Die Burg Lauenrode wird zuerst 1215 genannt als der Ort, wo Graf
Conrad (II.) von Rothen eine Urkunde ausstellt (U. B. Nr. 3). Die Brüder
Conrad II. und Hildebold IL, die nach dem Tode ihres Vaters, Conrads I.,
die von diesem nachgelassenen Rechte und Güter zunächst gemeinschaft-
lich verwalteten, saßen 1208 auf ihrer Burg Limmer (Leyser, Historia
comitum Wunstorpiensium, 2. Aufl. S. 25/26). Im Jahre 1215 scheint
dann Conrad II. auf der Burg Lauenrode zu sitzen, nach der er in zwei
weiteren Urkunden sich Graf von Lauenrode nennt, während Hildebold
darin als Graf von Limmer bezeichnet wird (U. B. des Hochstiftes Halber-
stadt I. 488/89).
Auf welche Weise Conrad von Roden in den Besitz der Burg Lauen-
rode gelangt ist, geht aus den Urkunden nicht hervor. Wahrscheinlich
liegt die Entstehung der Burg nur wenig vor dem Jahre ihrer ersten
Nennung und hängt damit zusammen, daß die Niederbrennung der Stadt
Hannover im Jahre 1189 auch den landesherrlichen Wirtschaftshof so
sehr beeinträchtigt hatte, daß ein zeitgemäßer Wiederaufbau des Castrums,
das die landesherrlich-vogteilichen Funktionen zu tragen hatte, an be-
nachbarter Stelle vorgenommen wurde, nämlich auf dem markanten,
einst sehr viel höheren Sandberge des Brühles, eines von verzweigten
Leineläufen umflossenen Werders. Die Grafen von Lauenrode übten im
Namen des Landesherrn dessen Rechte aus. Nach Conrad II. (f 1227)
und dessen Sohn Conrad III., der 1239 kinderlos starb, saßen zwei un-
verheiratete Brüder, Heinrich II. und Conrad IV., auf der Burg Lauen-
rode. Sie erscheinen als unumschränkte Machthaber von Hannover'
42
Befestigung
stellten von sieh aus Vögte in der Stadt an (U. B. Nr. 4, 5. 6, 8) und
suchten die unter Heinrich dem Löwen verlorenen Rechte, die ihrem
Geschlechte als Lehnsgrafen zustanden, zurückzugewinnen.
Die Aussöhnung Otto's des Kindes mit dem Kaiser 12-11 bereitete der
Herrschaft der Grafen ein Ende, so daß sie die Burg verließen. Seitdem
war diese ausgesprochenermaßen eine Schutzburg für die Stadt. Die
Bürgerschaft hatte den vom Landesherrn eingesetzten Burgmannen
einen mäßigen Schutzzins zu entrichten. Der Mauerbau, den die Bürger
zur selbständigen Verteidigung ihrer Stadt unternahmen, wurde gleich-
wohl bald darauf begonnen.
In dem neunzehnjährigen Erbfolgekriege zwischen den Herzögen
Albrecht und Wenzel einerseits und dem Herzoge Magnus von Braun-
schweig andererseits, auf dessen Seite die Burgmannen standen, erfolgte
1371 durch die vom Kaiser Karl IV. anerkannten beiden Herzöge die
Erstürmung der Burg, an der sich die Bürgerschaft Hannovers beteiligte.
Die erstürmte Veste wurde den Bürgern überantwortet, die dann von
dem ihnen zugestandenen Rechte, sie zu zerstören und die Stätte zu be-
halten, Gebrauch machten. Die Niederreißung der Burg war ein kurz-
sichtiges Beginnen, weil es der Entwicklung der Neustadt, die für die
Altstadt günstiger hätte verlaufen können, Abbruch tat. Wie ein von
Grupen (S. 185) mitgeteiltes Schreiben des Rates zu Lüneburg an den
zu Lübeck zeigt, wurde von Zeilgenossen die Zerstörung mißbilligt.
Laut Kämmereiregister von 1379 haben in diesem Jahre Bürger-
meister und Rat am Burgberg Erde abgraben lassen (Grupen; S. 187),
und 1524 (nicht 1513) erteilte Herzog Erich dem Rate die grundsätz-
liche Erlaubnis zur völligen Abtragung, um die Wallanlage am heutigen
Hohen Ufer zu erhöhen. Gebrauch wurde davon jedoch erst 1541 gemacht
(Redecker). Da der Berg auch seit dem 16. Jahrhundert bebaut worden
ist, so sind Ruinenreste, welche die Art der Burganlage verdeutlichen
könnten, kaum mehr vorhanden. Lohmann, der um 1818 schrieb, sah
noch „ein kleines, altes, gewölbtes Haus mit einem Turm", das aber
wahrscheinlich nicht zur eigentlichen Burg, sondern zur alten Hofmühle
gehört hat (s. darüber IL G. 1927 S. 195). Noch heute aber besteht eine
hohe Bruchsteinmauer in der Struktur der Stadtmauer mit Pforte zwischen
dem Grundstück der alten Synagoge und den Grundstücken Bockstraße 8
und 9, die als Teil der äußeren Mauer auf der Nordseite der Burg gedeutet
weiden kann (Abb. H. G. 1927 Tafel VI).
Der Burgbezirk auf dem oberen Teile des Brühls bestand außer dem
Burgplatze Lewenroth selbst aus der westlich davon belegenen Vorburg,
die der Baumgarten oder die Cloppenburg genannt wird, und dem Hof-
Mühlenbezirk im Südosten (s. dazu Grupen S. 188). Es handelt sich
mit Wahrscheinlichkeit um den Typ einer Hofburg, wie er seit dem
12. Jahrhundert üblich war. Urkundlich belegt sind folgende Gebäude-
43
Befestigung
teile der Burg: ein Jahr nach der Zerstörung noch wird der Bergfriet
(1272, Sudendorf IV 289), seit 1211 findet sich die Kapelle wiederholt
genannl (U. B. Nr, 11 usw.); 1355 der Pallas, indem es heißt, „uppe
dem mosthus to Lowenrode" (LI. B. Nr. 340). Ferner kommen vor „lobium
ante castrum" (1267) und eine „kemenade vor der Borch" (1360).
Leonhardt unternimmt (H. G. 1927 S. 204 f. und Tafel IV) den Ver-
such einer Verteilung der Baulichkeiten auf dem von ihm enger be-
stimmten Burgbezirk.
Mittelalter- Verhältnismäßig spät vernehmen wir aus den Urkunden von einer
BEFESTirmiG "™ ^au begriffenen Stadtmauer; Herzog Otto von Braunschweig ver-
spricht am 23. Oktober 1297 (U. B. Nr. 64): mumm .... inchoatum
secundum quod consulibus expedire videbitur, favebimus. Der
Mauerbau muß sich von da ab noch über Jahrzehnte erstreckt haben.
Im Jahre 1310 bestand wahrscheinlich beim Minoritenkloster an der
Leine die Stadtmauer noch nicht (H. G. 1926 S. 120), und erst nach 1320
kam das Stück hinter dem Loccumer Hofe zustande. Das Kloster ver-
pflichtete sich damals dem Bäte gegenüber, diesen Teil der Mauer selbst
zu erbauen und einen Wächtergang hinter seinem Hofe frei zu lassen;
wo aber durch ein an der Mauer erbautes Haus dieser Gang unterbrochen
würde, sollte auf dem Hause selbst eine Wehranlage mit einer ,,Borstwere"
geschaffen werden; der Bat verzichtete vorläufig auf die Erbauung eines
Turmes an dieser Stelle (U. B. Nr. 136). Das Kloster hat dann seine
Verpflichtung vor 1337 erfüllt (U. B. Nr. 200).
Mehrere in die Jahre 1314 und 1315 gehörende Urkunden über Ver-
handlungen zwischen dem Herzoge und der Stadt einerseits und einigen
adeligen Grundherren andererseits über den Abbruch von insgesamt
mehr als dreißig Katen und Häusern vor dem Steintore und dem Brühl
(U. B. Nr. 116/24) deuten darauf hin, daß sie veranlaßt waren durch
die zwischen Steintor und Brühl eben damals im Gange befindlichen
Befestigungsarbeiten. Man darf annehmen, daß um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts der Mauerring geschlossen war. Eine „neue" Mauer an der
jetzigen Marstallstraße wird 135<S, 1359 und 1369 genannt. Es ist nicht
ersichtlich, ob sie an Stelle einer dort schon früher vorhandenen erbaut
wurde oder ob die alte Mauer weiter südlich verlief und die neue die Grenze
einer nach Norden eingetretenen Stadterweiterung bezeichnete (H. G.
1905 S. 99).
Ältere Abbildungen Als Abbildungen der noch dem Mittelalter angehörenden Befestigungs-
werke sind die bereits zur Weichbildentwicklung genannten Gesamt-
ansichten der Stadt in Betracht zu ziehen: ein Holzschnitt in Büntings
braunschweigisch-lüneburgischer Chronik von 15<S6, der aber die von der
Westseite gesehenen Werke vor dem Leintore recht willkürlich abbildet;
44
Befestigung
dann der erheblich wertvollere Holzschnitt von Elias Holwein und schließ- Abb. i
lieh die beiden Kupferstiche von Matheus Merlan, deren einer von 1641 Tafel 5a u. i>
eine Ansicht der Befestigungen zwischen Ägidien- und Steintor bietet.
Als Ergänzung zu diesen Abbildungen im einzelnen kommen hinzu einige
Handzeichnungen aus der Chronologia Hannoverana und Redeckeis
Skizzen in seiner Chronik (s. H. G. 1905 pass.). Hinsichtlich der Gegend
am Steintore ist die Darstellung auf dem Gemälde in der Nicolaikapelle
wichtig. Der ältere Stadtplan von Seutter von etwa 1745 verzeichnet
die mittelalterlichen Festungswerke, soweit sie damals erhalten waren,
ihrer Lage nach am zuverlässigsten. Grupens Grundriß der Altstadt Tafel 3, s. 32
Hannover im Mittelalter und Hedeckers im Stadtarchive aufbewahrtes
Kartenwerk (s. H. G. 1905 S. 193) sowie Landersheimers wenig zuver-
lässige Pläne im Stadtarchive seien hier wiederholt aufgeführt.
Seit dem Ende des LS. Jahrhunderts ist die Mauer bis auf den Grund Überreste der mittel-
.. n, ., , , „ . .. .. . . . alterlichen Mauer
größtenteils abgetragen und zugunsten neuer Hebauungsmoghchkeiten
beseitigt. Die wenigen Reste finden sich auf dem Hintergrunde der Grund-
stücke Osterstraße 79 und 80, deren Hinterhäuser an die Stadtmauer
stoßen; ferner südlich des Loccumer Hofes, an den Hinterhäusern des
Grundstückes Osterstraße 63; im Straßenkörper der Breiten Straße
zwischen den Häusern Nr. 24 und 25 stieß man auf Reste des alten
Ägidientores. Vom Zuge der Südmauer besteht ein Stück auf dem
Grundstück der Broyhan-Brauerei, Köbelingerstraße 23, wo ein halb-
runder Mauerturm erhalten ist; auf dem Hofe Neuer Weg Nr. 4 steht
ein spätmittelalterlicher Mauerturm mit daran anstoßenden Mauer-
Abb. 7. Hannover; Typus civitatis Hannoverae (von der Gegend der Ihmebrücke aus). Nach dem Holz-
schnitt von ELIAS MOLWEIN, Typographus, 1636. Aus Chronica Hannover.Hdschr. XXIII,
692 in d. Vorm. Kgl. Bibl.
45
Befestigung
resten. Ein größerer Teil clor Stadtmauer findet sieh hinter dem
Abb. s Grundstücke Leinstraße 9. In dvn Fundamenten des Leineschlosses sind
Reste eingebaut: die Pläne des Schlosses von Jungen ;ius dem Jahre
Abb. 8. Hannover; Stadtmauer auf dem Grundstück Friedrichstraße 17. Phot. 1905.
1740 [verzeichnen noch die mit Streben versehene Mauer. Weiterhin
an der Leine findet sich eine Mauerecke im Klostergange, der der alte
Wächtergang ist (Schloßstraße 7), und wenig davon entfernt der so-
genannte Beginenturm, der älteste und wehrhafteste unter seines-
46
Befestigung
gleichen, der unversehrt erhalten ist. Die rückwärtigen Fundamente des
Festsaales des Arbeitervereins, Burgstraße 30, liegen auf der Stadtmauer.
Ausschachtungen, die Leonhardt 1929 im Wächtergange zwischen dem
älteren Marstallgebäude und den Häusern der Burgstraße vornehmen
ließ, ergaben außer den Fundamenten eines der Lage nach bis dahin
nicht bekannten Mauerturmes diejenigen von zwei hintereinander
liegenden, verschieden alten Stadtmauerstücken, und zwar war das
Fundament der älteren Mauer um etwa 1 m tiefer gegründet als das
der jüngeren. Von der Nordmauer finden sich Fundamentreste im
Keller des Hauses Schillerstraße 10 und 11, außerdem in der Nähe des
alten Steintores auf dem Grundstücke Steintorstraße 12 unter der Erde,
wie man überhaupt unterhalb der Erdoberfläche gelegentlich noch weitere
Beste der mittelalterlichen Stadtmauer antreffen mag.
Wo noch Beste der Stadtmauer anzutreffen sind, ist sie aus Lindener
Kalkbruchstein aufgeführt; die ursprüngliche Höhe von 8 bis 9 m ist
nirgends mehr erhalten. Ihre Stärke schwankt zwischen 0,78 m und
1,23 m. Nach Mithoffs Angaben, der wohl noch größere Teile der Stadt-
mauer kannte, bestand sie außen aus einem Mantel von Bruchstein oder
Ziegeln, innen aus Gußwerk. Der Sockel ist an der Innenseite abgesetzt
und die Mauer innen leicht geböscht. Die Mauerkrone war glatt abgedeckt.
An der Außenseite war die Mauer, wie Merians Abbildung erkennen läßt,
durch Schrägstreben gestützt. Solcher Pfeiler sind eine große Anzahl
in ungleichmäßigen Zwischenräumen längs der Mauer verteilt gewesen.
Auf älteren Plänen (Braun, etwa 1730) sind sie sorgfältig verzeichnet.
Zu ebener Erde verlief an der Innenseite ein Wächtergang. Ein in wächtergang
der Höhe verlaufender Wehrgang an der Innenseite, für den die Mauer-
krone die Brustwehr gebildet haben würde, läßt sich in Hannover nicht
nachweisen.
An seiner Stelle, wie es scheint, dienten dem Zwecke der Verteidigung Mauertürme
Mauertürme, welche vor die Mauerfront vorsprangen. 1352 werden ihrer
vier genannt: der Turm hinter dem Holzhofe, ein anderer nahe dabei,
ein dritter am Großen Wulveshorne und der vierte am Kleinen Wulves-
horne. Einige Jahre später wurde der Beginenturm erbaut. Vermutlich Abb. 9 u. 10
sind zunächst in ähnlichen Abständen weitere Türme längs der ganzen
übrigen Stadtmauer angebaut; sie erreichten nach und nach eine so
große Zahl, daß sie in Abständen von stellenweise weniger als 30 m da-
standen. Die älteren Türme waren halbkreisförmig aus behauenen
Quadern mit gewölbtem Erdgeschoß aufgeführt. Stadtwärts waren sie
oberhalb der Mauerhöhe entweder offen oder mit Brettern verschalt.
Ein Turm von gleichem Material hatte die Form eines halben Acht-
ecks. Die oberen Geschosse waren durch Balkenlagen geteilt.
Die jüngeren der mittelalterlichen Türme waren rechteckigen Grund-
risses und in Ziegeln erbaut; sie befinden sich in der Mehrzahl gegenüber
47
48
Abb. 10. Hannover; Beginenturm. Grundrisse und Schnitt
Nach Aufnahme des Stadtbauamtes. 1890.
49
Befestigung
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Abb. 11. Hannover; Stadtmauer und Mauerturm hinter- dem Loceumer Hol'. Phot. 1890.
den anderen und gehören frühestens der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts an, der Zeit, seit der man überhaupt in Hannover in Ziegeln
haute. Ihre Eigentümlichkeit ist, daß sie an der Außenseite der Mauer
auf Stelzen vorgebaut sind, die in Höhe der Mauerkrone durch einen
gewölbten Bogen verbunden wurden. Sehr oft befand sich am Dachborde
eine Anzahl von Dachfenstern, die nicht selten als Pechnasen vorgebaut
erscheinen. Die Dächer der Mauertürme liefen in eine Spitze aus, hatten
aber zuweilen auch einen kurzen First; Hedecker bildet die zu seiner Zeit
noch erhaltenen Türme der Reihe nach ab (s. II. G. 1905 S. 1<S7, 189
und 190 f.).
Der Beginenturm, der so heißt, weil er in dem Garten der Beginen
erbaut war, tritt 1357 unter dem Namen „De nye torn" auf. Seine
Mauern sind in der Höhe des Erdbodens 3 m stark. Bei Ausgrabungs-
arbeiten hatte man in einer Tiefe von 1,20 m den Mauerfuß noch nicht
erreicht, der wahrscheinlich bis unter +51 m über N. N. hinabgeht und
noch im Niederungsgebiete vor dem eigentlichen Höhenrücken liegt,
51
Befestigung
auf dem Hannover sich ausdehnt. Der Turin ist in drei abgesetzten
Geschossen aus Quadern sehr verschiedener Größe erbaut.
Abb. n Auch der halbrunde Turm am Spreenswinkel, dessen Fundamente 2,40 m
tief in die Erde gehen, ist in seinem Untergeschoß aus Quadern erbaut,
seine Höhe bis zur Dachspitze beträgt 9,40 m; in der Höhe von 1,70 m
über dem Erdboden beträgt die Stärke der Wände noch 1,71 m. Das
Obergeschoß ist im späteren Mittelalter in Ziegeln erneuert.
Abb. 12 u. 13 Der viereckige Mauerturm auf dem Gelände der Kunstgewerbe-
schule ist vollständig aus Ziegeln gebaut und auf Stelzen der Mauer vor-
gesetzt. Er ist 1892 nach dem von Redecker überlieferten Vorbilde eines
benachbarten, von dem Chronisten aber verwechselten Turmes mit neuem
Obergeschoß und Dach versehen.
\bb. li Der vierte der vorhandenen Türme, auf dem Grundstück des Loccumer
Hofes ist ebenfalls viereckig in Ziegeln erbaut und in der Neuzeit mit
Putz versehen. Er ist im Inneren, namentlich im Obergeschoß, gut erhalten.
Stadttore Die Stadttore, deren es nach dem Hinzukommen des 1340 zuerst
urkundlich erwähnten (U. B. Nr. 214) Leintores vier gab, waren überbaut
von mehrgeschossigen, viereckigen Türmen aus Quadern. Das Ägidientor,
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Abb. 15. Hannover; der Ägidientorturm von der Stadtinnenseite. Hechts
das änlJere, nach 1(110 aufgeführte Ägidientor. Im Grundriß links davon ist
der Zwinger von 15dl angegeben. Nach Handskizze um 1740 in der Chronologia
Hannoverana.
das 1300 zuerst urkundlich erscheint, ist 17 1<S abgebrochen; das Steintor,
zuerst 1314 genannt, wurde 1741, das Leintor 1797/98 abgetragen. Das
vierte Tor, die ,,porta, quae ducit ab urbe ad oppidum" lag im Zuge
der Piperstraße*); es verlor durch die Einrichtung des Leintores seine
*) Es heißt noch 1311 valva saneti Galli.
52
Befestigung
Bedeutung und wurde um 1646 durch den Neubau des Zeughauses, der
die Piperstraße zur Sackgasse machte, seinem Zwecke als Stadttor ganz
entzogen.
Der Ägidientorturm stand zwischen den Häusern Nr. 9 und Nr. 25
inmitten der Breiten Straße, deren Breite er nicht vollständig einnahm,
großenteils vor der Stadtmauer. Einzelabbildungen finden sich bei Be- Abb. 15
decker und in der Chronologia Hannoverana (Handschr. Prov.-Bibl. XXIII,
693a S. 208). Der mehrgeschossige Turmkörper zeigt außen keine Ge-
schoßteilung; ein massiver Drempel scheint vorhanden gewesen zu sein.
Die Durchfahrt, im Zustande einer spätgotischen Erweiterung dargestellt,
ist im Eselsrücken geschlossen; Lichtschlitze und unter dem Dachansatze
Wappenschilde sind angegeben;
der Turmhelm ist achtseitig mit
Giebelluken unter der Spitze
abgebildet.
Der mittelalterliche Steintor-
turm, der in der heutigen Stein-
torstraße zwischen den Häusern
1 1 und 14 stand, hatte drei durch
Simse abgesetzte Geschosse und
war an der Außenseite ganz aus
Quadern; innen deutet die Dar- Abb. u;
Stellung der Chronologia die Ver-
wendung von Ziegeln unter Putz
an. Die Durchfahrt zeigt wieder
den Eselsrücken.
Der Leintorturm neben dem
Leineschlosse ist außer durch
die Zeichnungen Bedeckers und
der Chronologia durch geo-
metrische Aufnahmen LB. Hases
aus der Zeit des Abbruches
1797/98 überliefert. Redecker Abb. 17
stellt den Turmhelm dar in der
Form, die er vor dem Schloß-
brande 1741 gehabt hat. Der
Abb. 16. Hannover; der Steintorturm, Stadt-
innenseite, und an diese Ansicht angeklappt, die
Stadtaußenseite. Nach Handskizze um 1740 in
der Chronologia Hannoverana.
Turm war über dem Erdgeschoß
durch ein um die Durchfahrt
herumgekröpftes Kaffsims ab-
gesetzt und hatte drei gewölbte,
aber außen nicht unterschiedene Obergeschosse. Die Geschosse waren von
einem seitlich angelegten Treppenturme aus zugänglich. Zu beiden Seiten
der im Eselsrücken gewölbten Durchfahrt standen in Baldachinnischen
53
Befestigung
die Statuetten der Heiligen Georg und Jacob, kleine Figuren aus Holz
oder Stein (es waren nicht die heute am Turme der Marktkirche stehenden
Figuren); über dem Kaffsims in Wandnischen Maria und Christus.
Abb. 17. Hannover; das Leintor nach Zeichnung von B. Hase. 1796. Staats-
arch. Calenb. Des. 8. Altstadt Hannover. 167. b. Der Turm hatte im Mittelalter
ein Zeltdach.
Ausfaiipforten Die Mauer hatte außer den genannten, dem ständigen Verkehre
dienenden Tordurchlässen noch solche für Zeiten der Gefahr, damit
bedrohte Stellen des Walles auf kurzem Wege erreicht werden könnten.
Bestimmte Nachrichten über ihre Lage und Anzahl fehlen: genannt
wird die „Drüeckenporte" am Großen Wulveshorn; eine zweite gegenüber
dem Ottenwerder wurde durch die Errichtung des landesherrlichen
Residenzschlosses nach 1637 verbaut. Nachdem im 18. Jahrhundert die
Mauer als Befestigung ihre Bedeutung vollständig verloren hatte, wurde
die Anlegung von Pforten an mehreren Stellen der Stadtmauer gestattet.
Die Anlage der Himmelreichpforte steht wahrscheinlich im Zusammenhange
mit der Einrichtung der Wasserkunst an der Klickmühle 1534.
54
Befestigung
Die mittelalterlichen Wall- und Grabenanlagen Hannovers sind infolge Mittelalterliche waii-
der Umänderungen der Stadtbefestigung seit dem 16. Jahrhundert in und Grabenaniagen
solchem Maße zerstört, daß man bezüglich ihrer Gestalt, bislang auf
Vermutungen angewiesen war; denn auch aus den Urkunden ließ sich
nähere Auskunft darüber nicht entnehmen. In den Lohnregistern der
Stadt sind verschiedene Wälle und Gräben namentlich genannt, doch ist
ihre Lage nicht näher bezeichnet (s. Zs. d. hisL Vereins f. Niedersachsen
1869, S. 185 ff.). Die Erwähnung des Grabens in der vorher angeführten
Übereinkunft zwischen dem Rat und den Loccumer Mönchen vom Jahre
1320 ist insofern wichtig, als sie zeigt, daß die Grabenanlage gleichzeitig
mit dem Mauerbau anzunehmen ist. Mithoff hat 1869 (Zs. a. a. 0.) die
Vermutung ausgesprochen, daß man die Wall-und Grabenanlage Hannovers
sich ähnlich vorzustellen habe wie bei der Stadt Alfeld. Bodenforschungen,
die 1926 ausgeführt wurden, haben ihm recht gegeben: der alten Mauer Abb. 18
ist in einem Abstände von etwa 25 m -- gemessen vom Mauerfuß bis zur
Kammlinie — ein Erdwall vorgelagert, der aus dem Aushub eines Grabens
zwischen beiden aufgeschüttet war. Dieser Graben konnte keine ständige
Wasserzuführung von der Leine oder dem Schiffgraben her haben, da seine
Sohle höher als deren gewöhnlicher Wasserstand lag. Sein Zweck war,
durch seinen Aushub das Mauerhindernis um etwa 5 m zu erhöhen, während
er selber zugleich ein Hindernis bildete, da er bis zu einer Spiegelbreite
von etwa 13 m durch Sammelwasser angefüllt war. Dieses Wasser konnte
durch Bähren am Abfluß zur Leine gehindert werden. Die Grabenböschun-
gen waren durch Pfähle befestigt.
Abb. 18. Hannover; Teilstück der mittelalterlichen Befestigung bis gegen das Jahr 1550 nach den
Ausgrabungen 1925/26. (Die punktierten Linien deuten den Wasserspiegel, die dazwischen ver-
laufenden die Grabensohle an.) Nach Aufnahmezeichnung von Gerster.
Dem Mittelalter gehört auch ein zweiter äußerer Graben an, mit
dessen Aushub der zwischen beiden sich hinziehende Wall erhöht worden
ist, wie sich an der Ausgrabungsstelle zeigte (vgl. außer H. G. 1926,
S. 124 ff., auch Siedentopf, Zur Befestigung der Stadt Hannover durch
Stadtgräben, Hann. Magazin, 1. Juli 1927, mit Zeichnungen). Vermutlich
umzog dieser Doppelgraben die ganze Ostseite der Stadt vom Steintore
55
Befestigung
bis zum Eckrondell an der Ägidienmasch. An der Südseite traten andere
Verhältnisse ein, insofern hier das Bestehen eines Leinelaufes, der, von
den Mühlen beim Dorfe Embere herkommend, an der Südostecke der
Stadt nach Nordwesten umbog, dvn zweiten Grabenring erübrigte.
In ähnlicher Weise bot die Natur der Örtlichkeit auch im Westen
der Stadt, gegenüber der Insel, Veranlassung, von dem Befestigungsschema
abzuweichen. Die Mauer trat hier an den Klickmühlenstrom so nahe
heran, daß für einen Wall kein Baum mehr blieb. Dagegen bestand auf
der Insel, und zwar auf deren nördlichem Teil, ein Deich, in dessen Zuge
ein Bergfried lag und der südwärts bei einer Homeyde endete.
Unterhalb der Insel gegenüber der Burg Lauenrode, am heutigen
Hohen Ufer, fehlte im Mittelalter jedenfalls eine Wallanlage.
ausbauder Die bisher beschriebenen Wall- und Grabenanlagen bildeten den
WALLBEFESTi- Grundstock der Befestigung, die mit dem Fortschreiten der Fortifikations-
um 1630 kunst im 15. und 16. Jahrhundert einen weiteren Ausbau erfuhr. Schon
die Erhöhung des Walles, die etwa in das Ende des 11. Jahrhunderts zu
setzen ist, bedingte an den Toren eine besondere Sicherung des Wall-
durchlasses durch eine gewölbte Durchfahrt. In Hannover deckt die
Bezeichnung „Homeyde" diesen Begriff.
Homeyden und Grupen erwähnt nur einmal (a. a. O., S. 397) eine Homeyde, nämlich
.wmger (jje zwjscnen insei und Neustadt (1446), wo auch Waffen aufbewahrt
wurden; sie war gegen Ende des 15. Jahrhunderts gegen einen Zins ver-
pachtet. Nach den Angaben in den Lohnregistern waren die vor den
Stadttoren liegenden Homeyden mit verschließbarer, gepflasterter Durch-
fahrt und einem oberen heizbaren Baum versehen.
Die Homeyden erhielten zunächst einen Schutz durch einen Zwinger
von runder Grundform, der an einer Seite vorgelegt wurde. Am Steintore
entstand ein Zwinger 1492, am Ägidientor ein solcher 1504. Am inneren
Leintore erbaute der Bat 1517 einen Zwinger; dieser verlor aber durch die
Erbauung des äußeren Leintores und Zwingers seine Bedeutung und wurde
1639 in verfallenem Zustande an das Schuhmacheramt verkauft. Das Amt
brach ihn ab und errichtete 1659 an seiner Stelle das Schuhmacheramtshaus.
Die auf der Insel liegende Homeyde, die schon 1446 vorhanden war, wurde
im Jahre 1544 zu einem Tore mit Bollwerk darüber ausgebaut und durch
einen Zwinger verstärkt, der jenseits des Brückmühlenstranges südwärts
des Steinweges stand. Ein zweiter Zwinger wurde 1599 ihm gegenüber
bei der heutigen Neuen Straße errichtet. Beide bestanden bis gegen die
Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Pfahlroste und das Fundament des
Zwingers an der Südseite sind 1876 beim Neubau der Regierung wieder
aufgefunden; der Durchmesser des Turmfundamentes betrug 27 m,
die Breite des Pfahlrostkranzes 5,80 m. Eine Abbildung des Zwingers im
späteren Zustande überliefert der Holzschnitt des Elias Holwein von 1636.
56
Befestigung
Ein vor die Mauer hinausgeschobener, alleinstehender Zwinger bestand
etwa vor der Mitte des Mauerzuges zwischen Ägidien- und Steintor;
seine Erbauung geschah anscheinend 1521 (Landersheimer, Plan III,
schreibt 1522). Die Fundamentreste dieses Zwingers, der festungstechnisch
einen Fortschritt darstellt, liegen noch heute unter der Erde an der
Georgstraße vor dem Hoftheater.
Zu der allmählichen Modernisierung im 16. Jahrhundert gehören weiter stenhovede
mit gleichem fortifikatorischen Zweck wie der freistehende Zwinger ein
„Stenhoved" auf der Klickmühlenwiese beim Himmelreich, das 1515
vollendet, wurde, und ein gleichzeitiges Stenhoved bei der Liebfrauen-
kapelle vor dem Ägidientore. Ein drittes Stenhoved wird 1531 genannt,
ohne daß man seine Lage bisher kennt. Der Zwinger und die meisten
Stenhovede bezeichnen die späteren Stellen von Rondellen. Redecker gibt
für eine Anzahl von Rondellen das Entstehungsjahr an, unterscheidet aber
nicht mehr zwischen Rondell und Stenhoved. Stenhoved und Zwinger
waren runde, im Zuge des Hauptwalles eingefügte niedrige Türme, die ein
Geschütz aufzunehmen vermochten.
Auf einigen Strecken der Wälle, die seit der Mitte des Jahrhunderts streichmauern und
verstärkt und begradigt wurden, richtete man Streichmauern ein. So hatte Fausse h™>'°
die Bürgerschaft auf die erwähnte Erlaubnis von 1524 des Herzogs Erich
hin den Berg, auf dem die Reste der Burg Lauenrode standen, 1541
abgetragen und am Mauerfuß vor dem Hohen Ufer abgeschüttet. Vor dem
hier neu entstandenen Walle wurde 1558 eine Streichwehr gezogen.
Die Einrichtung der Streichmauern scheint fortgesetzt und 1575 mit der
Ausrüstung der Strecke zwischen dem Steintor und dem Ostzwinger
zum Abschluß gebracht worden zu sein; sie muß sich aber nicht bewährt
haben, denn man ging dazu über, eine Fausse brave mit Contre-escarpe
vor den Hauptwall zu legen.
Somit hatte man sich allmählich einem Befestigungssystem zugewandt,
das nach niederländischer Art in polygonal gezogenen Erdwällen und
breiten Wasserg-äben seine Defensivstärke suchte. Es wurde in der
Folgezeit stückweise weitergeführt, aber nicht zum Abschlüsse gebracht,
denn die neue Befestigungskunst, gezeitigt durch die Erfahrungen des
Dreißigjährigen Krieges, veranlaßte eine völlige Umgestaltung dieses
Systems.
Die über die Gräben führenden Brücken sind zu verstehen als Zug- Brücken
brücken, oder sie waren mit einem aufklappbaren Joch versehen. In den
Lohnregistern freilich ist bei den zahlreich verzeichneten Ausgaben für
Brücken von einer Zugbrücke ausdrücklich nur ausnahmsweise die Rede.
Im Reiseskizzenbuch von Pitzler um 1730 finden sich als Merkwürdigkeil
Hannovers Klappbrücken mit nur einem einzigen Hebelbaum abgebildet
(über die Brücken s. II. G. 1906, S. 174, nach Redecker).
57
Befestigung
Hainen Die aus Quadern gefügten, der Füllung oder Entleerung der Gräben
dienenden Wasserdurchlässe, Bähren genannt, waren gewöhnlich durch
einen Aufbau architektonisch hervorgehoben, der plastischen Schmuck*)
und Inschriften zu tragen pflegte. Zwei derartige Bähren sind noch
gegenwärtig vorhanden: der eine am ehemaligen Batsfischteich, 50 m
oberhalb der Klickmühle linksseitig, mit achtseitig pyramidalem Aufbau
aus dem 16. Jahrhundert, der andere am Brückmühlenarm, ebenfalls
linksufrig gegenüber dem von Altenschen Garten, der zur Speisung der
Neustädter Festungsgräben gedient hat.
Zingein Als Zingel muß in Hannover der Baum innerhalb des von Palisaden
eingezäunten äußeren Grabenrandes einschließlich des Platzes vor den
Homeyden aufgefaßt werden. Die Lohnregister nennen wiederholt den
Zingel vor dem Steintore (1480, 1489 usw.). Außerhalb der Brücke waren
Schlagbäume, Schluchter und Böcke als Befriedung angebracht (Ausgaben
von 1480, 1482 usw.).
Gesamtbild um die Um die Wende des 16. Jahrhunderts, etwa um das Jahr 1610, ergibt
Wende des 16. Jahrb. sjcn cjas Gesamtbild der Befestigung Hannovers ungefähr folgendermaßen:
die mittelalterliche Mauer hatte man überall bestehen lassen, ihre Türme
jedoch vielfach schon bürgerlichen Zwecken dienstbar gemacht. Nicht
mehr in der Mauer, sondern in dem breiten Hauptwall und dem davor-
liegenden Graben beruhte die Stärke der Befestigung. Hier wieder waren
die verwundbarsten Stellen durch angehängte Bondelle geschützt, deren
nunmehr fünf zu zählen sind: das Windmühlen-, später Himmelreich-
rondell, da, wo die Leine an die Stadt herantritt; das Bösehof- oder
Bährenrondell an der südöstlichen Ecke der Stadt unweit des Ägidientores;
das Eilerierondell zur Flankierung des gleichen Tores an der anderen Seite
flankierte zugleich die Ostfront gegen das Steintorfeld hin; als viertes das
Bothfelder Bondell im nördlichen Knick der Umwallung und als fünftes
endlich das Steintorrondell.
Zwischen diesen Bondellen gab es an zwei Stellen leichtere fleschen-
artige Werke: eines unmittelbar vor dem Ägidientor, ein anderes an der
Stelle des mittelalterlichen Zwingers vor der Mitte der Ostfront. Ein
ähnliches Werk sicherte auch die Stelle, wo der Wall an die Leine unterhalb
der Stadt herantrat.
Für den weiteren Ausbau sind in der Folgezeit die hier bezeichneten
Stellen der Umgürtung immer die Brennpunkte der Anlagen geblieben.
Der Ottenwerder und die Mühle waren in einen weiten Wall- und Graben-
gürtel einbezogen, der das äußere Leintor mit seinen beiden Zwingern
enthielt und unterhalb der Insel durch einen mächtigen Donjon gesichert
war, dessen Fundamente noch im Hause Neue Straße 17 liegen.
*) Die Brunnenfigur vom Altstädter Marktbrunnen war 1628 auf den Bähren
am Knesenkamp gesetzt (Redecker, Chron. S. 465).
58
Befestigung
59
Befestigung
Das Bild der drei großartigen Toranlagen, des Leintores, Steintores und
Ägidientores, erweist sich bis zu dem hier angenommenen Zeitabschnitt
durch Einzelzüge bereichert, die eine eingehende Würdigung verdienen.
Bei der Leintoranlage vermitteln uns die obengenannten Abbildungen im
einzelnen eine deutliche Vorstellung nur von dem mittelalterlichen Torturm
des inneren Leintores; sie kann ergänzt werden durch Redeckers Mit-
teilungen über eine Kunstuhr, die auf halbvergoldeter Kugel Mondzuwachs-
und -abnähme aufzeigte. Die Uhrglocke ertönte hörbar über die ganze
Neustadt. Das kunstreiche Uhrwerk wurde nach dem Schloßbrande von
1741 auf das neben dem Turme 1690-93 errichtete städtische Pförtnerhaus
gebracht. Der Zwinger neben dem Turm trug die Inschrift: MAJORVM
LIBERTATEM DIGNE PROSEQVI STVDEAT POSTER1TAS. Die 1570
vor dem Leintore erbaute Brücke war 1647 abgebrochen. Die Krieger-
statue*), die vor dem Tore gestanden hatte, verwahrte man auf dem
Stadtbauhofe (s. H. G. 1905, S. 439). Vom äußeren Leintor, das die
Homeyde mit der Zugbrücke davor und den beiden Zwingern zur Seite
umfaßte, ist eine gleich deutliche Vorstellung nicht zu gewinnen.
Abb. 19. Am Steintor war an der westlichen Seite der gewölbten Walldurchfahrt
schon 1492 ein im Grundriß kreisrunder Zwinger zum Schutze der Homeyde
angelegt. Erbaut hatten ihn die vom Rathausbau und später vom Bau
der Sodenkapelle an der Marktkirche bekannten Meister v. Hemmingen.
Die Außenfläche des Zwingers war, sofern die Darstellung des Gemäldes
in der Nikolaikapelle glaubwürdig ist, in Blendnischen aufgelöst, in die
sich spitzbogige Fensteröffnungen einfügten. Die Homeyde selbst wurde
nach Redecker (H. G. 1905, S. 431) um 1540 zu einem Torhause mit
Obergeschoß ausgebaut. Zu dem Zwecke mußte von dem 1568 durch einen
Sturm schon schwer beschädigten Zwinger die östliche Hälfte abgebrochen
werden. 1592 ist dann dem Lohnregister zufolge der Giebel des Torhauses
dem Meister Hans Nottelmann, dem Steinhauer, „vor 50 Thaler tho hawen
und vorfertigende vordinget". Der vorher mit dem Werke beauftragt
gewesene Meister Dirick Berndes war im gleichen Jahre verstorben.
Das Gemälde in der Nikolaikapelle zeigt einen durch Lisenen und waage-
rechte Simse aufgeteilten Treppengiebel mit Voluten- und Halbrosetten-
zierat und Obelisken. Ein von Löwen gehaltenes Wappen war am unteren
Mittelfelde des Giebels angebracht; anscheinend ist es das im Vater-
ländischen Museum aufbewahrte, das als Werk Nottelmanns gesichert
ist. Außerdem trug der Giebel die Inschrift: NI DEVS INPORTIS SIT
TVTELARIBVS ARMIS NIL PRO SVNT PORTAE NIL VIGILVM
EXCVBIAE. Am Zwinger war das Reliefbild des Cdiristophorus ein-
*) Es handelt sich um den Mann mit der Feuerkugel, den Hedecker abge-
bildet hat. Es ist offenbar derselbe Stein, der auf dem Bahren an der Kajenmauer
des Altstadtgrabens im Zuge der späteren Neuen Straße (bis 1681) als Bekrönung
gesessen hatte.
60
Befestigung
Gl
Befestigung
gelassen, das 1713 beim Abbruch des Turmes und Zwingers am Armen-
hause eingemauert wurde. Die Inschriften an den Toren überliefert
der Sammelband im Stadtarchive, Ms. 130, unter: Inscriptiones; außer-
dem Reiche.
An die nordöstliche Flanke des Torhauses fügte sich ein achteckiger
Turm mit geschwungener Haube an, dessen Entstehungsjahr nicht bekannt
ist; er hieß die „Utlucht" oder „die Leuchte" und diente als Pförtner-
wohnung.
Der etwa 30 m breite Graben vor der Homeyde war von einer Brücke
überspannt, deren erstes Joch zunächst dem Torhause als Zugbrücke
aufklappbar war.
Den Brückenaustritt scheint ein Außenwerk geschützt zu haben,
da die Lohnregister für das Jahr 1482 einen neuen Wall vor dem Steintore
erwähnen.
Der alte Steintorturm hatte in einer Kunstuhr, die in einer Gaube
des Turmhelmes stadtwärts angebracht war, eine besondere Merkwürdig-
keit: zwei bewegliche Ziegenböcke über dem Zifferblatt stießen sich beim
Stundenschlag mit den Hörnern. Darunter sah man den Schnapphans,
einen menschlichen Kopf, der bei jedem Stundenschlag die Zunge heraus-
streckte (Baring, Beitr. z. Hann. Kirchen- und Schulhistorie 1748, S. 96).
Die hier beschriebene Anlage des Steintores ist, wie Landersheimer zu
seinem Plan II bemerkt, 1712 abgebrochen.
Abb. 2o Die Ägidientoranlage war fast von gleicher Großartigkeit wie die des
Steintores. Auch hier stand außerhalb des Walles neben der Homeyde ein
mächtiger, 1501 erbauter Zwinger, für den ein Muster in dunkelglasierten
Ziegeln kennzeichnend war. Die Homeyde war schon 1521 mit einem
Obergeschoß zum Torhause ausgebaut und wurde nach einem 1610 statt-
gehabten Brande, dem das Obergeschoß des Pforthauses und das Dach
des Zwingers zum Opfer fielen, wiederhergestellt. Die Inschrift, die dieses
vermeldet, überliefert Redecker (s. H. G. 1905, S. 437).
Der Kupferstich Matheus Merians für Werdenhagens 1641 erschienenes
Taiei 5a Werk ,,De Rebus Publicis Hanseaticis", dessen Platte im Stadtarchive
aufbewahrt wird, scheint das Ägidientor mit Außentor und Zwinger in
einem Zustande vor 1610 wiederzugeben, und zwar zeigt er den Zwinger
mit Zinnenbekrönung und Kegeldach. Nach dem Brande wurde der
Zwinger mit Erdreich angefüllt und mit einer Brustwehr versehen; so diente
er als Bastion. Redecker bringt eine Zeichnung der Gegend am Ägidientor
in seiner Chronik (S. 458; H. G. 1905, S. 432).
Den Meister des nach dem Brande neuerbauten, mit einem Benaissance-
giebel ausgestatteten Torhauses, dessen Pracht einzig die mangelhafte
Skizze des unbekannten Verfassers der Chronologia Hannoverana (vorm.
Abi.. 15 Kgl. u. Prov.-Bibl., Handschr. XXIII, 693a) überliefert, wird man unter
den Ratsmaurermeistern der Zeit zu suchen haben. Die Annahme, daß
62
Befestigung
der Erbauer des Hauses der Väter, Joachim Pap, in Frage kommt, liegt
also nicht fern. Am Friese des Giebelfußes grabenwärts war das von
Löwen gehaltene Kleeblattwappen und eine Jahresinschrift angebracht,
die leider in der Zeichnung nicht ausgefüllt ist. Die von Redecker ver-
zeichnete Inschrift: „JEHOVA FOHTITUDO NOSTRA" soll in goldenen
Buchstaben daran gestanden haben.
Eine Brücke mit aufklappbarem Joch führte, wie beim Steintore,
über den Graben, wie auch hier der Brückenaustritt durch ein Außenwerk
gesichert gewesen sein wird. Die Ägidientoranlage wurde 1748 abgebrochen.
Die Sicherung des Vorgeländes der Stadt an den Grenzen ihrer Bann- Landwehren
meile durch eine Landwehr scheint erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts ins Werk gesetzt zu sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte
Hannover vor der Zerstörung der Burg Lauenrode erst eine einzige Land-
wehr, nämlich das Bischofshol, im Jahre 1361 errichtet. Nach der Zer-
störung der Burg (1371) entstanden weitere, die sogleich mit Wahrtürmen
ausgerüstet wurden: nämlich 1373 der Kirchröder Turm, im Jahre 1382
(h'v Döhrener Turm, 1387 der Lister Turm und im gleichen Jahre der
Pferdeturm und die „Neue Landwehr" auf dem Steintorfelde beim Stapel.
Der 1392 ausgestellte Satebrief gab den Bürgern das Recht, nach
ihrem Belieben auf Bannmeilen und Gütern weitere Landwehren er-
richten zu dürfen. Noch im gleichen Jahre entstand der Stürendeif und
wahrscheinlich gleichzeitig die Warte auf dem Lindener Berge. Die
anderen Warten sind größtenteils erst später errichtet: so 1460, nach
Redecker, der Turm der Landwehr „zum Bischofsholt", der Rote Turm
am Calenberger Stein wege 1141.
Die Lohnregister von 1480 und 1489 kennen nur drei Landwehren
und verstehen unter der Bezeichnung ,,uppe de dre Lantwere" den Roder-
torn (Kirchröder Turm), Hardenbergstorn -- den heutigen Pferdeturm -
und de Dornder Lantwere (Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1869,
S. 201). Grupen führt (Orig. S. 175) sieben Landwehren auf, bei
denen aber die „Dornder Landwere" unter der Bezeichnung Keller-Tom
(nach dem Wächter genannt) doppelt gezählt ist. Verschiedene Bezeich-
nungen für dieselbe Warte kommen auch im Lohnregister vor. Grupen
nennt außerdem den Bergfried zu Seelze und den Bergfried „zur Mort-
mühlen" (die Ricklinger Landwehr), wo die Stadt einen Wächter hielt.
Die schon 1387 gebrochene Pinkenburg muß ebenfalls als Landwehr
angesehen werden. Ein von E. Braun 1755 gezeichneter Grundriß der
Eilenriede (H. G. 1905, S. 391) gibt die Lage der damals noch vor-
handenen Landwehren an.
Die Landwehren waren mehrfache, mit Buschwerk bestandene Wall-
gräben. Die Straßendurchlässe sicherten Warten und Schlagbäume. Der
Verlan!' der Landwehren ist streckenweise noch gegenwärtig am Zuge der
63
Befestigung
Gräben in der Eilenriede verfolgbar (siehe darüber Mithoff in Zs. d. liist.
Vereins f. Niedersachsen l<X(i<), S. 202 IT.). Die Anzahl der au! unsere
Zeit überkommenen Wahrtürme ist auf zwei zusammengeschmolzen: den
Döhrener Turm und dvn Pferdeturm.
Der Döhrener Turm, auf der Grenze des Kirchdorfes Döhren 1382
von der Stadt erbaut, hatte nach der Eilenriede hin, wie Redecker schreibt,
Abb. 21. Hannover; der Döhrener Turm um 1890. Druckstock II. G.
Abb. 21
sieben Gräben und sieben Brustwehren; nach der Leine hinunter vier
Gräben. Zum Gewese der Landwehr gehörte nach den Angaben des
Corpus bonorum von 1720 (H. G. 1907, S. 133) außer dem Turm ein
Wohnhaus, ein Pferdestall, Backhaus, Wagenschauer, Garten und Hof.
Das Wohnhaus ist um 1800 durch ein anderes ersetzt, dessen Lage
zum Turm etwas verschoben wurde.
Der heute noch an der Heerstraße stehende Turm ist nicht der ur-
sprüngliche, sondern scheint auf dem kreisförmigen Grundriß des alten
zu Ende des 15. Jahrhunderts wieder aufgebaut zu sein. Ein etwa
in halber Höhe eingesetzter Inschriftstein enthält die Jahreszahl
04
Befestigung
65
Befestigung
MCCCCXXXVHI. Der Turm hat drei Geschosse in Ziegeln; 1888 wurde
ein achteckiges Fachwerkgeschoß daraufgesetzt, als die Wirtschafts-
Abb.22gebau.de durch einen hohen Saal vergrößert wurden. Die Umfassungs-
mauern auf niedrigem Quadersockel, in Ziegeln aufgeführt, zeigen etwa
bis zur Höhe des Inschriftsteines ein aus dunkelglasierten Ziegeln gebil-
detes Rautenmuster. Weiter hinauf, wo ein Gurtsims hervortritt, sind
die glasierten Ziegel nicht mehr im Muster versetzt. Die beiden unteren
Geschosse sind gewölbt und durch eine Wendeltreppe verbunden. In
beiden sind Schießscharten in Wandnischen angeordnet. Das Gewölbe
des Obergeschosses ist sechsteilig. Das zweite Obergeschoß hatte das
Gebälk des kegelförmigen Daches zur Decke. Spuren von Kaminanlagen
finden sich in beiden oberen Geschossen (Näheres mit Zeichnungen von
Mithoff in Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1869, S. 221). Eine Nische
an der Nordseite wurde 1888 durch das Reliefbild eines Wappenträgers
aus Mettlacher Steingut ausgefüllt nach Schapers Zeichnung.
Der um 1460 erbaute Turm zum Rischofshol (1461 ,,by dem nigen
Torne geheten des Rischuppes holt") bestand schon zu Redeckers Zeit
nicht mehr; es war damals nur ein Warthaus dort vorhanden, das -- wie
dem Corpus bonorum von 1720 zu entnehmen ist - - als Holzwärter-
wohnung diente. Aus den Ausgaben ist zu ersehen, daß der Turm einen
heizbaren Raum für die Wache hatte.
Der alte Roder Turm unweit Kirchrode von 1373, im Lohnregister
(1486) auch Rergewoldes torn bezeichnet, mitsamt dem alten Wohn-
gewese ist nicht mehr vorhanden. Das Corpus bonorum sagt darüber:
„Er liegt am Holz ohnweit des Ziegelhofes bey der breiten Wiesen; es
gehört dazu: das Wohnhaus, Scheuer, Schweinkoven, Fischteich usw."
Eine sandsteinerne Wappentafel vom Turm, datiert 1572, ist am heutigen
Wirtshause ,,Kirchröder Turm" wieder eingesetzt.
Der Pferdeturm, der seinen jetzigen Namen von einem dicht dabei
belegenen städtischen Fohlenstall erhalten hat, wird schon 1407 als
Hardenbergstorn nach seinem damaligen Wächter, später nach anderen
Abb. 23 Wächtern, benannt. Er ist 1889, nachdem die daran anstoßende ein-
geschossige Gastwirtschaft abgebrannt und darauf in zwei Geschossen
neu erbaut war, durch Aufsatz eines Fachwerkgeschosses mit steilem
Dach erhöht worden. Sein Grundriß ist viereckig; das gewölbte Erdgeschoß
besteht aus Rruchsteinen, das obere aus Ziegeln. Das Corpus bonorum
gibt für 1720 an: „Der Thurm liegt linker Hand des Fahrweges, jenseits
des Holzgrabens, ist von Steinen aufgeführet und fast ganz wüste. Das
Wohnhaus (eines Holzwärters) steht rechter Hand desselben."
Die Landwehr Stürdendeifen — heute Steuerndieb - hatte keinen
Wahrturm; an Stelle des mittelalterlichen Warthauses war schon zu
Redeckers Zeit ein Forst- und Wirtshaus getreten.
66
Befestigung
Ü
Abb. 23. Hannover; der Pferdetwm vor der Restaurierung von 1889; nach Aquarell, signiert S.
Der Lister Turm, 1387 zuerst erwähnt (Grupen, Orig. S. 176), nach
Redeekers Skizze ein zweistöckiges länglich viereckiges Bauwerk, mit
Walmdach und Dachgauben, ist kurz vor 1831 (Brönnenberg S. 86)
gleichzeitig mit der dazugehörenden Schenke abgebrochen, die - - wie
die Waldwirtschaften alle — aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammte.
Der Rote Turm am Steinwege jenseits der Brücke über den äußersten
Mühlenstrang war vor 1441 erbaut, 1490 durch Herzog Heinrich ,,vor-
brandt" (Archiv des Hist. Vereins 1845, S. 283), dann wiederhergestellt
eine gründliche Wiederherstellung besonders des Daches liegt 1492/93 -
und 1646 auf fürstlichen Befehl abgebrochen, weil die neu angelegte Be-
festigung ihn überflüssig machte. Eine Abbildung des viereckigen Turmes
findet sich auf dem Holzschnitt von Elias Holwein. Die Zugbrücke bei Abb. i, s. 45
dem Roten Turm wird in den Zinsregistern der Kämmerei erwähnt:
„van dem toge vor deme roden torne".
Die Warte auf dem Lindener Berge, die wahrscheinlich 1392 erbaut
worden war, ließ Georg Wilhelm im Jahre 1651 zur Windmühle umbauen;
ein Inschriftstein über der Tür nennt diese Jahreszahl. 1856 ging die
Mühle aus königlichem in privaten Besitz über.
In erster Linie galt der seit der Residenzwerdung unter den Auspizien die Festung
des Landesherrn unmittelbar stehende Ausbau der Befestigung auf Grund rigen kriegi
der Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges, der Einbeziehung der
67
Abb. 21
Befestigung
Neustadt in die Fortifikationslinie. Die Vorarbeiten des riesenhaften
Werkes begannen am 26. Juni 1636; noch 1645 befaßte man sich mit
Vorschlagen, wie zwei Zeichnungen aus diesem Jahre im Staatsarchive
dartun. Die Erdarbeiten wurden vom Brande her am 1. April 1646
aufgenommen; weitere zehn Jahre später etwa war das Werk beendet.
/O.
ff, fi> fjfc-
Abb. 21. Hannover; Plan der Befestigung der Neustadt Hannover. Nach Kopie aus dem Jahre 1862.
Original von 1045 im Staatsarch. Hnvr.J
Gleichzeitig wurden aber auch Umbauten und Ausbauten der Befesti-
gung der Altstadt, insbesondere am Ägidien- und Steintore, betrieben,
so daß 1657 die gesamte Befestigung in einen Zustand gebracht war,
der auf längere Zeit den Forderungen der Festungsbaukunst genügte.
Zum Schutz der Neustadt wurden vier Bastionen im Halbkreise von
Süden nach Norden herum angelegt: die Holzhofbastion (Hügel des Leibniz-
denkmals), die Windmühlenbastion (zwischen Dachenhausen-, Brand-
68
Befestigung
und Adolfstraße), diejenige hinter Molinus' Hof (am Friederikenstift)
und die hinter v. Windheims Hof (An der katholischen Kirche). Dazu
kamen eine Anschlußbastion im Süden am Brückmühlenstrang und ent-
gegengesetzt die Clevertorbastion (Simonsplatz) vor dem 1650 angelegten
Clevertor, die an sich verhältnismäßig schwach ausgebildet waren, aber
stärkere Außenwerke erhielten: die erstgenannte durch eine Redoute
in der Leinegabelung an der Masch, die andere, im Norden, durch ein
Hornwerk mit Brustwehr. Dem 1648 von Georg Ludwig vollendeten
Calenberger Tor, das von der Windmühlenbastion und der Bastion hinter
Molinus' Hof flankiert war, wurde ein Ravelin und eine Contregarde
vorgelegt, durch welche die Straße in südwärts gebrochener Linie hindurch-
führte, nach ihrem Austritt aus der Contregarde nochmals durch eine
Lunette gesichert. Eine doppelseitige Contregarde mit vorgelegtem
Ravelin deckte den Übergang über die Leine beim Clevertor. An der
Glocksee und an der Ohe reichten je ein weiteres Außenwerk von einfacher
Ravelinform in das Vorfeld hinein.
Dem äußersten Brückmühlenstrang der Leine war 1646 durch Änderung
des Wehrs am Eylikenwerder der Zufluß abgeschnitten. Die Zuleitung
von Wasser zu den Gräben um die Neustadt erfolgte durch den oben er-
wähnten Bähren dicht oberhalb der Brückmühle, der durch eine Traverse
besonders geschützt war. Die älteren Werke des äußeren Leintores
blieben noch einige Jahre bestehen.
Die Verbesserung der altstädtischen Befestigung setzte schon 1632
mit dem Ausbau der beiden Torravelins vor dem Stein- und Agidientore
Abb. 25. Hannover; Toilstüek der neueren Stadtbefestigung mit Bastionen vor Anlage des Niederwalles
zwischen dem Grundstück des Loccumer I lofes und Georgstraße .'55. Nach Aufnahmczeichnung von Gerster.
ein. 1645 nahm man die Modernisierung der vorhandenen Bastionen Abb. 25
auf: die Norder-Bothfelder Bastion und die Süder- oder Eilerie-Bastion
69
Befestigung
wurde zur modernen Bastion ausgebaut; zwischen beiden schob man
vor dem alten Pulverrondell ein Havelin weiter hinaus (1645), das man
1661 durch Hinzufügen von Flanken an die Courtine hängte, so daß es
mit den Nachbarbastionen gleich stark wurde; es erhielt nach dem
Kommandanten Sparrenberg seinen Namen.
Die beiden Werke beim Ein- und Austritt der Leine aus dem Stadt-
bilde, nämlich die Himmelreich-Bastion und das schon 1569 angelegte
runde Steinhaupt neben dem Clevertor, unterzog man ebenso einer
Modernisierung. Das Steinhaupt wandelte man unter mannigfachen
Behinderungen (H. G. 1927, S. 16<S ff.) allmählich, seit 1624 zum Cavalier
um. Am Agidien- und Steintor schob man die Bastionen mitsamt dem
Graben weit in das Vorfeld hinaus und führte die Straße in ge-
brochenem Zuge, beim erstgenannten durch eine zweihäuptige Contre-
garde (1645) hindurch, beim andern durch eine sehr lange Contregarde
in Fieschenform mit flankierendem Ravelin.
Innerhalb der Torbastionen lagen das Torschreiberhaus, wo Passanten
den Wachthabenden ihre Pässe vorzulegen hatten, und das Haus des
Toraufsehers, eines Steuerbeamten, der steuerpflichtige Waren zu ver-
zeichnen und zu melden hatte. Der Lizent, eine 1686 eingeführte Ver-
brauchssteuer, bildete eine wichtige Staatseinnahme. Gegenüber dem
Lizenteinnehmerhause stand die Torwache für das landesherrliche
Militär.
Als letzte Arbeit wurde ein gedeckter Weg mit freiem Glacis außerhalb
des Grabens herumgeführt vom „Mauseöhrchen", einer Flesche gegen-
über der Rösehof- oder Bähren-Bastion im Südosten der Stadt an, nördlich
um Alt- und Neustadt herum bis dicht an den Brückmühlenarm, nur die
Agidienmasch auslassend.
Durch die Einbeziehung der Neustadt in den Festungsgürtel waren
die Anlagen des äußeren Leintores entbehrlich geworden. Der Wall
wurde deshalb „wieder in den Graben geworfen, der Rothe Thurm nebst
dem äußeren Leinthore und die am Leinearm liegende Mühle und steinerne
Brücke über den Stadtgraben bis auf den Grund aufgenommen und die
ganze Gegend applaniert" (Landersheimer, PI. IV). Auf dem bebauungs-
fähig gewordenen Gelände entstand der vordere Teil der Neustadt, ins-
besondere im Jahre 1681 durch Verlegung der Häuser ,,Up den Specken"
die zur Altstadt gehörende Neue Straße (über die Lange Straße s. H. G.
1927, S. 174).
Um das 1650 etwa vor dem heutigen Eichamte angelegte Clevertor,
über dessen Aussehen wir nur wissen, daß es außer der Jahreszahl den
Namenszug Georg Wilhelms trug, für den toten Winkel am nördlichen
Ende der Burgstraße zugänglich zu machen, durchbrach man 1682 den
mittelalterlichen Eckturm hinter dem städtischen Holzhofe. Dieses neue
Tor wurde durch zwei Wächterbuden und ein Pforthaus vervollständigt.
70
Befestigung
Die Befestigungen als solche wurden fortab in verteidigungsbereitem
Zustande erhalten, obwohl sie mehr und mehr veralteten; einzelne Ver-
änderungen verzeichnet Redecker gewissenhaft (s. H. G. 1905, S. 441).
1712 erfolgte zwischen Steintor und Clevertor die Hinausverlegung des
Walles und Grabens, die insbesondere den Anlagen des landesherrlichen
Marstalles zugute kam. Dieser Veränderung fiel leider das giebel-
geschmückte Torhaus und der Zwinger des Steintores zum Opfer; das
landesherrliche und das städtische Torschreiberhaus mußten neu erbaut
werden. Der mittelalterliche Torturm fiel erst 1741, weil er den Wagen-
verkehr behinderte.
Am Clevertor kam durch eine gleichzeitige Hinausschiebung des Walles
das 1650 gebaute Tor „binnen dem Walle zu stehen". Ein neues äußeres
Torgebäude, an dem der Namenszug des Kurfürsten angebracht war,
wurde vor der Brücke über die Leine errichtet. Die beiden neuen Tore
werden wie das Calenberger und das ältere Clevertor lediglich in gewölbten
Walldurchfahrten mit einem die Durchsicht hindernden Knick in der
Mitte bestanden haben.
Gegen 1745 erwog man vom städtebaulichen und festungstechnischen
Gesichtspunkte aus eine Erweiterung und zugleich eine Modernisierung des
Befestigungsgürtels nach Vaubanschem System. Drei zwischen 1737 und
1740 geschaffene Entwürfe dazu befinden sich im Stadtarchive (Mappe IV,
Blatt 1, 2, 3); sie sehen die Einbeziehung von großen Teilen der Ägidien-
masch und der Ohe in eine ovale oder kreisrunde Umgürtung vor, die in
12 bzw. 11 neu anzulegenden Bastionen mit entsprechenden Außenwerken
ganz schematisch ausgestaltet werden sollte. Der dann 1747 zur Ausführung
gekommene Plan des Festungsbaumeisters Dinglinger, der durch Ausfüllen
des Hauptgrabens zwischen der Bährenbastion und der Süder-Bothfelder
Bastion eine neue Bebauungsfläche schuf und kaum mehr festungsbauliche
Ziele hatte, bezeichnet deutlich das Ende der Zeiten, da Hannover Festung
war.
Die vorhandenen Werke wurden während des Siebenjährigen Krieges
unterhalten und 1761 noch durch Schanzen außerhalb der Tore vermehrt.
Auf dem Lindener Berge wurde die sogenannte Georgenschanze angelegt,
welche die 1651 eingerichtete Windmühle in sich einbezog.
Eine Art Demolierung begann schon unmittelbar nach dem Sieben- entfestigung
jährigen Kriege (1763), wo laut Ausschreibung in den „Hannoverschen
Anzeigen" die „Palisaden, welche sich im bedeckten Wege und den nächsten
Befestigungswerken um hiesige Residenzstadt gesetzet befinden", an den
Meistbietenden verkauft werden sollten. In den folgenden Jahren sind
ähnliche Ausschreibungen ergangen, die sich auf den Verkauf von anderen
Baustoffen beziehen.
71
ncfi\stii*imü
Abb. 26. Hannover; das Steintor um 1845 nach Gemälde von W. Dehn. Stadtarchiv.
Abb. 27. Hannover; das Clevertor, 18:W. Hechts die „Alte", links die ..Neue
im Hintergrunde das Militärhospital (1S5M abgebrochen). Nach Handzeichnung
Tierarzneischule;
im Stadtarchive.
72
Befestigung
1767 wurde der Wall und die Bastion hinter dem Archive abgetragen
und eine Esplanade angelegt. Hier richtete man an der Leine den könig-
lichen Holzhof ein, dessen Zugang das sogenannte „Neue Thor" bildete.
Dieses Tor ist 1833 abgebrochen und weiter südwärts neu aufgebaut, wo
es zu einem Teile noch heute steht.
Die Contreescarpe rings um die Neustadt wurde 1776 zum Schutze
gegen das Hochwasser erhöht mit den Erdmassen, welche die Abtragung
der Außenwerke an der Glockseeseite ergeben hatte.
Seit 1780 setzte eine weitere planmäßige Demolierung ein: die Gräben „Demoiition" nso
wurden durch Abtragen der Wälle bedeutend verschmälert, die Außen-
werke geschleift, die alten Tore abgebrochen. Wie weit diese Arbeiten 1790
gediehen waren, gibt ein „Plan der Königlichen Residenzstadt Hannover
nach der Demoiition sämtlicher Festungswerke vom Jahre 1780 bis inkl.
1790 entstanden" an (Stadtarch., Mappe 4). Die Altstädter Anlagen waren
dabei von Magistrats wegen demoliert worden, diejenigen der Neustadt
durch das Hofbauamt. Lediglich der Leintorturm bestand bis 1798.
Die Bastion am Himmelreich mit dem alten Hauptwall gegen Osten Promenaden
war bereits in den Jahren 1781 — 83 eingeebnet und als Friedrichstraße
zu einer Promenade mit Fuß- und Fahrweg zwischen drei Reihen Platanen-
bäumen umgewandelt (1806 wurden diese Bäume versteigert). Ein Plan
von 1782 zeigt bereits die Anlagen auf dem abgetragenen Walle (Prov.-
Bibl., Mappe 17, XIXC, Calenb. 66, von Ing.-Leutn. J. G. G. Bergmann).
Am Nothelfergraben hinunter gelangte man durch eine doppelreihige Allee
um die Ägidienneustadt herum zu der östlichen Wallpromenade, der in
den Jahren 1787 — 89 durch Schleifen der drei Bastionen und des Walles
zwischen Ägidien- und Steintor eingerichteten und nach Georg III.
benannten Georgstraße.
Westlich des Steintores führte der allmählich ansteigende Reitwall
zwischen den Anlagen des landesherrlichen Marstalles und dem Prinzen-
garten über den Hügel des ehemaligen Cavaliers, auf dem die „Weyhen-
Löbe" lag, zur Cavalierbrücke hinab und jenseits derselben zur Clevertor-
wache. Der „Kanonenwall" reichte von da bis zur Brücke am Calenberger
Tore; vor ihm blieb als Rest eines ehemaligen Ravelins die „Marieninsel"
erhalten.
Der Adolfswall zog sich im Süden der Neustadt bis zum Hügel des
Leibnizdenkmals an der Esplanade und dem Neuen Tore am Holzhofe hin.
Die neuen Toranlagen sollten einen repräsentativen Charakter erhalten. Abb. 2«, 2~v 28
Ein „Plan der Veränderungen am Steinthore nebst einem genauen Ent-
würfe, welcher Gestalt die Entree dieses Thores durch Verlegung des
Wachen -Thorschreiberhauses wie auch durch Vorbauung schicklicher
Gebäude ansehnlich verschönert und durch Masquirung der jetzt ins Auge
fallenden alten Hintergründe allem Übelstande abgeholfen werden könnte",
73
Befestigung
etwa aus dem Jahre 17<S1, liegt vor. Ein anderer Plan ist 1 781 datiert und
belaßt sieh mit den entsprechenden Veränderungen am Calenberger Tore.
Das Material des Torschreiberhauses am Steintore, das neben der alten
Wache diesseits des Grabens gelegen war, bestehend aus Ziegeln, Mauer-
steinen, Quadersteinen und Bauholz, wurde 17<S8 öffentlich in den
,, Hannoverschen Anzeigen" zum Verkauf ausgelobt.
Abb. 28. Hannover; das Ägidientor am Anfange der Marienstraße. Abgebrochen 185!».
Lithographie 18.'5<>, Stadtarchiv.
74
Tafel 6
Geistliche Gebäude und Anlagen.
KIRCHEN UND KAPELLEN.
Marktkirche.
Ägidienkirche.
Kreuzkirche.
Neustädter St. Johanniskirche.
Reformierte Kirche.
Kathol. St. Clemenskirche.
Gartenkirche.
Synagogen.
Christuskirche.
Burgkapelle St. Galli auf der Lauenrode.
Marienkapelle auf der Neustadt,
St. Gallenkapelle auf der Altstadt.
St. Marienkapelle vor dem Ägidientore.
St. Jacobikapelle auf dem Rathause.
Kapelle auf dem Grundstück Marktstraße 17.
KLÖSTER UND ABLAGER GEISTLICHER ORDEN.
Minoritenkloster.
Loccumer Hof.
Marienröder Hof.
Marienseer Hof.
Barsinghäuser Hof und Marienwerder Hof.
Augustiner-Hof.
Carmeliter-Haus.
Peveler Hof.
Beginenhaus.
STIFTER*).
Hl. Geiststift und Kirche.
St. Nicolaistift und Kirche.
FRIEDHÖFE.
Nicolaifriedhof.
Neustädter St. Andreasfriedhof.
Kathol. St. Johannisfriedhof.
Invalidenfriedhof.
Judenfriedhof.
Neuere Friedhöfe**).
*) Ratskloster und Sodensches Kloster s. S. 669.
**) Der Gartenkirchhof ist auf S. 194 ff. behandelt.
75
Kirchen und Kapellen.
Marktkirche.
L)as Bestehen der Kirche St. Georgii, für die später die Bezeichnung
Marktkirche üblich ist, wird urkundlich bezeugt erst für das Jahr 1238
(Urk. Buch der Stadt Hannover 1, 10; Calenb. Urk.Buch VI, 19; H. G.1909,
S. 311). Daß die Marktkirche die älteste der drei Altstädter Kirchen sei,
scheint - abgesehen von ihrer Lage im Stadtbilde — daraus hervor-
zugehen, daß sie immer als Haupt-Pfarrkirche gegolten hat. Bedecker
gibt, ohne seine Quelle zu nennen, an, sie sei Haupt-Pfarrkirche seit 1142
gewesen.
In den wenigen, aus der Zeit vor 1352 überkommenen, die Kirche
betreffenden Urkunden wird die Vorläuferin der jetzigen Marktkirche
nach ihrem Schutzpatron, dem Hl. Georg, benannt. Erst 1352 ist in
zwei Urkunden von ,,der Kerken sünte Jacobs und sünte Jürgen" die
Bede (Urk. Buch der Stadt Hannover, 307 und 308). Die Annahme
des Hl. Jacobus des Älteren zum Patron wird zusammenhängen mit
dem Neubau der Kirche, der in diese Zeit fällt. Als weltlicher Patron
wird in der Urkunde von 1238 der Graf Conrad von Boden bezeichnet.
baugeschichte Über die Gestalt des älteren Gotteshauses ist aus den Urkunden
nur zu entnehmen, daß es einen Turm hatte. Die Kirche scheint seit der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu ihrer baulichen Instandhaltung
besondere Aufwendungen erfordert zu haben. So stiftete der in den
Urkunden seit 1238 wiederholt genannte Pleban Warmannus die Hälfte
seiner Güter „in Vorenwalde .... beato Georgio, ut de proventibus
ejusdem partes ruinöse ejusdem ecclesie restaurentur" (Urk. Buch der
Stadt Hannover, 33 und 34). Der zu Avignon ausgestellte Ablaßbrief
für die Marktkirche vom Jahre 1319 gedenkt derer, die ,,ad fabricam . . .
manus porrexerint adjutrices" (Urk. Buch der Stadt Hannover, 134).
70
Marktkirche
Endlich überliefern zwei 1344 ausgestellte Urkunden (231 und 235)
Schenkungen ,,ad aedificia et luminaria ... ecclesie restauranda".. . .
Bald darauf haben sich der Rat der Stadt und der Pfarrer der Kirche
an das Stift zu Minden mit der Bitte um Erlaubnis zum Neubau des
Gotteshauses gewandt. Sie erhielten am 7. März 1349 (Urk. 269) den
Bescheid des Mindener Offiziales: turrim antiquam aliquantulum vetustate
ac aeris intemperie dirutam confringere murosque ecclesie ejusdem in
terram quantum vobis utile videbitur, prosternere ipsamque turrim et
ecclesiam in melius reformare et reedificare valeatis
Das römische Jubel- (Ablaß-) Jahr, zugleich das Jahr, in dem die
seit Ende 1349 in Niedersachsen aufgetretene dreitägige Beulenpest
ihren Höhepunkt in Hannover erreicht hatte (s. H. Deichert, „Die Pest
in Hannover", H. G. 1911, S. 276) - - das Jahr 1350 - - wird auf einer
inzwischen verlorengegangenen Messingtafel als Beginn des Turmbaues
genannt. Diese Tafel war nach Mag. Ising (s. über ihn die Anm.*)
„unter der großen Orgel an der Wand auffgehaenget" gewesen, und ihre
Inschrift lautete: Tunis principium tria CCC numerant L & aevum /
Gratia Romani fuit & pestis triduana / Functa flens polis haec tria millia
mensibus in sex / Tunc Stimulus stoicus fuit Ur torquens &. Hebraeos**).
Redecker, der die Isingsche Chronik benutzt hat, berichtet für das
Jahr 1347, der schöne Turm sei begonnen, nachdem die Kirche St. Jacobi
et St. Georgii fertig geworden, als Robert von der Nyenstad***) Bürger-
meister war.
Eine verschollene Inschrift der Chorfenster: Anno mccc xl fenestre
facte sunt, die buchstabengetreu in Kotzebues Handschrift De aedibus
sacris Hanoveranis (Stadtarchiv) nachgezeichnet ist, legt allerdings den
Gedanken nahe, der Baubeginn der Kirche müsse geraume Zeit vor der
bischöflichen Erlaubniserteilung von 1349 anzusetzen sein (s. auch Glas-
gemälde).
*) Der Verfasser der fälschlich sogenannten Kotzebueschen Chronik, die
zwischen 1693 und 1699 entstand, während der Drucklegung, angeblich auf den
Rat Leibniz' durch die Regierung beschlagnahmt wurde und erst 1740 unter
einem Nottitel in wenigen Exemplaren in den Buchhandel gelangte, ist zweifellos
der Pfarrer an der Markt kirche Mag. Helmar Ising (f 1708). Die echte Kotzebue-
sche Chronik, die aus gleichen Gründen unveröffentlicht blieb, wurde ohne
Namensnennung des Verfassers von Moser in den Diplomatischen und Historischen
Belustigungen, Band IV, 1759; V, 1760, wieder ans Licht gezogen.
**i Abb. in Mithoff, Ns. Archiv I, Tafel III. Vgl. dazu: Culemann, Zweite
Abtheilung Mindischer Geschichte, Seite 26, wo die Inschrift über der Kirchentür
zu Lübbecke in Westfalen gegeben ist „anno Jubilaeo MCCCL quo Pestis erat
flagelati ibant, judaei occidebantur, amplificata est haec Ecclesia".
***) Robert von der Nyenstad wird 1350 (Urk. 292) und 1358 (Urk. 372) unter
den consules genannt; 1363 (Urk. 419) war er bereits gestorben.
77
Kirchen und Kapellen
Man wird für die Deutung der baugeschichtlichen Vorgänge in Betracht
ziehen müssen, daß Grupen (Hist. Eccl., Stadtarchiv) den Altar im
nördlichen Seitenschiffe der Marktkirche als Georgsaltar bezeugt; daß
also dieser Altar die Stätte des Chores der ehemaligen St. Georgskirche
bezeichnen wird, und daß mithin die alte Kirche da gestanden haben wird,
wo heute das nördliche Seitenschiff der Marktkirche sich erstreckt. An
der Südseite des nach der formellen Erlaubnis von 1349 abzubrechenden
Chores der alten St. Jürgenkirche hat man dann den neuen Hauptchor
errichtet, für dessen Hochaltar die Heranziehung eines anderen Heiligen
erforderlich wurde. Man wählte den Schutzpatron des Hauptjahrmarktes
in Hannover, St. Jacobus d. Ae., und so ist auch dessen Tag, nicht aber
der des hl. Georg zum Weihetag der neuen Kirche geworden. Der Abbruch
der alten Kirche konnte erst geschehen, als der neue Hauptchor mit seinem
Altar zum Gottesdienste benutzbar war.
Wer der Baumeister war, ist nicht überliefert. Einflüsse von der
nahen, durch die Hanse und politische Interessengemeinschaft verbundenen
zweiten Landeshauptstadt Lüneburg sind vermutet worden*).
Die Bauzeit von Schiff und Chor hat sich über fast ein Jahrzehnt
erstreckt. Zwei Urkunden aus dem Jahre 1352 (Urk. 307 u. 308) be-
handeln Vermächtnisse zum Bau der Marktkirche. Ebenfalls 1352 stiftete
Arnoldus Wiese einen jährlichen Zins ad usum structure S. Georgi, löste
indes die Stiftung bald wieder ab mit einer Summe von zehn Bremischen
Mark, die ad testudines novas in ecclesia sancti Georgii verwandt worden
sind (Urk. 310). Es ist nicht gesagt, daß die testudines, die Wölbung, schon
1352 ausgeführt, der Bau also damals schon nahezu vollendet gewesen
sein müßte. Vielmehr scheint aus der in einer Urkunde des Jahres 1354
sich findenden Bezeichnung eines Altares der St. Georgskirche als
„portatilis" (Urk. 325) hervorzugehen, daß auch 1354 die Kirche noch
nicht geweiht, also noch nicht vollendet war (s. Anm. 5 zu Urk. 325).
Noch 1358 genehmigt der Magistrat die Flüssigmachung von Geldern
behufs des l'urmbaues der Marktkirche. Der Vollendung des Turmes
aber wird man noch eine über mehr als ein Jahrzehnt sich hinschleppende
Bauzeit zugestehen dürfen**). Es heißt davon bei Ising auf S. 29: die
Bauleuthe seind müde und im Säckel kranck worden und haben den
*) Zur Zeit der Erbauung der Marktkirche erhielt Jacob; ein Steinmetz aus
Aachen, das Bürgerrecht : A 1353 burgenses : Mester Jacobus de Aquis, latomus.
(Liber Burgensium; s. Mithoff, Künstler u. Werkmstr.) Er wird als Ratsdiener,
also wohl als Ratsmaurermeister angestellt.
**) Der Turm der Lüneburger St. Johanniskirche, der Verwandtschaft mit
dem der Marktkirche zeigt, stand um die gleiche Zeit noch unvollendet da. Ein
Sülzrentebrief vom Dezember 1384 deutet auf die damals nahe Beendigung des
Baues. (Siehe d. Band dieses Werkes: Lüneburg, S. 68). Die Lübecker St. Marien-
türme waren 1350 fertig geworden.
78
Marktkirche
Thurm an seinen vier Giebeln und Archen, best, wie sie gekunt zugedecket,
diese itzige geringe Spitze hinauffgesetzet, und damit das Werck in den
Schlitz GOTTES befohlen
Wie die Marktkirche zu Ende des 14. Jahrhunderts dastand, ist sie
ihrem Aufbau nach in allem Wesentlichen unverändert auf unsere Tage
überkommen. An der Nordseite hat später ein kleiner als Gerkamer
und Sakristei benutzter Anbau und daran westwärts anschließend ein
größerer und etwas jüngerer, die St. Annen- oder Sodensche Kapelle,
1510 erbaut, bestanden. Am Turme südwärts, zwischen den beiden
dort befindlichen Streben, zeigen ältere Abbildungen ein aus dem Anfange
des 17. Jahrhunderts stammendes Fachwerkgebäude, das ursprünglich
wohl als Wohnung für den ,, Kuhlengräber" erbaut war.
Von älteren Restaurationen, die sich aber wohl nur auf reine Aus-
besserungsarbeiten beschränkt haben, wird für die Jahre 1661 und 1684
berichtet (H. G. 1906, S. 133, Inschrift am Chorgewölbe). Im Jahre
1664 „ist die gantze Kirche mit hohen Gewölben durch und durch reno-
viret und mit ansehnlichen biblischen Historien und Bildnissen aus-
geschmücket" (Ising, S. 78). Einen Teil der Kosten wird Johann Duve
getragen haben (vgl. Bleibaum, Bildschnitzerfamilien, S. 157, Anm. 2).
Als Maler kommt der um diese Zeit in den Fabrikregistern mehrfach
genannte M. Heinrich Buchholtz in Betracht. Offenbar nach vollendeter
Restauration im Jahre 1684 hat der Bauschreiber B. E. Weinberg seinen
„Bericht von den Begräbnissen auf dem großen und Limburgischen
Chor in hiesiger Marktkirche de a. 1684" auf höheren Befehl verfaßt
samt einem Abriß der Kirche (Kirchenarchiv).
Die Turmspitze wird ihre jetzige Gestalt erst in den Jahren 1704/05
erhalten haben, als sich der Rat zu einer gründlichen Erneuerung entschloß.
Nachdem am Weihnachtstage 1699 die Turmspitze unter Beschädigung
zahlreicher Häuser und Wohnungen herabgestürzt war (Baring, Kirchen-
historie, S. 8), hatte sich herausgestellt, daß „die großen, gedoppelten
Kardinal- oder Hauptständer nach der Wetter- und Westseiten ganz
zunicht verwettert gewesen" (Mag. Ising, S. 30). Damals wurde „die
Spitze des Thurms auff einen mächtigen starken Fuess gepflantzet und
befestiget". „Also ist auch ferners der gantze Thurm inwendig von oben
herab auffs neue reparieret" (ebenda). Der Belag wurde mit 44 Centnern
Kupfer erneuert. Die Vergoldung der Rosen und Knäufe wurde durch
M. Johann Heinrich Müller ausgeführt. Die eiserne Stange für den
Wetterhahn wurde „zum Hartze verfertiget"; sie wog 5% Zentner.
Knauf, Wetterhahn und vier Rosen fertigte M. Jürgen Soltmann (Stadt-
archiv, Quittungen zum Turmregister)*).
*) Ein älterer Knopf und Wetterhahn der Turmspitze wurde 160(> auf Kosten
des Bürgermeisters Hermann Barteides vergoldet. Ising a. a. O.
79
80
Tafel
Abb. 28
Hannover; Marktkirche, Mittelschiff. Phot, 1927
Druckstock: St. Verk.-A.
E. Heuer.
81
Kirchen und Kapellen
Der frühere Zustand läßt sicli auf den älteren Stadtansichten einiger-
maßen erkennen, am besten auf der Merianschen von der Ostseite.
Die Kirche wurde in den Jahren 1852 — 55 einer durchgreifenden
Stilbeieinigung durch den Baurat Droste unterzogen, der im Äußeren
alle Anbauten zum Opfer gefallen sind*).
\i)i). 29 Die Erneuerung des ganzen inneren Ausbaues bezog sich damals
auf Altar, Kanzel, Orgelbühne, Kirchenstühle; die Seitenchöre richtete
man zu Sakristeien mit Sitzplätzen darüber ein. Auf dem Hauptchore,
an dessen Seiten zwei Stühle mit Baldachinen darüber eingebaut wurden,
entfernte man die Epitaphien, wie man auch die sonst in der Kirche
an den Pfeilern angebrachten Epitaphien wegzuräumen für richtig fand.
1<S93 wurde die Kirche nach Schapers Angaben farbig ausgemalt.
Beschreibung Die Marktkirche ist eine dreischiffige Hallenkirche in Ziegelbau ohne
Abb. 30. Querschiff mit östlichem Abschluß in einem Haupt- und je einem Neben-
chor für die Seitenschiffe, jeder in Form eines halben Zehneckes; der
Hauptchor hinausgeschoben über die Nebenchöre.
Im Westen erhebt sich ein massiger, quadratisch angelegter Turm.
Die Bauausführung ist einheitlich und zeugt von hochstehender hand-
werklicher Fertigkeit.
Langhaus und ciior Auf einem mit reich ausgebildetem Profil abgesetzten Sandstein-
Taf- 6 sockel, über dem noch eine Quaderschicht ringsum verläuft, ist das
Ziegelmauerwerk hochgeführt; die Streben sind im Grundriß mit angelegt.
Die Mauerflächen zeigen Blockverband mit regelmäßig verteilten Ziegel-
köpfen von dunkelfarbiger Glasur. Ein Kaffsims, das sich in Schräge
und Hohlkehle gliedert, umzieht in ziemlicher Höhe Langhaus und
Chor unterhalb der hohen, spitzbogigen Lichtöffnungen, die Türen in
rechteckige Kröpfungen einfassend. Das den Mauerkörper oben ab-
schließende Hauptsims besteht aus Formziegeln in Bollschichten. Die
Streben sind oberhalb des Kaffsimses zweimal zurückgesetzt und ab-
gedeckt durch eine Schräge aus Sandstein, an der frontwärts jedesmal
ein steiles Giebelchen (nicht ursprünglich) herausgekehlt ist.
Die Biesenflächen des Satteldaches tragen Mönch und Nonne von
ziegelroter Färbung. Dicht unter dem First ist jederseits eine Bei he
von je sechs Gauben (1855) angebracht. Ein Dachreiter, der sich auf dem
Ostende des Firstes erhob, ist 1828 entfernt; er war achtseitig, mit offene]
Laterne und geradlinigem spitzen Helm, der in eine Wetterfahne auslief.
Zwei Treppentürmchen, die zwischen Choransatz und Langhaus
beiderseits sich einschmiegen und in fünf Seiten eines Achteckes hervor-
*) Eine Inschrift hinter dem Altar besagt: Der Ausbau dieser Kirche ist
begonnen am 19. April 1852 und vollendet den 2. Decbr. 1852" - - folgen die
Namen des Stadtdirektors, der Prediger und Kirchen Vorsteher — ,,von dem Stadt-
baumeister L. Droste und dem Bauführer L.Frühling " usw.
82
83
Kirchen und Kapellen
treten, waren ehemals durch ein flaches Pyramidendach abgeschlossen und
haben durch die Restauration unter Droste sandsteinerne Helme
erhalten. Die Galerie am Borde des Kirchendaches entstammt der
gleichen Restauration.
Abb. 31 Das Innere des Langhauses wird durch die Doppelstellung der vier
Paar kreisrund angelegter Ziegelpfeiler, deren Sockel aus glasierten,
seit Droste überputzten Ziegeln besteht, in drei Schiffe geteilt. Die
Pfeiler verjüngen sich nach oben hin ein wenig und sind mit Dreiviertel-
kreis-Diensten ausgestattet, je zwei in Längs- und Querachse. Das Pfeiler-
kapitell wird durch eine einfache, flache Kehle gebildet, die zwischen
schmalen, profilierten Bändern, an den Diensten verkröpft, den Pfeiler
umzieht. Den Kapitellen entsprechen an den Seitenschiffswänden Kon-
solen, die bei der Drosteschen Restauration durch Stuckantrag im Sinne
ihrer Zeit gotisiert worden sind (Mithoff, Kdm. S. 66, sagt: „vier
gegliederte Gurtträger").
Die Wölbungen, in Haupt- und Seitenschiffen von gleicher Höhe,
sind in Ziegeln halbsteinig ausgeführt. Die Längsgurten von Pfeiler
zu Pfeiler haben besonders reiches Profil in Formziegeln. Die Profile
sind bei der Drosteschen Restauration vergleichmäßigt.
Die hohen, spitzbogigen Fenster waren ursprünglich durch Ziegel-
pfosten geteilt und mit einfachem Maßwerk versehen. Die Restauration
ersetzte 1853 Pfosten und Maßwerk durch Sandsteinarbeit. Jedes der
beiden Seitenschiffe war ursprünglich außer mit fünf Fenstern mit
zwei Türen versehen. Dieser Zustand hatte durch den Anbau der Sakristei
und der Annenkapelle (1511) an der Nordseite eine Änderung erfahren,
ist aber durch Droste wiederhergestellt.
Der Fußbodenbelag bestand, soweit nicht Grabplatten ihn bildeten,
aus Ziegeln; Wandflächen und Pfeiler waren gekalkt. Die Gewölbe-
felder trugen runde, gemalte Medaillons mit figürlichen Szenen in Um-
rahmungen nach Rokokogeschmack. Die Bilder selbst scheinen unfarbig
(Grisaillen) gewesen zu sein; die Gewölbeschlußsteine tiefblau.
Die Scheidung von Chor und Schiff ist durch Triumphbögen bewirkt.
Der südliche Nebenchor hieß der Limburgische, der nördliche der Türcken-
chor, weil sich die Erbbegräbnisse der beiden Familien dort befanden.
Die Verbindung der drei parallelen Chorapsiden miteinander ist so be-
werkstelligt, daß zum Hauptchor die anliegenden Wände der Neben-
chöre mit benutzt wurden, von denen aus der Chorschluß in halbem
Zehneck sich über die Apsiden der Seitenchöre hinausschiebt. Der Haupt-
chor gewinnt durch die so entstehende Ausweitung an Raum. In Her-
stellungsart und Verzierung entspricht der Chor dem Langhause.
Turm Die Masse des Westturmes steigt in vier durch Simse unterschiedenen
Stockwerken empor. Sandsteinsockel und Kaffsims entsprechen denen
84
Marktkirche
des übrigen Bauwerkes. Die Kanten des Turmkörpers werden bis oben
hinauf durch ungleichmäßige, verzahnte Quadern gebildet. Das Unter-
geschoß ist mit je zwei Streben jederseits ausgestattet. Das sandsteinerne
Portal zur Durchgangshalle war schon im 17. Jahrhundert zugemauert
(1705 repariert; 1734 über dem Turmportal Fenster gemacht, auch das
Portal über der Tür außen wegen Baufälligkeit entfernt [Red., H. G.
1906, S. 136 u. 138]). Den Zustand vor der Restauration durch
Droste gibt Mithoff (Archiv, I.), auch Redecker (s. Sievertsche Abb. 32
Sammlung im Stadtarchive, Kasten VII, Bl. 29). Eine feingegliederte
Wimperge -- ohne Krabben, in einer Kreuzblume zusammengeschlossen.
Abb. 32. Hannover; das alte Turm-Portal der Marktkirche. Holzschnitt nach Zeichnung von Mithoff.
Titelblatt in Mith., Aren. I., 1849.
85
Kirchen und Kapellen
beiderseits schmale, hochstrebende Nischen mit Fialbekrönung -- ist ein-
gefügt zwischen den beiden Streben der Westfront; an den Kanten-
abfasungen oberhalb des Kaffsimses waren auf Tragsäulen die Statuen
des Hl. Georg und Jacobus aufgestellt. Die Neuherstellung 1852 — 55
von Handel, in Zwischenzeiten neben seiner Arbeit am Hermanns-
denkmal ausgeführt, entspricht der Zartheit und Leichtigkeit des
alten Portales nicht. Die hohen, spitzbogigen Lichtöffnungen im
ersten und zweiten Obergeschoß des Turmes sind schmal und beein-
trächtigen kaum die mächtige Flächenwirkung der Wandungen. Das
dritte Obergeschoß enthält jederseits drei spitzbogige Schallöffnungen,
auch hier mit profilierten Kantensteinen, schichtweise wechselnd, glasierte
und nichtglasierte. Die Giebel, mit denen die Umfassungsmauern des
Turmes schließen, sind ausgestattet gen Süden und Norden je mit einem
großen, etwas vertieften Kreisfelde, über dem ein vertieft gemauertes
Kreuz in die Giebelspitze hineinreicht. Die Kreisflächen enthalten ein
durch vortretende Profilziegel gebildetes Hexagramm; die Kreisfläche
im Ostgiebel trägt ein Pentagramm; der Westgiebel ist schlicht geblieben
und hat nur in der Spitze ein vertieftes Kreuz. Der Turmhelm war nach
dem Plane, wie er ursprünglich wahrscheinlich gedacht war, als hohe
achtseitig pyramidale Spitze vorgesehen, in ähnlicher Weise wie bei
St. Johannis in Lüneburg oder den Marientürmen in Lübeck, so daß
nach dieser Annahme die zur Ausführung gelangte Abdeckung als Notdach
gelten muß. Es erhebt sich auf der Firstkreuzung über den Giebeln des
Turmkörpers ein Dachreiter, der die vermutlich geplante Gestalt des
Turmes in kleinem Maßstabe erhalten hat. Körper und Helm dieses
hölzernen Dachreiters sind mit Kupferplatten belegt. Die Spitze trägt
Knauf und Wetterhahn. Alle Giebelendungen an Turm und Dach-
reiter sind ebenso mit kupfernen Knäufen ausgestattet, Wasserspeier
aus Kupferblech liegen in den Dachkehlen.
Die Durchgangshalle des Turmes ist auf Ziegelrippen gewölbt.
Redecker (Chron.) vermerkt eine Änderung derselben zum .Jahre 1734.
Abb. 33 Die innere Holzkonstruktion des Turmes zeigt eine Aufnahme aus
dem LS. Jahrhundert im Stadtarchiv.
anbauten und An der Nordseite der Kirche bestanden bis zur Drosteschen Stil-
einbäuten bereinieung zwei Anbauten. Der kleinere - - nach Mithoffs Urteil etwas
Sakristei und fc> ö
sodenkapciie ältere - - diente als Sakristei und fügte sich zwischen die Strebepfeiler
des vierten Joches von Westen ein. Rechteckiger Grundriß, Ziegelbau,
Streben, aber kein Gewölbe. Spitzbogige Lichtöffnungen. Zwei Türen
nach dem Kircheninnern. Über den anderen Anbau findet sich im Stadt-
protokollbuch zum Jahre 1510 die Notiz:
86
Marktkirche
„AmFriedageindenPingstenvorplichtedensick Henrich und Hermann
van Hemmingen nu up sünte Johannisdag to midde Sommer mit twen
Knechten to arbeidende ahn derCapellen vp sünte Jürgen Kerckhove".
Abb. 33. Hannover; Marktkirche. Grundrisse und Schnitt von den oberen
Geschossen des Marktturmes. Nach Zeichnung im Stadtarchiv um 1800.
Für das nächste Jahr enthalt zweifellos über dieselbe Kapelle das über
fundationis die Nachricht:
„Anno 1511 den Sundach na Philippi Jacobi do warth der Almissen
Kappelle gewiget vn worth angeheuen de Mysse de man schal jo
ewyglicken holden — usw."
87
Kirchen und Kapellen
Der Anbau der Kapelle umfaßte, an die Sakristei westwärts anschließend,
den Raum zwischen den beiden nächsten .Streben und bestand ausZiegeln.
Das Kirchendach war als Schleppdach darüber herabgezogen. Licht-
öffnungen waren breit und spitzbogig. Obwohl Streben vorgesehen
Abb. 34. ] lannover; die Marktkirche, Inneres. Nach Aquarell von Kretschmer, im Besitz der Kirche.
waren, war der Raum ungewölbt. Im Oberstock hatten 161 1 Gebhard
und Levin von Wintheim den Hohen Schulchor mit der steinernen
Wendeltreppe - - in der Nordostecke - anrichten lassen (Mag. Ising,
S. 31). Rreite Bogenöffnungen verbanden die Sodenkapelle mit der
Kirche.
Priechen Nach einem Aquarell von Kretschmer war das nördliche Seitenschiff
\i>b. 34 mit Priechen auf Holzst Litzen, deren Kopfbänder nach Barockgeschmack
ornamentiert erscheinen, ausgestattet. Über der unteren Prieche, der
bis an die Pfeiler vorgezogenen Ratsprieche*), war ebenfalls auf Holz-
stützen der Schülerchor - - nicht ganz so weit vorgezogen — aufgebaut.
Die Brüstungsfelder trugen in fast quadratischer Teilung Gemälde. Fein
*) Die Ralspriechc war 1(>59 gebaut, daran setzte man die Namen Henning
Lüdecke und Georg Türcke (H. G. 1911, S. 34(1).
JS8
Marktkirche
vergoldete Holzsäulchen lagen zwischen den Feldern, die in weiße Um-
rahmungen eingebettet waren. Unter dem Brüstungssims verlief ein
lichtblauer Streifen; die Inschriften unter den Bildern traten ebenso
aus lichtblauem Grunde hervor. Die Batssitze waren mit dunkelgrünem
Stoff ausgeschlagen.
Auf dem Bilde erkennt man weitere Priechen vor dem nördlichen
Nebenchor. Andere, auf dem Bilde nicht sichtbare Priechen bestanden
noch „unter der Orgel gegen Osten" und „an der Nordseite unter der
alten Orgel in die Länge stehend", beide 1630 angelegt. 1689 wurden
zwei halbmondförmige Priechen zu beiden Seiten der Orgelprieche ver-
fertigt und dahin der Schüler- und Musikantenchor verlegt (H. G. 1906,
s. unter den betreffenden Jahreszahlen). Für das Jahr 1735 berichtet
Bedecker, daß rechts und links des Chores Priechen eingebaut seien
(H. G. ebenda, Mag. Ising schreibt über die Priechen auf Seite 31).
Die Reformation hat die Kirche von dem, was mit den ,, papistischen liturgische
Greueln" zusammenhing, gereinigt. 1825 wurden Altargeräte, Gemälde, AUSSTATTl NG
Schnitzwerk, alte Glasfenster aus der Marktkirche meistbietend verkauft
(Bekanntmachung in den Hann. Anzeigen, s. Heiligers Handschr. Staats-
archiv, C 38).
Außer dem Hochaltar waren ursprünglich noch elf andere, nach ihren Altäre
Heiligen bezeichnete Altäre vorhanden: Petri und Pauli, St. Crucis,
St. Mathaei, Andreae, Annen, Olai, Mauritii, Katharinae, Georgii und aller
Apostel (s. Grupen, Hist. eccles. Bd. 1, Kap. V, § 12). Auf dem Lim-
burgischen Chore stand noch 1681 ein Altar (Weinbergs Beschr. v. 1681).
Von einem spätgotischen (um 1490) Hochaltar der Marktkirche wird
der Schrein im Provinzialmuseum aufbewahrt (Weifenmuseum, Nr. 23, Abb. ;j5
20, erworben 1865). Nach Mithoff (Arch., L, S. 4 f.) wurde der Altar 1663,
als Duve einen neuen in die Marktkirche stiftete, der Agidienkirche
übergeben*). Der breit-rechteckige Klappschrein (12:9 Fuß) steht auf
geschnitzter Predella, an der in Medaillons Prophetenbrustbilder an-
gebracht sind. Die Flügel sind außen bemalt mit Szenen aus der Legende
der Hl. Georg und Jacob; linker Flügel: Martyrium des hl. Georg |
Einsturz des Apollotempels auf das Gebet des Heiligen Feuer und
Steine fallen vom Himmel und zerstören die Foltergeräte Enthauptung
des Heiligen; rechter Flügel: Jacobus als Pilger mit sechs Gefährten zu
Schiff I Jacobus sendet Pilatus sein Schweißtuch | Jacobus tauft Josias |
Enthauptung des Heiligen. (Vgl. Katalog des Prov.-Mus., Gemäldeband
[1930] Nr. 190.) Der geöffnete Schrein zeigt eine der Breite nach
dreigeteilte Tafel, die wie die Innenseiten der Flügel mit erhabener
und bemalter figürlicher Schnitzarbeit ausgestattet ist. Das Mittelfeld
*) Nach Mag. Ising (S. <S3) wohl richtiger erst 1665.
89
Kirchen und Kapellen
der Tafel enthüll eine figurenreiche Kreuzigungszene; in den Seitenfeldern,
die gleich den Flügeln in vier weitete Felder unterteilt sind, sind andere
Szenen ans Christi Lehen zur Darstellung gebracht, zurückgehend auf
Vorbilder M. Schongauers. Die Umrahmung einer jeden Szene bildet
ein geschnitztes Baldachinwerk (bemalt und vergoldet). Den Meister
der Plastiken wie der Gemälde vermutet Habicht in der Werkstatt
Raphons (H. G. 1913, S. 276).
Der von Johann Duve 1663 gestiftete Altar ist bei der Drosteschen
Kirchenrestaurierung 1850 — 53 durch den noch jetzt vorhandenen
gotisierenden ersetzt und verschollen. Er war nach Redecker (H. G.
1906, S. 133) 1665 vollendet worden; sein Meistersoll nach Mag. Ising
(S. 7<S) vorher „seine Kunst in der Hamburger Neustädter Kirche
(St. Michaelis) erwiesen" haben. Im Hannoverschen Magazin von 1835
beschreibt Iffland den Bau des Duveschen Altars; auch er sagt, Duve
habe sich den Künstler aus Hamburg verschrieben. Die Höhe des
Altars habe 60 Fuß, die Breite 34 Fuß betragen und mit Ausnahme von
zwei Figuren sei alles am Altar noch vorhanden. Diese beiden Figuren
waren der bußfertige Zöllner mit dem Porträtkopf Duves und eine weib-
liche Figur, vermutlich mit dem Porträtkopf seiner Frau. Ising (a. a. O.)
spricht von ,, hohen, gewundenen und geflammten Säulen, herrlichen Statuen
in Lebensgröße und anderen architektonischen Fürtrefflichkeiten". Nach
dem Aquarell Kretschmers füllte die Altarwand die volle Breite des Chores
aus. Vielleicht waren neben der Mensa Türen zur Umwandlung des
Altares vorhanden. Die Wand war dreigeschossig aufgebaut: das Haupt-
geschoß oberhalb der Predella mit drei Paar gedrehter Säulen, das Mittel-
geschoß mit zwei Paar kannelierter und das Obergeschoß mit einem Paar
gedrehter Säulen; jedes Geschoß mit Gebälk versehen. Die Bildfolge
war: Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt. Meister der Figuren
ist nach Bleibaum (siehe a. a. O., S. 156 f., 159 f., 160) vielleicht Conrad
Heinrich Bartel*). Die Farbgebung des alten Altars war zuletzt schwarz
mit reichlicher Goldaufhöhung. Der 1853 aufgesetzte Altar ist in Formen
der Neugotik unter Droste ausgeführt,
chorschranke Nach Weinbergs Bericht waren der Hauptchor wie die beiden Seiten-
chöre gegen das Schiff durch (morschranken getrennt, ebenso die Seiten-
chöre gegen den Hauptchor**). Der Türekenchor war „mit schönem Schnitz-
werk und Gitter" schloßhaft gemacht. Die auf dem Kretschmerschen
*) Über die Stifterfiguren neben dem Altäre s. Altendoii in II. G. 1911. S. 63.
Brönnenberg S. 12. Anm.: sehenswert .... das sonst am Hochaltäre befindliche
Bild des bußfertigen Zöllners, eine Maske, unter welcher sich Job. Duve 1663 dar-
stellen ließ. Die Figuren befinden sich jetzt im Vaterländischen Museum.
**) „Die schöne perspectiv für dem Mittel-Chor ... mit Eysernen Schranken,
Schnitzwerk, Polierung und Vergüldung" hatte die 1616 verstorbene Witwe
Dorothea Völgerin machen lassen. Mag. Ising, S. 32.
90
Marktkirchc
91
Kirchen und Kapellen
Hilde sichtbare Chorschranke war erst 1834/35 hergestellt (Akten in der
Ratsregistratur. Vgl. Bleibaum, a. a. 0., S. 157, Anm. 1).
Gestühl Auf dem Limburgischen Chor stand nach Weinbergs Beschreibung
von 1684 ein Beichtstuhl.
„Reste früherer Kirchenstühle zeigen im Schnitzwerk die Schutz-
heiligen der Kirche", schreibt Mithoff (Kdm. S. 69; s. dazu Habicht in
H. G. 1913, S. 266).
Das Gemeindegestühl, wie es bis 1853 war, erscheint auf dem Bilde
von Kretschmer in bräunlicher Tönung; seinen Formen nach stammt
es offenbar aus einer nicht lange vor 1853 liegenden Zeit. Weitere, über
das Gemeindegestühl überhaupt vorliegende Nachrichten sind folgende:
1594 wurden die Frauenstühle neu wieder gebaut. Die Nachbarnge-
sellschaft, „Der Rosentopf" genannt, hatte neun bis zehn zum Teil mit
Gitterwerk versehene Stühle in der Mitte der Kirche, die „Der Rosen-
garten" hießen. Außerdem finden sich viele Stühle für Standespersonen
erwähnt. Zum Jahre 1589 bemerkt Redecker S. 259: Ihrer Fürsil. Gnaden
ward der Stand bey der Sacristey da die Prediger stehen, angerichtet.
Die Trabanten, Diener, Rähte standen vor ihm in dem Gange und den
Stühlen.
Glocken Eine Schlagglocke, 1). = 0,99, H. = 0,78; 1498. Meister nicht genannt.
Kronenöhre mit Flechtband belegt; am langen Felde unter dem Namen
„maria" ein kleines Reliefbild der Gottesmutter auf einer Konsole.
Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben Anno dni mccccxcvill maria.
Eine zweite Glocke, D. = 0,90, H. = 0,56. Magister Joachim Schrader
nie fecit anno 1606 — lateinische Großbuchstaben.
Eine dritte, 1). == 1,40, H. ==0,98; 1706. Meister: Thomas Riedeweg.
Inschrift: Thom. Rideweg feci curavit anno Christi MDCCVI. Amplissim.
Senat. Hannover consulibus D. Ant. Jul. Busmann seren ac potentiss
dni Electoris Br. et Lüneb. Consil et Assessor et Job. Christof Danhauer
nee non Camerarius M. L. Volger et L. .1. Krumme haue campanam per
aerarium Thom. Rideweg feci curavit. Stadtwappen.
Über früher vorhanden gewesene Glocken liegen folgende Nachrichten
vor: Die größte Glocke war 1406 gegossen, 1690 umgegossen und 1723 zum
zweiten Male umgegossen (Red. H. G. 1906, S. 133). Den Umguß von
1723 besorgte Meister Thomas Rideweg. Die Inschrift teilt Mithoff
(Kdm. S. 71) mit:
NUM X. Clangetis TUBIS, UT SINT VOBIS IN MEMORIALE CORAM
DKG VESTBO, unten die Nachricht: A NATO CHRISTO, QUI MUNDI
CRIM1NA DEMIT MILLE QLADRINOENTIS SEX ANNIS ELSA EGO
LAPSIS, 1406 MILLE ET SEXCENTIS NOVIES DENIESQUE REFUSA 1690,
AST HING CUM RUERET TRICESIMA TERTIA BRUMA 1723, RESTAU-
RANDA FUI LONGAEVIS USIBUS OPTO!
92
Marktkirche
1689 wurden zwei Signierglocken gegossen (Red., ebenda)*). 1727
geschah ein Umguß der dritten Glocke.
1905 sind durch Umschmelzen zwei ältere Glocken ersetzt: die eine,
1727 durch M. Thomas Riedeweg, die lindere 1715 gegossen - Meister
nicht genannt war 1 <S<>.S durch A. .1. H. Bartels in Hildesheim um-
gegossen.
Die Kanzel hatte auch früher ihren Platz am zweiten Pfeiler der Kanzel
Südseite, vom Chor aus gerechnet. Die 1<S53 beseitigte Stuckkanzel
hatte achtseitigen Stuhl; ihren Fuß bildete die Figur des Moses mit den
Gesetzestafeln (eine Lithographie von R. Wiegmann von 1831 zeigt
die Kanzeltreppe mit dem torartigen Eingang). Der Schalldeckel, von
zweigeschossigem, figurenreichem und säulengetragenem, baldachinartigem
Aufbau reichte nahezu bis an die Kämpfer des Pfeilers. Die Farbgebung
war Weiß mit Gold. Redecker berichtet: 1614 ließen einige angesehene
Leute**) die neue Kanzel von Gips bauen... Der Meister dabei war
Bernhard Klein, dessen Sohn bei der Arbeit zu Tode stürzte (H. G.
1906, S. 132; daselbst auch die Inschriften). Nach Mithoff, Kdm.
S. 68, sagte die unter dem Kanzelboden angebrachte Inschrift,
daß Klein „bürtig von Stuttgart" war. 1692 wurde der Predigtstuhl
renoviert.
Die älteren Kronleuchter und Wandleuchter sind nach 1851 in der Kronleuchter
Marktkirche nicht wieder verwandt. Nachrichten über diese Gegenstände
finden sich bei Redecker (Chronik, S. 589, H. G. 1906, S. 133):
1619 wurde die messingene Lichtkrone der Kaufmannsinnung gestiftet;
1675 die Lichtkrone des Johann Kleine. (Über Wandleuchter s. Mithoff,
Kdm. S. 68.)
Eine Orgel wird 1328 (Urk. 161) in der ursprünglichen St. Jürgens.- Orgel
kirche erwähnt; dann wird 1403 gelegentlich der Bestallung eines neuen
Küsters zum ersten Male von einer Orgel in der wenige Jahrzehnte vorher
vollendeten neuen Kirche gesprochen (vgl. Uhlhorn, Zwei Bilder, S. 63,
Anm. 3). 1589, den 23. Juni, ist - - nach Redecker - eine neue Orgel
zu bauen angefangen (H. G. 1919); vorher habe eine Orgel an der
Seite der Kapelle gemeint ist die Annenkapelle — gestanden;
1591, am 3. Juni, war sie fertig geworden; die Meister waren Henning
Severin und Andreas de More, ein Holländer (s. H. G. 1906, S. 130 11'.).
1605 wurden neue Stimmen durch Conrad Abt, Orgelmacher von Minden,
angebracht; 1630 sind dann durch Adolph Compenius, einen Schaumburger,
damals Organicum und Orgelmacher zu St. Aegidii et Ottiliae (Mag.
Ising, S. 31), einige neue Stimmen hinzugefügt. 1665 wurde die Orgel
*) Über eine Viertelstundenglocke von 1606 s. unter Uhrwerk.
**) Mag. Ising führt sie namentlich auf; S. 33. Verwandt mit dieser Kanzel
ist die 1649 entstandene Kanzel in der Andreaskirche zu Hildesheim; sie ist abge-
bildet in H. Bergner, Handbuch der kirchl. Kunst .... Leipzig 1905. auf S. 2X2.
9;]
Taufe
Kirchen und Kapellen
durch M. Friedrich Behme von Braunschweig von Grund aus renoviert,
nachdem er ein Jahr vorher ein neues Positiv geliefert hatte (Stadtarch.,
Fabrikregister). 1692 wurde zugleich mit dem Predigtstuhl auch die
Orgel renoviert und vergoldet. Die Orgel wurde 1733 vergrößert (s. Habicht
in II. G. 1913).
1684 stand die Taufe auf dem Hauptchore (Weinbergs Beschr. ; s. auch
II. (i. 1901, S. 254).
Die 'laute, Kelchform, 11. =0,98, Messingbronze, Mitte des 15. Jahr-
hunderts, ähnlich derjenigen der Ägidienkirche. Meister unbekannt
(s. die Anm. 57 bei Habicht, St. d. Kult., Hannover).
Abb. 36. Taufe der Marktkirche, l'hot. M. IS. A., 1928.
Der Fuß breitet sich im Zehnpaß, gebildet durch aufgelegte Rippen,
aus; der Ständer ist durch flachrunden Knauf gegürtet. Vor den Flächen
des zehnseitig-prismatischen Beckens ist spätgotisches Baldachinwerk
Abb. :i? und u.x angeordnet, unter dem je eine hochreliefierte Einzelfigur in Vorderansicht,
auf der Fläche vernietet, angebracht ist.
Uhrwerk Ältere Uhrwerke sind nicht mehr vorhanden.
1606 wurde durch den Ratsherrn und Kleinschmied M. Carsten Betke
für 100 Taler = 180 Gulden eine neue Turmuhr angefertigt, deren
Zifferblätter (eines nach der Nordseite, das andere nach Süden) von
M. Dietrich Wedemeyer gemalt wurden (Stadtarch., Kämmereirechnungen).
Die damals neu hinzugefügte Viertelstundenglocke im Gewicht von
94
Marktkirclic
6,5 Zentnern und 4 Pfund goß M. Joachim Schroeder (Schrader s. o.).
Außerdem besaß die Uhr den Mechanismus eines Glockenspieles, „das
für der gantzen Stunde Schlage einen Psalm auf Glocken könnte spielen,
wenn nur die Glocken nach den clavibus musicalibus beigebracht würden"
(Mag. Ising, S. 30). 1700 wurde „der neue künstliche monatliche Tag-
und Stundenzeiger mit der Monatskugel an den Turm gesetzet"
(Redecker, a. a. 0.). Die Mondkugel der Uhr ist 1889 erneuert.
Abb. 37. Hannover; Marktkirche, Teilstück der Erztaufe mit St. Johannes und Jacobus d. Alt.
Eine Sonnenuhr, Südseite der Kirche, an der vorletzten Strebe vor
dem Chor; offenbar gleichzeitig mit dem Kirchenbau: eingemauerte
Sandsteinquader mit sechsteiligem Halbkreis in eingeritzten Linien.
Eine zweite Sonnenuhr von 1555, unweit der vorigen an der Eckstrebe.
Als Meister signieren sich H. Bünting und Arnd Siemerding. Mag. Ising
(S. 77) teilt mit, daß 1555 der Goldschmied Hans Bünting eine Sonnenuhr
verfertigt habe*). Der in zwölf Stunden geteilte Dreiviertelkreis, Zahlen,
Schrift und Meisterzeichen sind durch Vertiefung des Grundes heraus-
gearbeitet.
*) Redecker (H. G. 1906, S. 130 ff.) macht daraus eine Schenkung, doch ver-
rechnet das Fabrikregister von 1555 (Stadtarch.) 15 „Güllen" für den „Stunnen-
segger" an Hans Bünting und der „Smede vordenst", während für die Steinmetz-
arbeit des M. Arnd Siemerding keine Ausgabe vermerkt ist.
95
ä P«
L TS
Marktkirche
Eine Amphora, Silber, entspricht bis auf geringe Unterschiede einer gerate, ge-
solchen in der Kreuzkirche (s. daselbst). fasse, stoffe«)
Eine Kanne, Silber, Höhe mit Deckel und Knopf 0,16; Fuß- Kanne
durchmesse!- = 0,20. Die Kanne ist 1716 neu hergestellt, wahrscheinlich
aus dem Erlös einer älteren, über die es in der Inschrift an der jüngeren
heißt: ANNO 1592. 1). 22. DECEMBER, HAT FRAU LUCIA PAWELS, DFS
WEYL.: ILLSTJ VON WALDHAUSEN COMITIS PALATINI DOCTORIS
BEYDFR RECHTE UND CANTZLER ZU BRAUNSCHWEIG NACHGE-
LASSENE WITTWE, DIESE KANNE AUF DIES ALTAR NEU VEREHRET.
Meisterzeichen: C. J. (Carl Junge), Beschaustempel: Kleeblatt.
Ein Kelch, spätgotisch, Kupfer vergoldet, H. == 0,20; Fuß in Sechs- Kelche
paßform mit Zwickeln, I). -= 0,17. Fuß- und Handhabe mit durch-
brochenen gotischen Verzierungen; Knauf flach und scharfkantig; die Abb. 39
Kuppe gerundet und bis zu halber Höhe mit Laubwerk umsponnen.
Kein Meister- und Beschaustempel.
Die zugehörige Patene, Gold, D. = 0,24, gestiftet 1555; auf dem breiten
Rande zwei gravierte Wappen: das der Herzogin Elisabeth und ihres
letzten Gemahls, des Grafen Poppo von Henneberg. Vierzeilige, von
Wappen unterbrochene Inschrift. Umschrift: „Von Godts Gnaden wir
Elisabed geborene Marggrefin zu Brandenburgk Heisen Fürst
Popen Grafen und Herrn zu Hennenberch elich Gemahel in Ehrn dissen
Kelch aus Lieb und Werth als man 1500 und 55 schreb der Kirchgen zu
Sant Jürgen binen Hanober vorereth als wir also lange alhir im Eilende
bliben darbei unsser zu gedencken Christus Blut dar aus zu schenken zu
ewer aller Selicheit Godt wende all mein Hertzleid. Amen." Kein Zeichen.
Meister vielleicht Hans Bünting (s. Habicht, St. d. K., S. 71).
Zwei untereinander gleichartige Kelche, H. = 0,29, Silber vergoldet,
der eine 1634 gestiftet, der andere 1687 jenem nachgebildet. Fuß sechs-
passig, D. =0,19, Knauf hochellipsoidisch ; Kuppa gerundet und gegen
den Rand ausgebuchtet. Der ältere Kelch hat am Knauf die Inschrift:
JESUS FILIUS DEL Beschaustempel: Kleeblatt. Meisterzeichen:
vielleicht H. R. (H. Rhaders?). Der jüngere Kelch hat unter dem Fuße:
Anno 1687 DEN 5. MAJUS. Meisterz.; P. Z. (Peter Zindel), Besch.: Kleebl.
Drei Leuchter in barocken Formen, untereinander gleicher Arbeit, Leuchter
von unbekanntem, III signierendem Meister**), 1690 oder 1696 angefertigt. Abb. 10
H. =0,68. Beschaustempel: Kleeblatt.
Eine Oblatendose, Silber, Höhe mit Deckel und Knauf 0,13, größter obiatendose
Durchmesser: 0,16. Zwölfseitiger Deckelkasten mit zwei geflügelten
*) Vgl. Dr. C. Küthmann, Führer durch die Ausstellung Wienhäuser Teppiche
und nieds. Kirchenschätze im Leineschloß zu Hannover vom 1. — 9. Juni 1929.
**) Nach Küthmann, a. a. ().. S. 13: Jobst Johann Junge, 1670 hannoverscher
Bürger.
»7
Kirchen und Kapellen
Abb. 41 Engelsköpfen als Handhabe, gravierten Figuren und Wappen. Beschau-
zeichen: Kleeblatt. Meisterzeichen: H. R. = Hans Rhaders, (vgl. Habicht,
St. d. K., S. 74).
Taufschale Eine Taufschale, Silber, runde Form, D. = 23,7 cm, H. = 14,4 cm.
Auf dem 11,5 cm im Durchmesser haltenden Boden ist in Treibearbeit
dargestellt: Christi Taufe durch Johannes, mit der Umschrift: MARCI
AM 3. WEHR • GLEVBEN • THVT • VND • WIRT • GETAVFT • DER • IST •
DVRCHS • BLVET • CHRISTI • ERKAVFT. Am äußeren Rande der Schale
befinden sich zwei Köpfe mit je einem Henkel darunter. Außerdem
zwei Engelsköpfe und vier Inschriften verschiedenen Alters; die älteste
von 1613. Meistermonogramm: B H C (Beruh. Heinr. Cortnum). Beschau-
stempel: Kleeblatt.
Abb. 41. Hannover; Marktkirche, Taufschale und Hostiendose. Phot. M. B. A., 1928.
Vasen Vier Vasen gleicher Arbeit, zwei davon H. = 0,34, die beiden anderen
H. = 0,22, 1703 von Philipp Huntemann geschmiedet (s. Bleibaum,
Bildschn., S. 23).
Folgende liturgischen Geräte der Marktkirche werden als zum
Bestände des Weifenmuseums gehörig im Provinzialmuseum aufbewahrt:
Zwei Monstranzen mit gotischen Hostienträgern; die eine aus Bronze,
die andere aus vergoldetem Silber.
Zwei Salbhörner mit Messingbeschlag: das eine mit Deckel und Füßen;
das andere, unvollständig, hat die Inschrift auf dem oberen Ringe:
Ave Maria gracia plena do
Ein Kruzifixus, Silber, mit Reliquienbehälter, zum Aufhängen an einer
Kette.
Ein Kruzifixus, Messing, mit Reliquienbehälter, zum Hinstellen.
Ein Kruzifixus, Silber (?), Korpus graviert, zum Aufhängen.
98
Marktkirche
Mithoff (Kdm. S. 68) führt noch auf: zwei Amulette mit Kette;
zwei Schlösser von Rosenkränzen, Silber; zwei Rosenkränze. Korallen.
Für Altar, Taufe und Kanzel waren 1712 Decken aus grünem Samt Stoffe
mit Goldbesatz, dazu ein entsprechendes Meßgewand angeschafft (H. G.
1906, S. 136). 1727 wurden Decken und ein Meßgewand aus blauem
Samt geschenkt (verschollen).
Abb. 12. Hannover; Marktkirche, Sandsteinstatue
des hl. Jacobus. Phot. M.B. A., 1928.
Abb. 13. Hannover; Marktkirche, Sandsteinstatue
des hl. Georg. Phot. M. 15. A., 1928.
Ein Marienmäntelchen von rotem Samt mit Resatz von echten
Perlen und vergoldeten Riechen; darauf die Inschrift: jhesus • maria •
anna • in Minuskeln (Weifenmuseum).
Ein kleiner Kragen für ein Marienbild; roter Samt mit Riechen
und Flitter (Weifenmuseum).
99
Kirchen und Kapellen
Alte Meßgewänder sind angeblich bis ins 1<S. Jahrhundert hinein bei
festlichen Gottesdiensten verwandt worden.
sonstige denk- Johannesschüssel, jetzt innerhalb des Bestandes ans drin Welfen-
malsgegen- museum jm Provinzialmuseum. Polychrome Reliefarbeit in Sandstein,
STANDK
Bildwerke um 1190; Durchmesser der halbkugeligen Schüssel: 19,5 cm. Anl dem
Schüsselrande in Minuskeln: sanetus • Johannes • babtista. Habicht
(H. (1. 1913, S. 207) weist auf verwandle Stücke in Westfalen hin.
Abb. i2u. 43 Zwei Standbilder aus Kalksand-
stein, die Kirchenheiligen derMarkt-
kirche St. Georg und St. Jacobus
darstellend, H. = etwa 1,80; als
Architekturplastiken am Turm-
portal außen verwendet . 1 )er heilige
Georg mit Schild und Lanze auf
dem Drachen stehend, in Panzer-
hemd, Kapuze und Mantel, zweite
Hälfte des 1 1. Jahrhunderts. St.
Jacobus in Hemdrock mit überge-
worfenem Mantel, Pilgerhut mit
Muschel, in der Rechten den Pilger-
stab, ist der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts zuzuweisen. Ha-
bicht (H. G. 1913, S. 211) setzt
beide Standbilder um 1420 und
schreibt sie Hildesheimer Her-
kunft zu.
Abb. u Ein Kreuzigungsrelief (Stations-
bild?) mit Maria und Johannes,
Sandsteinplatte: 1,28 X 0,60, ander
Nordseite der Kirche in die vierte
Strebe eingemauert, entstammt
dem Ende des 14. Jahrhunderts
(s. die Beschreibung bei Habicht,
H. G. 1913, S. 211).
Abb. ir> Standfigur eines Chronos und
dreier Engelsputten, Alabaster,
Provinzialmuseum. Der Überliefe-
rung nach Reste eines v. d. Bussche-
schen Epitaphes. Meister Job. Fr. Ziesenis (s. darüber Schuchhardt,
Bildh. d. Ren., Nr. 160, Bleibaum. Bildschnitzerfamilien, S. 257).
Grabmäier Ein handschriftliches Verzeichnis über die bemerkenswerten Epitaphien
in der Marktkirche gibt Mag. Ising; auch Heiliger hat ein solches
aufgestellt (Staatsarch., Handschr. C 38). Ergänzendes dazu bietet
Abb. 11. Hannover; Marktkirche, Kreuzigungsrelief.
100
Marktkirche
B. F. Weinbergs Baubeschreibung de anno 1684 mit einem Plane
(Kirchenarch.). Über untergegangene Grabmäler ist daraus zu ent-
nehmen: An dem Halbpfeiler zwischen Limburger Chor und Schiff
war „des hochl. Herrn Mag. Deichman's Contrafait mit einem
darunter geschriebenen Epitaphio" aufgehängt. Links des Altares be-
fanden sich der Stein des M. Erithrophilns und der des M. Bünting von
1(515. Davor ein Stein mit dem Bilde eines Predigers in Ornat und andere
Steine, besonders drei mit ,,dero von Änderten Wappen". Links hing
am Pfeiler das Bildnis mit Epitaphinschrift des Scarabaeus, das Epitaph
des Doct. Conr. Bünting, da-
neben das noch vorhandene
des Amtsmanns Diric von Än-
derten (s. Schuchhardt, Bildh.
d. Ben., Nr. 161) und endlich
auf der gleichen Seite des
Mag. Leidenfrosts Contrafait mit
kurzem Epitaphium. Rechter-
hand im Hauptchor waren am
Pfeiler das Epitaph des Vitus
Buscher, darüber Helm, Schild
und Fahnen des Generalmajors
von dem Winkle befestigt.
Außerhalb des Chores am
gleichen Pfeiler die Embleme
des Generalmajors Görtz; auf
der anderen Seite hingen Helm,
Schild und Fahnen des Generals
Obentraut; weiterhin ein Epi-
taph des Kanzlers Engelbrecht.
Über den Türekenchor, den
nördlichen Seitenchor, findet
man bei Bedecker (H. G. 1906,
S. 132) einige Angaben.
Die folgenden Grabmäler
sind noch vorhanden und zu-
meist von Schuchhardt (Hann.
Bildh. d. Ben.) behandelt. Nur wenige befinden sich am alten Orte.
Grabplatte des Predigers Serstede, gest. 1483, im Kestnermuseum.
Grabplatte eines Unbekannten, Sandstein, Anfang des 16. Jahr- Abb. ig
hunderts, H. = 1,85, Br. = 1,16. Meister unbekannt; Nordseite der
Kirche (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 5). Bechteckige Tafel mit Schriftrand.
Aus vertieftem Grunde herausgearbeitet: Kruzifixus mit Maria und
Abb. 15.
Hannover; Marktkirche, Chronos von Ziesenis.
Angeblich von einem v. d. Busscheschen Epitaph.
101
Kirchen und Kapellen
Johannes. In der Tafelecke rechts unten: no|n] bene ])ro / toto Lib[e]rtas
v[end]itur auro.
Abb. i7 Grabstein des Eberhard v. Berckhusen, f 1564. Südseite. H. = 2,26,
Br. == 1,50. Der untere Rand samt Inschrift abgehauen. Näheres s.
Schuchhardt, Nr. 10, mit Abb. Aus der Inschrift: ANNO • 1564 • DIE
APRILI 26 • EBERHABDYS • A • BERCKHVSEN • MAGISTER • CDRIVM-
LINGVARVM • PERITVS • ET • OB • IVRIS • VTRIVSQ □ SCIENTIAM •
EXIMIAM • ERICI • ILLVST • DVCIS • BRVNS • ET • LVNEB- • CONSILI-
ARIVS • CREDITUS etc • OBIIT • iETATIS • SViE • 39. Der
Meister ist wohl noch Amt Siemerding.
Abb. 16. Hannover; Marktkirche,
Grabplatte eines Unbekannten.
Abb. 17. Hannover; Marktkirche,
Grabstein des Eberhard von Berckhusen, f 1564.
Abb. is Grabplatte der Schwestern Catarina Romeis, f 1570, und Johanna
Romeis. Südseite. H. = 2,27, Br. = 1,57. Meister unbekannt. Näheres
s. Schuchhardt, Nr. 18, mit Abb. Mit dem Romelsschen Vermächtnis
wurde das Alte oder Ratskloster bereichert (Ising, S. 68). Randschrift:
[H]IER LIGTBEG[RA]VEN DE EDELE VND VELDOGETSAME EROVWE
CATARINA ROMELS CRISTOFFS VAN SZEMERE NAGELATE WETWE
102
Marktkirche
DE IN GODT VORSCHRDEN IS • DE • 1 ■ JVL: ANü • 70. Johanna R.,
f 1578, war die Witwe des Clauß Friesen.
Grabplatte der Dorothea Garsen, f 1575. Südseite, ursprünglich Abb. 49
„in der kleinen Kapelle" (Heiliger, inscr. S. 313). H. == 1,82, Rr. = 1,03.
Näheres s. Schuchhardt, Nr. 19. Aus der Inschrift: HONEST7E MA-
TRON/E DÜRTHE/E GARSEN • IVSTI • A • WALTHVSEN . GOMITIS
f gg« HAMM wm mm
Abb. 48. Hannover; Marktkirche, Grabplatte der Schwestern Romeis.
PALATINI • IVRIVM • ET • ARTIUM • DOCTORIS • VNORIS • EPI-
TAPH IVM •
Grabstein der Catarina Helmolts, Witwe des Georg Reiche, f 1577.
Südseite, ursprünglich „an dem ersten Pfeiler vom Chor ab mitternächt-
103
■a 3.
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— 3.
CS CO
5 Q
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J3 "
104
Marktkirche
lieber Seits". H. = 2,09, Br. = 1,10. Meister Hans Nottelmann (vgl. H. G.
1929, S. 80 ff.). Näheres s. Schuchhardt, Nr. 20, mit Abb. (Vgl. Kdm.
Westf. I. Taf. 2, Epitaph in Hollwinkel). Inschrift: ANNO • 77 • DEN • 20
JANVARII • IST • DIE • E □ ARE • VND • VELTVGETSAME • FRAWE •
CATARINA • HELMOLTS • WEILAND GEORGEN • REICHEN • FVRSTL:
RRAVNSCH • RATH • VND • AMPTMANS • ZV • WVLFFINGHAVSEN •
NACHGELASNE • WIDTWE • SELICHEN ■ VORSCHEIDEN '—
Grabplatte des Melchior Reichard, f 1593. Nordseite. H. ==2,05, Abb. so
Br. == 1,33. Meister wahrscheinlich H. N. Näheres s. Schuchhardt,
Nr. 29. Nischentyp mit Schriftumrandung und Wappen in den Zwickeln
und im Nischenscheitel. Der Verstorbene kniet rechts gewandt in
Beterhaltung. Aus der Umschrift (Großbuchstaben): Anno 1593 IIX
d(ie) Afprilis] .... M[elch]ior Reichardus tri[u]m [illujstriss fimorum]
dueum Brunsvic[ensiumJ Henr(ici) Jun[ioris|, Jul(ii) filii, Henr(ici)
Jul(ii) nepot[is] ad annos 46 consil(iarius) et archiquaestor . . . etc.
Grabplatte des Conrad Wiedemeyer, f 1598. Nordseite, ursprünglich Abb. :>i
„bey der tauffe nach dem Markte". H. = 2,05, Br. = 1,03. Meister
aus der Künstlerfamilie Wulff (Leonhardt, mündlich). Vgl. Grabplatte des
Bodo von Rautenberge, | 1597, inRethmar. Näheres s. Schuchhardt, Nr. 63.
Grabplatte der Catharina von der Hoya, Gemahlin des Bürger-
meisters Erich Reiche, f 1617. Nordseite. H. = 2,05, Br. = 1,15. Meister
möglicherweise schon Jeremias Sutel. Die Adorantin in dreipassiger
Nische links gewandt knieend. In den Zwickeln Kreismedaillons mit
Wappen; geflügelte Engelsköpfe in den Dreipasszwickeln; umgebende
Flächen und Band mit dekorativer Majuskelschrift. Näheres s. Schuch-
hardt, Nr. 55, mit Abb.
Grabplatte des Pastors David Meier, f 1640. Der Stein ist früher Abb. 52
gearbeitet, lag ursprünglich im Chor (n. Heiliger, inscr. S. 91). H. = 2,12,
Br. = 1,12. Meister wohl sicher Ludolf Witte. Näheres s. Schuchhardt,
Nr. 72.
Grabplatte des Bürgermeisters Herman Bartels, t 1635. Nordseite, Abb. 53
ursprünglich an der Ägidienkirche (nach Heiliger, inscr. et epit.).
H. =2,02, Br. =1,02. Meister unbekannt. Näheres s. Schuchhardt, Nr. 77.
Grabplatte des Pastors Heise, f 1613. Nordseite, an seinem ur- Abb. :,i
sprünglichen Platze (Heiliger, inscr. et epit. fol. 200). Wahrscheinlich
gleicher Meister wie vorher. Näheres s. Schuchhardt, Nr. 79.
Grabplatte des Pastors Nikolaus Baring, f 1647. Nordseite (nach Abb. 55
Heiliger ursprünglich an der Ägidienkirche). H. = 2,26, Br. = 1,00.
Wahrscheinlich gleicher Meister wie vorher. Näheres s. Schuchhardt,
Nr. 80.
Grabplatte der Familie Kleine von 1662. Turm, Nordseite. Meister
nach Schuchhardt aus Peter Kösters Kreise, vielleicht Johan Arend Hoyer.
Näheres s. daselbst, Nr. 114, ohne Abb.
105
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107
Kirchen und Kapellen
Abb. 56 Wandmal des Johan Buchhagen, f 1671. Turm. H. etwa 3,20,
Br. = 1,30. Meisler vielleicht IL L. Näheres s. Schuchhardt, Nr. 120.
\Ya nd mal des 1 leinrieh von Änderten, f 1682; Nordseite. H. etwa 2,70,
Br. == 2,10. Meister vielleicht Hans Jakob Uhle. Näheres s. Schuchhardt,
Nr. 127, mit Abb. Eingeschossiges, die Totenlegende enthaltendes Reta-
bulum mit korinthischen Saiden und verkröpftem Gebälk. Seitenstücke
mit Ohrmuschelwerk und Engelsköpfen. Bekrönung mit rundbogigem
Relief des Ölberggebetes, drei Wappen und Schnörkelwerk. Im Sockel-
teile Engelsfigürchen auf Konsolen; dazwischen Schriftkartuschen.
Wandmal des Justus Limburg, f 1646. Wahrscheinlich erst um 1680
gesetzt von der Ehefrau. H. etwa 2,50, Br. = 1,63. Meister wahr-
scheinlich Hans Jakob Uhle. Näheres s. Schuchhardt, Nr. 131, mit Abb.
Abi». 57 Grabplatte des jungen Josua Wineker, f 1652. Nordseite. Näheres
s. Schuchhardt, Nr. 166. Der Meister ist wohl unter den Steinmetzen
des Kreuzkirchturms zu suchen,
An (\cn Stein knüpft sich die
auch anderswo verbreitete Sage
von den auf dem Turme strei-
tenden Knaben.
Abi». 58 Wand mal
Kleine, f 1672.
H. etwa 5,00,
Meisterinschrift
„JobstBleydorn", rechts :,, Anno
1672". Näheres s. Schuchhardt,
Nr. 167.
Wand mal des Eberhard von
Änderten, f 1674, früher auf
dem Chor, jetzt innen, West-
seite. H. etwa 3,50, Br. = 2,35.
Meisterinschrift am Gebälk in
Mitte der Haupttafel: „.Jobst
Bleidorn, Bilth. a. Hild.". Nä-
heres s. Schuchhardt, Nr. 168,
mit Abb. Retabulum mit Säulen-
architektur; gebrochener Seg-
mentgiebel, bekrönt von drei
Figuren. Als Seitenstücke beider-
seits je eine freistehende Figur.
Sockelteil mit breit-rechteckiger
Inschrifttafel. Das Retabulum
ist quer geteilt: oben Relief
der Beweinung Christi in einer
des Johann
Am Turm.
Br. 2,53.
unten links:
Abb. 58. Hannover; Marktkirche,
Wandmal des Johann Kleine, t Ui72.
108
Marktkirche
5 P.
109
Kirchen und Kapellen
Muschel, unten Inschriftkartusche. Vor dem Friese Wappen: von Än-
derten und Reiche.
Ai.i.. vi Wandmal des Dr. Hektor Mithoff, f 101 1. Turmhalle, Südwand.
H. etwa 6,70, Br. = 2,25. Unbekannter auswärtiger Meister. Näheres
Abb. 61. Hannover; Marktkirche,
Epitaph des Joh. Christoph von Wintheim, t 1721. Phot. M. H.A., 1928.
s. Schuchhardt, Nr. 162 (Ising, S. 41 ff.). Der Sockelteil weicht in der
Wucht der Formen ab von der Architektur en miniature des übrigen
Epitaphes. Viersäuliger, verkröpfter Aufbau. In der Mitteltafel Auf-
erstehungsrelief. Im Giebelteil Rundbogenbild. Vor der Predella knieen
in Vollplastik, einem in der Mitte angebrachten Kruzifixus zugewandt,
die Hinterbliebenen.
110
Marktkirche
Wandmal des Joachim von Änderten, f 1619. Orgelempore. H. = 2,10, Abb. 60
Br. = 1,62. Meisterinschrift oben unter dem Rundtempel: „Adam
Stenelt bilthawer 1621" (Ising, S. 58 f., s. das folgende).
Wandmal des Diedrich von Änderten. Orgelempore. H. =2,40,
Br. =1,63. Wahrscheinlich ebenfalls von Stenelt. Näheres s. Schuchhardt
Nr. 163, 164, mit Abb. Beide in der für Stenelt*) charakteristischen
Architektur und bildhauerischen Behandlung. Mehrgeschossiger Aufbau
(s. Ising, S. 60 f.).
Wandmal des Johann Christoph von Wintheim, f 1721. Orgelempore. Abb. ei
H. = 2,60. Retabulum zwischen korinthischer Säulenarchitektur mit
Baldachindraperie. Zu Seiten Fides und Charitas.
Wand mal der Witwe Brockmans, Messingblech auf Holz, 1730.
Turmhalle, Südwand.
Ein Tafelgemälde, Öl auf Kreidegrund auf 2,5 cm dickem Eichenholz; Meierei
Hochformat: 99,8 : 86,5; in der Sakristei. Die Darstellung zeigt den
hl. Georg im Kampfe mit dem Drachen und gehört vermutlich zu einem
Altare, von dem weitere Tafeln verschollen sind. Mithoff berichtet Abb. 62
(Kdm., S. 69), ein Teil der alten Umrahmung habe die Datierung ge-
tragen: Anno dni.m.cccc 1 xxx i. Eine Beschreibung gibt Habicht
(H. G. 1913, S. 279); er weist auf Verwandtschaft mit Raphonscher
Malerei und auf niederländische Anregungen hin.
Über ein verschollenes Gemälde berichtet Redecker (Chron.) zum
Jahre 1596, der Syndicus Doct. Conrad Bünting habe ein großes Bild
des Jüngsten Gerichtes malen lassen. Die von Bedecker wiedergegebene
Unterschrift des Bildes überliefert den Auftraggeber und das Datum;
nicht aber den Meister.
Die Kirchenfenster gehören in der Hauptsache der Bestauratioii
von 1855 an. Bei Grupen**) (Hist. Eccl. Ms. im Sladtarch.) finden sich
folgende Mitteilungen über Glasfenster, die nicht mehr vorhanden sind:
das Limburger Fenster, auf dem Chor zur Rechten, habe die Inschrift
getragen ,,1340 fenestrae faetae sunt"; das Fenster der Kaufmanns-
innung bei dem Altar zur Linken, jedoch mit neuer Schrift, ,,A. 1340.
Renov. A "; - - „in der Blohmen Fenster hinter dem Altar" stand
ganz oben ,,1386".
Redecker (Chron. S. 451) vermerkt: 1539 schenkte das Krameramt
ein Fenster in die Markt- oder Jacobi-Kirche, welches an der Markt-
seite das dritte vom Turm her ist.
In den drei Mittelfenstern des Chores sind Reste früherer Glasmalereien
wieder angebracht: dasjenige links des Mittelfensters enthält in zwölf
*) Werke des westfälischen Meisters in Münster, Minden, Osnabrück, Bad
Essen, Kr. Wittlage.
**) Vgl. auch oben S. 77.
111
Kirchen und Kapellen
Szenen Martyrien. Die Bilder sind bei der Restauration von 1855 will-
kürlich zusammengesetzt; angeblich wurden sie aus der Sodenkapelle
übernommen, sind aber früher als diese zu datieren, nämlich um 1370.
Abb. 62. Hannover; Marktkirche, Tafelgemälde. Kampf des hl. Georg mit dem Drachen. Phot. 1923.
Das Mittelfenster, angeblich ebenfalls aus der Sodenkapelle übernommen,
ist durch rhombenartige Streifen gegliedert und enthält in drei Haupt-
feldern: Tod der Maria, Drei Könige, hl. Sippe; und zwölf Szenen aus
der Heiligenlegende. Um 1400. Das Fenster rechts des mittleren zeigt
in fünf übereinander angeordneten Streifen je drei Heiligenfiguren.
Um 1470. (S. Eingehenderes bei Habicht, H. G. 1913, S. 281/82.)
112
Marktkirche
Nach der Restauration von 1855 ist ein Teil der aus der Kirche von Memorienschiider
den Pfeilern entfernten Memorienschiider in der Turmhalle aufgehängt
worden; es sind die folgenden:
Memorienschild des Barthold von Mandelsloh, f 1553, mit Darstellung
der Auferstehung und vier Totenschilden*).
Memorienschild für Heinr. von Rode, | 1578.
Memorienschild für Catharina Wiedemans, f 1587.
Memorienschild des Generals Obentraut, f 1625.
Memorienschild für Gottfried von Sparr.
Gedenktafel des Reformators Corvinus und Urbanus Rhegius. 1553.
Gedenktafel für 21 hannoversche Bürger, gefallen bei Hainholz.
1632. Turmhalle, Westwand.
Gedenktafel auf die Türkenschlacht bei Levens a. d. Gran. 1664.
Turmhalle, Nordwand.
Gedenktafel auf die Schlacht bei Minden 1759. Turmhalle, Süd-
wand. Stein.
Zwei Türklopfer, Bronzeguß, Ende des 14. Jahrhunderts, jetzt im Türklopfer
Provinzialmuseum (Weifen-
museum, Nr. 2190 und
2191). Der erste, H. = 0,52,
B. = 0,38, hat die Form
eines Fünf passes mit einem
Löwenkopf in der Mitte.
Als bekrönender Abschluß
ist darüber ein Baldachin,
enthaltend die vollplastische
Figur des hl. Antonius, an-
gebracht. Das andere Stück, Abb. 63
H. = 0,45, B. = 0,43, ist ein
Vierpaß. In der Mitte
Frauenbüste mit Krone, zu
Seiten kleine, männliche Ge-
stalten und Löwen; darunter
sitzender Heiliger. Der Griff-
ring ist aus dem Gewände
der Frau von deren Hüften
aus flechtenartig entwickelt ;
Habicht (Stätten der Kultur
Abb. 63. Hannover; Marktkirche, Türklopfer. Phot. 1905.
darauf sitzt ein kleines vollplastisches Tier,
*) Ising, S. 68, nennt Jobst von Lühnde, den letzten des Geschlechtes, Bart-
hold von Oldershausen, Georg von Kastenbruch, Erich von Grubenhagen, die mit
Barthold von Mandelsloh in der Schlacht von Sievershausen fielen und in der
Marktkirche beigesetzt wurden.
113
Kirchen und Kapellen
Hannover, S. 19/21) schreibt beide Stücke der gleichen Werkstatt zn
und datiert sie um 1390.
Nachrichten über weitere, jetzt nicht mehr vorhandene Kunstgegen-
stände s. H. G. 1905, S. 1—39.
Kirchhof Der Kirchhof von St. Jürgen findet sich 1257 (Urk. 20) zuerst genannt.
Im Mittelalter war er der Versammlungsplatz der Bürgerschaft und
umgab die Kirche etwa in der Form eines großen Ovales. Redecker
spricht davon, daß er durch eine Ziegelmauer umgrenzt gewesen sei,
die im Jahre 1675 erhöht wurde (Chron. z. J. 1675). Über zwei von den
drei Pforten war eine Jahreszahl und ein Kreuz in Stein eingehauen
(H. G. 1906, S. 133; s. auch Bertram, Gesch. d. Ratsgymn.,
S. 415). Die Mauer, 1751 schon verfallen, ist 1752/53 neu aufgeführt
und im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts abgebrochen. Nach Redeckers
Abbildungen sind in die Ziegelmauer Bildwerke eingelassen gewesen.
Am Durchgang zur nordwestlichen Kirchentür standen zwei Steine,
anscheinend ein Doppelmal (s. Riemer in H. G. 1915, S. 546), von
1424 in der Art des Sieben-Männersteines an der Ägidienkirche
oder des Herzogsteines bei Schloß Ricklingen, mit Bildnissen der Ver-
storbenen.
114
Ägidienkirche*).
Die besondere Worthzinspflicht, die auf den Grundstücken an der oberen
Osterstraße lag (s. darüber S. 25), läßt darauf schließen, daß der Anbau
dieser Stadtgegend, als deren kirchengemeindlicher Mittelpunkt schon
1241 die Ägidienkirche erscheint, zu einem bestimmten Zeitpunkte unter
landesherrlicher Einwirkung stattgefunden hat. Für eine sichere Da-
tierung fehlen unmittelbare Nachrichten. Dem Anscheine nach hat
die 1347 erbaute Ägidienkirche eine Vorläuferin gehabt in einer roma-
nischen Kirche oder Kapelle, deren Material beim Bau von 1347 Wieder-
verwendung gefunden hat. Einige der eingebauten ornamentalen Werk-
stücke gestatten eine Zeitsetzung in das 12. Jahrhundert. Als dasjenige
Ereignis, welches dem Landesherrn Anlaß hat geben können, den Anbau
oder Wiederanbau der Gegend durch Vergebung von worthzinspflichtigen
Grundstücken zu fördern, darf vielleicht die Niederbrennung von 1189
angesehen werden.
Wie eine am Chor der Ägidienkirche außen eingemauerte Inschrift baugeschichte
mitteilt, ist das Gotteshaus im Jahre 1347 „per magistros dictos Witte-
meyger" erbaut**). Schiff und Chor sind nach einheitlichem Plane an-
gelegt, Streben im Grundriß vorgesehen. Das Schiff war ehemals durch
Pfeiler von paarweise achteckiger und runder Grundform in Haupt- und
Nebenschiffe geteilt (s. den Grundriß in Mithoffs Archiv I, Tafel VII).
Dieser Zustand ist in den Jahren 1825 — 27 nach Vorschlägen von Laves
geändert worden: man brach die baufälligen Gewölbe und die Pfeiler
heraus, legte auf zweigeschossigen Stützenstellungen aus gußeisernen
Säulchen Längspriechen an und schloß den Raum mit einer Holzdecke:
*) Die Benennung Aegidii et Ottilie ist irrig. Sie findet sich schon bei Mag.
Ising.
**) Die an einem Chorpfeiler angebrachte Inschrift ist in Majuskeln geschrieben:
+ ANNO • DOMINI . M • CCG • XL • VII • INCHOATVM • EST • EDIFICIVM •
IN • ANNVNCIACIONE • BEATE • UIRGINIS • A • PROVISORIBUS ■ ECCLE-
SIE • IOHANNES • LVTBETI • ET • IOHANNIS • DE • STEMNE • PER • MA-
GISTROS • DICTOS • WITTEMEYGER •
115
Kirchen uu<\ Kapellen
Abb. 64. Hannover; Ägidienkirche, Gesamtansicht von Südosten, l'hot. 1900.
116
Ägidicnkirche
Abb. 65. Hannover; Ägidienkirche, Innenansicht
den Chor im Zustande von 1885.
Ein früherer Zustand des
Ägidienturmes wird von Mag.
Ising (a. a. 0., S. 80) beschrie-
ben: „Der Thurm an dieser
Kirche ist mit seinem Funda-
ment angefangen, dass es solte
ein gedoppelt Kirch thurm
seyn, wie dann auff solche
manier das Fundament aus
der Erde auff etzliche wenig
Klafftet- aussgeführet ist. Man
hat aber das Werck nicht voll-
führet, sondern in der Mitte
den itzigen Thurm auffge-
fiihrct und mit einer desto
längeren höheren Spitze
gezieret." Nach dieser Schil-
derung liegt der Schluß
im Mittelschiff durch Tudor-
bögen, in den Seitenschiffen
durch spitzbogige Kreuzge-
wölbe nach dem Geschmack
englischer Gotik. Die Chor- Abb. 65
nische wurde als Ersatz für
die gleichzeitig abgebrochene
Sakristei unter demTriumph-
bogen durch eine Holzwand
abgeschert, welche denKanzel-
altar enthielt.
Erneuerungsarbeiten im
.Iahte 1874 durch C. W. Hase
und H. Schmidt-Wien ließen
diesen Zustand unberührt.
Erst 1886 öffnete man die ■
Chornische wieder und schuf
nach Hases Entwurf seitlich
des Chores je einen niedrigen
Anbau als Sakristei. Abb. 66
(ZurLavesschenUmwand-
lung vgl. H. Rambergs „Be-
merkungen über schöne Bau-
kunst" im Hann. Magazin
von 1827/28.)
Abb. 66. Hannover; Ägidienkirche, Aufriß der Chorseite
mit den Sakristeien von Hase. 1886.
117
Kirchen und Kapellen
auf einen im Grundriß rechteckigen, romanischen Turmkörper nahe.
Merian stellt 1654 auf seiner Ansicht der Stadt Hannover den
Turm dar mit je zwei rundbogigen Schallöffnungen unter dem Trauf-
sims in Süd- und Ostseite; der Helm bildet eine vierseitige Pyramide
mit abgefasten Kanten. Redeckers Skizze zeigt ihn ebenso*), doch
kann der Chronist den Turm nicht aus eigener Anschauung, gezeichnet
haben, weil dieser von 1671 ab wegen Einsturzgefahr nach und nach
abgenommen war**).
1693 stiftete Hans Barteides ein Legat zu einer neuen Turmspitze.
Seit 1701 erwog man die Anlage eines ganz neuen Turmes (Redecker,
Chron., S. 267), schaffte nach gefaßtem Entschluß noch im gleichen
Jahre das Material zum Neubau herbei und begann mit der Bearbeitung
der großen Steine. Am 3. August 1703 ward begonnen, das Schlingwerk
zu legen; am 31. August fing man mit dem Mauerwerk an. 1704 wurde
das erste, 1705 das zweite Geschoß und 1707 (nach Dürr, Hann. Magazin
1825, erst 1711) der Turmkörper überhaupt fertig. Der Stadtmaurer-
meister Diederich Balcke war mit der Ausführung betraut; er starb um
1711. Noch 1717 war — nach Dürr — der Helm nicht fertig. Der Rat
schloß deshalb damals mit dem Zimmermeister Heinr. Leseberg (Schuster,
K. u. K., S. 48, nennt ihn Limburg) einen Vertrag.
Den künstlerischen Urheber des Turmes machte der Nachwelt zuerst
Iffland im Hann. Magazin (1833, S. 777) bekannt. Der Entwurf stammt
von dem Churf. Br.-Lb. Proviantverwalter Sudfeld Vick, dem auch die
„Direction" des Baues übertragen wurde. Einwände der Bürgerschaft
gegen die Architektur des Turmes brachte Vick zum Schweigen durch
Hinweise auf Vitruv, Palladio, Scamozzi und Philibert de Lorme. (Vgl.
im Stadtarch. XIV, 26: „Nötige Defension wieder die Blasme, als hätte
man bey dem Thurmbau der Aegid. Kirchen, in der Ordonnance etwas
versehen etc. Psten. den 6. Maji 1704".)
Beschreibung Die Ägidienkirche ist als dreischiffige, gewölbte Hallenkirche mit
Langhaus und chor p0jVp0najem Chorabschluß und Westturm in Kalksandstein erbaut.
Abb. 64 und 67 r J &
Das Mauerwerk zeigt im unteren Teil regelmäßige kubische Bruchstein-
quadern nach romanischer Art; höher hinauf wird es unregelmäßig nach
Form und Größe der Steine sowie nach der Schichtenführung. Stücke
eines romanischen Würfelfrieses finden sich eingemauert im östlichen
Joch des Nordschiffes sowie im entsprechenden Giebel des Südschiffes.
Im Jahre 1924 sollen beim Einsetzen der Kriegergedächtnistafel romanische
*) An der Westseite, dicht unter der Spitze, befand sich nach den Kirchen-
rechnungen eine Gaube für die Schlagglocke.
**) In diesem Jahre wurden auf das Gutachten einer dazu bestellten Kom-
mission, der u. a. die beiden Maurermeister Siemerding angehörten, 64 Fuß abge-
nommen.
118
Ägidienkirche
Kapitelle gefunden sein.
Der Fundamentabsatz bil-
det eine einfache Schräge;
tief unterschnittene Kaff-
simse, verkröpft unter den
Fenstern, umziehen die
Türen spitzbogig oder
rechteckig und fassen die
Streben ein. Jedes Joch
des Wölbesystems wird
außen bezeichnet durch
einen Giebel; der Chor
hat deren, dem Fünfach-
telschluß entsprechend,
fünf. Die Giebelschrägen
sind durch schmale, ge-
kehlte Simse gedeckt,
welche sich in Kreuzblu-
men zusammenschließen.
Gleichprofilierte Simse ver-
laufen waagerecht am Gie-
belfuß und in der Mitte
der Dreiecksflächen. Die
Streben sind zweimal ab-
gesetzt und schließen in
einfacher Pultschräge; nur
diejenigen seitlich der süd-
lichen Mitteltür haben feine
Kreuzblumengiebelchen.
Am Chor sind die oberen
Strebenabschlüsse durch-
weg mehrgiebelig und von
Kreuzblumen gekrönt.
Wasserspeier in Form von
Tieren und Teufeln ent-
stammen zum Teil der
Restauration durch Hase.
Die Dächer haben roten
Pfannenbelag.
Die Fenster setzen tief
an, sind hoch hinaufgeführt und im Spitzbogen geschlossen: diejenigen
im Schiff sind durch je zwei Pfosten geteilt und mit Maßwerk versehen;
im Chor ist nur das Ostfenster dreiteilig. Die Leibungen zeigen ein-
Abb. 67. Hannover; Ägidienkirche. Grundriß.
Die 1825 abgebrochene Pfeilerstellung ist einpunktiert.
119
Kirchen und Kapellen
lache Schräge, nur das Fensterpaar im dritten westliehen Joch hat
tiefe Kehlung. Unter den Türen, die paarweise in Nord- und Süd-
wand angelegt sind, zeichnet sich die südliche Mitteltür durch eine
Wimpergenanlage aus (,,porta, quam olim vocarent Paradysi", nach
David Meier).
Turm Der Turmkörper ist über quadratischem Grundriß auf hohem und
Abb. 68 mjj- rUstizierten Eckpilastern versehenem Sockelgeschoß in Sandstein-
quadern dreigeschossig hochgeführt. Der unvermittelt dem Viereck
aufgesetzte oktogonale Helm baut sich in zwei Geschossen, je mit offener
Laterne auf und ist mit Kupfer bekleidet. Die Spitze endet in Kugel,
Kreuz und Wetterfahne mit Kleeblatt.
Die einzelnen Geschosse des massiven Körpers zeigen an jeder Front
eine akademische Pilasterarchitektur mit stark ausladenden Simsen,
je von vier Pilastern, bei denen die Mittelachsen vom ersten bis dritten
Obergeschoß geradlinig durchgezogen sind. Der Turmkörper endet frei
in einer mit Eckkugeln versehenen Balustrade. Die Obergeschosse haben
je eine rundbogige Licht- oder Schallöffnung. Am Portal der Durch-
gangshalle wird die rundbogige Tür umrahmt von Pilastervorlagen mit
einem Gebälk, das durch ein attikaartiges Halbgeschoß ebenfalls mit
Gebälk und mit Segmentgiebel überhöht ist.
Ausstattung Außer dem Hochaltar finden sich aus vorreformatorischer Zeit ge-
Aitare nannt . em Altar Johannis des Evangelisten, dem Predigtstuhl gegenüber;
ein Altar Mariae Magdalenae auf dem Chor; ein Altar St. Dionysii, ,,dat
nedderste Altar na der Wedeme"; ein Altar St. Annae und St. Jacobi;
ein Altar St. Nicolai und Corporis Christi; ein Altar der hl. Katharina*).
Als Hochaltar wurde 1663 ,,der stark vergüldete hohe Altar der Kirche
St. Jacobi et Georgii" aufgesetzt (Beschrbg. s. „Marktkirche" S. 88).
Dafür wurde 1665 der bisherige Altaraufsatz der Ägidienkirche in die
Nikolaikapelle gebracht (über ihn siehe dortselbst). Gelegentlich der Um-
gestaltung der Ägidienkirche 1825/27 entfernte man den aus der Markt-
kirche stammenden Altar; man schloß damals die Chornische durch eine
Schalwand, in der ein Kanzelaltar eingebaut wurde. Um 1849 stand der
ältere Altarschrein in der Durchgangshalle des Turmes. Seit 1856 befindet
er sich im Weifenmuseum und ist gegenwärtig im Provinzialmuseum
aufgestellt. 1886 wurde nach Hases Entwurf ein neuer Altar errichtet.
Gestühl Nach Dürr (Hann. Magazin 1825, S. 502) wurde 1702 ein großer Fen-
sterstuhl auf dem Chore, der kurz vorher erbaut war, angemalt und mit
den Bildnissen der ersten Prediger ausgestattet. 1708 wurden die Kir-
*) Der Altar St. Katharinen befand sich an einem Orte, genannt der Back-
ofen, und ist wohl identisch mit dem Altar „außerhalb der Kirche'* (Brönnenberg,
S. 43) in dem Beichthause. In beiden Fällen ist wohl der kapellenartige Vorbau
an der Nordosttür gemeint.
120
Ägidienkirchc
121
Abb. 68. Hannover; Ägulienkirche, Aufriß des Turmes. Aufn. 1VI24, D. u. N., Reinzeichn. D.
Kirchen und Kapellen
chenstühle teilweise erneuert. Nach der Umwandlung von 1825 — 27
erhielt die Kirche eine neue „Meublierung", das jetzt noch vorhandene
Gemeindegestühl (Akten der Ratsregistratur).
Glocken Über früher vorhandene Glocken liegen folgende Nachrichten vor:
1665 zersprang eine Glocke und wurde durch M. Ludolf Siegfriedt neu
gegossen (Fabrikreg. 1667); nach Dürr (Hann. Magazin 1825, S. 501)
geschah 1712 der Guß einer Glocke aus der bisherigen ersten und zweiten
mit Hinzunahme von zwei metallenen Stücken. Die Inschrift war: Mstr.
Thomas Riedeweg me fecit etc. fusa 1380, refusa 1679, recens 1712.
Eine kleine Läuteglocke war 1686 durch M. Nicolaus Greve gegossen
und trug eine Plakette des hl. Ägidius. Ihre Inschrift war nach Re-
decker: Denuo conflata haec campana anno christi MDCLXXXVI etc.
Diese Glocke, 1738 geborsten, wurde 1741 von Just. Andreas Meyfeldt
in Hannover umgegossen und wiederum umgegossen von F. H. Dreyer
im Jahre 1845.
Vier Glocken sind 1897 durch Schilling in Apolda aus dem Material
der eben genannten beiden gegossen.
Erhalten geblieben sind die nachstehenden Glocken: Eine Glocke,
D. = 0,58. Inschrift: Tohmas Rideweg in Hannover 1701. Campana
haec fusa tempore ministrorum verbi divini Dn. Mag. Joh. Did. Loewen-
sen, Dn. Bernh. Frid. Barfeldes.
Eine Glocke, D. = 0,68. Inschrift: Tohmas Biedeweg goss mich
Anno 1733.
Eine Uhrglocke, Viertelglocke, D. = 0,62, Öhre mit Flechtband
belegt, Inschrift in Großbuchstaben, die in den Mantellehm eingeritzt
worden waren: ME RESONANTE PIA PLEBI SVCCVRRE MARIA.
Vielleicht Ende des 13. Jahrhunderts.
Eine Stundenglocke von niedriger Form, D. = 1,09, Meister Thomas
Biedeweg 1722. Öhre quadratisch, Inschrift einzeilig, vcn Ornament-
bändern eingefaßt.
Kanzel Eine frühere Kanzel war 1604 gestiftet (Bedecker). Bei dem 1827
von Laves erbauten Kanzelaltar sprang die Kanzel in halbem Achteck
aus der Schalwand hervor (Abb. Samml. Sievert, Stadtarch.). 1886
neue Kanzel nach Entwurf von Hase.
Kronleuchter Drei Kronleuchter aus Messingguß im Mittelschiff: der westliche
von 1753; Spindel mit Knäufen und Kugel; zwei Beinen von je acht
S-förmigen Armen. Unter dem Aufhängering eine Bischofsfigur mit
Adler über dem Haupte. Die Inschrift nennt als Meister: Hinrich Meier
1753.
Der mittlere Kronleuchter von 1675; Spindel mit Knäufen und großem,
birnförmigen Gewicht; zwei Beinen von je acht S-förmigen Armen.
Lichtteller als Muscheln gebildet; Hängering mit Engelsfigur. Laut
122
Ägidienkirche
Inschrift wurde der Leuchter 1717 erneuert. Schenkgeber war .loh.
Kleine senior.
Der östliche Kronleuchter, von 1688, ist dem vorigen ähnlich. Unter
dem Hängering ein Engel auf einem Adler reitend. Die Inschrift nennt
als Stifter Burckhardt.
Eine Orgel fertigte der Hildesheimer Organist M. Severin Krosche. orgci
Sie kam während des Ägidienmarktes am 11. September 1589 zur Ab-
lieferung, wurde drei Jahre lang durch den Hersteller und seinen Vater
nachgestimmt, 1599 durch den Orgelmacher M. Henny Hencke aus Hil-
desheim um drei Stimmen erweitert und 1646 durch Compenius repariert.
(Fabrikrechnungen. Für eine Renovierung im Jahre 1615, Schuster,
K. u. K., S. 9, finden sich keine Anhaltspunkte.) Ebenfalls im Jahre
1646 erhielt Compenius den Auftrag zur Herstellung einer neuen, größeren
Orgel, die er (f im Januar 1650) nicht vollendete. Ihren Bau, bei dem
M. Tönnies Blume als Bildschnitzer häufig genannt wird, übernahm
M. Johan Funcke, der bis Ende 1660 daran gearbeitet hat. Die gegen-
wärtig vorhandene Orgel: 1886.
Ein Sakramentshäuschen, 1825 abgebrochen, befand sich an einem Sakramentshäuschen
Pfeiler zunächst dem Chore: speciosa mole et altitudine eminens (Dav.
Meier, a. a. 0., S. 694).
Eine Bronzetaufe in Kelchform, H. = 1,18, oberer D. = 0,96; zu- Taufe
sammengesetzt aus ein-
zelnen Gußstücken auf
Abb. 69
Abb. 69.
Hannover; Ägidienkirche, Taufe. Nach Mithoff, Arch. I, Seite 13.
schmiedeeisernem Gerippe
unter Verwendung von Nut
und Feder oder Nieten.
Gleichzeitig und ähnlich
der Taufe in der Markt-
kirche. Ende des 15. Jahr-
hunderts. Meister unbe-
kannt (s. dazu: Habicht,
Stätten der Kultur, Anm.
57). Zehneckiges Becken;
jede Seite enthält in bal-
dachinartiger Umrahmung
aus gotischen Streben, ge-
wundenen Säulchen und
Laubwerk eine vollplasti-
sche Figur: darunter St. Abb.
Georg mit dem Lindwurm,
St. Johannes d/r. mit dem
Lamm, St. Katharina mit dem Rade. Der Fuß, ausBogenstücken im Zehn-
paß zusammengesetzt, ruht auf zehn Löwen (vgl. Mithoff, Arch. I, S. 13).
123
Kirchen und Kapellen
1653 wurde ein Taufdecke] ge-
schenkt von Melchior und Elisabeth
Wedekind t (Hedecker). Nicht mehr
vorhanden.
ihren 1605 wurde die Uhr durch Karsten
Betke renoviert. 1658 lieferte M. Cord
Bartram ein neues Uhrwerk mit zwei
Schlagglocken, nachdem 1645 M. Hanss
Aldtorf, der Uhrmacher, die ältere Uhr
„gänzlich repariert" hatte (Fabrikreg.).
1721 „ein neues Turmuhrwerk" (Be-
decker).
gerate, ge- Eine einhenkelige Kanne, Silber,
fasse, stoffe*) vergoldet. Mitte des 19. Jahrhunderts,
H. = 35,0, Fuß-D. = 11,0; Gefäßbauch
von Bankenfries umgürtet; breitgebil-
dete Ausgußtülle.
Keiche Ein Kelch, Silber, vergoldet, neu-
zeitliche Arbeit. Gotische Form,
H>=17,8; oberer D. = 11,8. Fuß
sechspassig, Knauf mit Botulen:
„JHESVS" (verkehrt herum); Si-
gnaculum: Zwei Engel in Flachrelief
und Wappen.
Ein zweiter Kelch, entsprechend
dem vorigen, neuzeitlich; H. = 18,5;
oberer D. = 11,6. Signaculum: Bischofs-
figur. Meisterstempel: Schütz 12.
Ein Kelch, Silber, vergoldet. Mitte des 19. Jahrhunderts. H. = 23,6;
oberer D. = 12. Fuß rund; Ständer mit ellipsoidem Knauf; am Kuppa-
anlauf blattförmige Buckeln.
obiatendose Eine Oblatendose, Silber, vergoldet, gestiftet 1706. Ovale Form;
Längen-D. = 13,5; Quer-D. = 10,8; H. = 6. Deckel gebuckelt, Band mit
getriebenen Lanzettblättchen. Das Mittelfeld enthält in Gravierung
einen Kelch mit Hostie zwischen zwei Engeln. Inschrift: F. Babe.
C. M. EBYTHBOPEL AO 1706. Meisterzeichen: H. Z. (Hilmer Zindel).
Beschaustempel : Kleeblatt.
stoffe Altar-, Tauflaken, Meßgewänder erwähnt Dürr (a. a. O.) gelegentlich
des Abbruches des Sakristeigewölbes 1728. Nach Bedecker wurde 1730
Abb. 70. Hannover; Ägidienkirche,
Maria Magdalena mit der Salbbüchse,
vom Taufbecken.
*) Vgl. Küthmann, am angegeb. Orte (S. 97. Anm.).
124
Ägidienkirche
ein Kanzeltuch von violettfarbigem Samt und mit Gold gestickt
zum ersten Male aufgelegt.
Eine Taufschale, Silber, 1652 gestiftet. Meister: Andreas Scheuen. Taufschale
Fuß-D. = 0,16; Gefäß-D. = 0,24. Runder Fuß, Schale in Halbkugelform
mit zwei gegossenen, als Fischweibchen gebildeten Handgriffen. Der
Schalenboden ist einwärts gebuckelt und enthält eine Darstellung von
Christi Taufe in flacher Treibearbeit. Inschrift am Gefäßrande: Es sey
denn, das iemand gebohren werde aus dem Wasser und Geist, so kan
er nicht in das Reich Gottes kommen. Darunter eine ziselierte Frucht-
girlande. Inschrift am Fuß: Anno 1652 ist auff Reforderung der Herren
Pastorvm vnd Diaconorvm der Kirchen S. Aegidii diese Scale zu behuff
der heiligen Tauffe verfertiget worden von Meister Andreas Scheuen*).
Keine Stempel und Zeichen.
Ein Kruzifixus aus Holz, zwischen den Figuren Marias und Johannes' sonstigkdknk-
in Lebensgröße, war 1510 wahrscheinlich auf dem Trabes des Triumph- ^l''^1'1^'
bogens am Chore aufgestellt (Dav. Meier, a. a. 0., S. 90). An der Seite Bildwerke
des Ralkens stand in gotischen Kleinbuchstaben: Anno mileno quingen-
teno quoq; deno Ac primo numero crux hoc situata sacello (Mag. Ising,
S. <S1). 1591 wurde durch M.Ernst Horneberch der Kruzifixus renoviert
und die Versus mit Gold angelegt.
Ein bei Redecker erwähntes Steinbild, 1728 in der Sakristei gefunden,
das den hl. Agidius mit einer Nonne dargestellt haben soll, ist vermutlich
ebendasselbe, von dem auch Dürr berichtet, nach dessen Reschreibung
es der Schlußstein des 1728 abgebrochenen Sakristeigewölbes gewesen
zu sein scheint, den man über der Tür nach dem Chore hin wieder eingefügt
hatte. Dargestellt war darauf St. Ägidius mit der Hirschkuh.
Eine große, nicht mehr vorhandene Grabplatte erwähnt Hartmann Grabmäier
a. a. 0. Bildnis eines Geistlichen mit Kelch und Hostie und Resten einer
Inschrift. Es handelt sich um die aus der Sammlung Laporte in das Vater-
ländische Museum übergegangene Grabplatte des plebanus Holthusen, Abb. 71
t 1543 (Schuchhardt, Nr. 6). Vgl. die Grabplatte des Propstes Henrich
Busmann, f 1508, in der Klosterkirche zu Mariensee, Kr. Neustadt a. R.
„Grabstein der sieben Männer", f 1480, Chor außen, H. = 2,40, Abb. 72
Br. = 0,56. (Der Stein hatte bis 1654 vor dem Ägidientore am Kirch-
hofe St. Marien gestanden, nach handschriftlicher Ergänzung Brönnen-
bergs zu S. 44 des Handexemplars. Näheres bei Schuchhardt, Nr. 2,
mit Abb.) Ursprünglich freistehende Stele vom Typ der Medaillon-
Kreuzsteine. An der sockelartigen Verbreiterung ausgetieftes Relief
der sieben Männer in Reterstellung. Darüber die dreizeilige Inschrift
in eingeritzten Minuskeln: gi rikn • 1111 • arm I en ■ lat • iu • dese • dot I
*) Der Meister, auch Andreas Scheele genannt, ist 1638 hannov. Bürger.
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126
Ägidienkirche
erbarme . mcccclxxx. ( Am Schaft Kleeblattwappen; im Medaillon Kreu-
zigungsgruppe.
Grabplatte des Bürgermeisters Hermann Bartels, f 1635. Ursprüng-
lich an der Ägidienkirche, jetzt Marktkirche. Meister unbekannt.
Abb. Seite 106 (Schuchhardt, Nr. 77).
Grabplatte der Catharina Türeken, f. 1641. Chor, außen, H. = 2,05, Abb. 73
Br. = 1,12 (Schuchhardt, Nr. 78, „Meister des Herrn. Bartels").
Lebensgroße Relieffigur in Tracht mit Buch und Rose; en-face gestellt
auf Kartuschensockel in einer Bogennische. Zu Füßen und Häupten
je zwei Wappen. Inschriftumrandung. (Ursprüngl. Marktkirche?)
Grabplatte des Pastors Nicolaus Baring, f 1647, ursprünglich an der
Ägidienkirche, jetzt Marktkirche, Abb. Seite 107 (Schuchhardt, Nr. 80).
Wandmal der Anna Aras, | 1626 (s. Wandmal des Alhard Richter). Abb. 74
Wandmal des Kindes Susanna Magdalena Oldekop, f 1648, Südseite,
an einer Strebe; H. = 1,35, Br. = 0,62, „Meister des Hermann Bartels"
(Schuchhardt, Nr. 81). En-face-Figur in Rundbogennische auf Kar-
tuschensockel. Seitlich zu Häupten des Mädchens tritt der Engel hervor,
der es führen wird. Vier Wappen an der Archivolte.
Wandmal der Magdalena Regina Reichen, f 1654; außen, Südseite;
H. etwa 3,20, Br. = 1,52. Meister vielleicht aus Küsters Kreise (Schuch-
hardt, Nr. 107, mit Abb.). Retabulumartige Inschrifttafel, unten und
oben durch Simse begrenzt. Seitenstücke aus Ohrmuschelwerk mit ge-
flügelten Engelsköpfen. Der Schnörkelgiebel enthält ein Rundmedaillon
(Seifenblasen machender Putto). Breitrechteckige Predella mit In-
schrift. Dem Untergliede aus Ohrmuschelwerk ist ein Wappenmedaillon
aufgelegt.
Wandmal des Alhard Richter, | 1674; außen, Südseite; H. etwa 4,60, Abb. 75
Br. = 2,20. Meister vielleicht aus Kösters Kreise (Schuchhardt, Nr. 108).
Inschrifttafel in Architekturumrahmung: gedrehte Säulen, Gebälk, flach-
dreieckiger, gebrochener Giebel. Seitenstücke ähnlich wie beim vorigen.
Als Giebelbekrönung freistehende Putten und ein Wappenmedaillon.
Unter der Predella Schnörkelkartuschen mit Reliefbild: schlafender Genius.
Wandmal des Knaben Melchior Jakob Palladius, f 1660, Südseite;
H. etwa 2,20, Br. = 0,70. Meister vielleicht aus Kösters Kreise (Schuch-
hardt, Nr. 111).
Wandmal des Gerhard Mensching, f 1683. Breitrechteckige Ge-
dächtnistafel.
Wandmal des Berend von Seinde 1751; außen, Nordseite. H. etwa
2,80, Br. = 1,52. Meister unbekannt (Schuchhardt, Nr. 157).
Über vorhanden gewesene Gemälde bestehen folgende Nachrichten : Maierei
1591 malte M. Ernst Horneberch den Chor mit schönen Historien aus.
127
Kirchen und Kapellen
Links: Abb. 74. Hannover; Ägidienkirche, Grab-
mal des Kindes Susanna Magd. Oldekop, t 1648.
Rechts: Abb. 75. Hannover; Ägidienkirche,
Wandmal des AJhard Richter, t 1674.
128
Ägidienkirche
,,1592 hat Johann Fenger, Abt zu Loccum, ein Gemälde der Kreu-
zigung unseres Heilandes geschenkt" (Redecker, a. a. 0., S. 141, nach Mag.
Ising, S. 80). Darunter stand:
„Huc quemcunq; sui sceleris mens conscia tenet
En, ego labe carens crimina cuncta fero.
En, ut in amplexus Cupidos tibi brachia tendo
En, ut amata petens oscula flecto caput -" usw.
„Anno 1702 . . . ist die Egidienkirche . . . mit kostbaren Gemälden
von biblischen Historien unter dem Gewölbe gezieret." „Es sind 18 Bilder
auf Leinwand." (Dürr, Hann. Magazin 1825, S. 501.)
„1707. Die Kirche ward inwendig schön bemahlet" (Redecker).
1728 wurde an der Sakristeidecke ein Bild ovaler Form gemalt: der
Heiland unter den sieben Leuchtern aus Apoc, 1. Kap., 13. Vers. Inschrift:
SIEHE ICH IESVS BIN HIEB BEIJ VND MITTEN VNTEB EUCH
Matth. XI IX. 20 IT Cap, XXI IX. 20 (Redecker).
Im Schiff hängen gegenwärtig zehn Predigerbildnisse, Öl auf Leinwand Bildnisse
in einfachen Rahmen (s. darüber Dürr, a. a. ()., S. 502).
1702 alle Fenster erneut. Alte Familienwappen waren in den Fenstern oiasgemäide
(Dürr, a. a. O., S. 502).
Glasgemälde finden sich heute nur in den Chorfenstern, 1887 gefertigt:
das mittlere mit ornamentalem Schmuck, die beiden seitlichen figural:
links Kindheit Christi, rechts Leidenszeit Christi in einzelnen Bildern.
Ein Stadtwappen mit der Jahreszahl 1503 in einem Südfenster des
Schiffes ist neuzeitliche Kopie.
Der Kirchhof, mit einer Mauer umgeben, enthielt die Pfarrhäuser; Kirchhof
„1582 ward der Pfarrthorweg bey der Aegidii-Kirche auf der Markt-
straße gebauet" (Bedecker, H. G. 1906, S. 140). Darüber war ein Stein
mit dem Stadtwappen eingelassen (s. Bürgerhäuser: Marktstraße 31).
Die Mauer und die Lindenbäume des Kirchhofes sind im Jahre 1800
meistbietend verkauft (IL Anz., 1. Sept. 1800, Spalte 2092).
129
Kirchen und Kapellen
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Abb. 76. Hannover; Kreuzkirche von der Knochenhauerstraße aus. Bleistiftzeichnung
aus H. Mithoffs Skizzenbuch, 1815, Kestnermuseum. Phot. E.Heuer.
130
Kreuzkirche.
(St. Spiritus et Crucis.)
A/lit dem zunehmenden Anbau des nördlichen Weichbildteiles zu
Hannover im 13. Jahrhundert ergab sich die Notwendigkeit einer Teilung
der Marktkirchenparochic. Das Bestehen einer Kirche in Verbindung
mit dem 1258 erbauten Hospitale St. Spiritus, von der angenommen
werden muß, daß sie ungefähr gleichzeitig mit diesem entstanden war,
leistete der Bildung einer neuen kirchlichen Gemeinde Vorschub. Der
Bischof Volquin von Minden, ein geborener Graf zu Schwalenberg, er-
richtete auf Ansuchen des Herzogs Otto und der Parochianen der Markt-
kirche mittels einer Urkunde vom 12. Februar 1284 eine neue Pfarre
zu St. Spiritus; ihre Grenzen zog er längs der Roßmühle, Juden- und
Kaiserstraße bis an die Kleine Packhofstraße — a porta, que ducit ab oppido
(die ummauerte Altstadt) usque ad urbem (die Burg Lauenrode) et usque
ad parvum Wlveshorn -- wie sie heute noch besteht. Außerdem legte er
die Bewohnerschaft außerhalb der Stadtmauer extra muros et Bruy-
lonem und das Hospital St. Nicolai der neuen Parochie bei. Das
Patronat sollte in der Hand des Herzogs und seiner Nachfahren ver-
bleiben (U. B. Nr. 19); 1296 aber schenkte Otto der Strenge dieses Recht
an den Rat der Stadt (U. B. Nr. 62).
Die Benutzung der Hospitalkirche scheint von Anfang an als Not- baugeschichte
behelf gedacht gewesen zu sein, der indes gut ein Menschenalter an-
dauerte. Aus milden Gaben erbaut (U. B. Nr. 185), war zu Beginn des
Jahres 1333 eine neue Kirche zwischen Burgstraße und Steinweg (Knochen-
hauerstraße) vollendet worden*). Auf sie wurden die Pfarre und Parochie
<Ut Hospitalkirche übertragen (U. B. Nr. 182, 183); auch die Altäre
sollten, soviel dem Rat gutdünken würde, in die neue Kirche hinüber-
genommen werden, bis auf einen, der dem Gottesdienst der Hospitanten
verbleiben sollte (U. B. Nr. 185). Die Weihe der neuen Kirche geschah
*) Ising schreibt S. 84: 1333, am Sonntag Misericordias Domini habe der Um-
zug in die fertiggewordene Kreuzkiiche stattgefunden, „darin ein schönes neues
Crucifix-Bild auffgerichtet gewesen mit reichem Ablass ..."
131
Abb.
Kirchen und Kapellen
in honorem St. Spiritus et St. Crucis (Stiftungsurkunden), doch findet
sich schon bald nachher (1336) lediglich die Bezeichnung ecclesia St. Crucis.
In ihrer ursprünglichen Planung ist die Kreuzkirche (1333) ein ein-
laches Langhaus mit Chorschluß in Fünfachteln. Die eingebundenen
Streben zeigen, daß die Eindeckung durch Gewölbe im Plane lag; sie ist
über dem Chore sogleich ausgeführt, über dem Schiff aber erst um 1560
Abb.
Hannover; Kreuzkirche, Grundriß. 1925.
geschehen. Bis dahin war das
Schiff „combinatis lignis asteri-
bus clausuni" (David Meier,
deliciae, S. (38). Um 1560, dein
Befunde nach*), entstand ein
Abb. 78 Seitenschiff an der Nordseite:
man durchbrach die nördliche
Umfassungsmauer des alten
Langhauses für jedes Joch nach
Maßgabe des von Ursprung ge-
plant gewesenen Wölbesystems
und gestaltete die stehengeblie-
benen Mauerstücke durch halb-
kreisförmige Vorlagen zu Pfeilern
um. Die Südwand erhielt drei-
eckige Vorlagen. Die Gewölbe
zog man auf Sandsteingurten
Abb. 78. Hannover; Kreuzkirche, Querschnitt durch
Schiff und Seitenschiff. 1925.
Ising, S. 87, bestätigt die Datierung auf das Jahr 1560.
132
Kreuzkirche
in Ziegeln in beiden Schiffen ein. Als Verfertiger der Gewölbe nennt
David Meier den Steinmetzen Johan Hennisen. Der Turm hat nicht
mehr die alte, von Merian wiedergegebene Gestalt. Nach der Zeichnung
des Chronisten Redecker schloß ein vierseitig-pyramidaler Helm mit großen
Dachgauben, gekrönt von Kugel, Kreuz und Hahn, den Turmkörper ab.
Die Helmdeckung bestand aus Blei, wie sich aus späteren Verhandlungen
zwischen dem Magistrat und Johann Duve ergibt. Teilweise hatte der
Helm um 1560 eine Kupferdeckung (nach David Meier, deliciae, S. 70).
Ein Sturmwind hatte am 26. November 1630 diesen Helm herabgeweht.
Die Mittel zu seinem Wiederaufbau konnten nicht sogleich beschafft
werden. 1651 trat Johann Duve an den Magistrat mit Vorschlägen über
den Wiederaufbau heran, den er selber mit einer von ihm vorzustreckenden
Summe unternehmen wollte. Am 19. Juli 1651 kam ein Vertrag zwischen
ihm und dem Magistrat zustande. Die Stadt übernahm die Lieferung des
Bauholzes aus der Eilenriede und stellte die Fuhren. Duve übertrug
durch einen Vertrag vom 9. August des gleichen Jahres dem Ratszimmer-
meister Eggert Holste aus Stade, der sich beim Bau des Kirchturmes in
Bremervörde bewährt und für den Grafen Königsmarck gearbeitet hatte, die
Ausführung (Näheres s. H. G. 1911, S. 61). Holstes Name findet sich in der
Form Eggerdt Holstein am Mittelpfosten des Glockenstuhles eingemeißelt.
Die Verpflichtung Duves dem Magistrat gegenüber ging dahin, daß das
Mauerwerk dreißig Fuß höher hinaufgeführt, der Verband des Turmes durch
gutes Holz gesichert, der Turmhelm, 100 Fuß hoch, mit schwedischem
Kupfer gedeckt und die Glocken 30 Fuß höher gebracht werden müßten.
So besagt die urkundliche Einlage im Knopfe des Turmes vom 30. Sep-
tember 1653 (a. a. O., S. 93), die auch die Maurermeister Heinrich Alverß
und Adrian Simerding, Bürger in Hannover, als beteiligt am Werke
nennt. Alle drei haben ihre Anfangsbuchstaben und Zunftzeichen in
einen Stein gehauen, der an der Ostseite des Turmes unterhalb des Trauf-
simses eingelassen ist*) (s. H. G. 1929, S. 68, Abb. 109).
Zeichnung 1924. N. Neuere Darstellung II. d. 1929, S. 68.
Die Dachdeckung des Turmhelmes zog sich bis 1654 hin. Zur Ab-
tragung der Baukosten wandte sich im gleichen Jahre Bürgermeister
und Rat an den Herzog Christian Ludwig um Beihilfe (Ratsakten).
*) Die Turmhaube der Kreuzkircbe ist eine der frühesten Laternenhauben
Niedersachsens. Über den Haubenturm s. Walter, H. Dammann: Stadien zur
Entstehungsgesch. des zweiten Michaeliskirchenbaues in Hamburg. Straßburg,
phil. diss. 1908.
133
Kirchen und Kapellen
Das Satteldach des Hauptschiffes war 1630 beim Einstürze des Turm-
helmes schwer beschädigt und im Jahre darauf ausgebessert worden.
Diese Arbeit scheint ausgeführt zu sein durch den Zimmermeister Dirich
Stunckel, der Namen und Zunftzeichen am ersten Kehlbalken zunächst
des Turmes eingeschnitten hat.
Die bereits angeführte Zeichnung Redeckers zeigt auf dem Firstende
des Kirchendaches einen kleinen Dachreiter von achteckiger Grundform,
der heute nicht mehr besteht.
Eine durchgreifende Erneuerung der Kreuzkirche fand 1822/23 statt.
Über diese schreibt B. Hausmann (Erinnerungen, S. 119): „Die Kreuz-
kirche war ziemlich verfallen und gewährte in ihrer jetzigen Einrichtung
auch nicht die erforderlichen Plätze für diejenigen Eingepfarrten, welche
vor dem Steinthor wohnten und an Zahl jährlich zunahmen."
„Leider verfuhr man bei der Restauration ohne alle Pietät gegen das
gute Alte und ohne jede Berücksichtigung der darin enthaltenen Kunst-
werke. Die auf Holz gemalten Bilder wurden zugleich mit dem Holz-
werk der abgebrochenen Kirchenstühle auf dem freien Kirchhofe meist-
bietend verkauft, und das reiche Gemälde des Hauptaltares auf Gold-
grund mit zwei Thüren, ein historisch sehr merkwürdiges Kunstwerk
eines geschickten niedersächsischen Meisters des 15. Jahrhunderts wurde
mir für 15Thlr. zugeschlagen. Mit genauer Noth gelang es mir, das sehr
schöne broncene Taufbecken, mit vielen Figuren und Inschriften, aus
dem 15. Jahrhundert der Kirche zu erhalten, obgleich es schon einem
Glockengießer zum Einschmelzen zugesagt war. Dagegen ließen die
Herren Diaconen für den Hauptaltar von dem durch seine manierierten
Zeichnungen für Kalender-Kupfer berühmt gewordenen Hofmaler Hein-
rich Ramberg ein Gemälde anfertigen, welches den Erlöser in kolossaler
Größe auf halbem Leib darstellte, für dessen Antlitz der Künstler aber
die Maske eines antiken Jupiter-Kopfes zum Modell genommen hatte."
Bald nach März 1823 wurde die Kirche wieder eröffnet.
Beschreibung Die Kreuzkirche ist in der Anlage ein einfaches vierjochiges Lang-
haus mit Chorschluß in Fünfachtelform und Westturm, erweitert durch
ein Seitenschiff (um 1560) und einen Sakristeianbau (1497). Langhaus,
Chor und Westturm bestehen aus Bruchstein, die späteren Bauteile aus
Ziegeln.
Langhaus und chor Das Mauerwerk des alten Langhauses ähnelt dem der Stadtmauer;
Schichten sind nicht durchgeführt. Die Absetzung des niedrigen Sockels
zeigt eine profillose Schräge; ein unterkehltes Kaffsims verläuft unter-
halb der Fensterbrüstungen und umfaßt die Streben. Das Hauptsims
hat kräftige Kehlung. Eine Tür, jetzt zugesetzt, aber erkennbar an der
Umkröpfung des Kaffsimses, lag im dritten Joch der Südseite. Die Fenster
134
Kreuzkirche
sind hoch, schmal und spitzbogig und entbehren heute Pfosten und Maß-
werk; nach einer Zeichnung Redeckers, die den Zustand um 1630 gibt
(H. G. 1906, S. 146), waren sie, wie die im Chore jetzt noch, einfach ge-
teilt und mit Maßwerk aus Drei- und Vierpässen ausgestattet.
Der Chor zeigt die gleiche Art des Mauerwerkes, der Streben und
Simse wie das alte Langhaus. Im Innern ist er durch höhere Lage und
einen kämpferlosen Triumphbogen vom Langhause gesondert. Die Wöl-
bung ist augenscheinlich sogleich bei der Erbauung eingezogen, und zwar
in Ziegeln auf Konsolen und Ziegelrippen.
Bei dem Seitenschiff (um 1560) finden sich über einem mit flachem
Wulstprofil abgesetzten Sandsteinsockel großformatige Ziegel (8/12, 5/27)
in Blockverband verwendet. Sandsteinstreben sind im Fundament mit
angelegt und zeigen Verzahnungen mit durchbindenden, langrechteckigen
Quadern. Die breiten, spitzbogigen Fenster haben an den Leibungs-
kanten Fasen von profilierten Glasursteinen. An der nordwestlichen
Kopfwand des Seitenschiffes, die als Widerlager gegen den Gewölbe-
druck bis zu halber Höhe verstärkt worden ist, liegt die eine der beiden
Haupteingangstüren zur Kirche; sie ist spitzbogig, mit dreimal abgesetztem
Leibungsprofil aus grün glasierten Ziegeln. Die einzelnen Seitenschiffs-
joche sind durch Giebel bezeichnet, deren Dächer in die Schräge des
Satteldaches über dem Hauptschiff einschneiden. Die Wölbung des
Seitenschiffes ist auf profillosen Gurten und Bippen von Konsolen aus
ausgeführt, welche tiefer als die Pfeilerkapitelle liegen. Die Gewölbehöhe
ist niedriger als im Hauptschiff. Die Schlußsteine der Gewölbe sind fast
sämtlich mit Beliefs verziert; darunter ein Kruzifixus, ein Stadtwappen,
im übrigen Zunftwappen aus den Jahren 1631 und 1632.
Wahrscheinlich ist eine Prieche im Seitenschiff der Kirche bei dessen
Errichtung um 1560 angelegt, und zwar dort, weil, wie David Meier
(deliciae, S. 73) sagt, doch von der Nordseite „parum Iuris in templum
infunditur". Sie diente als ,,statio pro virili sexu" und wurde „artistissime
contabulata et artificiosissime picta". Wie Ising (S. 88) schreibt, war der
Maler dieser Bilder Christoph Baumgarten. Nach Mag. Ising (S. 98)
wurde 1692 „die neue Ober-Prieche erbaut - — ".
Die heute an gleicher Stelle vorhandene Prieche ruht auf breiten,
unprofilierten Gurten, die von Vorlagen an der Nordwand zu den Pfeilern
des Schiffes flachbogig gespannt sind.
Über eine mittelalterliche Ausmalung der Kirche ist nichts über-
liefert. Bei den Erneuerungsarbeiten von 1821 wurden unter dem grau
getünchten Wandputz figürliche und ornamentale Wandmalereien ge-
funden, die etwa aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammten.
Der quadratisch angelegte Turm steigt über doppelt abgesetztem Turm
und profiliertem Sockel in drei Geschossen bis zur Überführung ins Acht-
eck empor. Bis dahin ist das Mauerwerk mittelalterlich und besteht aus
135
JffM-
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mlüi^ßja
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Abb. 80. Hannover; Kreuzkirche,
NS-Schnitt durch den Turm. 1923. N.
Abb. 79. Hannover; Kreuzkirche, Aufriß des Turmes.
Aufnahme 1923, N. Reinzeichnung D.
136
Kreuzkirche
Quadern kalkhaltigen Sandsteins von verschiedener Lange, aber schichten- Abb. 79 und so
weise vo
hier vor
weise von annähernd gleicher Höhe. Folgende Steinmetzzeichen kommen
^tc<f!TN
In Wüstefelds Sammlung im Stadtarchiv sind weitere verzeichnet.
Die einzelnen Geschosse, bezeichnet durch geschrägte und mit Wasser-
schlag versehene Simse, setzen außen wie innen etwas zurück. Das West-
portal ist eng und spitzbogig, seine Leibung dreimal mit Kehle und Wulst
abgesetzt. Oberhalb des Bogenschlusses ist eine rundbogige Nische in
die Portalumrahmung einbezogen und enthält die Sandsteinstatue des
hl. Petrus, eine Arbeit um 1850. Im ersten und zweiten Turmgeschoß
befindet sich in jeder freien Turmseite nur je eine schmale spitzbogige
Lichtöffnung mit Nasenwerk. Das dritte, als ehemaliges Glockengeschoß,
hat breite und hohe Schallöffnungen, die sämtlich ebenfalls mit Nasen-
werk ausgestattet waren, wie es an der Ostseite noch erhalten ist. Die
Durchgangshalle des Turmes ist auf tief ansetzenden Ziegelrippen gewölbt.
Die Nordwand birgt eine Treppe, die etwa im 17. Jahrhundert von außen
zugänglich gemacht worden ist, zugleich mit der Anlage von quadratischen
Fenstern in der Nord- und Südwand der Halle.
Das Mauerwerk des unter Duve entstandenen achteckigen Turm-
aufbaues ist nur durch ein schmales Sims gegürtet und schließt mit hohem,
wenig ausladendem Hauptsims. Der Helm baut sich auf aus einer acht-
seitigen Haube mit offener Laterne und geradlinig ausgezogener, über
dem Fuße mit leichter Schwellung versehener Spitze. Kugel und Kreuz
schließen ihn ab. Der ganze Helm ist mit Kupferplatten gedeckt. Kleine,
in drei Reihen angeordnete Gauben springen zu je vieren aus den Seiten-
flächen der Spitze heraus. Die Abstände von Reihe zu Reihe und bis
zum Knopfe verjüngen sich und vergrößern die Höhenwirkung.
Die an der Nordseite des Chores errichtete Sakristei wurde nach Sakristei
mehreren Zeugnissen 1496, nach Redecker 1497, „pridie palmarum"
geweiht. Sie ist ein Ziegelbau mit Zwischengebälk, deren Untergeschoß
als Sakristei diente und noch dient, während das auf Ziegelrippen ge-
wölbte Obergeschoß eine der hl. Anna geweihte Kapelle mit zwei Altären
enthielt. Eine Kapelle dieser Heiligen „sita in ecclesia S. Crucis" wird
nach Redecker schon 1491 in einem Ablaßbriefe genannt. Mit der Re-
formation wird man die Altäre beseitigt und die Kapelle als solche auf-
gehoben haben. 1590 richtete man in dem Räume den Schülerchor ein.
Vermutlich ist damals das Zwischengebälk eingefügt worden. Im fol-
genden Jahre schuf man einen besonderen Zugang durch den noch be-
stehenden runden Turm mit Wendeltreppe. Aus dem Jahre 1599 über-
137
Kirchen und Kapellen
liefert Redecker eine Renovierung der Sakristei, die damals mit neuen
Fenstern versehen wurde. 1605 richtete P. David Meier eine Bibliothek
darin ein. Der Raum wurde durch Ausstattung der Fenster mit Glas-
gemälden wohnlich eingerichtet. Für einen Umbau der Sakristei im
.Jahre 1757 liegt ein von Nicol. Stuhr signierter Abriß vor (Stadtarch.
XIV Z 1756). Bei einer Renovierung im Jahre 1911 zog man das Ober-
geschoß zur Prieche des Seitenschiffes hinzu, indem man seine West-
wand durchbrach.
Das Ziegelmauerwerk des Sakristeianbaues ist auf schräg abgesetztem
Sandsteinsockel hochgeführt (Blockverband, Ziegelformat: 8/12,5/27,5).
Die Ostwand schließt in einem Treppengiebel mit geputzten Blendnischen:
der westliche Giebel ist jetzt ohne Abtreppungen. Das Traufsims wird
aus zwei Rollschichten profilierter Ziegel gebildet. In die ursprünglich
spitzbogige Tür der Nordseite ist um 1700 eine rechteckige Tür mit Sand-
steinumrahmung und rechteckigem Oberlicht eingefügt. In der Leibung
des spitzbogigen Fensters an derselben Seite wechseln glasierte mit un-
glasierten Formsteinen ab. An der Ostseite sind die spitzbogigen Fenster
des Sakristeigeschosses ebenfalls um 1700 zugemauert und durch Fenster mit
rechteckiger Sandsteinumrahmungersetzt. Im Obergeschoß wird dieOstwand
durch ein breites, in Sandstein gefaßtes Spitzbogenfenster durchbrochen.
Treppenturm Der 1590 angelegte Treppenturm an der Nordseite der Sakristei ist
von Grundriß rund, hat Sandsteinsockel mit gedrücktem attischen Basen-
profil und besteht bis
zum Kaffsims aus Qua-
dern, oberhalb davon
aus großformatigen Zie-
geln. Ein Hauptsims in
Sandstein, das von einer
späteren Holzverscha-
lung überkleidet wird,
schließt den 5,45 m
hohen Mauerkörper ab.
Das darauf ruhende Zelt-
dach schneidet mit kur-
zem First in das Sattel-
dach der Sakristei ein.
Über der rechteckigen,
in Sandstein umrahmten
Abb. 8i Tür ist das von Putten („Kinderkens") gehaltene Kleeblattwappen mit
der Jahreszahl 1591 eingelassen. (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 33). Daneben
ein Stein mit der Meistermarke ^> Xl und den Buchstaben D. B.
des Meisters Dirik Berndes (s. über ihn H. G. 1926, S. 5).
Abb. 81. Hannover; Kreuzkirche, Wappen der Stadt Hannover 1591
über der Tür des Treppenturmes.
138
Kreuzkirche
Johann Duve ließ 1655 im Anschluß an die Fertigstellung des Kirch- Duvekapeiie
turmes für sich und seine Familie an der Südseite der Kreuzkirche eine
Abb. S2. Hannover; Kreuzkirche, die Duvekapelle, Außenansicht. Fhot. 1012.
Gruftkapelle anlegen durch einen der beiden am Turmbau beteiligten
Steinmetzen, Adrian Siemerding. Unter Benutzung der an der Süd- Abb. 82
einbuchtung zwischen Schiff und Chor vorhandenen Streben schuf dieser
139
Kirchen und Kapellen
AllxL
T~T, l
Abb. 83. Hannover; Kreuzkirche, Duvekapelle. Nach Aufnahme von A. Haupt, 1912.
140
Kreuzkirche
den im Grundriß nicht ganz winkelrechten, kleinen Sandsteinbau über
der mit einer Tonne in Bruchstein gewölbten Familiengruft. Die Außen-
flächen der Kapelle sind in einer Blendarchitektur von Pilasterstellungen
auf hohem Sockel und mit korinthisierendem Gebälk ausgebildet. Zwischen
den Pilastern sind perspektivische Muschelnischen, darüber Bundfenster
eingelassen. Die Mitte der südlichen Hauptfront nimmt eine Rundbogentür Abb. 83
ein. Beide Fronten werden von Giebeln in verschnörkelten Umrißlinien
überhöht. Die Giebelfelder enthalten im wesentlichen je ein querovales
Inschriftmedaillon, das von stilisierten Lorbeerkränzen umzogen wird.
Das Feld der Hauptfront zeigt außerdem zu seiten des Medaillons rechts
das Wappen von Johann Duves Frau, geb. Kolvenrodt, links dasjenige
von Duve selbst. Die Bekrönung des Giebels an dieser Seite enthält einen
geflügelten Engelskopf, darüber einen Obelisken auf nach unten aus-
gerollten Voluten. Hinter den Giebelecken steht je ein spitzer Obelisk.
Der Schlußstein des Portalbogens und die Pfeilerkapitelle sind als ge-
flügelte Engelsköpfe gebildet. Das kupfergedeckte Dach hat die Form
einer unregelmäßig-achtseitigen Pyramide und läuft in hoher Spitze mit
Knauf aus.
Der Kapellenraum ist durch ein Kreuzgewölbe auf gotisierenden
Bippen und Konsolen geschlossen. Die Wölbeflächen enthalten Spuren
von Bemalung: Apollo und die Sternbilder. Das Monogramm des Meisters
Siemerding: M. A. S. mit Zunftzeichen, Bichtscheit und Kelle findet sich
außen rechts. Die Inschriften gibt Schuchhardt, Bildh. d. B., Nr. 104. Er
sieht in der Schrift und Ornamentik eine Verwandtschaft mit Peter
Kösters Art; dagegen nicht in den Engelsköpfen.
Der Anbau einer zweiten Duveschen Grabkapelle an der Südseite
der Kirche gegenüber dem Landschaftlichen Hause, den Berendt Duve,
Johann Duves Sohn, hatte beginnen lassen, mußte auf einen Einspruch
vom 30. August 1(581 hin beseitigt werden. (Stadtarch. XIV Y.)
Von den Altären aus der Zeit vor der Beformation besitzt die Kirche Ausstattung
keinen mehr. Genannt werden: Altare summum (Crucis); Bernwardi Altare
138ö; Johannis Ev. 1348; Tri um Begum 1350; Thomae et Andreae 1355;
Gorgonii, Petri et Pauli 1 107; omnium Apostulorum; Sanguinis Christi
et Barbare; B. Marie virginis; Corporis Christi, unter dem Turm; Marie
Magdalene; Mathaei; Bartholomaei; Sebastiani; Laurentii (in armeria).
Die Annenkapelle enthielt zwei Altäre, nämlich außer dem für St. Anna
einen für St. Katharina. Der aus Besitz des Weifenmuseums im Pro- Abb. 84
vinzialmuseum aufgestellte Altaraufsatz besteht aus Mittelstück und zwei
Flügeln (s. die Bemerkung auf S. 135). Malerei auf Leinwand, die auf
Tannenholz aufgeklebt und mit Kreide grundiert ist. Der Meister ist
vermutlich ein einheimischer niedersächsischer Maler um 1500. Das
figurenreiche Mittelbild stellt, umgeben von einem auf dem Kreide-
141
Kirchen und Kapellen
142
Kreuzkirche
gründe erhaben aufgetragenen, vergoldeten Rosenzweige, dessen Knospen
Gestalten mit Schriftrollen bilden, dar: Maria in betender Haltung vor
dem Christuskinde, das auf einem Leinentuche vor ihr liegt; St. Anna
sitzend aus einem Buche betend, hinter ihr ihre drei Männer; ferner
vermutlich Joseph, hinter Maria stehend; dann die beiden Töchter der
hl. Anna mit ihren Kindern links, hinter denen deren Männer erscheinen.
Rechts sind die Schwestern der hl. Anna, Elisabeth mit ihrem Kinde,
Johannes der Täufer, hinter ihr Zacharias und ein anderes zur hl. Familie
gehörendes Ehepaar abgebildet. Der linke Altarflügel enthält Be-
gebenheiten aus dem Leben Joachims und der hl. Anna. Das rechte
Flügelbild hat die Geburt der Maria zum Gegenstande. - - Auf den Rück-
seiten tragen die Hügel in weniger guter Malerei die Verkündigung.
Das Mittelbild ist beschädigt, die Flügel gut erhalten (Abb. in Mithoffs
Arch. I, Tafel VI). Die Malerei schreibt Habicht (H. G. 1913, S. 276)
dem Hans von Geismar zu.
1756 wurde ein Altar von Jobst Andreas Dahlgrün gestiftet; er ist
1821 entfernt. Ein Teil davon wurde im Armenhause als Altar benutzt.
1823 ist der auf Seite 131 erwähnte Altar mit Gemälde von Ramberg
aufgestellt worden; 1858 der jetzt vorhandene Altar errichtet. Sein
Altarbild ist nach einer Skizze von Schnorr durch Gönne gemalt.
1675 ist nach Redecker zugleich mit dem Altar eine Chorschranke chorschrankc
neu gesetzt (H. G. 1906, S. 119). Ising (S. 93) sagt, die „schöne
Perspectiv für dem Choro" sei eine Stiftung des Henricus Specht gewesen.
Das alte, braun gehaltene, schmucklose Kastengestühl ist 1911 durch Gestühl
ein neues ersetzt. Die Kirchenstühle wareirl753 und in den folgenden
Jahren erneuert.
David Meier berichtet (deliciae, S. 74), 1441 sei die eine der beiden Glocken
größeren Glocken neu aufgehängt worden, genannt Maria Magdalena,
nachdem sie bereits 90 Jahre gedient hatte. Sie stammte also aus 1351
und wird 1111 umgegossen sein. Die andere, noch größere Glocke,
1455 aufgehängt, war, nach derselben Quelle, gegossen zu Ehren
der zwölf Apostel, deren Bilder sie auch getragen hat. Die Inschrift
soll gelautet haben: Te Deum laudamus, O rex gloriae veni cum pace.
Die dritte Glocke, die Brautglocke, bezeichnet der Pastor David Meier
als zweifellos gleichaltrig mit der Kirche. Redecker nennt (H. G. 1906, S.154,
und 1909, S. 186) zwei Brautglocken, die 1689 gegossen waren, die eine
von Nicolaus Greven. Beide sind später umgegossen, die Grevensche
1741 durch Andreas Meyhfeld. Die Inschriften sind a. a. 0. mitgeteilt.
Zwei weitere kleinere Glocken von 1515 sind nach David Meier 1605
und 1609 umgegossen von ,,Henrico Buschero Chi Hannoverensi".
Die der Kriegsbeschlagnahme anheimgefallenen Glocken waren: eine
Glocke, 1826 von Friederich Dreyer in Linden gegossen; D. — 1,25;
143
Kirchen und Kapellen
Inschrift in lateinischen Großbuchstaben; eine Glocke, 1826, von Heinrich
Dreyer in Linden, 1). == 0,65; eine Glocke, 1850, von E. Dreyer in Linden.
Die nach der Kriegsbeschlagnahme noch vorhandenen Glocken sind:
Die größte Glocke, „Der
große David" genannt, 1640
durch Umguß der Apostelglocke
auf Kosten des Mag. David
Meier gegossen von M. Johan
Meier, 1650 abermals umge-
gossen durch Ludolph Siegfriedt,
D. = 1,83. Kronenöhre schlicht,
an der Innenseite gerundet. Unter
der Haube und dem Schlag-
ringe ornamentaler Schmuck;
Abb. 85 am langen Felde Reliefbild Da-
vids mit der Harfe. Inschrift
am oberen Rande in Großbuch-
staben: PSAL:MISERICORDIAS
DOM INI IN AETERNUM CAN-
TARO MAG. DAVID MEIERUS
PASTOR AT DIVUM OEORGII
ET JACORI. Unter dem Bilde:
PSAL : 50. LAUDATK DOMI-
NUM IN PSALTER IO ET CI-
THARA. (Weitere Inschrift s.
H. G. 1906, S. 626. Werkver-
trag im Stadtarch.)
Eine Glocke von 1653. Meister: Ludoph Siegfriedt. D. = 1,48, Kronen-
öhre innen gerundet, vorn Riefen und Wülste. Unter der Haube und am
Schlagringe Ornamentstreifen. Auf dem langen Felde Reliefbild: Kreuzi-
gungsgruppe. Inschrift am oberen Rande: PSAL : VENITE EXULTEMUS
DOMINO JUBILEMUS DEO SALUTARI NOSTRO. (Rechnung und Werk-
vertrag im Stadtarch.)
Eine Uhrglocke, 1500 bis 1530; Meister: Gert Klinge oder Heinrich
Meute ('?); D. = 0,50. Unter der Haube ornamentaler Schmuck. Reliefbild
am langen Felde: Maria mit dem Jesusknaben. Inschrift in gotischen
Kleinbuchstaben: Franziscus wil yk heten .... maria Jesus ....
Eine Uhrglocke, 1651, ebenfalls von Ludoph Siegfriedt. D. = 1,10.
Unter der Haube Ornamentstreifen. Inschrift in lateinischen Großbuch-
staben. (Rechnung im Stadtarch.)
Kanzel Eine Steinkanzel, 159t von Claus von Münchhausen für die Kreuz-
kirche gestiftet, befindet sich seit 1656 in der Kirche zu Lauenau
Abb. S.">. Hannover; Kreuzkirche, Glockenbild,
David mit der Harfe.
144
Kreuzkirche
Abb. 8(3. Hannover; Kreuzkircho, Kanzel. Phot. 1912.
10
145
Kirchen und Kapellen
(Kr. Springe), ist aber seit einem Neubau dieser Kirche (1879) nicht wieder
aufgestellt. Das Fabrikregister der Kreuzkirche teilt zum Jahre 1594
mit, daß der Meister Andreas für den Predigtstuhl eine Summe erhalten
hat. Die Kanzel in Lauenau ist nach Mithoff (Kdm. S. 115) fünfeckig
und enthält an den Brüstungsfeldern vorn das Allianzwappen Münch-
hausen-Quitzow, an den übrigen Seiten die vier Evangelisten; an der
steinernen Treppe drei Figuren, dabei eine als Daniel bezeichnet. Der
Meister signiert sich A. B., bisher nur bekannt als M. Andreas.
Abb. K7. Hannover; Kreuzkirche, Brüstungsrelief der Kanzel.
Kreuztragung von Ziesenis. Phot. 1912.
Nach Bedecker (H. G. 1906, S. 151) schenkte im Jahre 1659 der
Bürgermeister Dr. Henning Lüdeke eine neue Kanzel, anscheinend ein
Werk des älteren Adrian Siemerding.
Die heute vorhandene Kanzel ist 1758 aufgestellt. Architekt war
Abb. 86 Johann Paul Heumann, Bildhauer Fr. Ziesenis (s. den Vertrag, den Heu-
mann mit Ziesenis verabredete, bei Bleibaum, Bildschnitzerfamilien,
S. 267). Bleibaum hält Ziesenis für den geistigen Urheber der Kanzel.
Bei Benovierungsarbeiten 1911 fand sich unter dem Kanzelpult eine
Urkunde (Abschrift im Pfarrarchiv; die Urkunde selbst ist in der Kanzel
wieder niedergelegt); sie besagt: ,, Diese Kanzel ist im Jahre 1758 auf-
gerichtet und am Johannisfest desselben Jahres eingeweyht worden,
146
Kreuzkirche
nachdem die vorige seit 1658, also eben 100 Jahre, gestanden hatte ..",
folgen Namen von Schenkgebern, Ratsgliedern, des Predigers, der
Diakonen und das Datum: „Hannover, den 22. Juny 1758". ,,Die diese
Kanzel verfertiget, sind: Friedrich Christoph Vahren, Tischler. Johann
Friedrich Ziesenis, Bildhauer. Johann August Bartels, Vergolder."
Die Kanzel ist als Hängekanzel aus der südlichen Vorlage des Tri-
umphbogens herausgebaut; die Zugangsgalerie mittels Tür und Außen-
treppe von der Duvekapelle her erschlossen. Stuhl und Schalldeckel
schmiegen sich der Pfeilerform an und springen im Kreisbogen vor. Der
Brüstung von Stuhl und Galerie sind Vorlagen vorgekröpft mit Hori-
zontalgliederung eines aufgelösten Gebälkes. Die Zwischenfelder enthalten
in Rokokoumrahmungen flache Reliefs: Gethsemane, Kreuztragung, Abb. 87
Kreuzigung, und an der Galerie die Auferstehung. An den Stuhlvorlagen
waren in nach unten ausgerollten Volutenblättern stehend die Figuren
der Tugenden angebracht, die verschollen sind. Die Restauration von
1911 hat an ihre Stelle die vier Evangelisten treten lassen. Stuhlboden
reich ornamentiert; Hängezapfen. Der Schalldeckel mit Verkröpf ungen,
entsprechend denen des Stuhles, trägt vier Volutenbügel, die gegen einen
Knauf mit der hohen Gestalt des sieghaften Christus emporstreben.
Farbgebung: Weiß mit Gold; Reliefs mattiert golden (vgl. über die Kanzel:
Bleibaum, a. a. 0., S. 266 ff.).
David Meier vermerkt (deliciae, S. 75): Candelabrum ex puro Electro Kronleuchter
eodem anno (1606) donatum, quod viginti candelas portare potest . . .
etc. fabre fieri et suspendi curarunt Hans Meier, Petrus Rekheler .... etc.
(Vgl. Ising, S. 93.)
Bei Redecker (s. H. G. 1906, S. 148) findet sich die Nachricht, daß orgei
1576 die Orgel fertig geworden sei. Inschrift daselbst. Sie war zwei
Jahre vorher durch einen Blitzstrahl, der den Turm traf, beschädigt
worden: die Orgelpfeifen waren geschmolzen. 1601 mußte diese Orgel
von Grund auf instand gesetzt werden. Das geschah durch Henning
Hencken aus Hildesheim, wie David Meier (deliciae, S. 77) erzählt.
Mag. Ising (S. 93) hat die Angaben, es sei unter dem Geschworenen-
hauptmann Henricus Specht die Orgel „unterschiedlichemahl renoviret,
mit etlichen Baß-Begistern vermehret, fast das gantze rück Positiv von
neuem zugericht, ein gantz neue Geblase mit Sponbalgen versehen
worden". Mit der Lieferung einer neuen Orgel war auch hier Compenius
beauftragt. Sie blieb unvollendet, bis sie M. Martinus Vater, zufolge
Kontraktes im Stadtarchiv vom 18. April 1673, in den folgenden Jahren
fertigstellte. 1769 ist nach den Akten der Stadtregistratur abermals
eine neue Orgel gesetzt, die 1821 einer Wiederherstellung unterzogen
werden mußte. Die jetzt vorhandene Orgel ist 1888 neu gebaut.
147
Kirchen und Kapellen
Abb. 88. Hannover; Kreuzkirche, Erztaufe.
Der Maßstab der Zeichnung entspricht dem
der Taufe in der Ägidienkirche.
Taufe Einr Kelchtaufe, Erz, um 1450 vermutlich von einem Hildesheimer
Meister gegossen. Habicht (II. (".. 1913, S. 259 ff.) schreibt das Werk
dem Hennyngus-Regnerus zu (s. auch
A. Mundt, Die Erztaufen Nord-
deutschlands, S. 11 ff.). Rundes,
nach oben etwas erweitertes Becken,
Abb. 88 getragen von drei knienden Männer-
gestalten, ohne Fußplatte. Die Außen-
fläche des Beckens ist in acht Felder
geteilt durch Wimpergen (Esels-
rücken und Fünfpaßmaßwerk), die
zwischen strebenartigen, lialenge-
schmückten Pfeilerchen gespannt
sind. Die so entstandenen Schein-
nischen werden gefüllt durch fast
vollplastische Figuren, welche mittels
Nieten am Becken befestigt sind:
der hl. Mattheus, Andreas, Thomas,
Bernward, Nikolaus, St. Katharina,
Abb. 89 St. Gertrud und die Gruppe des Kruzifixus zwischen Maria und Johannes.
Am oberen und unteren
Rande des Beckens In-
schriften in Kleinbuch-
staben und Großbuchstaben
am Satzanfange. Am oberen
Rande : Asperge nie domine
ysopo et mundabor, lavabis
me et super nivem deal-
babor(Psalm51,9)— Vidi
aquam egredientem de
templo a latere dextro
altaris et omnes ad quos
pervenit aqua ista salvi
facti sunt (Ezech. 47). Die
Inschrift am unteren Rande
nennt die Namen der in den
Schein nischen dargestellten
Heiligen. Die drei Becken-
träger in der Tracht der
Mitte des 15. Jahrhunderts
werden für Bildnisdar-
stellungen des Meisters und
Abb. Sit. Hannover; Kreuzkirche, Taufe. °
Baldachinfiguren an der Beckenwandung. Phot. 11)23. Seiner Gesellen gehalten.
148
Kreuzkirche
Zwei Kannen, gestiftet 1706. Silberblech, getrieben; Amphorenf orm : gerate
H. = 36,5. Fuß rund und sechzehnfach gebuckelt; Ständer rund und GEFÄSSE
Kannen
sechzehnfach kanneliert, in der Mitte etwas eingezogen und durch ein
Band gefaßt, dann unter dem Gefäßbauch in sechzehnfach gebuckeltem,
niedrigem Knauf auslaufend. Der Bauch weit ausladend und mit zwei Abb. 90
geflügelten Engelsköpfen zwischen Blumen und Banken verziert. Der
Kannenhals entspricht in der Behandlung dem Ständer; ebenso der ab-
schließende obere Band der des Fußes. Die Henkel, Guß, sind ausgebildet
als Engelshalbfiguren mit zurückgebogenen Flügeln; Unterkörper und
Abb. 90. Hannover; Kreuzkirche, Amphora und Kelch
(vgl. Amphora der Marktkirche). Phot. 1923.
Flügel in Sehnörkelranken an das Gefäß heranlaufend. Die Inschrift
am Bauche lautet bei beiden Kannen gleich: ANNA VOLANDTINN
GEBOHRNE SADLERINN ANNO 1706. D. I. JANUARY. Die eine
der Kannen trägt das Meisterzeichen: C L <S6*). Beschauzeichen bei beiden
anscheinend Kleeblatt.
Auf einer spätbarocken, silbergetriebenen Kanne ist die Nachricht ein-
graviert: Anno 1599 hat Ilse von Wintheim eine silberne Kanne von 84 Loth
uffs Altar in S. Crucis Kirche ferehret, so anno 1726 verbessert worden
und wigt nun 177 Loth etc. David Meier erwähnt diesen ,,Cantharus":
deliciae, S. 73. Meisterzeichen: B H C (Beruh. Heinr. Cortnum). Beschau-
stempel: Kleeblatt.
*) G L = Caspar Lehnhardt, nach Küthmann, Führer 1929.
149
Kirchen und Kapellen
Kelche Ein Kelch, gestiftet 1598, Silber, H. - 28, Kuppa-D. = 13,5. Fuß in
Sechspaßform, Ständer sechsseitig, Knauf von flachgedrückter Kugel-
forni und an über- und Unterseite mit Halbkreisfeldern ausgestattet.
Abb. 90 Kup pa steilwandig und wenig geweitet. Unter dem Fuße am Rande:
ICK • CATR1NA • VAN • WINTEM • BARTELT • BUSSEN • SELIGER •
NACHGELASSENE • WITWE • GEBE • DVSSEN • KELCH • IN • DE •
EHBE • CODES • VF • DAS • ALTAR • ZUM • HEILIGEN • CREUTZ •
VERGROSSERT • VND • VERBESSERT • 1703 • Meisterzeichen:
G N*) und Beschauzeichen: Kleeblatt. Nach David Meier (deliciae,
S. 73) wurde außer diesem Kelche eine silberne Patene im Jahre 1598 gestiftet.
Ein kleiner Kelch, Anfang des 17. Jahrhunderts, Silber, H. = 23,
Kuppa-D. = 12. Fuß sechspassig, Ständeranlauf sechsseitig, Knauf
birnenförmig in sechs Kanten; Kuppa geradlinig, nach oben etwas aus-
wärts geschweift. Auf dem Fuß Signaculum angeheftet und gelötet:
Kruzifixus, Maria und Johannes. Meisterzeichen am Fußrande: E
Beschaustempel: Kleeblatt mit den Buchstaben CR in den Blättern.
Leuchter Die Altarleuchter aus der Kreuzkirche befinden sich im Vaterlän-
dischen Museum, Erdgeschoß.
Rauchfaß Mithoff (Archiv I, S. 13) bildet ein aus der Kreuzkirche herrührendes,
jetzt nicht mehr nachzuweisendes Rauchfaß ab: Messingguß, spätgotisch;
achtseitiges Gefäß auf sechsseitigem Fuß. Das in Ketten hängende Gefäß
hat als Deckel eine zweigeschossige Architektur mit Maßwerkfenstern
und fialengeschmückten Streben.
Abb. 91. Hannover; Kreuzkirche, Taufschale. Fhot. Kestnermuseum, 1H127.
Taufschaie Eine Taufschale, in Silber getrieben; gestiftet 1664. Die Schale hat
die Form einer Kugelkalotte (D. ^21, H. = 8), auf drei ellipsoiden Füßen
*) GN= Georg Naumann, nach Küthmann, Führer 1929.
150
Kreuzkirche
und mit zwei Ohrhenkeln in Guß. An der Gefäßfläche naturalistische Abb. 91
Nelken und Rosen in getriebener Arbeit. Inschrift unter dem Rande:
ZU EHREN DER HEILIGEN TAUFE HABEN HANS KUMME UND
ILSE NORTMEYERS DIS GEFES IN DIE KIRCHE ZUM HEILIGEN
KREUTZ IN HANNOVER GEBEN ANNO 16G4. Meisterzeichen: A S (Andreas
Scheele). Beschaustempel: Kleeblatt.
Im Anfange des 15. Jahrhunderts war ein reliquiengeschmückter sonstige denk-
Kruzifixus vorhanden; 1418 wurde den das Bild verehrenden Gläubigen ";\LX^:GEN"
0 STANDE
ein Ablaß zugesichert. (Vgl. die Anm. auf S. 130.) Kruzifix
Redecker erwähnt einen jetzt nicht mehr vorhandenen Grabstein Grabmaie
des Dieterich von Hoverde, Plebanus zu St. Crucis, gestorben 141 1, der
Abb. 92. Hannover; Kreuzkirche, Wandmal des Handelsmannes Berendt Uuve. Phot. 1908.
151
Kirchen und Kapellen
Abb. 93. Hannover; Kreuzkirche, Wandmal
des Pastors A. II. Cummius, f 1672
Rechts: Abb. 94. Hannover; Kreuzkirche
Grabmal des Hermann Westenholts, f 1054.
in betender Haltung dargestellt war. Ein Spruchband über seinem Haupte
enthielt die Worte: miserere mei deus. Zu seinen Füßen befand sich
ein Wappen. Die Umschrift des Steines war: Anno • dni • m • cccc • xllll-
des midwekes na • midfasten • do • starf • died • van • hovverden • biddet .
vor sine • zele (Abb. in II. G. 1906, S. 146).
Wandmal zum Gedächtnis des Burchhart von Bente, geb. 1581,
gest. 1642; Westseite des Turmes, außen.
152
Kreuzkirche
Wandmal für den Handelsmann Berendt Duve, geb. 1634, gest. 16. ., Abb. 92
und seine Frau Anna Dorothea Tiemendorffs (s. dar. Schuchhardt, Bildh.
d. Ren., Nr. 137). Nordseite des Turmes. Meister H. J. Uhle (?).
Wandmal des Pastors Cummius, gest. 1672. Chor, außen (s. Schlich- Abb. 93
hardt, a. a. 0., Nr. 116).
Wandmal des 1632 erschossenen Albert Fromling. Chor.
Wandmal zum Gedächtnis des Geheimen Rates Carolus Philippus
liber baro Diede zum Fuerstenstein, geb. 1695, gest. 1769. Ostwand der
Sakristei.
Wandmal des Pastors Nikolaus Othonis (Otto), gest. 1649. In der
Duvekapelle (Abb. u. Beschr. bei Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 82).
Wandmal des Hermann Westenholts, gest. 1654. An der Südseite der Abb. 94
Kirche (s. Schuchhardt, a.a.O., Nr. 84, auch Nachtrag, S. 171). „Bartels-
meister".
Wandmal der Mintha Paxmann, gest. 1636. Südseite der Kirche. Als
Meister ist durch Leonhardt der Bildhauer LuxlohNFine festgestellt (s.
dagegen Schuchhardt, a.a.O., Nr. 70, auch Nachtrag, S. 171).
Einige Predigerbilder, Öl auf Leinwand in anspruchslosen Rahmen, Maierei
hängen in der Kirche.
3, ***-
153
Kirchen und Kapellen
Abb. 95. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Chorfront außen, Teilbild. Phot. M.B. A., 1928.
154
Neustädter St. Johanniskirche.
Oeit der Residenzwerdung, mit der die Erweiterung und Befestigung
der Neustadt im Zusammenhange steht, genügte die Marienkapelle (s. dar.
S. 209) den gottesdienstlichen Bedürfnissen der anwachsenden Bevöl-
kerung nicht mehr, so daß um 1650 der Gedanke erwogen wurde, eine
neue Kirche neben dem Pfarrgrundstück auf dem Türckeschen, ehemals
von Holleschen Hofe zu erbauen, den Johann Duve für den Zweck er-
worben hatte. Durch die damals im Gange befindliche Zuschüttung
des Judenteiches wurde aber ein Bauplatz gewonnen, der einen Kirchen-
bau städtebaulich günstiger zur Geltung bringen konnte.
1661 (12. Sept.) bereits gab Herzog Georg Wilhelm außer einer persönlichen baugeschichte
Beisteuer ein Patent*) zu einer allgemeinen Kollekte in seinen Landen
für den Kirchenbau. Seit 1665 der katholische Herzog Johann Friedrich
seinem Bruder Georg Wilhelm in der Regierung der Fürstentümer Calen-
berg- Grubenhagen nachgefolgt war, nahm die Calenbergische Landschaft
die Förderung der Baupläne mit besonderem Nachdruck auf, um zu
verhüten, daß, durch den Glaubenswechsel' des Landesfürsten veranlaßt,
weitere Teile des Landes und der Hofbedientenschaft vom lutherischen
Bekenntnisse abfielen. Herzog Johann Friedrich selber, ebenso die Witwe
Georg Wilhelms von Celle, die inländischen Klöster, die Ritterschaft
und die Wolfenbütteische Landschaft spendeten Beiträge; die Calen-
bergische Landschaft brachte allein über 17000 Taler auf.
Den größten Teil der Baukosten aber hat Johann Duve getragen
(s. über ihn Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1897, S. 412); in seiner
Hand lag auch die Direktion des Baues. Nach den Akten des Pfarr-
archives (XlXb, Nr. 1) lag aber die technische Leitung in der Hand
des Bauschreibers „Brandani Westermanns, welcher von Anfang biss
zum Ende gemelten Bauw mit dirigiret, befordert und aufgeführet".
Die Zuschüttung des seit 1661 als Bauplatz ausersehenen Juden-
teiches zog sich bis 1666 hin. Ende Juni begann die Anlieferung des
von Brand Westermann angeforderten Baumaterials (Akten des O.-Hof-
") Im Kirchenarchiv.
155
Kirchen und Kapellen
Marsch.-Amtes, XI. bei d. Verm.-Verw.). Die Bauzeit währte bis 1670.
Abb. 96 Der erste Turm, ein aus dem Westgiebel heraus entwickelter Hauben-
dachreiter, ist nach Grupen 1673 eingeweiht.
Nach den Akten von 1666 im Staatsarchive (s. Kranold, Aus der
Geschichte der Hol'- und Stadtkirche St. Johannis, 1920, S. 6) hat die
Landesherrschaft ein Modell zu der Kirche fertigen lassen. Auf einen
Bericht Duves ist 1067 die Herstellung eines zweiten, wahrscheinlich
Abb.ttü. Hannover; „Aedes Sacra Novae Vrbis"nach .loh. .Joch.Zeuner ( Pro v.-liibl., Hdsc.hr. XX 111,703).
Der Turm der Kirche ist der erste, später abgebrochene. Im Hintergrunde die Duveschen Häuser
der Hoten Reihe. Davor der Parnaßbrunnen.
den Bau vergrößert vorsehenden Modells veranlaßt worden. Welcher
Architekt der Urheber des Bauplanes war, ist bisher nicht bekannt.
Habicht (Stätten der Kultur, S. 68) verweist auf den 1667 in den Dienst
des Herzogs getretenen Italiener Sartorio.
Die St. Johanniskirche stellt das erste Gotteshaus in Niedersachsen
dar, in dem ein protestantisches Baumideal zum Ausdruck kommt. Ihre
Stellung innerhalb der Geschichte des protestantischen Kirchenbaues
in Norddeutschland bleibt noch zu untersuchen.
Die ursprüngliche Fassung der Kirche ist, abgesehen von dem gänz-
lichen Neubau des Westturmes, der 1691 bis 1700 geschah, im Äußeren
und Inneren durch Bestaurationen -- namentlich 1870/72 und 1902/03 -
nicht unwesentlich verändert. Einer zweigeschossigen Priechenanlage
hatten im Äußeren Geschoßteilungen durch Kaffsimse und quadratische
Lichtöffnungen entsprochen, wie sie an Chor und Westfront noch erhalten
Abb. 95 und 97 sind. Die Lichtzufuhr war infolge davon beschränkt; man hat deshalb
1870/72 zugleich mit der Entfernung der oberen Priechen die Fenster
der beiden oberen Geschoßteilungen zu je einem Fenster mit rundbogigem
156
Neustädter St. Johanniskirche
Abb. !)7. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Fensterbrüstungstafeln mit
Frucht- und Blumengehängen von der Chorfront. Aufnahme it. Zeichnung 1925, D.
157
Kirchen und Kapellen
158
Neustädter St. Johanniskirche
Abschluß zusammengezogen. Bei der Beurteilung des ursprünglichen
Baumausdruckes darf das nicht unbeachtet bleiben. Eine auf plastische
Wirkung zielende Deckenausmalung ist 1902/03 hinzugekommen; ihr
Schöpfer ist 0. Wichtendahl.
Abb. 99. Hannover; Neustädter Markt mit Kirche und Brunnen. Phot. 1905.
Die Hof- und Stadtkirche St. Johannis ist eine Saalkirche aus Ziegeln Beschreibung
mit Hausteinverwendung. Das Material von der 1660 eingestürzten Langhaus und Chor
St. Gallenkapelle hat hier Wiederverwendung gefunden. Das Langhaus
stellt ein Bechteck dar (39,2:16,4 m), an das ostwärts die gerade ab- Abb. 98-101
schließende Chornische angefügt ist. Die Umfassungsmauern sind über
dem Sockel in schmalem, geschwungenem Profil abgesetzt und mit Ge-
schoßteilungen durch Kaffsimse hochgeführt. Das Hauptsims besteht
159
Kirchen und Kapellen
-f^Ht-
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160
Neustädter St. Johanniskirche
aus Holz. Breite, von den Kaffsimsen umzogene Streben verstärken
die Wandungen. Das mit Pfannen gedeckte Satteldach hat über Lang-
haus und Chor gleiche Firsthöhe und ist mit langgeschifteten Aufschieb-
Abb. 102. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Südportal dos Schiffes, 1925. Anfn. u. Zeichn. D.
lingen versehen. Dachgauben sind in zwei Reihen auf den Dachflächen
angeordnet (nach Zeuners Bild ehemals in drei Reihen). Das östliche
Firstende trägt einen Dachreiter von acht Seiten mit geschwungener,
kupfergedeckter Haube.
11
161
Kirchen und Kapellen
Die beiden Haupteingänge in der Nord- und Südseile des Schiffes
sind korbbogig geschlossen und durch eine Säulenstellung und plastischen
Schmuck hervorgehoben. Sie wurden 1902/03 von ihrer ursprünglichen
Abb. 103. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Innenansicht gegen die Orgel.
Pliot. M. B.A., 1928.
Stelle im zweiten westlichen Joch in die Mittel- Querachse des Schiffes
Abb. 102 verlegt. Das südliche, reicher ausgebildet, verrät in seiner Ornamentik
die Hand des Meisters der Duvekapelle (s. dar. Schuchhardt, Bildh. d.
Ren., Nr. 106). Zwei rechteckig umrahmte Nebeneingänge im östlichen
Langhausjoch erschlossen die ehemals dort belegenen Priechenaufgänge;
bestehen aber seit 1902/03 nicht mehr.
162
Neustädter St. Johanniskirche
Der Innenraum von Schiff und Chor ist durch je eine am Dachstuhle
aufgehängte Tonne geschlossen: über dem Schiff in Kreissegment-, über
dem Chore (von jeher etwas niedriger; 1902 neu eingewölbt) in Halb- Abb. 101
kreisform. Das Kämpfersims tritt nur schwach vor.
Der Chorfußboden liegt um mehrere Stufen erhöht. 1777 wurde der
Chor in flachem Bogen gegen das Schiff hinausgeschoben; die Restau-
ration von 1870 — 72 gab ihm einen rechteckigen Mittelausbau mit Treppen
zu beiden Seiten. Seit 1902/03 besteht die heutige geradlinige Stufen-
anlage quer über das Schiff von Wand zu Wand.
Der Fußboden des Schiffes war vor 1902 mit Grabplatten belegt,
da der Kirchengrund in ausgedehntem Maße von ausgemauerten Grab-
kammern eingenommen war, zu deren Abdeckung die Steine dienten.
Die Gemeindeprieche ist eingeschossig in Hufeisenform auf Holz- Abb. 103
stützen mit profilierten Kopfbändern angeordnet. Von dem ehemaligen
oberen Priechengeschoß besteht nur noch die Orgelprieche an der Turm-
wand mit neuem, gegen das Schiff herausgeschwungenem Mittelteil.
Die Priechenbrüstungen zeigen die Einteilung in Felder, bewirkt durch
Verkröpfungen von Doppelsäulchen gedrehter Form. Die Verkröpfungen
enden unterwärts in Hängezapfen und sind unterhalb der Felder durch
Tuchgehänge in Schnitzarbeit verbunden. Die vorhandenen vierund-
vierzig Brüstungsfelder enthalten in Goldrahmen Ölgemälde auf Lein-
wand, von unbekannten Kleinmeistern gemalte Begebenheiten aus der
Leidens- und Herrlichkeitsgeschichte Christi. Die obere Prieche hat
vermutlich entsprechenden Schmuck enthalten. Die Bilder waren von
Duve geschenkt.
Die ursprüngliche helle Farbgebung des Innern war 1840 durch
einen braunen Farbüberzug an allen Holzteilen und Zieraten verdeckt und
ist 1902/03 in Weiß und Gold wiederhergestellt. Die Decke war bis dahin
ohne Ausmalung.
Der Vorläufer des jetzigen Westturmes war nach der Abbildung von Turm
Zeuner (um 1675) mit quadratischem Fachwerkkörper aus dem West-
giebel der Kirche heraus nur wenig über die Firsthöhe des Kirchendaches
hinaufgeführt. Der Helm setzte mit schrägem Anlauf an, wurde in niedri-
gem Tambur ins Achteck übergeleitet und öffnete sich über einem hauben-
artigen Zwischenstück zur achtseitigen Laterne. Die Spitze war in ge-
schwungener Linie ausgezogen. Die „höltzeren Pillaren", auf denen
dieser Turm im Dachstuhl gegründet war, waren kurz nach 1669 morsch
geworden, so daß der Turm einzustürzen drohte. Man legte ihn daher
nieder und begann 1691 unter der Regierung des Kurfürsten Ernst
August mit dem Neubau des jetzt vorhandenen Turmes „unter Zuziehung"
Brand Westermanns (Akte im Pfarrarch. XlXb, Nr. 1). Zu der Bau-
163
Kirchen und Kapellen
Abb. 104. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Turmfront. Aul'n. 1925, D.U. N., Reinzeichn. D,
Neustädter St. Johanniskirche
summe soll die Gräflich von Platensche Familie den Hauptteil beige-
steuert haben. Dafür soll ihr die Durchgangshalle des Turmes und der
Keller darunter als Grabkammer zugestanden worden sein und ist als
solche auch benutzt bis 1926. Der neue Turm ist im Juni 1700 vollendet
worden. Der Architekt ist wiederum nicht bekannt.
Der neue Turm ist dem Westgiebel der Kirche vorgesetzt. Sein im Abb. 104.
Grundriß quadratischer Körper aus Sandsteinquadern nicht ganz gleicher
Schichtenhöhen ist über dem Fundament in gleichem Profil abgesetzt
wie die übrige Kirche. Die Gliederung des Turmes läßt in großen Maß-
Abb. 105. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Portal im Westgiebel der Kirche, 1926 wieder geöffnet.
Nach gleichzeitiger Autnahmezeichnung des Archit. Schädtler.
165
Kirchen und Kapollen
Verhältnissen das auf allen vier Seiten mit flachen Dreiecksgiebeln
schließende und jederseits in nur einem fast 7 m hohen Rundbogen-
fenster geöffnete Hauptgeschoß hervortreten. Sein Unterbau ist in zwei
Sockelgeschossen gestelzt, von denen das untere die volle Höhe bis zum
Hauptsims des Langhauses einnimmt. Es enthält die gewölbte Durch-
\)>i). 105 gangshalle mit säulengeschmücktem, antikisierendem Portal und hohen
Rundbogenfenstern; an den Kanten sind Wandvorlagen vorgekröpft.
Das obere Sockelgeschoß ist niedrig und einfach. Den Abschluß des
Turmkörpers bildet ein ins Achteck überführtes Glockengeschoß, das durch
Rundbogenöffnungen, wechselnd mit Blendnischen, Leichtigkeit erhält
und in vasenbekrönter Balustrade endet.
Der kupfergedeckte Helm hebt in einem achtseitig -prismatischen
Uhrgeschoß an und geht dann in konkav geschwungenen Flächen zur
offenen Laterne über. Die Haubenspitze ist durch ein trommelartiges
Zwischenstück gegürtet und schließt in Kugel, Wetterfahne (die alte
mit dem hannoverschen Pferde von 1702 ist im Leibnizhause) und Kreuz.
Sakristei Eine Sakristei hat als Anbau bis 1840 bestanden, den Spuren nach
in dem Nordostwinkel zwischen Chor und Schiff. Die Abbildungen des
17. und 18. Jahrhunderts zeigen sie noch nicht.
Treppenhäuser Je ein zweigeschossiges Treppenhaus am Westende des Langhauses,
sowohl nord- wie südwärts hinausgebaut, ist wahrscheinlich eine Er-
weiterung während des Baues. Das nördliche ist von geringeren Ausmaßen
als das südliche. Zeuners Zeichnung um 1675 stellt die Treppenhäuser mit
Dachreitern auf den Firstenden dar, die heute fehlen.
Ausstattung Bariug berichtet (Zur Hann. Kirchenhistorie, S. 85/86), Altar und
Altäre Kanze] seien aus der alten, 1382 erbauten Kapelle U. L. Frauen (s. das.)
herübergenommen. Nach Schuster (K. u. K., S. 22) soll in der Schloß-
kirche 1667 ein neuer Altar angefertigt und der über der damals angelegten
herzoglichen Gruft stehende wahrscheinlich der Neustädtcr Kirche über-
wiesen worden sein. Beide Altäre sind verschollen.
Durch eine Verfügung des churfürstlichen Konsistoriums vom 30. No-
vember 1758 wurde anerkannt, daß der bisherige Altar in der St. Johannis-
kirche von gar schlechter Struktur sei und der Kirche nicht allein zu keiner
Zier gereiche, sondern auch daneben selbige sehr verdunkele; auch die
Kanzel sei für den Prediger unbequem. Fromme Stiftungen der Kramer-
gilde und Kollekten brachten die Mittel zu einem neuen Altar auf; am
21. Sonntage nach Trinitatis 1759 wurde dieser geweiht. Diesen heute
noch vorhandenen Altar mit eingebauter Kanzel hat nach Ausweis der
Kirchenakten der Hofarchitekt Johann Paul Heumann nach seinem
Entwürfe auf einen Befehl vom 19. Februar 1759 anfertigen lassen.
Heumann starb im gleichen Jahre. Die Tischlerarbeiten lieferte der
166
Neustädter St. Johanniskirche
Meister Vahren, die Bildhauerarbeiten der Hofbildhauer Friedrich Zieseniß
und die Maler- und Vergolderarbeiten der Vergolder Bartels. Das Altarbild
unter der Kanzel wurde gleichzeitig gemalt. Der Name des Malers geht
aus den Akten nicht hervor.
Abb. 106. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Kanzelaltar. Phot. Bleibaum, 1913.
Der Heumannsche Kanzelaltar ist aus einer die Chornische abschlie- Abb. 106
ßenden Schalwand herausgebaut, welche die dahinterliegenden beiden
Sakristeien und die zur Kanzel führende Treppe verbirgt. Die Architektur
der Schalwand ist als Pilasterstellung korinthischer Art mit hohem Stylobat
und Gebälk ausgebildet. Dem Stylobat vorgekröpft sind Postamente für
167
Kirchen und Kapellen
Holzstatuen (Glaube, Liehe, Geduld, Hoffnung). Im Zustande vor 1902
reichten die äußersten Enden der Schalwand nur mit dem Sockel bis an
die Seitenwände des Chores. Darauf standen die Figuren frei vor einem
Vorhang. Das Mittelstück der Schalwand ist als Hinterbau der Mensa
mittels viertelkreisförmiger Übermittlungen beiderseits vorgezogen, in
denen je eine rundbogige Tür den Umgang um den Altar ermöglicht.
In den Feldern oberhalb der Archivolten sind vergoldete, breit-rechteckige
Flachreliefs von Johann Friedr. Ziesenis angebracht: Taufe Christi und
Ausgießung des heiligen Geistes. Beiderseits des Mittelstückes angeordnete,
den erwähnten entsprechende Postamente tragen die Figuren des Moses
und Johannes des Täufers. Oberhalb der Mensa tritt zwischen den die
Altarrückwand beseitenden Pilastern der Kanzelstuhl mit geschwungenen
Brüstungsflächen, reich verschnörkelt und profiliert, freischwebend hervor.
Der Schalldeckel ist aus dem Hauptgesims herausgebildet mit Verkröpfun-
gen und Volutenbügeln, auf denen Putten in bewegter Haltung und
zwischen denen Kranzgehänge und Kartuschen angebracht sind. Als
Bekrönung erhebt sich darüber die Figur des triumphierenden Heilandes.
Das unterhalb des Kanzelbodens über der Mensa in vergoldetem Bokoko-
rahmen eingelassene Altarbild stellt das heilige Abendmahl dar (über
den Kanzelaltar s. Bleibaum, a. a. 0., S. 276 ff.),
chorschranke Gelegentlich der 1777 geschehenen Veränderung des Chores wurde
dieser in flachem Bogen mit einer Balustrade abgegrenzt. 1840 wurde die
Chorplattform mit einer rechteckigen Balustrade umzogen. Bei der
abermaligen Veränderung des Chores 1902/03 ist die Balustrade entfernt
worden.
Gestühl Das ältere Kastengestühl war ohne Mittelgang angeordnet und hatte
1870 braune Farbgebung erhalten. Das gegenwärtig vorhandene Gestühl
ist 1902/03 eingebaut.
Ein herzoglicher Stuhl auf der untersten Prieche, von der Kanzel
rechts, war ohne besonderen Aufwand.
Glocken Eine Glocke, D.= 1,03, 1672 von Meister Ludolf Siegfriedt gegossen.
Blattornamente am oberen Bande ; Inschrift in lateinischen Großbuchstaben :
FUERSTLICHE CALENB. LANDSCHAFT IN ANNO 1672 VERBUM DOM INI
MANET IN AETERNUM M; LUDOLE SIEGFRIEDT HAT MICH GEGOSSEN.
Eine kleinere Glocke, D. = 0,73, 1672 von L. Siegfriedt gegossen.
Blattornamente am oberen Rande; Inschrift in lateinischenGroßbuchstaben.
FUERSTL. CALENBEROISCHE LANDSCHAFT IN ANNO 1672 M. LUDOLF
SIEGFRIEDT HAT MICH GEGOSSEN.
Eine Glocke, D.= 1,55, 1871 von J. H. Bartels in Hildesheim gegossen.
Bedecker hat zum Jahre 1746 (Chrom, S. 1053) die Notiz: „Die große
Glocke, welche der Bürger Schulitz im Testamente geschenkt / 1730 / ward
umgegossen."
168
Neustädtcr St. Johanniskirche
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169
Kirchen und Kapellen
orgoi Nach einer Nebenbemerkung in den Kirchenakten (Kranold, a. a. ().,
S. 10) hatte die erste Orgel, die vielleicht aus der früheren Marienkapelle
herübergenommen war, ihren Platz auf der Nordprieche. Redecker bringt
die nähere Bezeichnung „beim Churfürstlichen Stuhl" (Chron., S. 753).
Eine neue Orgel wurde gleichzeitig mit dem Turmneubau ausgeführt
und 1702 vollendet. Als Meister nennt eine in der Kirche aufgehängte
Tafel den Hoforgelbauer H. Willenbroch. Der Orgelprospekt ist laut einer
Widmungstafel 1700 entstanden. Die Ornamentik, im wesentlichen Ohren-
und Kartuschenwerk, steht den Arbeiten des Bildschnitzers Conrad Heinrich
Bartels nahe (s. Bleibaum, a.a.O., S. 109/110).
Taufe Barocke, holzgeschnitzte Kelchtaufe, datiert 1760; H. == 1,55, Becken-
durchmesser = 0,32. Meister Fr. Ziesenis; jetzt im Provinzialmuseum.
Abb. io7a und io7b Eine Entwurfskizze oder Handzeichnung von Ziesenis, datiert 17X7,
nach der Hofkirchentaufe liegt in den Pfarrakten zu Neustadt a. Rbge. Der
dortigen Kirche gehört eine von Ziesenis nach dem Muster der Taufe in
der Hofkirche gefertigte Taufe. Eine dritte, gleiche Taufe befindet sich
in der Kirche in Niedernstöcken, Kr. Neustadt a. Rbge.
gerate, gk- Ein Ciborium, Silber. Rechteckiges, auf vier Kugeln gelagertes Käst-
l-Ässii, stoiie c]u,n von (|e,. Grundfläche 10,5 : 5, H. = 4,5. An der Vorderfläche zwei
Ciborium
Wappen in Gravierung, oberhalb derselben die Buchstaben: F. M. und
A. C. L. (Friedr. Molinus und seine Frau, geb. Limborch.) Auf dem
Deckel ein Kruzifixus in Hochrelief zwischen anbetenden Engeln. Inschrift
auf der Rückseite: Zu Eobe Gottes und Ehren yst dye Bundeslade des
Herrn. Unter dem Boden: 1631.
Reiche Ein Kelch, Silber, vergoldet, IL =20,6; runder Fuß, I). = 15; Kuppa-
durchmesser = 12,1. Der Fuß hat auf dem Anlauf vier Reliefmedaillons:
Maria mit dem Kinde, .Johannes d. T. mit Lamm und Buch, die
Auferstehung Christi, St. Anna Selbdritt. Die übrige Fläche ist von
Rankenwerk nach Aldegreverschen Stichen überzogen. Der Ständer ist
rund, der Knauf flach und mit sechs Engelsköpfchen besetzt. Dazwischen
Rosetten - ehemals mit Edelsteinen - und blattförmige Felderteilung
mit Rankenwerk. Die Kuppa ist niedrig, unten gerundet, dann leicht
trichterförmig ansteigend. An ihrem Anlauf ziseliertes Rankenwerk.
Abb. ins Inschrift auf dem Fußrande: FECIT ME FIER1 VIRGO ANNA KA
+ REISEN ABATISSA HVIVS MONASTKRII + ANNO DOMINI 1536
Beschaustempel (Löwe?) undeutlich. Meisterzeichen in den Beliel-
medaillons zweimal vorkommend: G. IL
Die zum Kelch von 1536 gehörende Palene, Silber, vergoldet, hat
auf dem sehr breiten Bande das in einem Kreise eingravierte Bild des
Lammes und zu dessen Seiten die Widmung: Georg Hoyer Rittmester
Anna Christine Hengestmann haben diesen Kelch hierher verehrt 1649.
170
Neustädter St. Johanniskirche
Ein Kelch, Silber, vergoldet, H.= 21, Fußdurchmesser = 15,75,
Kuppadurchmesser = 10,<S, Arbeit um 1710. Fuß sechspassig; Knauf
birnförmig; Kuppa flach gerundet und steilwandig. Meisterzeichen: G. H.
Beschaustempel: Löwe. Inschrift unter dem Fuße: CLARA COCKS
MEISTER HENNIGE WULFFES EFRAVE BUERGER VND SENCKELER ( ?).
Abb. 108. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche. Kelch. Phot. E.Heuer,1929.
Druckstock : Verkehrs-Amt,
Ein Kelch, Silber, vergoldet, H. = 19; 15. Jahrhundert. Leihgabe aus
dem kgl. Silberschatz. Fuß sechspassig; Knauf flach, mit sechs rhom-
bischen Rotuli, auf denen die gotischen Kleinbuchstaben m-a-r-i-a
(verkehrt herum) stehen. Auf dem runden Schaftstück unter- und oberhalb
des Nodus: cristvs und ihesvs, je mit Blattornament. Die Kuppa ist
171
Kirchen und Kapellen
Kl'U/lfl\ll-
steilwandig und trichterförmig. Inschrift am Fuß: barbare § dorothee §
sancte ^ nicolai § eterasmi egidii et § gev § ro § malecri (?) inhonor §
dei § et beate marie § kathere. Unter dem Fuße: Engel + Dams Hans +
I linrieh Weherling + Kaptein - 1631 (eingeritzt).
Ein Kruzifixus, Silber, getrieben, II. = 90,5, ist Leihgabe des herzog-
lichen Hauses. In Kartuschen am Fuß zweimal das Monogramm
Christian Ludwigs (geb. 1622, gest. 1665). Kein Meisterzeichen.
Links:
Abb. lim. Hannover; Neustädter St. Johannis-
kirche, Leuchter.
Unten :
Abb. IIb. Hannover; Neustädter St. Johannis-
kirche, Vase.
i.euchter Zwei gleichartige Altarleuchter, Silber. Der eine, 77 cm hoch, ist eine
Nachbildung des zweiten, 78 cm hohen. Fuß kreisrund, D.= 31, auf drei
Kugeln ruhend und mit Engelsköpfchen zwischen Blumenkörben und
Abb. io9 Rankenwerk in getriebener Arbeit verziert: der sich verjüngende Schaft
ist von drei Knäufen unterbrochen. Lichtteller: 1).= 20. Inschrift des
kleineren: üonum I. A. H. Ao. 1734. Meisterzeichen: SELLE. Der zweite
Leuchter ist reicher und von Philipp Huntemann ausgeführt. Inschrift:
ANNA MAGDALENA ANDREN WITWE LUETHERLOEN ANNO 1711
DEN 31. OCTOBER (vgl. Bleibaum, a. a. O., S. 23). Beschaustempel: Löwe.
172
Neustädter St. Johanniskirehe
Aus einem weiteren silbernen Leuchter sind, wie die Inschrift sagt,
zwei Blumenvasen hergestellt, je 42 cm hoch. Inschrift: E. A. Boettger
geben diesen Leuchter zu Gottes Ehren wegen ihrer seligen tochter Anna
Augusta 1741. Dieser Leuchter ist mit Bewilligung der Erben 1777 in
zwo Blumentöpfe umgearbeitet worden.
Eine Taufschale, Silber; Fuß rund, D.= 16; Becken rund, ü. — 24; Taufschaie
ganze Höhe 15 cm. Im Grund der Schale eine Darstellung der Taufe
Christi durch Johannes in getriebener Arbeit (vgl. die Taufschaie der
Ägidienkirche). Umschrift um das Reliefbild: Wer glaubt und wird
getauft, der ist durch Christi Blut erkauft. Am Rande des Gefäßes außen:
Anno 1752 haben Herr .Johann Ludolf Pape und Anna Margareta Papen
gebohrne Mensingen gegeben dieses Gefas zu Ehren der Heilegen Taufte
in St. Johannis Kirche zu Hannover (in Großbuchstaben). Am Rande und
unter dem Fuße Beschaustempel: Kleeblatt mit 12; Meisterzeichen: BHC
(Cortnum), s. M. Rosenberg II, Nr. 2199.
Zwei Vasen, Silber, Höhe je 60 cm. Weihgaben zum Friedensfeste 1814 Vasen
von Bürgern der Neustadt. Arbeit des Goldschmiedes Gottlieb Matthias.
Empire. Inschrift auf der einen innerhalb eines Lorbeerkranzes deutsch; Abb. no
auf der anderen, umgeben von Eichenzweigen, gleichen Sinnes in lateinischer
Sprache : Exoptatissimae pacis post immensas crudelissimi belli vexationes
Manifesto Summi Numinis Auxilio Gentium Pietate Patriaeque Amore
conjunetarum constantia Impetralae 1). 30. Maji Sancitae D. 24. Julii
Celebratae Memoriae. Dejicitur solio avo vult deus esse tyrannus.
Exsolvas Hannoverane, vota tua.
Grati animi Signum vasa haec esse voluit.civium quorundam Hanno-
veranorum juneta pietas (vgl. Spilcker, a. a. 0., S. 481).
Nach Redecker (Chron., S. 842) wurden am ersten Advent 1742 blaue, Stoffe
mit Silber besetzte Altar- und Kanzeltücher zum ersten Male aufgelegt.
Das Provinzialmuseum bewahrt Stoffe gleichen Zweckes auf.
Statue des Evangelisten Johannes, Sandstein, H. — 1,60, in der Konche sonstige
über dem Turmportale außen. Meister vielleicht der der Figuren an der J^J.^tändf
DllVekapelle. Bildwerk
Standmal des Cord Holling und seiner Familie, f 1650. Kirche außen, Grabmäier
Südseite, H. = 2,98, Br. = 0,72. Meister wahrscheinlich Peter Köster
(s. Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 94). Schmale Stele von viergeschossiger Ein-
teilung mit Abschluß durch einen Schnörkelgiebel. In Reliefbildern (Grab-
legung Christi und Auferstehung) sowie in umrahmenden Hermenkaryatiden
bestehen Parallelen zu solchen am Erker des Leibnizhauses.
Die außerdem an der Kirche außen angebrachten Grabplatten und
Standmale umfassen die Zeitspanne von 1693 bis 1710. Es sind rechteckige
Steine mit Aufschrift und Wappen, meist ohne Zierat. Folgende Namen
173
Kirchen und Kapellen
kommen vor: Nicolaus Gert Uden, Fürstl. Lakei (der Siegeskurier von
Wien) 1683; Clara Elisabeth von Koppenstein, f 1721 ; Fürstl. Stallmeister
Honrichs, t 1704; Witwe des Dr. Lutterloh, errichtet 1707; Hofrat Anton
Lucius, •(• 1704; Marquise de Laforest, geb. v. Schütz, f 1710; Cämmerer
Sinold, gen. v. Schütz, f 1710; Fr. Luthenius, f 1735; Christian Ludwig
Kotzebue, f 1704; Oberstallmeister Isaac Anton Dupuy, f 1700; Simeon
de la Chevalerie, f 1693; Carolus Mauritius Raugravius Palatinus Rheni,
f 1702; Anna Catharina Schubs, Herrn Brand Westermanns Eheliche
Hausfrau, f 1714; Brand Westermann, Fürstl. Br. Lb. Hofbauschreiber,
geb. 1646, t 1716, den 20. August; Generalleutnant v. Ohr, f 1703; Herrn.
Billerbeck, f 1701.
i.eibniz' Grabplatte Grabplatte, rechteckige Form, ohne Schmuck, lediglich mit der
Aufschrift in Messingbuchstaben: OSSA LEIBNITII. Nach Brönnenberg
(a. a. O., S. 51) lag der Stein ursprünglich in dem von dem Gestühl ge-
bildeten Gange linker Hand vom Altar. Sein jetziger Platz ist vor den
Altarstufen südlich der Mitte. Die Gruft Leibnizens ist verschüttet
(über Leibnizens Grabstätte s. H. Graeven in H. G. 1902, S. 375 ff.).
Maierei Die vorn erwähnten 24 Ölgemälde in den Emporenbrüstungen mit
Darstellungen aus der Leidens- und Herrlichkeitsgeschichte des Heilands
erheben sich über das gewöhnliche künstlerische Maß. Ihre Urheber sind
unbekannt. Ein Ölbild, Kreuzigung Jesu, auf Leinwand, einfacher
Goldrahmen, Hochform. 0,80 v 1,40, um 1700, in der Sakristei.
Die alte Fensterverglasung bestand vermutlich nur in einzelnen
Wappenscheiben der Calenbergischen Rittergeschlechter. In den land-
ständischen Akten von 1669 wird die Ritterschaft ersucht, „mit einem
Beitrage zu coneurrieren". Die großen Städte steuerten nur 5 Taler bei.
Bei der Zusetzung der Giebelfenster im Chor erhielten die dort befindlichen
Glasfenster andere Plätze: ein Glasfenster mit Blumenkranz und der
Jahreszahl 1670 südlich der Orgelprieche an der Westwand; ein Wappen
Johann Friederichs im Ostteil des Schiffes an der Südwand; ein Alliance-
wappen Braunschweig-Lüneburg und Bayern im Ostteil des Schiffes an
der Nordwand.
Memorienschiwier Zwölf Memorienschilder zum Gedächtnis von Predigern des 18. Jahr-
hunderts. Ovale Bildnisse auf Holz in reichgeschnitzten Umrahmungen.
H.= etwa 2,50; Bi\ = etwa 1,75. Hervorzuheben sind die folgenden:
Memorienschild des Superintendenten Anton Steding. Bleibaum
(Bildschnitzerfamilien, S. 143) setzt es nicht vor 1710. Es schließt sich
an das dem Meister Conrad Heinrich Bartel nahestehende Billerbecksche
Memorienschild an (s. darüber a. a. O., S. 110).
Abb. in Memorienschild des Anton Friedrich Steding, des Sohnes des Oben-
genannten; zeitlich dem vorigen nahestehend (s. darüber a.a. 0., S. 144).
174
Neustädter St. Johanniskirche
Die Memorienschilder des Levin Burchardt Langschmid und des David
Ruppert Erythropel sind Gegenstücke der vorigen und haben gleiche Form
und Größe.
Abb. 111. Hannover; Neustädter St. Johanniskirche, Memorienschild des jüngeren
Steding. Aufnahme und Zeichnung 1(.I25, D.
Die Memorienschilder des H. E. König und des Superintendenten
Balthasar Menzer sind ebenfalls Gegenstücke. Ihre Widmung ist auf
Veranlassung des Dav. Willi. Erythropel erfolgt. Vielleicht kommt (nach
Bleibaum, a. a. 0., S. 147) für sie der Hofbildhauer Ackermann in Frage.
Bleibaum (a. a. 0., S. 197) bezeichnet als möglich, daß die dem Ernst
Dietrich Bartel als nahestehend bezeichneten Memorienschilder von
Ackermann herrühren.
175
Kirchen und Kapellen
Memorienschild der Kath. Dorolh. Altroggen, 1687. Holz, Westwand.
Memorienschild der Anna Witzenhausen, 1689. Holz, Westwand.
Beide von gleicher Größe (H. = 1,95), und Schnitzarbeit.
Memorienschild der Familie Lotterloh, 1721. Kupfer auf Holz
getrieben; signiert: ,,fecit P. J. Hornnng". Südwand.
Memorienschild der Anna Elisab. Reiche, 1714. Messing auf Holz
getrieben; signiert: „P. J. Hornnng". Nordwand.
sarge Die über der Platenschen Gruft (in der 1927 wieder geöffneten Turm-
halle) aufgestellt gewesenen Särge der Gräfin Elisabeth v. Platen und
ihres Gatten, des Hofmarschalls v. Platen, bewahrt jetzt das Vaterländische
Museum auf. Der Sarg und das Castrum doloris der Elisabeth v. Platen
ist in deren, von Giusti illustrierten Leichenpredigt abgebildet (ein
Exemplar im v. Altenschen Archiv zu Linden, eines in der vormals Königl.
Bibliothek; Memoriae nobil. Br.-Luneb.).
Wappen Im Giebelfelde des Turmportales, außen, Wappen des Kurfürsten
Ernst August. Vor 1692.
Kirchhof Nach Grupen und Redecker ist ,,1675 die Mauer rings um den ganzen
Kirchhof zu legen angefangen". Sie war mannshoch und ist 1800 ab-
gebrochen. Als Gemeindefriedhof diente aber für gewöhnliche Begräbnisse
der bereits 1646 angelegte Friedhof an der Langen Laube (s. das.).
176
Reformierte Kirche.
Der Ausbreitung des reformierten Bekenntnisses, gegen das der Rat
im Laufe des 16. Jahrhunderts wiederholt durch Verordnungen schroffe
Stellung genommen hatte, standen seit der Residenzwerdung Hannovers
nicht mehr so starke Hindernisse entgegen. Die Einführung des Gesenius-
schen Katechismus 1638 und die Unterdrückung des Widerspruches
dagegen sind für die Lage in Braunschweig-Lüneburg bezeichnende
Hauptereignisse. Die oberen Schichten der Bevölkerung und der Hof
verhielten sich in ihrem religiösen Denken durchaus nicht lau, aber duldsam.
Der Kurfürst Ernst August war lutherisch, seine Gemahlin Sophie
reformiert.
Als infolge der Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685 sich ein Strom
französischer Flüchtlinge nach Deutschland hinein ergoß, öffnete auch das
Kurfürstentum Hannover ihm seine Tore. Wie in Celle, Lüneburg und
Hameln, so bildete sich auch in Hannover eine französische reformierte
Gemeinde unter der Fürsorge der Kurfürstin selbst. Sie verschaffte der
Abb. 112. Hannover; Reformierte Kirche, abgebrochen 1896. Phot. 1894.
12
177
Kirchen und Kapellen
Gemeinde ihren ersten Prediger, Etienne de Maxuel. Der Gottesdienst
wurde so berichtet Redecker, Chron., S. 732 - in einem dem Kur-
fürsten gehörenden und von einem Kammerdiener bewohnten Hause auf
der Neustadt, gegenüber der Andreaeschen Apotheke abgehalten, bis 1696
ein eigenes Haus als Kirche und ein anderes als Pfarrhaus an der Gabelung
der Brand- und Wagenerstraße angekauft wurde.
Die deutsche reformierte Gemeinde sammelte sich in Hannover erst
zu Anfang des 18. Jahrhunderts. 1702 erbat sie vom Kurfürsten Georg
Ludewig einen eigenen Prediger und die Erlaubnis zur Mitbenutzung der
französischen Kirche zu ihrem Gottesdienst. Auf die Fürsprache der
Kurfürstin-Witwe Sophie wurde die erbetene Genehmigung am 30. Ok-
tober 1702 zu Jagdschloß Linsburg erteilt. Sophie verschrieb sogleich
durch Vermittlung der Raugräfin Luise von der Pfalz einen geeigneten
Prediger. Der Präsentierte war Johann Georg Rhode aus Sontra in
Hessen; er siedelte im November 1702 nach Hannover über.
Als oberster Behörde unterstellte sich die Gemeinde der 1703 in Hameln
gegründeten Konföderation reformierter Kirchen in Niedersachsen. Heute
gilt die Kirchenordnung von 1839.
Die französischen Reformierten wollten sehr bald die Abhaltung des
deutschen Gottesdienstes in ihrer Kirche nicht mehr dulden. Deshalb
überwies Sophie den Deutschen ein gemietetes Haus auf der Neustadt, bis
eine eigene Kirche beschafft sein würde. Zum Bau dieser Kirche stiftete
sie selber „andern zum exempel" eine Summe und ließ eine Sammlung
veranstalten. (E. Bodemann, Briefe der Kurfürstin Sophie; Publikationen
aus den Kgl. Preuß. Staatsarchiven, 37. Band.) So war schon 1704 die
Gemeinde in der Lage, das Gewese der Oberhofmeisterin de la Chevallerie
an der Brandstraße und am Walle anzukaufen. Das Grundstück Archiv-
straße 1 bestimmte man zur Pfarre, Brandstraße 30 zur Schule und das
eine Orangerie enthaltende Grundstück Brandstraße 31 zur Kirche.
Sophie übernahm gemeinsam mit ihrem Schwiegersohn Friedrich I.,
König von Preußen, die Protektion über die neu gegründete Kirche, deren
Einweihung am 20. November 1705 stattfand.
Nach dem Tode des letzten französischen Predigers Armand im Jahre
1819 löste sich die französisch-reformierte Gemeinde auf und vereinigte sich
mit der deutsch-reformierten Schwestergemeinde. Das Gotteshaus samt
Pfarrei und Küsterei ist 1896 wegen seiner Baufälligkeit abgebrochen.
An seiner Stelle erbaute man nach Plänen von Hubert Stier die jetzt dort
stehende Kirche.
(Als Literatur siehe: Die reformierte Kirche in Hannover; Verlag des
Vereins der Reformierten in Hannover, 1892. A. Wendland, Ihrer Kur-
fürstl. Gnaden Schutzkirchlein. H. G. 1898, S. 276 ff. Die Reformierte
Kirche in Hannover; ,,Ev.-ref. Gemeindeblatt", Nr. 14, Dezember 1910.)
178
Reformierte Kirche
Die alte Kirche der Reformierten bildete mit der Pfarre und Küsterei Beschreibung
eine einheitliche Gebäudegruppe. Das Gotteshaus war als solches den
Vorschriften gemäß im Äußeren nicht erkennbar und hob sich nur durch
sein höheres Dach von den beiden anderen, mit ihm vereinten Gebäuden ab.
Mit einer Langseite an der Brandstraße belegen, war die Kirche zwei- Abb. 112
geschossig aus Fachwerk errichtet und zeichnete sich durch ein breites
Portal in der Frontmitte aus, das durch eine dreieckige Giebelverdachung
betont war. Die Fenster im Ober- und Untergeschoß waren rechteckig.
Das Innere dieser einfachen Saalkirche entbehrte nicht einer vornehmen
Raumwirkung: an drei Seiten waren Priechen auf Holzstützen herumge-
führt, welche sich als Deckenstützen fortsetzten und den stukkierten
Plafond trugen.
Die Kanzel, in der Mitte der östlichen Schmalseite, war aus Holz,
5/8-Typ auf Fuß, mit Schalldeckel.
Fürstenstuhl und Orgel waren ein zweigeschossiger Aufbau aus Holz
in Weiß mit Gold, an der der Kanzel gegenüberliegenden Wand. Drei-
achsige Gebälkarchitektur mit Pilastervorlagen; Mittelrisalit durch beide
Geschosse schwach vorgezogen. Der Fürstenstuhl öffnete sich in drei
Rundbogen gegen das Schiff; dem mittleren als Portal war eine Freitreppe
vorgelegt; das Gebälk trug eine Rustika mit Wappenaufsatz (Pfalz und
Kur-Braunschweig). Dieser Wappenaufsatz, der die beiden Wappen,
umgeben von Füllhörnern und Ranken in Regenceschnitzwerk, enthält,
wird in der neuen Kirche aufbewahrt.
Das Obergeschoß als Orgelgehäuse enthielt in Rundbogennischen die
Pfeifen. Die Mittelnische war höher hinaufgeführt und schloß in einem
Dreiecksgiebel.
Vorhanden bzw. in die neue Kirche übernommen sind folgende
Gegenstände:
Drei Glocken, 1898 von Radler in Hildesheim gegossen. Geschenk der Glocken
Königin Victoria von England und der Prinzessin Friderike von Hannover.
Zwei der Glocken mit den Bildnisplaketten der Schenkerinnen; die
dritte mit dem Bildnis der gemeinsamen Ahnfrau, der Kurfürstin Sophie.
Zwei Kelche, wahrscheinlich 1705 gestiftet, Silber, vergoldet, von uturg. Gefäße
gleicher Arbeit, H. = 25,5; Fuß in Sechspaßform, D. = 16,3. Nodus
sechskantig, flach, mit einfachen erhöhten Schnörkelornamenten und
Engelsköpfchen. Kuppa steilwandig, unten gerundet, oberer D.= 12,5.
Goldschmiedezeichen unter dem Fuß 0.(?) N. Beschaustempel: Kleeblatt.
Zwei Deckelkannen, wohl ebenfalls 1705 gestiftet, Silber, vergoldet,
von gleicher Arbeit. H.= 36, Fuß in Sechspaßform, D. = 19,2. Plumpe,
bauchige Form, mit Tülle und Henkel. Deckel mit Knauf. Unter der
Tülle am Bauche ziseliertes Wappen: Braunschweig-Pfalz. Goldschmiede-
zeichen auf dem Rande des Fußes: C. H. Beschaustempel: Löwe.
179
Kirchen und Kapellen
Abb. 113. Hannover; Clemenskirche, Ostfront und Gittertor. I'hot. M. B. A., 1U28.
180
Propsteikirche zu St. Clemens.
Die katholische Gemeinde zu Hannover, welche nach der Reformation
zur Diasporagemeinde geworden war, hatte infolge des Übertrittes des
Herzogs Johann Friedrich (1655 — 79) zum katholischen Glauben in
der für den katholischen Ritus hergerichteten Schloßkirche (s. daselbst)
eine Stätte zum Gottesdienst gefunden. Mit dem Tode des Herzogs aber
war ihr diese wieder entzogen worden; die Katholiken — großenteils
Hofbedienstete oder ausländische Hofleute — bedienten sich getrennt
einiger in Privathäusern auf der Neustadt zur Verfügung gestellter großer
Räume zum französischen, italienischen oder deutschen Gottesdienste
(s. a. Woker, Die Geschichte der katholischen Kirche und Gemeinde in
Hannover, Paderborn 1898).
Um das Zustandekommen eines eigenen katholischen Kirchenbaues baugeschichte
bemühte sich der seit 1688 in Hannover als Hofkapellmeister und Kom-
ponist vom Herzoge Ernst August bestellte Abbate Steffani. Dieser war
1655 in Castelfranco in Venezien geboren, von Leibniz in deutschem
Staatsrecht unterwiesen und hatte sich staatsmännische Verdienste
erworben um die Erlangung der Kurwürde für Ernst August. In einem
Separatartikel des Kurkontraktes von 1692 hatte er sich dessen Ver-
sprechen dem Papste und Kaiser gegenüber geben lassen, daß zum Rau
einer katholischen Kirche in Hannover ein geeigneter Platz zur Verfügung
gestellt werden sollte. Nach langem Hinziehen wurde dieses Versprechen
1709 durch Anweisung eines Rauplatzes in der äußersten Nordwestecke
des Festungsbereiches der Neustadt auf dem v. Windheimschen Hofe
eingelöst. Der Platz wurde mit Kollektengeldern angekauft, und Steffani,
welcher 1709 Apostolischer Vikar für Norddeutschland geworden war,
ließ durch Architekten aus Düsseldorf, Hannover und Celle je einen
Bauplan anfertigen. Wahrscheinlich waren diese Architekten: in Hannover
Remy de la Fosse, in Celle Johann Caspar Rorchmann und in Düsseldorf
der Graf Mattheo Alberti. Die Pläne sind in Wien, wohin sie zur Begut-
achtung gesandt waren, verlorengegangen. Nachdem 1711 weitere Gelder
durch Kollekte eingekommen waren, ließ man den Bau beginnen nach
einem neuen Plane, der von dem Architekten des Kurfürsten von Mainz
181
Kirclu'ii und KaiH'll
pellen
«| h-
Abb. 114. Hannover; Clemenskirche, Grundriß. Aufn. 1!>2.">, O. u. N., Reinzeichn. I).
182
Propsteikirche zu St. Clemens
-t-
Abb. 115. Hannover; Clemenskirche, Aufriß der Ostfront. Aufn. 1925, D. u, N., Reinzeichn. 1).
183
Kirchen und Kapellen
herrührte. Auch dieser Plan ist nicht erhalten. (Eingehend ist die Bau-
geschichte behandelt von Hans Haug in H. G. 1918, S. 404 ff., auf dessen
Forschungen die hier gegebene Darstellung fußt.) Im Jahre 1712 zeigte
sich die Notwendigkeit der Fundamentierung auf Pfählen, außerdem
stellten sich Fehler in der Anlage der Grundmauern heraus. Thomaso
Giusti (seit 1693 in Hannover) deckte die falsche Verlegung der Fundamente
auf. Er wirkte seit 1711 als Bauführer an dem Kirchenbau und lieferte
1713 den endgültigen Entwurf, nach dem die Ausführung geschehen ist.
Giusti, der wahrscheinlich aus Venedig stammte, hatte, wie er selber von
sich angibt, die Kirchen San Bocho und San Philippo Neri in Parma
gebaut. Er starb 85j ährig am 24. September 1729 und ist in der Unterkirche
zu St. Clemens beigesetzt.
Giusti verfertigte, nachdem ihm der Auftrag zur Weiterführung des
Baues erteilt war, ein hölzernes Modell (jetzt im Vaterländischen Museum
zu Hannover). Wieviel er dabei von den früheren Plänen übernommen hat,
bleibt ungewiß. Sicher scheint, daß die Kreuzkuppelform mit den die
Apsis flankierenden Türmen von Anfang an geplant war. Die Bau-
ausführung erlitt öfter Verzögerungen aus Mangel an Geld oder an Material.
1717 wurde das Dach errichtet; doch war nun für den Ausbau der Kuppel
und Türme kein Geld mehr vorhanden. Im Herbst 1718 weihte Steffani
die Kirche ein; bei der Konsekration am 4. November erhielt sie den Titel
des Hl. Clemens Romanus. Nebenpatrone sind St. Maria, die Mutter
Gottes, und St. Caecilia. Während des Baues bestand eine Interims-
kapelle an der Ecke der Kl. Duven- und Bäckerstraße. Das Grund-
stück Calenberger Straße 180 heißt von 1709 — 22 „katholische Kapelle",
es handelt sich wahrscheinlich um eine ad hoc gebaute Kapelle.
Beschreibung Die unvollendet gebliebene katholische Clemenskirche ist ein Zentralbau
oberitalischer Art, über einer Unterkirche ausgeführt in Ziegeln mit
Abb. 114 Putz und Hausteinverwendung. Die Orientierung ist der üblichen
entgegengesetzt aus Gründen, die mit der Lage des Bauplatzes innerhalb
der Fortifikation der Neustadt zusammenhängen.
An einen quadratischen Mittelraum schließen sich nord- und südwärts
je ein kurzer Kreuzarm, westwärts die Chorapsis mit Fünfzwölftelschluß
und ostwärts ein Vorraum mit Fünfachtelschluß an, dem eine monumentale
Abb. ii5 Sandsteinfassade mit Hauptportal und Freitreppe vorgesetzt ist. Zwei
quadratische Türme schmiegen sich beiderseits der Chorapsis in den Winkel
zwischen dieser und den Kreuzarmen ein. Strebepfeiler nach gotischer Art
sind fast ganz ringsum außen vorgelegt. Die Außenmauern, abgesehen
von der Hauptfront, haben bei geputzten Flächen Verzahnungen aus
langrechteckigen Hausteinquadern; Fenstersolbänke und die waagerechten
Arme der Fensterkreuze sind leicht vortretend wie die Verzahnungen
als Bänder rings um die Umfassungsmauern fortgeführt. Fenster in zwei
184
Propsteikirche zu St. Clemens
Geschossen übereinander angeordnet, rundbogig geschlossen; Gewände
unprofiliert. Ein hohes Walmdach als Notdach deckt den Bau. Die beiden
Türme gehen oberhalb des verschalten Hauptsimses ins Achteck über:
Eckquaderung und rundbogige Lichtöffnungen; Pyramidendach als
Notdach vielleicht von 1760, welche Zahl in der Wetterfahne steht.
Abb. 116. Hannover; Clemenskirche, Querschnitt mit Choransicht. Aufn. 1925, D. u. N., Reinzeichn. D.
Die Schauseite an der Bäckerstraße ist ausgebildet als gequaderte Abb. 113
dorische Pilasterstellung mit Attikageschoß. Das Gebälk mit kräftig aus-
ladendem Hauptsims hat mächtig wirkenden Triglyphenfries; die Metopen
zeigen auf die Spitze gestellte quadratische Rahmen. Am Mittelteile der
Fassade, deren Dreiecksgiebel (dreifach geteilte Lünette im Giebelfelde)
185
Kirchen und Kapellen
das Attikageschoß überschneidet, ist beiderseits des um sieben Stufen
erhöht liegenden Portales der innere der doppelt gestellten Pilaster der
Fassade vorgekröpft. Das Portal selbst hat gequaderte Gewände. Zwi-
schen seiner Supraporte und dem Triglyphenfries ist eine breitrechteckige
Marmortafel eingelassen mit der Inschrift: APOC. 21. C. V. 3 ECCE
TABERNACULUM DEI CUM HOMINIBUS / ET HAKITABIT CUM EIS /
ET IPS1 POPULUS EIUS ERUNT / ET IPSE DEUS CUM EIS ERIT
EORUM DEUS / A. DNI. MDCCXVIII. In den im stumpfen Winkel
zurücktretenden beiden Seitenflügeln der Fassade entsprechen dem
Portale des Mittelteiles Rundbogennischen, in denen Apostelfiguren
stehen, links Paulus, rechts Petrus (die übrigen zehn sind im Kirchen-
inneren aufgestellt).
Abb. 116 Die Raumwirkung der Kirche ist bedeutend, obwohl von der geplanten
Kuppel nur die Überführung ins Achteck zustande gekommen ist; die
natürliche Releuchtung indes reicht nicht hin, da die Lichtzufuhr durch
den Tambur fehlt. Das üktogon ist mit flacher Holzdecke geschlossen.
Die Wandgliederung wird gebildet durch jonische, kannelierte Pilaster auf
hohen Postamenten. Das Gebälk ist in Holzverschalung hergestellt und
zeigt Verkröpfungen oberhalb der Pilaster. Zwischen den Pilastern,
welche die Gurten der Vierungstonnen tragen, und an den Schrägwänden
Abb. indes Vorraumes im Osten sind Rundbogennischen eingelassen, oberhalb
und unterhalb deren das freibleibende Wandfeld durch rechteckige Rahmen
barocker Profilierung belebt wird. In den Nischen stehen die übrigen
Apostelfiguren. Die Gewölbe (in Ziegeln) über der Chorapsis und dem
Eingangsraum im Osten haben pilasterartig gebildete, sich verjüngende
Rippen. Die Chorapsis ist um sechs, jeder der Kreuzarme um zwei Stufen
über dem Kirchenfußboden erhöht. Wie der Chor heute noch, so waren
die Kreuzarme mit Balustraden abgeschlossen.
Die ockertonigen Wände und ihre Gliederung haben die Farbgebung
verschiedenfarbigen Marmors erhalten : Pilaster Caput mortuum, Kapitelle
mit Goldhöhung. Die ursprüngliche Bemalung war weiß*).
Der südliche der beiden Türme dient im Erdgeschoß als Sakristei.
Im östlichen Vorräume, oberhalb des Hauptportales, ist die Orgel-
empore auf vier von Korbbögen überspannten Pfeilern mit in der Mitte
ausgeschwungener Sängertribüne eingebaut. Brüstung mit teilweise ver-
goldetem Bandwerk. Bleibaum (a. a. 0., S. 173), vermutet die Hand des
Schnitzers Madonetto.
Ausstattung Giusti soll anfangs einen frei unter der Kuppel stehenden Altar mit
Altärc Baldachin geplant haben. Die Stiftung des Wandbildes 1714 durch den
Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz veranlaßte ihn, sich für einen
*) Diese Farbgebung isl 1931 wiederhergestellt.
186
Propsteikirche zu St. Clemens
Wandaltar zu entscheiden. (Die Belege finden sich angegeben in dem
erwähnten Aufsatze von H. Haug, H. G. 1918, S. 423.)
Der heute vorhandene Hochaltar ist ausweislich einer Akte im Kirchen-
archiv 1823 vom Hofbildhauer Ludolf Moltan geschaffen (s. darüber
Abb. 117. Hannover; Clemenskirche, Innenansicht, nordwestlicher Kuppelpfeiler am Chor. I'hot. 1929.
Bleibaum, a. a. 0., S. 295/96). Bis 1857 stand der Altar mit seitlichen
Anschlußwänden in der Mitte des Chores Nach älteren Inventarien waren
„hinter dem großen Altar" verschiedene Statuen aufgestellt. 1857 ist der
Altar an seine jetzige Stelle versetzt: Hölzerne Mensa, Tabernakelaufsatz
187
Kirchen und Kapellen
mit Säulchen, Palmettenfriese, zwei vergoldete Reliefs, Auferweckung
des Lazarus und Grablegung Christi. Die Aufsatzecken tragen kleine
Holzstatuen der Heiligen Clemens und Johann von Nepomuk. Diese
schreibt Bleibaum (S. 297) dem Johann Friedr. Zieseniß zu, als einzige
Überreste eines 1744 entstandenen Tabernakels. Der Mittelteil trägt drei
vergoldete Engelsfiguren. Auf besonderen Postamenten an den Wand-
pilastern zu seiten des Altares stehen zwei lebensgroße Apostelfiguren:
Petrus und Andreas. Als Meister soll ein Quirinus Ulrich um 1725 in
Betracht kommen (s. Bleibaum, S. 325).
Das Wandbild hinter dem Tabernakelaufsatz, Leinwand, hochrecht-
eckig, 2,85 : 5,20, ist ein Blatt in Goldrahmen von dem kurpfälzischen
Hofmaler Antonio Pellegrini, das ihm 1716 in Auftrag gegeben wurde.
Es stellt die Auferstehung Christi dar (s. über den Rahmen Bleibaum, S. 173).
Caecilienaltar im nördlichen Kreuzarm: Das Altarbild, Leinwand,
in hochrechteckigem vergoldeten Rahmen mit rundbogigem Abschluß,
1,75:3,50, signiert unten links „Pellegrini f.". Dargestellt ist die hl.
Caecilie, wahrscheinlich mit Beziehung auf Steff anis Eigenschaft als Musiker.
Marienaltar im südlichen Kreuzarm. Das Altarbild, Leinwand,
in gleicher Umrahmung und Größe, ist unten links signiert: ,,ANT.
PESNE PINXIT 1725. Dargestellt ist Maria im Profil von links, kniend;
ein Engel mit Lilie schwebt herab. (Über die zu diesem Altare gehörende
Madonna mit zwei Engelsputten s. Bleibaum, a. a. 0., S. 299 ff.)
Abb. 118. Hannover; Clemenskirche, Petrusrelief vom Beichtstuhl. Phot. Bleibaum, 1911.
188
Propsteikirche zu St. Clemens
In der Bekrönung des Beichtstuhles enthält eine Bokokokartusche Beichtstuhl
(H.= 0,60, Br. = 1,50) einen knienden Petrus in vergoldetem Flach- Abb. ns
Abb. 11!). Hannover; Clemenskirche, Kanzel. Phot. 1929.
relief; Holzschnitzwerk, wohl von der Hand des Joh. Friedr. Ziesenis
(s. Bleibaum, S. 298).
189
Kirchen und Kapellen
Glocke Eine Glocke, u. D. = 61,5; Meister H. C. Weidemann 1743. Unter-
halb der Haube zwischen zwei Zierbändern (Engel in Laubwerk und
Rankenband) die Stifterinschrift: MARIA THERESIA LEOPOLDINA.
Am unleren Rande: JOH. HENNR. CHRIST. WEIDEMANN GOSS MICH
IN HANNOVER Aö 1743.
Kanzel Die Kanzel, etwa 1718 entstanden, am südwestlichen Vierungs-
pfeiler, zugänglich mittels eines durch den Pfeiler gebrochenen Ganges
Abb. int von der Sakristei aus. Fünfsechsteltyp mit Schalldeckel in Holz.
Volutenpilaster an den Stuhlkanten durchdringen das obere und untere
Brüstungssims, unter dem Kanzelboden in einem Hängezapfen zusammen-
gefaßt. Brüstungsfelder, aufgeteilt in Rauten und Zwickeln, mit Laub-
werk gefüllt. Simse und Verkröpfungen reich profiliert. Schalldeckel
mit Lambrequins, reichem Sims und Aufsatz von Volutenbügeln, die
in einer sternbesäten Kugel zusammentreffen, auf welcher ein Strahlen-
kreuz aufgesetzt ist. Farbgebung: verschiedenfarbiger Marmor mit
rosa Grundton.
Kronleuchter Hängeleuchter in der Vierungsmitte, Gelbguß, Anfang des 18. Jahr-
hunderts. Spindel mit Kugel und Knäufen; zwei Reihen von je acht
s-förmig geschwungenen Armen. Unter dem Ringe Figur des hl. Clemens.
Taute Südlich des Hauptportales, der Wandschrägung in halbem Achteck
vorgebaut, ist ein hölzernes Taufgehäuse venezianischer Art in zwei
Geschossen mit Zeltdach, welches das zinnerne Taufbecken enthält.
Es ist abgeschränkt durch eine hölzerne Balustrade. Farbgebung in
rosafarbenem Marmor mit Goldhöhung der Ornamentik. Balustrade
schwarz.
gerätk.gefässi. Ewige Lampe, Silber, österreichische Arbeit. Stifter Graf Starhem-
berg (?).
Zwei Meßkännchen mit ovalem Tablett, Silber, H.=14. Stempel
Kleeblatt und I. Z. (?); Beistempel D und langrechteckiger Beistempel
mit undeutlicher Schrift.
Strahlenmonstranz, Silber, teilweise vergoldet, 1766 gefertigt, H.= 68,
Fuß vierpassig oval, D.= 27. Knauf flach; Umrahmung der Hostien-
kapsel mit Smaragden und Kristallen besetzt. Alliancewappen der
Stifter am Fuße, Beischrift: 17 M:A: S:0: 1766.
Meisterstempel: I. M. Beschaustempel: Viergeteilter Kreis mit 1766.
sonstige Zwölf überlebensgroße Apostelfiguren, H. = etwa 2,60, Holz, in den
denkmals- zenn Nischen des Innenraumes und in den beiden Außennischen neben
dem Portal; wohl nicht ursprünglich für die Clemenskirche geschaffen
Abb. i2o (s. Bleibaum, S. 325). Die Schnitzer stehen dem Job. Friedr. Ziesenis
nahe. St. Jacob der Jüngere datiert 1760.
190
Propsteikirche zu St. Clemens
Gittertor des Einganges, Schmiedeeisen, Arbeit eines Hildesheimer
Meisters um 1760 (Kollektenliste im Kirchenarchiv).
Holzgeschnitzter, überlebensgroßer Kruzifixus, 16. Jahrh. Nordseite
der Kirche, außen. Unter dem Kreuze drei Gewandfiguren, sämtlich
verschiedener Herkunft; Ende 16. Jahrh.
Abb. 120. Hannover; Clemenskirche, Apostelfigur Judas
THaddaeus, Phot. Bleibaum, 1912.
191
Kirchen und Kapellen
"^11
Abb. 121. Hannover; Alte Gartenkirche. Phot. 1885. Drnckstock: H. G.
192
Alte Gartenkirche
(abgebrochen 1886).
JL)ie sehr zerstreut wohnenden Gartenleute vor dem Ägidientore hielten
sich bis um Mitte des 18. Jahrhunderts zur Ägidienkirche, ohne indes
zu gewissen Lasten der Kirche beizutragen. In einer Schulgemeinschaft
hatten sie sich seit Ende des 17. Jahrhunderts zusammengeschlossen.
Redecker gibt zum Jahre 1690 an, die Gartenschule vor dem Ägidientore
sei damals erbaut. Der „Gartenschulmeister" wurde von den Predigern
der Ägidienkirche ernannt und beaufsichtigt und war ohne feste Einnahme.
Als 1746 die Bildung der Ägidien- Gartengemeinde erfolgte, betrug baugkschichte
deren Seelenzahl etwa 700. Der Anstoß dazu wie der Plan, eine eigene
Gemeindekirche zu errichten, ging von dem Konsistorialdirektor Joh.
Peter Tappe aus, der, wie viele wohlhabende Bürger, vor dem Ägidien-
tore einen Garten hatte. Von den Kosten des Baues und der Unterhaltung
der bald darauf erbauten Kirche ließen sich die Gartenleute nichts auf-
bürden. Tappe wußte den Bürgermeister Chr. U. Grupen zu gewinnen
und stiftete ein bestimmtes Kapital zur Besoldung eines Predigers für den
Fall, daß die Altstadt den Kirchen- und Pfarrhausbau vor dem Ägidientore
übernehmen würde. Der Rat beschloß daraufhin, bei der Königlichen
Landesregierung Vorstellung zu erheben. Auf diese hin erteilte Georg II.
einen landesherrlichen Befehl zur Stiftung einer neuen Pfarre, dem im
Juli 1746 ein Ausführungsbefehl folgte. Das Konsistorium erhielt dann
am 23. Juli von der Regierung den Auftrag, die Angelegenheit ferner
einzurichten. (Staats-Archiv. Des. 8. Städte-Sachen des Fürstenthums
Calenberg-Göttingen. Briefsch. Archiv. Gartengemeinde Hannover 3. Er-
bauung einer Kirche 1746/47.)
Der Plan der zu erbauenden Kirche wurde nun durch den Bauherrn
der Altstadt, Peter Carl von Lüde, unter Aufsicht des Königlichen Ober-
baumeisters Johann Paul Heumann hergestellt und erhielt am 17. März
1747 die königliche Genehmigung. Das Gebäude sollte 100 Fuß lang
und 55 Fuß breit sein; innerhalb sollten zwei Reihen Grabgewölbe ange-
legt werden, um der Kirche durch deren Verkauf Einkünfte zu verschaffen.
Zum Bauplatz schenkte der Magistrat ein Teilstück des 1741 angelegten
Friedhofes vor dem Ägidientor. Grundriß, Schnitt und Ansichtzeich-
nungen nach Heumanns Plänen bringt Redecker, Chronik S. 1039.
13 193
Kirchen und Kapellen
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Abb. 122. Hannover; Alte Gartenkirche, Innenansicht. Phot. 1885.
Am 10. Juni
1747 wurden die
ersten Steine vom
Abbruch des alten
Turmes über dem
Agidientore auf
dem Bauplatz
angefahren; der
eigentliche Bau-
beginn erfolgte am
16. August. ZuBau-
direktoren waren
zwei Ratsherren er-
nannt; die Maurer-
arbeiten wurden
dem Ratsmaurer-
meister Schilling,
die Zimmerarbeiten dem Zimmermeister Lutz übertragen. Der Bau
gedieh bis zum Reibst 1748 so weit, daß Ende November das Dach
gerichtet und der Dachreiter aufgesetzt werden konnte. Die Beschaffung
der Innenausstattung verzögerte indes die Einweihung der Kirche noch bis
zum 30. November 1749 (Eingehenderes s. bei H. Ahrens „Die Garten-
kirche zu Hannover"). Der Dachreiter ist 1786 erneuert durch den
Zimmermeister Weißhauer und den Dachdecker-Amts-Meister Johann
Christoph Brinck.
Der fortschreitende Anbau der Marienstadt hat bewirkt, daß das
bescheidene Gotteshaus für die Gemeinde zu eng wurde. So ist es 1886
niedergerissen, um der jetzt an seiner Stelle stehenden gotischen Hallen-
kirche (von Hillebrandt) Platz zu machen.
Beschreibung Die sogenannte Gartenkirche war eine Saalkirche aus über-
putztem Bruchstein; Eckverzahnungen und Rahmungen in Hau-
Abb. 121 stein, hölzernes Hauptsims. Über der Firstmitte des Walmdaches
erhob sich ein achtseitiger, offener Dachreiter. Türen und Fenster hatten
Segmentbögen. Das Innere war dreischiffig geteilt durch die Stützen-
stellung der Längspriechen. Zwischen den Stützen spannte sich die
Abb. 122 korbbogige Holzdecke; über den Priechen war die Decke waagerecht.
Ausstattung [1749] „Der königliche Architekt Herr Heumann liess sich gleich
Aitar bereitwillig finden, den Abriss von dem Altar, in welchem die Canzel
nebst dem Taufstein und Armenstock mit angebracht, vorzuschreiben,
so wie es sich zu dem Gebäude der Kirche schickte . . . ." (Carstens, Die
Stiftung und Einweihung der neuen Kirche vor Hannover. Hannover
194
Alte Gartenkirche
1750). Nach Spilcker (a. a. 0., S. 509) war das Altarblatt vom Hofmaler
Lüders gemalt: Kampf des Erlösers in Gethsemane; ein Engel berührt
den betenden Christus und weist auf die in der Höhe zu lesenden Worte
Esaias, Kap. 53, Vers 10, hin. Vor dem Betenden ein Kelch, auf dem dieser
eine Abbildung seiner Leiden erblickt.
Das alte Geläut ist 1890 aufgegeben und umgegossen. Glocken
An der neuen Gartenkirche (außen, Südwand) wieder eingesetzt Grabmäier an der
zwei Sandsteinepitaphe (Inschriften auszugsweise): Kirche
Epitaph: DEM WEIL : HOCHWOLGEB : HEBBN MAXIMILIAN
IOHANN CHBISTIAN VON BBEIDENBACH SEINEB KÖNIGL : MAJE-
STAET .... WÖLBE STALTEN GENEBAL-MAJOB VON ÜEB CAVAL-
LEBIE D : 13. SEPT : 1759 HIEB BEEBDIGET
AUFGEBICHTET. Hochrechteckige Tafel, Höhe etwa 2,50, oben abge-
schlossen durch verkröpftes Segmentsims mit Wappenbekrönung. Der
Sockelteil, ebenfalls mit verkröpftem und in Segment geschwungenem
Sims abgesetzt, enthält die Inschriftkartusche und trägt soldatische
Embleme in Halbplastik: Brustharnisch und Helm zwischen symme-
trischer Draperie von Feldzeichen, Spießen, Trommeln. Ohne Signatur.
Epitaph: DEM WEIL : HOCHWOLGEB : HEBBN CABL DETTLEFF
FBEYHEBBN MABSCHALCK SEINEB KÖNIGL : MAIESTAET
WOLBESTALTEN OBEBSTEN VBEB EIN INFANTEBI : BEGIMENT . . .
D : 24. OCTOB : 1760 IN HANNOVEB GESTOBBEN . . . AVFGEBICHTET.
In Aufbau, Höhe und Anordnung der Embleme dem vorigen entsprechend. Der
Kontur setzt sich ganz aus geschwungenen Linien zusammen. Ohne Signatur.
Abb. 123. Hannover; Gartenkirchliof, Grabmal der Friderike Hedw. Chr. von Spörcken, f 1798.
Aufnahme und Zeichnung 1915 von Heubach.
195
Kirchen und Kapellen
Kirchhof Der zur Gartenkirche gehörende Kirchhof, 1741 angelegt, 1856 ge-
schlossen (vgl. S. 260), erhält seinen Denkmalswert im besonderen durch
eine Anzahl von Grabmälern, welche in mannigfaltigen Lösungen des
Problems als Dokumente der klassizistischen und romantischen Jahr-
zehnte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dastehen. Einige be-
deutende Grabmäler gehen auch auf das Ende des vorhergehenden Jahr-
Abb. 124.
Hannover; Gartenkirchhof, Grabmal des Max Friedr. Schüsler,
um 1800. Phot. 1904.
hunderts zurück. Aus dem erhaltenen Bestände seien die nachstehenden
hervorgehoben:
Abb. 123 Grabmal der Friderike Hedw. Christiane von Spörcken, gest. 1798;
Sandstein, rechteckiger Grundriß.
Mehrere ähnliche Grabmäler, eines mit umgekehrten Fackeln an den
Kanten, kommen vor.
Abb. 124 Grabmal des M. F. Schüsler, vor 1800. Sandstein, kreisförmiger
Grundriß. Auf Stufen gelagertes trommelartiges Postament mit Vasen-
bekrönung.
196
Alte Gartenkirche
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197
Kirchen und Kapellen
Grabmal des Heinr. Jac. Lutz, gest. 1794. Signiert: „Hencke. Bild,
fee." Sandstein; auf kubischem Sockel, trommelartiges Postament als
Träger eines dreiseitigen, mit Gehängen von Emblemen geschmückten
Obelisken.
Abb. 12.') Grabmal der Johanna Dorette Mithoff, geb. Holst, gest. 1819. Sand-
stein. Quadratischer Grundriß. Geböschtes Postament auf Stufen-
unterbau als Träger einer drapierten Vase.
Ähnliche Grabmäler: das von Amalie Holst, gest. 1836, von Georgine
Margarete von Linsingen, gest. 1821, und vom Hofmedicus Muhry,
gest. 18 10.
Abb. 128. Hannover; Gartenkirchhof,
Grabmal der Charlotte Kestner, geb. Hüll, f 1828. Phot. 1901.
Abb. 126 Grabmal des Hofrates Job. Daniel Ramberg, gest. 1820. Sandstein;
quadratischer Sockel mit vierseitigem Obeliskenstumpf. Oberer Ab-
schluß durch einen mit Kannelüren, Sims, Akroterien ausgebildeten,
in flacher Pyramide schließenden Architekturteil (Aschenbehälter).
Abb. 127 Grabmal des Remy Anton Sonderegger, um 1825. Sandstein; Stele
in Form eines kannelierten Säulenstumpfes mit attischer Basis als Träger
einer Vase.
198
Alte Gartenkirche
Ähnliche Grabmäler sind: das des Joh. Conr. Wedemeyer, gest. 1791, und
seiner Gattin, gest. 1792, sowie das des Dr. Joh. A. Lammersdorf, gest. 1822.
Grabmal der Charlotte Kestner, geb. Buff (Werthers Lotte), gest. 1828, Abb. 127
und ihres Gatten. Sandstein; auf der Deckplatte der Gräber aufge-
setztes, im Grundriß quadratisches Sema, dessen Körper, auf niedrigem
Sockel profiliert abgesetzt, leichte Verjüngung und vertiefte Inschrift-
flächen hat und durch Sims mit Eierstabkyma abgeschlossen ist. Be-
krönung durch reiche Akanthusakroterien und Palmetten.
Abb. 129. Hannover; Gartenkirchhof,
Grabmal des W. Chr. von Dachenhausen, t 1855. Phot. 1905.
Grabmal der Henriette Juliane Charlotte von Rüling, gest. 1782,
gesetzt um 1830. Auf Stufe gelagerter, unprofilierter Sandsteinblock
mit darübergeworfenem Bahrtuch.
Grabmäler des Karl Friedr. Alex, von Arnswaldt, gest. 1845, und
seiner Gattin, gest. 1828. Je ein mastabenartiger Unterbau mit darauf-
gelagertem Kenotaph in Sandstein.
Grabmal des Generals Friedr. Otto Gotthard Graf von Kielmannsegge,
gest. 1851, und seiner Gattin, gest. 1830. Gruftunterbau, zwei Sarko-
phage, auf je vier Sphinxen ruhend, Sandstein.
Grabmal des Friedr. Wilh. Chr. von Dachenhausen, gest. 1855, und Abb. 129
seiner Gemahlin, gest. 1829. Sandstein. Auf Stufen gelagerter Sockel
199
Kirchen und Kapellen
von waagerechter Gliederung und mit Verknüpfungen an den Ecken.
Darauf ein Prunkkenotaph aus Sandstein, freistehend auf triglyphen-
artig ausgebildeten Füßen. Ein reiches Bahrtuch fällt in Falten über
den Sockel herab (vgl. das von Malortiesche Grabmal in Herrenhausen).
Grabmal des Georg Wilding, Fürsten von Butera Badoli, gest. 1841.
Auf eine Sandsteinstufe gestellter Sarkophag aus weißem Marmor in
klassizistischer Ausbildung: korinthische Pilaster, Langseiten mit flachen
üreiecksgiebeln, Eck-Akroterien. Die Wandflächen der Schauseite
zwischen den Pilastern tragen eine Inschrifttafel und dieser zuge-
wandt — je einen betenden Engel in Flachrelief.
Grabmal eines englischen Adeligen, gest. 1842. Ein im Querschnitt
halbkreisförmiger Sandsteinblock mit anthropomorpher Andeutung stellt
den Grabhügel dar; zu Kopf und Füßen je eine spitzbogige Plattenstele
mit gotisierendem Maßwerk und Inschrift.
200
Synagogen.
L)aß Juden ihren festen Wohnsitz in Hannover gehabt haben, wird
frühestens für das Jahr 1294 durch das älteste Stadtbuch bezeugt. Im
Hannoverschen Stadtrecht von 1303 wird verordnet, daß niemand die
Juden durch Wort oder Tat verletzen solle; 1340 erhielten sie die Erlaub-
nis, ihr eigenes Vieh zu schlachten. Die Duldung, die man ihnen zuteil
werden ließ, war indes äußerst unstet. 1350 schob man den Juden die
Schuld an dem damals die Stadt verheerenden schwarzen Tode zu und
vertrieb sie. Zwei Jahrzehnte darauf gab die erneute Niederlassung eines
Juden in Hannover den Anlaß zu einem herzoglichen Aufenthaltsverbot
für Juden überhaupt. Schon 1375 aber wiederum zugelassen, erhielten
sie herzoglichen Schutz. Weitere Urkunden aus der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts erweisen den Aufenthalt von Juden; 1445 sollen sie
ausgewiesen werden ,,wan Öhre tydt umme wehre"*). Nach einem Er-
lasse des Bischofs von Minden von 1451 hatten Juden bestimmte Kenn-
zeichen am Gewände zu tragen, Frauen blaue Streifen, Männer gelbe.
In der Zulassung und Ausschließung der Juden verhielten sich der
Rat und die Herzöge auch in Zukunft sehr wechselnd und ohne rechte
Übereinstimmung, so daß es immer einige unter besonderem Schutze
stehende Juden in der Stadt gegeben hat.
Zur Förderung der Neustadt scheinen besonders unter Johann Fried-
rich und Ernst August bevorrechtete Juden herangezogen worden zu
sein. Der bei Hofe in hohem Ansehen stehende Leffmann Cohen erreichte
die Anstellungserlaubnis für einen Distriktsrabbiner, dem die Bezirke
Lüneburg-Hoya-Diepholz unterstellt wurden; 1673 erwirkte er ein Schutz-
edikt für den 1671 angelegten jüdischen Friedhof auf dem Sandberge
unweit Monbrillant. Vollkommenen Schutz erlangten die Juden erst
1787. Nach der Vereinigung von Alt- und Neustadt trat der Wunsch
der Juden auf, in der Altstadt ebenso berechtigt zu sein wie in der Neu-
stadt. Im Jahre 1831 reichte die Gemeinde eine Eingabe um volle Gleich-
berechtigung mit anderen Bekenntnissen an den Rat der Neustadt ein.
1842 und 1844 folgten darauf Gesetze, die die Rechte der Gemeinde
regeln sollten.
*) Jürgens, Hannoversche Chronik, S. 86.
201
Kirchen und Kapellen
baugeschichte Als 1608 auf Einladung des Voigtes der Neustadt, Fritz Molinus,
Juden in der Neustadt zugelassen waren, wo dieser ihnen Häuser errichtet
hatte, richteten sie eines davon „Am Berge" als Synagoge ein. Allein
auf Befehl des Fürsten selber mußte das Gebäude 1613 niedergerissen
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Abb. 130. Hannover; Alte Synagoge, Grundriß. 1925.
werden. Zu Zeiten des Hofpredigers Urbanus Bhegius erst bestand
wieder eine Synagoge in der Jüdenstraße — der späteren Ballhofstraße —
wo Bhegius predigte, um die Juden zu bekehren.
Im Hause des Levin Goldschmidt (Lob, Hannover) war seit 1688
eine kleine Synagoge eingerichtet; ein neuer Synagogenbau auf dem
Platze des bisherigen Vogteikruges entstand 1703/04. Diese neue
Synagoge kam beim Bankrott der Brüder Behrends (Liepmann Cohens
Nachfahren) 1743 unter den Hammer, sie wurde aber aufgekauft durch
202
Synagogen
Michael, David und Salomon Gottschalk und der jüdischen Gemeinde
zur Verfügung gestellt; um 1830 wurde sie niedergerissen. Die jetzt
noch auf dem Hintergrundstück „Am Berge" Nr. 8 vorhandene, aber
ueuerdings geräumte Synagoge ist Mitte Dezember 1826 nach Erweiterung
eingeweiht. Weil sie dem bald sich steigernden Raumbedürfnis nicht
mehr genügte, begann man 1864 mit einem Neubau nach Opplers Plänen,
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Abb. 131. Hannover; Alte Synagoge, Längsschnitt. 1925.
der 1870 vollendet worden ist, auf dem erst später völlig freigelegten
Platze des alten Postgebäudes „Am Berge". Die Entwurfzeichnungen
befinden sich im Opplerschen Nachlasse.
Der auf dem Hintergrundstücke „Am Berge Nr. 8" im Jahre 1826 alte synagoge
errichtete Bau wird (südwärts) durch das verschiedene der Gemeinde BESCHREIBUNG
dienende Räumlichkeiten enthaltende Vorderhaus der Sicht von der Straße
her entzogen; nordwärts ist er verdeckt durch den hohen mittelalterlichen
Mauerrest, den man als zur Burg Lauenrode gehörig ansieht.
Die Rückseite des wahrscheinlich 1704 erbauten Vorderhauses ist Abb. 130
zur Zeit des Synagogenbaues im Erdgeschoß mittels einer Säulenstellung
203
Kirchen und Kapellen
von sechs dorischen Säulen eröffnet, so daß für den Blick von dessen Diele
aus dem jenseits des kaum 2 m breiten, offenen Hofes sich erhebenden
Synagogengebäude eine Schauseite im beschränkten Sinne abgewonnen
worden ist.
Die Umfassungsmauern sind in Ziegeln mit Quaderverblendung
hochgeführt: Gliederung durch senkrechte Lisenenvorlage. Rechteckige
Abb. 132.
Hannover; Alte Synagoge, Querschnitt mit Lade und Predigtstuhl. 1925.
Lichtöffnungen, zweigeschossig angeordnet. Das Hauptsims aus Holz-
verschalung kragt weit aus.
Der Grundriß des ungefähr westöstlich orientierten Tempels ist fast
quadratisch; an der Westseite entlang verläuft, um einige Stufen erhöht,
Abb. 130 und 131 ein Gang; der entsprechende Raum im Obergeschoß ist als Frauenempore
in den Synagogenraum einbezogen. Vom Gange im Erdgeschosse aus
eröffnet eine pilasterumrahmte Tür mit vorgelegter Treppe den Zutritt
zu dem um drei Stufen tieferliegenden Tempel. Gegenüber, an der Ost-
wand, ist in tiefer rechteckiger Nische der Schrein für das Allerheiligste,
um einige Stufen erhöht, eingebaut; linksseits der Nische eine Kanzel.
Durch die an beiden Längsseiten angeordneten, die Frauenemporen
tragenden Säulen (dorisch) wird der Raum dreischiffig geteilt und erhält
204
Synagogen
so angenehme architektonische Verhältnisse. Das ringsum fortgeführte
Gebälk dieser Säulen, denen an den Kopfwänden schwach vorgelegte
Pilaster entsprechen, trägt im Obergeschoß eine jonische Pilasterstellung
mit Gebälk, über dessen weit ausladendem Kranzsims die Holztonne Abb. 132 und 133.
des Raumschlusses angesetzt ist.
Die somit an drei Seiten sich herumziehenden Frauenemporen sind
dem Einblick von unten entzogen durch Maschrebijengitter und Glas-
Abb. 133. Hannover; Alte Synagoge. Inneres. Phot. 1923. Stadtarch.
fenster, welche die zwischen den Pilastern sich spannenden Halbkreis-
bögen verschließen.
Der Tempelraum erhält sein Licht in der Hauptsache von oben durch
einen Lichtschacht in der Mitte der Tonne.
Die zur Ausstattung gehörenden Gegenstände sind bis auf nachstehend Ausstattung
aufgeführte entfernt:
Die in die Allerheiligstennische eingebaute Lade aus Mahagoniholz
hat vorgekröpfte Säulenstellung mit korinthischen Kapitellen und Ver-
goldung. Das Gebälk mit vergoldetem Palmettenfries trägt zwischen
zwei Henkelvasen ein Tempelchen mit Dreiecksgiebel.
Einfacher, achtseitiger Predigtstuhl aus Holz mit ebensolchem Fuß.
Kein Schalldeckel.
205
Kirchen und Kapellen
Eine lesepultartige Holzestrade von drei Stufen Höhe, mit Treppen
in den Seitenmitten. Hölzernes Geländer: jonische Ecksäulchen und
Gitter von gekreuzten und durch Ringe gefaßten Lanzen nach Empire-
geschmack.
Abb. 134. Hannover; Neue Synagoge, Außenansicht von Osten.
Phot. M. B. A., 1928.
neue synagoge Die 1864 — 70 an der Bergstraße von Oppler erbaute neue Synagoge
ist ein dreischiffiger Zentralbau mit achteckiger Kuppel aus gelben Ziegeln
Abb. 134 u. 135 mit rotem Sollinger und weißem Deistersandstein in Stilformen der ro-
manisch-gotischen Übergangszeit. In der Gruppierung sind Anklänge
an Kuppelmoscheen des vorderen Orientes gesucht.
206
Synagogen
Abb. 135. Hannover; Neue Synagoge, Innenansicht. Phot. 1895.
207
Kirchen und Kapellen
Christuskirche.
Uni der Gemeinde außerhalb des Steintores, die bislang ihren Gottes-
dienst in der Nicolaikapelle zu halten pflegte, eine eigene, geräumige
Kirche zu geben, stiftete Georg V. 1859 eine Kirche, zu deren Bauplatz
der Nordteil des Klagesmarktes beim sogenannten Ochsenpump aus-
ersehen wurde. Den Entwurf lieferte C. W. Hase, der mit dem Bau
eines der für seine Archi-
tekturschule bezeich-
nendsten Werke schuf.
Die Grundsteinlegung
geschah am 21. Sep-
tember 1859.
Das Gotteshaus ist in
der Art einer gotischen,
dreischiffigen Hallen-
kathedrale mit einem
Kapellenkranz um den
polygonalen Chor und
Emporen in den Quer-
schiffen in Ziegeln bei
Verwendung von weißem
Deistersandstein ausge-
führt. Alle Gewölbe-
joche der Seitenschiffe,
Querschiffe, des Chores
und des Kapellenkranzes
kennzeichnen sich außen
durch Giebelarchitek-
turen. Der Turm hat
Abb. i3G eine offene. Vorhalle,
darüber ein quadratisch
eingefaßtes Badfenster
und schließt mit mas-
sivem Helm aus farbig
glasierten Ziegeln zwischen Sandsteinrippen. Das Innere zeigt die
Ziegelverwendung unverhüllt an Pfeilern und Bippen. Die Wand- und
Gewölbeflächen sind geputzt.
Altar, Marmor mit vergoldetem Bronzeaufsatz; Kanzel, Holz; Taufe,
Bronze; Wandmalereien von Welter, Köln.
(Näheres s. Ztschrft. des Arch.- u. Ing.-Vs. 1864, S. 408; 1867. S. 358,
mit Tafein.)
Abb. 136. Hannover; Christuskirche, Turmportal. Phot. 1902.
208
Marienkapelle auf der Neustadt
Burgkapelle St. Galli auf der Burg Lauenrode
(abgebrochen nach der Zerstörung der Burg 1371).
Über die Beschaffenheit der Kapelle auf der Burg Lauenrode (vgl. S. 44)
fehlen Nachrichten; dem Kapellan der Burgkapelle waren der spätere
St. Gallenhof und seine Güter als Dotation des Hauptaltars beigegeben.
Als 1446 oder 1447 auf dem St. Gallenhofe in der Altstadt eine neue
Kapelle errichtet war, ging die Ausstattung der ehemaligen Burgkapelle
an diese über. Weiteres siehe unter den Titeln „Marienkapelle auf der
Neustadt" und ,,St. Gallenkapelle auf der Altstadt".
Marienkapelle auf der Neustadt
(abgebrochen 1859).
Den bei der Burg Lauenrode sitzenden Burgmannen und der sonst
dort und auf dem Brühl ansässigen Bevölkerung hatte bis zur Zerstörung
der Veste, 1371, die dem hl. Gallus geweihte Burgkapelle zum Gottes-
dienste gedient, bei der eine Kalandsbrüderschaft bestand (H. G. 1927,
S. 214). Nach dem Falle der Burg, der den Abbruch der Kapelle zur Folge
hatte, wurde deren Pfarrei der Kirche St. Georgii et Jacobi beigelegt;
der Kaland hörte vorläufig auf zu bestehen.
Zehn Jahre nach der Zerstörung der Lauenrode stiftete der aus Burg-
mannengeschlecht stammende Cord von Alten den Grund und Boden
zur Errichtung eines neuen Gotteshauses, dessen Bau 1382 zustande kam,
zu Ehren der hl. Jungfrau Maria und des hl. Gallus. Die Kalandsbrüder-
schaft war inzwischen wieder aufgelebt und zu einer verbreiteten Körper-
schaft geworden. Mit den Bittern von Alten trafen ihre Vorsteher im
Jahre 1388 eine Vereinbarung, nach der die Brüderschaft mit der Kirche
14 209
Kirchen und Kapellen
vereinigt wurde in der Weise, daß die Priester aus der Kalandsbrüderschaft
den Gottesdienst gegen eine Vergütung zu verrichten hatten und die
Kirche den Versammlungen der Brüder offenstehen sollte. Das vereinigte
Vermögen blieb der Verwaltung des Kalands überlassen, und das lehns-
rechtliche dominium directum der bei der Kirche fundierten Präbenden
sollte den von Altenschen Erben zustehen. Die Herzöge Bernhard und
Heinrich bestätigten diese Übereinkunft, behielten sich aber für den Fall
des Aussterbens des von Altenschen Geschlechtes das Verleihungsrecht
der Präbenden vor. Die neue Kapelle beatissime Marie virginis wurde
am 12. Mai 1389 von dem Bischof Otto von Minden zur Collegiat- und
Pfarrkirche für die Bewohner der Neustadt mit Lauenrode und Brühl
erhoben (Sudendorf, Urk. B. VI, S. 236 u. 254), 1415 wurde auch das
Collegiatstift zu Mandelsloh mit ihr vereinigt (s. darüber Ztsch. d. hist.
V. f. N., Jahrg. 1857, S. 278; H. G. 1927, S. 215).
Nach der Beformation blieb die Marienkirche zwar Pfarrkirche der
Neustadt, aber dem Kaland war versagt, die gottesdienstlichen und
brüderschaftlichen Verrichtungen dort vorzunehmen. Er verglich sich mit
dem Magistrat dahin, daß nach dem Absterben der derzeitigen Mitglieder
der Magistrat in die Beeilte der Brüderschaft eintreten sollte. Der erste
lutherische Pastor an St. Marienkirche starb 1589. Für seinen Nachfolger,
der gleichzeitig Pastor in Hainholz war, wurde um diese Zeit ein Pfarrhaus
gebaut.
Nach der Fertigstellung der Neustädter St. Johanniskirche, seit 1670
wurde die Marienkirche zur Lateinschule und zur Wohnung der „Schul-
Collegen" (Bektor und Konrektor) eingerichtet und blieb in diesem Zu-
stande bis 1801. Sie bestand bis 1859, in welchem Jahre sie abgebrochen
wurde.
Auf dem zur Marienkirche gehörenden Kirchhofe, der zum Teil aus
dem Judenteiche ausgedeicht war (1610), wurde die Neustädter Hof-
predigerwohnung mit dem Pfarrgarten angelegt, nach Bedecker im
Jahre 1689 (vgl. den Plan bei Bedecker, S. 283. Abbildungen nach
Bedecker zu den verschiedenen Entwicklungszuständen der Kapelle
s. H. G. 1906, S. 204).
Taufe Eine für St. Marien von Benedict Thiersch 1657 gefertigte Taufe ist
1668 in die Kirche zu Lauenau (Kr. Springe) gebracht*). (In Limmer
bei Hannover befand sich ebenfalls ein von Meister Benedict 1655
*) Ein 1931 aufgefundenes Reehnungsbuch im Kirchenarchive der Neustädter
St. Johanniskirche gibt an: Anno 1657 haben M. Bened. Tirsch Steinhawer und
M. Stephan Bock, und dessen Eheliebste Lucia Margreta Hontzen Gott zu ehren
und der Kirche allhie auf der Neustadt zum besten den Taufstein bawen und das
Tauf-Becken verehret und auch vermählen lassen; Anno 1558 haben M. Stephan
Bock und Jost Groten den Taufdeckel dazu gegeben.
210
St. Gallenkapelle auf der Altstadt
gefertigter Taufstein, der jetzt verschollen ist. In den Celler Kammer-
rechnungen kommt vor: 1653— -57 Benedix Dirsch. Ebenda 1649 — 54
Hans Dirsch Steinhawer.)
Die von Mithoff (Kdm. S. 75) beschriebenen drei Meßgewänder befinden Stoffe
sich im Provinzialmuseum. Orientalische Stoffe des 14. Jahrhunderts mit
aufgenähten Stickereien figürlicher und ornamentaler Art.
Ein Chorhemd aus weißem Leinen entstammt der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts. Stickereien in farbiger Seide sind auf einer Borde
von grauem Leinen angebracht: Banken und Vierpässe mit den Wappen
v. Steinberg, v. Heimburg u. a. in Wiederholung.
Das von Mithoff (Kdm. S. 74) beschriebene Wandmal des Jobst wandmai
v. Alten ist auf einem Ölgemälde von Giesewell (Provinzialmuseum) zu
erkennen, welches das Innere der Neustädter Schule um 1830 darstellt.
Der Verstorbene kniet in Rüstung vor einem Kruzifixus. Dreipassige
Nischenumrahmung. Inschriftkartusche mit Rollwerk unterhalb, Wappen
in den Zwickeln oberhalb der Nische. Inschrift mit dem Todesjahr 1568
s. Mithoff, a. a. 0.
St. Gallenkapelle auf der Altstadt
(1630 eingestürzt).
Die Stiftung einer Kapelle auf dem St. Gallenhofe an der Burg- und
Bockstraße im Jahre 1445 (Grupen, S. 369) ging aus von dem hannover-
schen Patrizier Ludolph Quirre (Doct. juris, Archidiaconus zu Bam-
stocken und Propst zu Halberstadt, wie Bedecker, a. a. 0., S. 338, seine
Titel angibt), einem gebürtigen Hannoveraner. Mit der Kapelle war
ein Collegium canonicum verbunden. In dieser Kapelle erstand die nach
der Zerstörung der Lauenrode niedergelegte Burgkapelle St. Galli wieder:
sie wurde dem gleichen Schutzheiligen geweiht, auch wurden ihr die
Dotationen des Hauptaltares der ehemaligen Burgkapelle, nämlich der
St. Gallenhof und die dazugehörenden Güter, ferner alles weitere Zubehör
der alten Kapelle beigegeben. Der Bau kam erst 1446 nach bischöflicher
Bestätigung zur Ausführung; im folgenden Jahre wurde das Gotteshaus
durch den Bischof Heinrich von Minden eingeweiht. 1447 erhielt Meister
Gerd von Dassel die Erlaubnis des Herzogs, eine Küsterei nach Anweisung
des Ludolph Quirre zu bauen (s. H. G. 1924, S. 87). Nach der Reformation
- seit 1533 — stand die Kapelle unbenutzt. Die Erben des Stifters trafen
1546 über die Vermächtnisse, welche die Familie Quirre ehemals der
Kapelle zugewandt hatte, mit dem Magistrat ein ähnliches Abkommen,
wie es der Kaland hinsichtlich der mit der Neustädter Marienkapelle
verbundenen Vermächtnisse und Vermögen vereinbart hatte, dahin, daß
211
Kirchen und Kapellen
ihnen auf Lebenszeit der Genuß ihrer Rechte und Einkünfte verbleiben,
nach ihrem Tode aber dem Bürgermeister und Rat zu guten Werken
zufallen sollte.
Die Landesherrschaft, die seit der Reformation angesehene Persön-
lichkeiten auf Lebenszeit mit den der Kapelle zugeschriebenen Gütern
belehnt hatte, trat 1555 ihre Rechte an den Magistrat ab mit der Bedingung,
daß dieser den Ertrag der auf diese Weise erworbenen Vermögen zur Ehre
Gottes und zur Beförderung der Studien verwenden sollte („Geistliches
Lehnsregister", s. Näheres darüber H. G. 1905, S. 152).
Die 1446 an der Ecke der Burg- und Ballhof straße errichtete neue
St. Gallenkapelle war ein rechteckiger Ziegelbau mit steilen Giebeln und
einem Dachreiter. Redecker bringt, schwerlich nach seiner eigenen Kenntnis
der Überbleibsel des Bauwerkes, einen Grundriß und eine Ansicht von ihr
als Ziegelbau (s. H. G. 1906, S. 156). Die Glocken und anderes Gerät, das
aus der älteren St. Gallenkapelle auf der Burg noch bestand, waren in die
neue Kapelle übernommen worden. Da nach der Reformation das Gebäude
nicht mehr benutzt wurde, so verfiel es; das Gewölbe und die Giebel
stürzten 1630 bei dem großen Sturmwinde, der auch den Kreuzturm
umwarf, ein. Die Bautrümmer fanden dann beim Bau der Neustädter
St. Johanniskirche Verwendung.
Kapelle St. Marien vor dem Ägidientore
(1645 abgebrochen).
Die Grafen Johann, Ludolf und Ludwig von Roden und Wunstorf
übergaben am 22. März 1349 an den Rat zu Hannover zwei Hufen Landes
zur Dotation einer außerhalb des Ägidientores zu errichtenden und mit
vier Priestern zu besetzenden Kapelle, die der hannoversche Bürger
Johannes von Eddingerode zu bauen plante. Mit dem Stifter verein-
barte der Rat am 12. April des gleichen Jahres, daß er vor dem
Ägidientore einen „Hilghen Gheiyst", das heißt ein Hospital nach der
Art des St. Spiritushospitals in der Stadt, für dreizehn Personen
erbauen sollte und dazu eine Kapelle für vier Altaristen. Diese
Baulichkeiten sollten vorläufig in Holz — d. i. in Fachwerk — aus-
geführt werden und danach der Erbauer und seine Nachfahren
weiterer Verpflichtung entbunden sein. Die Altaristen waren vom Rate
auf Vorschlag des Johann von Eddingerode zu belehnen, in gleicher Weise
die Stellen der Hospitaliten zu vergeben.
Die Kapelle, die der hl. Jungfrau Maria zugedacht war, erhielt am
9. September 1349 durch den Bischof Heinrich und das Kapitel zu Hildes-
212
Jakobskapelle auf dem Rathause
heim und wiederholt am 2. November desselben Jahres durch Bischof
Erich die Billigung ihrer Errichtung und Dotierung; ihre Bechte und
die der Altaristen wurden festgesetzt, auch wurde ihre Ausnahme von
der Parochie Kirchrode ausgesprochen (H. Urk. B. Nr. 272, 274, 275, 278).
Später scheint der um die Kapelle zu Hainholz verdiente Pleban an der
Kreuzkirche, Johannes von Eddingerode, zwei Kommenden an St. Marien
vor dem Ägidientore gestiftet zu haben (s. Bedecker, Bemerkung zum
Jahre 1411; Chrom, S. 312).
Die Bauausführung ist nicht sogleich nach der bischöflichen Bestätigung
begonnen worden, denn noch am 21. Dezember 1359 spricht eine Urkunde
von der zu erbauenden Kapelle (U. B. Nr. 389). Die Errichtung des
Hospitales ist ganz unterblieben. Bedecker gibt (a. a. 0., S. 253) an:
„also ward im Jahr 1354 ein zierliches starkes Gebäu von Steinen auf-
geführet und gewölbet, auch, weil die Gemeine einen eigenen Kirchhof
haben wollte, selbiger dabei angerichtet". Diese Angaben sind aber
wenigstens hinsichtlich des Datums irrig. Die Stelle, wo der Bau geschah,
bezeichnet Bedecker auf einem Plane, in welchem er die Gegend am
Ägidientor darstellt (S. 254). Weiter berichtet er, das Gotteshaus sei 1490
wegen Erweiterung der Festungswerke abgebrochen und der Kirchhof auf
die andere Seite des Ägidientores - - also nordostwärts davon - - verlegt
worden. Doch geht aus dem Corpus bonorum (s. H. G., S. 413) hervor,
daß erst infolge der Beformation das Bauwerk im Jahre 1534 mit Konsens
des Herzogs Ernst zu Celle abgebrochen ist. Die Güter und Einkünfte der
Kapelle fielen damals auf Grund eines Bezesses mit den Nachfahren des
Stifters dem Bat anheim, der sie der Kirche St. Jacobi et Georgii beilegte.
Auf dem neuen Kirchhofe ist 1554 - - dies Datum war nach Bedecker
über der Tür in Holz eingehauen - - eine neue Kapelle gebaut worden.
Sie wurde 1594 um zwei Fach erweitert, fiel aber 1645 der Anlage des
großen Bavelins vor dem Ägidientore zum Opfer. Wohl schon 1534 ist der
Siebenmännerstein, jetzt an der Ägidienkirche, der an der Marienkapelle
gestanden hatte, in die Stadt gebracht und an den Ägidienkirchhof gesetzt
(Grupen, Hist. eccl. I, II, Capella b. Mariae virg. extra muros).
Jakobskapelle auf dem Rathause.
Nach Bedecker (Chron., S. 376) stiftete im Jahre 1476 der Hildesheimer
Domkapitular Arnold von Heysede im Bathause zu Hannover auf dem
Neuen Saal eine Kapelle St. Jacobi. Sie lag im Obergeschoß des Flügels
am Marktplatze und scheint nach der Beformation eingegangen zu sein;
das Corpus bonorum von 1720 nennt sie in der Aufzählung der Bäume
im Bathause nicht mehr.
213
Kirchen und Kapellen
Kapelle auf dem Grundstücke Marktstraße 47.
Urkundliche Nachrichten über die Kapelle liegen nicht vor. Wie das
Wäskenbook (§ 451) überliefert, hatte Johann Scheele, der 1419 Bischof
von Lübeck wurde, auf dem Grundstücke an der Marktstraße sein Haus
erbaut. Hartmann (a. a. ()., S. 88) gibt an, er habe auch eine Kapelle auf
seinem Grundstücke gestiftet. Da dieses Grundstück rückseitig von dem
Karmeliter- und dem Augustinerhof berührt wurde, so könnte die dem
Johann Scheele zugeschriebene Kapelle diesen Mönchsorden bestimmt
gewesen sein. Redeckers Mitteilung, es sei 1690 gelegentlich eines Neubaues
der Hofgebäude auf dem Grundstücke ein Gewölbe mit schönen Särgen
gefunden, unterstützt die Glaubhaftigkeit der Überlieferung, daß hier eine
Kapelle bestanden habe, kaum.
Vermutlich besteht der Wahrheitskern der Überlieferung im Vor-
handensein einer Kemenate, wie das auch der Fall sein dürfte bei Ge-
wölben, die sich auf dem Grundstücke des Marienseer Hofes (s. Seite 226)
bis 1898 erhalten haben.
214
Klöster und Ablager Geistlicher Orden.
Minoritenkloster.
L)er 1288 bereits in Hannover nachweisbare Barfüßer-Brüderkonvent
war ansässig auf einem den Mönchen von den von Alten überlassenen
Grundstück. Das Obereigentum darüber schenkte ihnen der Bischof
Siegfried von Hildesheim am 5. September 1291 (U. B. Nr. 54). Im
folgenden Jahre übergaben die von Alten ihnen auch das Untereigentum
(Begesten). Das Grundeigentum war Hildesheimisches Lehen.
Die Mönche kauften vom Bitter Boldewin von Boden einen Platz am
Leineufer hinzu. Weil sie hier eine Kajenmauer gebaut hatten, über welche
hinaus die darauf errichteten Gebäude oberhalb des Wassers vorgekragt
waren, und weil der Fluß durch Abwässer von Kloake und Küche ver-
schmutzt wurde, kamen die Mönche mit den Söhnen des Bitters in Streit,
die als Eigentümer desOttenwerders auch die.Fischereigerechtsame besaßen.
In dem Vergleich vom 19. März 1310 (s. d. Urk. 102, 103, 104), der diesen
Streit beendete, ist ein Lobium, eine Laube, erwähnt und ein Boot, das die
Mönche auf der Leine hielten. Sie sicherten den Bittern Begräbnis und
Seelenmessen zu für verstorbene Familienmitglieder an dem primum
altare, quod extra chorum in ecclesia nostra fuerit instaurandum.
Der Ausbau der Konventsniederlassung scheint allmählich zu festen baugeschichte
Gebäuden übergegangen: 1340 werden den Brüdern zwei agri prope
Linden ad caedendos lapides ad structuram aedificiorum sui conventus
zugestanden. 1399 am 14. Mai erhalten sie 2000 kleine und große Dach-
ziegel zum Bau des Klosters (Begesten). Die Klosterkirche war zu Ehren
Gottes und der Jungfrau Maria geweiht; der Marienaltar wird 1401 zuerst
genannt; dazu die Sakristei.
Wir haben es aber bisher nicht zu tun mit der Kirche, deren Teile
noch heute in das Leineschloß eingebaut erhalten sind. Am 5. Februar 1436
215
Klöster und Ablager Geistlicher Orden
ist eine Urkunde ausgestellt „in nova capella monasterii fratrum minorum
in Honovere"; erst bei dieser handelt es sich um die jetzige Schloßkirche.
Das Klostergrundstück wurde 1 152 erweitert durch die Schenkung des
Ludolf Grove, Bischofs von Oesel, der die domus der Groven an der
Leinstraße den Minoriten überließ zum Zwecke des Abbruches des darauf-
stehenden Hauses und der Anlage eines Friedhofes auf der vorderen
Hälfte sowie eines Lustgartens auf dem leinewärts gelegenen Teile. Das
Haus lag neben dem Krautgarten (viridarium) der Mönche (H. G.
1924, S. 50).
In ihrer Eigenschaft als Klosterkirche hatte die Kirche der Barfüßer
keine Eingepfarrten. Da die Brüder über diese Einschränkung durch
Begräbnisse und Kommunizierungen hinübergriffen, so gerieten sie mit
den Stadtgeistlichen wegen Beeinträchtigung der Parochialrechte in
Streitigkeiten. Obwohl 1367 ein Vergleich das künftige Verhalten der
Barfüßer regelte, führten immer wieder Verstöße zur Klage bis zur Befor-
mation hin.
1533 verließen die Minoriten ihr Kloster und wanderten nach Hildesheim
ab. Die Gebäude wurden vom Bäte der Altstadt verschlossen und den
Diakonen der Marktkirche übergeben.
Das im Kloster vorgefundene Silber überantwortete der Bat der
Münze, um Geld daraus zu schlagen zur Herstellung der an der Orgel der
Marktkirche noch fehlenden Stimmen.
Die Klostergebäude wurden fortab aus dem Fabrikregister der Markt-
kirche erhalten. Um sie nicht ad profanos usus gelangen zu lassen, legte
der Bat 1551 ein hospitium für 19 Arme hinein. 1587 brachte er auch die
von Moritz von Sode fundierte Stiftung in den Klostergebäuden unter.
Später allerdings wurden die Gebäude auch profanen Zwecken dienstbar
gemacht: die Kirche benutzte man als Zeughaus, sonstige Bäume als
Münze, Korn- und Salzmagazin, ferner als Schreib- und Mädchenschule.
Auf einen 1630 unternommenen Versuch zur Bestitution des Klosters
an den Barfüßerorden ließ sich der Bat auf Weisung des Herzogs nicht ein.
1637 wählte bekanntlich Herzog Georg von Calenberg den Platz des
ehemaligen Klosters zu seiner Besidenz und bestimmte die Kirche zur
Hof- und Schloßkapelle. Dem Schloßbau mußten dann die vorhandenen
Baulichkeiten weichen bis auf die Klosterkirche.
Beschreibung Obschon die Urkunden viele Einzelheiten der Klosteranlage erkennen
lassen, ist es schwer, diese zu einem wahrheitsgetreuen Bilde zusammenzu-
stellen. Bedecker (Chron., S. 201, H. G. 1906, S. 160) hat versucht, den
216
Minoritenkloster
Grundriß des Barfüßerklosters vor 1637 zu rekonstruieren und ist dabei in
Irrtümer verfallen (s. darüber H. G. 1924, S. 51). Die Anlage, wie sie 1533
von den Mönchen verlassen wurde, umfaßte als Hauptsache die längs der
Leinstraße gelegene Kirche und -- rechtwinklig dazu, von deren Chor bis
zum Wächtergange der Stadtmauer hindurchreichend das Wohn-
und Schlafhaus für die Mönche. Genaueres über die Lage und Art der
Abb. 137. Hannover; Minoritcnaltar, geschlossen. Weifenmuseum, jetzt Provinzialnmseum.
übrigen Gebäude, die rings um den Klosterhof zwischen Wächtergang und
Kirche sonst noch bestanden haben, und die später als Münze, Magazin
oder Schule benutzt wurden, ist nicht anzugeben. Vermutlich waren es
Fachwerkbauten auf Bruchsteinfundamenten. Der vorher genannte
Krautgarten und der Kirchhof erstreckten sich südöstlich des Wohn-
und Schlafhauses bis an das Quirresche Grundstück.
Von der frühesten Kirche der Minoriten wissen wir nichts.
Die 1436 als nova capella fratrum minorum bezeichnete Klosterkirche
ist ein Bruchsteinbau von drei gleich hohen Schiffen. Der etwas niedrigere
217
Klöster und Ablager Geistlicher Orden
Choi- hatte die Tiefe von zwei Jochen bei Dreiachtelschluß. Das Schiff
war in vier Systemen von Kreuzgewölbe] ochen auf Birnstabrippen mit
Schlußsteinen gewölbt; drei Paar achteckige Pfeiler und Wandkonsolen
trugen die Gewölbe. Streben waren außen vorgelegt. Die breiten und
hohen Spitzbogenfenster hatten profilierte Leibungen und reiches Maßwerk
bei vierfacher Teilung durch Pfosten. Die Seitenschiffe waren außen für
Abb. 138. Hannover; Minoritenaltar, Mittelstück, jetzt im Provinzialmuseum. Mit Genehmigung Seiner
Königlichen Hoheit des Herzogs von Braunschweig und Lüneburg.
jedes Joch mit besonderem Giebel ausgestattet, der von einer Kreuzblume
gekrönt war. Der Dachfirst trug nach Redeckers Zeichnung über dem
('.hör einen Dachreiter, der aber nicht der ursprüngliche sein kann.
Schuster (K. u. K., S. 16) gibt an, daß „die Thürme an der Westseite"
schon früher abgetragen waren, bevor noch Herzog Christian Ludwig 1642
die Kirche verkleinern ließ. Tatsächlich bestanden Türme nicht.
Südlich des Chores schloß sich eine Sakristei an. Spätere Abbildungen
des Äußeren und Inneren der Minoritenkirche s. Leineschloß.
218
Minoritenklostcr
~C r.
o a
S 5
219
Klöster und Ablager Geistlicher Orden
Ausstattung Ein Altaraufsatz des Marienaltars des Minoritenklosters ist nach
Altar (|er Reformation in das Sodensche Stift gekommen, von da in das Welfen-
Abb. 137 139 museum (luv. Nr. 23, 23) und jetzt im Provinzialmuseum aufgestellt.
Es ist ein Klappaltar aus dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts. Die
Flügel außen bemalt. Mittelbild: Kreuzigung; links oben: Geißelung;
unten: Dornenkrönung; rechts oben: Grablegung; unten: Auferstehung.
Innen in der Mitte unter Wimpergenbaldachin eine Holzplastik der
Marienkrönung und beiderseits davon stehende Heiligenfiguren; H.= 60;
alle Figuren sind polychromiert. Den Fußfries bilden durchbrochene
Rundmedaillons mit weiblichen Heiligen in der Mitte und mit Propheten
an den Seiten (über den Altar handelt Habicht in H. G. 1913, S. 262 ff.
Vgl. ferner Katalog der Kunstsammlungen im Provinzialmuseum I,
Nr. 174).
docke Eine Klosterglocke wird von Grupen (Orig. S. 376) genannt zum
Jahre 1394.
Geräte, Stoffe Ein Verzeichnis der Geräte und Gewänder, die 1534 in der Sakristei
der Minoritenkirche sich vorfanden, ist im Stadtarchive (Akten 14, 18a;
im Auszug abgedruckt bei Habicht, H. G. 1913,
S. 284). '
Grabmäier Die Familien v. Roden und v. Idensen
hatten ihre Grabstätten im Kloster, doch sind
ihre Grabmale nicht erhalten.
Abb. iio Grabplatte des Dietrich v. Rinteln, f 1321,
Sandstein, in der Schloßkirche aufgestellt,
H. = 180, Br. = 93. Auf der rechteckigen
Platte ist der Verstorbene in Umrißzeichnung
entblößten Hauptes mit langem Gewand,
Mantel und Schild dargestellt. Umschrift in
Majuskeln: + ANNO • DNI • M • CCC XXI • IN •
CATHEDRA • S[AN]C[T]I -PETRI-AP[OSTO]LI •
THIDERICVS • DE • RINTELEN • ORATE • PRO •
EO + (Vgl. Mith., Arch. S. 11).
Marienbild Über die Stiftung eines goldenen Szepters
und einer goldenen Spange für das Marienbild
im Jahre 1395 s. E. Büttner, Urk. 90; Kultur-
bilder aus dem mittelalterlichen Hannover,
Hnvr. 1926.
Abb. 140. Hannover; Minoriten-
kloster, Grabplatte des Dietrich von
Rintelen, f 1321. Nach Holzschnitt
in Mithoffs Archiv, S. 11.
Siegel Der ebengenannten Urkunde ist das Siegel
des Guardians und das des Klosters angehängt.
Das letzte, abgebildet bei Habicht (Stätten d. Kult., Abb. 13), enthält
eine Darstellung der Flucht nach Ägypten. Habicht datiert es um 1310.
220
Loccumer Hof
Loccumer Hof.
Das Loccumer Zisterzienserkloster hatte bereits 1279 in der Stadt
am Hokenmarkte Hausbesitz in Gestalt von zwei Buden erworben und
besaß 1293 einen Hof in der Osterstraße, der in erster Linie
Wirtschaftszwecken, dabei vor allem dem Absätze der Getreideernte
dienen sollte. Diesen Besitz erweiterte das Kloster 1299 durch den
Ankauf des dem angesehenen Bürger Hans Bernhard Haverbecker
gehörigen Grundstückes an der Osterstraße. Aus der früheren
Geschichte des Klosterhofes erfahren wir ferner, daß das Kloster sich
1320 (U. B. Nr. 136) verpflichtete, die Stadtmauer an seinem Hofe selbst zu
bauen; es ist dieser Verpflichtung vor 1337 nachgekommen. Im 15. Jahr-
hundert mußte wegen wirtschaftlicher Nöte des Klosters der Hof an die
Patrizierfamilie der Berkhusen verpfändet werden. 1563 gestanden Abt
und Konvent dem Bäte der Stadt Hannover das noch heute in Anspruch
genommene Näherkaufsrecht zu: der Hof darf ohne Vorwissen des Bates
nicht verkauft werden. Im 30jährigen Kriege war der Hof Zuflucht für
die Loccumer evangelischen Konventualen, als das Kloster infolge des
Bestitutionsediktes vorübergehend mit einem katholischen Zisterzien-
serkonvent besetzt war. Unter dem Abte Molanus (geb. 1633, f 1722)
war der Hof Sammelplatz der gelehrten Welt; Leibniz ging hier ein und
aus, und Molanus pflog hier die Unionsverhandlungen mit Bossuet und
Spinola. Über der Tür seiner Bibliothek soll gestanden haben: Fructus
sanctus coelibatus (W. Uhlhorn in Halbmonatsschr. Niedersachsen,
Jahrg. 1912/13, S. 362; Schultzen, Gesch. des Klosters Loccum, Hanno-
ver 1913, S. 144 f.).
Auf die in der genannten Urkunde von 1320 erteilte Erlaubnis hin baugeschichte
baute der Konvent ein 60 Fuß langes Haus auf dem Klosterhofe, das
mit seiner Bückseite unten an den Wächtergang grenzte, während es
oben auf die Mauer selbst gelegt war. Dieses, nach dem vorher Gesagten
vor 1337 entstandene Gebäude ist bis 1832 äußerlich unverändert ge-
blieben. Es war das Absteigehaus der Mönche und diente seit unbekannter
Zeit als Abtswohnung. In seinem Kellergeschoß, etwa 1 y» m unter der
Erdbodenhöhe, befand sich ein gewölbter Baum, angeblich eine Kapelle,
wahrscheinlicher die Kemenate des Klosterhofes, von dessen Gewölben
noch flachgekehlte Bippenstücke erhalten sind. Als Kapelle wurde in
spätgotischer Zeit ein Anbau hergestellt, den Bedecker abbildet (H. G. Abb. ui
1907, S. 66); der ältere, angebliche Kapellenraum ist 1735 als Küche ein-
gerichtet worden. Die gleiche Zeichnung Bedeckers zeigt das Abtshaus
mit einem aus der südlichen Giebelwand in halbem Achteck heraussprin-
genden Erker; die Skizze deutet an der Hofseite bleigefaßte Glasfenster
an. Das Innere war nach der im Kloster aufbewahrten Chronik (S. 172)
221
Klöster und Ablader Geistlicher Orden
Abb. 141. Hannover; Loccumer Hof, die erste Kapelle und Abtshaus.
Nach Redeckers lavierter Zeichnung in Strichzeichnung umgesetzt. H. G. 1907, S. 66,
toSihntte.
Abb. 142. Hannover; Loccumer Hof, die älteren Gebäude an der Ostseite.
Nach Redecker umgezeichnet. H. G. 1907, S. 07.
(Druckstücke zu 141 und 142 H. G.)
222
Loccumer Hof
des Abtes Stracke (1600 — 29) schon vielfach verändert. Im Jahre
1832 hat dann Laves das Abtshaus innen und außen völlig umgebaut,
die südliche Giebelwand abgebrochen und das Gebäude an dieser Stelle
um etwa 6 in verlängert. Im Obergeschoß verschmälerte er die Westwand
von 1 m auf 0,50 m. Ein Vestibül und die Treppe zum Obergeschoß
wurden neu angelegt und in die Stadtmauer Tür und Fenster gebrochen.
Der Wächtergang war bereits früher in das Gebäude einbezogen. Den
aus dem 15. Jahrhundert stammenden Stadtmauerturm an der Nordost- Abb. 14, Seite 5i
ecke des Abtshauses paßte Laves durch Putzüberzug der Außenarchi-
tektur des Hauses an. Eine auf dem abschüssigen Boden zwischen Mauer
und Stadtgraben 1735 geschaffenen Gartenterrasse von 17 Fuß Breite
und 170 Fuß Länge wurde zum Vorgarten umgestaltet.
Die übrigen Baulichkeiten des Klosterhofes beschreibt der Abt Ebel
(geb. 1696, t 1770) in seinem Tagebuche von 1732. (Klosterarchiv zu
Loccum). Dazu läßt sich an Hand von Bedeckers etwa gleichzeitigen
Skizzen (a. a. O., S. 67 ff.) das Bild der Anlage verdeutlichen. Nach der Abb. 142
Osterstraße hin war der Hof in ganzer Breite durch Bauten abgeschlossen.
Von der Südgrenze des Grundstückes an folgte auf ein kleines, 15 Fuß
breites und zweigeschossiges Fachwerkhaus, das 1611 als Wohnung des
Kornschreibers erbaut war, ein langgestrecktes, eingeschossiges Gebäude
von 85 Fuß Länge bei 36 Fuß Breite, von dem anscheinend ein Teil aus
Bruchsteinen, ein anderer aus Ziegeln erbaut war. Es hatte drei Türen
nach der Osterstraße und an Hof- und Straßenseite viele teils zugemauerte,
teils später durchgebrochene Fenster und scheint das älteste Haus auf dem
Hofe gewesen zu sein. Der Dachraum enthielt zwei Kornböden. Unmittel-
bar daran stieß nordwärts ein zweigeschossiges Fachwerkhaus, das die
Hofdurchfahrt hart neben dem vorhergenannten Speichergebäude über-
baute. Im Obergeschoß hatte es bleigefaßte Fenster. Diese drei Gebäude
wurden unter dem Abte Ebel abgebrochen.
Auf dem Hofe standen Wagenremisen, Stallungen und ein offener
Brunnen mit Winde. Vom Abtshause erstreckte sich westlich in den
Hof hinein ein etwa 8 m langer zweigeschossiger Flügelanbau, der 1704
vom Abte Molan geschaffen oder durch Umbau der obenerwähnten
spätgotischen, nur eingeschossigen Kapelle hergerichtet war. Dieser
Flügel enthielt im ersten Geschoß einen dreifensterigen Saal und einen
Gang an der Südfront. Einen ebensolchen Gang an der Nordfront des
Erdgeschosses verlegte Laves 1832 an die Südfront. Noch zwei niedrige
Fachwerkbauten stießen an die Westseite des Molanschen Flügels. Abt
Ebel riß 1733 diese kleinen Anbauten ab und baute 1734 einen neuen
zweigeschossigen Flügel, der mit dem Molanschen verbunden wurde
und einen eigenen Hausflur mit breiter Treppe erhielt*).
*) Nach Fr. Schultzen, a. a. O., S. 145, hat Ebel die Risse und Anschläge
meist selbst gefertigt.
223
Klöster und Ablager Geistlicher Orden
Abb. 143 Weitere Abbruche und Neubauten Ebels, die das mittelalterliche Ge-
präge des Klosterhofes im wesentlichen ausgemerzt haben, folgten: 1736
brach er das Fachwerkgebäude an der Osterstraße mit der Durchfahrt
ab, 1735 war schon die kleine Kornschreiberwohnung ersetzt durch ein
massives Haus, welches Kutscher- und Zensitenstube enthielt; 1736
entstand die noch erhaltene Abschlußmauer mit Torweg. 1737 erbaute
Ebel symmetrisch zu diesem Torweg ein dem Kutscher- und Zensitenhause
entsprechendes Gebäude, das vom Hofinneren zugänglich war: es enthielt
einen vierfensterigen Gartensaal mit Flügeltür; der Tür gegenüber befand
sich ein Rokokokamin, der Fußboden war mit Steinplatten belegt. In
zwei weiteren Erdgeschoßzimmern nach der Osterstraße hin waren Dehler
Öfen in Blau und Weiß aufgestellt. 1739 wurde der Hof gepflastert und
Plattensteige im Garten verlegt. In dem steinernen, teilweise von Mo-
lanus stammenden Hause wurde der Saal völlig wiederhergestellt. 1746
baute Ebel hart an der Südgrenze des Hofes ein großes Wirtschaftsgebäude
aus Fachwerk, 96 Fuß lang, 10 Fuß breit, als Pferdestall für die Zen-
siten*). Dieses Gebäude ist in den 1890er Jahren zugleich mit dem
Gartensaalhause an der Osterstraße abgebrochen.
*) Zensiten, die zur Abgabe eines Zensus Pflichtigen Bauern der Umgegend.
Abb. 113. Hannover; Loccuiihm- Hof, Hofansicht mit Abtswohnung. Phot. 1895.
224
Marienröder Hof
Marienröder Hof.
Das Zisterzienserkloster zu Betzingerode hei Hildesheim, das sich
später Marienrode nannte, erwarh - nach Franziscus Borsums Chronik
von Hannover schon um 1250 - - ein Grundstück an der Köbelingerstraße
beim Knappenort zur Niederlassung, über das 1297 Vereinbarungen mit
der Stadt getroffen wurden. Diese erweiterte es 1308 um das Grund-
stück des Conrad Tedweghinge (U. B. Nr. 93), wobei es für den zum
Wächtergange abgetretenen Baum von gewissen städtischen Abgaben
befreit wurde.
Auf seinem Grundbesitz baute das Kloster im Jahre 1439 mit Ge-
nehmigung des Bischofs Albert von Minden und unter Zustimmung
des Plebanus von St. Ägidien eine dem hl. Philippus und Jakobus geweihte
Kapelle unmittelbar an der Köbelingerstraße. Auf Bedeckers Abbildung
des Marienröder Hofes um 1720 (Chrom, S. 222, und H. G. 1907, S. 73)
ist sie das Mittelstück. Die Gesamtanlage der Marienröder Niederlassung
versucht Bedecker auf einer zweiten Zeichnung darzustellen; sie entspricht
nur ungefähr der Wirklichkeit. Eine genaue Beschreibung des Marienröder
Hofes enthält das Corpus bonorum von 1720 (H. G. 1906, S. 236 ff.).
Es wird da gesagt, daß der Hof im Jahre 1610 durch Kauf Eigentum
des Bates geworden sei. Die Zubehörungen bestanden aus Vordergebäude,
Wohnhaus, altem Seitengebäude, Zehntscheuer, Stallgebäude, Schweine-
koven, Hof und Garten. Die „aus Stein" erbaute Kapelle, durch eine
Seitentür eines gewölbten Durchganges von der Straße aus zugänglich,
war nach der Beformation aufgegeben. Der Baum diente 1720 zur Auf-
bewahrung von städtischer Artilleriemunition; auch standen darin einige
der Stadt gehörige Handmühlen. Das Obergeschoß und der Dachboden
dienten als Torf- und Kornlager.
Das Wohngebäude schied Hof und Garten und erstreckte sich längs
der nordwestlichen Hofseite bis zum Stadtmauerturm, der heute auf
dem Grundstück der Kunstgewerbeschule noch besteht. Es enthielt im
Erdgeschoß -- wie es scheint -- eine Längsdiele, von der aus verschiedene
Gemächer zu beiden Seiten zugänglich waren. Unter diesen ist gartenwärts
ein Audienzgemach mit Kamin besonders zu nennen. Am nordwestlichen
Kopfende des Wohngebäudes lag ein Gemach, dessen Fenster durch die
Stadtmauer gebrochen waren.
Die vorhergenannten Wirtschaftsgebäude umgaben die beiden übrigen
Seiten des Hofes. Der recht große Garten war nördlich begrenzt von
mehreren der zum Marienröder Hof gehörigen Buden.
Die Baulichkeiten der eigentlichen klösterlichen Niederlassung wurden
schon im 1<S. Jahrhundert abgebrochen. Das Grundstück ist 1818 auf-
geteilt worden.
15 225
Klöster und Ablagcr Geistlicher Orden
Marienseer Hof.
Unter den großen klösterlichen Wirtschaftshöfen in Hannover zählt
als dritter der Hof des Klosters Mariensee, zu dem ein großes Geländestück
zwischen der Marstallstraße und der Kreuzkirche gehörte, das wahrschein-
lich auch die nachmalige Wedeme dieser Kirche umfaßte. Der Hof ist
später aufgeteilt worden. Das Schoßregister gibt für das Grundstück Nr. 32
der Marstallstraße im 14. Jahrhundert an, daß es mit der Domus des
Propstes to Mergenze und drei Buden bestanden war. (Über einen Rechts-
streit um rückständigen Schoß zwischen dem Rat und dem Kloster
s. H. G. 1918, S. 338.)
Von der Anlage des Klosterhofes sind nähere Nachrichten nicht über-
liefert. Es bestand auf dem Grundstück ein Gebäude unbekannten Zweckes,
das ein einer Kemenate ähnliches Erdgeschoß enthielt und 1898 ab-
gebrochen worden ist (Abb. Stadtarch.).
Barsinghäuser Hof und Marienwerder Hof an der Burgstraße.
Die beiden Niederlassungen der Klöster zu Barsinghausen und zu
Marienwerder lagen nebeneinander auf dem später als Burgstraße Nr. 23
gezählten Grundstück. Daß die Barsinghäuser Nonnen schon vor 1357
ein Haus in der Burgstraße besaßen, geht aus einer Urkunde dieses Jahres
hervor (U. B. Nr. 363), nach der es damals auf Rückkauf in andere Hände
verkauft war. Zu nämlicher Zeit bestand aber auch bereits ein Konvents-
haus der Marienwerder Nonnen nebenan. Redecker (Chron., S. 351) setzt
die Bebauung des Marienwerder Giundstückes dagegen erst um 1450.
Auf dem Marienwerder Hofe an der Burg- und Eckstraße wurde,
nachdem -- wie Sälfeld schreibt --- die. Klostergebäude eingestürzt waren,
1620 für den Amtmann des Klosters, Joachim Schultz, ein Haus durch den
Meister Hans Behnsen gebaut, das 1733 in den Besitz des Landesherrn
überging und zuerst als Hofpredigerwohnung, seit 1791 als Hofschule
diente. Es ist 1889 abgebrochen (Beschreibung s. unter Bürgerhäuser,
Burgstraße 23). Der ehemalige Barsinghäuser Hof gehörte zu diesem
Hause als Garten.
Augustiner- Hof.
Die Augustiner von Herford erwarben 1331 oder kurz vorher von der
Witwe Ludolfs von Dornde das unter Nr. 4 bezeichnete Grundstück an
der „Reselerstraße". Das heute an der Straße belegene Wohnhaus weist
in einem Teile des Keller- und Erdgeschosses Haustein- und Ziegelmauer-
226
Beginenhaus
werk auf, das dem 15. Jahrhundert angehören könnte. Im Hofe besteht
ein Brunnen, angeblich mit unterirdischem Gange.
Infolge der Reformation kam das Grundstück in den Besitz des Rates,
der es 1539 an Luleff von Klencke verkaufte. Im 17. Jahrhundert gehörte
es dem Kammerherrn von Reden.
Karmeliter- Haus, Osterstraße 40.
Wann die „Witten Patres" von Marienau ihr Ablager in der Osterstraße
errichtet haben, ist ungewiß. Ihr Haus wird urkundlich schon 1328
(U. B. Nr. 159) erwähnt. Als die Karmeliter nach der Reformation die Stadt
geräumt hatten, wurde das Haus Eigentum des Rates, der es 1538 an
Meister Hans Junge verlieh.
Peweler Hof.
Die Hildesheimer Paulini-Prediger-Mönche besaßen bereits sehr früh
ein Ablager an der Köbelingerstraße. Auf einem Hofraume, von dem ein
Teil ihnen überlassen war, hatten sie 1302 ein Dormitorium erbaut (U.B.83).
Wahrscheinlich ist das hier in Frage kommende Grundstück eben der
spätere Peweler Hof. Das Haus auf diesem Hofe war dem Orden vor 1318
von Ludolf Ducus geschenkt worden. In jenem Jahre bekannten sich die
Mönche zu allen bürgerlichen Hauslasten und verpflichteten sich, auf dem
Grundstücke keine Kapelle zu erbauen (U. B. Nr. 133; Grupen, S. 328 ff.).
Nach der Reformation traten die Mönche im Jahre 1536 Hof und Haus
an den Rat ab, der es 1576 neu bebaute. Das Grundstück wurde 1720
Physikatshof : 1740 war das daraufstehende Haus Syndikatshaus; es
wurde dann von der Gräfin Yarmouth und später von der Freimaurerloge
Friedrich Zum Weißen Pferde erworben und ist 1871 abgebrochen.
Beginenhaus.
Die halb geistlichen und halb weltlichen Konvente der Beginen können
nicht als Klöster im eigentlichen Sinne bezeichnet werden, wie auch die
Beginen keine Nonnen waren. Die Gründung des Ordens geht angeblich
zurück auf einen Priester Lambert le Begues (= der Stotterer), der zu
Ende des 12. Jahrhunderts lebte und in seinem Garten bei Lüttich einzelne
Häuser errichtet hatte, welche er an weibliche Personen abgab unter der
Bedingung, daß sie den Umgang mit Männern mieden. Den Frauen und
227
Klöster und Ablager Geistlicher Orden
Mädchen war neben der Pflege geistlichen Lebens die Aufgabe gestellt,
sich der Liebestätigkeit zu widmen unter Inanspruchnahme kirchlicher
milder Gaben. Zugleich sollten sie streben, durch ihrer Hände Arbeit die
eigene soziale Lage zu verbessern. Nach ihrem Stifter, der durch den
Papst Urban III. Bestätigung als Patriarch der Beginen gefunden hatte,
nannten sie sich Beginen.
Der Lütticher Beginenhof wurde auch seiner Anlage nach zum Vorbilde
für die schon im 13. Jahrhundert zahlreich in Nordwestdeutschland ent-
standenen Höfe des Ordens. In Hannover war er im 13. Jahrhundert
längst heimisch. Auch hier wohnten anfangs die frommen Schwestern in
verschiedenen Häusern, bezogen dann aber ein gemeinsames Haus, das
sich im Jahre 1357 samt einem Baumgarten zuerst erwähnt findet (U.B.370).
Das Beginenhaus lag, durch Hof und Garten von den Häusern der
Schuhstraße und des Holzmarktes getrennt, auf einem Grundstuck an
der Pferdestraße, das im Schoßregister als L. 206 bezeichnet wird. Die
Westgrenze des Grundstückes bildete nach einer Übereinkunft zwischen
dem Bat und den Beginen ein Zaun längs des Wächterganges vor der
Stadtmauer an der Leine, also längs des heutigen Klosterganges bis zum
Beginenturm, der wohl die Nordwestecke des Grundstückes bezeichnete.
Hartmann bringt verschiedenen Ortes über die Gebäude auf dem Grund-
stück nähere Angaben, deren Quelle nicht nachzuprüfen ist.
Nach der Beformation stellten die Beginen 1534 mit der Stadt einen
Bezeß auf, demgemäß sie das Klostergewand änderten, die dritte Franzis-
kanerregel fallen ließen und ihr Ordensgebäude samt dem schuh-
straßenwärts dahintergelegenen Hofe dem Bäte einräumten. Dieser
verlegte in das Haus den Batsmarstall, der bis dahin an der Kreuzstraße
bestanden hatte.
Ein anderes Gebäude, das gegenüber dem Beginenturm lag, wahrschein-
lich eben das alte Beginenhaus, wurde 1647 nach dem Eingehen der Schule
auf dem Minoritengrundstück als Schreibschule benutzt. Bedecker gibt
(Chrom, S. 623; H. G. 1906, S. 112) eine Abbildung des teilweise noch
gotischen Gebäudes mit dem Durchweg zum Klostergange und einer
spitzbogigen Tür an der einen Giebelseite. Wie er sagt, war aber dieses
Haus 1580 erbaut; er beschreibt den Zustand, den es als Schreib-
schule hatte.
228
Stifter.
Die Heilige-Geist-Spitäler bedeuten den Höhepunkt der mittel-
alterlichen Liebestätigkeit und ihr Auftreten bezeichnet den Übergang
derselben aus der Pflege der Klöster in die von Laien. Das älteste Heilige-
Geist-Hospital ist 1216 zu Soest gestiftet worden; weitere entstanden im
Verlauf des 13. Jahrhunderts in schneller Folge in Nordwestdeutschland,
darunter 1256 das Heilige-Geist-Hospital in Hannover.
Aus den Kreuzzügen ging die Stiftung der sogenannten Spitalorden
hervor, zu denen außer den Hospitalitern des hl. Antonius besonders
die geistlichen Ritterorden, namentlich der Johanniter- und Deutsch-
orden, gehörten; sie nahmen auch Laien, fratres conversi, zum Dienst an.
Mit jedem Kloster dieser Orden war fortan ein Hospital verbunden, in
dem die Pflege geeigneten Laienbrüdern oblag. Gegen Ende des 12. Jahr-
hunderts wurde die Pflege auch von bürgerlichen Spitalorden aufgenommen,
deren Begründer Papst Innocenz III. war. Dieser bestätigte 1198 den
von Guido von Montpellier um 1190 zu Rom in dem erneuerten Hospitale
St. Spiritus in Sania gestifteten Orden der Hospitalbrüder, nach dessen
Muster bald in anderen Städten ähnliche Vereine unter dem Namen
,, Hospitalbrüder vom Heiligen Geist" gestiftet wurden. Solche Spitäler
dienten zur Aufnahme von Schwachen und Siechen jeder Art. Allmählich
wurden daraus ,, Pfründenhäuser", in die man sich aufnehmen lassen
oder einkaufen konnte zur Versorgung im Alter.
Die Bauart derartiger Häuser war so, daß alle von ihren Zimmern,
die Kranken von ihren Betten aus, dem Gottesdienste beiwohnen konnten.
Die Verwaltungen der Städte suchten nun, je ausgedehnter die Wirk-
samkeit der Spitäler wurde, um so mehr Einfluß auf sie zu gewinnen.
Mit dem 14. Jahrhundert gingen die meisten Spitäler an die Kommunen
über. An Stelle der magistri und magistrae aus geistlichen Orden trat
ein Hofmeister und eine Laienverwaltung.
229
Stifter
Hospital St. Spiritus
(abgebrochen 1894)
und Heilige-Geist-Kirche, spätere Garnisonkirche
(abgebrochen 1 875).
Hospital Um den armen Stadtfremden, Blinden, Tauben, Siechen und Hilfs-
Geschichte bedürftigen jeder Art eine Stätte zu schaffen, ein Bedürfnis, das mit dem
Anwachsen der Städte im 13. Jahrhundert und dem zunehmenden Verkehr
allenthalben einherging, forderte im Jahre 1256 der Bischof Wedekind
von Minden zu Spenden für die Erbauung eines Hauses auf - - domum
que hospitalis vocatur — , wie es die hannoverschen Bürger innerhalb
ihrer Mauern zu errichten beabsichtigten. Im Frühjahr 1258 ist das
Hospital bereits im Bau begriffen (U. B. Nr. 19, 20, 21)*). Die Vervoll-
kommnung der Anstalt und ihr weiterer Ausbau scheint erst 1302 einen
gewissen Abschluß erreicht zu haben, der den Rat veranlaßte, die Be-
dingungen zur Aufnahme in das Hospital aufzustellen. Das Patronat
an dem Stifte war kurz vorher, 1296, durch Schenkung aus der Hand
des Landesherrn, Ottos des Strengen, an die Stadt übergegangen.
Die zahlreichen, das Heilige-Geist-Hospital betreffenden Urkunden bis
über die Mitte des 14. Jahrhunderts hinaus lehren, wie der Grundstock
seines Vermögens durch Ablässe, Sammlungen und Schenkungen sich
bildete, der es schließlich zur reichsten Stiftung der Stadt machte.
Während nach dem Beschluß vom Jahre 1302 insbesondere Kranke
und Sieche, die „weder gehen noch stehen" konnten, bis zu ihrer Genesung
Aufnahme und Pflege im Hospital finden sollten, erweiterte der Rat bald
darauf seine Bestimmungen, indem er gewisse Proebenden oder „Pröven"
für arme Menschen auf Lebenszeit schuf. 1323 errichtete der Rat ein Statut,
wonach auch verarmten Ratsverwandten freistehen sollte, sich eine Pröve
im Hl. Geiste auszubitten. Dieselbe Vergünstigung wurde 1432 den rei-
tenden und gehenden Knechten der Stadt bewilligt. Die Pröven wurden
gegen Geld oder Vermächtnis oder auch um Gottes willen vergeben.
Ihre Zahl konnte 1402 erweitert werden. Seit 1745, in welchem Jahre das
Hauptgebäude des Hospitales neu errichtet wurde, betrug sie vier Fürsten-
prövener und elf Ratsprövener. Außer diesen hatten 48 Frauen in den
beiden großen Stuben Aufnahme gefunden. Ein Hofmeister übte die
Verwaltung des Hauses und Aufsicht aus; zur Behandlung der kranken
Hospitalitinnen war ein Arzt und ein Wundarzt bestimmt.
*) Der Platz der Neugründung gehörte nach Leonhardt (H. G. 1926, S. 39)
ursprünglich den Edelherren v. Depenau und war nicht landesherrlicher Grund
und Boden. Die v. Depenau beanspruchten vom Hospital einen an den Ritter
v. "Winninghausen zu Lehen gegebenen Zehnten, Ochtmund, auf den 1257 (U. B.
Nr 20) Verzicht geleistet wurde.
230
Hospital St. Spiritus
Die Gebäude des Hospitales St. Spiritus mit Kirche und Kirchhof beschreibhng
nahmen ehemals den Platz zwischen der Gabelung der Schmiede- und
Knochenhauerstraße ein, und zwar so, daß der Kirchhof als langrechteckiger
Streifen zuäußerst steintorwärts belegen war, daneben die Kirche, frei-
stehend, östlich orientiert, mit den Giebelenden von Straße zu Straße
reichend, und daran südwärts angeschlossen, um einen Hof herum, das
eigentliche Hospital. Die Kirche wurde 1875 abgebrochen; das Hospital
1894, nach der Verlegung des Stiftes in die Nähe des Bischofsholer Dammes
auf die Bult.
Über die Anlage des Stiftes aus allerfrühester Zeit erhalten wir keinerlei
Nachricht. Wohl aber ist das Aussehen der Gebäude um 1730 durch Abb. 144 und 145
Redeckers Zeichnungen vermittelt. Seine schriftlichen Bemerkungen
geben zudem Anhalt genug, um die Gesamtanlage, wie sie damals war,
zu erkennen. Die von Redecker abgebildeten, aus der Zeit vor 1730
stammenden Hauptgebäude sind spätgotisch. An der Knochenhauerstraße
lag ein langgestreckter, in zwei Geschossen massiver Putzbau mit auf-
gesetztem Fachwerkgeschoß, bei dem einzelne Gefache offen waren.
Das Erdgeschoß hatte eine breite spitzbogige Mitteldurchfahrt, die
Lichtöffnungen waren vielleicht Kreuzpfostenfenster (,,des Hl. Geistes
Torweg", wo wohl der Hofmeister wohnte). Der Zweck dieses Gebäudes
ist nicht näher bezeichnet. Nach der Kirche zu stoßen daran drei Rürger-
häuser aus Fachwerk, die also nicht zu den frommen Zwecken des Hospi-
tales als solchem bestimmt waren. Auch an der Südseite des Hofes haben
eine ganze Anzahl von Wohnungen gelegen, die nicht im engeren Sinne
zum Stifte gehörten. An der Schmiedestraße endlich lag das Haupt-
wohngebäude, dessen langrechteckiger Grundriß durch zwei sich kreuzende
Mittelgänge aufgeteilt war. Es war ein Ziegelbau von zwei Stockwerken
mit spitzbogigen Maßwerkfenstern und spitzbogigem Mitteleingang.
Abb. 144. Hannover; Kirche und Hospital St. Spiritus an der Schmiedestraße.
Nach Uedecker, Chron. S. 150, umgezeichnet.
231
Stifter
über das Dachsims hinaus erhoben sich drei Lisenenerker, ähnlich denen
des Rathauses. Auf dem Hofe befanden sich ein Brauhaus, ein Stall und
der Hofbrunnen.
Das Hauptgebäude an der Schmiedestraße ist 1745 neu aufgebaut
Abb. i4t; worden und hat in der Fassung, die es damals erhielt, bis 1894 bestanden.
Es war ein dreigeschossiger Putzbau von insgesamt elf Achsen. Mittel-
Abb. 145. Hannover; Kirche und Hospital St. Spiritus von der Knochenhauerstraße aus.
Nach Rodecker, Chron. S. 163, umgezeichnet.
risalit von drei Achsen. Inmitten lag ein rechteckiger Lichthof. Das
Portal (Gebälk mit Segmentabschluß) trug im Bogenfelde die Inschrift:
HOSPITALE S. SPIRITVS
A. R. S. MCCLVI AEDIFICARI
COEPTVM
DE NOVO CONSTRVENDVM CVRAVIT
SENATVS
COSS. C. V. GRVPEN ET A. I. BVSMANN
PROVISORE
H. E. HANSING
ANNO MDCCXLV.
heilige- Die vorhandenen Urkunden übergehen die Entstehung der mit dem
geist-kirche Heilige-Geist-Hospital verbundenen Kirche. Bei der Abzweigung der
Geschichte .
Heilige-Geist-Gemeinde aus der Marktkirchenparochie im Jahre 1284
(s. darüber die Geschichte der Kreuzkirche) bestand die Kirche wahr-
scheinlich schon; sie ist schwerlich erst aus diesem besonderen Anlaß
erbaut. Das Patronatsrecht ging, wie erwähnt, 1296 vom Herzog an die
Stadt über. Nachdem 1333 die Kreuzkirche vollendet war, wurde die
Heilige-Geist-Pfarre auf sie übertragen, so daß die alte Kirche den Hospi-
tanten zur Ausübung des Gottesdienstes allein verblieb, für den nach dem
232
Heilige- Geist-Kirche
Willen des Bischofs von Minden ein Altar wenigstens in der Kirche belassen
werden sollte, während die übrige Ausstattung zumeist in das neue Gottes-
haus hinübergeschafft werden durfte. Späterhin scheinen noch zwei Altäre
hinzugestiftet worden zu sein, einer für den hl. .Johannes den Täufer und
einer für St. Bartholomäus.
Die Erhebung der Stadt zur Herzoglichen Residenz und damit das
Einrücken einer Garnison in Hannover hatte zur Eolge, daß die Kirche
für den Gottesdienst des Militärs in Gebrauch genommen wurde, wie
Landersheimer auf Plan IV seines Kartenwerkes vermerkt, seit 1656
(s. auch Redecker, S. 661). Im Jahre 1730 oder 1731, nachdem die Kirche
neu ausgebaut und ausgestattet war, wurde sie förmlich zur Garnison-
kirche eingeweiht, doch blieb immer das Hospital im Mitbesitz des Gottes-
hauses.
Redeckers Handzeichnungen (a. a. 0.) stellen die alte Kirche als lang- Beschreibung
rechteckiges Gebäude mit Kalkputz dar; das eine Giebelende reichte bis
hart an die Knochenhauerstraße, das andere an der Schmiedestraße war
überhöht von einem vierseitigen Dachreiter mit kupfergedecktem Pyra-
midendach. Die Lichtöffnungen zeichnet Redecker als hohe, einfach
gebildete, spitzbogige und mit Maßwerk versehene Fenster. Das so
beschaffene Kirchengebäude ist um 1730/31 verändert worden, doch offen-
bar nicht so vollständig, wie Landersheimer in einer Beischrift zum Plan I
seines Kartenwerkes (s. darüber Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen, 1897,
S. 9) angibt. Es heißt dort, die Kirche sei infolge der Erhöhung der Straße
um fast drei Fuß tiefer zu liegen gekommen; man habe deshalb, und weil
der Kirche die Lichtzufuhr verbaut gewesen sei, „solche 1731 bis auf das
alte Fundament niedergerissen und auf besagtem alten Grund aufs neue
aufgemauert, erhöhet und mit mehreren Fenstern, neuem Chor, Kanzel,
Borkirchen (Emporen) und Stühlen inwendig versehen, im selbigen Jahre
noch wieder gebaut". Mithoff (Kdm. S. 76) wenigstens hat die Südwand
nach dem Hospitale hin noch als alt feststellen können und hier ein zu-
gesetztes Maßwerkfenster und eine Spitzbogentür gesehen. Bei der
Veränderung von 1730 scheint der Dachreiter nicht wieder aufgesetzt
worden zu sein.
Zur Zeit der westfälischen Regierung stand die St. Spirituskirche
unbenutzt; sie wurde erst 1819 ihrer Bestimmung zurückgegeben und
ausgeschmückt mit den Fahnen der deutsch-englischen Legion, zu denen
die der Waterlookämpfer noch hinzukamen.
Da nach 1866 die Schloßkirche als Garnisonkirche in Gebrauch ge-
nommen wurde, so verödete die alte St. Spirituskirche als gottesdienstliche
Stätte und diente schließlich nur noch einigen obdachlosen Familien als
vorläufiger Unterschlupf. Die städtischen Kollegien beschlossen am
16. Juni 1869, sie auf Abbruch zu verkaufen.
233
Stifter
In der Gestalt, die dem Gebäude 1730/31 gegeben wurde, ist es bis
zum Abbruch im Jahre 1875 erhalten geblieben. An seiner Stelle und
der des Kirchhofes erbaute man dann massive Geschäftshäuser.
Ausstattung Der bis 1870 vorhandene Kanzelaltar (Abb. im Stadtarch., Mappe VI,
Abb. u, ßj 3^ etwa um 1730 zu datieren, trat aus einer hölzernen Schalwand mit
234
Heilige- Geist-Kirche
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235
Stifter
zwei gleichhohen Geschossen hervor: Häuptgeschoß mit übereckgestellten
korinthischen Doppelsäulen beiderseits der Mensa und entsprechend ver-
knüpftem Gebälk mit Vasenbekrönung. Das Obergeschoß hatte korin-
thische Pilaslervorlagen und eine Schnörkelbekrönung mit Überhöhungen
durch einen Baldachin und einen Christus mit der Siegesfahne an-
scheinend plastisch. Die Kanzel war in Fünfachtelform zwischen den Ge-
schossen herausgebaut, ohne architektonischen Zusammenhang. Am
Vorderfelde der Brüstung das königlich-kurfürstliche Wappen. Farb-
gebung anscheinend Weiß mit Gold.
Von einer älteren Kanzel berichtet Redecker (Chron., S. 755): sie sei
1651 gebaut; „um selbige stund geschrieben: Märten v. Änderten, Catha-
rina Bruns. Johannes Farver. Anno Christi 1651".
Eine hölzerne Kelchtaufe mit Deckel im Louis XVI. -Geschmack, jetzt
im Vaterländischen Museum, Hannover.
Die Altargeräte: Kelch, Kanne, Oblatendose und -teller, alles 1786
gestiftet, befinden sich ebenfalls im Vaterländischen Museum,
c.rabmäier Nach Mithoff, Kdm. S. 76, bezeichnete ein Stein vor dem Altare die
seit 1740 erbliche Ruhestätte der Familie von Uten. An der nördlichen
Seitenwand des Gotteshauses hing das hölzerne, durch Wurmfraß be-
schädigte Epitaphium des Generals von Swaan, gest. 1738. Auch seien
daselbst die Marmordenkmale des Feldmarschalls von Spörken*) (gest.
1776) und des Stadtkommandanten .loh. Georg von Uten (gest. 1748)
angebracht gewesen.
Abb. 148 Das von Mithoff hier erwähnte Epitaph des Feldmarschalls August
Friedrich v. Spörken ist seit dem Abbruch der Garnisonkirche in die Halle
des Engesohder Friedhofes übertragen und noch erhalten. Schuchhardt,
a. a. 0., Nr. 59, nennt es als zur Gartenkirche gehörig. Vierseitiger
Obelisk auf Inschriftsockel. An der Basis des Obelisken soldatische
Embleme.
Fahnen Die Fahnen der englisch-deutschen Legion (1803 — 16), sodann die-
jenigen aus dem Kriege 1813 — 15 und schließlich britische Standarten,
im ganzen 31 Feldzeichen, wurden beim Abbruche der Garnisonkirche in
die Marktkirche gebracht und werden heute im Vaterländischen Museum
aufbewahrt. (Über die Fahnen s. Peßler in H. G. 1923, S. 17 ff.)
Nicolaihospital (abgebrochen 1893) und Nicolaikapelle.
hospital Das in einer Urkunde von 1325 (U. B. Nr. 151) mit dem Heilige-Geist-
Hospital gleichgeordnet genannte St. Nicolaihospital hat aller Wahrschein-
lichkeit nach seinen Ursprung in einem Leprosenheim vor dem Steintore
bei der Kapelle, die zuerst 1284 als capella leprosorum erwähnt, 1323 mit
dem Namen des Heiligen verbunden auftritt.
*) Als Naniensschreibweise gilt heute „von Spörcken".
236
Nicolaihospital
Derartige Heime sind nach Wüstefeldt (vgl. Veröfftl. des Vereins f.
Gesch. der Stadt Hann. 1897, S. 71) als Beobachtungssperren und Quaran-
täne-Anstalten gegen die Einschleppung von Krankheiten, insbesondere
der mit den Kreuzzügen aus dem Orient gekommenen Lepra aufzufassen.
Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts hat sich die Verwendung der Anstalt
derjenigen der Hospitale zum Hl. Geist angeglichen; die Bezeichnung
domus und hospitalis wechselt noch in den Urkunden. Wie die Sage die
Olim rf»i 5*afen Oraroni/m
nunc dir Schutt*
Olim gräfliche* OI'H> omfiichen
ItmtrmtisttrM Oicnrri
Wohnung \wohnunq
Wohnungen
Wohn ync,c>n.
Abb. 149. Hannover; Grund- und Aufriß des Hospitals St. Nicolai im Anfang des 18. Jahrhunderts.
H. G. 1905, S. 121. Nach Redecker, Chron. S. 61, umgezeichnet.
Stiftung des Hospitales St. Nicolai darstellt, ist bei Redecker (s. H. G. 1905,
S. 122 ff.) nachzulesen. Nach den Worten des Bischofs Wedekind von
Minden in einem Indulgenzbriefe von 1371 ist das Hospital vor langen
Jahren vom Magistrat der Stadt Hannover in honorem St. Nicolai erbaut
und bestimmt für leprosi, infirmi, debiles, patientes et languentes. Gleich
wie im St. Spiritushospitale nahm man außerdem auch Prövener auf. Die
Stiftung wurde mit Grundstücken und Einkünften dotiert, wie die Ur-
kunden dartun; nach der Reformation erhielt das Hospital die Güter der
Nicolaibrüderschaft.
Etwa seit 1732 hörte das Nicolaihospital auf, als Krankenhaus zu
dienen und wurde von da an Versorgungsanstalt für gebrechliche Frauen.
Um 1819 waren nach Spilcker (a. a. 0., S. 385) 24 solcher Frauen in einer
237
Stifter
großen Stube, der sogenannten Elenden-Herberge, untergebracht. Dazu
bewohnten 16 Prövener je eine besondere Stube und Kammer. Über die
Hausordnung war auch hier wie beim Heilige-Geist-Stift ein Hofmeister
gesetzt; die eigentliche Verwaltung lag in den Händen des Magistrates.
Beschreibung Das alte Hospital stand am Klagesmarkt, westlich der Nicolaikapelle,
mit der Front nordwärts gerichtet. Die zumeist aus später gotischer Zeit
stammenden Gebäude, deren Abbildung wir Redecker (Chron., S. 61)
verdanken, sind zugunsten eines größer angelegten Neubaues abgebrochen,
der 1728 — 30 südlich davon an der Goseriede errichtet wurde. Auch dieser
ist hinweggeräumt, als man 1893 das Stift in die Nordoststadt verlegte.
Über die Beschaffenheil der allerältesten Anlage aus dem 14. Jahr-
hundert sind wir ohne Nachrichten. In dem Zustande bis 1728, wie
Abb. Mo Redecker ihn aus eigener Anschauung beschrieben und abgebildet hat,
war am Ostende der Anlage — offenbar als ältester Bauteil — ein Ziegelbau
mit Rundbogenfenstern und einem spitzbogigen Eingang, der aber einer
Erweiterung angehörte, vorhanden. Er hatte hohe Giebel und Satteldach
und enthielt Küche, Stube und Schulzimmer. Westwärts schloß sich ein
langgestrecktes Fachwerkgebäude mit Ausbau an, durch dessen ganze
Länge ein Mittelgang ging. Hier waren die Wohnungen für den größten
Teil der Hospitanten, außerdem andere Wohngelasse und Viehställe.
Rückwärts dieser Gebäude befanden sich Gärten. Die Hofmeisterei lag
in bezug auf das Spital in südöstlicher Richtung und ist noch erhalten: ein
zweistöckiges Fachwerkgebäude von fünf Achsen, der Inschrift nach 161 1
erbaut, in dem die alte Kruggerechtsame bis heute ausgeübt wird.
Abb. löo Der Neubau von 1728/30 an der Goseriede war hufeisenförmig an-
gelegt: das zweigeschossige Hauptgebäude von elf Achsen im Hintergrunde,
und an dieses anstoßend beiderseits des Hofes eingeschossige Flügelbauten.
Die vierte Hofseite war umfriedet durch eine Hausteinmauer mit schmiede-
eisernem Gittertor. So bildet es Redecker (Chr., S. 871, auch H. G. 1905,
S. 153) ab. Die Seitenflügel sind in jüngerer Zeit verändert worden.
Im Giebeldreieck des Hauptgebäudes befand sich ein Stadtwappen. Als
Giebelbekrönung diente die Figur des hl. Nicolaus. Die Inschrift über
dem Portal lautete:
antiquissimae originis
hospitale s. nicolai
a.mcclxxxiv eccles. st. spiritvs hodie s. crvgis adscriptvm
qvod post a. mcccliv de novo constryxerat
rvinae proximvm de integro instavravit
sp:natvs a. mdccxxiix
coss. a. i. bvsman • c. v. grvpen
prov. i. 1. schwake • n. b. wolken-
haer • h. c. wühler • ii. a. kvmme.
238
Nicolaikapelle
Abb. 150. Hannover; St. Nicolaistift. Phot. 1893.
Die Inschrifttafel ist am Neubau des Hospitales Edenstraße 53 wieder
angebracht; ebenso die Figur des hl. Nicolaus und das Stadtwappen.
Grupen spricht zuerst die Meinung aus (Orig. et ant., S. 13), daß die nicolaikapelle
Begräbnisstätte bei der Nicolaikapelle sehr alt sei, weil sie von jeher den
Bewohnern des sehr alten Dorfes Herrenhausen zur Beerdigung ihrer
Toten gedient habe. Er vermutet weiter, daß die Kapelle selber ihren
Namen trage von St. Nicolaus als dem Heiligen der Wasserfahrer, deren
Stapelplatz sich ja nicht weit von da befand und will - - da die Leine-
schiffahrt alt bezeugt ist — damit sagen, daß auch das Gotteshaus wohl
sehr früh bestanden habe. Die Nicolaikapelle ist — unter der Bezeichnung
,,capella leprosorum" - 1284 zuerst urkundlich bezeugt, als sie aus dem
Verbände der Marktkirche ausschied und der neu errichteten Pfarre zu
St. Spiritus beigelegt wurde (U. B. Nr. 49). Nach Errichtung der neuen
Heilige-Geist- oder Kreuzkirche 1333 ging sie an deren Parochie über. Als
„capella sancti Nycolai" wird sie zuerst 1323 genannt (U. B. Nr. 147),
in welchem Jahre dem Johann von Steinhaus dem Älteren und seinen
Erben das Patronatsrecht über den von ihm dotierten Hochaltar zu
St. Nicolai zugesprochen wird. Kurze Zeit später - vermutlich aber
kaum vor der Erbauung der Kreuzkirche (1333) - wird die Kapelle
neu errichtet sein, von der der Chor unverändert auf unsere Tage ge-
kommen ist. Die nächste, die Kapelle betreffende Urkunde ist ein
Ablaßbrief verschiedener Bischöfe und stammt aus dem Jahre 1355
(U. B. Nr. 333). Die Urkunden der nun folgenden Jahre bekunden
239
Stifter
Dotierungen oder Schenkungen an Altäre der Kapelle und die Stiftung
eines Altares der Zehntausend Märtyrer. Ein einst weitberühmtes, wunder-
tätiges Bild des Heilandes, das während des Dreißigjährigen Krieges
verschollen zu sein scheint, war „in oratorio ante ecclesiam beati Nycolai"
aufgestellt; seinen Besuchen] wird 1369 ein Ablaß zugesagt (U. B. Nr. 460).
Abb. 151 Dieses Oratorium war auch in einer Skizze Redeckers (Chronik, S. 189)
deutlich erkennbar -- dem südlichen Bortale in der Kirchhofsmauer zur
& ■"
• **■ -- -4. -"^^M^LjS^ry, ■ WJi ll'-MMKIBr-' •■ ■ -■'^-JBI
Abb. 151, Hannover; Nicolaikapelle. Steinzeichnung, Stadtarch.,sign. r.Ecke unten : 1 15] „Wgnm. 1826 lec"
rechten Seite angelehnt und ist 1824 zugleich mit dem Bortal abgebrochen
(s. Hausmanns „Erinnerungen", S. 123). Außer bei Beerdigungsfeierlich-
keiten hat die Kapelle den Hospitaliten des Nicolaistiftes zum Gottes-
dienst gedient, später auch der 1859 gegründeten Christuskirchengemeinde
(bis 1864) und seit etwa 1880 der englischen Gemeinde Hannovers.
Wie eine Inschrift an der Westwand der Kapelle sagt, sind 1742, weil
einige Bauteile schadhaft geworden waren, auf Anordnung des Senates
Wiederherstellungsarbeiten unternommen. Der Chor ist davon jedoch
nicht berührt worden. Damals wurde auch ein Dachreiter aufgesetzt. Der
Zustand der Kapelle wurde namentlich hinsichtlich des Inneren wesentlich
geändert im Jahre 1883, nachdem sich die englische Gemeinde gegen
Gewährleistung der Benutzung auf 50 Jahre dem Magistrat gegenüber
240
Nicolaikapelle
erboten hatte, die Kosten für Erweiterung und Ausbau zu tragen. Die
Ausführung dieser Arbeiten besorgte C. W. Hase.
Abb. 152. Hannover; Nicolaikapelle, Grundriß,
Uie heutige Nicolaikapelle ist ein saalartiges Langhaus (1742) mit Beschreibung
gotischem Chor in Fünfachtelform, ans Kalkbruchstein erbaut. In die Abb. 152 und 153
Abb, 153. Hannover; Nicolaikapelle, Chorseite. Phot. 1!)05.
Umfassungsmauern des Chores sind Streben eingebunden, die von einem
unterhalb der Fensterbrüstungen verlaufenden Kaffsims umzogen werden.
1(5
241
Stiller
Abb. 154. Hannover; Altartafe) der Nicolaikapelle im Kestnermuseum. l'hot. 1931.
242
Nicolaikapelle
Die spitzbogigen Fenster haben glatte Leibungsschrägen und sind mit
Maßwerk bei einfacher Pfostenteilung versehen. Die ältere Daehdeckung
des Chores in Mönch und Nonne ist teilweise noch erhalten. Im Inneren
ist der Chor auf gekehlten Rippen gewölbt; gegen das Schiff hin öffnet er
sich in beiderseits stark eingezogenem Triumphbogen.
Das Schiff hat geputzte Umfassungsmauern; die segmentförmigen
Fenster zeigen Sandsteinumrahmungen. Die einzige Eingangstür hat
geraden Sturz und liegt in der westlichen Schmalseite; darüber ein Rund-
fenster. Das Dach ist gegen Westen gewalmt und trägt über der Lang-
hausmitte einen vierseitigen, offenen Haubendachreiter mit Wetterfahne.
Bei der Einführung der Reformation in Hannover fiel im Jahre 1532 Ausstattung
nachts ein Volkshaufe in die Kapelle ein, zerbrach die Altäre und zerschlug
die Bilder und verwüstete sogar den Kirchhof. (Uhlhorn, „Zwei Bilder aus
dem kirchlichen Leben der Stadt Hannover", S. 53.) Alte Gegenstände
der liturgischen Ausstattung der Kapelle sind heute dort nicht mehr vor-
handen. Eine Altartafel der Nicolaikapelle, die dem Hauptaltar der Abb. 154
Ägidienkirche entnommen und 1665 hier aufgestellt war (Mag. Ising nennt
in seiner Chronik dafür das Jahr 1695), wird im Kestnermuseum auf-
bewahrt; sie enthält neun auf Eichenholz gemalte Einzelbilder, zu je
dreien übereinander angeordnet:
Heimsuchung Geburt
Verkündigung
Anbetung
Einzug in Jerusalem
Habicht (H. G. 1913, S. 274/75) datiert die Tafel um ]
Darstellung im Tempel
Abendmahl
Taufe
Gethsemane
Eine Glocke, D. = 0,38, ohne Inschrift und Schmuck. Anfang des
14. Jahrhunderts.
Ein Gedächtnisbild, Öl auf Leinwand, jetzt im Windfang der Kapelle,
stellt einen Leichenzug aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts innerhalb
der landschaftlichen Szenerie vor dem Steintore dar. Man sieht im
Mittelgrunde die Steintorhomeyde mit der „Leuchte".
In die Außenwandungen der Nicolaikapelle eingelassen, finden sich Grabmäier
folgende Grabmäier:
Grabstein des Jürgen Idensen, gest. 1557, und seiner Frau Anna
von Benthe, gest. 1588. H. = 1,64, Br. = 0,83. Der Meister, Arndt
Siemerding, hat sich durch sein Zeichen signiert (Schuchhardt, a. a. 0.,
Nr. 7). Hochrechteckiger Bildteil, dessen oberer Teil von breitrechteckiger
Rollwerkkartusche mit Inschrift zugedeckt ist, auf fünfzeiligem In-
schriftsockel. Die Darstellung zeigt das Ehepaar kniend in Beterhaltung,
symmetrisch einem Kruzifixus zugewandt. Beiderseits auf dem Rande
je vier Wappen.
243
Oben links: Abb. 155. Hannover; Nicolaikapelle,
Grabplatte des Erich von Wintheim, 1561.
Oben rechts: Abb. 156. Hannover; Nicolaikapelle,
Grabstein der Anna Hake, 1578.
Unten links: Abb. 157. Hannover; Nicolaikapelle,
Grabplatte des Gevert van der Wisch, f 1591.
Unten rechts: Abb. 158. Hannover ; Nicolaikapelle,
Wandmal des Harthold Busse, t 1592.
>
Nicolaikapelle
Grabplatte des Erich Volckmer von Wintheim. Angefertigt 1561. Abb. 155
II. = 1,16, Br. = 1,02. Meistersignatur H. F. mit dazwischenstehender
Hausmarke (Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 15). Die Bilddarstellung — Adorant
rechts gewandt kniend vor einem aus der Mittelachse rechts verschobenen
Krnzifixus - - steht auf einem Schrifthintergründe. In den vier Ecken
je ein Wappen.
Grabstein des Tile Huntemann, gest. 1567, H. = 1,95, Br. = 1,00.
Meisterzeichen wie beim vorigen (Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 11). Bild-
teil in der unteren Hälfte der Platte quadratisch eingetieft. Der kniende
Beter rechtsgewandt vor einem Krnzifixus. In der oberen Hälfte ist eine
rechteckige Spruchtafel eingetieft: in den vier Ecken Rundmedaillons
mit den Evangelistensymbolen. Die Totenlegende auf dem Rande ringsum
verlaufend in Majuskeln.
Grabstein der Anna Hake. Angefertigt 1578. II. = 2,07, Br. = 1,1. Abb. 156
Meister wahrscheinlich wie beim vorigen (Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 14).
Das Bild zeigt die Adorantin rechts gewandt vor einem Kruzifixus kniend.
Unter- und oberhalb davon Inschriftkartuschen, beiderseits je vier auf-
gelegte Wappen.
Wandmal der Anna vom Hagen, gest. 1588. H. = 3,00, Br. = 1,77.
Von Schuchhardt (a. a. 0., Nr. 25) dem Meister H. N. (Hans Nottelmann)
zugeschrieben. Tafel auf Stützsockel; oberer Abschluß in giebelartiger
Volutenkartusche. Eckobelisken fehlen. Der Sockel enthält eine recht-
eckige Rollwerktafel mit der Legende in Majuskeln. Das Bild, von
Karyatiden umrahmt, die ein Gebälk mit Wappenfries tragen, zeigt,
einem in der Mitte stehenden Kruzifixus zugewandt, die weiblichen (rechts)
und die männlichen (links) Mitglieder der Familie in kniender Beter-
haltung. Die Bekrönung enthält in Bundmedaillon einen geflügelten
Engelskopf.
Grabplatte des Franz von Wintheim, gest. 1570, und der Anna Stock-
mann, gest. 1588. Angefertigt nach 1588. II. = 2,10, Br. = 1,10. Von
Schuchhardt (a. a. 0., Nr. 26) dem Meister H. N. zugeschrieben. Das
Ehepaar in Anbetung kniend, symmetrisch unter einem Kruzifixus inner-
halb einer Rundbogennische, deren Kontur von Roll- und Bandwerk
umspielt wird. Die vier Ecken des Steines enthalten ovale Medaillons
mit Wappen und Hausmarken. Der Band ist mit ringsumlaufender
Majuskelschrift belegt.
Grabplatte des Gevert van der Wisch, gest. 1591, H. = 2,00, Br. = 1,10. Abb. 157
Von Schuchhardt (a. a. 0., Nr. 27) dem H. N. zugeschrieben. Das Bild,
oberhalb eines Inschriftsockels, zeigt in rundbogiger Nischenarchitektur
das Ehepaar, dem auferstehenden Christus kniend im Gebet zugewandt.
Unten zwei Medaillons mit Hausmarken; auf dem Rande umlaufende
Schrift.
245
Stifter
.vi»).. 158 Grabplatte des Barthold Busse, gest. 1592, H. = 2,15, Br. = 1,37.
Von Schuchhardt (a. a. 0., Nr. 28) dem H. N. zugeschrieben. Das Bild
innerhalb einer Rundbogenarchitektur. Diese rechteckig umrahmt durch
umlaufende Schrift (Totenlegende). Am Sockelteil rechteckige Roll-
werkkartusche mit Inschrift aus Jesaias 63. Oberer Abschluß durch einen
Gesimsfries mit Inschrift. Das Bild stellt das Ehepaar dar in kniender
Beterhaltung der Szene des keltertretenden Christus zugewandt. In
Wolken erscheint Gottvater. In den Architekturzwickeln je ein Wappen.
Wandmal der Anna Meier, datiert 1591, H. = 2,65, Br. = 1,48. Von
Schuchhardt (a. a. 0., Nr. 34) dem Meister H. F. zugeschrieben. Inschrift-
retabulum auf Stützsockel und mit Segmentbekrönung. Die Seitenstücke
enthalten in rundbogigen Nischen: Spes und Fides.
Grabplatte des Gurt Idensen, gest. 1597, und seiner Frau Anna Limburg,
gest. 1598. H. == 2,15, Br. = 1,14. Meister nach Schuchhardt (a. a. 0.,
Nr. 35) H. F. Das Bild ist durch umlaufende Schrift (aus Matthäus 17)
rechteckig umrahmt. Der Sockelteil enthält auf breitrechteckiger Roll-
werkkartusche die Totenlegende. Die Bilddarstellung zeigt den Vater
mit zwei Söhnen rechtsgewandt, die Mutter linksgewandt in Beterhaltung
kniend; gleichhoch mit den Köpfen der Eltern vier Wappen; darüber
Christi Verklärung mit Gottvater und Moses über den Wolken und drei
Jünger zu Christi Füßen.
Wandmal des Caspar Meier, gest. 1598, H. = 2,85, Br. = 1,75. Signiert
M. H. F. (Schuchhardt, a, a. 0., Nr. 37). Die Bildtafel ist umrahmt
von toskanischer Pilasterarchitektur mit verkröpftem Gebälk und Drei-
ecksgiebel. Seitenstücke mit Volutenwerk. Predellaartiger Sockel mit
Inschrift, Wappen und Hausmarke. Stützglied mit Inschriftkartusche.
Abb. 159 Wandmal der Ilse von Wintheim, gest. 1599, Gemahlin Ludolfs von
Änderten, gest. 1626. H. = 2,18, Br. = 1,55. Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 38
schreibt es dem Meister H. F. zu. Die Bildtafel, auf der - - von Rund-
bogenarchitektur eingefaßt — die Auferstehungsszene mit der Familie
von Änderten in Beterhaltung dargestellt ist, wird umrahmt von vor-
gekröpfter Pilasterarchitektur mit Gebälk und Dreiecksgiebel. Als Kon-
solen dienen Löwenköpfe, Pilaster je mit vier Wappen belegt. Seiten-
endigungen in Voluten- und Rollwerk. Predella mit Inschrift; Stütz-
sockel mit breitrechteckiger Inschriftkartusche belegt, deren Umrahmung
mit Rollwerk, Tuch- und Fruchtgehängen verziert ist.
Wandmal dreier Kinder des Erich von Wintheim, gest. 1618. Breit-
rechteckiger Stein: 2,05x2,28, mit flachem Schnörkelgiebel (Schuch-
hardt, a. a. 0., Nr. 75). Meister unsicher. Die drei Kinder, mit Toten-
hemden angetan, nebeneinanderstehend je in perspektivischer Rund-
bogennische. Zu seiten des Steines je vier Wappen übereinander ange-
ordnet.
246
Nicolaikapelle
Wandmal für Gottschalk Duve und seine Frau Catharina Prekels;
zwischen 1617 und 1660 gesetzt. Schuchhardt (a. a. ()., Nr. 93) nimmt
Abb. 159. Hannover; Nicolaikapelle, Wandmal der Ilse von Wintheira,
f 1599.
P. Köster als Meister an. Breitrechteckige Bildtafel, umrahmt von einer
Pilasterarchitektur mit Gebälk und gebrochenem Giebel. Predellaartiger
Sockel mit Inschrift. Das Bild zeigt die Familie - - sechs männliche
247
Stifter
und zwei weibliche Mitglieder - - stellend in Anbetung unter einer in
Wolken schwebenden Dreifaltigkeitsgruppe. Im Giebelfelde Allianz-
wappen.
Wandmal zum Gedächtnis der Christiane Juliane Wolckenhaer,
geb. Eggers. Gesetzt 1737. Hochrechteckige Inschrift lafel in Pilaster-
umrahmung mit segmentbogigem Hauptsims. Sockelteil und figürliche
Plastiken sind nicht einheitlich mit dem übrigen Werke.
Die in der Denkmalhalle an der Nicolaikapelle aufgestellten, vom
Friedhofe stammenden Grabmäler sind behandelt auf Seite 251 ff.
248
Friedhöfe.
Hannover pflegte bis zum späten Mittelalter seine Toten in den drei
Altstädter Gemeindekirchen oder auf deren Kirchhöfen zur Erde zu
bestatten. Außerdem wurde in und bei der Kirche des Hl. -Geist-Stiftes
und des Minoritenklosters beerdigt; bei beiden bestanden Kirchhöfe.
Unter den außerhalb der Tore und auf der Neustadt belegenen Kapellen
verfügte die Nicolaikapelle über den ältesten Kirchhof, der als Begräbnis-
stätte vielleicht älter als die Kapelle selbst ist.
Seit im 16. Jahrhundert die Bestattungen auf den Kirchhöfen der
Innenstadt aufgehört hatten, wurden nach und nach, spätestens bis zum
Beginn des 19. Jahrhunderts, die unbenutzten Kirchhöfe zu öffentlichen
Plätzen umgewandelt. Etwa noch vorhanden gewesene Grabmäler sind
dabei verlorengegangen. Für die gesamte Altstadt diente nunmehr der
mit Bewilligung des Herzogs Heinrich Julius 1 598 erweiterte Nicolai-
kirchhof als Begräbnisort. Die Neustadt richtete 1646 einen eigenen
Friedhof ein; die katholische Gemeinde 1669; die jüdische 1671. Die
hier zu erwähnenden neueren Friedhöfe sind der Gartenfriedhof 1741,
der Engesohder Friedhof 1864 und der gleichzeitige Friedhof an der
Strangriede.
Die Grabmäler, welche die älteren Friedhöfe aufbewahrt haben, gehen
also kaum bis in das 16. Jahrhundert zurück. Die durch ihren Werkstoff
und durch bildnerische Behandlung monumentalisierte Stele erweist
sich als das Grabmal des Bürgertums schlechthin, in dem sich von der
kulturellen Artung der Zeit mehr offenbart als in anderen hinterlassenen
Denkmälern. Eine ganze Reihe von Bildhauern hat fortlaufend in der
Herstellung dieser Grabdenkmäler Arbeit und Brot gefunden. Von
Hannover aus sind selbst entferntliegende Dörfer der Umgegend mit Er-
zeugnissen seiner Grabmalskunst oder mit Vorbildern versehen. Die
Bezeichnung als Künstler kommt unter den Bildhauern allerdings nicht
allen zu. Die genaue Herkunft des verwendeten Werkstoffes und etwaige
Beziehungen zu Obernkirchen*) sind bislang unerforscht. Einstige Be-
*) Inzwischen hat Leonhardt solche Beziehungen als bestehend nachweisen
können (H. G. 1929, S. 69 ff.).
Ein Abbildungswerk über die Grabdenkmäler auf den Friedhöfen der Stadt,
bearbeitet durch Oberbaurat Damm, hat der Magistrat 1914 herausgegeben.
249
Friedhöfe
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250
Nicolaikirchhof
malung der Denkmäler steht außer Zweifel (s. Schuchhardt, a. a. 0.,
S. 17 f.).
Die Gestaltung der Standmale knüpft an die gotischen Kreuzsteine
an, nimmt aber Motive der in der Renaissance als Wandmal fortge-
bildeten Grabplatte auf. Der Aufbau läßt die Dreiteilung in Sockel,
Platte und Bekrönung oft erkennen. Die Reliefbilder der Platte gehen
nicht selten von der Darstellung des Kruzifixus aus, der auch der Sil-
houette des Steines gelegentlich noch die Linie gibt. Unter dem Kreuze
werden der Verstorbene und seine Familie in Beterstellung, in Porträt
und Tracht getreu, gern dargestellt; manchmal hat das Bildnis des Ver-
storbenen Lebensgröße. Statt derartiger Darstellungen kommen auch
biblische Bilder vor. Grablegende und Wappen bilden dekorative Flächen
unterhalb der Bilder. Die Schrift pflegt in lateinischen Großbuchstaben
ausgeführt zu sein. Die ornamentalen Umrahmungen der Bildflächen
bedienen sich architektonischer und pflanzlicher Motive sowie des barocken
Rollwerkes, aus dessen Duktus, da, wo die Steine nicht signiert sind, oft
auf die Hand des Meisters geschlossen werden kann.
Gegen Ende des 1<S. Jahrhunderts ist die Wiederverwendung älterer
Standmale dieser Art häufig, sie deutet einen Stillstand in der Grab-
malskunst überhaupt an, die im breiten Bürgertum ihre Wurzel nicht mehr
zu finden vermag.
Seit der Wende des Jahrhunderts gehen Adel und Beamtenpatriziat
mit neuen Grabmalsformen voran. Von Obelisk und Säule, dem antiken
Altar, Urne und Sarkophag leiten sich die Motive her. Die Gestaltung
spielt sehr bald vom Klassizistischen ins Romantische hinüber; goti-
sierende Formen treten auf. Reich an derartigen Beispielen ist der Garten-
kirchhof (s. Gartenkirche).
Nicolaikirchhof.
Die Altstadt begann bald nach der Reformation sich des Nicolai-
kirchhofes als Begräbnisstätte zu bedienen. Nach der erwähnten ersten
Erweiterung vom Jahre 1598 fand eine zweite Vergrößerung um 1650
statt. Redecker hat das Größerwerden der Begräbnisstätte in einer
Skizze aufgezeichnet (s. H. G. 1905, S. 350). Der Kirchhof zu St. Nicolai
ist 1866 geschlossen.
Eine Anzahl von Denkmälern sind, um sie zu schützen, in einem 1898
nach Entwurf von 0. Liier errichteten Denkmalhof an der Nordseite
der Nicolaikapelle gesammelt:
Standmal des Hans Nendorp, gest. 1606. H. 190, Br. = 0,55.
Von Schuchhardt (a.a.O., Nr. 40) dem Meister H. F. (1591—1609) zu-
geschrieben.
251
Friedhöfe
Links: Abb. Hi.'S. Hannover; Nicolai -Denkmalhalle, Standmal dos
Iliins Hagen, 1684.
Unten: Abb. 164. Hannover; Nicolai -Denkmalhalle, Wandmal des
Statins Vasmer, 1631, von Jeremias Sutel.
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252
Nicolaikirchhof
Grabplatte des Hans von Wintheim, gest. 1642. Schuchhardt (a. a. 0., Abb. 160
Nr. 73) schreibt sie dem Lndoll' Witte zu.
Standmal „David in der Halle", um 1630—40. II. = 179, Br. = 0,56. Abb. igi
Meister unbestimmt (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 86).
Standmal des Lorenz Niemeyer und seiner Frau, gest. 1651. II. = 2,40,
Br. = 0,71. Meister vielleicht Peter Köster (s. Schuchhardt, a. a. (_).,
Nr. 92).
Standmal des M. Niklas Schlotthawer, gest. 166 1. 1 1. - 2,3 1, Br. = 0,83. Abb. 102
Meister vielleicht Peter Köster (s. Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 102).
Standmal des Hans Hagen. H. = 3,39, Br. — 0,87; signiert und Abb. 163
datiert H. J. U. (Uhle) 1689 (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 128).
Standmal des Cordt Eylers. II. = 2,63, Br. = 0,90, signiert und
datiert: Hans Jacob Uhle, 1693 (Schuchhardt, a. a. O., Nr. 133).
Standmal des Justus Goldermann. H. = 2,55, Br. = 0,56, gest. nach
1731, Meister wie der des folgenden Steines (Schuchhardt, a. a. 0.,
Nr. 150).
Standmal des Conradt Heinrich Davidt 1753 (Schuchhardt, a. a. 0.,
Nr. 151).
Standmal der Frau A. M. C. Groschen, gest. 1741 (Schuchhardt, a.a.O.,
Nr. 152).
Standmal des J. N. Grosehe, gest. 1718. Vom gleichen Meister wie
das vorige (Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 153).
Standmal, nach der darauf angebrachten Reliefdarstellung „Lasset
die Kindlein zu mir kommen", von Schuchhardt (a.a.O., Nr. 62) benannt.
H. = 2,15, Br. = 0,73. Dem Jeremias Sutel zugeschrieben.
Standmal mit der Auferweckung des Lazarus. H. — 2,27, Br. — 0,88.
Dem Jerernias Sutel zugeschrieben (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 63).
Wandmal des Statius Vasmer. H. = 3,60, Br. — 1,90; datiert 1(531; Abb. im
signiert von Sutel. Das Reliefbild stellt die Grablegung Jacobs dar mit
Bildnissen des Vasmer, des Pastors Dav. Meier und Sutels selbst (Schuch-
hardt, a. a. O., Nr. 65).
Standmal des Jeremias Sutel, ermordet 1631. H. =2,20, Br. -0,69.
Signiert L. W. = Ludolf Witte (Schuchhardt, a. a. 0., Nr. 66).
Standmal des Malers Johann Wilhelm Borges, gest. 1788. H. = 2,13,
Br. = 0,87. Schuchhardt (a. a. ()., Nr. 161) schreibt es dem Job. Fr.
Ziesenis zu.
Standmal des Knaben Jochim Schlothauer, gest. 1658. H. = 1,29, Abb. Hi.->
Br. = 0,55. Schuchhardt (a. a. O., Nr. 97) schreibt es Peter Köster zu.
Auf dem Nicolaifriedhofe selbst sind die nachgenannten Grab-
denkmaler bemerkenswert :
253
Friedhöfe
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254
St. -Andreas-Friedhof
Standmal der Anna Wedekind, gest. 1598. Oberteil des Males; an
einem Rest der ehemaligen nördlichen Kirchhofsmauer gelegen. Br. = 1,04.
Von Schuchhardt (a. a. 0., Nr. 30) dem Meister H. N. - 1575 — 1610
tätig — zugewiesen.
Standmal eines Unbekannten von etwa 1660; wiederbenutzt für Abb. 16ö
Jon. Jul. Führmann. Meister vielleicht Arend Iloyer (Schuchhardt,
a. a. O., Nr. 113).
Standmal des Christopher Beyerot, gest. 1671. II. = 2,31, Br. = 0,82. Abb. n>7
Meister vielleicht II. L. (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 121).
Wandmalartiges Standmal des Lorenz Niemeyer, angefertigt 1663,
signiert F. K. = Peter Köster. H. = 1,00, Br. = 1,65. Von Schuchhardt,
a. a. O., unter Nr. 101 behandelt.
Standmal des Anton Johann Hinüber und Frau, gest. 1689. II. = 2,80,
Br. = 0,90 (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 130).
Standmal des Georg Ludwig Milhoff, 1725 — 1804, und Gattin, gest.
LS07. In zweiter Verwendung. Meister um 1720.
Standmal der Elisabeth Varen, gest. 1723 (vgl. Schuchhardt, Nr. 58).
Standmal des Heinrich Ludwig Schrader, 1782 — 1839, und dessen
Frau. In zweiter Verwendung. Angefertigt nach 1750.
St.- Andreas-Friedhof.
Die Neustadt schuf sich vor dem Clevertor einen eigenen neuen*) Fried-
hof im Jahre 1616, wie ein in die Friedhofsmauer eingelassener Inschriften-
stein angibt (s. auch Redecker, Chronik, S. 311). Den Namen des Kirch-
hofs wählte man nach dem Heiligen des Stiftungstages, St. Andreas
(vgl. Hoppe, a. a. O., S. 224). Auch dieser Friedhof hat wiederholt ver-
größert werden müssen; er wurde 1876 geschlossen.
Standmal eines sechsjährigen Mädchens, gestorben in den 1690er Abb. 168
Jahren. H. = 2,25, Br. = 0,78. Meister vielleicht Uhle. Näheres siehe
Schuchhardt, a. a. O., Nr. 132.
Standmal, wiederbenutzt von der Familie Uden im 19. Jahrhundert,
bezeichnet G. S. H. = 3,00, Br. = 0,93. Näheres (ohne Abbildung) siehe
Schuchhardt, a. a. O., Nr. 143.
Standmal des Johan von Haaren 1701. H. =3,27, Br. — 0,58. Abb. 169
Meister laut Inschrift Jürgen Gerhard Schrader Anno 1701. Näheres
bei Schuchhardt, Nr. 144.
Standmal des Heinrich Ties, gest. 1725. H.-== 2,06, Br. = 0,86.
Meister vielleicht auch J. G. Schrader. Näheres (ohne Abbildung) bei
Schuchhardt, Nr. 148.
*) Der 1610 angelegte Michaelisfriedhof (Grundstück des Handelsmuseums)
war der Befestigungsanlagen wegen aufgegeben.
255
I*"ricdhöfe
Rechts: Abb. 169.
Hannover; St.-Andrcas-Friedhof,
Standmal des Joh, von Haaren,
1701.
Unten: Abb. 16X.
Hannover; St.-Andreas-Friedhof,
Standmal eines Mädchens,
t um 1690.
Abb. 170.
I [annover; St.-Andreas-Friedhöf,
Standmal der Margarete Borcherding
t 1710.
256
Invalidenfriedhof
Standmal der Margarete Borcherding, gest. 1716. H. = 2,76, Br. =0,86. Abb. no
Meister unbekannt. Näheres bei Schuchhardt, Nr. 155.
Standmal des Christian Scharloock 1760 oder 1769. H. = 2,79, Abb. 171
Br. = 0,87. Wiederaufnahme von Motiven Sutels. Meister unbekannt.
Näheres bei Schuchhardt, Nr. 158.
Standmal des „Großen Christoff", gest. 1676. H. = 2,78, Br. = 0,90. Abb. 172
Meister unbekannt. Näheres bei Schuchhardt, Nr. 169.
St.-Johannis-Friedhof.
Die katholische Gemeinde begann, wie Bedecker (Chronik, S. 683)
angibt, im Jahre 1669 mit der Anlage eines eigenen Friedhofes auf einem
Teile des „Patergarten" benannten Grundstückes vor dem Ägidientore,
wo der Herzog Johann Friederich den Kapuziner-Patres ein Absteigehaus
(Abbildung bei Zeuner) hatte erbauen lassen. Erst 1673 soll die Be-
gräbnisstätte geweiht worden sein. Nach ihrem Stifter wurde sie St.-
Johannis-Friedhof genannt. 1692 wurde der Friedhof nach der Masch-
straße hin erweitert. Bei der Anlage der neuen Hildesheimer Straße
gab man den bis zur heutigen Höltystraße reichenden Teil des Friedhofes
auf. Der verbleibende Best ist 1926 der Bebauung freigegeben.
Unter den 1926 noch vorhandenen Grabmalen des St. - Johannis-
Friedhofes sind zu nennen:
Standmal des Simon Tronen (1686 — 1717). Ähnlich dem bei Schuch-
hardt, a. a. O., Nr. 158 abgebildeten Stein.
Standmal des Edmund Wilh. Mihen, 1817, ähnlich dem Vorigen.
Wiederverwendet; gefertigt von einem Meister des ersten Drittels des
18. Jahrhunderts.
Standmal des Jean Joseph La Croix. Wiederverwendet; wahrschein-
lich für den Großvater Pierre la Croix, gest. 1729, gefertigt (vgl. Schuster,
K. u. K., S. 199).
Invalidenfriedhof.
Unmittelbar an den katholischen Friedhof angrenzend bestand der
Invalidenfriedhof, der bis 1645 bei dem Kirchhofe der jüngeren Marien-
kapelle vor dem Ägidientore, am Eingange der heutigen Prinzenstraße,
sich befunden hatte. Auch dieser Friedhof ist 1926 der Bebauung
freigegeben.
17 257
Friedhöfe
Abb. 171.
Hannover; St.-Andreas-Friedhof,
Standmal des Chr. Scharloock,
1769.
Abb. 172.
Hannover; St. Andreas-Friedhof,
Standmal des „Großen Christoff",
t 1676.
258
Judenfriedhof
Judenfriedhof.
Die Juden zu Hannover und auf der Neustadt erhielten ihren jetzt
noch bestehenden, seit 1865 geschlossenen Begräbnisplatz auf einer der
Maschranddünen in Nähe der Nienburger Heerstraße im Jahre 1671 Abb. 173
zugewiesen. Neben dem Eingangstore in der Mauer dieses Friedhofes
wurde der herzogliche Schutzbrief für diese Stätte in doppelter Aus-
fertigung in Stein gehauen eingelassen:
DER JUDEN GRABSTADT
UND SCHUTZSTEIN
MIT VERWAHRUNG WER IN
KÜNFTY DIESELBE FIOLIEREN
ODER MIT ABFUHBUNG DES SAN-
DES TUBBIBEN WIBDT DAS DEB-
SELBE OHN EINZIG AN SEHEN
SEBMO CETMO HEBTZOGEN
JOHANN FBIEDEBICH DEN GNADIG-
STEN LANDE SFUBSTEN IN SCHARF-
FEB STRAFFE VEBFALLEN SEIN
SOL UHRKUNDLICH LAN GENHAGEN
D. II. SEPTEMR. Aö 1671 ADMANDAT
UM SEBMI PBOPBIUM MELCHIOB
ALBRECHT REICHARD
Abb. 173. Hannover; der Judenfriedhof von der Ostseite, l'hot. zwischen 1859 und 18G3. Stadtarchiv.
259
Friedhöfe
Gartenkirchhof.
Die Ägidien-Gartengemeinde endlich legte ihren Friedhof am Wolfs-
graben im Jahre 1741 an, bevor noch die Gartenkirche bestand. Er war
im 19. Jahrhundert vom Patriziat bevorzugt und hat bis 1865 seiner
Bestimmung gedient.
Einzelne Grabmäler sind behandelt auf Seite 194 ff. (S. Alfr. Fuhrmann.
Der Gartenkirchhof in geschichtlicher und kunstgeschichtlicher Hinsicht,
Sonderdruck der „Garten- und Obstbau-Zeitung" [Dez. 1917].)
Neuere Friedhöfe.
Unter den neueren Friedhöfen sind zu nennen: der 1864 eröffnete
Engesohder Friedhof, der an dieser Stelle bemerkenswert ist wegen seiner
mit Arkaden versehenen Eingangshalle von Droste; der gleichzeitige
Abb. 174 Friedhof an der Strangriede, ebenfalls mit einer Eingangshalle von
Droste, und der israelitische Friedhof an der Strangriede mit einem
Leichenhause von Oppler.
jtf*zm
Abb. 174. Hannover; Eingangshalle zum Friedhof an der Strangriede,
1864 von Droste erbaut.
260
Höfische Gebäude und Anlagen*),
LEINESCHLOSS.
RESIDENZPALAIS' UND ABLAGER.
Altes Palais an der Leinstraße.
Neues Palais, Friedrichstraße 17.
Ernst-August-Palais.
Der Osnabrücker Hof.
Neustädter Vogtei oder Kleiner Fürstenhof.
Der (jüngere) Fürstenhof.
GESANDTENHAUS.
HOFM AR STÄLLE UND ZUBEHÖRUNGEN.
BALLHOF.
*) Das Herzogl. Zeughaus ist behandelt auf Seite 623 ff. — Die Gebäude
und Anlagen des Hof-Jagdwesens finden sich unter „Herrenhausen", „Linden"
und „Kirchrode".
261
Leineschloß
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262
Leineschloß.
Oeit der Zerstörung der Burg Lauenrode unterhielten die weifischen
Herzöge in Hannover kein ständiges Absteigequartier. Sie pflegten, wenn
sie in Hannover weilten, bei angesehenen Bürgern zu wohnen. Im 16. Jahr-
hundert bevorzugten sie das Haus der blutsverwandten Limborgs Am
Markt Nr. 11 (s. dar. H. G. 1910, S. 42 f.). Als Ablager für den Landesherrn
bei dessen gelegentlichen Besuchen zu Hannover hatte zuletzt, 1622, der
Herzog Friedrich Ulrich auf der Neustädter Vogtei ein angemessenes
Wohnhaus erbauen lassen (s. „Kleiner Fürstenhof" auf Seite 316).
Der zwischen den herzoglichen Brüdern August dem Älteren, Friedrich Vorgeschichte
und Georg am 14. Dezember 1635 abgeschlossene Teilungsvertrag gab am DES BAUES
27. Januar 1636 das Fürstentum Calenberg in die Hand des jüngsten der
Brüder, Georg, der seit seiner Verheiratung 1617 auf Schloß Herzberg,
später zu Hildesheim residiert hatte. Nach dem Inkrafttreten des Teilungs-
vertrages war Herzog Georg sogleich auf die Verlegung seiner Besidenz
nach Hannover bedacht, weil es unter den Städten des Calenberger Landes
sowohl durch seine zentrale Lage wie durch die Möglichkeit, seine Be-
festigung zu modernisieren, eine besondere Eignung besaß. In der Absicht,
seine Besidenz fortab hier zu nehmen, leitete der Herzog im Laufe des
Jahres 1636 zunächst die Befestigung der Neustadt ein. Im Frühjahr 1637
schickte er sachverständige Abgesandte aus, um in Hannover einen ge-
eigneten Platz zu Errichtung eines Palatiums ausfindig zu machen. Diese
zogen das Grundstück des Barfüßerklosters, das des St. Gallenhofes, des
Saldern-Hofes auf der Osterstraße und andere in Betracht. Kurz darauf,
am 12. April 1637, ließ der Herzog dem Magistrat eröffnen, daß er auf dem
Grundstücke des ehemaligen Barfüßerklosters an der Leine seine Besidenz
zu nehmen gedenke, und befahl, sein Zeughaus in der alten Klosterkirche
einzurichten und die auf dem Gelände nach der Klosteraufhebung (1533)
eingerichteten Gebäude, die städtische Münze, das Korn- und Salzmagazin,
das Batskloster und Sodensche Kloster, die Schreib- und Mägdleinschule
u. a., anderweitig zu verlegen. Der Bat fügte sich unter starken Be-
denken gegen die herzoglichen Absichten (s. Chronologia Hannoverana
von Matheus Gosewisch z. J. 1637, Ms. im Stadtarch.).
263
Leineschloß
Herzog c.eorg Am 19. Mai begann schon der Abbruch des Klostergebäudes durch den
von caienberg Bauverwalter Meldau, nachdem die Wohnhäuser angekauft waren, die
auf dem Klosterhofe längs der Leine bestanden. Der Schloßneubau*) wurde
in Fachwerk ausgeführt und so rasch gefördert, daß 1638 „die Seite an der
Leine (davon in verlittenem Jahre etzliche Sparren in Dach und Fach
gebracht) ferner ins Dach und Fach kommen, dazu auch die Seite von dem
Kirchenchore an bis herunter an die Leine, daß also der innerste Platz
gantz ins gevierte umher bebauet worden". (Hann. Chron. z. J. 1638);
s. dazu die von E. Schuster zusammengestellten vergleichenden Plan-
skizzen in K. u. K., S. 12 u. 13). In nächster Zeit wurden dazu die längs der
(Kloster- und späteren) Schuhstraße, heutigen Schloßstraße, belegenen
Häuser angekauft und niedergerissen. Auch dieser alte Häuserblock hatte
leinewärts bis an den Wächtergang längs der Stadtmauer gereicht. Der
neue Schloßflügel wurde unmittelbar an die Stadtmauer, teilweise auch
wohl auf sie aufgesetzt und reichte bis an das Leintor.
Gegen Ende des Jahres 1640 stieg der Herzog zum ersten Male in dem
neuen Schlosse ab (12. Dezember) und ließ daselbst „die erste Lutherische
Predigt thun auf dero Hofstuben" (Redecker, Chronik, H. G. 1903, S. 477
z. J. 1640). Sein Aufenthalt währte nur einige Tage. Er starb bald darauf
zu Hildesheim am 2. April 1641.
Das Palatium umfaßte demnach damals den neu umbauten ehemaligen
Klosterhof und den nordwestlich davon belegenen Hof, der ein unregel-
mäßiges Viereck bildete und an der Leinstraßenseite nur eine Mauer mit
Tor besaß. Es waren auch bereits, nach Redeckers Zeugnis um 1638,
zwei der an dem ehemaligen Klosterkirchhof leinstraßenwärts belegenen
Rürgerhäuser angekauft. Dieser Hof scheint aber zu Georgs Zeiten noch
nicht ernstlich in den Schloßbauplan einbezogen gewesen zu sein.
Christian Ludwig Der neue Herzog, Christian Ludwig, damals 21 Jahre alt, verlegte
seinen Wohnsitz und seine Hofhaltung im Juli 1642 in das Schloß zu
Hannover. Seine Bautätigkeit war den Kammerrechnungen nach nicht
bedeutend. Die Minoritenkirche wurde verkleinert. Von ihren angeblich
20 Gewölben blieben nur 13 bestehen und der Chorschluß, indem an der
Westseite eine Anzahl der Joche abgebrochen wurden. Es können hier
nur sechs weggefallen sein, von denen drei in den Schloßbau einbezogen
sind. Die Einrichtung zur Schloßkirche war um die Zeit des Einzuges
des jungen Herzogs beendet, so daß dieser am 10. Juli 1642 ihre Ein-
weihung durch den ersten lutherischen Gottesdienst vornehmen konnte.
Der Hofmarschall von Steding erhielt seine Wohnung in dem ange-
kauften Eckhause an der Schuhstraße.
*) Die baugeschichtliche Darstellung bis zum Tode Georg Ludwigs 1727 fußt auf
Ed. Schusters „Kunst und Künstler in den Fürstenthümern Caienberg und Lüneburg,
Hannover 1905". Schuster hat die Kammerrechnungen von 1636—1727 durchgesehen.
264
Leineschloß
Nachdem im Jahre 1648 der jüngere Bruder Christian Ludwigs, der Georg wnheim
damals 24 Jahre alte Georg Wilhelm, die Regierung in Calenberg über-
nommen, geschah -- wie die dafür verausgabte Summe schließen läßt -
für die Förderung des Schloßbaues und dessen Unterhaltung kaum sehr
Wesentliches. Er bezog zur Ausstattung der fertiggestellten Räume Möbel
aus Frankreich und gab Geld für Silbergeschirr aus.
Bemerkenswert ist aber, daß in seiner Zeit die Keime zur künftigen
Schloßoper erstanden sind in der Hauskapelle, die sich Georg Wilhelm
ebenso wie seine Brüder in Osnabrück und Celle hielt. Eine französische
Schauspielergesellschaft bezahlten alle drei gemeinsam.
Erst unter Johann Friedrichs Regierung (1665 — 79) beginnt für die Johann Friedrich
Baugeschichte des Leineschlosses eine neue Epoche. Er nahm die Be-
bauung des dritten Hofes in Angriff, so daß zunächst die Seite am Fluß bis
um das Jahr 1677 im Rohbau vollendet gewesen sein wird. In diesem
Jahre wurde der Dachstuhl auf das im südöstlichen Pavillon eingerichtete
„Theatrum für die Comödien" aufgebaut und mit Pfannen eingedeckt
(Schuster, a. a. 0., S. 24). Die Leitung des Schloßbaues lag in den Händen
des Bauschreibers Brand Westermann, während als Urheber der Pläne
der Architekt Hieronymus Sartorio anzusehen ist, der seit 1667 für den
Hof wirkte. Über den inneren Ausbau der fertigen Gebäudeteile entnimmt
Schuster den Rechnungen, daß unter der Leitung eben dieses Sartorio die
Gemächer ausgemalt und vom Bauschreiber Weinberg mit 40000 Blatt
Gold „ausstaffiert" worden sind. „Indianisches Holz" wurde für die
Fußböden verwandt.
Der Umwandlung der Schloßkirche für den katholischen Gottesdienst
hatte Johann Friedrich — der 1652 zum Katholizismus übergetreten war -
bald nach seinem Regierungsantritt seine erste Sorge zugewandt. Er ließ
sie neu dekorieren (1667) und unter dem Chore eine Gruft anlegen.
(Näheres über die Schloßkirche siehe weiter unten.)
Johann Friedrich wurde 1679 auf seiner fünften Italienreise vom Tode Ernst August
ereilt. Sein Nachfolger, Herzog Ernst August — bis dahin Bischof von
Osnabrück und durch die Pracht seiner dortigen Hofhaltung weithin
bekannt — , nahm sofort die Vollendung der von seinem Bruder ange-
fangenen Bauten in die Hand. - - Die Schloßkirche gab er am 7. Mai dem
lutherischen Gottesdienste zurück. In den Jahren 1680 — 85 ließ er
durch Brand Westermann und Sartorio die älteren, von Georg Wilhelm
erbauten, wie die unter Johann Friedrich hinzugekommenen Schloßteile
mit einem Aufwand von 26700 Talern umbauen. 1685 — 89 ist dann
der große Saal -- der Rittersaal -- mit Stuckarbeiten durch Dossa Grana
und Perinetti ausgeschmückt. Die Gemälde entstanden teils außerhalb,
teils wurden sie in Hannover gemalt. Die Höhe der Ausgaben für die mit
„Flickarbeiten" und „sonstige Arbeiten bei Hofe" bezeichneten Unter-
265
Leineschloß
nehmungen in dieser Zeit läßt darauf schließen, daß die alten Fachwerk-
bauten teilweise in massiver Ausführung hergestellt wurden. Einzelne
Gebäudeflügel, welche schon in Benutzung genommen waren, scheinen
erst später bei Gelegenheit „in Putz gesetzt" zu sein (Schuster, a. a. 0.,
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Abb. 176. Hannover; Leineschloß, Grundrißplan z. Z. Johann Friedrichs mit einem Aufrißentwurf
für die Leinstraßenfront. Staatsarch., Karten IV, B. 4.
Abb. 176 S. 34). Ein bisher unbekannter Grundriß des Schlosses im Staatsarchiv,
der in diese Zeit datiert werden muß, unterscheidet die in Fachwerk be-
stehenden Schloßteile von der massiv zu erbauenden Front an der Lein-
straße. Er gibt im Aufriß einen Vorschlag zu einer Ausbildung dieser
Front symmetrisch in bezug auf ein Mittelrisalit, in dem die Schloßkirche
unterzubringen gedacht war.
Seit Herzog Johann Friedrich die Bebauung des dritten Schloßhofes
unternommen hatte, trat das Problem einer ,, Schloßfreiheit" auf, insofern
2i>i ;
Leineschloß
es galt, die auf dem Werder gegenüber dem neuen Schloßflügel be-
stehende kleine Kolonie von 42 Häusern ,,up den Specken", die zwei
enge Gassen umfaßte, zu beseitigen. Ernst August ließ sie auf seine
Kosten abbrechen und durch Brand Westermann 1680 — 82 an der
durch Zuschüttung eines Teiles des Stadtgrabens gewonnenen ,, Neuen
Straße" wieder errichten.
Wie unter Ernst August die allmähliche Ersetzung der älteren Fach-
werkteile des Schlosses ihren Fortschritt nahm, ergibt sich daraus, daß er
bald nach der Freilegung des Platzes vor der Südfront des Schlosses, in
den Jahren 1685 — 87, das Mittelrisalit mit dem Tordurchgang und
einen Neubau der Brücke über die Leine herstellen ließ. Zur Gründung
dieser Bauten mußte das Leinebett durch Abdämmen oberhalb der Mühlen
trockengelegt werden.
Die in einem Bogen aus Sandstein gespannte Brücke ist — wahrschein-
lich nach Plänen von Sartorio — 1686 von Crotogino, Heinsohn und
dem Steinhauer Fehr ausgeführt (Ms. des Gammersecret. Meier im Stadt-
archiv). Eine Abbildung etwa aus dem Jahre 1810 im Stadtarchive zeigt
einen Teil davon; die Eckpfosten des schmiedeeisernen Geländers trugen
danach je einen Pinienzapfen als Bekrönung.
Auf die Ausstattung der Wohnräume — ■ so wie sie nach und nach
fertiggestellt wurden - - verwandte Ernst August erhebliche Mittel, die
oft der Hofjude Leffmann Behrens vorschießen mußte. Tapeten und
Gemälde wurden meist aus Holland bezogen.
Nach dem Ankauf des Melchior v. Wintheimschen Hauses und Grund-
stückes, das längs des südöstlichen Schloßhofes von der Leinstraße bis zum
Flusse durchreichte, mittels Kaufvertrages vom 23. Dezember 1687, ließ
Ernst August die Umbauung des dritten Schloßhofes vervollständigen.
Der neue Schloßflügel galt der Unterbringung des Schloßopernhauses. Die
Bauausführung wurde so schnell gefördert, daß zu Ende des Jahres 1689
das Theater mit einer Aufführung der Oper „Henrico Leone" eröffnet
werden konnte. Der Zuschauerraum, halbkreisförmig, mit fünf überein-
anderliegenden Logenreihen faßte etwa 1300 Personen (s. die weiter unten
folgende Baugeschichte des Opernhauses).
Über die weitere bauliche Ausgestaltung des Schlosses während der
letzten zehn Lebensjahre Ernst Augusts sind wesentliche Einzelheiten
nicht überliefert. Als der Kurfürst starb (1698), war das Leineschloß im
ganzen fertig, in seiner Baugeschichte ist ein Abschnitt erreicht.
Um die Vorstellung vom Schlosse, wie es damals war, zu verdeut- Beschreibung
liehen, stehen nur wenige Abbildungen oder Pläne zur Verfügung. Die desZustandesum1698
dem Herzoge Johann Friedrich um 1675 gewidmete Descriptio Han-
noverae des Joh. Joch. Zeuner enthält zwei Sepiazeichnungen von Teil-
stücken der Leinstraßenfront. Bedecker hat sich bemüht, eine Ansicht
267
Leineschloü
268
Leineschloß
der gleichen Front im Zustande vor 1688 zu rekonstruieren (Chronik,
S. 621). Die frühesten geometrischen Aufnahmen des Schlosses, die uns
erhalten sind, scheinen lediglich die von Joh. Fr. Jungen 1740 gefertigten
Grund- und Aufrisse zu sein (Staatsarchiv, Schloßbauakte und Gmundener Abb. 175 u. 177
Archiv). Die von Schuster (a. a. 0., auf Tafel 1 und 2) gebotenen Grund-
risse geben den Zustand nach 1746. Spätere Zeichnungen bei den Schloß-
bauakten, so von Weinbrenner und Laves, geben Gelegenheit, Einzel-
heiten nachzuprüfen.
Das Äußere des Residenzschlosses an der Leine ist seit dem Tode des
Kurfürsten Ernst August - abgesehen vom Kammerflügel, über den
später Näheres zu berichten sein wird - - unverändert geblieben bis zum
großen Umbau durch Laves.
Die gesamte Schloßanlage war fast durchweg dreigeschossig, wobei Abb. 178
der Höhenunterschied zwischen der Uferseite und dem Hofgebäude zu
beachten ist. Sie gruppiert sich um drei geschlossene Höfe. Haupthof
war von Ursprung her der mittlere: hier lag leinewärts der Wohnflügel,
der südöstlich mit dem Küchenrisalit endete, wo in den Obergeschossen
das „Kleine Theater" sich befand; in Symmetrie dazu war am anderen
Ende das Risalit an der Leinebrücke mit dem Tordurchgang vorgezogen.
Der Hauptzugang zum Schlosse führte dem eben erwähnten gegenüber
von der Leinstraße auf den nordwestlichen Schloßhof, der zwischen
Kammerflügel und Regierungsgebäude noch einen dritten Zugang hatte.
Der Mittelhof war mit den beiden anderen Höfen mittels zweier Durch-
fahrten in Verbindung gebracht: die eine im sogenannten Klosterflügel
unter dem Rittersaal, die andere im gegenüberliegenden Flügel. Auf drei
Seiten war dieser Hof mit einer Arkadenhalle umgeben, an die vierte
grenzte der Schloßkirchenflügel.
Die Architektur der Schloßfront an der Leine zeigt auf der vorher
angeführten Zeichnung geputzte Flächen, Ecklisenen von Quadern,
Fensterumrahmungen und Simse in Sandstein. Die Außenwand des Erd-
geschosses scheint durch Teile der alten, mit Streben reichlich versehenen
Stadtmauer gebildet zu sein. Die Obergeschosse — besonders das zweite —
sind sehr hoch, die rechteckigen Fenster darin zu zweien oder zu vieren
gekuppelt. Ein flaches Satteldach mit Lukarnen deckt den Rau.
Die Risalite erheben sich auf den geböschten Uferkajen; ihre Erd-
geschosse sind mit Quaderlisenen, weiter, rundbogiger Mittelöffnung und
seitlichen Rundbogennischen ausgestattet. In den beiden Obergeschossen
rechteckige, von Sandsteingewänden umrahmte Fenster, darüber ein
Attikageschoß mit quadratischen Lichtöffnungen und Zeltdach mit
Spitzenpfahl. In den nordwestlichen Winkel des Brückenrisalits schmiegt
sich ein achteckiges Treppentürmchen mit niedriger Haube.
Am alten Kammerflügel, bei dem die Leinefront sich knickte, bestand
neben dem Leinetorturm ein Vorbau von drei Geschossen, das 1690 bis
269
Leineschloß
1693 erbaute städtische Torwächterhaus; es verblieb unverändert in
Fachwerk und halte ein Mansardendach mit Uhr- und Glockentürmchen,
Daneben befand sich ein eingeschossiger kleiner Vorbau - - später als
„Königl. Lust-Häusgen" bezeichnet mit Treppe zum Kajen. Die
Fenster des Kammerflügels sind meist zu vieren gekuppelt. Soweit die
kurfürstlichen Gemächer in den Gebäudeteil hineinreichen, sind Fenster-
höhen und Dachansatz dem Wohnflügel völlig entsprechend. Zeuner
scheint auf seiner Abbildung (um 1675) dem Kammerflügel ein flaches
Dach mit Balustrade und Vasenbekrönung hofwärts zu geben.
Längs der ganzen Leinefront ist das Ufer durch einen Kajen abge-
stützt, auf dessen Krone zwischen Pfeilerchen ein mit Grün beranktes
Gitterwerk erscheint.
In der Architektur der Leinstraßenfront war eine Einheitlichkeit
weniger leicht zu erzielen. Dem unter Johann Friedrich entstandenen, an
den Chor der Schloßkirche anschließenden Gebäudeteil war das Schloß-
opernhaus (1689) in seinem Äußeren angeglichen. Nur das überragende,
gewalmte Satteldach hebt es dagegen ab. Auch dieser gesamte Flügel
zeigte geputzte Mauerflächen; er hatte im Erdgeschoß schmalrechteckige
Abb. 178. Hannover; Leineschloß, Leinstraßenseite, nach Lithographie von Kretschmer um 1840. Dar-
gestellt ist der Zustand vor 1826.
270
Leineschloß
Abb. 179. Hannover; Leineschloß, „Palaty Ducalis Introitus". Nach Zeuners Descriptio, um 1675.
Fenster mit gequaderter Umrahmung und zwei rundbogige, entsprechend
behandelte Eingänge mit waagerechter Simsverdachung. Von den beiden
Obergeschossen war das zweite besonders hoch. Die unprofilierten Fenster-
umrahmungen bestanden auch hier aus Sandstein. Über das Hauptsims
hinaus erhoben sich vier je zweiachsige Dacherker mit mittelflachen Drei-
ecksgiebeln, Volutenanläufen und Vasenbekrönungen. Dazwischen er-
scheinen noch je zwei Gauben.
Die alte gotische Schloßkirche war ebenfalls in Putz gesetzt; die Tür
und die Fenster hatten barocke Umrahmungen erhalten. Der Rücksprung
des Chores war schon unter Johann Friedrich ausgeglichen durch einen
eingeschossigen Zwischenbau mit Balustradenbekrönung.
Das Hofportal, von dem Zeuner die älteste Abbildung bringt, gehört Abb. 179
vielleicht in die Zeit Christian Ludwigs: es ist eine rundbogige Durch-
fahrt zwischen zwei schwach vortretenden Pilastern in Quaderarchitektur.
Darüber ein zweigeschossiger Volutengiebel, der eine nicht ausgefüllte
Wappentafel mit Löwen als Wappenhaltern und in der Bekrönung ein
Medaillon — vermutlich mit Inschrift — enthält. Diese Architekturformen
sowohl wie die des älteren Teiles des Opernhausflügels können schwerlich
dem Hieronymo Sartorio zugeschrieben werden, obwohl dieser seit 1667
bereits in herzoglichen Diensten stand.
Neben dem Tore befindet sich rechts eine schmale Auslucht für das
innerhalb des Hofes an die Mauer angebaute, eingeschossige Wachgebäude.
Die Aufnahmen von 1740 zeigen links symmetrisch angeordnete Räume
und in der Mauer Lichtöffnungen mit den Umrahmungen, die für die Zeit
Sartorios und Brand Westermanns bezeichnend sind.
271
Leineschloß
Das den nordwestlichen Abschluß des Hofes bildende, im Grundriß
unregelmäßige Regierungsgebäude war allein unter den Hofgebäuden
zweigeschossig. Es bestand aus dem 1642 als Wohnung des Hof-
marschalls erworbenen Eckhause und war 1668 erweitert worden durch
Zukauf der beiden letzten Häuser an der Schuhstraße. Wahrscheinlich
wurde das Ganze zu Ernst Augusts Zeiten hinsichtlich der Außen-
architektur in Übereinstimmung mit dem Kammerflügel gebracht.
Über die Grundrißaufteilung des Schlosses und die Verwendung der
Räume, die seit 1714 bis zur französischen Resetzung wegen der Abwesen-
heit des Hofes nur unwesentlichen Veränderungen unterlegen hat, unter-
richtet eine bei den Schloßbauakten sich findende „Allerunterthänigste
Erläuterung über die in den Grund-Rissen vom Königl. Residentz-Schlosse
in Hannover bemerckte Nummern". Sie stammt zwar erst aus dem Jahre
1763: ihre Nummergebung folgt aber mit geringer Verschiebung dem
Gange der Zählung auf dem Jungenschen Plane von 1740, so daß auch
wohl für die Zeit unmittelbar nach Ernst August sich die gleiche Ver-
wendung der Räume annehmen läßt. Tabula III behandelt die hier am
meisten erwähnenswerte „Erste Hauptetage", beginnend mit der Galerie
bei der vom Mittelhof des Leineflügels emporführenden Haupttreppe und
bezeichnet Raum für Raum, im Sinne des Uhrzeigers zählend: nach der
Galerie zwei Räume des Corps de Garde, vier Räume als „erste Vor-
Cammer Sr. Kgl. Majestät", dann „Sr. Majestät Schlaff-Cammer und
Cabinette". Der Theaterflügel an der Leinstraße beherbergt die Apparte-
ments für die Prinzessinnen. Der Klosterflügel — abgesehen vom Ritter-
saal — und die noch übrigen Räume leinewärts waren auswärtigen Familien-
mitgliedern bestimmt („churländische Cammern und Appartements des
Königs und der Königin von Preußen"). Im zweiten Obergeschoß lagen
von der Treppe rechts die Zimmer der Königin, bis in den Kammerflügel
hinreichend. Die Mansarde endlich war „bis 1714 zu logierung der zum
Chur-Printzlichen Hofstaat gehörigen Hof-Dames, Cammer- und Gar-
derobe-Bedienten gebraucht".
Weitere Bau- Ernst Augusts Sohn Georg Ludewig, der fürstliche Prachtentfaltung
geschichte bis Laves njcht minder als sein Vater liebte, ließ zur Vervollständigung der Innen-
dekoration weitere große Aufwendungen machen: Gobelins, Gemälde und
Tapeten, meist nach Entwürfen von Palletta und holländischen Malern
durch die Manufacturiers in Hameln gefertigt, wurden angeschafft. Nach
Schusters Vermutung hat Dossa Grana, obzwar er damals aus dem Hof-
dienste schon ausgeschieden war, bei Stukkaturen im Schlosse mitgewirkt.
Alle rein baulichen Arbeiten lagen in der Hand der Bauschreiber Brand
Westermann und Hentze, unter denen der Maurermeister Joseph Crotogino
arbeitete. Die Direktion des Bauwesens hatte seit 1708/09 der Graf
de Quirini.
272
Leineschloß
Abgesehen von der fortschreitenden inneren Ausstattung und einer
Ausbesserung der Schloßkirche sind bis zum Tode Georg Ludewigs (1727)
zur Baugeschichte des Schlosses wichtige Daten nicht zu verzeichnen.
Das ehemalige Stadtpforthaus neben dem Leintorturm wurde 1739,
dieser selbst 1741 angekauft (Verm.-Verw., Akt. d. O. H. M. A., Repert. 2,
Seite 255).
Der Kammerflüge] brannte 1711 nieder, und mit ihm wurden die Akten Kammerfitsgei
und Zeichnungen vernichtet, die gerade ihn betrafen.
Der seit 1737 als Architekt an Stelle von Reelz angenommene Hof-
architekt Johann Paul Heumann hat sogleich nach der Zerstörung des
Flügels seine Entwürfe zum massiven Wiederaufbau vorgelegt, z. B. den
in Abb. 180 wiedergegebenen. (Staatsarch. Hnvr., Des. 92 VII. IV. Nr. 19.) Abb. iso
1 )iese Entwürfe wurden nach Paris zur Begutachtung geschickt. Ein Bericht
darüber vom 9. März 1712, von dem eine Abschrift, jedoch ohne Namens-
unterschrift, bei den Akten vorhanden ist, sagt aus, daß die Pläne von
„mehreren berühmten französischen Architekten" durchgesehen seien. Der
Pariser Gegenvorschlag, derauf einen Schüler Robert de Gottes (gest. 1736)
schließen läßt und gegenüber dem Heumannschen Fassaden-Entwurf gleich
hohe, durch Gurtsimse bezeichnete Geschosse, Mansardendach und Gaupen-
reihen, in den Risaliten reichere Ausbildung vorsah, wurde vom Könige ange-
nommen, obwohl er den Höhenunterschieden des Geländes an der Leine
und am Schloßhofe nicht Rechnung trug. Dazu wurde der Grundriß
Henmanns zur Ausführung befohlen. Um die Höhenunterschiede auszu-
II r r rrri
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Abb. ISO. Hannover; Leineschloß, Entwurf von .1. 1'. [-leumann, „Face des neu zu erbauenden Schloß-
flügels an der waßer Seile". Staatsarch., Schloßbauakte,
18
'.iö
Leineschloß
gleichen, mußte Heumann nun die Hauptverhältnisse des Pariser Ent-
wurfes opfern, so daß nur seine Einzelheiten beibehalten blieben*).
Der Neubau war 1716 fertiggestellt und nahm die Geschäftsräume des
Kammer-Kollegiums auf. Seitdem blieb die äußere Gestalt des Schlosses
unberührt bis zum Auftreten von Laves 1816. Nur hat 1796/97 Ben-
jamin Hase, zweiter Hofbaumeister seit 17.S2, die Seitenfront des Kammer-
gebäudes, wo der Leintorturm seiner Baufälligkeit wegen niedergerissen
werden sollte, nach Maßgabe der anderen Fronten hergerichtet.
Zur Zeit der französischen Landesbesetzung (1803 — 10) bewohnten
wechselnd französische Befehlshaber und Offiziere das Schloß. Die Be-
gierung Jeromes machte es durch ein Dekret vom 10. September 1810 mit
Ausnahme des Opernhauses zur Kaserne für 3000 Mann und überwies es
der Stadt Hannover als vorgebliches Geschenk. Der Magistrat gab es 1814
dem Oberhofmarschallamte zurück. Nach 1814 diente das Schloß zunächst
alliierten Truppen zur Unterkunft. Dann erhielten verschiedene königliche
Kollegien und einige Hofdienststellen darin ihre Geschäftsräume.
Die Verwendungsart im letzten Jahrzehnt bedeutete für die meisten
der Bäume die Zerstörung, und jedenfalls ist das gesamte Mobiliar dabei
vernichtet worden.
Es liegen — wahrscheinlich in das Jahr 1802 zu datieren -- Pläne von
Fr. Weinbrenner zur Ausgestaltung der Pforte und Wache an der Lein-
.\bb. i8i straße vor (Staatsarchiv, Des. 92 VII. IV. 19. Weinbrenner hielt sich 1802
vorübergehend in Hannover auf). Die Wache wurde erst 1814 restauriert
und wieder bezogen. 1815 erhielten die provisorisch eingesetzten Stände
im Schlosse Geschäftsräume zuerteilt. 1817 wies man den Garderegi-
mentern einige Räumlichkeiten als Messe zu.
Laves Inzwischen hatten seit Anfang 1816 Untersuchungen eingesetzt über
eine Wiederherstellung des Schlosses oder einen Neubau. ,,Man kam darin
überein" -- so schreibt v.Malortie (Beiträge, 3. Heft, S. 189 ff.) — , ,, daß der
Flächeninhalt hinreichend sei, um allen Erfordernissen der Besidenz zu
entsprechen; nur mußte man zugeben, daß die Lage an sich sehr beschränkt
sei, indem sie Theils durch den Leinefluß, Theils durch enge Straßen und
Häuser begrenzt werde". Es sei also zweifellos gewesen, daß der Neubau
eines Schlosses in allen Beziehungen vorzuziehen gewesen sein würde, doch
habe man nicht geglaubt, die Kosten sowohl anschaffen als verantworten
zu können.
Da auf jeden Fall die Bestaurierung und der Ausbau des alten Schlosses
unumgänglich war und an sich schon bedeutende Kosten verursachen
würde, so entschied man sich 1816 für die Wiederherstellung und ließ den
Plan eines Neubaues fallen, für den Laves das Gelände zwischen dem
*) Vgl. Bleibaum, Bildschnitzerfamilien, S. 238.
274
Leineschlof.i
Clevertore und dem Anfange der Herrenhäuser Allee vorgesehlagen halte.
Ausschlaggebend war bei diesem Entschlüsse das Gutachten des kur-
■ ■■
-P — P — c
Abb. 181. Hannover; Leineschloß, Entwurf von F. Weinbrenner zur Um-
gestaltung des Schloßeinganges an der Leinstraße. Staatsarch., Schloßbauakte.
Mappe 1.
hessischen Oberbaudirektors Jussow in Kassel gewesen, des Lehrers und
Oheims von Laves*).
*) lcSKi. „Jussow ist sondiert, ob er bereit sei, die Anfertigung eines Planes zur
Wiederherstellung zu übernehmen"; hat zugesagt. Sein Neveu, der Hofbauverwalter
Laves, ist bei Vorarbeiten zur Entwerfung dieses Planes (4. 3. l<Sl(i). Jussow bittet,
seine Beurlaubung von Kassel zu erwirken: er ist dann vierzehn Tage im Mai in
Hannover gewesen. (Akt. d. O.-Hof-Bau-Dep. 1816.)
k275
Leincschloß
Als 1816 die Risse zur Restauration des Königlichen Schlosses ent-
worfen wurden, war es zu besonderer Bedingung gemacht, daß neben
Beibehaltung vieler Teile des Schlosses*) „vorzüglich die Kirche, der
Cammerflügel und das Theater stehenbleiben" sollten. (Laves, in einem
Schreiben vom 21. Januar 1826 an den Vizekönig; Schloßbauakte, Des.
Hannover 118).
Die Wiederherstellungsarbeiten begannen unter Laves im Jahre 1817
mit dem Abbruch und Neuaufbau des zuletzt als Kaserne für die Artillerie
benutzten Leineflügels nach dem Vorbilde des Heumannschen Kammer-
Hügels. Der erste Sockelquader, der einen Bleikasten mit Urkunden und
Nachrichten über den Schloßbau enthält, wurde am 30. September 1817
gelegt. Für die Gestaltung der Leinstraßenfront scheinen im weiteren
Verlaufe der Arbeiten außer Laves auch fremde Architekten herangezogen
zu sein. (Schon früher hatten Weinbrenner und Krähe Gutachten ab-
gegeben; s. v. Alvensleben, Herrenhausen, S. 151, Anm. 40.) Die Entwürfe
hierzu nehmen den Gedanken einer symmetrischen Ausbildung der Front
wieder auf, der schon unter Johann Friedrich aufgetreten war; sie wollen
die Schloßkirche hinter einem Mittelbau verbergen, an den sich symme-
trisch ausgebildete Flügelbauten mit Eckrisaliten anschließen, so daß also
die Leinstraßenfront des nordwestlichen Schloßhofes in die Bebauung
einbezogen zu denken ist. Am 21. Januar 1826 erst reichte Laves einen
Entwurf ein, der die Symmetrieachse weiter südostwärts in eine besondere,
Abb. 182 große Portikusanlage von sechs korinthischen Säulen verlegt und damit
eine Begradigung der Fluchtlinie und Ausdehnung der Front gegen die
Mühlenstraße über das Opernhaus hinaus vorsieht. Diese Planung ergab
sich im Zusammenhange mit dem 1825 unternommenen Abbruch der
Schloßwache und des alten Regierungsgebäudes, der den ersten Schloßhof
freilegte. Gegen die Wiederbebauung dieses Hofes macht Laves in dem
Begleitschreiben zu seinem Entwürfe die Gründe geltend**). Im Monat
darauf erbaten übrigens auch die Hausbesitzer der Nachbarschaft in einer
Petition, die Wiederbebauung zu unterlassen.
*) In einem Schreiben des Prinzregenten Georg an das O.-Hof-Bau-Dep.,
Carlton-Housc, 3. Dez. 1816 (Schloßbauakte) heißt es, „Wir haben Uns . . vor der
Hand entschlossen, das vorhandene Schloß nicht nur wiederherstellen, sondern durch
die Zufügung einiger Flügel und Wegräumung der verfallenen Theile, demselben so
viel es das loeale gestattet, eine bessere äußere Gestalt und zweckmäßige innere
Einrichtung geben zu lassen. Wir haben daher hierselbst neue Plane durch den Hof-
bau-Meister Laves entwerfen lassen, von welchen euch ein Exemplar von Uns
signiert hiebey zugeht . . . ."
**) In der Erläuterung, die Laves seinen Plänen beifügte (21. 1. 182o), heißt es:
„damit nun die neue Schloß Fa<;ade, deren Mitte durch sechs Corinthische Säulen
ausgezeichnet gehörig hervortrete, so ist ... . erforderlich, daß zur Symmetrie des
durch den Abbruch des alten Regierungsgebäudes entstandenen Platzes ein ähn-
licher an der entgegengesetzten Seite bis zur Mühlenstraße geschaffen werde". Es
276
Leineschloß
Die Lavesschc Entwurf-Fassung zur Herstellung einer symmetrischen
Fassade an der Leinstraße wurde zwar 1826 genehmigt, aber die Aus-
führung verzögerte sich, weil wiederum die Bedenken hervortraten, ob der
Raum für die königlichen Wohnappartements und für die Repräsentation
hinreichen werde. Wegen der größeren Zuständigkeit in diesen Fragen
unterstellte man den Bau im Jahre LS27 der Leitung des Oberhof-Marschall-
amtes, während sie bisher vom Hofbau- und Garten-Departement wahr-
genommen war.
Die empfindliche Beengtheit der Lage ließ Laves immer wieder auf
Vorschläge zur besseren städtebaulichen Erschließung des Residenz-
schlosses sinnen. Er plant schon 1826, nachdem der erste Schloßhof durch
den Abbruch des Regierungsgebäudes ein offener, mit „Grillen" abge-
grenzter Außenhof (1827 ausgeführt) geworden war -- als Abschluß waren
zuerst poteaux und Lindenbäume gedacht gewesen — , nicht nur eine gerade
Straße längs des Hohen Ufers bis zum Schnittpunkt mit der Langen Laube
(bei der Südwestecke des Friedhofes), sondern dachte auch, mittels einer
geraden Straße die Altstadt längs der Nordseite der Marktkirche, Seil-
winder- und Packhofstraße zu queren, um beim alten Fackhof einen
zweiten Schnittpunkt mit dem Straßenzuge nach Herrenhausen zu er-
reichen, der ebenso wie der erste als kreisförmiger Schmuckplatz aus-
gestaltet werden sollte. Dem freigelegten ersten Schloßhofe sollte an der
Mühlenstraße bei den Mühlen ein Schloßplatz entsprechen in Form eines
Hufeisens, dessen Bogen in der Mittelachse südwärts geöffnet gedacht
war. Die den Schloßplatz beiderseits umschließenden Gebäude - links
ein Kollegiengebäude, rechts ein das Opernhaus verkleidender Bau mit
säulengetragener Unterfahrt und Eingang zum Opernhause - - waren mit
symmetrischer Fassadenausbildung geplant. Derartige Entwürfe be-
folgt eine Bemerkung über Haufälligkeit und Unansehnlichkeit der fünf herrschaft-
lichen Häuser neben dem Schloßopernhause. „Die Aufmerksamkeit des Beschauers
würde nach Ausführung des Vorschlages auf den Porticus gezogen. - Die kleinen
Häuser an der Schloßstraße können mit neu verbesserten Faqaden versehen
werden". Die Wache sei angelegt neben der Kirche Zugang mit vier dorischen
Säulen. In Ansehung der inneren Einrichtung des Schlosses sei zu bemerken: der
Haupteingang sei unmittelbar an der Straße. „Man gelangt mittels 40 Fuß breiter
Treppe zur Belle Etage in ein geräumiges Vestibüle. Zugleich liegt neben dem
Porticus auf der einen Seite die Einfahrt sowohl zum Hofe als zum Bez de Chaussee.
Auf der anderen Seite verhindert die Kirche eine solche Zufahrt." Die Folge der
Zimmer in der Beile-Etage werde nur wenigen Abänderungen unterliegen. Günstig
sei die Lage des Thronzimmers für die Erreichung durch den Konig.
Die Kirche werde um ein Stück vom Fond des Chores gekürzt. Die Faqade
richte sich nach dem vorherrschenden Style der Architektur, wodurch die hohen
Fenster in zwei Beinen zu verfließen annehmlicher erscheine.
Es scheine zur Zeit nicht möglich, eine mehr ausgezeichnete Architektur zur
Hauptansicht in Vorschlag zu bringen. Die Lage der Kirche auf der einen, des
Cammerflügels auf der anderen Seite sei ein Hindernis gewesen.
277
Leineschloß
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Abb. 182. Hannover; Leineschloß, Entwurf von Laves für die Leinstraßenfront; 182fi.
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Abb. 1H:{. Hannover; Leineschloß, Entwurf der Leinstraßenfassade mit der Überbrückung zwischen
Schloß und Altem Palais von Laves (Schloßbauakten). Phot. Prov.-Mus.
278
Leineschloß
schäftigten Laves seit 1<S2(S und noch 1828. Im Jahre 1820 plante er auch
die Umgestaltung der Esplanade südwärts des Schlosses zu einem Platze,
auf dem das Waterloo-Monument als Sichtziel sich erheben sollte. Von
allen Plänen ist nur dieser in voller Großzügigkeit zur Ausführung ge-
kommen. Zu verzeichnen sind an dieser Stelle auch die Lavesschen Ent-
Abb. 184. Hannover; Leineschloß, Front am Flusse mit dem Pavillon. Phot. M. 15. A., 1928.
würfe für einen Säulengang als Verbindung zwischen dem Leineschloß und Abb. is:5
dem Alten Palais an der Leinstraße.
Am 1. Mai 1830 legte die Schloßbaukommission endgültige Pläne über
die Ausführung aller Schloßfassaden vor, die gegenüber den Plänen von Abb. 185
1820 kleine Veränderungen an der Leinstraße und für die Südfront einige
bemerkenswerte Veränderungsvorschläge bringen, insofern der Südostteil
mit einer auf dem Uferkajen sich erhebenden Säulenhalle und einem Mittcl-
risalit, für das verschiedene Fassungen vorliegen, geplant war. Ausgeführt Abb. ist
ist nur der Pavillon mit dem Wintergarten.
279
Leineschloß
Die Entscheidung über die Lavesschen Vorschlüge legte der König
Wilhelm IV. 1<S,'3Ü in die Hand dos Herzogs von Curaberland und seiner
Gemahlin Friederike. Sic entschieden im Grundsätzlichen, daß zur
Abb. is.">. Hannover; Leineschloß, „Perspektivische Ansicht des Königlichen Schlosses mit einer Unter-
fahrt an der Lein-Straße zu Hannover", signiert von Laves. I'hot. Prov.-Mus.
Repräsentation der Schloßbau fortzuführen sei, während zur Wohnung
das gegenüberliegende vizekönigliche Palais an der Leinstraße, und als
Sommerresidenz das Schloß in Herrenhausen dienen sollte.
2S0
Leineschloß
Die Bauausführung ging daraufhin 1831 mit erhöhtem Eifer weiter.
Die Leinstraßenfront bei der Wache wurde noch im gleichen Jahre fertig;
der Portikus war 1833 vollendet. Abb
Das Obergeschoß diente seit 1831 als Kaserne und beherbergte die
Messen der Garderegimenter. 1834 konnte das zweite Obergeschoß zu
Festlichkeiten benutzt werden; auch Kunstausstellungen veranstaltete
man in einigen der Räume.
ISCi
Abb. 186. Hannover; Leineschloß, Portikus an der Leinstraße. Druckstock: Stadt. Verk.-Amt.
Der Innenausbau der Schloßkirche erstreckte sich durch die Jahre
1831 bis 1839.
Für die Lavessche Schloßrestauration wurden, wie v. Malortie sagt
(Btr., Heft 3, S. 192), nur einheimische ouvriers herangezogen. Bändel
erhielt Aufträge für plastischen Schmuck. Im Tanzsaale schuf er die Abb, i87/so
Hochreliefs mit den neun überlebensgroßen Musen, Terpsichore in der
Mitte; in der Schloßkirche die Rundreliefs aus Christis Lebensgeschichte.
Von auswärts holte Laves den Historienmaler Jacobs aus Gotha heran
(s. Hausmann, Erinnerungen, S. 140).
281
Leineschloß
\i>i>. igo Die Freilegung des nach der Königin benannten Platzes südwärts des
Schlosses lallt in das letzte Lebensjahr Friederikes, 1841, und fand 1847
ihren Abschluß^
Abb. i9i 1(S11 war der Hau des Schlosses bis zum Theaterflügel gediehen. Der
Weiterbau des symmetrisch zum Schloßkirchenflügel auszugestaltenden
Abb. IST. Hannover; Leineschloß, Schloßbrücke mit
Eisengußgeländer und Kandelaber von Laves, l'hol. l!)i:j.
Gebäudeteiles wurde LS 11 eingestellt, weil die Fortsetzung desselben den
Abbruch des alten Theaters erforderlich gemacht haben würde und vom
Könige beschlossen war, zuvor ein neues Theater zu errichten.
Inzwischen wurde der Abbruch der auf dem Platze stehenden Privat-
gebäude -- dabei das „Haus der Väter" (1852) — bis LS53 durchgeführt.
Das neue Theater auf dem Windmühlenberge an der Georgstraße ging
zum September 1852 seiner Eröffnung entgegen, so daß aufs neue an den
Abbruch des Opernhausflügels und die Weiterführung des Schloßbaues
282
Abb. 188. Hannover; Leineschloß, Tanzsaal. Pliot. 1005.
Abb. 180. Hannover; Leineschloß, Thronsaal. Phot. M.B.A., 1028,
283
Leineschloß
gedacht werden konnte. Georg V. gab auch im Juni 1852 Befehl, einen
Reservefonds dafür auf das Jahr 1853/54 bereitzustellen. Nach den Ent-
schließungen des Königs vom .Jahre 1853 war aber der Beginn der Bau-
fortführung noch in längerer Zeit nicht zu erwarten. (Schreiben des Ober-
Hof-Marschalls vom 22. Juli 1853.) Gleichwohl wurde 1854 der Abbruch
Abb. 190. Hannover; der Mühlen- (Friederiken-) Platz. Blick zwischen Leineschloß und Lyzeum hin-
durch um 1X30. Nach Aquarell im Stadtarchiv. Druckstock: IL ('■.
des Opernhauses vergeben und durchgeführt, dann die „Aptierung" des
Platzes bis 1 858 betrieben.
Am 3. November 1856 bekundet der König die Absicht, das Palais
Monbrillant abzubrechen und an dessen Stelle ein anderes zu erbauen. Die
Weiterführung des Schloßbaues an der Leine ist damit in den Hintergrund
getreten.
Das Leineschloß ging nach dem Kriege von 1866 in die Königlich
Preußische Verwaltung über. Den Westflügel pflegte der Prinz Albrecht
von Preußen zu bewohnen.
284
Schloßkirche
Der junge Herzog Christian Ludwig weihte am 10. Juli 1642 die ehe- sciilosskirche
nialige Barfüßerklosterkirche als Schloßkirche mit dem ersten lutherischen
Gottesdienst ein. Das Gotteshaus, das zuletzt als Zeughaus für den Rat
gedient hatte und durch den gottesdienstlichen Akt der evangelischen
Hofgemeinde gewidmet wurde (Landersh., PI. IV), war, wie Redecker
(Chron., S. 629) angibt, verkleinert worden. Man hatte vom Schiffe das
äußerste Jochsystem im Westen zum Palatium hinzugezogen.
S*>rf»ri W QsfSJt&bMW
ji|i|i|f|'l'ii|i| h- : — ! -
Abb. 191. Hannover; Leineschloß, Grundriß <U's Brdgeschosses. Aufnahme von litlo. Stadtbauamt.
Der katholische Herzog Johann Friedrich zog sogleich bei seinem
Regierungsantritt besonders ausgezeichnete Geistliche für die Schloßkirche
heran, die ihm auf seine Bitte beim Papste Clemens IX. aus dem Kapuziner-
orden gestellt wurden und auf Befehl des Herzogs eine eigene Kongregation
zu Hannover bilden sollten; es waren je zwei Deutsche, Engländer, Fran-
zosen und Italiener, dazu zur Bedienung vier Laienbrüder. Sie erhielten
ein Hospitium an der Leinstraße in Verbindung mit dem Chore der Kirche
und einen Garten mit neuerbautem Hause (1667, Abb. bei Zeuner) vor
dem Agidientor zugewiesen. Die Geistlichen sollten alle Pfarrfunktionen
versehen und unter dem 1667 in Hannover errichteten apostolischen
Vikariate stehen.
Die Schloßkirche wurde dem katholischen Gottesdienste gewidmet
und demgemäß umgebaut. Unter dem Chore ließ Johann Friedrich eine
Krypta für herrschaftliche Begräbnisse anlegen, in der Anfang 1667 die
28.")
Leineschloß
erste Einweihungsmesse zelebriert werden konnte. Köcher (Geschichte
von Hannover und Braunschweig, Band 2, Seite 39) zitiert einen Brief
Johann Friedrichs vom 12. August 1666, laut dem Bedogni mit dem Umbau
der Schloßkirche beauftragt war*). Ein neuer Altar wurde 1669 geschaffen
und in diesen hinein das noch jetzt vorhandene Gemälde von Lucas
danach eingelassen, das man aus der Alexanderkirche zu Einbeck ent-
nommen hatte. Der ältere Altar soll der Neustädter St. Johanniskirche
überwiesen worden sein (so Bedecker und Landersheimer, PI. IV). Außer-
dem stellte man zwei Messealtäre in der Schloßkirche auf. Die Orgel wurde
ausgebessert**); die ersten Aufführungen von Kirchenmusik fanden jetzt
statt. Um den Glanz des Gotteshauses zu erhöhen, ließ Johann Friedrich
den 1671 erworbenen Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lüneburg
der Schloßkirche überweisen; ebenso fand das wundertätige Marienbild
aus Hainholz hier seinen Platz.
Der Tod des Herzogs am 28. Dezember 1679 machte dem Bestehen
der Kapuziner-Kongregation in Hannover ein Ende; die Brüder verließen
am 7. Mai 1680 die Stadt. Die Trauerausstattung der Kirche für die
Beisetzung Johann Friedrichs ist bemerkenswert; bei den späteren Bei-
setzungen Ernst Augusts und Georgs I. war sie ähnlich. Die Tumba hatte
der Hofgoldschmied Conrad Hölling verfertigt; ein Castrum doloris war
in der Kirche mit kostbaren Tapeten und kunstvollen Gemälden, welche
die Taten des Herzogs verherrlichten, darüber errichtet, in dessen Um-
kreise 2000 Lichter auf kostbaren Leuchtern brannten. Pater Maternus
hielt die zweistündige Leichenpredigt (s. v. Malortie, „Der Hannoversche
Hof").
Der evangelische Gottesdienst ist durch Ernst August am 27. Juli 1680
wieder eingeführt worden.
Nach einem Brande im Jahre 1706, bei dem besonders die Oigel
gelitten hatte, ist eine umfassende Ausbesserung der Kirche durch Brand
Westermann vorgenommen. Thomas Biedeweg mußte damals 32 durch
den Brand beschädigte Leuchter ausbessern. Ebenso scheinen 1723/24
Veränderungen vorgekommen zu sein, für die erhebliche Summen in den
Kammerrechnungen verzeichnet sind.
Für die Veranschaulichung des Kircheninnern um die Mitte des
18. Jahrhunderts ist eine bei den Schloßbauakten liegende getönte Feder-
*) Nach neuen Forschungen von J. Studtmann über die Geschichte des Kon-
ventes (H. G. 1929, S. 111 ff.) war nach Bedogni auch Sartorio beauftragt (a. a. O.,
S. 132).
**) Durch den Orgelbauer Biermann in Springe. Auch ein Spinett für die Kirche
wurde angekauft. (Studtmann, a. a. O., S. 133.)
286
Schloßkirche
und Pinselzeichnung von Wert; vermutlich der Entwurf zu einem Gemälde, Abb. 192
das die Trauung einer zum Hofe gehörenden Persönlichkeit darstellen
sollte. Hier sind die Seitenschiffe großenteils durch zweigeschossige
Priechen gefüllt angegeben, davon diejenigen links an die Pfeiler des
Abb. 1Ü2. Hannover; Schloßkirche um 1750. Nach einer getönten Feder- und Pinselzeichnung
auf Papier, Blatthöhe 75 cm, im Staatsarchiv, Schloßhauakte, Mappe I. Pliot. 1925.
Mittelschiffes nicht heranreichend. Die Untergeschosse der Priechen sind
mit Gobelins verhangen. Auch auf dem Chor sind solche verwandt.
Die Altarriickwand schert vom Chor den hinteren Teil ab, der durch zwei
Türen beiderseits der Mensa zugänglich ist. Die fürstliche Kirchenloge
erscheint im Hintergründe rechts. Die 1830 entfernte barocke Kanzel ist
links der breiten, noch ungeteilten Chortreppe am Triumphbogen an-
gebracht.
287
Leineschloß
Durch die französische Besetzung ist der Kirche arg mitgespielt worden.
Damals abhanden gekommene Geräte und deren Wiederbeschaffung
betreffen Akten des Oberhofmarschallamtes aus den Jahren 1810 — 21
(Staatsarch., Repert. I, S. «SOI). Die Lavesschen Pläne von 1826 geben im
besonderen die äußere Verkleidung der Kirche hof- und straßeirwärts an;
sie wurden in abgeänderter Form mit sechs Fenstern an der Leinstraßen-
front am 15. November 1830 vom König Georg IV. genehmigt. Unter die
Genehmigung fällt auch eine Verkürzung des Chores zur Gewinnung eines
Zimmers für die Leibwache.
Am 19. April 1835 legte das Oberhofmarschallamt dem Kabinetts-
ministerium die Lavesschen Anschläge und Risse zum Ausbau der Schloß-
kirche vor, die das Innere im „Gothischen Style" herzurichten vorsahen.
Die Vorschläge bezogen sich auf eine Erweiterung der Fensteröffnung des
Königlichen Stuhles am Chore, auf Verschmälerung der Minister- und
Kavalierpriechen daneben, schließlich auf die Zurückziehung der oberen
Priechen, die freitragend werden sollten. Die Sitzreihen im Schiff sollten
mit zwei Gängen angeordnet werden. Dazu kommt die Ausschmückung
der oberen Wandfelder durch zwölf Medaillons mit Basreliefs in Gips aus
der Lebensgeschichte Jesu. Die Grablegung als Basrelief in Stein über
dem Zugange zur Gruft sollte erhalten bleiben; die Kreuzigung von Lucas
Cranach wieder auf dem Altar angebracht werden; die Kanzel war mit den
Evangelistenfiguren zu schmücken und der Raum des Königlichen Stuhles
mit der Kolossalgruppe ,,das Alte und das Neue Testament" auszustatten.
Zur Genehmigung dieser Vorschläge am 6. Juni 1835 kam etwas später
die Genehmigung Wilhelms IV., das Orgelgehäuse in gotischem Stile zu
erneuern. Ende des Jahres 1836 wurde Oesterley mit der Anfertigung
des großen Altarnischenbildes der Himmelfahrt betraut, einer auf zwei
Jahre geschätzten Arbeit.
Die Eröffnung der Schloßkirche nach diesen erheblichen Umänderungen
erfolgte am ersten Pfingsttage 1839.
Beschreibung Die Seitenwände der Kirche waren bereits 1831 durch Mantelmauern
verkleidet, denen Laves eine dreigeschossige Architektur bei sechs Achsen
gab. Das Schiff hat seine fast quadratische Grundfläche behalten.
Daran schließt sich der hochgelegene Chor, ebenfalls von quadratischer
Grundform, mit einem schmalen Sakristeiraum dahinter. Das alte Wölb-
system ist beibehalten. Durch den Einbau von Windfangwänden in den
Seitenschiffen und unter der Orgel sind an drei Seiten zugluftabschließende
Umgänge geschaffen, die gegen den Chor hin auch geschlossene Kirchen-
stühle enthalten.
Die älteren Bestandteile der Kirche sind durch Stuckverkleidungen
dem Geschmack englischer Gotik angepaßt: so die Pfeiler, Kapitelle und
288
Schloßkirche
Wandkonsolen. Die Wandflächen wurden in Maßwerkblenden aufgelöst;
die Gewölbefelder erhielten durch Antragen von Stuckrippen das Aussehen
von reichen Netzgewölben.
Auch an den hölzernen Einbauten, Windfängen und Priechen sind alle Abb. 193
Flächen in spitzbogigem Maßwerk aufgelöst oder durchbrochen. Die
zweigeschossigen Priechen in den Seitenschiffen sind zurückliegend und
Abb. 193. Hannover: Schloßkirche, Inneres. Phot. M.B.A., 1<)28.
freitragend angeordnet auf fächerförmig aus der Wand entwickelten
Hängegewölben. Unterseiten und Brüstung sind maßwerkartig gegliedert.
Die weit vorgezogene Orgelprieche mit Sängerbühne zeigt entsprechende
Behandlung.
Die Farbgebung ist stumpfweiß mit Gold.
Herzog Johann Friedrich übersandte 1669 an seine Schwester Sophie Aitar
Amalia von Dänemark ein von Hieronimo Sartorio gefertigtes Modell
19 289
Leineschloß
290
Schloßkirche
zu einem neuen Altar. Der ältere Altar*) soll der Neustädter St. Johannis-
kirche überwiesen worden sein. Der auf der obengenannten Zeichnung
abgebildete Altar stand vor einer niedrigen Scherwand, in der sich zwei
Türen mit Giebelverdachung befanden. Der Altaraufsatz enthielt das Bild
von Lucas Cranach. Durch Laves ist die Scherwand mit gotischem
Maßwerk in teilweise durchbrochener Arbeit ausgestattet.
Das Triptychon von Lucas Cranach d. Ä., von den Franzosen geraubt
und später ohne die Flügel, die heute im Provinzialmuseum sind,
zurückgegeben**), hat festen Rahmen. H. = 1,45, Br. = 0,93. Geöffnet: Abb. 194
Mitteltafel figurenreiche Kreuzigung; linker Flügel : geharnischter Ritter
(hl. Alexander), rechter Flügel: weibl. Heilige (S. Felicitas). Beide ohne
Attribute. Außenseiten : auf beiden Feldern das Martyrium der sieben Abb. 195
Söhne der hl. Felicitas.
Über die Herkunft des Triptychons aus der Alexanderkirche zu Ein-
beck (1667) s. F. Stuttmann, Zschr. f. B. Kunst 1928. Februarheft, S. 342.
Die ältere, barocke Fußkanzel (Holz) ist um 1834 beseitigt. Ihr Standort Kanzel
war an der nordöstlichen Seite des Triumphbogens. Achtseitiger Stuhl
mit Treppe und Schalldeckel (Skizze bei den Schloßbauakten, Mappe II).
Den Fuß bildete eine Figur des Moses mit den Gesetzestafeln; Treppen-
und Stuhlbrüstung waren durch Ohrmuschel- und Volutenwerk in Felder
aufgeteilt, die Unterkanten mit lambrequinartigem Schnitzwerk behängt.
Der achteckige Schalldeckel trug Volutenbügel und Figuren.
Eine ältere Orgel vielleicht die vorn schon genannte — scheint 1707 orgei
durch eine neue, von Silbermann erbaute Orgel ersetzt zu sein. Diese war
1835, soweit die Holzpfeifen in Betracht kommen, vom Wurme zerfressen,
so daß das Oberhofmarschallamt eine Umarbeitung empfahl. Das Gehäuse
ist dann durch Laves erneuert.
Bei der Einrichtung der Kirche zum katholischen Gottesdienst (1667) docke
wurde eine Glocke beschafft, die heute verschollen ist.
Die vorhandene Glocke, D.= 0,44, ist 1642 gegossen. Meister un-
genannt. Inschrift in lateinischen Großbuchstaben: GLORIA IN EX-
CELSIS DEO. ANNO CHRISTI 1642.
Nach von Malortie waren die von den Franzosen geraubten und ver- Gerate
schollenen Gefäße und Geräte durch den König Ernst August ersetzt
worden. Zur Franzosenzeit hatte man sie der Garnisonkirche geliehen.
Es waren: ein Kruzifixus aus Silber, 42 Mark schwer; zwei Kandelaber,
50 Mark schwer; ein Taufbecken, eine Weinkanne, mehrere Kelche mit
Hostiendosen und Schalen.
Grabplatte des Didericus de Rintelen, s. vorn S. 220 m. Abb. Grabplatte
*) Über die während der Kapuzinerzeit vorhanden gewesenen Altäre s. J. Studt-
mann, a. a. O., S. 132 f.
**) Hausmann, Erinnerungen S. 77 u. S. 98; v. Malortie, Beitr. z. Gesch. des
Br. -Lünen. Hofes, Hannover 1862, S. 187.
291
Leineschloß
Abb. 195. Hannover; Schloßkirche, Flügel dos Altarbildes von Lucas Cranach d. Ä.
Phot. Provinzialmuseum 1931.
292
Schloßkirche
Grabplatte des Valerio Maccioni, Titularbischofs von Marokko, f 1676,
des geistlichen Beistandes und Ratgebers des Herzogs Johann Friedrich,
ehemals vor der Krypta.
Über das wundertätige Bild einer thronenden Madonna s. Kirche zu Madonna
Hainholz.
Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig -Lüneburg, zum ge- Reliquienschatz
ringsten Teile orientalischen, meist niedersächsischen Ursprunges, 1671
durch Herzog Johann Friedrich angekauft und in der Schloßkirche auf-
bewahrt, wurde 1866 nach Wien, später nach Gmunden verbracht und
1930 dem Kunsthandel ausgeliefert. Näheres über diesen Schatz s.
Professor Dr. W. A. Neumann o. eist., „Der Reliquienschatz des Hauses
Braunschweig-Lüneburg", Wien 1891, bei Holder*). Der Reliquienschatz
umfaßte insbesondere 11 Vortragskreuze, 11 Tragaltäre, 14 Reliquien-
schreine, ferner Bucheinbände, Kopf- und Armreliquiare und Monstranzen.
Das sogenannte Weifenkreuz, 11. Jahrhundert, Gold, H.= 15 cm,
emailliert und mit Edelsteinen und Perlen besetzt.
Zwei sogenannte Gertrudenkreuze, 11. Jahrhundert oder Anfang
des 12. Jahrhunderts, Goldblech auf Holzkern, H. = 24,2 bzw. 24,5, mit
antiken Gemmen und Perlen besetzt.
Hauptstück des Schatzes war ein Kuppelreliquiar, H. = 150cm, be-
stehend aus einem Holzkörper, mit vergoldetem Kupferblech und Emaille-
platten belegt und mit Schnitzwerk aus Walroßzahn verziert. Arbeit eines
rheinischen Künstlers aus dem Ende des 12. Jahrhunderts.
Die Gruft unter dem Altar enthält sieben Särge. Hervorgehoben seien: sarge
Sarg des Herzogs Johann Friedrich, | 28. Dezember 1679. Meister:
Hofgoldschmied Conrad Hölling.
Sarg der Anna Sophia, ältesten Tochter Johann Friedrichs, | 24. März
1671. Bildhauerarbeit von Friedrich Grumbrecht, 1671.
Sarg des Kurfürsten Ernst August, f 24. Januar 1698. Kupfer ver-
goldet. Näheres s. v. Malortie, Der Hannoversche Hof, S. 199 — 211.
Sarg der Kurfürstin Sophie, f 8. Juni 1714. Kupfer versilbert und
vergoldet (s. v. Malortie, a. a. 0., S. 225 ff.).
Sarg des Königs Georg I., f 22. Juni 1727. Entwurf dazu von Reetz.
Seiten- und Kopfende sind so ausgeführt wie entworfen. Die Reetzschen
Entwürfe finden sich in einem Sammelbande in der Kgl. Ingenieur- und
Artilleriebibliothek zu Hannover (s. Biblioth.-Katal. der Technischen Hoch-
schule, Schlagwort: Katalog).
*) Neuere Publikation: „Der Weifenschatz" von O. von Falke. Rob. Schmidt,
Georg Swarzenski, Frankfurt a. Main 1930. Eine unter der Leitung von Fr. Gule-
mann vorbereitete Publikation farbiger Tafeln ist infolge der Ereignisse von 186ü
nicht zur Ausgabe gekommen.
293
Leineschloß
Sarg des Herzogs Ernst August IL, Bischofs von Osnabrück, f 1728;
so ausgeführt wie von Reetz entworfen.
Photographien der Särge sind mit besonderer Erlaubnis 1928 von
Johann Fr. Temming, Hannover, aufgenommen.
kleines Der Herzog Johann Friedrich hat sich um die Musikgeschichte
rHEATER Deutschlands hervorragende Verdienste erworben, einmal durch die
Einführung der Kirchenmusik in Hannover, besonders aber durch die
Begründung der Oper zu Hannover. Er ließ wahrscheinlich schon 1672
im Ballhofe zum ersten Male eine Oper spielen und war der Schöpfer des
Kleinen Theaters in den beiden Obergeschossen des Leinepavillons am
dritten Schloßhofe.
Der Schloßflügel, in dem diese auch als „Theatrum für die Comoedien"
bezeichnete Kunststätte sich befand, wurde, wie erwähnt, 1677 unter Dach
gebracht; wahrscheinlich folgte der innere Ausbau im Jahre darauf.
Unter Ernst August wurden hier Opern und französische Komödien
gegeben.
Auf der 1740 von J. F. Jungen hergestellten Schloßaufnahmezeichnung
erscheint das Kleine Theater mit gestelzt-halbkreisförmigem Parterre; der
Bühnenraum ist leinewärts gelegt. In den Zwickeln der Umgänge finden
sich die Treppen zu den Rängen und zum Boden, wie es in den älteren
italienischen Beispielen, dem Teatro olimpico in Vicenza und dem Teatro
Farnese in Parma, der Fall ist. Das Kleine Theater hatte „inVier Wanderun-
gen" 60 Logen mit je vier Plätzen; unten standen sechs Bänke für 48
Personen. Erleuchtet wurde das Haus durch vier messingene Kronleuchter,
sogenannte venetianische Lampen, welche „des Butzens nicht nöthig
hatten" (Fischer, Musik in Hannover, S. 10).
Die Urheberschaft an dem Theater dem Hieronimo Sartorio
zuzuschreiben, der der Palladioschule entstammte, liegt um so näher, als
er den Schloßflügel überhaupt erbaut hat. Auch als Schöpfer der Maschinen
und Dekorationen wird Sartorio genannt. Er ging 1685 ab und soll in
sächsischen Diensten Operndekorationen geschaffen haben (s. darüber
Fischer, a. a. 0., S. 15 und 23).
Das Kleine Theater blieb neben dem späteren Schloßopernhause
bestehen und wurde sogar zur Zeit, als dieses im Bau war, 1688/89,
mit neuen Logen versehen und neu dekoriert. Es war die „Decke perspekt.
(ivisch) mit Col.(onnen) mit einer Gall.(erie). Darauf wieder eine Gall.(erie)
und Luft mit Kindern" (Pitzler, Hdschr., S. 486. Der Hinweis auf Pitzler
wird dem Privatgelehrten Joh. Fr. Temming verdankt). Erst die fran-
zösische Besetzung lieferte das Kleine Theater durch die Belegung mit
Soldaten der Zerstörung aus. Es scheint dann der Gedanke aufgetreten
294
Schloß-Opernhaus
zu sein, es zum Speisesaal umzubauen; dahinzielende Entwürfe von
Friedrich Weinbrenner finden sich bei den Schloßbauakten. Der Neubau
des Schloßflügels durch Laves hat auch den Raum beseitigt.
Das Kleine Theater genügte für die Aufführung von Opern zwar von schloss-
vornherein nicht, doch ließ nach Johann Friedrichs Tode der Herzog °1>ERNHAUS
Ernst August es dabei bewenden. Italien bot ihm zur Genüge große
Opernaufführungen.
Um den Herzog von seinen kostspieligen Reisen abzubringen, schlugen
ihm 1686 seine Geheimen Räte den Bau eines eigenen Opernhauses in
Hannover vor, in dem er den italienischen Karneval im kleinen in Szene
setzen konnte. Zur Beratung des Planes reiste der Herzog nach Wolfen-
büttel, wo ein großes Theater für 2500 Personen und mit 5500 Lichtern
bestand.
Der Neubau wurde ins Werk gesetzt, nachdem das den dritten Schloßhof
südöstlich begrenzende Melchior von Wintheimsche Grundstück durch
Kaufvertrag vom 23. Dezember 1687 erworben war.
Die Frage nach dem Architekten des Schloßopernhauses macht
folgende Daten wichtig: die erste Baurechnung ist noch in der Christwoche
1687 aufgestellt; die erste Aufführung im neu erbauten Theater war die
Oper ,,Henrico Leone" vom Abbate Steffani im Januar 1689 - wie
sichergestellt ist durch Briefe der Herzogin Sophie an Leibniz vom 2. und
27. Januar 1689 (alter Rechnung). Der Bau, in welchen die im Schlosse
belegene, von Leibniz verwaltete Bibliothek mit einbezogen wurde, war
im Mai 1690 abgeschlossen.
Einen in der Königlichen Bibliothek zu Dresden (Handzeichnungenv
Theaterband) befindlichen skizzenhaften Theatergrundriß, der dort als
der des hannoverschen Opernhauses bezeichnet ist, hat C. Gurlitt abgebildet
in „Geschichte des Barockstils in Italien", I., Fig. 197; „Plan des Theaters
zu Hannover, 1686 von Thomaso Giusti erbaut". (Das Datum stimmt
nach dem Mitgeteilten nicht.) Hammitzsch („Der moderne Theaterbau",
Berlin 1906, S. 133 f.) sieht Giusti als den Schöpfer an. Den Dresdener Plan
hat er als den des Kleinen Theaters identifiziert.
Giusti als Ausmaler der Innenräume in Anspruch zu nehmen, ist der
Zeit nach angängig, da sein erstes Auftreten in Hannover noch in den
Anfang des Jahres 1689 fällt. Seine ersten Arbeiten waren Dekorationen
und Maschinerien.
Die äußere Architektur des Opernhauses glich sich hinsichtlich der
Schauseite an der Leinstraße dem von Johann Friedrich erbauten Flügel
hinter dem Chor der Schloßkirche an und erforderte keine besondere
Leistung. Um die Innenarchitektur lediglich hat es sich handeln können
bei der Heranziehung des Wolfenbütteler Theaterbauers Santorini, der in
295
Leineschloß
der Kammerrechnung von 168(S/(S9 genannt wird („dem Theatro bawern
Santorini"). Auch der kurheidelbergische Architekt Wächter, der seit 1688
an Stelle von Sartorio bei Hofe eingetreten war, 1690 aber schon verstarb,
wurde hinzugezogen. Vermutlich stand dieser unter dem Einfluß franzö-
sischer Schulung. Er scheint sich durch die Fälligkeit, große Räume
flach zu überdecken, ausgezeichnet zu haben*).
Zeitgenössische Reisende rühmen die Pracht des neuen Theaters zu
Hannover. „Das Opernhaus funkelt vor lauter Golde", schreibt Blumen-
bach in seinen Reiseberichten vom Jahre 1692 (Tentzels „Monatliche
Unterredungen vom Jahre 1692"). Der Abbe J. Toland (1702), der
Operndichter B. Feind (1708) stimmen in ihrem Lobe des Theaters
überein. Auch die Herzogin Sophie und die Lady Montague finden es
schöner als das in Brüssel und in Wien. Lebendig schildert ein Brief der
Gräfin Aurora v. Königsmarck vom Jahre 1693 das Bild des Opernhauses
(Die Mutter der Könige, Langewiesche). Als Fachmann äußert sich Sturm
in seinen Architektonischen Reiseanmerckungen 1719: das hannoversche
Theater gebe dem Opern Hause bei den Thuillerien, das doch unstreitig
das herrlichste in Europa sei, „an prächtigem Aussehen nichts nach".
Auf Sturm bezieht sich Joh. Friedr. Penther im vierten Teil seiner
Anleitung zur Bürgerlichen Baukunst (Augsburg 1748), S. 53. Er gibt
dazu vom Hofopernhause zu Hannover drei Risse in Kupfer, die „auf
Abb. i9t;, 197. 198 Ordre eines hohen Gönners" der mehrfach genannte J. F. Jungen im
Mai 1746 aufgenommen habe (Tafel 78, 79, 80).
Nach dem hier gegebenen Grundriß war das Parterre halbkreisförmig.
Der Hauptzugang öffnete sich vom dritten Schloßhofe aus durch eine
Vorhalle in Höhe des Proszeniums. Das Bühnenhaus erstreckte sich
leinstraßenwärts. Das Parterre war zuerst ohne Steigung und ist erst 1785
gehoben worden. Der Umgang hinter den Logen war von da aus durch
eine sechsstufige Treppe unterhalb der herzoglichen Loge zu erreichen.
Die Treppen zu den oberen Umgängen fanden sich in den Zwickeln des
Gebäudes.
Außer Parkett und Parterre waren vier Ränge da, von denen die drei
unteren je 15, der oberste Rang nur 17 Logen enthielten. Nach oben treten
die Ränge mehr und mehr zurück, die Logen erhalten geringere Tiefe,
die Umgänge geringere Breite. Die Decke ist flach und am Dachstuhl
aufgehängt. Für den großen Kronleuchter ist eine quadratische, durch
Balustraden umfriedigte Öffnung vorhanden. Das Haus war in rotem
Maroquin mit vergoldeten Blättern tapeziert. Die Logen des Hofes waren
„von goldglänzenden Skulpturen und mit Wandbekleidungen aus mit
feuerrotem Sammet gestreiftem Goldstoff bedeckt". Die Beleuchtung
''') Über J. Peter Wächter s. Mittheilungen zur Geschichte des Heidelberger
Schlosses, Heft I, Heidelberg 1885, S. 189 f. 210, Heft III, Heidelberg 1893, S. 1 ff.
296
A
S
Tafel 8
Schloß-Opernhaus
geschah durch Wachslichter, Hamburger Talglichter und Fackeln, von
2x6 Figuren gehalten, die auf den Postamenten der Parterrebalustrade
standen. Der Zuschauerraum bot etwa 1300 Personen Platz. Als Vorzug
wurde die Akustik gerühmt.
Im Bogen der Bühnenöffnung war eine geraffte Draperie aufgehängt
mit der gemalten Inschrift: „Ernestus Augustus D. g. Episcopus. Dux
Br. et Luneb. MDCXC". Darüber in Holz oder Stuck das herzogliche
Wappen; den Fürstenhut halten zwei schwebende Putten, die Wappenzier
wird als Draperie von anderen Putten gehalten.
Der Vorhang wurde gehoben, nicht gerollt. Die Bühne teilte sich in
ein „vorderes" und ein „hinteres Theatrum". Die Teilung beider wurde
durch die „großen Schiebers" bewirkt, welche wie die Kulissen auf in
Binnen laufenden Wagen vorziehbar waren und in der Mitte zusammen-
stießen.
An der Schaffung der Maschinen und Dekorationen ist außer Thomaso
Giusti noch der Wolfenbütteler Maler Johann Oswald Hermes*), der
1688/89 in Hannover war, beteiligt; Sturm (Arch., Anm.) stellt ihn
überschwenglich neben den großen Italiener Pozzo. Der von Bamberg -Tafel s
1789 gemalte Vorhang, der anfangs gerollt wurde, hatte dadurch gelitten;'
*) Harms, geb. zu Hamburg um 1642, geschult in Rom, gest. 1708 in Hamburg.
Abb. 196. Hannover; „Grundriß des Hanoverischen Schloß -Opern -Hauses". Nach Penther, III.,
Tafel LXXVIII.
297
Leineschion
Abb. 197. Hannover; Leineschloß, „Durchschnitt des Hanoverischen Schloß-Opern-Hause? der Quer nach*
Nach Penther, III., Tafel LXXIX.
298
Schloß-Opernhaus
C
299
Leineschloß
er wurde 17(.)f) übermalt und zum Heben eingerichtet. 1<S51 ist er in das
neue Hoftheater auf dem Windmühlenberge übernommen, 18% aber in
das Kestnermuseum zur Aufbewahrung gebracht*). Von Giusti war nach
Schuster noch 1802 eine Dekoration vorhanden. (Ausführlicheres über
die Einrichtung des Theaters s. Hammitzsch, „Der moderne Theaterbau",
Berlin 1906, S. 133 f., ferner bei Ebel, „Denkmalpflege" 1914, Nr. 8 und
Nr. 9.) Unter den die Hofbausachen betreffenden Akten des Oberhof-
marschallamtes (Vermögensverwaltung) finden sich weitere Nachrichten
über Dekorationen und Maschinerien 1742 — 85, Veränderungen und
Reparaturen 1802 — 30. Im Staatsarchive zu Hannover (Karten I. A.
b. 72) eine Sepiazeichnung des Opernhauses von der Seite des umgebauten
Laboratoriums**) 1797 von Flügge.
Skizzen von der Ausstattung des Hof Opernhauses hat 1802 Ramberg
gezeichnet (Vaterl. Museum). 1820/21 war das Logenhaus neu in Weiß
und Gold dekoriert, und Ramberg hatte in den Plafond fünf allegorische
Figuren mit kleinen Genien gemalt: Trauerspiel, Lustspiel, Musik,
Tanzkunst und eine die Kritik besänftigende Lenitas. Das Proszenium
stellte nach Rambergs schriftlichen Erklärungen Natur und Wahrheit
mit der Statue der Isis auf der einen Seite dar, während auf der anderen
eine Sylphide mit den Attributen der Künste gebildet war. Das kur-
fürstliche Wappen über der Bühnenöffnung war durch das königliche
ersetzt; die Mittellogen des ersten und zweiten Ranges wurden in eine
einzige Loge für den König Georg IV. umgewandelt, dessen Besuch in
Deutschland 1821 erwartet wurde. 1838 erweiterte man die Königsloge
durch Hinzuziehen der Nachbarlogen nochmals und zog sie in das Parterre
vor. Die sämtlichen Logen erhielten damals einen neuen weißen Anstrich
mit himmelblauen Arabesken und silbernem Ornament. Plafond, Vorhang
und Proszenium wurden restauriert.
Am 27. Juni 1852 fand die letzte Vorstellung im Schloßopernhause statt,
und am 8. Dezember 1852 befahl Georg V., den Theaterflügel abzubrechen.
Der Abbruch selbst geschah aber erst nach der Vergebung der Arbeiten
am 1. März 1854.
Rittersaal Die Zeit, in der Herzog Ernst August den sogenannten Klosterflügel
in Massivbau neu errichten ließ, liegt zwischen 1685 und 1688. Die end-
gültige Fertigstellung des in diesem Flügel untergebrachten großen oder
Abb. i9<» Rittersaales, auf den ein besonderes Aufgebot von Prachtentfaltung und
Kunst verwendet wurde, steht vermutlich im Zusammenhange mit der
Huldigung, die Ernst August als Kurfürst sich in großer Cour mit nie
*) Er ist seit 1918 wieder in Gebrauch.
**) „woselbst ehemalen von den jungen Herrschaften Chymische Experimente
gemacht."
300
Rittersaal
301
LeinesclilolJ
Abb.
gesehenem Pomp vom 9. bis 19. Dezember 1692 darbringen ließ (Hedecker
nennt den Rittersaal schon 1680, s. II. G. 1906, S. 165). In seiner Stuck-
decke birgt der Rittersaal die beute einzige und wertvollste barocke
Ausstattung, die im Schlosse erhalten ist. Sie läßt auf die Art der damaligen
>oo Ausstattung anderer Räume einen Schluß zu. Als ausführende Meister
Abb. 2l)li. Hannover; Leineschloß, Rittersaal, Deckenausschnitt. Phot. 11105.
dieser Arbeiten müssen Dossa Grana und Jacopo Perinetti angesehen
werden; während vielleicht an die künstlerische Urheberschaft des durch
seine Tätigkeit in Celle am Schloß und an der Stadtkirche bekannten
Tornielli zu denken ist. (Perinettis und Torniellis Art charakterisiert
Bleibaum, a. a. 0., S. 16.) Eine „Delynyrung vom großen Saale im Leine-
schlosse zu Hannover" ist, den Kammerrechnungen nach, 1685/86 durch
den hamburgischen Kupferstecher Lange gefertigt (Schuster, K. u. K.,
302
Rittersaal
S. 215), aber anscheinend verschollen. Von der Ausstattung des Ritter-
saales hatte der König Jerome den kostbaren Gobelin entführen lassen,
der zu Hannover auf dem Reithause unter dem Meister Manjac, zur Zeit
Georg Ludewigs, verfertigt war und zur Wandbespannung gedient hatte.
Ihn wieder herbeizuschaffen, hat man sich nach den Freiheitskriegen
vergeblich bemüht. Spilcker berichtet (a. a. 0., S. 440), der Gobelin habe
aus zwei Hauptstücken, eines mit einer Szene aus dem Leben Georg
Ludewigs, das andere mit einer solchen aus dem Leben seiner Mutter,
der Kurfürstin Sophie, bestanden.
Der Erhaltungszustand des stukkierten Schmuckes hat unter Laves
einige Ergänzungen gefordert. Dieser hat auch Rüder aus dem Jagd-
schlosse Göhrde nach dessen Abbruch im Rittersaale 1827 — 41 angebracht,
die heute nicht mehr dort sind. Nach Abschluß der Arbeiten wurde am
29. Dezember 1836 ein Bericht über den Schloßbau nach St. James an
Wilhelm IV. übersandt, der auch eine ausführliche Beschreibung des
Rittersaales enthielt. Am 12. August 1836 hatte zum ersten Male das
Ordenskapitel im Saale stattgefunden (Staatsarch., Des. Hannover 118).
Eine lithographierte Zeichnung des Rittersaales im damaligen Zustande
von Molthans Hand mit einer Beschreibung dazu wurde im Hann. Magazin
von 1837, Nr. 24, veröffentlicht. (Ein Exemplar der Lithographie im
Stadtarch., K. S. Mappe 6, Bl. 15.)
Unter preußischer Herrschaft ist eine abermalige Instandsetzung
erfolgt, bei der an Stelle der weifischen Ahnenbilder die Bilder branden-
burgischer Kurfürsten und Markgrafen in die Medaillons der Deckenvoute
eingefügt wurden. Nur die hannoverschen Städte- und Ritterschafts-
wappen blieben an ihrem Platze. Die weifischen Ahnenbilder werden in
der Gemäldegalerie zu Herrenhausen aufbewahrt.
Der langrechteckige Saal reicht vom ersten Obergeschoß in das zweite
mit seiner Decke hinein, die in Form eines hohen Spiegelgewölbes mit
Stichkappen über einem durch Laves erneuerten Friese angesetzt ist.
Die Längswände sind nach dem Verluste der Gobelins nach Maßgabe der
rechteckigen Lichtöffnungen an der Hofseite aufgeteilt und tragen oberhalb
eines Paneels von dunklem Marmorstuck hochplastisch modellierten Felder-
schmuck; die den Fenstern entsprechenden Nischen haben in stukkierte
Holzrahmen gefaßte Spiegel. Die Kopfwände enthalten je einen Kamin
als Mittelstück zwischen hochrechteckigen Türen. Die Stuckarbeiten
- auch die einzig alten der Decke - - sind ohne Vergoldung.
303
Residenz-Palais' und Ablagen
Die Landesherrliche Familie fand bis zur Übersiedlung nach England
vollständig Wohnung im Leineschloß und hielt dort sogar für den Besuch
auswärtiger Familienangehöriger dauernd Räume bereit. Für die Sommer-
zeit stand daneben das Schloß in Herrenhausen zur Verfügung (s. unter
diesem Titel). Als Dependancen dienten der Osnabrücker Hof, der Kleine
und der Große Fürstenhof (s. darüber w. u.). Zur Unterbringung fremder
Gesandter hielt der Kurfürst Ernst August das Gesandtenhaus an der
Leinstraße (s. darüber w. u.). Als die späteren gelegentlichen Besuche der
Landesherren von England aus, die für die Residenz Festeszeit bedeuteten
(s. darüber „Freudenbezeugungen" 1728), den Zustrom höfischer Gäste
so stark machten, daß deren Unterbringung schwierig wurde, unterstützte
Georg II. den Bau eines vornehmen Gasthofes auf der Neustadt, des soge-
nannten British Hotel (s. Seite 644).
Die Frage der Residenz eines Königs zu Hannover, für die im Hinblick
auf die bevorstehende Auflösung der Personalunion mit England Vorsorge
zu treffen war, wurde 1830 dahin entschieden, daß als Wohnung des
künftigen Königs das bisherige vizekönigliche Palais an der Leinstraße
auszuersehen sei. Es hat bis zum Tode des Königs Ernst August 1851 als
Residenz gedient. Nach der Vermählung des Kronprinzen Georg kamen
als Residenzpalais andere bereits bestehende Gebäude hinzu, die wieder-
holt gewechselt haben: der Fürstenhof, das Wangenheimsche Palais und
das Palais an der Adolfstraße. Georg V. hat als König das väterliche
Palais an der Leinstraße nicht bezogen; er residierte zu Herrenhausen und
ließ 1859 den Bau eines neuen Residenzschlosses an Stelle des Schlößchens
Monbrillant ins Werk setzen (s. Herrenhausen).
„Altes Palais an der Leinstraße", Leinstraße 29.
Das Alte Palais an der Leinstraße umfaßt mehrere Grundstücke und
besteht in der Hauptsache aus dem ehemaligen von dem Busscheschen
Palais, das selbst wieder drei brauberechtigte Grundstücke einnimmt (das
Palais ist behandelt unter „Höfe und Häuser des Adels", Seite 423).
304
Altes Palais
Nach dem 1766 erfolgten Tode des Staatsministers von dem Bussche
verkauften seine Erben im Jahre 1786 das Palais an den Herzog Friedrich
von York, zweiten Sohn Georgs III. In der Zeit von 1 768 bis dahin hatte
der Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz, der Vater der späteren Königinnen
Abb. 201. Hannover; „Plan de<j Palais de son Altesse Roiale le Prince FREDERIK Duc de York etc.
Gez. 1785 von Hogreve. Archiv der Verm.-Verw.
Luise und Friederike, die in diesem Hause geboren sind, mietweise dort
gewohnt.
Das vergrößerte Haus kam 1797 an den Oberkommissär Eckhard Abb. 202
(späteren v. Eckhardstein), 1799 an die Königliche Kammer; der König
überwies es am 10. September 1802 dem Herzog Adolf von Cambridge
als Geschenk.
20
305
Residenz-Palais' und Ablager
Herzog Friedrich von York erwarb das dammstraßenwärts benachbarte
Grundstück, Leinstraße 294, im Jahre 1789 hinzu, ließ das daraufstehende
Haus abbrechen und an seiner Stelle den Südflügel an das Palais anbauen,
einschließlich der Gebäude des rückwärtigen Hofes*). (S. den Grundriß,
Abb. 201, 1785. Herzogl. Verm.-Verw.)
Das Nachbargrundstück an der anderen Seite, Leinstraße Nr. 290,
wurde von diesem 1818 hinzuerworben; der zweite Flügelbau entstand
Abb. 203 erst jetzt, nachdem das Oberhof kommissär Tielingsche Haus abge-
brochen war.
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Abb. 202. Hannover; Altes Palais an der Leinstraße. Nach Zeichnung von Flügge 1799, Akten der
Verm.-Verw.
Nach Vollendung dieses zweiten Flügels ließ der Herzog den bis dahin
in der Mitte des Palais belegenen Eingang schließen und auf dem Mittel-
risalit das große, in Stein gehauene Alliancewappen in halbkreisförmiger
Umrahmung, das außer dem eigenen das Wappen seiner Gemahlin,
Abb. 204 Auguste, geb. Prinzessin von Hessen-Kassel, enthielt, anbringen. Darauf
sind die Signaturen eingemeißelt: G. L. F : LAVES DESS : JUNY : 1820 /
A. HENGST ET E.TAENTZEL SCULP :
*) Spilcker, a. a. O., Seite 501, Anmerkung, teilt mit: Verona aus Berlin soll
für die inneren Verzierungen 30 000 Reichsthaler erhalten haben.
306
Altes Palais
Die neue Zweckbestimmung bedingte wiederum einige Veränderungen Abb. 205
im Innern. In der Ausstattung der Räume ist Laves' Hand zu erkennen.
Ebenso in der Architektur der Hofgebäude.
Der Name ,, Palais an der Leinstraße" tritt nach Abschluß der Restau-
ration auf. Es wird schon 1830 in einem Schreiben Georgs IV. an das
Ministerium zu Hannover (15. Nov.) die Frage bejaht, ob nicht das Palais
des Herzogs zur Wohnung des Regenten herzurichten sei. Von der Ein-
richtung „zur Wohnung für einen in hiesiger Stadt künftig residierenden
König" ist 1832 zuerst die Rede.
Abb. 203. Palais an der Leinstraße. Grundriß des Obergeschosses nach der Lavesschen Planung von 1818.
König Wilhelm IV. schloß mit seinem herzoglichen Bruder am 20. Juni
1830 einen Kaufvertrag, laut dem das gesamte Palais einschließlich des
Ameublements Eigentum der Krone wurde. Der Vizekönig blieb indes
gegen einen Zins im Palais wohnen, das ihm als Winterresidenz diente.
Im Jahre 1837 bezog Ernst August als König das Palais, das auch er zur
dauernden Winterresidenz nahm.
Im gleichen Jahre wurde das Schreihagensche, früher v. Arnswaldtsche
Haus am Markte (Nr. 13) und zwei Hintergebäude zur Erweiterung des
307
Residenz-Palais' und Ablager
Grundstückes und zur Gewinnung eines Ausganges nach dem Markte
hinzugekauft (s. über dieses Palais S. 121).
Im Palais an der Leinstraße starb 1<811 die Königin Friederike und
zehn Jahre später der König selbst. Nach des Königs Bestimmung sollte
es fortab als Residenz nicht mehr benutzt werden. In den oberen Räumen
wurde 1853 die Kgl. Privatbibliothek samt der Kupferstichsammlung auf-
Abb. 201. Hannover; Altes Palais an der Leinstraße.
Phot. M.B.A., 1928.
gestellt; in den folgenden Jahren auch die Waffensammlung und das
Münzkabinett. Der Südflügel nahm von 1859 — 66 das Ministerium des
Kgl. Hauses auf. Bis 1866 benutzte die englische Gemeinde einen Saal zu
ihren Gottesdiensten. Seit 1893 sind die Büros der Vermögensverwaltung
des Herzogs von Cumberland hier untergebracht.
308
Altes Palais
Abb. 205. Hannover; Palais an der Leinstraße. Querschnitt um 1832 nach der Lavesschen Instand-
setzung. Cumberl. Verm.-Verw. Phot. 1926.
:;<)'.)
Residenz-Palais' und Ablager
Aus einem „Inventarium des sämtlichen Meublements im Palais usw.,
neu aufgenommen im Juny 1832" bei den Akten (Staatsarchiv, Des.
Hannover 118. 4) sei auszugsweise vermerkt: „Belle Etage: alter Marmor-
saal (hofwärts) Wände von gemischtem Marmor mit Verzierung. Fuß-
boden getäfelt und kariert. Plafond decorations-Malerei. — Gelbes Zimmer
(straßenwärts): Lambries; Thüren mit weißer Oehlfarbe; Fußboden ge-
täfelt und künstlich ausgelegt; Plafonds decorations-Malerei, harmo-
nierend mit dem Fußboden. Tapete von gelbgestreiftem seidenen Dam-
mast mit vergoldeten Leisten unten und oben eingefaßt, — rothes Zimmer
(straßenwärts), grünes oder Balcon-Zimmer (straßenwärts): Lambris und
Thüren mit weißer Oehlfarbe angestrichen; Fußboden getäfelt und mit
verschiedenem Holz ausgelegt; Plafond vermalt, Tapete von grün seidenen
Dammast mit gelbseidenen Blumen Körben, die Einfassung mit ver-
goldeten Leisten - - hellblaues Zimmer — dunkelblaues Zimmer — usw.".
Zum Marmorsaal ist bemerkt: das in diesem Saal befindliche Meublement
ist noch alles von der ersten Einrichtung: jedoch bei der ersten Restauration
neu vergoldet und mit neuem Dammast überzogen."
Das Obergeschoß des mittleren Gebäudeteiles, das heute im wesent-
lichen die Fideikommißbibliothek beherbergt, ist, soweit die feste Aus-
stattung in Betracht kommt, so erhalten, wie aus dem Inventarium zu
ersehen ist*). (Pläne s. Staatsarch., Schloßbauakte Mappe III.)
Neues Palais, Friedrichstraße 17.
Bei der Thronbesteigung Georgs V. erwarb die Krondotation das
v. Wangenheimsche Gewese als Residenz für die Königliche Familie und
arrondierte das Gründstück durch Austausch mit dem ostwärts benach-
barten Grundstück des Kammerherrn Baron v. Campe. Das so ver-
größerte Besitztum der Krone erhielt seitdem die amtliche Benennung
,, Residenz-Palais". Am Wohnhaus wurde lediglich das Wangenheimsche
Abb. 206 Wappen im Giebeldreieck durch das vom Bildhauer Dopmeyer ange-
fertigte Königliche Wappen**) ersetzt. (Das Wangenheimsche Palais ist
behandelt auf S. 433.)
Das im Jahre 1856 als Wohnung für den Kronprinzen Ernst August hin-
zuerworbene von Campesche Wohnhaus (s. unter Friedrichstraße 16) —ein
Fachwerkbau — wurde durch denHofbaumeisterVogell mittels eines Über-
baues über der Durchfahrt mit dem Palais in Verbindung gesetzt. Das ehe-
mals Hof baurat Wittingsche Haus am Himmelreiche diente als Kavalierhaus.
*) 11 Bl. Zeichnungen in Rollen mit Beschreibung von Molthan a. d. J. 1871.
Wertvoll der Schnitt, 1856. Fassadenzeichnung von 1833 ist Kopie, kann aber
zur Ergänzung des Originales in derVerm.-Verw., cumberl. Seite, gebraucht werden.
Sonst sind es Grundrisse.
**) Später durch das jetzt vorhandene, städtische Wappen.
310
Neues Palais
Als Georg V. 1862 seine Residenz dauernd in Herrenhausen nahm, ging
das gesamte Besitztum an den Magistrat der Stadt Hannover über, der
es seit 1863 als „Neues Rathaus" benutzt hat.
Abb. 20<). Hannover; Friedrichstr. 17, ehem. Neues Palais, Teilbild der Fassade. Phot. M. B. A., 1928.
Das ehemalige v. Wangenheimsche Palais ist ein dreigeschossiger Beschreibung
Massivbau von 4 + 5 + 4 Achsen bei kaum vortretendem Mittelrisalit. Das
Erdgeschoß hat Quaderrustika und vor dem Risalit, den Mitteleingang
monumentalisierend, einen Säulenvorbau von sechs kannelierten, toska-
nischen Säulen auf zweistufigem Stylobat mit reichem Gebälk, das einen
durch gußeiserne Balustrade umhegten Balkon bildet. Mitteleingang mit
zweiflügeliger Tür in Lavesscher Ornamentik s. Abb. 207. Die Übergeschosse
311
Residenz-Palais' und Ablager
haben geputzte Außen-
flächen. Das Hauptsims,
weit ausladend mit Zahn-
schnitt und Konsolen,
wird im Mittelrisalit durch
einen flachen Dreiecks-
giebel überhöht, in dem
zwischen klassizistischem
Rankenwerk ehemals das
Wangenheimsche Wappen
angebracht war, das 1852
durch das königliche ersetzt
wurde. Die ursprünglich
noch flachere Dachneigung
ist 1897 durch Ausfutterung
der Sparrenlage verringert.
Die Hauptgeschosse sind
mit hochrechteckigen Licht-
öffnungen im Risalit
mit Dreiecksverdachung, im
übrigen mit waagerechten
Simsen - versehen. Das
zweite Obergeschoß hat
mezzaninartige niedrigere
einfache Fenster. Das Innere
birgt in der Mittelachse eine
säulengetragene stukkierte
Vorhalle und das Treppen-
haus mit dreiarmiger, von
l|
;
*ii :£. ü-
■vag**
Abb. 207. Hannover; Friedrichstr. 17. Eingangstür.
Aufgenommen und gezeichnet 1912, D.
Abb. 208 gußeisernem Geländer geschützter Treppe. Der Festsaal seitlich davon
mit flach vortretenden Wand vorlagen ist 1863 zum Sitzungssaal eingerichtet.
Ernst-August-Palais.
An der etwa 1833 zur Bebauung instand gesetzten Adolfstraße hatte
der Hofmaurermeister und Senator Täntzel im Jahre 1836 zwei Wohn-
häuser nebeneinander errichtet. Beide suchte 1839 das Oberhofmarschall-
amt zu erwerben, doch kam vorläufig nur der Kauf des dem Leibniz-
monumente zunächst belegenen Hauses zustande, das die hofamtliche
Abb. 209 Bezeichnung Ernst-August-Palais erhielt und von dem Kronprinzen
Georg in den Jahren 1841 bis zu seiner Vermählung 1843 bewohnt wurde.
Nachdem 1845 der Ankauf auch des zweiten Hauses gelungen war,
erhielt der Hofbaumeister Molthan den Auftrag, einen Vereinigungsplan
312
Ernst-August-Palais
für beide Häuser zu entwerfen; er hat danach das neu angekaufte Haus
durch ein Saalgebäude mit dem anderen in Verbindung gebracht. Nach
der Fertigstellung und Einrichtung des vergrößerten Palais, 1847, bezog
es das kronprinzliche Ehepaar, dem inzwischen ein Sohn geboren war, und
wohnte hier bis zur Thronbesteigung 1851.
Abb. 208. Hannover; Neues Palais, Friedrichstraße 17, Saal. Phot. 1908.
Ein an das Palais angrenzendes, vom Maurermeister Gersting 1833
erbautes Wohnhaus erstand 1850 der Schwiegervater des Kronprinzen, der
Herzog Joseph von Altenburg. Es wurde 1859, nachdem die Königin für
ihn ein anderes Haus an der Langen Laube angekauft hatte, vom Oberhof-
marschallamt erworben und diente wie das Ernst-August-Palais nachmals Abb. 210
313
Residenz-Palais' und Ablager
zu verschiedenen Zwecken des Hofes, z. B. zur Aufnahme der Gemälde-
sammlung aus dem Georgengartenpalais, des Weifenmuseums, Familien-
museums, des Reliquienschatzes usw., während das Ernst-August-Palais
namentlich für Fremdenbesuch eingerichtet wurde.
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Abb. 209. Hannover; Adolfstraße 2. Zustand 1836. Als Ernst-August-Palais später mit Nr. 3
in Verbindung gebracht.
Nach 1866 sind diese Gebäude von der Preußischen Regierung au die
Militärverwaltung überwiesen und Eigentum des Reichsmilitärfiskus
geworden.
Das ursprüngliche Aussehen der beiden Wohngebäude, aus denen das
vergrößerte Ernst-August-Palais besteht, ist auf den beigegebenen Zeich-
Abb. 209 und nungen aus dem Jahre 1836 erkennbar. Molthan hat den gemeinsamen
Abb. 292, s. 454 Eingang fur beide in den die Häuser vereinigenden Zwischenbau verlegt,
314
Der Osnabrücker Hof
den Fenstern möglichst die gleiche Fassung über die ganze Front hin
gegeben und das Hauptsims in gleicher Höhe durchgezogen sowie das
Palais mit einem einheitlichen Dache versehen.
Das Haus des Herzogs von Altenburg ist durch einen eingeschossigen
Flügelbau dem vorigen angegliedert. Es stilistisch anzugleichen, ist nicht
erstrebt; doch ist die Front 1850 verändert. Eine Zeichnung der Fassade
von 1833 liegt den Baupolizeiakten bei.
Abb. 210. Hannover; Ernst-August-Palais an der Adolfstraße. Stahlstich nach Kretschmer.
Der Osnabrücker Hof.
„Des Bischofs zu Osnabrück Hof" nennt das Neustädter Schoßregister
das heutige Eckgrundstück an der Ernst-August- und Archivstraße, auf
dem während des Dreißigjährigen Krieges das landesherrliche Kommiß-
haus (s. das.) erbaut war. Als durch die Schleifung des Walles zwischen Alt-
und Neustadt 1680 dieser Teil des Calenberger Steinweges der Bebauung
erschlossen wurde, erhielt der Kammerpräsident von Wietzendorf das
Kommißhaus als Dienstwohnung zugewiesen. Nach ihm wohnte dort der
Herzog Ernst August, seit 1714 Bischof von Osnabrück (s. Kielmansegg,
Brief 87, S. 210). Das Haus wurde 1796 zum danebenliegenden Georgianum
als Dienstwohnung des Direktors, des Geh. Justizrates Feder, hinzuge-
zogen und gehörte von 1813 bis zu seinem Abbruch 1862 zu den Ministerial-
gebäuden (Wegebau-Kommission).
Eine Abbildung des zweigeschossigen Fachwerkbaues aus dem Jahre
1862, der wohl damals nicht mehr in seiner ursprünglichen Fassung be-
stand, findet sich im Stadtarchiv (s. Abb. 243, Seite 371).
315
Residenz-Palais' und Ablager
Neustädter Vogtei oder kleiner Fürstenhof.
Die Neustädter Vogtei befand sich auf dem ehemaligen Lauenroder
Vorburggelände, der sogenannten Kloppenburg, rechtsseits des Ver-
bindungsarmes, der den .Judenteich mit den vereinigten Ihmeläufen ver-
band, also unmittelbar südwestlich der heutigen Synagoge. Unter dem
Herzog Friedrich Ulrich erhielt der Vogt Molinus um 1622 den Auftrag, hier
einen Wohnbau zu errichten, der als Ablager für den Landesherrn ange-
messen sein sollte. Das Gebäude ist auf einem angeblich von Johann
Duve vor 1675 gemalten Ölbilde im Familienmuseum in Herrenhausen
dargestellt (eine Kopie ist im Vaterländischen Museum und eine nach
dieser gefertigte Federzeichnung im Stadtarchive).
Nach 1650 diente der Kleine Fürstenhof dem Kammerpräsidenten als
Dienstwohnung.
Das „Fürstenhof" genannte Gewese bestand außer dem Wohngebäude
aus Schuppen und Stallungen, die zu Ende des 18. Jahrhunderts zur
Unterbringung der Hofbauschreiberei benutzt wurden. Sie sind 1800 bis
1801 zur Verwendung als königl. kurfl. Postetablissement umgebaut
(die Pläne darüber im Staatsarchive, Karten I. A. b. 67 u. 68). Nach der
Verlegung der Post an den Bahnhofsplatz dienten sie als Lager für land-
wirtschaftliche Geräte und sind 1862 gelegentlich des Baues der neuen
Synagoge niedergerissen.
Nachdem der umfangreiche, als Judenteich bezeichnete Leinekolk in
der Neustadt im Jahre 1642 von der Leine abgedämmt und eingeschränkt,
später (1668) ganz abgelassen und weiter aufgefüllt war, nahm der Landes-
herr das gewonnene Gelände für sich in Anspruch. Johann Friedrich
privilegierte 1665 - - der Neustädter Chronik (Stadtbücher 249) zufolge,
richtiger nach Bedecker 1675 -- den Geh. Sekretär von Bettberg, darauf
zu bauen. Das dann entstandene Gewese des ,,Bettbergschen Hofes" an
der Langen Straße kaufte der Herzog Ernst August im Jahre seiner Wahl
zum Bischof von Osnabrück, 1714, an. Solange Ernst August in Osna-
brück residierte -- seit 1716 — , diente der Hof ihm als Ablager und hieß
davon Osnabrücker Hof. Der Name Fürstenhof ging 1822 von dem be-
nachbarten kleinen Fürstenhofe, dem damaligen Posthofe, auf das Grund-
stück an der Langen Straße über. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts
scheint hier das jetzt noch bestehende Wohngebäude erbaut zu sein mit
Abb. 2it der Bestimmung, fürstlichen Gästen des Hofes zur Unterkunft zu dienen.
So war es 1763 durch den König Georg III. dem Prinzen Karl von Meck-
lenburg-Strelitz als Wohnung zugewiesen; zeitweilig war es auch von
dem Herzoge Ernst von Mecklenburg- Strelitz bewohnt, nachdem es in-
zwischen dem ehemaligen Premierminister von Münchhausen, dann bis 1787
dessen Witwe überlassen war.
316
Fürstenhof
Als Ablager für auswärtige Mitglieder der engeren landesherrlichen
Familie wurde das Wohngebäude nach einem 1816 stattgefundenen Umbau
weiter benutzt. Der Herzog von Clarence, der spätere König Wilhelm IV.,
furstenfjof Srdgescjjoß
^A.
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1=n
A
t(ucl;e
Späterer Anbau
Abb. 211. Hannover; Fürstenhof, Grundriß des Erdgeschosses.
Nach Plan im Reichsarchive.
Abb. 212. Hannover; Fürstenhof an der Langen Straße. Phot. li»05.
residierte dort im Jahre 1818/19. Herzog Ernst August von Cumberland
bevorzugte stets den Fürstenhof als Absteigequartier und wohnte daselbst
bei seinem Einzüge als König am 28. Juni 1837. Dann hat Georg V. 1843,
317
Residenz-Palais* und Ablager
nach seiner Vermählung, den Fürstenhof bezogen; der Kronprinz Ernst
August ist 1845 darin geboren. Nachdem für Georg V. 1846 das Ernst-
Palais an der Adolfstraße eingerichtet war, wurde der Fürstenhof 1855
an die Militärverwaltung für die Geschäfte der General-Adjutantur ver-
kauft. Seit 1866 benutzte ihn der preußische Militärfiskus als Dienst-
wohnung für höhere Offiziere.
Beschreibung Das an der Langen Straße belegene, 1816 durch den damaligen Be-
wohner, den Grafen Münster, umgebaute Wohngebäude des Fürstenhofes
(Mitte des 18. Jahrhunderts) ist ein sehr einfacher, freistehender, überputzter
Fachwerkbau von drei Geschossen bei neun Achsen. Geschoßteilungen
Abb. 212 durch Bandsimse, Hauptsims in Holz; einachsiger Giebelerker in der
Frontmitte. Dach über den Schmalseiten gewalmt. Die beiden Unter-
geschosse sind sehr hoch, Fenster außenbündig. Mitteleingang mit über-
hängendem Baldachin (um 1840). Das Innere hat vielfachen Verände-
rungen unterlegen. Ein Saal enthielt ehemals Plafonds von F. H. Bamberg
(s. Brönnenberg, a. a. 0., S. 17).
Die steinernen Pfosten des Gartengitters (1816) erinnern an Laves'
Hand. Über einem Bande mit Sphinxen oder antikisierenden Banken in
Flachrelief ist das Haupt der Pfeiler in kannelierten Friesen abgesetzt.
Sima mit Kranzwerk.
318
Qesandtenhaus
(1888 abgebrochen).
Das aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammende Haus Lein-
straße 19 ist 1710/11 von der Landesherrschaft aus bürgerlichem Besitze
erworben und zum Zwecke der „Logirung" fremder Gesandter einge-
richtet worden. Der unter Mitwirkung des Baudirektors Obersten de
Quirini zustande gekommene Kauf schloß das im Hause vorhandene
Mobiliar ein. Zur Vervollständigung der Einrichtung der Gemächer
lieferte der Contrefeiter Andreas Scheitz (s. über ihn Schuster, K. u. K.,
S.210) fünf Landschaften, die über den Kaminen eingelassen werden sollten.
Der König Georg II. machte das Gesandtenhaus der Gattin des Ober-
hauptmanns Adam Gottlieb v. Wallmoden, Amalie Sophie, geb. von
Wendt, die er 1739 zur Gräfin von Yarmouth erhoben hatte, im Jahre 1740
zum Geschenk. Diese kaufte an der Leinstraße die beiden Nachbarhäuser
hinzu und vereinigte durch einen Neubau die Teilgrundstücke. Für den
Ausbau des Hauses hat Joh. Paul Heumann 1742 den Kostenanschlag
aufgestellt.
Der Besitz ist nach dem Tode der Gräfin Yarmouth 1765 aus den
Händen der Erben an den Freiherrn von Scheele, später an den Gastwirt
Böttger übergegangen, der es 1814 käuflich dem russischen General Graf
Bennigsen überließ. Von dessen Erben kaufte es 1838 die Museumsgesell-
schaft mit allem, was niet- und nagelfest war, an, bewohnte selbst aber
nur das I. Geschoß, während die übrigen Geschosse vermietet waren. In
den Bäumen der Gesellschaft blieb die feste Ausstattung unangetastet.
(Über den Wunsch des Königs Ernst August, die Bilder der Königlichen
Familie an sich zu bringen, siehe Mühry, Geschichte der Museumsgesell-
schaft zu Hannover von 1789 bis 1905. Hnvr. o. J. bei Schrader.) Im
Jahre 1888 hat das Haus dem Bau der Markthalle weichen müssen. Die
Museumsgesellschaft siedelte, nachdem sie einige Jahre am Thielenplatz
gewohnt hatte, 1901 nach dem Hause der Länge-Stiftung, Theaterstraße 14,
über und ließ die alte Baumausstattung dort wieder verwenden.
319
Gesandtenhaus
Beschreibung Das langgestreckte, jeden Schmuckes bare Fachwerkgebäude an der
Leinstraße hatte drei Geschosse bei zwölf Achsen. Der einzige Eingang mit
vorliegenden Stufen befand sich am alten Teile des Hauses links und war
durch eine säulengetragene Giebelverdachung (vermutlich um 1814) aus-
gezeichnet. Eine Durchfahrt lag rechts. Die Fenster im ersten Ober-
geschoß des alten Teiles waren rundbogig. - - Ein Grundriß ist im Stadt-
archive, Kartenmappe 1, Bl. 26 u. 27, Pläne im Wallmodenschen Familien-
archive (XXVII 1), Depos. im Staatsarchiv.
Der Festsaal im Obergeschoß enthielt, in die Wand eingelassen, die
Königsbilder. Die Art seiner sonstigen Dekoration lassen die Reste er-
kennen, die nach dem Abbruch von der Museumsgesellschaft in deren
Heim an der Theaterstraße übertragen worden sind. Geschnitzte Wand-
täfelungen, gemalte Supraporten und eine Anzahl von Bilderrahmen und
Spiegeln sind noch erhalten, deren Ornamentik den Einfluß französischer
Vorlagen verrät. Bleibaum (a. a. O., S. 305) vermutet als Meister den
Hofbildhauer Christian Ackermann. Die Königsbilder im Lesezimmer
sind einzeln verzeichnet bei Mühry a. a. 0.
Eine Tapete, darstellend die Sage von Amor und Psyche nach einem
Entwurf des französischen Malers Jacques Louis David (1748 — 1825), ist
im Empirezimmer der Gesellschaft.
320
Hofmarställe und Zubehörungen.
Bereits vor der Erhebung Hannovers zur Residenz der Herzöge be-
stand Auf dem Brande ein fürstliches Wagenhaus, nämlich schon 1577, wagenhaus um 157
wie einer Kartenbeilage zu den Schmaleschen Prozeßakten (Stadtarchiv,
Plankopie von Engelke 1824, Mappe V, Blatt 17) zu entnehmen ist. Wenig
westlich davon ist auf der Zeichnung eine 1666 erbaute Zeugschmiede und
Rademacherei angegeben*).
Seit dem Bestehen des Herzoglichen Zeughauses am Beginenturm ist
jedoch der Gegend des sogenannten Dreckwalles für die zur Hofhaltung
im weiteren Sinne gehörenden Anlagen und Bauten der Vorzug gegeben
worden. Auf dem Dreckwalle waren unmittelbar nördlich des Zeug-
hauses schon 1650 weitere landesherrliche Gebäude entstanden. Fernerhin,
längs der Stadtmauer, wurde 1666 die fürstliche Renn- oder Reitbahn, ein Reitbahn 1666
mit Schranken abgegrenzter Platz, angelegt, der sich fast bis zum Gieß-
hause beim späteren Neuen Tore erstreckte. Hinter der Ecke der Stadt-
mauer, an deren Nordseite, wo 1645 der Graben ausgefüllt worden war,
stand, dem Plane nach, ein Reit- oder Ballhaus. Weiter ostwärts an die Reithaus um 1645
Stadtmauer angelehnt gab es schon vor 1714 eine Landesherrliche Rade-
macherei und Schmiede.
Auf dem Gelände der fürstlichen Renn- oder Reitbahn ließ Herzog
Ernst August 1682 — Schuster schreibt 1687 -- den Herrenstall erbauen,
der später als „Alter Marstall" bezeichnet wird. Nach v. Malortie (Btr. 6, „Alter Marstaii"
S. 189) soll hier vorher ein Reithaus von 100 Fuß Länge und 50 Fuß Breite,
zum Teil auf der alten Stadtmauer erbaut, bestanden haben; die vorher
genannte Zeichnung gibt es nicht an. (Vgl. auch die Karte im Staats-
archiv: Karten, Abt. IV. -- Die ältesten Akten der Marstall- und Gestüts-
verwaltung gehen auf das Jahr 1693 zurück. Cumberl. Verm.-Verw.,
Marstallsachen I.)
An das 1682 erbaute Neue Tor hart anstoßend, wurde im Jahre 1712 Neue Marstaiianiag
nordwärts über die Stadtmauerecke hinaus ein Reitstall errichtet, auch von de la Fosse
*) Das Original von J. P. Heumann konnte 1931 vom Stadtarch. erworben
werden. Möglicherweise ist das Wagenhaus absichtlich irreführend eingetragen.
Zeugschmiede und Rademacherei waren ein Zubehör der Vogtei.
321
Hofmarställe und Zubehörungen
„Neuer Pferdestall" genannt, und zwei Jahre später, von dessen Nord-
,\i)b. 213 ende rechtwinkelig abgebogen, das Reithaus. Nach Schuster (K. u. K.,
S. 51) hat der Bauschreiber Westermann wie am Archive so auch hier
die Fundamente angelegt. Durch eine Bemerkung in Joh. Fr. Armand
v. Uffenbachs Tagebuch (S. 35) aus dem Jahre 1728 wird die Urheber-
schaft de la Fosses am Reithause und Königlichen Stall mitgeteilt. Die
Marstallanlage war hufeisenförmig geplant; die Vervollständigung der
Anlage in diesem Sinne ist aber unterblieben. Hier, an der nördlichen
Stadtmauer, begann sich so der große geschlossene Gebäudebezirk zu
bilden, der von dem Oberhofmarstall-Departement verwaltet wurde
(vgl. oben: Weichbildentwicklung, S. 31). Längs des Hauptwalles an
dieser Seite entstanden 1715 nach Landersheimer (Plan IV) die lang-
gestreckten Baulichkeiten, welche die Stallmeisterwohnung, eine Wagen-
remise, Inspektorwohnung, Schmiede und Bademacherei enthielten.
Gegenüber, in knappem Abstände von der Stadtmauer, lagen weitere
Remisen. Die Lücke zwischen diesen und dem „Neuen Stall" füllten die
Wohnung des Pferdearztes und der Krankenstall, zwischen sich eine
Zufahrt offenlassend. Der ungefähr quadratische, von Krankenstall,
Marstall und Reithaus umsäumte Platz diente als Reitbahn und war mit
lichter Baumbepflanzung bestanden. Wie es heißt, war die Bahn nach dem
Plane von Leibniz und unter seiner Direktion angelegt. (Vaterl. Arch. 1833,
S. BOB.)
Abb. 213. Hannover; Marstallßebäude, Am hohen Ufer. Reitstall von 1712. l'hot. 1905.
322
Hofmarställe und Zubehörungen
Der Marstallbezirk wurde 1783 durch die Anlage einer zweiten offenen Reitbahn i?83
Reitbahn erweitert, die man nordwärts des Reithauses in der dortigen
Rastion vor der hoch auf dem Walle gelegenen „Weyhen Lobe" schuf.
(Abb. im Stadtarch.)
Auf dem Gelände dieser Reitbahn ist 1861 nach Entwürfen des Hof- wagenhaus von
baumeisters Tramm (Raugenehmigung vom Oktober 1858) das zwei- rramm
geschossige Glas-Wagenhaus erbaut, das durch seine Einrichtung als
einzigartig in Europa galt. Außer einem glasüberdeckten, großen Hof
enthielt es den Raum für hundert Wagenstände und im Obergeschoß einen
Saal für sechzig Wagen, die mittels eines Aufzuges hinaufgeschafft wurden.
Das Gebäude genoß nachmals als Palmengarten einen Ruf. Sein Haupt-
portal an der Goethestraße trägt noch heute den Namenszug Georgs V.
mit Wappen und die Jahresinschrift 1861.
Das Reithaus von 1714 ist im Jahre 1877 zur einen Hälfte als Stadt-
theater, zur anderen als Konzerthaus ausgebaut. Die Fachwerksschauer,
Schmiede und Rademacherei wurden zwischen 1863 und 1878 nach-
einander abgerissen. Die Räume der beiden Marstallgebäude am Hohen
Ufer überließ man nach 1866 gewerblichen Retrieben. Der Alte Marstall
ist 1906 durch eine Feuersbrunst teilweise zerstört und bei der Wieder-
herstellung um ein Stockwerk erhöht worden. Das Obergeschoß des
Neuen Marstalles benutzte zeitweilig die preußische Militärverwaltung als
Kaserne. Der Reitbahn bediente sich die nach Hannover verlegte Militär-
reitschule (vgl. die Angaben von Sievert, a. a. 0., S. 90, und Rrönnenberg,
a. a. ()., S. 19. Über Wagenpark und Geschirre siehe den Folioband in
der Prov.-Ribl.: „Johann Friederich", in dem eine Schrift enthalten ist:
„Eigentliche Reschreibung .... des Einzugs in .... Hannover",
Nr. 41, 46 und 50).
Als Zubehörung zu den Marstollgebäuden Am Hohen Ufer waren auf Remisen an der
dem gegenüberliegenden Leineufer neben der Marstallbrücke die dort noch Neuen Straße
vorhandenen Raulichkeilen an der Neuen Straße Nr. 19 — 19a als Wagen-
remisen und Fouragespeicher von Seiten der Landesherrschaft zu Ende
des 17. Jahrhunderts errichtet.
Im Jahre 1696 wurde ein Teil dieser Gebäude den Neustädter
Schlachtern als Fleischscharren vermietet. Später wurde das königliche
Schlachthaus und die Wohnung des Hof schlachters dort eingerichtet,
welche bis zur Abtretung der Gebäude an den Magistrat 1844 daselbst
bestanden haben. Dieser hat die neu erworbenen Raulichkeiten zum
Hauptspritzenhause und zur Stadtwaage umgebaut.
Am Hause Neue Straße 19 A ist in Erdbodenhöhe ein Reliefstein ein- Reliefstein
gelassen: Brustbild eines bärtigen Kriegers (Gideon) im Profil, mit ver-
ziertem Helm und Harnisch innerhalb einer halbbogigen Nische (Mitte des
16. Jahrhunderts). Der Stein ist hier nicht am ursprünglichen Ort, sondern
323
Hofmarstüllc und Zubehörungen
Ai.b. 21 1 stammt von der Homeyde des Leintores und wurde nach deren Abbruch
an seinen jetzigen Platz versetzt.
Abb. 214. Hannover; Neue Straße 19. Phot. 1929. Siedentopf.
An der Rückseite des Hauses Nr. 19 ist ein Konsolstein in Form einer
weiblichen Maske eingelassen. Er stammt vermutlich ebenfalls von der
Leintorhomeyde und gehört der gleichen Zeit wie die vorhergenannte
Skulptur an (Abb. Siedentopf, Adreßbuch 1929, S. 12).
maultierstall Dem Oberhofmarstall-Departement unterstand außer den bisher
genannten Anlagen der am Anfange der Herrenhäuser Allee, rechter Hand
im Jahre 173b erbaute sogenannte „ Trage thierstall" für Maultiere nebst
Schmiede und Wagenschuppen. Das massive Stallgebäude, das auf einem
Stadtplan von 1745 als hufeisenförmige Anlage angegeben wird, ist -- wie
v.Malortie(Beitr., Heft 6, S.189) den Akten des Departements entnommen
hat — während des Siebenjährigen Krieges von den Franzosen als Kranken-
haus benutzt und im Jahre 1771 an die Militärverwaltung überwiesen.
Diese hat um 1780 weitere Gebäude hinzugefügt als Kaserne der Leibgarde
zu Pferde, später der Garde du Corps (s. darüber Seite 338 ff).
Fouragemagazin Zum Ersatz erwarb die Militärverwaltung den auf der anderen Seite
der Allee belegenen v. Wencksternschen Garten von der Landesherrschaft,
Abb. 2iö die diesen 1796 angekauft hatte, und erbaute dort ein Magazin, das sie
dem Marstall-Departement übergab.
Dieses Gebäude, das sogenannte Fouragemagazin, ist erst 1800 vollendet
worden und enthielt einen Raum für die Gewehrkammer des Oberjagd-
departements, weil dieses Departement seine bisherige Rüstkammer im
Maultierstall hatte abtreten müssen.
324
Hofmarställe und Zubehörungen
Bis 18G6 wurde das Fouragemagazin von der Hofhaltung zur Spei-
cherung des Heues für den Marstall benutzt. Es ging dann an die preu-
ßische Militärverwaltung über und brannte 1874 ab, worauf das Grund-
stück verkauft und mit Wohnungen bebaut wurde.
Abb. 215. Hannover; Königsworther Platz und Herrenhäuser Allee nach Zeichnung von Kretschmer, 1840.
An der Allee links das Königl. Fouragemagazin.
Eine um 1840 entstandene Lithographie (Stadtarch., Kart. 2, Bl. 9)
läßt das Aussehen des reizvollen Bauwerkes erkennen. T-förmige Anlage,
eingeschossig, mit hohem gewähnten Dach, Frontrisalit von zwei Ge-
schossen bei fünf Achsen mit Dreiecksgiebel. Mitteleingang rundbogig in
Rustikaumrahmung. Die Magazinräume wurden durch hochsitzende
Rundfenster erhellt. Der Rückseitenflügel hatte Mansardendach.
325
Ballhof
Abb. 210a. Hannover; Ballhof. Querschnitt.
Dachbinderkonstruktion; Konsole. Aufnahme 1930. D.
Abb. 210b. Hannover; Ballhof. Längsschnitt nach einer Skizze
von J. P. Heumann, 1740. Staatsarchiv.
326
Ballhof.
Auf dem landesherrlichen St. Gallenhof stand zur Zeit der Erhebung
Hannovers zur Residenz außer der Ruine der einstigen St. Gallenkapelle
wahrscheinlich noch ein herrschaftliches Gebäude, in dem ein Teil der
Hofdienerschaft untergebracht wurde. Im Jahre 1619*) wie über-
einstimmend angegeben wird hat Herzog Georg Wilhelm den Rau
eines Ballhofes auf seine Kosten begonnen, zu dem er nach Schuster
(K. u. K., S. 1<S) das Bauholz aus den Forsten des Amtes Coldingen
herbeischaffen ließ. Der Zweck des Baues war, dem Sport des Ballspieles
zu dienen. Es fanden hier aber auch Theatervorstellungen und Maskeraden
statt, und 1672 ließ Herzog Johann Friedrich daselbst die erste Oper
aufführen.
Der Ballhof ist samt Nebengebäuden unmittelbar nach seiner Fertig-
stellung, wie es in einer der den Ballhof betreffenden Akten heißt (Staats-
archiv Hannover, Des. 9, Var. B., Nr. 30), dem Kammerdiener Francesco
Capellini Stechinelli auf dessen Bitten als Schenkung gegeben (21. No-
vember 1664) mit dem landesherrlichen Vorbehalt des Näher-Kauf rechtes.
Seitdem ist das Gewese in privater Hand geblieben, ohne daß von dem
Vorkaufsrechte Gebrauch gemacht worden wäre. Doch hat der Kurfürst
Ernst August den Vorbehalt durch die Klausel erweitert, der Ballhof
dürfe nicht eingehen, sondern müsse „beständig unterhallen und con-
servieret" werden. Noch 1823 stellt die Landesherrschaft ihr Recht fest,
jederzeit verlangen zu können, „daß das Rallhaus nicht anders als ein
Ballhaus gebraucht und zu diesem Zwecke in den gehörigen Stand gesetzt
und in selbigem erhalten werde".
Eine Erneuerung des Ballhofsaales hat 1779 stattgefunden. Damals
wurde ein Entwurf Joh. Georg Täntzels (Prov.-Bibl., Mappe XVII, 125a)
ausgeführt durch den Zimmermeister G. Etzel, dessen Kostenrechnung
dem Plane beiliegt: Anschlag von sämtlichen Kosten Behuf Eines neuen
Plafons nebst Einer neuen Tribine und Verzirhung der Ständer auf der
Galri nach dem dazu verfärtigtem Biß. (Abbildung des Risses in „Deutsche
Bauzeitung", 1931, 3. Juni, S. 276.)
*) Die Rechnung des Gallenregisters im Stadtarchiv gibt an: 29. Mai 1649.
327
Hallhof
Der Ballhof war der größte Saal der Stadt und „machte, gut erleuchtet,
vielen Effect". (W. Lohmann, Geschichtsabriß der Stadt Hannover,
Hann. 1818, S. 159.) Der Hof pflegte sich oftmals des großen Raumes
zu bedienen: so bewirtete 1819 der nachmalige König Wilhelm IV. hier
eine zahlreiche „Assemblee''. Bälle und Maskeraden, auch die von der
Hoftheaterverwaltung veranstalteten Konzerte, welche der König Ernst
August gern besuchte, fanden bis 1852 daselbst statt.
Beschreibung Das langrechteckige einräumige Ballhaus mit seinen starken fenster-
losen Bruchsteinmauern, über die sich ein offenes Fachwerkgeschoß weit
Abb. 216a hinauskragte, war — wie ein von Joh. Paul Heumann gefertigter Lageplan
aus dem Jahre 1746 dartut - - (Staatsarch. Hannover, Des. 9, Varia B,
Nr. 30) damals schon von Nachbargebäuden eng umbaut und ist auf
eine Außenarchitektur nicht berechnet gewesen. Von der Gestaltung des
einzigen Einganges in der Mitte der nördlichen Langseite ist nichts bekannt.
Abb. 216b Auf einem Längsschnitt, den Heumann ebenfalls skizzenhaft bietet (bei
den genannten Akten), ist die Decke als Spiegelgewölbe, das Dach als
gewalmtes Satteldach angedeutet, und angegeben, daß die ringsherum
sich ziehende, auf das Mauerwerk gelagerte Galerie nach außen durch
vorgehängte Netze geschlossen wurde, um das Licht durchfallen zu lassen.
Über Ballhäuser macht Penther (a. a. 0., Teil III, S. 102) kurze An-
gaben. Die Schwierigkeit der baulichen Aufgabe sieht er in der Über-
deckung eines solchen Saales, von dem etwa 33:100 Fuß lichte Maße
gefordert wurden. Beim hannoverschen Ballhofe beträgt die Spann-
weite 11,38 m.
Dank der Verkaufsklausel ist der Erhaltungszustand des Ballhofes ein
verhältnismäßig günstiger.
328
Amtsgebäude:
ARCHIV UND BIBLIOTHEK.
(Staatsarchiv und vorm. Königl.
und Provinzial-Bibliothek).
GERICHTSGEBÄUDE :
Justizkanzlei.
Schwurgericht.
KONSISTORIUM.
MÜNZSTÄTTEN:
Städtische Münze.
Landesherrliche Münze.
RATHÄUSER:
Altstädter Rathaus.
Neustädter Rathaus.
REGIERUNGSGEBÄUDE :
Stadtvogtei.
Dikasteriengebäude.
STÄNDEHÄUSER:
Haus der Landstände.
Haus der Ritterschaft.
WAAGE.
329
Archiv und Bibliothek
(Staatsarchiv und vorm. Königliche und Provinzial-Bibliothek).
baugeschichtf. iVlit dem Tode Georg Wilhelms in Celle und der Vereinigung der
Fürstentümer Calenberg und Lüneburg zu einem Staatsgebilde im Jahre
1705 ging die Zusammenlegung der calenbergischen und cellischen Landes-
archive einher: zunächst örtlich, 1776 auch der Verwaltung nach. Der
Bau eines besonderen Archivgebäudes wurde sofort vorgesehen; aber
erst 1712 beschloß der Kurfürst, auf dem Platze hinter dem damaligen
landesherrlichen Wagenhause und längs des Walles, der von dem Horn-
werk bei der aufgeflogenen Pulvermühle oder Langen Leine in südwest-
licher Richtung verlief, das Gebäude zu errichten (vgl. dazu die Be-
zeichnung der Örtlichkeit auf dem Plane von Landersheimer, Ztsch. d.
Hist. Vereins f. Niedersachsen 1897).
Daß Leibniz - wie er zu Wolfenbüttel Angaben für den Korbschen
Bau der Herzoglichen Bibliothek gemacht hat - auch in Hannover die
Anlage beraten hat, ist anzunehmen. Unter den Leibnizhandschriften
der vorm. Königlichen Bibliothek zu Hannover (XL Fol. 26 ff.) findet
sich ein Manuskript: „Idee d'une Bibliotheque". Nach v. Alvensleben
(Herrenhausen, Seite 85) hat de la Fosse die Pläne des Archivs ent-
worfen; sein Mitarbeiter und Nachfolger Böhme soll den Bau vollendet
haben (1714—17).
Im Frühsommer 1712 begann man mit der Anlieferung des Bau-
materials und dessen Lagerung auf dem Platze der ehemaligen Pulver-
mühle. Die Bruchsteine wurden aus den Brüchen von Barsinghausen
und den Ämtern Lauenstein und Springe herangeführt, die Ziegel aus den
Ziegeleien bei Herrenhausen. Eine Untersuchung des Baugrundes durch
den mit der Bauleitung beauftragten Überbaumeister Job. Caspar Borch-
man fand gleichzeitig statt. Bei der Ausschachtung seit Juli 1713 stellte
sich die Notwendigkeit heraus, den ganzen Bau auf Pfahlwerk zu gründen,
und zwar waren nicht nur 10 Fuß lange Pfähle, sondern auch solche von
20 bis 30 Fuß Länge erforderlich. Erst im September konnte die Legung
des Grundmauerwerkes durch den Bauschreiber Brand Westermann
beginnen. Es wurde zuerst das Mauerwerk längs des Walles und an der
330
Archiv und Bibliothek
Leineseite ausgeführt, um das in die Baugrube eindringende Wasser
abzudämmen. Nachdem reichlicher Steine herangebracht waren, ließ
sich der Bau gleichmäßig fördern, doch war er erst 1721 beendet.
Das Übergeschoß hatte man gewölbt, während man dem Erdgeschoß
nur teilweise eine Balkendecke gegeben hatte, derart, daß in Fußboden-
höhe des Obergeschosses ein Umgang verlief.
Der Innenausbau und die Ausstattung nahmen noch die Jahre 1723 — 25
in Anspruch. Die Baukosten betrugen von Juli 1713 bis Ende Mai 1725
rund 54000 Taler.
Bei der inneren Einrichtung wurde der nordöstliche Flügel dem calen-
bergischen, der gegenüberliegende dem cellischen Archive zugewiesen.
Auf der calenbergischen Seite befand sich auch ein Benutzersaal. Im
Mansardengeschoß erhielt die Königliche Bibliothek die über dem calen-
bergischen Archive belegenen Bäume zugewiesen; mit dem Anwachsen
der Büchersammlung dehnte sich nach und nach die Bibliothek über
das ganze Mansardengeschoß aus.
Die Benutzung des Gebäudes stellte einen fortwährenden Kampf
mit der Feuchtigkeit in den Bäumen dar, die vom Mauerwerk ausging
und durch die Beschattung vom Wall und (\v\\ darauf stehenden Linden-
bäumen festgehalten wurde. Sie war den Archivalien äußerst unzuträg-
lich. Von vornherein hatte man deshalb die Decken des Erdgeschosses
offen gelassen und den Erdgeschoßfenstern keine Verglasung, sondern
nur eine Draht Vergitterung gegeben. Nachdem 1767 der Wall abgetragen
war, nahm die Feuchtigkeit ab, so daß 1772 die Baubeamten keine Be-
denken mehr trugen gegen eine Schließung der Decken des Erdgeschosses
und der Fenster. 1807 drang Hochwasser ein; der Mangel an baulicher
Pflege während der französischen Besetzung verschlimmerte die Zu-
stände wieder; Fäulnis und Schwamm ergriffen Holz- und Mauerwerk.
An baulichen Veränderungen ist wenig zu verzeichnen. 1858 er-
hielten die bisher noch offenen sieben Bäume des Erdgeschosses voll-
ständige Balkendecken, so daß nicht mehr bloß auf den Umgängen Akten
aufgestellt werden konnten.
Den Archivbeständen war durch das Hinzukommen anderer landes-
herrlicher Archive, wie Bremen, Verden, Hildesheim, und der Urkunden
und Akten der neueren Zeit sowie durch Veränderungen in der Verwaltung
ein so erheblicher Zuwachs zugeführt, daß 1882 der verfügbare Baum
ganz belegt war.
Das galt auch für die Zimmer der Königlichen Bibliothek im Man-
sardengeschoß. Diese von Johann Friedrich begründete Bücherei war
anfangs in Herrenhausen, später in drei Zimmern des Schlosses an der
Leine aufgestellt. 1676 — 1716 hatte Leibniz daran die Stelle als erster
Bibliothekar inne; durch ihn besonders ist die Sammlung zu Bedeutung
erhoben. Unter den Drucksachen finden sich wertvolle und seltene
331
Archiv und Bibliothek
Inkunabeln, darunter verschiedene einzig vorkommende. Die Hand-
schriftensammlung enthält nicht nur für die Geschichte der Braun-
schweig-Lüneburgischen Lande, sondern auch für die allgemeine und
deutsche Geschichte wichtige Dokumente, dazu alte, zum Teil mit Minia-
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Abb. 217. Hannover; vorm. Königl. Archiv: Grundriß des Erdgeschosses 1883.
Abb. 218. Hannover; Archivgebäude, Ansicht von der Archivstraße vor der Umänderung. Phot. 1889.
turen geschmückte Pergamente. 1719 kam Leibniz' umfangreicher hand-
schriftlicher Nachlaß hinzu. Wie Lohmann (a. a. O., 1<S18, S. 74) über-
liefert, waren auch technische Merkwürdigkeiten und mehrere Kunst-
sachen, dabei Kupferwerke, zum Teil nach Gemälden von Raphael, in
Rahmen vorhanden.
332
Archiv und Bibliothek
Die Beschaffung neuen Raumes für Archiv und Bibliothek wurde
dringend erforderlich. 1889 begann man deshalb mit einem Umbau.
Für das Archiv erhöhte man das Gebäude um ein Stockwerk, und für die
Bibliothek schuf man einen in der Mitte der Südfront rechtwinkelig
angesetzten Flügelbau, so daß ein T-förmiger Grundriß entstand. Das
umgeänderte und erweiterte Gebäude konnte 1893 der Benutzung über-
geben werden. Näheres darüber s. ,,Centralbl. d. Bauverw." 1890, S. 529 f.
s.r-
i i» 1 1 ■■—
Abb. 219. Hannover; Staatsarchiv, Teilstück des Fassadenaufrisses an der Straße Am Archive.
Nach Aufnahme von Pape, 188:5.
(Zur Darstellung der Baugeschichte des Archivgebäudes waren die in den
Akten der Archivdirektion vorhandenen handschriftlichen Aufzeich-
nungen des Archivrates M. Bär dankenswert zur Verfügung gestellt.)
Das 1712 — 21 erbaute landesherrliche Archiv ist ein ursprünglich zwei- beschbeibi jng
geschossiger Massivbau mit gewähntem Mansardendach und umfaßt ein desZustandesvori889
Rechteck von 81,93 m Länge bei 13,80 m Breite. Der Sockel, diegequaderten
333
Archiv und Bibliothek
Ecklisenen, die Simse und Gewände bestehen aus Sandstein; die Wand-
Abb. 217/219 flächen sind geputzt. Die Langfronten werden durch Lisenenumrah-
Abb. 220. Hannover, Archivgebäude, Mittelporta] ;m der Straße Am Archive. Zustand vor 1889.
mungen in elf Felder zergliedert, die Kopfseiten in zwei. Die Nordfront
als Hauptfassade erhält durch die Verteilung von drei Portalen stärkere
Abb. 220 Cäsuren. Die Achsenzahl ist 19. Das Mittelportal hebt sich hervor durch
334
Archiv und Bibliothek
reichere Ausbildung: rundbogiger Schluß der Tür; gebrochene, ver-
kröpfte Segmentverdachung auf Konsolen; die Fensterumrahmung ist
mit dieser Architektur zusammengezogen: die das Wandfeld beseitenden
Lisenen haben Pilastervorlagen erhalten, auf denen ein Dreiecksgiebel
mit dem Königlichen Wappen im Tympanon vorgekröpft ist. Etwas
Abb. 221. Hannover; vorm. Königl. Archiv, Querschnitt, IScS.'?.
weniger reich, aber der Mitteltür entsprechend, sind die beiden Neben-
türen behandelt. Die Lichtöffnungen haben durchweg segmentbogigen
Schluß mit Schlußstein. Auf der Mansarde, deren Oberdach weit aus-
liegt, waren auch beim alten Bau der Achsenzahl entsprechend Gauben
mit Dreiecksgiebeln verteilt. Wie Redecker (a. a. O., S. <S00) zum Jahre
1716 angibt, war das Dach „mit Schieferstein gedeckt". Besteigbare
Kamine ragten über den First empor.
335
Archiv und Bibliothek
Das Innere war so geteilt, daß beiderseits des in der Mittelachse ange-
ordneten Vestibüls und Treppenhauses je fünf Räume den Zwecken
\i>b. 221 des Archivs dienten. Wie vorne gesagt, hat man das Obergeschoß ge-
wölbt, und zwar dreischiffig auf Wandvorlagen und Konsolen. Das
System wird dargestellt durch eine Langtonne über den langrechteckigen
Räumen, die sich dreischiffig mit Quertonnen - einer weitspannenden
und zwei engeren, gestelzten — durchdringt. Die Fenster liegen in Stich-
kappen.
336
Gerichtsgebäude.
Justizkanzlei.
IJie Justizkanzlei, der erste Gerichtshof über alle Kriminal-, Zivil-
und Lehenssachen in dvn Fürstentümern Calenberg, Grubenhagen,
hatte ursprünglich kein eigenes Amtsgebäude, und war bis zum Jahre
1741 in dem damals durch Brand zerstörten Kammerflügel des Schlosses
untergebracht. Nach dem jüngeren Uffenbach war die Kanzlei zu seiner
Zeit, 1 728, im Archivgebäude. Man verlegte die gerichtliche Behörde
Abb. 222. Hannover; nicht ausgeführter Entwurf: „Aufris zu einem neuen Gebäude für die Königliche
Justitz Canzley und das Consistorium in Hannover", signiert L. C. Ziegler. (Original im Staatsarchiv,
Kartensammlung.)
in das Haus Osterstraße 59, für das der Name „Alte Justizkanzlei" bis
heute erhalten ist, obwohl die Unterbringung daselbst nur zwei Jahr-
zehnte gedauert hat. (Beschreibung des Hauses s. Liste der Bürgerhäuser.)
1760 — 82 hat der Marienröder Hof an der Köbelingerstraße (Brönnenberg,
S. 28), anscheinend mietweise, das Gericht beherbergt.
22 337
Gerichtsgebäude
Wahrscheinlich gehört in das .Jahr 1 77.S ein fünf Blätter umfassender
Abb. 222 Entwurf ,,zn einem neuen Gebäude für die Königliche Justiz-Canzley
und das Konsistorium in Hannover", der von L. C. Ziegler signiert ist
(Staatsarchiv, Karten I. A. b. 71). Skizzen zur Fassadenlösung des
gleichen Entwurfes, anscheinend von der Hand des Hofbaumeisters Körtje,
liegen ebenfalls vor. Der Ernst der Bauabsicht bekundet sich in der
Anweisung eines Bauplatzes am 26. April 1778 „zwischen dem Königlichen
Consistorium und der Wohnung des Reformierten Kantors". (Akten
des Ober-Hofmarschallamtes, Verm.-Verw.) Bedauerlicherweise ist der Bau
nicht zur Ausführung gekommen. Vielmehr entschloß sich die Staats-
regierung 1782, das v. Redensche Palais auf der Osterstraße 33 anzukaufen,
um es der Justizkanzlei als Amtsgebäude zuzuweisen. Auch nach Um-
wandlung der richterlichen Behörde in ein Amtsgericht 1852 blieb die
Unterbringung unverändert bis zum Jahre 1882. Seine Sitzungen hielt
das Tribunal in dem großen, durch zwei Geschosse gehenden Saale ab,
der mit Büsten geschmückt war. In dem Gebäude befand sich außerdem
eine juristische Bücherei, die auch geschichtliche und staatsrechtliche
Werke enthielt. Die Sammlung pflegte durch Stiftungen und durch
Ablieferung von jedem bei der Justizkanzlei zur Zensur kommenden
juristischen Werke vermehrt zu werden. Mit der Fertigstellung des Justiz-
palastes am Volgersweg wurde das Haus Osterstraße 33 für die Justiz
entbehrlich und ist 1886 an die englische Gasgesellschaft verkauft worden
(über das Haus Osterstraße 33 s. S. 413).
Schwurgericht
(abgebrochen 189-1).
Neben dem ehemals v. Platenschen Palais am Georgsplatze, das 1852
zur Unterbringung des neugeschaffenen Obergerichtes vom Staate er-
worben war, erbaute man 1853 nach den Plänen von Hunaeus das Schwur-
gericht. Das Gebäude, das bis 1894 bestanden hat, war in romanischen
Stilformen aus Ziegeln mit Hausteinverwendung errichtet (Abb. im
Stadtarchiv).
Über das Obergericht am Georgsplatz s. Platensches Palais, S. 429.
Näheres bei Sievert, a. a. 0., S. 21.
338
Konsistorium.
L)as vom Herzoge Georg von Calenberg eingerichtete Konsistorium
besteht in Hannover seit dem 1. Mai 1636; nur vorübergehend, auf die
Dauer von einigen Jahren bis um 1642, hatte es seinen Sitz in Hildesheim.
Bevor für die geistliche Behörde ein eigenes Gebäude erbaut war, fanden
ihre Sitzungen wahrscheinlich im Schlosse selbst statt.
Abb. 22'A. Hannover; das ehemalige Konsistorium, Brandstraße 23.
Nach einem Aquarell 1868 von A. Albes, Stadtarchiv.
Erst 1723 erhielt das Konsistorium sein Offizialgebäude vor der
Bastion an der Esplanade, an der späteren Großen Brandstraße. Die
Schwierigkeiten in der Unterbringung der Staatsbehörden hatten um
1778 zu dem ernstlich erwogenen Plane geführt, für die Justizkanzlei
und das Konsistorium einen gemeinsamen Neubau an der Brandstraße
zu schaffen, der aber nicht verwirklicht worden ist. (Über die Entwürfe
339
Konsistorium
dazu siehe das bei der Justizkanzlei Gesagte auf S. 338.) Das Kon-
sistorium behielt so bis 1872 sein altes Dienstgebäude und wurde dann
in das mietweise vom Staat erworbene Graf Bremersche Haus an der
Friedrichstraße im Zuge der 1886 durchgebrochenen Ebhardtstraße
verlegt. 1885 erhielt das Konsistorium seinen Sitz in dem als Gasthaus
erbauten Gebäude am Neustädter Markte.
Beschreibung Das 1723 erbaute, nachmals umgestaltete Amtshaus des Konsistoriums
war nach einer Abbildung aus dem Jahre 1868 (Stadtarchiv, Brüelsches
Ai>i>. 22:! Ehrenalbum) ein dreigeschossiger Massivbau von fünf Achsen in der
Front, bei drei Achsen in der Tiefe. Kcklisenen und Gewände bestanden
aus Sandstein. Vermutlich ist das 2. Obergeschoß nicht ursprünglich.
Das Haus ist als Amtsgebäude für das Provinzialschulkollegium um
1895 erweitert und hat dabei ein ganz verändertes Aussehen erhalten.
Über den heutigen Amtssitz des Konsistoriums s. S. 644.
340
Münzstätten.
Wach einer Vermutung von P. J. Meier-Braunschweig (Archiv für
Brakteatenkunde, Band 2, S. 259 ff.) hat Heinrich der Löwe gegen Ende
des 12. Jahrhunderts bereits eine Münze in Hannover unterhalten. Wahr-
scheinlich ist die Stätte der ersten Münzprägung, die Ortwin Meier (Berliner
Münzblätter 1925, Nr. 272/73, S. 293) als gegen das Ende der 70er Jahre
entstanden annimmt, auf dem landesherrlichen Hofe, dem späteren
St. Gallenhofe, zu suchen. Das Münzhoheitsrecht ist dann von dem
Pfalzgrafen Heinrich dem Langen und daneben auch von dem Grafen-
geschlecht derer von Boden ausgeübt worden. Während dieser Zeit und
seit 1241, nachdem die Stadt Hannover wieder ihrem eigentlichen
Landesherrn botmäßig geworden war, lag die landesherrliche Münze
wahrscheinlich auf der Burg Lauenrode oder in ihrer Nähe.
Städtische Münze.
Am 2. Februar 1322 verkaufte Otto der Strenge die Münzgerechtsame
an die Geistlichkeit, die Bitterschaft, die Stadt Hannover und das ganze
Land zu eigenem, uneinlösbarem Rechte (Sudendorf, Urk. B., I. Teil,
Nr. 357 und 35<S) und bestimmte, daß nur ,,to Horiovere in der olden
stad" Pfennige geschlagen werden dürften. Das Gebäude, in dem daraufhin
die Münzprägung stattfand, lag entweder auf dem St. Gallenhof oder
auf dem Baschenhof an der nördlichen Stadtmauer (Ortwin Meier, a.a. ().).
Der Versuch der Herzöge 1438, das Münzhoheitsrecht wiederzugewinnen,
führte zur Übernahme des Prägerechtes durch die Stadt allein. Der Bat zu
Hannover schlug das Geld in einem auf dem Marienröder Hofe gelegenen
gemieteten Hause; seit 1501, nach dem Zustandekommen des Hildes-
heimer Münzvertrages, im Hause am Kreuzkirchhof Nr. 4; wenige Jahr-
zehnte darauf, im Jahre 1535, in dem durch die Beformation verfügbar
gewordenen Barfüßerkloster. Hier blieb die Münzschmiede länger als
100 Jahre, bis Herzog Georg von Calenberg das Klostergelände für die
Erbauung seines Palatiums in Anspruch nahm und die Münze 1639 nach
dem im Klostergange wieder aufgebauten Gebäude des Batsklosters
verlegt wurde (s. H. G. 1915, S. 106/07). 1674 ließ hier der Bat zum
341
Münzstätten
letzten Male Münzen der Stadt Hannover herstellen; die Münze wurde
am 27. November des genannten Jahres geschlossen. Von 1708 — 58
hatte die Regierung das gleiche Haus pachtweise inne und ließ dort
Medaillen, seit 1719 auch Goldgulden prägen.
Über Einrichtung und Beirieb der Hannoverschen Münze s. Engelke
in II. G. 1915, S. 109 ff.
Landesherrliche Münze.
Unter .Johann Friedrich wurde auf Anregung des Ober-Bergfaktors
Johann Duve vom Jahre 1670 an die herzogliche Münzprägung in Hannover
aufgenommen. Zuerst in der Münze der Stadt bis zum Jahre 1674, dann
vielleicht in einer eigenen, auf dem Grundstück des Residenzschlosses
Abb.
Abb. 224. Hannover; Münzgebäude am Friederikenplatz. Nach einem von .(. I'. Ileumann
signierten Blatte im Staatsarchiv (Des. Hannover 120, VI, Nr. 2): „Plan von der neu zu
erbauenden Münze". Das Blatt enthält außerdem den Grundriß des Obergeschosses und
den Aufriß (Abb. 225).
eingerichteten Münze, bis ein Brand 1711 diese Stätte zerstörte und
die Prägung stillgelegt wurde. Die Gerätschaften verkaufte man 1716
zum Teil nach Osnabrück. Erst 1749 ließ Georg IL, um Goldmünzen
prägen zu können, aufs neue zwei Schmelzöfen und einen Glühofen ein-
richten sowie den vorhandenen Probierofen und die Maschinen wieder
instand setzen. Für die Münze hatte der König am LS. Mai 1755 den Bau
eines eigenen Hauses am Mühlenplatze bewilligt, in dem dann bei wieder-
holten Stockungen der Prägebetrieb fast hundert Jahre hindurch aus-
geübt wurde. Die Kopie des Entwurfes dazu in Grund- und Aufriß,
von J. P. Heumann signiert, findet sich bei den die Münzsachen be-
22i treffenden Akten im Staatsarchive (Des. Ilannov. 120, VI, 2). Das
Gebäude erscheint im Schoßregister 17(il zuerst und besteht noch heute.
342
Landesherrliche Münze
wenn auch in veränderter Fassung, da es 1888 aufgestockt worden ist
gleichzeitig mit der Anlage eines Erkers und Mittelrisalits mit Balkon.
Ursprünglich war es ein zweigeschossiges Massivhaus von sieben Achsen Abb. 225
mit abgeschrägten Ecken und rustizierten Lisenen; Sockel, Fenster-
und Türumrahmungen waren aus Sandstein, die Flächen geputzt. Der
Mitteleingang mit vorgelegter, mehrstufiger Treppe hatte Giebelver-
dachung, ein überaus steiles Walmdach deckte das Haus (Abb. um 1850
auf einer Lithographie im Stadtarchiv, ferner auf einem Aquarell von
A. Albes vom Jahre 1868 in einer Ehrengabe an den Geh. Rat Dr. A. Brüel,
ig v .
- ..>
II lt-l.ll
Abb. 225. Hannover; „Plan von der neu zu erbauenden .Münze", von .J. P. I leumann (1755), Aufriß.
ebenfalls im Stadtarchiv)- Das Gebäude enthielt im Erdgeschoß die
Münze, im Obergeschoß die Dienstwohnung des Münzmeisters. Der
J. P. Heumannsche Entwurf sah auch ein Nebengebäude vor, das nicht
ausgeführt zu sein scheint.
Wie verschiedene, bei den Akten im Staatsarchive (Des. Hannov. 9,
Münzsachen) liegende Berichte besagen, war die maschinelle Einrichtung
des Münzgebäudes recht unvollkommen. Der Raummangel hinderte
jeden technischen Fortschritt: das gebrechliche Walzwerk wurde durch
Pferde in Bewegung gesetzt, die Glühöfen mußten wegen ihrer veralteten
Konstruktion noch mit Torf geheizt werden, obwohl bekannt war,
daß der Schwefelgehalt des Torfes Metallverluste herbeiführt*). Im
*) „Ein Durchschnittswerk zeigte das Besondere, daß der Drücker nicht durch
eine Kurbel, sondern durch einen, an einem Hebel angebrachten Steigbügel mit
dem Fuße herauf- und heruntergetrieben wurde." Spilcker, a. a. O., S. 490.
343
Münzstätten
Schmelzhause behinderten sich die Arbeiter gegenseitig. Die Gesarat-
zahl der Belegschaft pflegte in den letzten Jahren des Betriebes vor
hShS nie weniger als 11 zu betragen.
Nach der lange geplanten Vereinigung der zweiten Landesmünzstätte
zu Clausthal mit der in der Hauptstadt auf Befehl des Königs vom
10. März 1848 wurden die Mängel noch fühlbarer. Die Notwendigkeit
eines Neubaues legte besonders ein Bericht des damaligen Münzmeisters
Theod. Willi. Briiel*) dar. Man fand indes, ohne größere Neubauten
ausführen zu müssen, eine geräumigere Unterkunft in dem v. Medingschen
Besitztum vor dem Steintore. Das dort seit 1817 bestehende Wohn-
haus wurde Verwaltungsgebäude; ein eingeschossiges Betriebsgebäude
und eine damit verbundene Scheideanstalt mußten neu erbaut werden.
Einige vorhandene Nebengebäude machte man dem veränderten Zwecke
dienstbar.
Die sogenannte Neue Münze wurde 1.S78 geschlossen; die Gebäude
sind 1886 abgebrochen.
(Näheres über die neue Münze s. Ztschr. d. Arch.- u. Ing. -Vereins,
S. 301, mit Zeichnungen auf Bl. 205 u. 206. Über das v. Medingsche
Wohnhaus s. S. 431, Abb. um 1870 im Stadtarchiv, Mappe VIII, 4. Zum
Ganzen s. den Aufs. v. Dr. Joh. Kretzschmar „Die Königliche Münze
zu Hannover" in Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1902, S. 4 ff.)
*) Über die Person Br's s. ürlwin Meier, Heinrich Fr. Brehmer, Hildesheim,
1927, S. 1, Anm. 2.
344
Rathäuser.
Aus dem bei Grupen (Orig., S. 319) abgedruckten Statute- de Anno
1303 gebt hervor, daß damals der Rat zu Hannover entweder im Theater
oder auf dem Marktkirchhofe - - „sive in Theatro sive in Cimeterio"
zusammenkam; daß mithin bereits damals ein Gebäude für die Versamm-
lungen der Ratsherren vorhanden war, in dem wohl auch Festlichkeiten
der Rürgerschaft stattfanden. Einige Jahrzehnte später wird das Rathaus
einfach „dat Hus" genannt (vgl. H. G. 1906, S. 116). Im Jahre 1355
bestätigt der Herzog Ludwig von Braunschweig der Stadt ihre Privilegien
„uppe der Loven" (U. B. 340); 1367 geschieht diese Bestätigung durch
Herzog Magnus von Braunschweig ,,up der Cokene" (U. B. 442). Die
Laube*) war allenthalben der Ort, wo das Halsgericht gehalten und die
Statuten verkündet zu werden pflegten und gehörte zum Ratshause, wie
die Ratsküche unter den Räumen des späteren Rathauses einen Bestand-
teil bildete.
Altstädter Rathaus.
Das Anwachsen der Stadt im 14. Jahrhundert gab den Anlaß, ein baugeschichte
größeres Haus zu erbauen. Die Bezeichnung „int nige Radhaus", die
1413**) nach Grupen (Orig. S. 331) im Kämmereiregister auftritt, kann sich
bereits auf den ältesten Teil des gegenwärtig vorhandenen Rathauses be-
ziehen. Dieser an der Marktstraße belegene älteste Teil findet sich jeden-
falls 1428 schon in Benutzung (vgl. H. G. 1925, S. 21). Er umfaßte die
mittleren drei Achsen des heutigen Marktstraßenflügels und war ein mit
acht Kreuzgewölben unterkellerter, ursprünglich freistehender Ziegelbau.
Das Erdgeschoß war zugänglich durch das noch bestehende spitzbogige
Mittelportal. Eine Freitreppe führte zum Obergeschoß von der südlichen
Giebelseite her. Der berühmte Fries bildete den Schmuck des Gebäudes
an der Marktstraße. Die innere Einteilung war eine sehr einfache: über
dem auf Achteckspfeilern in acht Jochen gewölbten Weinkeller fanden
*) Love = Laube, verwandt mit engl, law (= Gericht, Gesetz).
**) Vielleicht Druckfehler statt 1431.
345
Rathäuser
sich in dem ebenfalls überwölbten Erdgeschoß einige Schreib- und Sitzungs-
zimmer des Rates. Das Obergeschoß hatte nur einen Raum, der als
theatrum oder Danzhus diente und mittels einer Haikendecke auf Konsolen
und rohen Stützen mit Kopfbändern geschlossen war. Der Raum war
durch die genannte Freitreppe von außen zugänglich. Ein Treppenturm
(1578) beim Nordgiebel verband ihn später mit dem Weinkeller.
Abb. 22(5. Hannover; Altstädter Rathaus, Grundriß des Kellergeschosses, 1878. Stadtbauamt.
An der nördlichen Giebelseite wurde angeblich um 1 135 ein Weinkeller
angebaut. Er umfaßte die beiden Gewölbefelder an der Nordostecke des
Rathauses, innerhalb deren auch die Höhengleichheit des Fußbodens die
Zugehörigkeit zum älteren Gebäudeteil angibt. Wahrscheinlich lag über
dem neuen Weinkeller der Schoßturm, der mit hohem, spitzem Helm
verseilen gewesen sein soll, in dem die Schoßglocke hing, mittels deren
die Rürger am Lucientage zur Abgabe des Schosses gerufen wurden.
346
Altstädter Rathaus
Ein weiterer Bauabschnitt für die mittelalterliche Rathausbaulichkeit
umfaßt die Jahre 1451 und 1155, während deren dem bisherigen beschei-
denen Gebäude der Hauptflügel am Marktplatze hinzugefügt wurde*).
Die Baurechnungen darüber liegen noch vor und sind von Mithoff in
Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen, Jahrgang 1879, S. 271 ff., zum
■
|
Abb. 227. Hannover; Altstädter Rathaus, Grundriß des Erdgeschosses, 1878. Stadtbauamt.
Abdruck gebracht. Sie nennen die Vornamen der Baumeister, denen
samt elf Genossen die Ausführung verdungen war: Ludecke und Cordt.
Dazu erfahren wir aus den Ratsprotokollen, daß die Meister Cordt und
Ludeke Haverkoper im Jahre 1446 an Meister Dietrichs Stelle als Rats-
maurermeister angenommen waren. Auch die Verlassungsbücher enthalten
*) Wo wahrscheinlich das Wanthaus der Kaufmannsinnung gestanden hatte,
die dann für die Benutzung des Neubaues einen jährlichen Zins zahlte (Leonhardt).
347
Hat hau sei-
den Namen des Meisters Cordt Stenewerten (d. i. des Steinmetzen) „Haver-
koper geheten" (s. darüber Leonhardt in IL G. 1925, S. 2)*).
Abb. 226 u. x>7 Der Rathausflügel am Markt, der sich rechtwinklig an den älteren Ge-
bäudeteil anschließt, indem er den Weinkeller- und Laubenanbau von
1435 überbaut, enthielt im Erdgeschoß einen in zehn Jochen gewölbten
Weinkeller, dessen Fußboden aber um 90 cm höher liegt als der des vo-
rigen und in diesem Umstände ein für die Archäologie des Bauteiles zu
beachtendes Merkmal aufweist. Die beiden darüber angeordneten Ge-
schosse enthielten je einen einzigen großen Saal mit Holzdecken auf
Trägern und Stützen. Nachdem so größere Räume für das Danzhus ge-
schaffen waren, wird das Theatrum des älteren Rathausflügels Zwecken
der Verwaltung dienstbar gemacht sein. In den unteren Saal des neuen
Flügels legte man später eine Küche, im oberen fundierte 1476 Arnold
von Heysede, Domkapitular in Hildesheim, eine kleine Kapelle. Das
Erdgeschoß war durch Eingänge an den Giebelseiten, das Obergeschoß
durch eine Freitreppe, deren Spuren noch sichtbar sind, von der Südost-
ecke des Hofes aus zugänglich.
Die Außenarchitektur war reicher als die des Marktstraßenflügels.
Der Fries an der Marktseite bietet archäologische Anhaltspunkte, insofern
er sich äußerlich von dem älteren durch die Rundform der Wappenschilde
unterscheidet, gedanklich knüpft er an die Erweiterung der Landesherr-
schaft über die Grafschaft Hallermund 1435 an, während die ältere Wappen-
folge nach dem Gedanken: Reich, Landesherrschaft und Gemeinde ange-
ordnet ist (s. H. G. 1925, S. 22). Die Giebel im Osten und Westen erhielten
die noch bestehende zierliche Durchbildung in Staffeln mit durchschießen-
den Fialen. Die Dachfläche an der Marktseite wurde belebt durch drei
figurengeschmückte Doppelerker. Der First trägt auf dem Holzschnitt
nach E. Holwein einen Dachreiter, doch ist ungewiß, ob der Dargestellte
der Entstehungszeit des neuen Flügels angehört. Beseitigt ist er um 1830.
Gegen 1490 sind weitere Anbauten am Rathausgebäude entstanden.
Vor dem Giebel an der Köbelingerstraße wurde die noch vorhandene
neue Laube mit dem Kaak angefügt. Sodann verlängerte man den Markt-
straßenflügel südwärts durch einen zweigeschossigen, etwa quadratischen
Anbau, dem die bis dahin freiliegende Freitreppe zum Opfer fiel. Dieser
neue Gebäudeteil war im Kellergeschoß in vier Jochen auf einem Mittel-
pfeiler gewölbt und hatte in den oberen Geschossen wie das übrige Rathaus
je einen Raum mit Balkendecke auf Stützen. Der Erkerschmuck vor der
Dachschräge des Flügels an der Marktstraßenseite ist erst 1503 durch
den Baumeister Bartold von Hemmingen (s. Mithoff, Ma. Künstler, S. 27)
*) Hans Witzendorf in Lüneburg erhielt 'A P. für Glasur zu den Steinen,
Fuhrlöhn inbegriffen. Den Fries stellte der Maler Claus für 2 P. her. Für die
Glasfenster erhielt der Glaser Heinrich Krege 21 P. (Jürgens, H. G. 1929, S. 58).
348
Altstädter Rathaus
geschaffen. Ein anderer „Mester", Cord Ruter, erhielt 1501 für den ihm
verdungenen Bau des ,,nigenhuses" 48 Pfd. und einige Ellen Stoff (ebenda,
S. 2<S0). Ob diese Angabe aber sich auf das Rathaus bezieht, kann
bezweifelt werden.
Das eigentliche Rathaus bildete im Grundriß bisher einen nach außen
gekehrten Winkelhaken. Der dahinein sich schmiegende rechteckige
Hof war im übrigen durch die Waage und den Schuhhof begrenzt.
Hier ließ der Rat im Jahre 1565 den sogenannten Apothekenflügel
des Rathauses errichten.
Dieser Neubau an der Köbelingerstraße war 1567 beendet; die Apotheke Abb. 2:«
konnte. 156<S eröffnet werden.
Der Apothekenflügel des Rathauses, den die Schmuckbehandlung
seines Fachwerkes einer in Hannover einzigartigen Schulgruppe von nur
wenigen gleichzeitig entstandenen Beispielen zugesellt, fiel im Jahre
1844 den umfassenden Plänen für den Neubau eines Rathauses zum
Opfer, die der Stadtdirektor Rumann mit dem von ihm bevorzugten Stadt-
baumeister Andreae ins Werk setzte.
Das gesamte Rathaus war durch diese Pläne mit der Niederreißung
bedroht. Obwohl die Ansicht der Bürgerschaft wie des Bürgervorsteher-
kollegiums dahin ging, daß dieses Denkmal der Vorzeit nicht ohne drin-
gendste Not geopfert werden dürfte, setzte Rumann vorerst den Abbruch
des Apothekenflügels durch und erreichte gegen vielfachen Einspruch
die Ausführung eines neuen Rathausflügels, des sogenannten Dogen-
palastes, im ravennatischen Stil, durch die dann die Notwendigkeit
erzielt werden sollte, das ältere Rathausgebäude anzugreifen. Die Ab-
bruchsgefahr für dieses trat noch im Jahre 1849 bedrohlich näher, verebbte
dann aber, als die städtischen Kollegien 1862 vom Könige Georg V. das
vormals v. Wangenheimsche Palais am Friedrichswall samt dessen beiden
Nachbarhäusern angekauft und 1863 als „Neues Rathaus" in Benutzung
genommen hatten.
Inzwischen geriet das alte Rathaus mehr und mehr in Verwahrlosung
und schien so dennoch dem Untergange verfallen. Zur Verhütung des
Verlustes hatte schon Mithoff seit 1849 wiederholt seine Stimme erhoben.
1856 legte die Deutsche Archäologen- und Geschichtsforschertagung
und 1862 der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Hannover Protest
gegen den Abbruch ein. Der letztgenannte Verein trat nachdrücklich
durch eine von ihm gewählte Kommission im Jahre 1865 für die Erhaltung
des Rathauses ein und legte ein bemerkenswertes Gutachten nieder,
in dem es u. a. heißt: „Alte Bauten, welche Jahrhunderte überdauert
haben, verbinden ein Volk mit seiner Vergangenheit, sie bilden den un-
verrückbaren Maßstab für die wechselnden Anschauungen. Mit dem
349
Rathäuser
lw
350
Altstädter Rathaus
Falle jeden monumentalen Bauwerkes reißt das Volk ein Blatt aus dem
Buche seiner Geschichte und begeht ein Unrecht, über dessen Tragweite
es selbst, belangen in den Vorurteilen seiner Zeit, nicht urteilen kann."
1 «S77 endlich wurde auf Beschluß der städtischen Kollegien ein Restau-
rationsentwurf C. W. Hases angenommen, der in den Jahren .1878 bis
1(S<S2 zur Ausführung gelangte. (Über den Entwurf siehe d^n Vortrags-
bericht Zt. d. Arch.- u. Ing.-Vereins 1877, S. 547.)
Die Restauration war zugleich eine Stilbereinigung im Sinne Hases.
Bauteile, welche „schlechten Bauperioden" (Hase in seinem Vortrag)
entstammten, wurden dabei entfernt; so die Renaissancefenstergewände
aus Sandstein, die zum Teil Wiederverwendung an einem Neubau in
der Hinüberstraße Nr. 20 gefunden haben. Die Fensterpfosten sind
Arbeiten vom Meister Hans Nottelmann.
Das Rathaus erhielt das einheitliche Aussehen, in dem wir es heule
kennen; auch das Innere wurde stark verändert.
Ein Erweiterungsbau ist in den Jahren 1890/91 an der Seite des Abb. 228
Grupenstraßendurchbruches durch C. W. Hase in völliger Anpassung
an das gotische Rathaus hinzugefügt, so daß nunmehr die älteren Flügel,
der sogenannte Dogenpalast, und der eben genannte Erweiterungsbau
einen viereckigen Hof vollständig umschließen.
Um einzelne Angaben nachholen zu können, welche sich auf das
Äußere und Innere des Bauwerkes seit dem Bauabschluß, insbesondere
aber auf Zustände erstrecken, die schon vor Hases Restauration be-
seitigt waren, sind außer den älteren Nachrichten die älteren Abbildungen
zu Rate zu ziehen. Solche sind: Zeichnungen des Schreibmeisters der
Stadt Friedrich Adolph Hoffmann in der Kartensammlung der vorm.
Königl. und Provinzial-Bibliothek, Mappe 17, zu denen noch die Ab- Abi». 1220
bildungen der Wappen und Figuren am alten Rathause gehören, die
ebenfalls von Hoffmanns Hand herrühren und im Staatsarchive (Hand-
schriften C. 39) aufbewahrt werden. .lugler hat (a. a. O., S. 324) einen
Teil der Bilder nebst der dazugehörenden Beschreibung wiedergegeben.
Die Hoffmannschen Zeichnungen sind durch die Kammerrechnungen
von 1731, Blatt 614/15 datiert. Hoffmann war nicht Architekt; er hat
lediglich als „der Architektur Beflissener" die Risse gefertigt, die der
Magistrat dann anzukaufen für wert gehalten hat. Zu bemerken ist
dabei die Darstellung des Gebäudes mit geputzten Wandflächen, Rustika
und Quaderverzahnung.
Die von Mithoff (Archiv, I. Teil) gegebenen Blätter 21 — 24 entstammen
den Jahren 1 844 — 48. Sie werden in willkommener Weise ergänzt, ins-
besondere durch Zeichnungen von Kretschmer aus der gleichen Zeit.
Kurz vor der Erneuerung von 1877 sind zwei im Stadtbauamte auf-
bewahrte geometrische Aufnahmen gefertigt, die eine von Schmiede-
351
Rathäuser
Abb. 230 u. 231 mann aus dem .Jahn' 1864 und die andere von Hase seihst aus dem
Jahre 1<X7(>.
Die Zeit der Veränderungen und Wiederherstellungen beginnt für
das Rathaus mit dem Jahre 1576. Bei Gelegenheit der bevorstehenden
Huldigung für Herzog Erich d. J. und seine Gemahlin ließ der Magistrat
den älteren Rathausteil instand setzen und über der Hofeinfahrt eine
auf Säulen ruhende eingeschossige Auslucht aus Holz vorbauen*). Ebenso
wurde an der Seite des Marktplatzes vor dem Großen Saal eine Auslucht
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Abb. 229. Hannover; Altstädter Rathaus: „Elevation des Rathhauses nach dem Markte zu"
von Fr. Ad. Hoffmann um 1730.
aufgeführt, die auf zwölf niedrigen Säulen aufgestützt war und zwei massive
Geschosse mit plastischem Schmuck hatte. Für dieses Werk war der
Meister Frederik Meersman von Petershagen bei Minden verschrieben
worden, der mit einer Schar von mehr als einem Dutzend Gesellen, zumeist
ebenfalls westfälischer Herkunft, die Arbeit in kurzer Zeit vollendet hat
(s. Leonhardt in H. G. 1926, S. 5; über die Kosten vgl. Bernhard
Homeisters Rechnungsauszug, Chronik, S. 234 35).
*) Sie hat ihre in Abbildungen überlieferte Gestalt aber erst 1655 durch den Bild-
schnitzer Jürgen Blume erhalten, wie die Kämmereirechnung ausweist (Leonhardt).
352
Altstädter Rathaus
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Altstädter Rathaus
Die Auslucht am Markte hat man um 1789 beseitigt; ihre Statte
war bis zur Haseschen Wiederherstellung erkennbar an einer Lücke
im Tonfriese (s. auch Spilcker, a. a. 0., S. 484). Wohl gleichzeitig ist auch
die andere Auslucht abgebrochen, ohne daß von dem kostbaren Skulp-
turenschmuck etwas erhalten wäre. Die Holzschnitzereien des Markt-
straßenerkers stellten die vier Evangelisten sowie Allegorien des Glaubens,
der Hoffnung, der Liebe, Geduld, Gerechtigkeit und Klugheit dar; die
Skulpturen des anderen Erkers auf zehn Steinplatten: die Taten des Her-
kules, das fürstliche und das städtische Wappen. Außerdem waren daran
die Statuen der Lucretia und Judith in Nischen aufgestellt. Den Rech-
nungen nach waren die Skulpturen bemalt, auch Gold und Silber waren
daran gebraucht; die Fenster trugen gestiftete Wappen (vgl. die aus-
führliche Beschreibung Riemers, H. G. 1914, S. 135 ff.).
Ein Umbau (die P2inrichtung der sogenannten „Neuen Schenke"
im Erdgeschoß des Marktflügels) scheint dann im Jahre 1603 die Um-
wandlung der flachbogigen Fenster in geradlinig geschlossene veranlaßt
zu haben. Die Lichtöffnungen wurden dabei zumeist gekuppelt, die im
Erdgeschoß mit ornamentierten Teilungssäulen versehen, die Gewände
- aber nur teilweise - - überaus reich figürlich geschmückt. Das Werk
stand unter Leitung des Ratsmaurermeisters Hans Bere. Die Steinmetz-
arbeiten selbst fertigte laut Kämmereirechnungen Hans Nottelmann
mit seinen Gehilfen (Redecker, Chronik, S. 357 gibt Inschriften unter
den einzelnen Fenstern an). Die Fassung der Lichtöffnungen im Ober-
geschoß, wie sie übereinstimmend auf den älteren Darstellungen sich
findet, war einfacher, mit geradem, vorgekröpftem und profiliertem
Sturz und ebenso behandelter Solbank. Wie erwähnt, sind diese Ge-
wände 1877 entfernt und anderen Ortes wieder verwandt.
Kleine Veränderungen, wie die Verlegung oder Neuanlage von Türen,
sind wiederholt in der Folgezeit vorgekommen und pflegen zusammen-
zuhängen mit Umgestaltungen im Innern. So ist 1658 an der Köbe-
lingerstraße das Portal mit dem Ratswappen (Abb. H. G. 1931, S. 217) zum
großen Ratssaal durch P. Köster geschaffen; an der entgegengesetzten
Giebelseite wurde das Mittelportal im 17. Jahrhundert verschoben und
eine zweiarmige Freitreppe davor angelegt. Die Wendeltreppe im inneren
Winkel des Hofes ist 1578 laut Inschrift entstanden. Die Kellertreppe
unter der Laube an der Köbelingerstraße entstammt dem Anfange des
19. Jahrhunderts.
Die veränderte, nachmittelalterliche Raumverteilung in den beiden
Rathausflügeln zu ergründen, gestatten die notdürftigen Nachrichten
darüber kaum. Im wesentlichen sind die der Verwaltung dienenden
Räume von jeher im Marktstraßenflügel untergebracht gewesen, während
im Flügel am Marktplatze - vielleicht in Erinnerung an das hier am
Rande des Kirchhofes einst belegen gewesene 44ieatrum - immer die
355
Rathäuser
Räume der Geselligkeit und Lustbarkeit angeordnet waren. Die Nach-
richten, welche das corpus bonorum aus dem .Jahre 1720 und Grupen
(Orig., S. 322) überliefern, bestätigen dies noch für eine verhältnismäßig
späte Zeit, ohne daß es gelingt, die genaue Lage und Größe einzelner
Räume zu ermitteln. Ein Lageplan aus dem Anfang des 18. Jahr-
hunderts ist im Stadtarchiv.
Abb. 332 Der Marktstraßenflügel enthielt im Erdgeschoß in den gewölbten
Räumen die Schreiberei und das Stadtarchiv, darüber die Ratsstube,
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Abb. 232. Hannover; Altes Rathaus, Schnitt durch den Marktstraßenflügel. Nach Aufnahme von
C. W. Hase aus dem Jahre 1871. Stadtbauamt.
wahrscheinlich die 1504 — 06 nach den Lohnregistern eingerichtete Dörntze,
welche mit einem Fußboden von glasierten Fliesen und einem Kachel-
ofen ausgestattet, auch mit Malerei und Vergoldung geschmückt war.
Für die Ratsstube hatte Dietrich Wedemeyer in den Jahren 1607 und
1613 die Historien des Sisamnes und Kambyses gemalt, die nicht mehr
erhalten sind; den Sisamnes für 40 Thlr. Münze laut Kämmerei-
rechnungen. Der im corpus bonorum genannte Gipssaal, im Obergeschoß
des Marktplatzflügels, ist wohl der große Tanzsaal. Der ,, Gipsboden"
erhielt 1618 einen großen Ofen, „daran viele biblische Historien abge-
bildet und auch der Stadtwapen" zu sehen war.
356
Altstä titer Rathaus
Im Marktflügel war um 1720 die Raumverteilung im Erdgeschoß Abb. 333
zuletzt geändert worden; die an der Seite des Platzes belegenen kleinen
Gemächer enthielten nach dem corpus bonorum damals die Herrenstube,
Küche, neue Speisestube, Schenke und einige andere Stuben. Auch im
Obergeschoß war der große Saal in kleinere Räume aufgeteilt worden;
die Kapelle bestand damals nicht mehr. Am Kamin des großen Saales
waren - - wie Redecker mitteilt die Wappen des Herzogs und der
Stadt erhöht eingehauen und farbig bemalt.
Abb. 233. Hannover; Altes Rathaus, Schnitt durch den Flügel am Marktplatze. Nach Aufnahme
von ('.. W. Hase aus dem Jahre 1871. Stadtbauamt.
Seit jener Zeit wurden noch mehrfach bauliche Veränderungen im
Rathause vorgenommen, um Räume für die anwachsenden Verwaltungs-
geschäfte zu beschaffen. Die Vorplätze und Säle des Rathauses wurden
- wie 1819 berichtet wird - - während der Jahrmärkte zur Ausstellung
von Kaufmannswaren usw. benutzt. Folgende städtische Behörden,
welche ihre Geschäftsräume auf dem Rathause hatten, werden 1831
genannt (Brönnenberg, S. 35): das allgemeine Magistratskollegium, das
Stadtgericht, der verwaltende Magistrat, das Bürgervorsteherkollegium,
die Stadthauptkasse, das Leihhaus, Billettamt und das Bierprobekollegium
(Ausführlicheres dazu s. H. G. 1906, S. 123).
357
Rathäuser
Beschreibung Abgesehen von der Fensterarchitektur erscheint das Rathausgebäude
nach der Restauration der Jahre 1878—82 äußerlich in seiner spätmittel-
alterlichen Fassung. Auf winkelhakenförmigem Grundriß erhebt sich
zweigeschossig der bedeutende mittelalterliche Backsteinbau in einheit-
licher Außenarchitektur, deren Hauptgewicht auf den Giebeln des Markt-
fliigels und den Lukarnen vor der riesigen Fläche der Satteldächer beruht.
Das hohe Kellergeschoß zeigt keine Absetzung des Sandsteinfundamentes;
die Geschoßteilung wird durch den unten näher zu beschreibenden Ton-
fries bezeichnet; das Hauptsims stellt sich dar als ein aus Vierpässen
zusammengesetzter Backsteinfries, ist aber vollständig nur an der Markt-
straßen- und Köbelingerstraßenseite. Die beiden Giebel, die den Markt-
Abb. 234 flügel auszeichnen, sind fünfstaffelig und werden senkrecht gegliedert
durch übereck auf die Schräge des Giebelfußes gesetzte, aufstrebende
Bündelpfeilerchen, die fialenartig über die Staffelenden hinausschießen,
gekrönt durch pyramidale Ziegelhelme mit Eisenstangen und dem
städtischen Kleeblatt als Fähnchen daran. Die Giebelstaffeln werden
durch schmale Simse gegürtet und enthalten je in ihrer Wandfläche
gekuppelte dreipaßgeschlossene Lichtöffnungen oder Blenden außerhalb
der Giebelschräge. Die Felder oberhalb der Fenster sind durch einen
senkrechten Lisenenstreifen geteilt, jedes von einer Rispe mit lilien-
artigen Blättern belebt; die Staffeln endeten bei beiden Giebeln ursprüng-
lich frei wie bei den Lukarnen, nämlich in dreieckigen Aufsätzen aus
durchbrochenem Vierpaßwerk (vgl. Hoffmanns Zeichnungen). An den
Giebeln sind in schichtweisem Wechsel dunkelbraun- und grünglasierte
Ziegel verwandt.
Vor der Fläche des hohen Satteldaches, sowohl an der Seite des
Marktes wie an der Marktstraße, sind den Giebeln ähnlich ausgebildete
Lukarnen unmittelbar auf den Simsbord aufgesetzt; den drei Lukarnen
an der Marktseite von 1455 sind die an der Marktstraße von 1503 nach-
gebildet. Zwischen drei gleich hoch emporstrebenden Bündelpfeilern
liegen zweigeschossige Wandfelder, die sich von denen der Giebel durch
die Einfügung von flachbogigen Blendnischen unterscheiden; in ihnen sind
Abb. 2:i5u.23G reliefierte und glasierte Figuren — Ritterund Heiligengestalten — enthalten.
Laube Die Laube an der Köbelingerstraße von 1490, unmittelbar an der
Nordwestecke des Marktflügels, ist ein eingeschossiger Vorbau auf Rund-
pfeilern, die durch ein spitzbogiges Kreuzgewölbe verbunden sind. Die
Brüstung des Bauwerkes ist in Felder geteilt, deren Ornamentik in Ziegel-
mustern besteht. Der Altan des Vorbaues ist nicht zugänglich.
Tonfiies Das geschoßteilende Gurtsims, welches beide Rathausflügel umzieht,
wird durch einen Fries aus gebranntem Ton gebildet und besteht am
Abb. 237 älteren Rathausflügel aus unglasierten, bemalten Platten, während am
Marktflügel die Platten glasiert sind. Die Platten sind in einem Rahmen
von hohlkehlig profilierten Ziegeln eingefaßt und zeigen in Teilfeldern
358
Altstädter Ratliaus
Abb. 2'.i-i. Hannover; Altstädter Rathaus, Fialengiebel an der Köbelingerstraße. Phot. M. B. A., 1928.
359
Rathäuser
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Altstädter Rathaus
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361
Rathäuser
eine Folge von Bundmedaillons, umspielt von gotischen Weinranken.
Die Rundmedaillons enthalten Wappen und Köpfe. Im älteren Friesteile
sind die Wappensehilde von spitzer Form, während sie im späteren Fries-
teile die Rundform aufweisen. Gedanklich ordnet sich die ältere Wappen-
folge nach den Begriffen: Reich, Landesherrschaft und Gemeinde, die
jüngere knüpft an die Erweiterung der Landesherrschaft üher die Graf-
schaft Hallermund 1135 an. Im Friese des 1490 erbauten Gebäudeteiles
an der Marktstraße haben die Darstellungen biblische Themen. Außer
den Hoffmannschen Zeichnungen sind Mithoffs Abbildungen (Archiv I,
Bl. 23) zu vergleichen; Gipsabgüsse des Frieses befinden sich im Vater-
ländischen Museum (s. dazu auch die Arbeit von Tack, H. G. 1920,
S. 43 ff., und Leonhardt in H. G. 1926, S, 22). Die früheren Lücken im
Friese, die durch die Erkervorbauten vom Jahre 1570 verursacht waren,
sind bei der Haseschen Instandsetzung ergänzt. Als Meister des Frieses
glaubt Habicht (H. G. 1913, S. 250) den in den Rechnungsbüchern 1454
genannten Hans Teygeler ansehen zu dürfen.
An der Marktstraße von links nach rechts finden sich: Josef, Maria
mit dem Kinde und zwei Weise, dann sechs Ergänzungen von Hase.
Weiter folgen am alten Flügel abwechselnd mit sieben Brustbildern fürstlicher
Personen, wahrscheinlich die Kurfürsten darstellend, sieben Wappenschilde:
Deutsches Reich, Herzogtum Braunschweig, Herzogtum Sachsen-Lauen-
burg, Fürstentum Lüneburg, Grafschaft Everstein, Grafschaft Homburg,
Stadt Hannover. Zwischen dem vierten und fünften Wappen ist über dem
Spitzbogen der Tür das Herzoglich Braunschweig-Lüneburgische Wappen
in besonderem hochrechteckigen Rahmen eingefügt. Das Original, Stein,
ist in das Vaterländische Museum verbracht. Der Stein dürfte eine
spätere Einschiebung sein, da das Wappen in dieser Gestalt vom
Gesamthause Braunschweig und Lüneburg erst seit 1482 geführt wird,
während es von 1414 — 46 nur vom Herzog Otto v. d. Heide für
seine Person geführt wurde (mündl. Mitteilung von Dr. Leonhardt,
16. März 1929). Am Ostgiebel des Marktflügels folgen die Wappen der
Grafschaften Hallermund, Wunstorf, Klettenberg, Schauenburg; an der
Nordfront das päpstliche Wappen, dann drei von Hase eingefügte Brust-
bilder und Wappen an Stelle der durch den Abbruch der Auslucht ent-
standenen Lücke, darauf die der sieben Kurfürsten, insgesamt 19 Reliefs
alten Bestandes. Die durch den Laubenanbau von 1490 vor dem Giebel
der Köbelingerstraße verdeckten Teile sind von Hase zum Ausfüllen
von Lücken oder Ersatz zerstörter Teile des Frieses verwandt; sonst
sind noch die Wappen der Grafschaften Wernigerode und Hoya dem
alten Bestände zuzuzählen.
Neidkopf An der Köbelingerstraße, seitlich des Einganges, ein in die Wand
eingelassenes Steinbild, Sandstein, H =43 cm, zweite Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, fratzenhafte Darstellung eines Gorgonenkopfes, dessen Mund
362
Altstädter Rathaus
363
Rathäuser
mit beiden Händen seitwärts aufgerissen, die Zunge lang heraushängen
läßt. Hinter den recht großen Ohren kommen die Arme zum Vorschein,
das Haar am Kopf und Kinn ist spitzlockig. Unterhalb des Kopfes rechts
und links je ein Kleeblatt, das Wappenzeichen der Stadt.
Apothekenflügel Am Gründonnerstag des Jahres 1565 gibt der Rat seinen Entschluß
bekannt, dem Rathause einen Erweiterungsbau anzufügen, der eine neu
einzurichtende Apotheke enthalten soll. Jugler führt (a. a. O., S. 329)
nach dem Stadtverlassungsbuch aus dem Jahre 1565 den Wortlaut der
Verkündung an: Dass der Rat, vorhebbens zy de eyne halve des Radt-
huses, dar de Wage steit, und den Schohoff to buwende und an den ordt
des Schohoffes, dar de Behuesunge uppe steit, eine Apotheken, der gantzen
Gemeinen Börgerschop tho fromen vnd tho gute enthorichtende. Der
Bau wurde mit zwei massiven Geschossen und zwei Fachwerkgeschossen
als Traufenhaus ausgeführt. Aus den Baurechnungen über den Apo-
thekenflügel des Rathauses geht hervor, daß die Bauleitung in Händen
des Ratsmaurermeisters Dirik Berndes lag, so daß dieser wohl auch als
der Architekt gelten kann. An den Fachwerkarbeiten ist der Ratszimmer-
meister Jürgen Geringes beteiligt und nach dessen schon 1566 erfolgten
Tode der Zimmermeister Hinrich Holste, den der Rat sich aus Hildesheim
verschrieben hatte, sowie andere hannoversche Zimmerleute, wie Härmen
Konning mit seinen beiden Söhnen, Meister Hans Boe und endlich Meister
Hans Cramer, deren Signaturen an bürgerlichen Fachwerkbauten jener
Zeit sich wiederfinden.
Mithoff gibt an, daß eine Inschrift an der Dachluke des Apotheken-
flügels die Jahreszahl 1566 enthalten habe (Archiv I, S. 18). Die Eröffnung
der Apotheke ist nach Jugler, a. a. 0., S. 329, 1568 erfolgt; offenbar aber
ist ihre Einrichtung noch längst nicht abgeschlossen gewesen: 1568 wurde
eine Battstube, 1584 ein Laboratorium, später ein Destillatorium und
eine Sirupkammer in Gebrauch genommen. Nach dem Register von
1620 sind die Räume neu eingerichtet (Jugler, S. 331). Grupen (Orig.,
S. 322) berichtet, daß in den Räumen über der Apotheke ehedem auch
die Ratssession gehalten worden sei. Der Dachraum diente als Korn-
speicher (H. G. 1906, S. 229). Grundrißpläne des 1844 abgebrochenen
Apothekenflügels sind nicht überliefert. Von der Außenarchitektur
geben die Aufnahmen Hoffmanns und Mithoffs Zeugnis (Arch. I., Bl. 24).
Malerisch und mit künstlerischer Freiheit hat Quaglio (1786 — 1837)
die zum Rathaus gehörenden Gebäude an der Köbelingerstraße wieder-
gegeben (Original im Vaterländischen Museum).
Abb. 238 Der Apothekenflügel war ein mit der Traufseite der Köbelinger-
straße zugewandter Mischbau von zwei in Ziegeln hochgeführten Ge
Schossen und zwei Geschossen in Fachwerk bei 23 Gefachen. Die Auf-
nahmezeichnungen lassen am Unterbau Veränderungen erkennen, die
364
Altstädter Rathaus
365
Rathäuser
um 1 (iOO liegen und sich auf die Anlage von rechteckij
Öffnungen beziehen.
.g umrahmten Licht
Von den vermutlich sparsam vorteilten älteren
Fenstern lagen einige in flachbogigen Blendnischen. Hoffmanns Aufnahme
zeigt noch eine spitzbogige Tür links der Mittelachse. Die auf beiden
Aufnahmen in gleicher Weise dargestellten Sandsteinportale gehören
noch der ausgehenden Renaissance an: das nördliche, das zum Ratshofe
führte, hatte 1665 ein großes, von Löwen gehaltenes Stadtwappen im
bekrönenden Aufsatz erhalten; es ist von Redecker (H. G. 1908, S. 273)
Abb. 239 abgebildet*). Ein Relief, das die Justitia mit zwei neben ihr knienden
Gestalten zeigte, war wohl gleichzeitig in das oberste Halbrosettenfeld
der Bekrönung eingefügt. Beide Portale waren im übrigen einander
sehr ähnlich ausgebildet mit vorgekröpften Halbsäulen und Renaissance-
gebälk, in dessen Fries vielzellige Inschriften zu lesen waren. Das staffel-
Abb. 239. Hannover; Altstädter Rathaus.
Stadtwappen vom Portal dos Apothekenflügels von Amd Siemerding, 1565. Druckstock II. G.
artige, bekrönende Stück war wohl nur bei dem südlichen Portal, das
den Zugang zur Apotheke eröffnete, unverändert geblieben. Es trug
flachreliefierten Schmuck in seinen von Lisenenpilastern und zarten
Horizontalsimsen gebildeten Feldern. Als Füllung des Staffelzwickels
und als oberer Abschluß dienten kugelbesetzte Halbrosetten. Über die
Inschriften s. H. G. 191 1, S. 123.
Die beiden Fachwerkgeschosse des Apothekenflügels waren auf
Trommelkonsolen vorgekragt, ebenso das Traufsims. An dem reich mit
Flachschnitzarbeit überzogenen Ständerwerk verkröpften sich die Gurt-
und Brüstungssimse; alle Füllhölzer waren mit Schnitzerei nach dem
*) Es ist 19150 von Siedentopf wieder aufgefunden, jetzt im Leibnizhause. Als
Meister signiert sieh Arnd Siemerding.
366
Altstädter Rathaus
Girlandenmotiv bedeckt; das Traufsims wies oberhalb der Fallhölzer
eine Wiederholung dieser Schmuckbehandlung auf. Die Brüstungs-
bretter trugen Halbrosetten mit Zwickelblättern; jedes Gefach hatte ein
Fenster, dessen Sturzholz in Gardinenbogenform ausgeschnitten war.
Ein Windenerker war am Dachbord in der Mittelachse errichtet mit
vorgekragtem, gestaffeltem Giebelaufsatz, bei dem in den Zwickeln und
als Bekrönung Halbrosetten angebracht waren.
Zum Apothekenflügel wird seit etwa 1569 ein schmales Gebäude
hinzugerechnet, das sich in gleicher Front an der Köbelingerstraße auf
dem Grundstücke des alten Schuhhofes südostwärts daran anschließt.
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Abb. 240. Hannover; Rathausflügelan der Köbelingerstraße („Dogenpalast"). Nach Zeichnung von Andreae.
Es diente als Wohnung des Apothekers und war durch einen prachtvollen
Erker ausgezeichnet, der wahrscheinlich gleichzeitig mit den beiden
Bathauserkern im Jahre 1576 als dritter entstanden ist, da in den Rech-
nungsbelegen von 1575/76 drei Auslagen aufgeführt sind (s. H. G. 1914,
S. 137). Der Erker ist zugleich mit dem Apothekenflügel im Jahre 1844
abgebrochen worden. Auf seiner Ansicht der Marktkirche und des Bat-
hauses von 1840 (Arch., Taf. I) hat Mithoff den Erker abgebildet; ebenso
findet er sich auf dem Gemälde von Quaglio. Die Einzelskulpturen des
Erkers überliefert Hoffmanns Aufnahme (s. auch darüber H. G. 1911,
S. 139 ff., und Jugler, S. 328 ff.). Der Erker war nach den Abbildungen
zweigeschossig bei vier Achsen und mit Pultdach abgedeckt. Das Ober-
geschoß zeigte besonders reiche Schmuckbehandlung.
367
Rathäuser
Abb. 241. Hannover; Köbelingerstraße mit Blick auf den Marktturm, rechts Rathausflügel („Dogen-
palast"), links die ehemalige Ratsapotheke. Phot. 1895.
(Im Staatsarchiv finden sich jüngere Akten über das Rathaus: Regi-
stratur-Repert. der Kgl. Landdrostei Hannover, 39. Rand (XXXIX. R.).
Spezial-Acten Stadt Hannover I. Theil, S. 249 ff. 1822 Bau-Reparaturen
am Altst. Rathause; 1843 Apothekenflügel.)
368
Neustädter Rathaus
Der auf Betreiben des Stadtdirektors Rumann durch Andreae an Rathausfiügei von
der Stelle des Apothekenflügels errichtete Rathausflügel entstand in 1845 (D°senPaiast)
den Jahren 1845—50.
Dreigeschossiger, gemischter Bau in venetianischem Palaststil von Abb. 240 u. 241
sieben Achsen. Oberhalb des Erdgeschosses ist ein Zwischengeschoß
eingefügt, beide mit glatter Sandsteinfassade, hinter der die Umrahmungen
der rundbogigen Lichtöffnungen zurückliegen. Das Zwischengeschoß
ist in 16, auf romanisierenden Säulen gekuppelten Rundbogenfenstern ge-
öffnet. Die beiden Obergeschosse haben Ziegelfassade; Fenster rund-
bogig in rechteckigen Blendnischen. Hauptsims: Sandstein mit starker
Kehlung; am Dachborde venetianische Zinnenbekrönung. In die Gebäude-
kanten sind, zweigeschossig angeordnet, romanische Dreiviertelsäulen
eingelegt.
Die dem alten Rathause zunächst gelegene Achse ist wieder abge-
brochen. Im Innern ist eine offene Halle geplant gewesen.
Neustädter Rathaus.
Der Magistrat der Neustadt hatte unmittelbar nach seiner Konsti-
tuierung und Privilegierung durch den König im Jahre 1718 ein Privat-
haus mietweise als Stadt- und Rathaus in Benutzung genommen.
Im Jahre 1777 wurde auf der Stätte des bisherigen Spritzenhauses
an der Bäckerstraße nach Rissen, die Dinglinger angefertigt hatte, ein
neues Rathaus aufgeführt (Beilage zum Cämmereyregister, Stadtarchiv).
Das Gebäude ist noch vorhanden.
24 369
Regierungsgebäude.
Stadtvogtei.
L)ic Statte, wo der Stadtvogt oder Schultheiß die herzoglichen Gefälle
erhob, lag im Mittelpunkte der Stadt am Hokenmarkte. Als ,,Tollen-
bode" wird das vermutlich im 17. Jahrhundert verschwundene Gebäude
bezeichnet, das auf dem Grundstücke Schmiedestraße 30 belegen war.
Über die Art des Hauses ist Näheres nicht bekannt; von ihm stammt
wahrscheinlich das Wappen am Limburgischen Hause, Am Markt 11.
Dikasteriengebäude
(Staatsregierung).
Als erstes Regierungsgebäude in Hannover hat die ,,Fürstl. Braun-
schweigisch-Lüneburgische Cantzeley" zu gelten, die in einem Hause am
Kreuzkirchhofe 1636 eingerichtet wurde. S. darüber S. 373.
Abb. 242. Hannover; Ministerialgebäude (Kultus), Calenberger Straße 30, abgebrochen 1874.
Nach Aquarell von A. Albes 1868, Stadtarchiv. Khrengabe an A. Hrüel.
370
Dikasteriengebäude
Das auf dem ersten Hofe des Leineschlosses bereits 1641 erbaute
Wohnhaus des Hofmarschalls beherbergte gegen Ende der Regierungszeit
des Kurfürsten Ernst-August die Geheime-Räthe-Stube, während Justiz-
kanzlei und Kammerkollegium im Kammerflügel an der Leine unter-
gebracht waren. Das längs der Schloßstraße sich erstreckende Gebäude,
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Abb. 213. Hannover; Regierungsgebäude auf der Ecke der Archiv- und Calenberger Straße
um 1830. Zeichnung von Fischer, Stadtarchiv. Druckstock H. G.
Abb. 244. Hannover; Regierungsgebäude, Mittelbau der Archivstraßenfront. Entwurfszeichnung von 1837.
371
Regierungsgebäude
das später den eigentlichen Sitz der Regierung bildete, war von unregel-
mäßigem Grundriß und ist, wie die Zeichnungen dartun, offenbar nicht
einheitlich entstanden. Sein Äußeres findet sich dargestellt auf der in
Abb. 177 wiedergegebenen, vor dem Brande des Kammerflügels ange-
fertigten Aufrißzeichnung von J. F. Jungen aus dem Jahre 1740
(Gmundener Archiv). Das Gebäude wurde 1825 zur Durchführung des
damals gültigen Lavesschen Bebauungsplanes für den ersten Schloßhof
hinweggeräumt (s. darüber S. 276).
Abb. 212 Schon seit 1813 hatte das Georgianum (s. S. 703) an der Calenberger
Straße als hannoversches Ministerialgebäude gedient*). Die westwärts
davon und rückwärts bis an die Straße „Am Archive" gelegenen
privaten Wohngrundstücke wurden seit 1820 nach und nach von der
Staatsregierung erworben. So das herrschaftliche Haus (der Osnabrücker
Hof), das zuletzt der Direktor des Georgianums, der Geh. Justizrat
Feder, bewohnt hatte, auf der Ecke zwischen Calenberger und Archiv-
straße für die Wegebaukommission; die beiden daran anstoßenden
Nachbarhäuser an der Archivstraße für die Landdrostei, das zurück-
liegende, um 1730 erbaute, ehemals Patjesche Wohnhaus, für das
Abb. 2i3 Finanzministerium. (Zeichnungen dieser Gebäude im Stadtarchiv,
Mappe 3.)
Diese Baulichkeiten blieben zunächst erhalten, als im Jahre 1837
der Neubau des Dikasteriengebäudes begonnen wurde. Dagegen mußte
das sehr reizvolle, ehemals v. Iltensche, zuletzt v. Wangenheimsche
Wohnhaus, das 1836 vom Staate angekauft war, dem Neubau des
Südflügels weichen, der zunächst in Angriff genommen und 1845 vollendet
wurde. Hier fanden die hannoversche Domanial- und Forstverwaltung
sowie die Generaldirektion des Wasserbaues und ein Teil des Finanz-
ministeriums ihre Unterkunft. Der einige Jahre später fertig gewordene
südwestliche Eckpavillon wurde dem hannoverschen Ministerium der
auswärtigen Angelegenheiten übergeben.
Abb. 24i Die Fortführung des Baues geschah erst in den Jahren 1862 bis 1867
und betraf den westlichen Flügel an der Archivstraße. Der nördliche
Flügel des Regierungsgebäudes an der Calenberger Straße ist in den
Jahren 1876 bis 1879 erbaut; ihm fiel 1874 das alte Georgianum
zum Opfer.
*) In dem Saale, in dem das Ministerium sich zu versammeln pflegte, fand
sich nach Spilcker ein lebendgroßes Bild Georgs III. von Ramberg und zwei Tür-
stücke von ebendemselben Künstler, die Weisheit und die Gerechtigkeit dar-
stellend (Spilcker, S. 495).
372
Ständehäuser.
Haus der Ständeversammlung.
IN ach der Aufteilung der landesherrlichen Kurie um 1300 kam ein
zwischen der späteren Kreuzkirche und der Ballhofstraße belegenes Teil-
stück in den Besitz der Stadt, die dort den städtischen Marstall errichtete.
Nach dessen Verlegung auf das Beginengelände an der Pferdestraße, 1545,
besaß die Familie von Beden (Hinrich von Beden seit 1552) das Grund-
stück und ein Haus darauf, welches ihr der Landesherr 1636 abkaufte,
um darin dem Hofgerichte und der Landständeversammlung Unterkunft
zu geben. Das Haus wird als Fürstl. Braunschweig-Lüneburgische Cantzeley
bezeichnet und ist das erste Begierungsgebäude in Hannover.
1646 wurde das Grundstück von einer Feuersbrunst heimgesucht.
Wahrscheinlich ist nach diesem Ereignis das gegenwärtig dort stehende
Gebäude entstanden. Wie lange es für die Versammlungen der Land-
stände gedient haben mag, ist unbekannt. Der Landesherr verkaufte es
an die Familie von Lenthe, und die Ständeversammlung prozessierte
gegen den Verkauf. Das Grundstück galt als „der von Lenthe Hof", bis
es 1827 von der Königlichen Domänenkammer erworben wurde. Zu
hannoverschen Zeiten beherbergte das Haus zuletzt das Finanzmini-
sterium. Der preußische Fiskus verkaufte es der Kongregation der
Hildesheimer Ursulinerinnen, die es dann einige Jahre besessen haben.
Langrechteckiger Bruchsteinbau von zwei Geschossen mit sand- Beschreibung
steinernen Simsen ohne sonstige Zierglieder. Bechteckige Fenster, wahr-
scheinlich ehemals mit Kreuzpfosten.
Zeichnung des Zustandes von 1869 im Stadtarchiv.
Das Landschaftliche Haus an der Osterstraße
(abgebrochen 1881).
An der Osterstraße wurden um 1710 sechs bürgerliche Grundstücke
durch die kurfürstliche Staatsregierung angekauft und zum Neubau des
Hauses für die landschaftlichen Stände freigelegt. Der Neubau begann
373
Ständehäuser
Abb. 245.
Hannover; Landständehaus an der Osterstraße. Nach dem Kupferstich bei Penther,
Baukunst III, Tafel XXXIX.
im August 1710 und war 1712 fertig (s. Redecker, Chron., S. 782). Die
Pläne dazu hatte Remy Rouge de la Fosse entworfen*); sie sind durch
Penther in seiner „Anleitung zur Bürgerlichen Baukunst" (4. Teil, S. 52,
Abb. 245 und auf den Tafeln 39 — 43) veröffentlicht worden. Die Kosten des Baues
sollen die veranschlagte Bausumme dreifach überschritten haben (Woker,
Gesch. d. kathol. Kirchengemeinde in Hannover und Celle, Paderborn
1889, S. 157). Die im Grundstein niedergelegte Inschrift, die Penther
wiedergibt, enthalt die baugeschichtliche Angabe, das landschaftliche
Haus sei unter dem Kurfürsten Georg Ludwig mit Zustimmung der
calenbergischen Regierung von den Prälaten, Rittern und kleinen Städten
für ihre und des Städterates Zusammenkünfte 1710 gegründet worden.
Während des Siebenjährigen Krieges 1757/58 residierten im Stände-
hause die Befehlshaber der französischen Besatzung sechs Monate lang.
Das Gebäude wurde 1808 von einem Brande betroffen, der das ganze
Innere vernichtete, so daß der Hauptteil nur noch zum Packhof benutzbar
war, während in den Nebengebäuden die Gendarmerie der westfälischen
*) S. Brief 90 vom Jahre 1708 des Herzogs Ernst August an v. Wendt, heraus-
gegeben von Graf Kielmannsegg, S. 214. „Lafosse travaille dejä au desein" usw.
374
Das Landschaftliche Haus an der Osterstraße
Landesherrschaft untergebracht wurde. Nach den Freiheitskriegen, im
Jahre 1818, wurde das Haus wieder ausgebaut und von der calenbergisch-
grubenhagenschen Landschaft der Allgemeinen Ständeversammlung des
Königreichs unter gewissen Bedingungen zur Mitbenutzung überlassen.
Dem Schatzkollegium stand nach den ständischen Beschlüssen vom
März /April 1820 die Aufsicht über die Instandsetzung des Gebäudes zu.
Die Allgemeine Ständeversammlung erwarb 1844 das Haus käuflich.
Über den Besitz entstand nach 1866 ein Rechtsstreit, der dahin ent-
schieden wurde, daß der Anspruch des preußischen Fiskus als berechtigt
anerkannt wurde. Das Grundstück erhielten die Provinzialstände zu
mäßigem Preise. Bei der Anlage der Karmarschstraße 1881 mußte das
Gebäude fallen.
Das landschaftliche Haus umschloß mit seinen Flügelbauten einen Beschreibung
Hof, der nach der Osterstraße zu durch Gitter (Eisenguß, wiederverwandt Abb. 210.
am Schwesternhausgrundstück Meterstraße/Sextrostraße) und Tor ab-
gegrenzt war. Das Hauptgebäude im Hintergrunde des Hofes war von
rechteckiger Grundform; an beiden Breitenfronten traten dreiachsige
Mittelrisalite nur schwach vor. Auf dem Rez de Chaussee, das mit starkem
Abb. 246. Hannover; Das Ständehaus. Nach Phot. 1880.
375
Ständehäuser
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Abb. 247. Hannover; „Das Landschaftliche Gebäude zu Hannover", 1846. Nach der Entwurfszeichnung
von Ebelins im Stadtarchiv.
Abb. 248 Hannover; Haus der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft, 1846 von Ebeling erbaut.
Stich nach Kretschmer.
376
Haus der Landschaft
Sims abgesetzt und durch Quaderung unterschieden war, erhoben sich
zwei Obergeschosse mit geputzten Flächen, im Risalit hofwärts durch
korinthische Pilastervorlagen mit Gebälk und Giebel vereinigt. Das hohe
Gebälk umzog auch die Flügel, soweit sie von dreigeschossigem Aufbau
waren. Mansardendächer mit Gauben und Ochsenaugen bildeten den
Abschluß. Die Flügel hatten in ihren drei Teilen ungleiche Höhe und ver-
schiedene Architektur. Eine Freitreppenanlage im Grunde des Hofes
eröffnete den Mitteleingang des Hauptgebäudes und die Eingänge zu den
Flügeln.
Die Konferenz- und Sitzungssäle sowie die Räume des Obergerichtes
lagen im Hauptgeschoß des Mittelbaues, zu dem das aus der Achse rechts
seitlich verschobene Treppenhaus den Zugang verschaffte. Nachrichten
über Einzelheiten der Raumausstattung sind nicht überliefert.
Haus der „Landschaft für die Fürstentümer Calenberg, Göttingen
und Grubenhagen".
Nach der Festlegung des Bebauungsplanes für den östlich des Wind-
mühlenberges belegenen Teil der Ernst-August-Stadt hatte bereits die
Calenbergische Ritterschaft ein Grundstück an dem nachmaligen Theater-
platze erworben, das sie 1846 mit dem „Landschaftlichen Hause" nach Abb. 217 u. 24s
Entwurf von Ebeling bebaute.
Das Ständehaus ist ein Sandsteinquaderbau auf rechteckigem Beschreibung
Grundriß, außen wie innen im Stil englischer Gotik durchgebildet.
Zwei Geschosse bei sieben Achsen; Mitteleingang mit Tudorbogen;
zurückliegende Treppe; rechteckige Lichtöffnungen, von getrennten
Kaffsimsen umzogen. Die äußersten beiden Achsen liegen je in einem
wenig vorgezogenen, zweigeschossigen Erker. Das gewalmte Schieferdach
wird durch den Zinnenabschluß des Gebäudekörpers verborgen. Schlanke,
gefaste Ziertürmchen, zweigeschossig geteilt, schießen an den Kanten
über die Zinnenlinie hinaus. Entsprechende Ausbildung hat ein etwa
quadratisches Frontispiz in der Mittelachse, welches das Wappen der
Ritterschaft enthält.
Im Obergeschoß befindet sich ein Sitzungssaal.
377
Waage.
L)ie Stadtwaage hatte seit etwa 1460 bis um 1565 auf der Stätte des
Apothekeuflügels des Rathauses an der Köbelingerstraße gestanden
und war dann mitten auf den Hokenmarkt verlegt, wo seit 1515 ein neues
Waagehaus bestand. Diese Jahreszahl war über der Tür steintorwärts
eingehauen (s. Redecker, Chron., S. 365 und S. 400). 1737 ist das Gebäude
erneuert worden und bald nach 1842 zur Erweiterung des Marktplatzes
abgebrochen. Der Magistrat richtete dann die Stadtwaage auf der Neuen
Straße in dem von ihm erworbenen herrschaftlichen Fleischscharren,
Neue Straße 19, ein. Die Waage ging 1870 ein (über die Waage als Ein-
richtung s. Spilcker, S. 243, und Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen, 1871,
S. 145. Corpus bonorum von 1720, in H. G. 1906, S. 224). Ein Ersatz
der Waage ist zwischen Konsistorium und Neustädter Kirche eingerichtet.
Von der Stadtwaage am Hokenmarkte, die genau dem Hause Schmiede-
straße 22 gegenüber lag, besitzt das Stadtarchiv neuerdings eine aqua-
rellierte Handzeichnung. Diese zeigt sie als zweigeschossiges Fachwerk-
gebäude auf etwa quadratischem Grundriß. Doppelpfosten im Ober-
geschoß lassen das abgebildete Haus um 1720 datieren. Der Wiegeraum
öffnet sich zur Schmiedestraße, nordwärts, in einer großen Dielentür.
Fälschlich wird die auf einem anderen Aquarell im Stadtarchive dar-
gestellte, mehr kirchenwärts belegen gewesene Häusergruppe als Stadt-
waage bezeichnet (Abb. H. G. 1926, Taf. II).
378
Militärische Gebäude und Anlagen.
BEHÖRDEN:
Kriegsministerium und Generalkommando.
Militär-Bekleidungskommission.
KASERNEN UND ZUBEHÖRUNGEN:
Kaserne am Königsworther Platz.
Kasernen am Waterlooplatze.
Kasernen am Welfenplatze und Möhringsberge.
Offizier-Messegebäude.
Artilleriekaserne am Steintore.
Pionierkaserne vor dem Clevertore.
Militär-Hospitale.
LEHRANSTALTEN:
Garnisonschule.
Kadettenschule.
Militär-Akademie und Generalstabs-Akademie.
Ratsmarstall.
WACHGEBÄUDE:
Markt wache.
Torwachen.
ZEUGHÄUSER UND ZUBEHÖRUNGEN:
Herzogliches Zeughaus.
Königl. Hauptzeughaus.
Städtische und landesherrliche Gießhöfe.
379
Behörden,
Kriegsministerium und Generalkommando.
Das hannoversche Kriegsministerium war mitsamt anderen ihm
unterstellten Behörden seit 1802 in einem Hause an der Osterstraße 93
untergebracht, welches der Staat von den Erben des Feldmarschalls
Abb. 219 v. Freitag für die Kriegskanzlei erworben hatte. Dieses Haus war ein
aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts stammendes Fachwerkhaus von drei
Geschossen mit Mansardendach (Abb. 250, Stadtarch., Kasten VII, Bl. 45).
Jtriecjs - Ministerium 1856. Osterstr. 93.
Srdgeschoss.
Abb. 249. Hannover; Kriegsministerium 1856. Grundriß. Nach Plan im Keichsarchive.
Neben ihm lag das ehemals Masebergsche Haus, in dem das General-
kommando Unterkunft gefunden hatte. Es war beabsichtigt, an Stelle
dieser Gebäude massive Bauten treten zu lassen, so daß zwischen Georg-
und Osterstraße neben dem Landständehause ein geschlossenes behörd-
liches Viertel erstanden wäre. Der Anfang dazu war 1840 mit dem
Gebäude der Bekleidungskommission gemacht. Die Häuser Osterstraße
93 und 94 sind bei Anlegung der Karmarschstraße 1879/80 gefallen.
Militär-Bekleidungskommission.
Die Militär-Bekleidungskommission war bis zur Errichtung eines
eigenen Gebäudes für sie in einem der „fünf herrschaftlichen Häuser"
an der Leinstraße untergebracht. 1840 wurde nach Plänen von Tramm
380
Militär-Bekleidungskommission
dieses besonders für die Kommission bestimmte Gebäude an der Georg-
straße errichtet. 1855 wurde es zur Polytechnischen Schule, neben der
es lag, hinzugezogen und ist bei deren Umbau zum Hotel durch Wallbrecht
niedergelegt. Zum Ersatz war an der Adolfstraße gegenüber dem General-
Abb. 250. Hannover; Hannoversches Kriegsministerialgebäude an der
Osterstraße 93. Nach Aquarell im Stadtarch.
Militärlazarett ein neues Dienstgebäude der Bekleidungskommission
errichtet, das aber seit 1867 als Hilfslazarett benutzt wird.
Das erste Gebäude der Bekleidungskommission an der Georgstraße
war ein dreigeschossiger Putzbau auf stumpfwinkligem Grundriß: Geschoß-
teilungen durch Simse, Hauptsims mit Konsolenfries, Ecklisenen; die
Erdgeschoßfassade war in rustizierten Blendarkaden aufgelöst. Fassaden- Abb. 251
381
Behörden
Zeichnungen und Grundrisse, zwei Blatt sign. Hannov. Kriegsminist. Lit.
G. 6 im Reichsarchiv.
Das Militär-Bekleidungsgebäude an der Adolfstraße ist 1858/59 nach
Plänen von Hunaeus errichtet und hat quadratischen Grundriß von
Abb. 251. Hannover; Gebäude der Militär-Bekleidungskommission an der Georgstraße:
Grund- und Aufriß nach Zeichnung von Tramm. (Reichsarch.).
27 m Seitenlänge: massiver Ziegelbau, drei Hauptgeschosse und ein
Halbgeschoß. Den Kern des Gebäudes bildet ein Oberlichttreppenhaus
mit Holztreppe und Galerien, das ehemals den Zweck hatte, mit Hebe-
zeugen die in der Bekleidungsanstalt aufzubewahrenden Gegenstände den
einzelnen Stockwerken zuzuführen.
382
Kasernen und Zubehörungen.
Als älteste Kaserne Hannovers, von der wir wissen, diente das sogenannte
Kommißhaus neben dem späteren Georgianum (Ecke der Archiv- und
Ernst-August-Straße). Es war während des Dreißigjährigen Krieges erbaut
und scheint das nämliche Gebäude gewesen zu sein, welches später als
Osnabrücker Hof bezeichnet wurde. - - Die ,,Bequartierung der Truppen" Abb. 213, Seite 371
lastete im allgemeinen auf den Untertanen, diejenige der Kavallerie
vorzugsweise auf dem platten Lande, (v. Sichart, Gesch. d. Königl.
Hannoverschen Familie, Bd. I, Seite 314.) Eine Verordnung des Herzogs
Ernst August vom 15. August 1681 traf indes schon Bestimmungen über
Ablösungszahlungen, falls ein Untertan es vorziehen sollte, Quartier nicht
in natura zu liefern. Eine andere Verordnung vom 13. November 1690
bestimmte, „daß in den großen Städten das ganze Quartierwesen hinfüro
zu Gelde geschlagen werden sollte". In derartigen Verordnungen waren
die Keime für eine Kasernensteuer gegeben, wie sie erst geraume Zeit
später nach der unglücklichen Auflösung der hannoverschen Armee 1803
ungefähr gleichzeitig mit der Wiederaufstellung von kurstaatlichen Truppen
am 19. Februar 1811 ausgeschrieben wurde. Ad hoc gebaute Kasernen
gibt es in Hannover erst nach dieser Zeit. Die regelmäßige Garnison der
Stadt bestand aus einem Garderegiment zu Fuß, einem Linieninfanterie-
regiment, einer Abteilung Artillerie und einer Eskadron der Garde du Corps.
Die Infanterie lag in Bürgerquartieren; kaserniert waren nur die beiden
Abteilungen der Artillerie und der Kavallerie.
Kaserne am Königsworther Platz.
Der Generalmajor v. Wallmoden als Chef des 1770 neu aufgestellten
Leibgarderegimentes suchte zum Zwecke einer näheren Zusammen-
ziehung und besseren Ausbildung der ihm anvertrauten Truppe um die
Einräumung eines Teiles des königlichen Maultierstalles vor der Herren-
häuser Allee nach. Dieser landesherrliche Maultier- und Tragetierstall
(s. Hofhaltung) war mit Schmiede, Wagenschuppen und Fouragemagazin
1736 erbaut. Ein Teil davon wurde nun in Genehmigung des v. Wall-
modenschen Ansuchens im März 1771 auf königlichen Befehl vom Hof-
baudepartement dem Leibgarderegiment überliefert für ein Detachement
von 40 bis 50 Mann und 50 bis 60 Pferden. Ein bei dieser Gelegenheit
aufgestelltes Inventar nennt das Hauptgebäude mit 11 Gemächern,
383
Kasernen und Zubehör ungen
das Stallgebäude, das breite Wagenhaus und den Boden des langen
Wagenschauers. Im Jahre 1771 führte man in der Kaserne der Königlichen
Leibgarde den Brand der Steinkohle auf dem Küchenherd ein, wie Spilcker,
S. 188, erzählt. 1780 ließ Wallmoden ein Reithaus erbauen und ein dabei
Abb. 252. Hannover; Portal der ehemaligen Garde-du-Corps-Kaserne am
Königsworther Platz. Aufgen. u. gez. D., 1912.
im Wege stehendes Gebäude, das bis dahin die königlichen Wagen be-
herbergt hatte, abbrechen. Seine dienstlichen Schreiben pflegen noch
1780 datiert zu sein: „Im Tragethier- Stalle, itzigen Casernen Gebäude
außerhalb Cleven Thores". In die Jahre um 1780 fällt die Unternehmung,
384
Kasernen am Waterlooplatze
die den Tragetierstall erst eigentlich zur Kaserne ausgestaltete und die
geleitet wurde von dem Ingenieur Johann Heinrich Borchers. Seit Ende Abb. 2.02 u. 2ö:\
1779 ist schon die Erweiterung des vom Regimente erbauten Reithauses
im Gange, und die Anlage einer „sehr räumlichen Reitschule und einer
größeren offenen Reitbahn" wird vorgeschlagen. Durch stockende Be-
lieferung mit Ziegeln aus der königlichen Ziegelei in Herrenhausen ver-
zögerte sich das Fortschreiten dieser Bauten. Ihr Umfang scheint also
beträchtlich gewesen zu sein. Aus den bisher erreichbaren Akten läßt
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Abb. 253. Hannover; Kaserne der Garde du Corps am Königsworther Platz. Aufriß. Nach Zeichnung
um 1840 im Reichsarchiv.
sich des näheren nicht feststellen, inwiefern das Hauptgebäude am Königs-
worther Platz damals erweitert wurde, insbesondere ob damals die Flügel-
bauten und die Aufstockung des Mittelznges entstanden sind.
1841 wurde an der Seite des Johannisfriedhofes ein neues Mannschafts-
wohngebäude samt einem Stallgebäude hinzugefügt; symmetrisch zu ihm
mit geringerer Frontausdehnung entstand 1868 — 70 ein drittes Wohn-
gebäude, ebenfalls mit einem Stall. Den Zustand um 1811 gibt eine
Lithographie von Kretschmer wieder. Ein Situationsplan von 1833 und Abb. 215, Seite 325
Aufrißzeichnungen, meist undatiert, sind im Reichsarchiv.
Kasernen am Waterlooplatze.
Außer den beiden symmetrisch zur Längsmittelachse des Waterloo-
platzes angeordneten Kasernen liegt eine dritte, etwas ältere an der
Nordwestseite des Platzes zunächst dem Leibnizdenkmal. Sie ist angeblich
1828 als Kommandanturgebäude seitens der Stadt erbaut*), 1838 aber
*) Nach Laves' Bericht über den Bau des Waterloomonumentes scheint die
Jägerkaserne schon seit 1826 im Bau begriffen gewesen zu sein.
25 385
Kasernen und Zubehör ungen
durch die Militärverwaltung angekauft, 1<S39 durch Anbau eines nordwest-
lichen Flügels erweitert und zur Kaserne für die Gardejäger bestimmt.
Abb. 25i Dreigeschossiger, schmuckloser Massivbau von 15 Achsen nach dem
Platze hin. Fenster des 1. Obergeschosses rundbogig; flaches Walmdach.
Innenwände Fachwerk. Mittelkorridor mit beiderseits angeordneten
Stuben, zwischen denen hin und wieder Stichkorridore Licht hereinlassen.
Abb. 254. Hannover; Kasernen an der Nordwestseite dos Waterlooplalzes. Phot. 1900.
Die südwestlich danebenliegende Kaserne ist 1831 sogleich fürihrenZ weck
erbaut. Ihr entspricht in Lage und Architektur die für die Gardegrenadiere
bestimmt gewesene, 1833 erbaute Kaserne auf der anderen Seite des Platzes.
W% Dreigeschossige geputzte Bauten von hufeisenförmigem Grundriß.
Frontlänge 51,8 m; 7 +5 -f 7 Achsen. Die mittleren 5 Achsen in schwach
vortretendem, mit Dreiecksgiebel geschlossenem Risalit. Das Erdgeschoß
des Risalites in 5 Arka-
clenbögen über Freitreppe
geöffnet. Gewalmte, flach-
geneigte Ziegeldächer.
Mittelkorridore.
Die zu den Kasernen
gehörenden Exerzierhäu-
ser sind 1833 erbaut.
Pläne : beim Stadt-
bauamt und beim Preuß.
Hochbauamt III.
Das Militärarresthaus
ist ein 1835 errichteter,
1868 vergrößerter massi-
Abb. 255. Hannover, Kasernen am Wellenplatz. Phot. 1865. „. , . ,
ver Ziegelputzbau von
drei Geschossen bei zehn Achsen an der nördlichen Langseite, wo sich
auch der Haupteingang findet, und sieben Fenstern an der Giebelseite.
386
Artillcrickasernc am Steintore
Kasernen am Welfenplatze und Möhringsberge.
Die drei am Nordrande des Welfenplatzes liegenden Kasernen sind
1857 — 59 von den damaligen Ingenieurhauptleuten .Jüngst, Meyer und
Andreae erbaut, und zwar die Kaserne an der Westecke für Artillerie, die
anderen beiden für Infanterie. Die Kaserne an der Ostseite des Platzes Abb. 255
für reitende Artillerie ist 1867 — 69 von Jüngst erbaut: Backsteinrohbauten,
Sockel, Sohlbänke, Simse und Treppen von Sandstein; Dachziegel schwarz
glasiert. In hannoverschen Zeiten hatten die Mannschaften gesonderte
Wohn- und Schlafräume, hieraus erklärt sich die ungleiche Größe der
Mannschaftszimmer. Pläne: Stadtbauamt, Verwaltung: Stadtmagistrat.
Die Kaserne an der Sandstraße ist 1865 als Trainkaserne durch Jüngst
erbaut: Ziegelrohbau von drei Geschossen. Pläne: Stadtbauamt; Ver-
waltung: Stadtmagistrat.
Offizier-Dienstwohngebäude und zwei Wagenhäuser 1867 — 69 erbaut.
Ersteres zweigeschossiger massiver Backsteinrohbau, 19,3x11, 14 m; die
Wagenhäuser dreigeschossig, ebenso ausgeführt, 121,16x12,5 m.
Offizier-Messegebäude.
Das Offizier-Messegebäude ist 1837 — 10 als Messegebäude für die
Garde an der Ecke der Adolf- und Leibnizstraße erbaut. (Entwürfe zu
den Fassaden und Grundrisse im Reichsarchiv. Hann. Kriegsmin. Lit. G.
Nr. 1.) Zwei Bauplätze waren vorgesehen, der eine am Rande des Waterloo-
platzes symmetrisch zur Gardejägerkaserne- in bezug auf das Leibniz-
monument, der andere entspricht dem der Ausführung. Das Haupt-
gebäude mit abgerundeter Ecke ist ein massiver zweigeschossiger Bau
mit Ziegeldach von insgesamt 17 Achsen. Das Erdgeschoß enthält Vor-
halle, Wohnung des Ökonomen, Kasinoräume; das Obergeschoß Garde-
robenzimmer, Speisesaal, Anrichtezimmer und Vorplatz, welcher nach
hinten hinaus durch eine Treppe mit der Küche verbunden ist.
Artilleriekaserne am Steintore
(abgebrochen 1876).
Die Artilleriekaserne am Steintore war an Stelle der älteren Stück- Abb. 272, Seite io5
gießerei (s. Gießhöfe) im Jahre 1838 von Vogell erbaut.
Nach der Wiedererrichtung des Artilleriekorps 1813 und der Verlegung
des Gießhofes nach Stade bestimmte man das Gebäude der Stückgießerei
zum Kasernement für Artillerie. Nach Lohmann, S. 18, war es ,,eine
schöne, große, aus Haupt- und zwei Flügelgebäuden nebst einem geräumigen
Vorplatz bestehende, sehr angenehm verzierte Anlage". Eine Abbildung
aus dem Stadtarchiv bringt Siedentopf, Adreßbuch Hannover 1929. Abb. 230
387
Kasernen und ZubehöTungen
Die Artilleriekaser'ne von 1838 bestand bis 187(5 ; das Gebäude, dessen
Front der Nikolaistraße zugekehrt war, wurde dann bei Anlage der Nord-
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Abb. 256. Hannover; Artilleriekaserne am Steintor. Phot.im Stadtarch. (Siedentopf).
mannstraße teilweise abgebrochen, teils umgebaut. Die Anlage umfaßte
hufeisenförmig einen Hof. Der eingeschossige Mittelflügel war durch
ein Risalit ausge-
zeichnet, das ein
hohes, rundbogiges
Portal enthielt und
durch ein Wappen
von Bändel mit
artilleristischen Em-
blemen gekrönt
war (Abbild. 257.
Stadtarchiv, M. V,
Bl. 34). Die Seiten-
flügel, die in einem
hohen Erdgeschoß
und einem Oberge-
schoß ausgebaut
waren, endeten je
in einem quadratischen Pavillon von drei Geschossen mit flachem Pyra-
midendach. Das ganze Gebäude war ein gequaderter Putzbau im
Rundbogenstil der Ernst-August-Epoche (photogr. Abb. im Stadtarch.,
Mappe V, Bl. 2).
Abb. 257. Hannover; Artilleriekaserne (abgebrochen 1X7(>).
Frontispizäjisatz von Handel 183S. Pliot. 1876.
388
Militär-Hospitale
Pionierkaserne vor dem Clevertore.
Die 1(S13 erbaute Pionierkaserne stand vor dem Clevertor auf dem
linken Leineufer gegenüber der alten Tierarzneischule mit der Rückseite
nach dem Flusse. Es gehörte dazu ein Hof und ein Exerzierplatz. Das
einfache, schmucklose Wohngebäude ist nach Sievert, S. 31, Anm., „in
alten Zeiten" die Gardegrenadierkaserne gewesen. 1876 kaufte die
Stadt das Gebäude, das 1887 abgebrochen wurde. Es war ein quadratischer
Putzbau von zwei Geschossen mit Walmdach; das Treppenhaus lag in
einem Vorbau (Abb. im Stadtarchiv, Mappe V, Bl. 10).
Militär- Hospitale.
Am Clevertore wurde im Jahre 1789/90 innerhalb der Wallpromenade altes militär-
beim Eingang in die Bäckerstraße ein Militärhospital nach den Bissen HOSPITAL
des Obristen Hogreve, eines -- wie Brönnenberg (a. a. ()., S. 71) hervor-
hebt - - sehr tüchtigen Ingenieurs, erbaut*). Weil dieses Gebäude den
Bedürfnissen der Garnison nicht mehr genügte, wurde unter der Re-
gierung Ernst Augusts im Jahre 1815 ein größeres Militärhospital an der
Adolfstraße in Angriff genommen und 1856 zu Ende geführt. Das ältere
Hospital überließ die Regierung danach der Stadt, die es während des
Umbaues des städtischen Lazaretts in Linden bis zum Jahre 1858 belegte.
1859 brach man das alte Hospital am Clevertore ab. An seiner Stelle
entstand ein kleiner Schmuckplatz, den man nach dem Bankier Simon
benannte, weil dieser die Kosten der Anlage im wesentlichen getragen hatte.
Das Aussehen des alten Militärhospitales ist durch Salzenbergs und
andere Stiche überliefert. Seine Front bildete vom neuen Clevertor bei-
den Blickabschluß der Clevertorstraße. Das Gebäude hatte eine Länge
von 122 Fuß, eine Breite von 48 Fuß; dahinter befand sich ein Hof, dessen
Umfang 400 Fuß maß, davor ein eingefriedigter Basenplatz. Die innere
Einrichtung des Gebäudes wird durch die in der Provinzialbibliothek
(Kartenmappe XVII) aufbewahrten Grundrisse angegeben. Grundriß-
zeichnungen vom Jahre 1833 befinden sich auch im Reichsarchive.
Das Militärhospital von 1789 war ein rechteckiger, geputzter Massiv-
bau von zwei Geschossen bei 3 + 5 + 3 Achsen; die mittleren fünf Achsen
gehörten zu einem zweigeschossigen, wenig vorgezogenen Bisalit mit
Dreiecksgiebel. Simse, Fensterumrahmungen und Ecklisenen waren aus
Sandstein. Das Mittelportal scheint durch eine Giebelverdachung aus-
gezeichnet gewesen zu sein. Das Gebäudeinnere war durch einen Mittel-
gang der Länge nach aufgeteilt und enthielt außer Krankenzimmern
und Bad Bäume für Arzte, Apotheke, Verwaltung und Küche
*) Über die Anstalt s. Eingehenderes bei Spilcker, a. a. O., S. 398 ff.
389
Kasernen und Zubehörungen
generalmili- I )as der Vergrößerung der Garnison mehr entsprechende General-
tärhospital militärhospita] war in (k>n jaj11Tn 1845/46 an der Adolfstraße nach
einem von Ebeling entworfenen Plane begonnen und zunächst bis zum
Kellergeschoß ausgeführt. Nach einer Ruhepause wurde 1852, als größere
Mittel zur Verfügung standen, der Bau wieder aufgenommen unter gleich-
zeitiger Revision des Planes durch Hunaeus (s. den Aufsatz von Hunaeus,
Jüngst und Stromeyer in Zs. d. Arch.- u. Ing. -Vereins f. d. Kgr. H. 1859.
Aufrisse und Grundrisse sind ebenda wiedergegeben). Als beratender
Arzt wirkte der Generalstabsarzt Dr. Stromeyer mit, welcher für den
Ankauf eines großen Gartens und die Abtrennung der Küche von dem
Innern des Gebäudes sorgte (s. Stromeyer, Erinnerungen eines deutschen
Arztes, Hannover 1875, II). Am Gebäude ist Werkstein und gelbroter
gepreßter Mauerstein verwendet. Seiner äußeren Architektonik nach
gehört das Gebäude zu den hervorragenderen im sogenannten Ernst-
August-Stil aufgeführten Bauten.
Das Hauptgebäude mit der Rückfront nach Süden gelegen, besteht
aus einem Mittelbau und zwei vorspringenden, gleichmäßig gegliederten
Seitenflügeln. Hauptfront und Seitenfront sind bis zum Gurtgesimse in
Sandstein, die Flächen darüber in Mauerstein ausgeführt. Das große
Bogenfenster des Portals, die Einfassung der Fenster des zweiten sowie -
an den Flügeln - auch des dritten Geschosses, außerdem die Fenster-
säulen und die Simse bestehen aus Sandstein. Das Dach ist aus Ziegeln
hergestellt. Das Relief am Mittelbau ist von Bändel geschaffen.
Das 1856 gebaute Absonderungshaus, als Blatternhaus erbaut, ist
ein Ziegelrohbau von T-förmigem Grundriß, bestehend aus Erd- und
Obergeschoß.
390
Lehranstalten.
Garnisonschule.
Die Garnisonschüle war im Jahre 1800 in Verbindung mit einer
Arbeitsanstalt für die Kinder der Unteroffiziere und Soldaten der Garnison
gestiftet, durch königl. Reskript vom 20. Januar 1802 der Inspektion des
Superintendenten der Neustadt entzogen und der Kriegskanzlei und dem
Generalkommando unterstellt. Für ein eigenes Gebäude wurde am 19. No-
vember 1824 der Antrag an die Baukommission eingereicht; es konnte
Michaelis 1826 geweiht werden. Die Anstalt ging 1876 ein; das Gebäude
diente danach als Bezirkskommando und ist 1892 abgebrochen.
Seine Hauptfront hatte das in klassizistischen Formen ausgebildete,
zweigeschossige Schulgebäude an der stumpfen Ecke zwischen Georg-
und Schillerstraße. - - Die Urheberschaft wird Laves zugeschrieben. -
An dieser Front waren drei Achsen als Mittelrisalit vorgezogen: breite
Freitreppe, Eingang in rundbogiger Blendnische unter dorischer Säulen-
stellung in antis. Das Risalit schloß in flachem Dreiecksgiebel; das Erd-
geschoß des Gebäudes war flach gequadert. (Abb. Stadtarchiv.)
Kadettenschule.
Die Kadettenschule auf dem südlichen Teile des königl. Holzhofes
war 1812 begonnen und 1843 vollendet. Das Hauptgebäude ist ein huf-
eisenförmiger Putzbau aus Ziegeln von drei Geschossen. Grundmauern
und Sockel aus Sandstein; Straßenfront 15 Achsen. In der Mittelachse
des vom Hauptgebäude und seinen Flügeln gebildeten Hofes liegt im
Hintergründe des Grundstückes in einiger Entfernung als selbständiges
Gebäude das Direktorialhaus. Zu dieser ursprünglichen Anlage sind
Nebengebäude infolge der Umwandlung zur preußischen Kriegsschule (1868)
hinzugekommen. Insbesondere ist in der südlichen Verlängerung der
Straßenfront 1893/94 ein dreigeschossiges Lehrgebäude erbaut, das
durch einen zweigeschossigen Verbindungsbau mit dem Hauptgebäude
in Zusammenhang gebracht ist. Pläne und Verwaltung: Staatliches
Bauamt III.
391
Lehranstalten
Militärakademie und Generalstabsakademie.
Auf dem Ravelin am Calenberger Tore, welches nach der Demolierung
Artilleriehof wurde, lag außer verschiedenen der Direktion des Armee-
materials zugehörigen Baulichkeiten die Militär-Akademie. Das Gebäude
ist nach 1866 abgebrochen und das Gelände zur Verlängerung der Calen-
berger Straße hinzugezogen. Die Anstalt selber ging gleichzeitig ein.
Sie war hervorgegangen aus der 1783 gestifteten Artillerieschule, die nach-
mals durch eine Ingenieurschule erweitert und dann der Bildung des
Militärs überhaupt gewidmet wurde. Die Bibliothek dieser Anstalt wird
jetzt in der Offiziersreitschule aufbewahrt.
Die Anregung zur Gründung einer Generalstabs-Lehranstalt wurde
am 23. Juli 1822 vom Könige gegeben. Der Generalstabs-Akademie
waren 1855 im Obergeschoß des von Andertenschen Hauses, eines der
„fünf herrschaftlichen Häuser" an der Leinstraße, die bisher von der
Oberzolldirektion benutzten Zimmer überlassen. 1844 hatte sie noch
dieselben Zimmer inne. Pläne zur Umänderung des Gebäudes der Feld-
apotheke*) und Artilleriebrigadeschule (Artilleriestraße 10) zur Unter-
richtsanstalt für den Generalstab, entworfen von C. Saß 1832, befinden
sich im Reichsarchive, sind aber nicht ausgeführt. Ebensowenig ist ein
Entwurf von 1850 verwirklicht, der einen Neubau an der Georgstraße
vorsah für das Generalkriegsgericht, in dessen zweitem Obergeschoß
die Akademie Platz finden sollte. Vielmehr hat die Stabsakademie in
dem v. Freitagschen Hause, Osterstraße 93, und zuletzt im Hause Kanal-
straße 5 weiter behelfsmäßige Unterkunft gefunden. Das erstgenannte
Haus ist 1879/80 abgebrochen (Abb. 250).
Ratsmarstall.
Der Ratsmarstall, dessen Bestehen für das Ende des 14. Jahrhunderts
bezeugt ist (s. Jugler, S. 118), gehörte ursprünglich zu den Einrichtungen
des städtischen Kriegswesens, verlor diese Bedeutung aber schon vor der
Residenzwerdung der Stadt. Längere Zeit benutzte die Stadtverwaltung
ihn dann für die Fuhren des Stadtbauamtes, die Mühlen- und Kotfuhren,
bis man ihn im .Jahre 1739 eingehen ließ (Näheres s. Jugler, a. a. O.,
S. 117 ff.).
Der alte Marstall lag auf einem der Stadt gehörigen Gelände zwischen
Burgstraße und Knochenhauerstraße, wurde dann an das Leintor verlegt
und nach dem Verkaufe des Geländes an der Leine wieder ausschließlich
*) Diese war vorher einige Zeit in der alten ,, Hohen Schule" am Markt ein-
gerichtet gewesen.
392
Ratsmarstall
an seiner alten Stelle eingerichtet, bis er 1534 im Beginenkloster an der
Pferdestraße untergebracht wurde (II. G. 1924, S. 79). Infolge dieser Ver-
legung konnte seit 1545 die Aufteilung des alten Marstallgrundstückes
vor sich gehen, so daß die Kreuzstraße dortselbst entstand.
Die Baulichkeiten des Ratsmarstalls an der Pferdestraße waren nach
dem Corpus bonorum von 1720 (H. G. 1906, S. 221) der Kutschstall, der
Lange Stall — „stoßet an die Schreibschule gassenwärts" - für vier Pferde
und der Reisige-Stall.
393
Wachgebäude.
Marktwache.
Die ältere landesherrliche Marktwache an der südlichen Chorseite der
Marktkirche war ein zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandenes Bau-
werk, das 1842 auf Abbruch verkauft worden ist. Sein Äußeres ist durch
einen Stich — eine Jugendarbeit Heinrich Busses — um 1827 überliefert
(je ein Originalabzug im Kestnermuseum und Vaterl. Museum, luv. -Nr.
Tafel 7 10749; das Bild besteht auch als Aquarell). Die Wache war ein einge-
schossiges Fachwerkgebäude mit Mansardendach und vasenbekröntem
Giebelerker. Die Hauptfront hatte, eine laubenartige Säulenstellung von
vier weitgestellten Holzsäulen, unter der der Mitteleingang lag.
neue Haupt- Zum Ersatz für die alte
WA(:HE Hauptwache wurde 1841/42
nach Andreaes Plänen auf dem
Grundstück Marktstraße 59 eine
Abb. 258 neue Hauptwache erbaut,
welche die hannoversche Infan-
terie bezog. Während der Zeit
der Bürgerwehr, 1848, benutzte
diese das Gebäude. Nach ihrer
Auflösung diente es bis zum
Jahre 1866 wieder als Militär-
wache, dann wurde es als Ver-
kaufsladen vermietet und 1880
durch Wallbrecht um zwei
Wohngeschosse erhöht. Im
Erdgeschoß öffnete Wallbrecht
einen der beiden Bögen als
Passage zur Grupenstraße.
Der Bau gehörte zu An-
dreaes Projekt, das Bathaus
im einheitlichen Stile mit dem
Dogenpalast neu zu errichten;
es wurden Ziegel und Sand-
Abb. 258.
Hannover.; Neue Hauptwache
v;i der Veränderung Siedmtc
von Andiene
394
Torwachen
stein daran verwandt. Das überhohe Untergeschoß öffneten zwei
romanische Rundbogen laubenartig. Das Obergeschoß mit sechs schmalen
rundbogigen Fenstern war an den Gebäudekanten mit zinnengekrönten
Scheint ürmchen ausgestattet, die auf hohen romanischen Ecksaulen
ruhten. Statt der Türmchen sind 1880 Putten mit Emblemen der Kriegs-
kunst, und zwar der artilleristischen, darauf gesetzt, die von der Artillerie-
kaserne am Steintore übernommen wurden. Die eine der beiden Sand-
steinskulpturen ist signiert: IOH. FRID. BL: ZIESENIS. BILDHAUER 1781.
(S. Siedentopf, Adreßbuch 1929, S. 16.)
Torwachen.
Vor jedem Tore stand im 18. Jahrhundert - - wahrscheinlich schon
seit der Residenzwerdung — ein städtisches und ein landesherrliches Wach-
gebäude. Sie sind der Durchführung der Andreae-Lavesschen Wall-
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Vacjye6äude am Stein/or
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Urteile
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für den Torstfretter
Abb. 259. Hannover; Wachgebäude am Steintor.
Nach Zeichnung im Reichsarchiv.
h/ach gebäude fordern Calenbtrgerlör.
Erhalle..
rH n r.
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Abb. 261). Hannover; Wachgebäude vor
dem Calenberger Tor. Nach Zeichnung im
Reichsarchiv.
Wacl/gebäude am <2levertor
Abb. 261. Hannover; Wachgebäude am Clevertor.
Nach Zeichnung im Reichsarchiv.
bebauungspläne inden30erund
40er Jahren des 19. Jahr-
7) hunderts zum Opfer gefallen.
Grundrisse vom landesherr-
lichen Wach- und Torschreiber-
gebäude am Steintore, von
dem Calenberger Torwach-
gebäude und dem am Clevertor
finden sich im Reichsarchiv. Abb.
Auf einen Situationsplan
zum Pulvermagazin = Wachge-
bäude auf der Bult 1833 (Reichs-
archiv) sei hierbei hingewiesen.
1M-2M
395
Zeughäuser und Zubehörungen.
Die Stadt hat ein Gebäude, das eigens für die Verwendung als Zeughaus
erbaut gewesen wäre, nicht gehabt. Die Mauertürme und die nach der
Reformation verfügbar gewordenen klösterlichen Gebäude, wie die des
Minoritenklosters, wurden zur Unterbringung von Waffen und Munition
benutzt. Im Marienröder Hofe bewahrte man noch 1720 die städtische
Artilleriemunition auf. Die Bezeichnung ,, Stadtzeughaus" trägt ein auf
der Windmühlen- oder Sparrenbergbastion belegenes Kasemattengebäude,
das 1787 abgetragen wurde und dessen Material beim Aufbau desCollegium
chirurgicum anatomicum beim Königlichen Gießhofe verwendet worden ist.
Herzogliches Zeughaus.
baugeschichte Der Rat hatte der Hannoverschen Chronik zufolge am 28. Juli 1639 dem
Herzoge auf sein Ansuchen um einen Platz behufs eines fürstlichen Zeug-
hauses „ein Ort am Walle gegen der Roßmühle beym Baguinenthurm"
überlassen, also unmittelbar an der Stadtmauer zwischen Beginenturm
und dem nächsten nordwestwärts belegenen Turme bis etwas über die
Stelle hinaus, wo das bereits 1284 erwähnte Stadttor (U. B., Nr. 49) im
Zuge der Piperstrate sich befunden hatte.
Der Baubeginn des Herzoglichen Zeughauses wird übereinstimmend
Abb. 262 erst für das Jahr 1643 angegeben. Ein Plan von 1644 (Staatsarchiv,
Karten I. A. b. 82), der von Christian Ludwig mit eigener Hand vollzogen
ist - - „Grundriss und Uffzugk eines Zeughauses, so in Hannover hinter
dem Beginentormb uff die Stadtmauer zwischen den Wall zu legen" — ,
zeigt den Grundriß als gebrochenes Rechteck (der Bau wird etwa diagonal
vom Fundament der Stadtmauer durchschnitten), im Innern Stützen-
stellungen. Der Aufriß der Wallseite sieht zwei massive Geschosse auf
hohem Sockel vor mit gekuppelten Fenstern; ein drittes Geschoß in Fach-
werk mit Giebel nordwärts. Das hohe Satteldach weist zwei Reihen von
Lukarnen auf. Der Eingang ist an der Giebelseite geplant; im Entwurf
sind andere Tore nicht vermerkt, ebenso nicht der heute an der Wall-
seite vorhandene Balkon.
396
Herzogliches?Zeughaus
Über die Bauausführung des Zeughauses meint Redecker (Chronik,
S. 639), daß sie im Jahre 1645 wohl „bis an die Mitte desselben von unten
aufgebracht" sei, da
sich dort im Westen ein
rechteckiger Stein mit
dieser Jahreszahl finde.
Dieser von Redecker
auch abgebildete Stein
ist noch vorhanden; die
Jahreszahl 1645 kam
an den Torbögen des
Gebäudes nach Auf-
nahmen aus dem Jahre
1<S(S7 wiederholt vor. Die
alte Wetterfahne ent-
hielt außer dem Mono-
gramm Christian Lud-
wigs die Zahl 1648. Re-
decker nennt 1649 als das
Jahr der Fertigstellung
desganzenBaues, die da-
nach schon in die Re-
gierungszeit Georg Wil-
helms fällt. Das Wappen
mit dem Namen dieses
Herzogs und der Jahres-
zahl 1649 war über
dem Torbogen der nörd-
lichen Schmalfront ein-
gesetzt.
Der Entwurf von 1644 ist mit unwesentlichen Änderungen zur Aus-
führung gelangt. Die hauptsächlichste davon ist wohl die Gestaltung des
Daches, das schon die Zeunersche Tuschzeichnung vom Armamentarium
zur Zeit Johann Friedrichs so wiedergibt, wie es bis 1887 bestanden hat;
an Stelle des geplanten Giebels ist an der Nordseite ein Walm mit Winden-
erker ausgeführt. Auch Merians Kupfer von 1654 läßt ein Walmdach
erkennen. Die Borgstedtsche „ General-Charte der Altstadt" aus den
Jahren 1770 — 80 stellt beim Zeughause etwa in der Frontmitte am Walle
einen Vorbau dar. Dieser ist vielleicht zu erklären als eine infolge der
Abtragung des Walles freigelegte Eingangskasematte zu den Streichwehren
in der Uferböschung. Das Tor in der vierten Achse von rechts trägt die
Jahresinschrift 1654. Es ist bei derVeränderungdes Gebäudes im Jahre 1887
von der Roßmühlenseite hierher versetzt.
Abb. 202. Hannover; Entwurf zu einem Zeughaus am Beginen-
turm, 1644, Ausschnitt. Original, unterschrieben von Christian
Ludwig, in. p. im Staatsarchiv, Karten I, Ab, 82.
397
Zeughäuser und Zubehörungen
Im Innern haben die verschiedenen Zeiten ebenfalls Veränderungen
erfordert, obwohl die Verwenduno des Zeughauses bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts die gleiche blieb. Schuster (K. u. K., S. 36) weiß zu
berichten, daß die innere Einrichtung des Zeughauses erst um 1687 ge-
schehen sei. Der nordwestliche Winkel des Gebäudes ist vielleicht damals
unterkellert worden; er enthielt außer einer gewölbten Küche noch zwei
Stuben. Die Haupttreppe zum Obergeschoß lag im nordöstlichen Winkel;
eine zweite Treppe wurde später in der Ecke beim Beginenturm*) eingebaut.
Ein aus der Zeit um 1830 stammender Grundriß (Reichsarchiv) verzeichnet
die Verwendung des Erdgeschosses als Lagerraum, links des Westein-
Abb. 263. Hannover; Herzogliches Zeughaus. Wetterfahne von 1648.
ganges das „office" des Offiziers und Zeugwärters und die Schmiede. Das
Obergeschoß enthielt das Waffenlager und am Nordende Werkstätten für
Büchsenschäfter und Rustmeister sowie ein Modellzimmer. Im Dachboden
waren die Ledersachen gestapelt, links befand sich eine Steindruckerei.
Ein Treppenhaus ist beim Beginenturm eingezeichnet. Hausmann (a. a. O.,
S. 31) erzählt, daß vor der französischen Besetzung 1803 noch schöne alte
Rüstungen, Lanzen, Spieße, alte Schwerter und Gewehre im Zeughause
aufbewahrt wurden. Ein sehr langes Geschützrohr, die Schlange genannt,
- nach Brönnenberg (a. a. O., S. 70) war es 19 Fuß lang und in Gittelde
gegossen — lag außen vor dem Hause.
Die Errichtung des dem Kriegsministerium unterstellten „Arsenal-
Etablissements" seit 1814 und des neuen Zeughauses am Waterlooplatze
*) Ein Schacht innerhalb der Fensternische ebenda hat bislang keine Erklärung
gefunden.
398
Herzogliches Zeughaus
im Jahre 1849 hatte den Übergang des alten Gebäudes in städtisches
Eigentum zur Folge. Die Stadt hat es im Jahre 1887, um die Roßmühle
nach dem Hohen Ufer hin zu öffnen, um etwa 16 m verkürzen und in der
neuen Schmalfront die alten Architekturteile wieder verwenden lassen.
Auch ist dort über dem Eingang das erwähnte Wappen von 1649 wieder
eingesetzt. Der nördliche Gebäudeteil ist als städtisches Pfandleihamt
ausgebaut.
Abi). 2C>4. Hannover; das Herzogliche Zeughaus, Grundriß des Erdgeschosses und ersten Obergeschosses,
1887. Stadtbauamt.
Das Zeughaus gehört unter die Mischbauten; das riesige Rechteck Beschreibung
seiner aus rohen Lindener Kalksteinen aufgeführten Umfassungsmauern
lehnt sich mit der südwestlichen Ecke an den Beginentnrm und hatte
ursprünglich, längs des Walles gemessen, eine Längenausdehnung von
57 m, die 1887 durch Abbruch des Nordteiles auf etwa 36 m vermindert Abb. 2a i
ist. Als Nutzbau entbehrt das Gebäude schmückender Architektur. Die
Umfassungsmauern sind unverputzt und ohne Absetzung auf hohem
Quadersockel emporgeführt. Die Gebäudekanten haben Quaderver-
zahnung; abgesehen von dem Mitteleingange am Walle sind auch die
Gewände der Tore gequadert gewesen. Die in zwei Stockwerken bei acht Abi,. 2c;, und 266
399
Zeughäuser und Zubehörungen
(jetzt fünf) Achsen angeordneten gekuppelten Lichtöffnungen haben an
Teilungspfosten und Gewänden ausgekehlte Kanten. Wie der Mittel-
eingang, ist auch der darüber aus dem Obergeschoß herausgekragte
Balkon nicht ursprünglich.
Abb. 265. Hannover; das Herzogliche Zeughaus, Wallseite. Nach Zenner.
Die massive Umfassung schließt mit einem an der Unterkante profi-
lierten Quaderbande ab, auf dem ohne Vorkragung das Fachwerkgeschoß
aufgeständert ist.
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Abb. 266. Hannover; Herzogliches Zeughaus, Aulriß der Stadtseite, 1887. Stadtbauamt.
Abb. 267 Der durch den Einbau der Leihanstalt sehr verkleinerte Innenraum ist
in seiner in allen Geschossen sich wiederholenden dreischiffigen Aufteilung
durch Stützenstellungen erhalten geblieben. Die einzelnen Stützen tragen
profilierte Sattelhölzer. Die früher vorhandenen Galerieeinbauten im
Erdgeschoß sind beseitigt.
400
Herzogliches Zeughaus
Das obenerwähnte Wappen Georg Wilhelms von 1649 ist von Schlich- Wappen
hardt (a. a. O., S. 123) gewürdigt worden. Sandstein, H. = 1,1 1 m, Br. = Abb. 268
"' !
Abb. 267. Hannover; das Herzogliche Zeughaus, Längsschnitt. Zustand vor 1887.
1,62 m; nach dem Abbruch 1887 an der seinem früheren Platze ent-
sprechenden Stelle über dem Eingange wieder eingefügt. Reiche (Inscrip-
Abb. 268. Hannover; Herzogliches Zeughaus,
Wappenstein Georg Wilhelms von 1649.
tiones, S. 21) sagt: es sei „mit feinen Tincturen völlig ausgemalet" ge-
wesen. Redecker (Chron., S. 645) bildet es auch farbig ab. Schuchhardt
möchte es Peter Köster zuschreiben.
26
401
Zeughäuser und Zubehörungen
Zwölfgeteilter Wappenschild mit fünf gekrönten Helmen und reicher
Wappenzier. Die Tafel seitlich eingefaßt von zwei Rankenstreifen (vgl.
Reliefs am Markt Nr. 16). Inschrift:
(oben) V. G. G. GEORG WILHELM • H.
ZV BRAUNS V. LVNEB
(unten) ANNO 1649
Wetterfahne Wetterfahne, Eisenblech, einen Triton darstellend, ausgeschnitten und
Abb. 263 ziseliert. Windzeiger rechteckig mit Monogramm C L und Fürstenkrone
(Christian Ludwig).
Abb. 269. Hannover; Hauptzeughaus am Waterlooplatz, Grundriß. Zustand vor 1866.
Königl. Hauptzeughaus.
Das Hauptzeughaus an der östlichen Langseite des Waterlooplatzes
ist 1849 nach Plänen von Professor Stremme und Kriegsbaumeister
Abb. 269 Ebeling erbaut. Hufeisenförmige Grundrißanlage; die Ausmaße des
Frontbaues sind 85,5:18,1 m, die der Flügel 40:18,1 m. Sandstein- und
Putzbau in florentinischen Architekturformen; rustizierte Flächen, kastell-
Abb. 270 u. 271 artige Ecktürme und Zinnenbekrönung. Der Aufbau (3+9+3 Achsen)
gliedert sich in Erdgeschoß, zwei Obergeschosse und Dachgeschoß. Das
Erdgeschoß ist mit Holzklötzen gepflastert und diente, in vier Räume und
402
Königl. Hauptzeughaus
fünf Verschlage geteilt, zur Unterbringung von Geschützen, Fahrzeugen,
Pulvertonnen und Geräten. Das erste Obergeschoß enthielt drei Waffensäle
für Gewehre und blanke Waffen; das zweite Obergeschoß drei Geschirrsäle.
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Abb. 270. Hannover; Hauptzeughaus am Waterlooplatze. Kopie der Entwurrszeichnung.
Reichsbauamt. Phot. 1927.
In der Mitte der nordöstlichen Front im ersten Obergeschoß wurden
die hannoverschen Fahnen und Standarten innerhalb einer schmiede-
eisernen Umfriedigung vor dem Modell des v. Alten-Denkmals aufbewahrt.
Abb. 271. Hannover; das Hauptzeughaus am Waterlooplatze, nach Kretschmer.
403
Zeughäuser und Zubehörungen
Das Artilleriedepot am Waterlooplatze wurde 1845 — 49 erbaut.
Die Nebenzeughäuser am Waterlooplatze sind 1858 — 61 nach Plänen
von Hunaeus erbaut.
Gießhäuser.
älterer städt. Auf dem städtischen Holzhofe, am Ende der Burgstraße, wegen der
giesshof FeUersgefahr außerhalb der Stadtmauer, wurde 1581 aus städtischen Mitteln
das Gießhaus der Stadt erbaut, um darin Geschütze, Glocken und der-
gleichen zu gießen (Redecker, Chronik, S. 239). Der Rat ließ hier durch
eigens bestellte Rot- und Stückgießer gießen. Nach dem Corpus bonorum
von 1720 hat der Senat im Jahre 1709 dem Gießmeister Thomas Riedeweg
das Gießhaus verkauft, der dabei ein Wohnhaus anlegte (H. G. 1906, S.218).
Den Grund und Boden des Gießhofes erwarb 1713 die Landesherrschaft,
die hier den Bau des Marstalles beginnen ließ. Das Gießhaus samt Wohnung
verlegte die Stadt im gleichen Jahre (1713) auf ihre Kosten weiter östlich
vor das Steintor; das Gewese sollte nach Riedewegs und seiner. Gattin
Tode an die Stadt zurückfallen.
Hüttenmeister In der älteren Gießhütte goß 1583 Meister Christopher Horenbarch
zwanzig mittelgroße Geschütze, von denen die letzten noch 1628 — 30
umgegossen wurden (Chron., S. 245). Horenbarch nennt sich in der
Glockeninschrift zu Colenfeld von 1581, zu Leveste 1567 und lebte noch
1599. Hans Horenbarch, ein Sohn oder Bruder des Christopher, goß 1599
drei Geschütze für die Stadt. Neben den Horenbarchs scheinen an der
Gießhütte noch andere Meister tätig gewesen zu sein : so Joachim Schrader
um 1590 und Heinrich Buscher, der 1603 — 05 für die Kreuzkirche den
Umguß der beiden älteren Glocken von 1515 leitete (H. G. 1914, S. 270).
Außer den hier genannten Namen entnimmt Mithoff (Ma. Künstler, S. 193)
den Lohnregistern noch folgende:
Andrees von Hontelsch 1521, Henning Kruse 1533, Cord Mente
1536 — 47, Jürgen Kruse 1547, Hinrieh Meier 1610, Johann Meier 1636
und Ludolf Siegfried 1643 — 65.
neuer giesshof Das neue Gießhaus am Steintore samt Wohngebäude war nach dem
Corpus bonorum 1715 erbaut. Im Untergeschoß des Gießhauses befand
sich ein großer und zwei kleine Gießöfen und eine Schmiedeesse. Oberhalb
der Öfen waren im Obergeschosse Hebezeuge angebracht. Das Wohnhaus
dicht neben dem Gießhause war dreigeschossig und enthielt außer den
Wohnräumen eine Werkstätte. Wie Jugler (a. a. O., S. 19) berichtet, ist
das Stadtgießhaus 1740 an den Stück- und Glockengießer Andreas Meyen-
feldt verkauft. Später entstanden mit Erlaubnis des Rates zwei private
Gießhäuser am Steintore.
404
Gießhäuser
Die beim Ausbruch des Siebenjährigen Krieges noch vorhandenen Geschütze
stadtischen Geschütze weist eine 1757 aufgestellte Liste nach (Magistrats-
registratur). Der Mehrzahl nach werden diese Geschütze in Hannover
selbst gegossen sein. Als die Franzosen 1759 die Besetzung Hannovers
aufgaben, wurden die Geschütze samtlich vernagelt und unbrauchbar
gemacht (s. Jugler, a. a. 0., S. 31). Redecker nennt noch eine Reihe anderer
stadthannoverscher Geschütze; er bildet von denen, die zu seinerzeit vor-
handen waren, die Reliefs und Wappen ab und gibt die Inschriften wieder.
Später haben städtische Geschütze in dem österreichischen Erbfolgekriege
Verwendung gefunden und sind nicht wieder heimgebracht; eine weitere
Anzahl kam durch die Eibkonvention von 1803 in die Hand der Franzosen
und ist verlorengegangen. Außer zwei stadthannoverschen Kanonen, die
nach Jugler sich im ehemals kaiserlichen Zeughause in Wien befinden
sollen, ist somit kein Stück der stadthannoverschen Artillerie erhalten
(Näheres s. Jugler, a. a. 0., S. 19—33).
Nach der Demolierung der Festungswerke ließ die Landesregierung im landesherb-
Jahre 1782/83 neben dem neuen Steintore einen Gießhof anlegen nach L1<I\"E,STÜICK~
einem von dem Ingenieurkapitän Müller entworfenen Plane. Das Gebäude
Abb. 2712. Hannover; Landesherrliche Stückgießerei. Sepiazeichnung im Stadtarchiv.
Phot. Siedentopf.
des Gießhofes war nördlich begrenzt durch den alten äußeren Stadtgraben;
wenig westlich davon hatte bislang die Prinz-Friedrich-Bastion gelegen.
Lohmann schildert (a. a. O., S. 85) das Gebäude des Gießhofes als eine
405
Zeughäuser und Zubehörungen
schöne, große, aus einem Haupt- und zwei Flügelgebäuden nebst einem
geräumigen Vorplätze bestehende, „sehr angenehm verzierte Anlage".
Abbildungen aus späterer Zeit befinden sich zahlreich im Stadtarchive;
Abb. 272 eine Federzeichnung ist hierneben wiedergegeben. Auf den Torpfeilern
standen wahrscheinlich zwei Paar Putten mit Artillerieemblemen von
Ziesenis aus dem Jahre 1783, von denen eines an der Andreaeschen
Stadtwache am Markte wieder angebracht ist (s. darüber Siedentopf,
a. a. 0.). Seit 1803 wurden hier Geschütze nicht mehr gegossen. Eine
berühmte Bohrmaschine, welche das Gießhaus barg, hatten die Franzosen
als Siegestrophäe nach Straßburg oder Paris entführt. Zeichnungen von
dieser oder einer ähnlichen Maschine finden sich im Reichsarchive. Nach
Wiedererrichtung des Artilleriekorps verlegte die Landesregierung den
Gießhof nach Stade. Das Gebäude am Steintor wurde in eine Kaserne
für Artillerie umgewandelt (s. Artilleriekaserne).
406
Wohnbauten:
HÖFE UND HÄUSER DES ADELS.
von Alten-Kielmannseggscher Hof an der Calenberger Straße 40.
von Harlingsches Haus, Calenberger Straße 29.
,, Reden-Hof", Osterstraße 33.
Lusthaus des Generalleutnants von Weyhe.
Haus des Obristen von Uten. Am Archive.
von Hardenbergsches Haus, Am Markt 13. Das Gräflich
von Hardenbergsche Haus an der Osterstraße, die spätere
Börse, s. Seite 659.
Haus des Freiherrn von dem Bussche, Leinstraße.
Freiherrlich von Steinbergsches Haus, Marktstraße 60/61.
Haus des Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg, Köbelinger-
straße 5.
Haus des Kammerherrn von Wallmoden, Köbelingerstraße (7a).
Haus des Kammerherrn von Spörcken, Schmiedestraße 31/32.
Haus des Grafen von Platen-Hallermund am Georgsplatz.
Palais des Friederiken-Gartens,
von Medingsches Haus vor dem Steintore.
Bella Vista.
von Wangenheimsches Haus, Friedrichstraße 17.
BÜRGERHÄUSER.
Bürgerhäuser in Fachwerk von etwa 1530 bis in die Mitte
des 17. Jahrhunderts.
Massiv- und Mischbauten bis in die zweite Hälfte des
17. Jahrhunderts.
Wohnbauten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Liste der Bürgerhäuser.
407
Höfe und Häuser des Adels.
t/inige Grundstücke an der Burgstraße und in der Neustadt, die
im Mittelalter unter freier Verfügung der Landesherrschaft standen,
pflegten regelmäßig an bestimmte Adelsfamilien verliehen zu werden,
so daß sie schließlich in deren erblichen Besitz erscheinen. Unter den-
jenigen auf der Neustadt sind einige Burgmannslehen zur Lauenrode.
Diejenigen an der Burgstraße entstanden vielleicht nach einer teilweisen
Auflösung des landesherrlichen Wirtschaftshofes auf dessen verfügbar
gewordenem Gelände. Die erstgenannten Höfe sind als Wirtschafts-
besitz zu denken; sie waren so gut wie unbebaut, wurden jedenfalls vom
Adel selbst nicht bewohnt, sondern trugen etwa Obstgärten und not-
dürftige Baulichkeiten. Der von Altensche Hof auf der Neustadt nimmt
jedoch eine Sonderstellung ein (s. das.).
Von den mittelalterlichen Adelshöfen ist keiner erhalten geblieben. Nach
der Zerstörung der Lauenrode gab der Adel seinen Lehnbesitz hier
zugunsten des Patriziates zumeist auf. Der von Hollesche, dann Türckensche
Hof beim Judenteiche und zunächst der Kapelle U. 1. Frauen wurde
von .Johann Dave angekauft, der darauf die Häuser von der Roten Reihe
bis zur Kleinen Duvenstraße erbaute. (Über die Höfe s. vorn Seite 29.
Ferner H. G. 1927, S. 231 ff. Über die lehnsadeligen Grundstücke an der
Burgstraße s. Voß, H. G. 1921, S. 116.)
Die Residenzwerdung und die Erhebung Hannovers zur Landeshaupt-
stadt hatte eine andere Art der Bildung adeligen Grundbesitzes innerhalb
der Stadt zur Folge. Die dem landesherrlichen Hofe folgenden Hof- und
Staatsbeamten oder Militärs aus dem Adel sowie Angehörige des Land-
adels schufen sich durch Zusammenkauf aus bürgerlichem Besitz ihre
Wohngrundstücke.
Eine Abspaltung der Adelshäuser von den Bürgerhäusern in der
Bauart wird alsbald bemerkbar, indem sich der Adel italienischen und
französischen Vorbildern anschließt.
408
Höfe und Häuser des Adels
Freilich hatte schon um 1600 die Bürgerschaft begonnen, kostbare
Bauten aufzuführen, nicht, um sie selber zu bewohnen, sondern um sie
an wohlhabende Nichtbürger zu vermieten. Dahin gehört das Haus
Leinstraße 32 und Schmiedestraße 5; das Rosenhagensche Haus am
Potthof, Osterstraße 68, und das Leibnizhaus. Das Haus Schmiedestraße 9
hat sich die Witwe des Kanzlers Feuerschütz gebaut; auch die großen
Häuser Duves an der Calenberger Straße sind hier zu nennen. Die ent-
scheidende Trennung in der Bauart ist mit dem von Redenschen Hause
an der Osterstraße 33 und dem von Harlingschen an der Calenberger Straße
gegeben.
Diese beiden stattlichsten derartiger Bauten sind heute längst gefallen;
ihre äußere Erscheinung ist aber überliefert. Von der Art der Innen-
ausstattung jener Wohngebäude zeugen die Stukkaturen des Redenhofes,
die erhalten geblieben sind und im Neuen Rathause aufbewahrt werden.
Im Besitze von Maisons de plaisance mit Gärten zum Sommerauf-
enthalt außerhalb der Stadt findet sich der eingesessene Hofadel, seitdem
es ein Herrenhausen gab. Derartige Anlagen liegen zumeist außerhalb
des alten Stadtgebietes und sind ihren Ortes behandelt.
Das fortgesetzte Fernbleiben des landesherrlichen Hofes in England
legte die fernere Bildung von adeligem Grund- und Hausbesitz zunächst
brach. Doch entstanden in der kurzen Zeitspanne zwischen 1750 und 1770
eine Reihe vornehmer Wohnbauten des hohen Beamten- und Militär-
adels, deren palaisartiger Charakter augenfällig ist: z. B. das von dem
Busschesche, von Hardenbergsche, von Spörckensche u. a., die im
folgenden näher behandelt sind. Die Architekten dieser Wohnbauten
sind bislang unbekannt; die Forschung danach muß an die Privatarchive
der betreffenden Adelsfamilien verwiesen werden.
Abermals nach einer Lücke von Jahrzehnten schuf die Wiedererrich-
tung der Dauerresidenz in Hannover den Boden, auf dem künstlerisch
aufwendige Wohnbauten, denen die Bezeichnung als Palais zukommt,
gedeihen konnten. Am Friedrichswall entstand 1829 das von Wangen-
heimsche Palais; am Georgenwall etwa zehn Jahre vorher das von
Platensche, ursprünglich die Spekulationsunternehmung eines Handwerks-
meisters. Im übrigen aber treffen sich die an Zahl zunehmenden Wohn-
bauten, die nun sowohl der Adel und nicht minder die wohlhabende
Bürgerschaft sich an den seit der Schleifung der Wälle entstandenen
Promenaden und den Straßen nach Herrenhausen schufen, auf einer
mittleren Linie, bei der nicht mehr die Bezeichnung als Palais zutreffend
ist; sie sind daher zu den Wohnbauten der jüngeren Zeit schlechthin
gestellt. Teilweise hatten die vor den Toren entstandenen adeligen und
bürgerlichen Wohngebäude Villencharakter. Vornehmlich sind hier
das Palais im späteren Friederikengarten und Bella Vista zu nennen.
409
<
Höfe und Häuser des Adels
v. Alten-Kielmannseggsche Hof an der Calenberger Straße 40.
(Die Gebäude abgebrochen 1902.)
Der von Altensche Hof auf der Neustadt, ursprünglich der größte
Hof der Neustadt und Sitz des adeligen Gerichtes Linden, nahm das
ganze südwestliche Drittel des späteien Neustadtgebietes ein, ehe er durch
die Anlage der Neustadt auf das kleine Stück zwischen Bäckerstraße und
Steinweg beschränkt wurde. (Vgl. Grupen, Orig. S. 261, der berichtet,
was den von Alten abgegangen ist durch die Anlage der Neustadt.)
Der Oberhofmarschall und Minister Franz Ernst Reichsgraf von
Platen-Hallermund erwarb pfandweise gegen Ende des 17. Jahrhunderts
mit dem gesamten Lindener Besitz der von Alten auch diesen Hof, schied
ihn aber als Fideikommiß zugunsten seiner Tochter aus und ergänzte das
Pfandgut durch gleichwertige Höfe in Linden. 1709 vererbte sich der Hof
demgemäß auf die Gräfin Kielmannsegg und deren Gatten.
Das Gehöft war mit einem großen Wohnhause, zu dem zwei Neben-
gebäude gehörten - - ausweislich der Grund- und Aufrisse im Besitz des
Grafen Platen-Weißenhaus um 1697 von Brand Westermann — bebaut.
Um den geräumigen Hof lagen außerdem Stallungen und Wagenschuppen.
Diese Baulichkeiten sind 1902 niedergerissen. Das Wohnhaus bewohnte
bis 1832 der Kommandant Hannovers, Generalleutnant und Kammerherr
Friedr. Otto Graf von Kielmannsegg, mit dem Hauptmann August Friedr.
Adolph Grafen v. Kielmannsegg, dem späteren diplomatischen Geschäfts-
.
.
II 1
:
Abb. 273. Hannover; Calenberger Straße 40. Haus des Grafen v. Kielmannsegg, erbaut um 1697
Zustand 1828.
410
v. Harlingsches Haus
träger in Paris und London. Seit dessen Versetzung bezogen Angehörige
anderer Adelsfamilien das Haus: so der Landdrost von Dachenhausen,
später der Staats- und Kabinettsminister Frhr. v. Scheele sowie der
Kabinettsrat Frhr. v. Scheele. 1855 — 73 diente es dem Arbeiter-
verein als Heim, zuletzt verschiedenen geschäftlichen Betrieben. — Der
Grundbesitz gehörte bis 1927 zum Gräflich Kielmannseggschen Fideikommiß.
Das Wohnhaus, hart an der Calenberger Straße, war 1828 (Baupolizei- Abb. 273
akten) neu verputzt und mit Simsen versehen worden. Im letzten
Zustande war es ein zweigeschossiger langgestreckter Bau aus Fachwerk
mit zweiachsigen, schwach vortretenden Eckrisaliten von drei Geschossen.
Der Mittelteil des Gebäudes von sieben Achsen hatte im Erdgeschoß eine
flachbogige, breite Einfahrt, darüber einen Balkon mit schmiedeeisernem
Gitter und einen Erkeraufbau von drei Achsen, der wie die Risalite mit
Dreiecksgiebel abschloß. Ein hohes Walmdach deckte das Haus. Die
Fenster waren überall rechteckig umrahmt. Die Rustika des Erdge-
schosses und die Simse sind vermutlich den Besserungsarbeiten des
Maurermeisters Täntzel vom Jahre 1828 zuzuschreiben.
Die Grundrißaufteilung des Wohnhauses zeigte in der Mittelachse
Vestibül und breite Treppenanlage.
v. Harlingsches Haus, Calenberger Straße 29/30
(1874 abgebrochen).
Für den Oberstallmeister Christian Friedrich von Harling wurde vor
dem äußeren Leintore, am Neustädter Steinwege, auf dem Gelände
der 1679 — 82 abgetragenen Außenbefestigung linker Hand (südlich) ein Haus
gebaut. Nach Redecker, wie übrigens auch nach Inschriften am Hause
Uo/i ve/i eöefano der<-/l/h'>l'tadt.Mifi/i0ver faj ZumJ?enU<>Jteui ,
M &s&*'
Abb. 274. Hannover; das v. Harlingsche Haus, Calenberger Straße 29, später Haus des Kaufmannes
Schmahle mit den durch Schmante hinzugefügten Flügelanbauten. Blatt aus den Schmahle-
schen Prozeßakten um 1750, Bd. II, Stadtarchiv.
411
Höfe, und Häuser des Adels
selber, war dieses 1684 vollendet worden. Von dem Oberstallmeister
von Harling ererbte es 1721 Sophie Antoinette von Platen-Hallermund,
die Besitzerin von Monbrillant, gab es aber sogleich für kontrahierte
Schulden in Zahlung an den Hofkramer Schmahle, der das Haus erweiterte
und darin ein Seiden- und Tuchlager hielt, verbunden mit einer Fabrik
von Gold- und Silberwirkwaren. Von den Schmahleschen Erben erwarb es
die kurfürstliche Regierung im Jahre 1800, um darin das Georgianum
unterzubringen, eine Lehranstalt, die an Stelle des kurfürstlichen Pagen-
institutes getreten war. Die Anstalt ging während der französischen
Besetzung bereits wieder ein. In dem Gebäude wohnten damals der
französische Generalgouverneur, Marschall Bernadotte, und der Präfekt
des Allerdepartements. Die Wache der Präfekturgarde lag damals im
linken Seitenflügel.
Nach den Freiheitskriegen erhielt die oberste Landesbehörde im ehe-
maligen Georgianum ihren Sitz. Das Gebäude wurde damit zum Kern
des später durch weitere Ankäufe vergrößerten Bezirkes von behördlichen
Gebäuden, die teils seit 1862, teils später in dem jetzigen Regierungsgebäude
baulich vereinigt wurden. Das einstige Georgianum selbst ist 1874 ab-
gebrochen worden (s. Regierungsgebäude, S. 370).
Abb. 274 Das eigentliche v. Harlingsche Wohnhaus von 1684 wird auf einer
den „Schmahleschen Prozeßakten", Band II (Stadtarchiv) beiliegenden
Zeichnung dargestellt als zweigeschossiger Massivbau, rechteckigen Grund-
risses, von neun Achsen; mit doppelarmiger Freitreppe, Balkon und vasen-
bekröntem Erkeraufbau mit geschwungenen Giebelanläufen. Fenster-
verdachungen des Erdgeschosses waren segmentförmig, des Obergeschosses
flachgiebelig. Das Dach war gewalmt. Die den Zustand um 1753 — 55
bietende Zeichnung benennt die nach der Erwerbung durch den Kaufmann
Schmahle vollzogenen Erweiterungen des Hauses durch Flügelanbauten als:
„Schmahlen neugebautes 1. Haus", worin der Laden und ein Kabinett sich
befand, und an der Seite der Leine: ,,Schmahlen neugebautes 2tes Haus".
Durch die Flügel war eine hufeisenförmige Anlage*) entstanden mit einem
Hofe, der straßenwärts durch eine vasenbekrönte Mauer mit Durchfahrt
abgeschlossen wurde. Die Schmalenden der Flügel waren gleichmäßig aus-
gebildet: zwei Geschosse, drei Achsen, Eckverzahnungen, Mittelportal mit
doppelarmiger Freitreppe, Mansardendach mit Segmenterker und Vase.
Bei der Verlegung der Regierung in das ehemalige Georgianum sind die
Portale der Flügel zugemauert worden; der Hof erhielt ein Eisengitter mit
Einfahrten als Abschluß (s. die Zeichnung im Stadtarch.).
Redecker (Chronik, S. 713) sagt: Des Herzogs, der Herzoginne, der
Prinzen, des Brandenburgischen Churprinzen und Churprincessinne
*) Vielleicht bedingt durch die beim Bau des Regierungsgeländes beseitigten
Fundamente des alten Zwingers, die sie umschließt.
412
„Reden-Hof"
Namen, so über der Thür und denen Fenstern mit vergüldeten in Stein
erhöhet gehauenen Buchstäben sich finden, weisen aus, daß dieselben die
Kosten dazu hergegeben. Unter des Herzogs Namen über der Thür
stehet die Jahreszahl 1681 und vor der doppelten auf das Haus
gehenden Treppe ist folgendes in Stein mit schöner Arbeit gehauen:
CHRISTIAN FRIE ANNA CATARINA
DERICH VON HARLING VON OFFEN
STRUCTA DOMUS NOBIS PARVA
AT SATIS AMPLA DUOBUS.
GRATULOR HUIC POST NOS QUEM
CAPERE ILLA NE QU IT.
„Reden-Hof", Osterstraße 33
(1913 abgebrochen).
Das seit 1428 im Besitze der Berkhusen genannte Haus auf dem
geräumigen Grundstück an der Osterstraße — gelegentlich mit dem
„Steinhause" am Steintor verwechselt — wurde mit Hof und Garten
kurz vor 1686 von den Herren von Reden käuflich erworben. Der Drost
Jobst Friderich von Reden erbaute hier ein neues Haus und brachte
daran das Allianzwappen Reden und v. Estorff an mit der Unterschrift:
JOBST FRIDERICH VON REDEN ELEONORA ELISABETH VON ESTOBFE.
Darüber: ANNO 1686. Dieses Haus ließ im Jahre 1693 Kurfürst Ernst
August für die Witwe Benedicta seines Bruders, des Herzogs Johann
Friedrich (f 1679), welche mit ihren beiden Töchtern nach dem Tode ihres
Gatten aus Frankreich zurückgekehrt war, mieten und durch den Bau-
schreiber Brand Westermann standesgemäß herrichten. Auch der Stukka-
teur Dossa Grana ist nach Schusters Feststellung (a. a. 0., S. 36) im
Jahre 1693 im Redenhofe beschäftigt gewesen. Bleibaum (a. a. O., S. 18)
weist darauf hin, daß einige untergeordnete Räume des Redenhofes, die
er vor dem Abbruch gesehen hat, „mit einer Stuckdekoration versehen
waren, deren Bandwerkmotive der Dekorationsform der Orangerie (in
Herrenhausen) entsprachen". Er vermutet, daß diese unter der Hand
Dossa Granas 1693 entstanden sind.
Der Staat erwarb 1782 das Haus von der Familie von Reden als
Eigentum, um es der Justizkanzlei als Dienst lokal zuzuweisen. Als solches
wurde das Gebäude bis 1852 benutzt und ist dann Dienstgebäude für das
Amtsgericht bis 1882 gewesen. 1886 erfolgte der Ankauf des Gebäudes
durch die englische Gaskompagnie, die im Erdgeschoß fast alle Teilungs-
wände beseitigen und das Treppenhaus verändern ließ. Beim Neubau des
Gebäudes 1913 ist die Stukkatur des Festsaales im Obergeschoß ab-
genommen und dem Stadtbauamt zur Aufbewahrung übergeben.
413
Höfe und Häuser des Adels
Abb. 2
75. Hannover; „Reden-Hof
„ 1.1 t issii Druckstock: H. G.
., Osterstraße 33. Phot. 188b.
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415
Höfe und Häuser des Adels
vbb.275u.276 Das hart an der Straße belegene Gebäude war ein dreigeschossiger,
geputzter Massivbau mit Eckquaderung von 2 + 5+2 Achsen. Mittel-
risalil leicht vorgezogen mit flachem Dreiecksgiebel und Vasenbekrönung.
Abb. 277. Hannover; „Reden-Hof", Osterstraße 33 (1913 abgebrochen),
Grundriß. Zustand von 1886. Nach Zeichnung in den Baupolizeiakten.
Geschoßteilung durch unprofilierte Bandsimse, Hauptsims wenig ausladend
und niedrig. Das zweite Obergeschoß war ein Halbgeschoß. Lichtöffnungen
rechteckig mit Sandsteineinfassung. Einarmige Freitreppe, Mittelportal
416
., Reden-Hof"
rundbogig mit waagerechter Simsverdachung; eine ebenso ausgestattete
Durchfahrt lag rechts. Das Mittelrisalit hatte einen auf Kragsteinen
ruhenden massiven Balkon; Brüstung mit Felderteilung. Der Austritt
zum Balkon war rundbogig mit Giebelverdachung
Die Aufteilung des verschoben-rechteckigen Hausgrundrisses wies im Abb. 277
Erdgeschoß Vestibül und Treppenhaus in der Mittelachse auf (Pläne im
Wallmodensehen Fam.-Areh., XXVII., 1).
Abb. 278. Hannover; „Heden-Hof", Osterstraße 33, I. Festsaal im Obergeschoß, Abgebrochen 1913.
Im Obergeschoß des Mittelrisalites befand sich straßenwärts der in
das Mezzanin hineinragende Festsaal, dessen Deckenstukkatur dem Abb. 27s
Dossa Grana zuzuschreiben ist, während die Wandausschmückung etwa
100 Jahre später vermutlich an Stelle von Gobelins getreten sein wird.
Die Architektonik der Dekoration war eine den Fensterachsen entsprechende
Auflösung der Wandflächen mittels schwach vorgelegter Pilaster — kanne-
liert, mit jonischen Kapitellen und verkröpf tem Gebälk - aus denen
herausgebogene Stützen gegen das rechteckige Mittelfeld der Decke ent-
wickelt waren. Alle so sich ergebenden übrigen Felder der Decke wurden,
27
417
Höfe und Häuser des Adels
wie das mittlere Feld selber, durch eingespannte Ölgemälde, mytholo-
gische Allegorien in Wolken mit Untersichten und Verkürzungen (vgl.
die Segalaschen Bilder im v. Altenschen Palais) ausgefüllt. Die Rahmen
waren in reicher Formenfülle stukkiert und vergoldet. An den geschweiften
Vorderseiten der Konsolen fanden sich vollplastisch modellierte, meist
weihliche Figuren, die karyatidenartig die Decke stützten. Auf die Wand-
l'lächen zwischen den Pilastervorlagen waren in Stuck Medaillons mit den
Porträts und Initialen fürstlicher Personen aufgetragen. Ein G mit der
Krone, das sich oberhalb der Balkontür fand, scheint sich auf Georg III.
bezogen zu haben.
Wappen Das obengenannte Allianzwappen, das beim Abbruch des Hauses über
der Durchfahrt saß, ist am Neubau wieder angebracht.
Lusthaus des Generalleutnants von Weyhe.
Die jüngere Schwester Maria Catharina (1655 — 1723) der bekannten
Reichsgräfin Platen zu Linden, in zweiter Ehe verheiratet mit dem späteren
Generalleutnant von Weyhe, gehörte zur engeren Hofgesellschaft (s.
Publikationen aus den Kgl. Preuß. Staatsarchiven, XXVI. Bd. Lpz.,
S. 214 und 223). Für sie ließ Kurfürst Georg Ludwig mittels Reskriptes
vom 13. April 1705 in einem Garten, der in der Bastion hinter dem Reit-
hause ostwärts der Kavalierbrücke lag, auf seine Kosten ein Lusthaus
bauen. Die Baumaterialien kaufte 1706 der Bauschreiber Brand Wester-
mann, der vermutlich dann auch den 1707 vollendeten Bau ausgeführt hat.
Als Architekt kommt möglicherweise Remy de la Fosse in Frage, der
eben damals zuerst in Hannover auftrat. Im Volksmunde hieß dieses
Lusthaus ,,Weyhenlöbe". Frau von Weyhe starb 1723; Erbin des Hauses
war eine Stiefenkelin ihres zweiten Gatten; seine Bewohner wechselten
mehrfach. Der Generalleutnant von Uten, die Gräfin von Yarmouth,
Feldmarschall von Spörcken hatten es nacheinander inne. Später erhielt
es die Gemahlin des Prinzen Carl von Mecklenburg-Strelitz; nach deren
Tode der Prinz selber (1776 — 86) und (1794) der Prinz Ernst von
Mecklenburg-Strelitz als Sommeraufenthalt zugewiesen. Die Töchter des
späteren Herzogs Carl von Mecklenburg-Strelitz, die Prinzessinnen
Friederike und Luise, die nachmaligen Gemahlinnen der Könige Ernst
August von Hannover und Friedrich Wilhelm III. von Preußen, haben
in den Jahren ihrer Kindheit an Sommertagen hier mit ihrem Vater
gewohnt und im Garten gespielt. Seit 1802 diente das Haus vei abschiedeten
Staatsdienern zur Wohnung gegen Miete. Von 1847 an stand es leer,
wurde dann 1850 vom Könige Ernst August dem Naturhistorischen Verein
für dessen Bibliothek und Sammlungen ohne Entgelt überlassen, bis dieser
Verein 1852 sein Heim im Museum fand.
418
Haus v. Uten
König Georg V. ließ das Lusthaus 1861 abbrechen und zur Erinnerung
an seine Mutter beim Weifengarten unverändert wieder errichten (Be-
schreibung s. Weifenschloß und Weifengarten. Handzeichnung der alten
„Weyhenlöbe", 1810 von Magdeburg gefertigt, im Stadtarchive. Siehe
außerdem den Salzenbergschen Stich). Abb. 279
Im Brief Nr. 90 von 1709 des Herzogs Ernst August an von Wendt
(die Briefe herausgegeben von Graf Kielmannsegg) ist von der chambre
noire der Mme. Wei, die mit Gemälden geschmückt war, die Bede. Brief
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Abb. 279. Hannover; Lusthaus des Generalleutnants von Weyhe (Wallseite).
„Ansicht in der Gontrefcharpe zwischen den Clever und Stein Thor".
Salzenberg del & fculpf.
Nr. 92 von 1709 hat als Nachschrift eine Bemerkung über die Erwerbung
von Bildern, die alle für ihren Garten bestimmt seien. Brief Nr. 80 von 1709
sagt, daß sie zweimal wöchentlich auf ihrem Garten Feste veranstaltete.
Haus des Obristen v. Uten, Am Archive
(abgebrochen 1837).
Auf dem landesherrlichen Gelände des alten Baustalles und Wagen-
hauses zwischen Stadtwall und Brückmühlenstrang der Leine, das heute
teils vom Begierungsgebäude, teils auch vom Archive eingenommen wird,
lagen im Bücken des v. Harlingschen Wohnhauses namentlich Wohnhaus
und Garten des Kammersekretärs Patje und das v. Iltensche Grundstück.
Am Archivplatze hatte der König Georg IL 1734 dem Obristen,
späteren Brigadier Johann Georg v. Uten eine Baustelle geschenkt, die
419
Hole und Häuser des Adels
420
v. Hardenbergschcs Haus
dieser im Laufe des Jahres 1736 mit einem Wohn-, Küchen- und Stall-
gebäude in symmetrischer Anlage bebaute. Das Wohnhaus hatte mit dem
Archive die gleiche Mittelquerachse und bestand aus einem massiven
Geschoß von 3 + 3 + 3 Achsen mit schwachem, zweigeschossigem Mittel-
risalit und Mansardendach; dem Eingange in der Frontmitte war eine
doppelarmige Freitreppe geschwungener Form vorgelegt. Die Gebäude
sind 1837 beim Neubau der Regierung abgebrochen. Ein von J. P. Heu-
mann 1744 angefertigter Situationsplan bei den Akten des Oberhof-
marschallamtes gibt über die Anlage Aufschluß. Außerdem aber ist ein
Aquarell von Laves' Hand aus dem Jahre 1835 (Stadtarchiv, Kasten 7, Abb. 280
Bl. 33) vorhanden, welches das v. Iltensche, inzwischen in v. Wangenheim-
schen Besitz übergegangene und 1836 von der Regierung erworbene Wohn-
und Küchenhaus darstellt. Die Nebengebäude waren damals mit dem
Hauptgebäude durch schräge Eingangshallen in Verbindung gesetzt, denen
je eine Freitreppe in der Art der alten Mitteltreppe vorgelegt war; diese
selbst bestand nicht mehr.
v. Hardenbergsches Haus, Am Markt 13.
Über das ehemals auf dem Grundstück belegen gewesene Haus Johann
Duves, das dieser 1645 umbauen ließ und welches vermutlich erst dem
heute dort stehenden Palais hat weichen müssen, fehlen nähere Nachrichten.
Die beiden Hausgrundstücke Köbelingerstraße 69 u. 70 sind von Duve*)
zuerst in einer Hand vereinigt und 1751 vom Geheimen Rat Carl Friedr.
v. Hardenberg erworben und mit dem Palais „in eins" neu bebaut worden.
Eine Inschrifttafel in der Durchfahrt enthält zwischen zwei Engelsköpfchen
die Zahl 1755. Der Architekt ist unbekannt. Auf Grund bautechnischer
und stilistischer Ähnlichkeiten mit dem Palais an der Leinstraße ist die
Urheberschaft durch den Meister des ,, Alten Palais" an der Leinstraße
wohl denkbar. Der General v. Hardenberg wohnte in dieseni Hause von
1766 — 90. Dann kam es in das Eigentum der Frau Geh. Rätin v, Arns-
waldt, geb. v. Wenckstern, und wechselte noch wiederholt den Besitzer
(Essigbrauer Wedekind, Schreihagen). 1837 erwarb es die Krone und
überließ es dem Prinzen Solms als Wohnung. 1863/64 verkaufte sie es
wieder in private Hand.
Das Palais ist ein Ziegelmassivbau mit verputzten Flächen; Ecklisenen Abb. 28i
und Gewände sind aus Haustein. Die Front hat sieben Achsen, die drei
mittleren als Risalit schwach vorgezogen und im Dreiecksgiebel ab-
geschlossen. Geschoßgliederung: Erdgeschoß, Zwischengeschoß; hohes
Hauptgeschoß und Mezzanin. Erdgeschoß ist stark verändert: korbbogige
Durchfahrt rechts. Der Haupteingang mit zwei vorgelegten Stufen war
ehemals in der Mittelachse. Im Hauptgeschoß segmentbogige Fenster;
5) Baring, Kirchenhistorie, S. 42.
421
Höfe und Häuser des Adels
die dos Mittelrisalites mit reicheren Umrahmungen, Schlußsteinen und
Solhankkonsolen. Hauptsims und Dreiecksgiebel in Holzverschalung.
Das Giebelfeld mit Kartusche und Palmwedeln ist dem Besitzwechsel 1837
Abb. 281. Hannover; v. Hardcnbergschos I'alais, Am Markt 13.
Nach Aufnahmezeichnung von 1863. Stadtarchiv.
angepaßt durch Hinzufügen von Monogramm (E. A. R.) und Königskrone.
Satteldach mit Gauben und Ochsenaugen.
Die alte Treppenanlage von der Durchfahrt her ist erhalten.
422
Haus v. d. Bussche
Haus des Ministers v. d. Bussche an der Leinstraße.
Der Staatsminister und Geheime Rat von dem Bussche erwarb die
drei im Schoßregister mit den Nr. 291, 292, 293 bezeichneten Grundstücke
an der Leinstraße in den Jahren 1751 und 1752, ließ sogleich die darauf-
stehenden Häuser abbrechen und an deren Stelle einen Neubau errichten.
Als Architekt gilt der durch seine Planung der Ägidienneustadt hervor-
getretene Dinglinger (s. Habicht, H. G. 1915, S. 460), der nach der Vollendung
des Palais die Pläne dazu in einem Kupferstichwerk herausgegeben hat:
Plans de la maison de son Excellence Monsieur de Bussch, Minister d'Etat
de sa Majeste le Roi usw. 1759 (je ein Exemplar in der Bibl. der Techn.
Hochsch. u. in der Prov.-Bibl.). Aus Dinglingers Begleitwort zu dieser
Veröffentlichung läßt sich jedoch nicht zwingend entnehmen, daß er der
Architekt war. Vielmehr scheinen ornamentale und technische Eigentüm-
lichkeiten des Gebäudes auf J. P. Heumann hinzudeuten. Heumann starb
im Jahre der Herausgabe des Dinglingerschen Stichwerkes. Im Vorwort
schreibt Dinglinger: ,,Den mehresten Theil der inneren Verzierungen
. . . sowie das malerische Deckstücke über der Haupttreppe" - habe
der Bauherr „durch eine obersächsische Hand entwerffen" lassen.
Die Pläne zeigen, daß das ursprüngliche von dem Busscheschen Palais
im Äußeren bis auf das bekrönende Wappen nur unwesentlich verändert
auf die Gegenwart überkommen ist, während es im Inneren die Rokoko-
ausstattung seiner Räume ganz eingebüßt hat. Die einstige Treppenhaus-
anlage wird auf der Kupfertafel 10 des Dinglingerschen Stichwerkes ver-
Ahb. 2S2. Hannover; Hans v. d. Bussche: Speisesaal. Nach Tafel 13 des Dinglingerschen Stichwerkes
von 1759. „Decoration d'un Cote de la Säle a manger, avec de Lambris orne de Sculpture".
423
Höfe und Häuser (k's Adels
anschaulicht, Teile des Marmorsaales auf Tafel 11 und 12, des Speise-
Abb. 282 saales auf Tafel 13.
Die Breite des Grundstückes bei geringer Tiefenausdehnung führte zu
einer Fassadenbildung mit kaum vortretendem Mittelrisalit, das in drei-
Abb. 202 ii.2oi achsiger Ausgestaltung die Mitteleinfahrt enthält. Die symmetrischen
Seite 306 u. 308 Seitenflügel haben je fünf Achsen. Der Aufbau ist dreigeschossig. Auf
schlichtem Sandsteinsockel wenig abgesetzt, hat das Erdgeschoß rechteckige
Lichtöffnungen mit waagerechten Simsverdachungen; Mitteleinfahrt seg-
mentbogig; in den äußersten Achsen flachbogige Einfahrten. Die Fläche des
ersten und zweiten Obergeschosses, durch ein Bandsims abgesetzt, von
Quaderlisenen umrahmt und durch Architrav, Fries und weitausladendes
Hauptsims in Sandstein abgeschlossen, ist in Putz hergestellt; doch hat
der Architekt (wie an den Häusern Breite Straße 8 und Schmiedestraße 37)
zwischen den Lichtöffnungen die sandsteinernen Brüstungs- und Sturz-
platten, in die Fläche eingebunden, über die Fassade fortgeführt. Die
Fensterumrahmungen des ersten Obergeschosses sind mit Konsolen an Sol-
bänken und Simsverdachungen versehen: in reicheren Formen im Mittel-
risalit, das auch durch Vorkragen eines Balkons mit schmiedeeisernem
Geländer ausgezeichnet ist. Die Mezzaninfenster des zweiten Obergeschosses
segmentbogig mit Schlußsteinen in geschwungenen Formen. Das Sattel-
dach wird verdeckt durch eine vasenbekrönte Balustrade, die über dem
Mittelrisalit ursprünglich durch ein Wappenmedaillon mit helmzier-
tragenden Putten überhöht wurde (s. Weiteres unter „Altes Palais an der
Leinstraße" auf S. 301 ff).
Freiherrlich v. Steinbergsches Haus, Marktstraße 60 und 61.
Die beiden Hausgrundstücke Marktstraße 60 und 61 sind um 1752
vom Geheimen Kammerrat und Gesandten zu Wien Georg Friedrich
Freiherrn v. Steinberg durch die Bebauung mit einem Wohngebäude
vereinigt. Das Haus erwarb 1772 der General Graf Wallmoden; es kam
1815 in den Besitz des Restaurateurs und Brauers Bornemann und wurde
1831 — 34 Heim der neugegründeten Gewerbeschule.
Die Einheitlichkeit der Front ist neuerdings zerstört. Das Gebäude
war im alten Zustande ein dreigeschossiger, zehnachsiger Putzbau mit
unprofilierten Sandsteingewänden und gequaderten Ecklisenen. Ein
zweiachsiger Dacherker in der Frontmitte hatte segmentförmigen Giebel.
Die Türen hatten ebensolche Verdachung. Das Haus tritt auf einem Stiche
Tafel 7 der Marktkirche von H. Busse um 1827 und auf Tafel XXII in Mithoffs
Archiv in die Erscheinung. H. G., N. F. I. Tafel zu Heft 1.
Das alte Treppenhaus ist erhalten. Über die Ausstattung einzelner
Räume zur Zeit des Grafen Wallmoden enthält ein Inventar im Wall-
modenschen Familienarchive (XXVII, I.) auszugsweise folgendes:
424
Haus v. d. Schulenburg- Wolfsburg.
„der große Speisesaal mit Schwefelgelb und Silbernem Tafelwerk,
auch Bildhauerarbeit" usw.,
„der große Visiten Saal" enthielt: „Eine feine Haute lice de Beauvais"
usw.,
„das Zimmer mit der grünen damastenen Tapete",
„das kleine Cabinett mit indianischem Linnen tapeziert" enthielt:
„Ein Gemähide über der Thür".
„Der große Saal in der ersten Etage im ersten Seitengebäude" usw.
Haus des Grafen v. d. Schulenburg -Wolfsburg, Köbelingerstraße 5 a
(abgebrochen 1887).
Das Doppelgrundstück Köbelingerstraße 34 und 35 kaufte 1737 der
Kammerjunker, spätere Oberhofmarschall v. Werpup von dem Kammer-
herrn von Lenthe und ließ wahrscheinlich 1766 darauf das Palais erbauen,
das 1887 bei der Anlage der Markthalle abgebrochen worden ist. Von
Werpup starb 1768; noch 1783 besaßen seine Erben das Haus. 1787 ver-
zeichnen die Schoßregister als Hauseigentümer den Oberhof marschall
v. Lichtenstein, dann einen Georg Fr. Louis; seit 1799 den Schloßhaupt-
mann Beichsgrafen Aug. W. C. von Hardenberg; 1819 den Kammerrat
Fried. Gebh. Werner Graf v. d. Schulenburg-Wolfsburg. Am 1. April
1829 wurde das Haus Eigentum der Stadt, die es als Parochial-Schul-
Abb. 283. Hannover; Köbelingerstraße 5, Grundriß. Nach einem Plan in der Provinzialbibliothek,
Mappe XVII: „von Werpups Gebäude".
425
Höfe und Häuser des Adels
gebäude verwandte. Im Saale des einstigen Palais eröffnete der Kunst-
verein für das Königreich Hannover zu Ehren seines Protektors, des
Abb. 281. Hannover; Köbelingerstraße 5a.
Gräfl. v. d. Schulenburs-Wolfsburgsch.es Palais.
Herzogs von Cambridge, an dessen Geburtstage (26. Februar 1833) seine
erste Kunstausstellung.
Das Palais Köbelingerstraße 5 gehörte unter den aus der Mitte des
18. Jahrhunderts stammenden Baudenkmälern Hannovers sicher zu den
426
Haus F. E. v. Wallmoden
wertvollsten. Der Architekt ist bisher nicht bekannt. Auf dem tiefen
Doppelgrundstück schloß sich an das massive Hauptgebäude ein eben-
solcher Seitenflügel an, der Küche und Nebengelasse aufnahm. Der
Grundriß des hart an der Straße sich erhebenden Hauptgebäudes war
denn auch nicht der regelmäßige (Plan in der Prov.-Bibl., Mappe XVII). Abb. 283
Das Treppenhaus lag in dem Winkel zwischen Haupt und Seitengebäude.
Die Straßenfront, durch ein leicht vorgezogenes Mittelrisalit, ur- Abb. 284
sprünglich wohl mit Dreiecksgiebel gegliedert, hatte drei Geschosse bei
3+3 + 3 Achsen. Ecklisenen gequadert, geschoßteilende Simse, Fenster-
umrahmungen aus Sandstein. In den beiden Obergeschossen - - abge-
sehen vom Mittelrisalit -- hatten die Fenster geschwungene Verdachungen
über Muschelornamenten.
Das reicher behandelte Mittelrisalit enthielt das korbbogige Portal
zwischen Quaderlisenen. Die Flächen der Obergeschosse waren in rund-
bogige Scheinarkaden aufgelöst, beim unteren die Wandvorlagen mit
toskanischen Schmuckformen, beim oberen mit korinthischen Pilastern
ausgestattet. Das Hauptsims (Sandstein) mit einfachem Architrav,
Fries- und Kranzgesims war über die ganze Front hinweggezogen.
Ein viertes Geschoß hatte man um die Mitte des 19. Jahrhunderts
hinzugefügt.
Haus des Kammerherrn Franz Ernst v. Wallmoden, Köbelingerstraße7a
(abgebrochen 1<S(S7).
Die Gräfin Yarmouth hatte 1711 nach der Schenkung des Gesandt-
schaftshauses außer zwei Häusern an der Feinstraße auch das rückwärts
Abb. 285. Hannover; Köbelingerstraße 7 a. Haus des Kammerherrn v. Wallmoden,
abgebrochen 1887. Nach Holzschnitt im Stadtarchiv.
427
Höfe und Häuser des Adels
anstoßende, zur Köbelingerstraße gehörende Grundstück (Köbelinger-
straße 32) hinzuerworben, das ehemals den Peweler Hol' gebildet hatte.
Die Nachbargrundstücke, Köbelingerstraße 30, 31 und 33, kaufte nach
dem Ableben der Gräfin (1765) deren Sohn, der Kammerherr Franz
Ernst v. Wallmoden, hinzu. Er errichtete auf Köbelingerstraße 30 das
Wohnhaus, dessen Äußeres nur durch einen unbedeutenden Holzschnitt
überliefert ist, wahrscheinlich um 1770. Die Wallmoden verkauften
das Haus 1805 an die Freimaurerloge Friedrich zum Weißen Pferde,
die es in demselben Jahre an den Freiherrn v. Scheele weiterveräußerte.
1806 erwarben es die Wallmoden zurück und traten es 1825 wiederum
an die Loge ab.
Abb. 285 Nach dem im Stadtarchive (Kasten VII, Bl. 12) vorhandenen Holz-
schnitt war das Haus aus Sandstein erbaut und hatte drei Geschosse
- das oberste als Mezzanin - Mansardendach mit geschwungenem Fronti-
spiz; die Achsenzahl war fünf; segmentbogige Schlüsse. Mitteltür mit
Oberlicht.
Haus des Kammerherrn Georg Ludw. v. Spörcken,
Schmiedestraße 31/32.
Die beiden Hausgrundstücke unter M. Nr. 150 und 151 im Schoß-
register sind im Jahre 1698/99 in der Hand des Henning Anton Schultze
vereinigt, aber erst später einheitlich bebaut. Von den Schultzeschen
Abb. 286. Haus des Kammerherrn v. Spörcken, Schmiedestraße 31/32, Zustand 1841.
Nach Akten des Baupolizeiamtes.
428
Haus v. Platen-Hallermund
Erben kaufte 1764 die Gräfin Yarmouth das Haus Nr. 151, starb aber
schon ein Jahr darauf. Ihr Sohn, der damalige Generalmajor v. Wall-
moden, besaß es noch etwa sechs Jahre; aus dieser Zeit stammt ein Lage-
plan des Grundstückes mit Berücksichtigung der Gartenanlage im Hofe
von der Hand des v. Wallmodenschen Gartenmeisters Walter (im Wall-
modenschen Familienarchive). 1769 ging das Grundstück Nr. 151,
1776 auch das Grundstück Nr. 150 aus des Kaufmanns Sievers Besitz
an den Kämmerer von Spörcken über.
Die beiden Grundstücke sind 1777 durch den neuen Eigentümer
mittels eines Neubaues vereinigt worden, der bis auf das im Jahre 1841
entscheidend veränderte Erdgeschoß äußerlich im übrigen unberührt
überkommen ist. Der Architekt ist bislang unbekannt. Verträge mit
Handwerkern und Beschreibungen der inneren Gliederung finden sich
im Archiv der Freiheniich v. Spörckenschen Verwaltung zu Lüdersburg.
Das Haus ist dreigeschossig bei elf Achsen. Ein Mittelrisalit von Abb. 28G
drei Achsen, in dessen Erdgeschoß Hauseingang und Durchfahrt zu-
sammengedrängt untergebracht waren, ist wenig vorgezogen und schließt
mit flachem Dreiecksgiebel, der das Wappen der von Spörcken in ge-
krönter Louis-seize-Kartusche mit zwei Löwen als Schildhaltern enthält.
Quaderlisenen, Simse und Umrahmungen bestehen aus Sandstein, die
Flächen sind geputzt. Nur im Bisalit sind die Umrahmungen reicher
ausgestattet, größtenteils mit waagerechten, konsolengetragenen Sims-
verdachungen.
Das hohe Satteldach ist beiderseits des Bisalitgiebels mit Gauben
ausgestattet.
Das Innere bietet, abgesehen von den Treppenhäusern, nichts Be-
merkenswertes mehr.
Haus des Grafen v. Platen-Hallermund am Georgsplatz
(abgebrochen 1894).
Während der französischen Besetzung, nach 1803, hatte ein Privatmann
den Bau des nachmaligen Gräflich von Platenschen Palais begonnen, ihn
aber aus Mangel an Mitteln unvollendet gelassen (P. Hammer, Hannover,
wie es seit dem Siebenjährigen Kriege gebauet usw., S. 17). Das Gebäude
wurde 1816 von der gräflichen Familie von Platen-Hallermund angekauft
und zum Bewohnen eingerichtet. Es war ein stilistisch alleinstehender Abb. 287
vierstöckiger Massivbau in Putz.
Ein Festsaal soll eine bemerkenswerte Stuckdekoration enthalten
haben, die vermutlich aus der Zeit um 1816 herrührte (siehe ,,Hann.
Courier", 10. Februar 1901, Aufsatz v. Plinke). Ebenso sollen Gemälde,
429
Hole und Häuser des Adels
Abb. 287. Hannover;
Platensches Haus am Georgsplatze, späteres Landgerichtsgebäude.
Links das Schwurgericht. Phot. 1868.
vielleicht von Francesco Paletta, dagewesen sein (frdl. Mitt. von 0. Wichten-
dahl, Hannover).
Das Platensche Palais erwarb 1852 der Staat, um dorthin die Dienst-
räume des durch die damalige Neuorganisation des Justizwesens ge-
bildeten Obergerichts zu verlegen.
Palais des Friederiken-Gartens.
Einen Teil des ehemaligen Vauxhallgartens auf dem Werder hatte
der in kurfürstlich-hannoverschen Diensten gestandene Prinz Carl von
Schwarzburg- Sondershausen im Jahre 1802 vom Magistrat der Residenz-
stadt angekauft (Akten militärfiskalischer Gebäude im Reichsarchiv).
Das Grundstück erwarb im Jahre 1817 der General Graf v. Alten, der
dann, wie Lohmann (a. a. 0., S. 164) berichtet, das heute vorhandene
Haus sofort erbaut hat.' Der Garten, der dem Publikum geöffnet war,
genoß Berühmtheit wegen seiner schönen alten Bäume und weiten Rasen-
flächen. Vor der Terrasse - so erzählt Julie v. Albedyll-Alten (Aus
Hannover und Preußen, Potsdam 191 1) aus der Zeit um 1835 -- standen
alte Orangenbäume in Holzkübeln und mattblaue und rosa Hortensien.
Der Zugang zum Palais war alleemäßig bepflanzt.
Nach dem Tode des Generals ließ der König Ernst August den Garten
ankaufen und ihn durch gärtnerische Anlagen mit dem freigelegten
430
Haus v. Meding
Mühlenplatz in Verbindung bringen. Das Palais wie der Platz erhielten
ihren Namen nach der Königin Friederike.
Das Palais des Friederikengartens hatte 1845 — 66 das Gräflich
v. d. Deckensche Ehepaaar pachtweise inne. Die Gräfin war eine
Schwester der Herzogin von Cambridge. Nach 1866 diente das Haus
preußischen Offizieren zur Wohnung und wurde 1882 als militärfiskalisch
dem jeweiligen Stadtkommandanten überwiesen (Sievert, a. a. 0., S. 9).
Ein Brand hat am 7. Mai 1870 das Gebäude beschädigt.
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Abb. 28S. Hannover; Friederikenpalais, 1881. Nach Plan im Reichsarchiv.
Das 1817 erbaute Haupthaus ist durch Flügelanbauten erweitert Abb. 288
und 1856 und 1881 wiederholt Veränderungen unterworfen gewesen.
Die zweigeschossigen Gebäude bestehen aus Fachwerk mit Verputz.
Hauptfront verschalt. Der risalitartige Mittelteil des Hauptbaues ent-
hält Vestibül mit Treppenhaus und ein Gartenzimmer; der Westflügel
einen Festsaal mit Nebengemächern, der Ostflügel die Kochküche.
v. Medingsches Haus
(abgebrochen 1878).
Das nach Sieverts Angabe (a. a. 0., S. 113) im Jahre 1817 erbaute
v. Medingsche Wohnhaus lag vor dem Steintore in einem rückwärts an
den Stadtgraben grenzenden Garten, gegenüber der Bastion mit dem
Prinzenhause. Das Haus wurde 1851 vom Fiskus angekauft und 1854
für die königliche Münze eingerichtet. 1878 bei Anlage der Münzstraße
wurde es abgebrochen.
Freistehender, zweigeschossiger Putzbau auf rechteckigem Grundriß.
Die Frontmitte hatte vor flachem Bisalit einen von vier Säulen getragenen
431
Höfe und Häuser des Adels
Balkon als Unterfahrt. Das Risalit zeigte im Obergeschoß Pilaster-
stellungen und schloß in flachem Dreiecksgiebel. Alle Fenster waren
nngerahint in die Flache geschnitten. Aus der Dachmitte ragte ein rundes
Kuppelt ürmchen als überlicht für das Treppenhaus empor.
Ein Grundriß in seiner späteren Veränderung als Verwaltungsgebäude
der Münze ist in „Ztschrft d. Aren.- und Ing.-Vereins" von 1861, Bl. 205
gegeben.
(Siehe Rothert, Im alten Königreich Hannover, S. 233.)
Abb. 28!). Hannover; Bella Vista, Villa dos Ministers von Schulte. Phot. 1900.
Bella Vista.
Das zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch wüste Gelände an der Leine
außerhalb des Neuen Tores ließ 1828 der Minister v. Schulte von der
Stadt ankaufen und zu Parkanlagen durch Schaumburg umgestalten.
Laves errichtete gleichzeitig das Lusthaus, welches noch heute besteht.
Abb 289 Es hat zwei Geschosse bei fünf Achsen. Die Hauptfront ist durch eine auf
vier dorischen Säulen ruhende Vorhalle mit vollem Gebälk und Drei-
ecksgiebel ausgezeichnet, welche durch die ganze Haushöhe hindurch-
reicht.
Die Außenwände deuten eine Quaderung in Holzverschalung an. Die
Fenster des Erdgeschosses zeigen waagerechte Verdachung; bei denen
des oberen Geschosses fehlt heute jede Umrahmung. Das Walmdach
wird bekrönt durch einen achtseitigen verglasten Aussichtspavillon, von
dem der Name des Geweses sich ableitet.
432
Haus v. Wangenheim
Von der Witwe des Ministers erwarb die Stadt Park und Haus zurück.
Nach 1866 pachtete der Kommissionsrat Röpke den Besitz, vergrößerte
und veränderte ihn und richtete einen Gastwirtschaftsbetrieb daselbst ein.
Dazu wurden Ergänzungsbauten geschaffen, wie eine Tanzhalle mit kühner
Deckenspannung vom Architekten Otto Goetze, die später zum Teil
beseitigt sind. Die Romantik des Parkes von Bella Vista veranlaßt
Brönnenberg zu schwärmerischen Lobeserhebungen (s. a. a. 0., S. 82).
Den Mittelpunkt des Parkes bildete ein Bassin mit zierlicher Gondel,
eine Grotte gewährte Kühlung, eine blumenumkränzte Anhöhe den Aus-
blick in die Ferne; eine Kartaune, ein vom Blitz gespaltener Baum, eine
Quelle erhöhten die Stimmung.
v. Wangenheimsches Haus, Friedrichstraße 17.
Der Hofmarschall Graf Georg v. Wangenheim, der Besitzer des
Schlosses und Parkes Monplaisir beim Königlichen Jägerhofe, erwarb
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Abb. 290. Hannover; Palais von Wangenheim, Friedrichstraße 17, Grundriß. Nach einer Zeichnung
von Laves 1830. Stadtbauamt.
28
433
Höfe und Häuser des Adels
Abb
Ostern 1828 das an der Friedrichstraße belegene, sub. Nr. 739 zur Lein-
straße katastrierte Grundstück, auf dem das Klubhaus des Alten Billard-
90 klubs stand. Der auszuführende Neubau für den Grafen stand seit
1829 unter der Beratung von Laves. Der Bau des Stallgebäudes, das
Laves halbkreisförmig an die Stadtmauer heranschneidend geplant hat,
wurde durch den Einspruch des Magistrats (1830) verzögert; das Wohnhaus
Abb. 291 befand sich im Laufe des Jahres 1832 in der Bauausführung.
Abb. 291. Hannover; v. Wangenheimsches Palais, Friedrichstraße 17, Fassade an der Friedrichstraße.
Nach Zeichnung von Laves, 1830.
Durch Ankauf des am Himmelreiche belegenen Hofbaurat Witting-
schen Hauses, Mühlenstraße 862, das 1821 erbaut war, vergrößerte Graf
v. Wangenheim im Jahre 1839 sein Gewese; 1815 ließ er an der Seite des
Himmelreiches den halbkreisförmigen Gewächshausanbau schaffen,
der noch besteht. Im übrigen ist das Palais äußerlich unverändert
geblieben. (Die weiteren Schicksale des Palais und seine Beschreibung
s- S. 310 ff.)
434
Bürgerhäuser.
JDie breite Masse der denkmalwertigen Bürgerhäuser, die bislang noch
dem Straßenbilde von Hannovers Altstadt das Gepräge verleiht, entstammt
einer über das zweite und dritte Drittel des 16. Jahrhunderts sich er-
streckenden Bauperiode von auffallender Geschlossenheit. Diese älteste
Bürgerhausgeneration, mit deren überlebenden Familien wir die Gegenwart
teilen, steht heute angesichts der vermehrten Untergänge ihrer Einzelwesen
am Ende ihrer Lebensdauer, und die Zeit, wo sie nicht mehr bestehen wird,
ist absehbar nahe.
Für die niedersächsische Hausforschung stellt Hannover in dieser
Generation die frühesten monumentalen Belege. Die einzelnen Haus-
beispiele treten sowohl als Traufen- wie auch als Giebelhaus auf; das
Bürgerhaus dieser Zeit ist ein zweischiffiges Straßenfronthaus mit Durch-
fahrt nach dem Hofe und stellt sich entweder als domus oder als boda dar.
Seiner konstruktiven Artung nach ist es ein Skelettbau in Holzfachwerk.
Äußere Eigentümlichkeiten, wie die Vorkragungen und die Schmuck-
verwendung, können als spätmittelalterlicher, aber konservativ bis in das
17. Jahrhundert hinein geübter Brauch aufgefaßt werden. Das Ornament
selbst hat sich im Geschmack der Benaissance gewandelt. Das abge-
schlossene Architekturgebilde des niedersächsischen Bürgerhauses über-
haupt, wie es auch hier zufrühest in die Erscheinung tritt, muß immer als
das Ergebnis einer längeren vorhergegangenen Entwicklung eingeschätzt
werden, auf deren Einzelphasen heute die Fragestellung sich zu richten
begonnen hat. Was Hannover zu deren Beantwortung beizutragen vermag,
besteht in dem, was sein urkundliches Archiv über die Vorgänge der
Grundstücksgeschichte und -bebauung vermittelt.
Die hannoverschen Verlassungsbücher und Schoßregister zeigen, daß
seit dem Bestehen des ältesten Verlassungsbuches -- seit 1128 -- bisher
die Grundstücksgrößen bis auf wenige, in besonderen Verhältnissen
begründete Ausnahmen sich unverändert erhalten haben. (Die Forschungen
gehen auf Dr. Leonhardt zurück; s. H. G. 1921, S. 23 ff., und H. G. 1927,
S. 157 ff.) Wahrscheinlich hat sich nicht durch Aufteilung umfangreicher,
wenigen bevorzugten Geschlechtern ursprünglich eigener Grundstücke
diejenige Grundstücksgliederung ergeben, welche das älteste erhaltene
435
Bürgerhäuser
Verlassungsbuch zuerst dartut. Es ist vielmehr anzunehmen, daß min-
destens die städtische Verfassung von 1241 schon den später erkennbaren
Zustand begründet hat. Das ist des weiteren für die städtebaulichen
Uranfänge Hannovers von Bedeutung.
Grundstücks- 1 liusichtlich der Grundstücksbebauung wird die Forschung ohne
bebauung Analogieschlüsse nach den Verhältnissen in den niedersächsischen Nachbar-
städten, die gleich Hannover auf marktsiedlerischer Grundlage erwachsen
sind - vor allem Braunschweig, - - nicht auskommen. Es fehlen für
Hannover die tatsächlichen und urkundlichen Nachweise für das Vor-
kommen von Kemenaten. Nur eine bürgerliche Kemenate in der Altstadt
ist urkundlich bezeugt (Marktstraße 1, 1 136; H. G. 1926, S. 20). Vor der
Burg Lauenrode lagen einige Kemenaten der Burgmannen anscheinend
noch 1360 (Urk. 396). Ein so zahlreiches Vorkommen, wie es für Braun-
schweig belegt ist, ergeben die Urkunden aber nicht. In Hannover ist
vermutlich die durch die Kemenaten charakterisierte Entwicklungsphase
des städtischen Wohnbaues da im wesentlichen vorüber, wo ratsseitige
Beurkundungen über Haussachen beginnen. Der Wiederaufbau der Stadt
nach der gewaltsamen Niederbrennung von 1189 wird die Grundstücks-
bebauung auf neue Grundlagen gestellt haben.
(Daß auch die Kemenaten keineswegs am Anfange der Bürgerhaus-
entwicklung stehen, bemerkt Steinacker im Jahrb. d. bist. Vereins f.
Niedersachsen 1926, S. 136 ff.)
Die „domus" Die ,,domus" der Veiiassungsbücher entspricht im allgemeinen noch
heute dem Hause mit Braugerechtigkeit mit wenigen, besonders begrün-
deten Ausnahmen. Die Zahl der Häuser mit Braugerechtsame war be-
schränkt und wurde im Jahre 1609 auf 317 verfassungsmäßig festgelegt
(Löhdefink, H. G. 1925, S. 42).
Das hannoversche Hausgrundstück pflegt als von der Straße aus weit
in die Tiefe reichendes Bechteck sich darzustellen. Das Wohnhaus nimmt
ursprünglich nicht die volle Grundstücksbreite ein, sondern läßt seitlich
noch Baum für eine Einfahrt, die einen Wirtschaftshof hinter dem Hause
und von etwa gleicher Tiefe wie dieses erschließt. Nach rückwärts wird
der Hof begrenzt durch eine Scheune. Hinter dieser füllt den Best des
Grundstückes ein Garten aus. Als Verbindung zwischen Wohnhaus und
Scheune kommt gewöhnlich dann noch ein Seitenflügel hinzu.
Daß so die Bebauung vor sich ging, läßt sich aus den Verlassungs-
büchern an zahlreichen Beispielen nachweisen, wo nicht die Wirklichkeit
noch selber darüber belehren kann (s. darüber Leonhardt in H. G. 1921,
S. 25 ff.). Als Beispiele seien genannt : das Grundstück Köbelingerstraße27,
Marktstraße 51, Üsterstraße 65.
Von den Häusern und Höfen, an welche die Braugerechtigkeit gebun-
den war, wurden nun in Hannover Teilgrundstücke oder Wohnstätten
436
Bürgerhäuser
abgezweigt, denen die Braugerechtsame nicht zustand : sie hießen bodae =
Buden.
Die Budenbildung geschieht zum Zwecke der Schaffung einer Altenteiler- Die „boda"
wohnung gewöhnlich durch Überbauung der Hofeinfahrt; die Bude pflegt
daher nicht die volle Tiefe des Hauses zu haben (Beispiel: Osterstraße 59).
Eckgrundstücke an einer Querstraße (lüttike Strafe) werden meist ihrer
Tiefe nach in Buden aufgeteilt. Die zunächst einem Eckgrundstück an der
Hauptstraße liegenden Grundstücke erstreben oft eine Zufahrt von der
lüttiken Strafe her, in dem sie hakenförmig umeinander herumgreifen.
Auf den Hofräumen und an der Nebenstraße entstehen dann zumeist
erst im 15. Jahrhundert Buden, die nicht ad vitam, sondern hereditarie
verlassen werden und der ärmeren Bevölkerungsschicht zur Woh-
nung dienen.
Da, wo im 15. und 16. Jahrhundert städtischer Grundbesitz der
Bebauung erschlossen worden ist, entstehen ferner ebenfalls Wohngrund-
stücke minderen Bechtes — also Buden: so ,,uppe den Specken", auf dem
städtischen Marstallgelände am Kreuzkirchhof und auf dem St. Gallenhof.
Die ,,domus" kommt sowohl als Giebelhaus wie auch als Tiaufenhaus Traufen- und
in Hannover vor. Das älteste Hausbeispiel überhaupt, der jetzt entstellte Glebelhaus
Ziegelbau Marktstraße 47, ist ein Traufenhaus, ebenso das frühe Fachwerk-
haus Marktstraße 37 vom Jahre 1531. Um 1550 scheint in Hannover eine
Vorherrschaft des Giebelhauses zu bestehen. Die Buden pflegen der Straße
die Traufe zuzukehren, weil sie gewöhnlich nur so zur Entwicklung eines
hohen Dachraumes gelangen können. Diejenigen Buden, die in Anlehnung
an eine domus entstanden sind, konnten ihr eigenes Traufen- oder Giebel-
dach haben. Das Beispiel eines 1827 abgebrochenen Hauses an der Lein-
straße (im Schoßregister L 2/3; Abb. im Stadtarchiv) zeigt bei der Bude ein
selbständig ausgebildetes Giebeldach. In den heute noch erhaltenen Haus-
beispielen sind die Buden in den Aufbau des Haupthauses unter gemein-
samem Dache stets einbezogen und so dem flüchtigen Blick kaum auffällig.
Beispiele mit Giebeldächern sind die Häuser Am Markte 14/15, Kramerstraße
22; mit gemeinsamem Traufendache das Haus Leinstraße 15. Giebelhaus
oder Traufenhaus erscheint als eine Frage, die erst mit dem Zwange zu
intensiverer Grundstücksausnutzung auftritt. Denn das Giebelhaus kann,
weil es in die Grundstückstiefe ausdehnbar ist, größere Speicherräume
entwickeln. Die konstruktive Wesenheit beider ist nicht verschieden.
Das hannoversche Wohnhaus ist zum Unterschiede gegenüber dem Gnmdrißbiidung
Bauernhaus zweischiffig und bereits in der Unterkellerung so angelegt.
Die Diele pflegt ein wenig seitlich aus der Mittelachse verschoben zu sein:
an ihrer einen Seite liegt gewöhnlich ein Wohn- oder Geschäftsraum,
oder es sind mehrere solcher Bäume hintereinander aufgereiht. Anderer-
seits des Dielentores findet sich als Einbau in die Diele fast stets eine
437
Bürgerhäuser
einzelne schmälere Stube. So wird eine Vordiele abgegrenzt gegen den
Hauptraum der Diele. Hinter den seitlichen Wohn- oder Geschäftsräumen
pflegt die Treppe untergebracht zu werden. Die Durchfahrt zum Hofe
liegt derjenigen an der Straßenfront entsprechend. Eine Nebentür kann
vorhanden sein, die von der Diele aus zum Saal im Seitenflügel führt.
Beispiel: Üsterstraße 65. Der Saal ist an die Stelle der Kemenate
getreten.
Aufbau Bei den älteren Hausbeispielen ragt die Diele in das Obergeschoß hinein.
Dabei ist dieses nur als Halbgeschoß ausgebildet und enthält im übrigen
einige anspruchslose Wohnräume. Über dem Halbgeschoß setzt unmittelbar
das Dach an, das den zuf ruhest einräumigen Speicher birgt. Eine andere
Gruppe von Beispielen zeigt statt des Halbgeschosses ein volles Stock-
werk, unmittelbar über die Diele gelagert, welche dann niedriger gehalten
ist. Diese beiden Aufbautypen finden sich fortentwickelt durch Ein-
schaltung weiterer Wohngeschosse als Ausdruck einer in ihren Ansprüchen
wachsenden Lebenshaltung.
Konstruktion Das bürgerliche Wohnhaus in Hannover ist bis in die Neuzeit einer
Baugesinnung entsprossen, die in der Fachwerkbauweise lebt und webt;
die etwa vorgebauten massiven Fronten dürfen darüber nicht täuschen.
Die an einer Nachbarsseite, gewöhnlich der rechten, gezogenen massiven
Wände dienen dem Brandschutz. Der Unterbau pflegt in Bruchstein,
seltener in Ziegeln ausgeführt zu sein. Die Kellerwölbung ist meist in
zwei nebeneinander angeordneten Tonnen bewerkstelligt, deren ge-
meinsame Stützwand durch Bögen geöffnet zu sein pflegt. Die in Kreuz-
gewölben hergestellten Keller des Leibnizhauses und eines 1904 abge-
brochenen Hinterhauses des Grundstückes Marstallstraße 34 weisen
gotische Birnstabrippen auf. Balkenkeller auf Stützen sind nicht
bekannt.
Das Konstruktionselement des Fachwerkaufbaues ist ein System von
drei Stützen, in ungleichen Weiten gestellt, durch deren Reihung eine
ungleich-zweischiffige Anlage entsteht. Das Traufenhaus reiht die Balken-
lagen quer zur Hausfront; das Giebelhaus muß sie nach der Grundstücks-
tiefe hintereinander aufgereiht verwenden. Während so hinsichtlich der
Obergeschosse die Balkenlage beim Traufenhause des Fachwerkbaues
zum Zweck der Raumgewinnung die Heraussetzung von Vorkragungen
unmittelbar begünstigte, mußte beim Giebelhause zum gleichen Zweck
in konstruktiv weniger günstiger Weise mit Hilfe von Stichbalken
verfahren werden. Die Vermutung liegt nahe, daß die Vorkragung der
Obergeschosse ein verhältnismäßig später Konstruktionsbrauch sei, der
vom Traufenhause auf das Giebelhaus übertragen wurde. Man nahm dabei
für den Vorteil der Raumgewinnung konstruktive Nachteile in Kauf.
438
Bürgerhäuser
Bürgerhäuser in Fachwerk von etwa 1530 bis in die Mitte des
17. Jahrhunderts.
Bürgerhauser in Fachwerk, deren Erbauungsjahr vor 1530 liegt,
scheinen in Hannover nicht mehr zu bestehen. Als wenig älter könnten
in Frage kommen die Häuser mit Treppenfries und Leistentrapez.
Die an den Pfosten und Schwellen der früheren Fachwerkhäuser sich Die Meister
findenden Meistersignaturen beziehen sich offenbar auf die Zimmer- <les Fachwcrkbaues
meister, welche die Fachwerkkonstruktion und auch den Schwellen-
schmuck lieferten. Der Brauch, sich zu signieren, scheint aber erst um
1540 einzusetzen; die Marken pflegen auf den geschnitzten Schwellen
selbst, nicht — wie das später der Fall ist — auf unverzierten Pfosten zu
stehen. Die Namen des Ratszimmermeisters Beneke Hagemann und
seines Sohnes und Nachfolgers seit 1543, Arnd Hagemann, die uns seit
1535 regelmäßig begegnen, finden sich nirgends signiert. Doch ist dem
Beneke Hagemann ausweislich der Rechnungen der Fleischscharren zuzu-
schreiben. Arnd Hagemann bediente sich des Tileke Gering als Mit-
arbeiters. Die zufrühest sich findende Signatur T. G. ist — wie die Schoß-
register ausweisen und das Fabrikregister der Kreuzkirche bestätigt -
auf diesen Tileke Gering zu beziehen, dessen Sohn J. G., Jürgen Gering,
Ratszimmermeister wurde. Für T. G. ist kennzeichnend der Palmetten-
fries als Schwellenzier, während zu des jüngeren, J. G., Art der Inschrift-
fries in Antiqua gehört. Jürgen Gering starb im ersten Baujahr des
Apothekenflügels 1565 an der Pest dieses Jahres.
Der Palmetten- oder Muschelfries kommt auch auf Schwellen mit den
Signaturen B. K., G. K. und C. K. vor. Die Signaturen B. K. und G. K.
bezeichnen Mitglieder der Zimmermannsfamilie Konning, die in der Art
Hagemanns arbeitete. Unter der Marke H. K. nennt sich wohl Härmen
Konning, der Vater, der mit seinen Söhnen auf der Ratssägemühle und
auf dem Bauhöfe viel beschäftigt war. CK. kann der 1552 und 1556 als
in städtischen Diensten stehend genannte Meister Clages Kock sein;
er signiert sich an einer Inschriftschwelle im Hofe Burgstraße 28 und noch
1565 an einer Schwelle mit Palmettenfries im Hofe Osterstraße 0,226.
Bis auf die beiden Hagemanns und den älteren Gering sind alle diese
Zimmermeister beim Bau des Apothekenflügels tätig gewesen. Außer
ihnen war noch der Meister Hans Boe, der sich H. B. signiert, dabei be-
schäftigt, und Meister Hans Cramer vollendete die Fachwerkkonstruktion.
Seine Namensmarke ist aber nicht nachzuweisen. Der Hildesheimer
Meister Hinrich Holste war nur zu einer bestimmten Leistung vom Rate
herangezogen worden. An Bürgerhäusern findet sich seine Signatur nicht.
Diese Meister allesamt waren in erster Linie die Konstrukteure des
Fachwerkes bei den Bauten ihrer Zeit und wurden, je mehr die Schmuck-
behandlung in den reicheren Formen der Renaissance Sonderkönnen
439
Bürgerhäuser
erforderte, auf die konstruktive Tätigkeil zurückgedrängt. Seit etwa
1580 wird das Ornament vollends Sache des Schottilliers, des Bautischlers,
und die Signaturen der Zimmerleute finden sich nur an den unverzierten
Fach werkteilen. Daß sich das so verhält, zeigt am besten der Bau der
Kirchenhäuser an der Agidienkirche von 1582, bei denen Meister Cort
Meier leitender Zimmermeister war. Der Eckständer des Hauses Am
Agidienkirchhof Nr. 6 trägt die Marke M. H. M., des Sägemüllers Hans
Moller, der das Fachwerk gearbeitet hatte. Der Zierat des Hauses rührt
vom Tischlermeister Ludeke Prekels her.
Meister Hans Mollers Nachfolger als Sägemüller war der Meister
Curt Meier (M. C. M.), der seit 1577 auftritt und 1596 als Batszimmermann
den Eid ablegte.
Eine viel reichere Schmuckbehandlung, als bisher üblich war, führt
seit 1601 der Meister Hans Beensen herauf (Osterstraße 50). Er, der in
dieser Hinsicht einen besonderen Fall bildet, wird für seine Verdienste um
das Bauwesen 1603 mit dem Bürgerrechte beschenkt. In seiner Hand
vereinigt sich Fachwerkkonstruktion und Schmuckbehandlung; neu ist
seine Ausführung der horizontalen Fachwerkglieder mit der antiken
Architekturornamentik in Eierstab, Konsolenreihen und Zahnschnitt.
Unter den nachfolgenden Meistern tritt der Sägemüller Hinrich Stünkel
hervor, der sich der Art Beensens anschließt. Dirik Stünkel — wohl des
Vorigen Sohn — , der seit 1633 Leiter des städtischen Bauhofes war, zeigt
die gleiche Formenwelt und dehnt das Beschlagwerk auch auf die Kon-
solenflächen aus. Das Schwelgen in diesem Ornamentreichtum beginnt
aber schon zu seiner Zeit sich in Nüchternheit zu verkehren, Ornamente
und Inschriften werden seltener und auch die Meistersignaturen hören
schließlich ganz auf. Unter den letzten, die sich signieren, ist M. H. DB.,
Meister Hans Deierberg, der Zimmermeister des Leibnizhauses, zu nennen,
1639 als Baumeistersknecht vereidigt; dann die Meister M. C. L., Cort
Levecke (Knochenhauerstraße 26/27) und M. H. L., Hinrich Lüssenhop
(1661, Kreuzstraße 3 und 4).
Um die Menge der Fachwerkbauten übersichtlich zu gestalten, ist im
folgenden versucht, sie in stilistisch zusammengehörige und entwicklungs-
geschichtlich aufeinanderfolgende Gruppen einzuordnen.
Gruppe I:
Um 1530 bis um 1546. Giebelhaus und Traufenhaus sind ungefähr
in gleicher Zahl vorhanden; Zwischengeschosse üblich; Durchfahrten
spitzbogig. Vorkragungen der Obergeschosse mit konkaven (Figuren-
konsolen) und Krallenkonsolen; Balkenköpfe ebenso mit Krallenver-
zierung; Schwellenzierat in Bänke, Treppenmuster, Leistentrapez*),
*) Haus Mühlenstraße 3.
440
Bürgerhäuser
Minuskelinschrift -- niederdeutsche Inschriften, großenteils ohne Bibel-
beziehung. Brüstungsleisten von gotischer Profilierung.
Beispiele*):
A. Osterstraße 65, Bückseite, dat. 1530.
(Schmiedestraße 26, abgebrochen, mit Figurenkonsolen, Treppen-
fries, 1533);
(Marktstraße 50, abgebrochen);
Burgstraße 29 und
Marstallstraße 10, Setzschwelle mit Treppenfries; letzte er-
haltene Beispiele;
Kl. Packhof Straße 8, dat. 1533;
Knochenhauerstraße 8, dat. 1534;
(Köbelingerstraße 1, Fleischscharren, von 1541, abgebrochen);
Köbelingerstraße 11;
Ernst- August-Straße 2;
Burgstraße 20.
B. Marktstraße 37, Datierung auf der Sturzschwelle (jetzt Vaterl.
Museum) ist nachträglich verändert;
(Marktstraße 46, abgebrochen).
Gruppe II:
Um 1546 bis um 1565. Durchfahrten rundbogig; noch Konkavkonsolen
bei Muschelfries oder Majuskelschrift; noch niederdeutsche Inschriften;
Fußstreben oft gebogen. Meistersignaturen M. T. G., M. I. G., M. G. K.
und B. K.
Beispiele :
Kreuzstraße 6, erbaut 1546, Meister T. G.;
Kramerstraße 7, dat. 1552;
Kreuzstraße 9, wohl 1555 erbaut, Meister T. G.;
(Knochenhauerstraße 1, abgebrochen, Meister T. G.);
Knochenhauerstraße 21 ;
Knochenhauerstraße 43;
Knochenhauerstraße 54;
Schloßstraße 4 und 5 (Nr. 4 ist angeblich signiert: T. G.);
Marktstraße 9, dat. 1556, Meister I. G.;
Knochenhauerstraße 23, Meister I. G. ;
Burgstraße 28, Hths., Meister G. K.;
Tiefental 2, Meister G. K. ;
Tiefental 3, Meister G. K.;
Marktstraße 7 — 8, gebogene Fußstreben;
Marktstraße 44, gebogene Fußstreben;
*) Die nicht mehr bestehenden Häuser sind in Klammern gesetzt.
441
Bürgerhäuser
Knochenhauerstraße 59, Bogenfries;
Osterstraße 50, Seitenflügel, von 1565.
Seil etwa 1560 treten auch anders geformte Konsolen - - noch ohne
Renaissancecharakter — auf.
Beispiele :
Kaiserstraße 2, 3 und 4;
Osterstraße 3;
Knochenhauerstraße 55, Seite der Kaiserstraße (Burgstraße 28;
Vorderfront hat ebenfalls hierher gehörende Konsolen, gehört
im übrigen aber zur folgenden Gruppe).
Gruppe III:
Von etwa 1565 bis etwa 1571. Zeit der Trommelkonsole. Die Gruppe
wird beeinflußt vom Apothekenflügel, erbaut 1565 — 67. Füllhölzer mit
Rundstabgirlande; Brüstungsbretter mit Halbrosetten; Konsolen
noch verwandt denen voriger Gruppe; Trommelkonsolen, S-Konsolen;
Verknüpfungen; flachgeschnitztes Rankenwerk auf den Pfosten; Gar-
dinenbogen. Inschriften in lateinischen Großbuchstaben, niederdeutsche
Bibelsprüche und lateinische Sentenzen; auch Schwabacher Schrift
kommt vor. Bei vielen Hausern sind die Gardinenbögen wie auch die
Andreaskreuze durch Veränderung der Fenster entfernt. Das mittel-
alterliche Fenster ist quadratisch und besteht aus vier Buten.
Beispiele:
(Der Apothekenflügel, 1565 — 67, abgebrochen);
Burgstraße 2<S, Vorderfront;
Am Markt 15, dat. 1565/66 (Trommelkonsolen);
Röselerstraße 19, dat. gewesen 1566 (s. Mithoff, Arch. Tafel XX);
(Osterstraße 23, Abb. in H. G. 1916, S. 216);
Knochenhauerstraße 20, Meister M. C. M., schon mit S-Konsolen.
Einfachere Beispiele:
Osterstraße 47;
Ballhof Straße 10;
Dammstraße 18;
Goldener Winkel 2;
Knochenhauerstraße 10;
Knochenhauerstraße 60.
Gruppe IV:
Von etwa 1574 bis zur Wende des Jahrhunderts: Keine Bosetten mehr:
ausschließlich S-Konsolen; rein niederdeutsche Inschriften kommen
noch bis um 1600 vor. Zahnschnitt schon 1577; seit den 90er Jahren
fangen Füllhölzer an zu fehlen; wo sie vorhanden sind, weisen sie den
Schmuck der stilisierten Fruchtgirlande auf. Brüstungsleisten und
442
Bürgerhäuser
Andreaskreuze. Von Verkröpfungen sielit man meist ab; die eigentliche
hannoversche Nüchternheit im Schmuck tritt wieder hervor. Meister:
I. M.; M. H. M. und M. C. H. und M. C. M.
Beispiele :
Kreuzstraße 5 (Hokenamtshaus), dat. 1577;
Dammstraße 2, dat. gewesen 1578;
Am Agidienkirchhof 2, 3, 1 und 6 und einheitlich damit, 1582
erbaut, Marktstraße 30, 32, 31, 38;
Schuhstraße 11 — 15, erbaut 1594 (das als Meistersignatur ge-
deutete C. H. = „Corn-Hauß");
Osterstraße 73, Seitenflügel, 1923 abgebrochen.
Remerkenswert sind noch: konvergierende Giebelpfosten.
Beispiele :
Dammstraße 5, insbesondere der Hofseitenflügel, sign. C. H.,
Cordt Hoyer;
Osterstraße 38;
Knochenhauerstraße 16.
Gruppe V:
Von der Wende des 16. Jahrhunderts bis zum 3. Jahrzehnt des 17. Jahr-
hunderts. Weitere Schmuckelemente der Renaissance setzen sich
durch; Eierstab, Zahnschnitt, Konsolenreihen. An Mischbauten wird
der Fachwerkaufbau besonders reichlich damit ausgestattet. Meister:
H. R. (Hans Rehnsen), später Hinrich Stünkel und Dirik Stünkel.
R e i s p i e 1 e :
Osterstraße 50, dat. 1601, sign. H. R.;
Leinstraße 12, dat. 1608, sign. H. R.;
beides sind Mischbauten;
Osterstraße 12, dat. 1608;
Kramerstraße 16, Meister Hinrich Stünkel;
Ballhofstraße 6, um 1608, Mischbau;
Knochenhauerstraße 61, um 1610, Mischbau;
Roßmühle 8, Mischbau;
Knoehenhauerstraße 62, Seitenflügel, 1614.
Gruppe VI:
Vom 3. Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts bis Ende des 6. Jahrzehntes.
Giebelhäuser selten. Vorkragungen geringer; Konsolen beginnen zu
fehlen seit etwa 1645. Ralkenköpfe und Füllhölzer sind einander ähnlich
oder gleich profiliert ; das Rahm erhält barock profilierte Verschalung.
Schwelleninschriften selten. Meister: noch Hinrich Stünkel (gest. 1657)
und Dirick Stünkel (Werke zwischen 1633 und 1645). M. C. L. (Gort
Levecke). M. CH. S. (Carsten Heinsohn, Schwiegersohn von D. Stünkel).
443
Bürgerhäuser
Beispiele :
(Köbelingerstraße 32, abgebrochen, sign, gewesen H. S., dat.
162.S);
Köbelingerstraße 27, Hths., sign. I). S., 1635;
Kramerstraße 18, sign. M. D. S.;
Knochenhauerstraße 5, Hths., sign. Dirick Stünkel, dat. 1645;
Marktstraße 24, dat. 1652 (Mischbau).
Massiv- und Mischbauten bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Vereinzelte massive Wohnbauten, die in Bruchstein erbaut zu denken
sein würden, mag das Straßenbild Hannovers schon im 13. und 14. Jahr-
hundert aufgewiesen haben. Die Gründe, die man zum Beweise ihres
Bestehens bislang hat in Anspruch nehmen wollen, so die urkundliche
Nennung der Familie „de Stenhus", von der ein Zweig ein Wappen mit
Treppengiebelhaus führt, sind jedoch anfechtbar: von den Stenhus
wissen wir nicht, ob sich ihr Ursprung von der Stadt Hannover her-
schreibt.
Baumeister Über die Meister der bürgerlichen Wohnbauten aus der älteren Zeit
ist naturgemäß nicht so viel bekannt, wie sich über diejenigen der älteren
Batsbauten aus Lohnregistern, Protokollen und Eidbüchern ergibt.
Es läßt sich annehmen, daß die am Bathausbau tätig gewesenen Maurer-
meister Cort und Lüdeke Haverkoper oder spätere Mitglieder dieser
Familie an den bürgerlichen Ziegelbauten der gleichen Zeit beteiligt
waren. Auch der Meister Bartold v. Hemmingen — seit 1480 erwähnt -
und seine Söhne Hinrich und Hermann bauten in Ziegeln.
Steinmetzen und Maurer gehörten derselben Zunft an. So findet sich
auch unter den Batsmaurermeistern, deren Beihenfolge seit 1576 im
Stadt-Ayde-Buche vollständig überliefert ist, eine ganze Anzahl von
Steinmetzen, z. B. Joachim Pap, der Erbauer des Hauses der Väter u. a.
Die Signaturen der Meister bestehen in Monogrammen und gelegentlich
in Steinmetzzeiehen. Das hannoversche Mutterzeichen der Steinhauer-
brüderschaft scheint dem Quadrat entnommen zu sein, das durch Mittel-
senkrechte und Diagonalen aufgeteilt wurde, es ist das der heraldischen
Deichsel vergleichbare Zeichen: lA (Hannov. Meisterzeichen behandelt
O. Winkelmüller in H. G. 1929, S. 1—68).
Gotische Aus der ersten Hälfte und der Mitte des 15. Jahrhunderts sind die
Ziegelhäuser fruilesten Wohnbauten in Ziegeln überkommen. Offenbar war damals
die Massivbauweise bei Bürgerhäusern noch wenig geübt; denn ein 1458
erlassenes Statut des Bates zielte darauf, durch Unterstützung der Stein-
bauweise die feuergefährlichen Holzbauten zu verdrängen. Wer einen
Steingiebel oder ein neues Steinhaus in der Stadt erbauen will, dem will
der Bat das sechste Hundert oder das sechste Tausend je nach Größe des
444
Bürgerhäuser
Baues auf Stadtkosten geben. 1461 wurde diese Vergünstigung auch auf
den Bau von neuen Steinmauern hinter den Bürgerhäusern und Höfen
ausgedehnt, soweit sie an die Stadtmauer stießen und nur durch den
Wächtergang von ihr getrennt waren (Stadtrecht Seite 515/16, H. G. 1905).
Seit der neue, durch die Meister Haverkoper 1455 geschaffene Markt-
platzflügel des Rathauses in der Eigenart seiner Giebel, Lukarnen und
Schmuckformen fertig dastand, ist von ihm aus die Architektur der
hürgerlichen Ziegelhäuser befruchtet und angeregt. Soweit sich
erkennen läßt, war es nicht umgekehrt, denn die bürgerlichen Giebel-
häuser, die uns im Abbild überliefert sind und sehr ähnliche Giebel-
fassungen zeigen, sind späterer Entstehungszeit. Auch das einzige er-
haltene Beispiel, Knochenhauerstraße 28, das keine Datierung hat, ver-
weisen stilkritische Gründe in jüngere Zeit. Die Gruppe dieser Ziegel-
häuser, bei denen in Übereinstimmung mit den Giebeln des Rathauses der
schichtweise Wechsel verschiedenfarbig glasierter Ziegel wirksam ist,
während übereck gesetzte Bündelpfeiler vom Giebelfuß an über die Ab-
treppungen hinaus fialenartig aufstreben, ist nur wenig zahlreich gewesen.
Außer dem einzigen erhaltenen Beispiel sind noch zwei bekannt, die in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgebrochen wurden: Marktstraße 48
und Schmiedestraße 14.
Wahrscheinlich hat die Kunst dieser Fialengiebel an den beiden
Meistern Haverkoper gehangen. Sie ist ungefähr mit Ende des 15. Jahr-
hunderts an Bürgerhäusern nicht mehr geübt, während am verlängerten
Marktstraßenflügel des Rathauses vom Meister Barthold von Hemmingen
noch im Jahre 1503 die zum Haverkoperschen Kunstkreise gehörenden
Lukarnen geschaffen worden sind. Ähnliche, aber nicht näher datierte
Lukarnen gab es am Hospital St. Spiritus.
Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts tritt an hannoverschen Ziegel-
bauten die gotische Flächenauflösung in Lisenen-Blendnischen auf: 1492
am Steintorzwinger. Die wenig jüngere Sakristei der Kreuzkirche (1497)
weist in ihren Giebeln schon die auf eine abgetreppte Wandfläche über-
tragene Konsequenz dieser Flächenauflösung auf.
Bürgerliche Ziegelwohnhäuser mit dieser Eigenart, die sich bestimmt
noch der Wende des Jahrhunderts zuweisen ließen, fehlen heute; man
darf aber annehmen, daß solche bestanden haben. Die Gruppe der hier-
hergehörenden Hausbeispiele ist verhältnismäßig noch stärker dezimiert
als die andere: es ist von fünf nachweisbaren Häusern der Gruppe heute
nur ein Beispiel erhalten, das 1552 erbaute hochragende Haus Osterstraße59.
Die späte Zeitsetzung, die entgegen der bisherigen Annahme diesem
Hause zukommt, hat eine kritische Nachprüfung der Datierungen der
übrigen Beispiele, von denen wir wissen, veranlaßt. Das Treppengiebel-
haus am Markt Nr. 11, dessen Giebel 1855 abgebrochen wurde, während
445
Bürgerhäuser
die unteren Geschosse entstellt und verputzt noch vorhanden sind, gehört
in eben das Jahr, welches das daran angebrachte v. Limburgsche Wappen
angibt, das Jahr 1558. Bei dem Hause Köbelingerstraße 29, das 1891
abgebrochen, aber durch Mithoffs Zeichnung überliefert ist, gab Mithoff
die Wappenbeischrift MDI, während sicher MCCCCCL zu lesen ist. Die
übrigen, in Abbildungen überlieferten Treppengiebelhäuser der jüngeren
Gruppe: Schuhstraße 9 und das Windheinische Haus an der Leinstraße
L 106a/274, sind bisher ihrem Entstehungsjahr nach nicht festzulegen.
Das v. Sodensche Haus, das an der Stelle des Leibnizhauses gestanden
hat, trug den an der Fassade dieses Hauses wieder angebrachten Tonfries
mit der Jahreszahl 1499. Zu welcher der beiden Gruppen der Ziegelhäuser
das Sodensche Haus selbst gehört haben mag, ist nicht zu entscheiden.
Renaissancehäuser Die Renaissance hat in der hannoverschen Architektur nur spärlich
und äußerlich Boden gefunden und so spät, daß sie bereits in Formen des
Frühbarocks gekleidet erscheint. Die bürgerlichen Wohnbauten massiver
Bauart erweisen sich für die Betätigung der neuen Formengesinnung im
Vergleich zu den Fachwerkbauten als das bei weitem geeignetere Objekt.
Die Beziehungen zur Nachbarschaft, insbesondere zu den Steinmetz-
zentren des nahen Wesergebietes, aufzuhellen, ist für Hannover noch
kaum unternommen.
Der Ziegel wird nicht mehr gezeigt; überputzte Flächen wollen das
Ansehen von Werksteinfassaden hervorrufen; konstruktiv wirksame
Bauglieder und alle Schmuckteile bestehen aus wirklichem Sandstein.
Dem abgetreppten Giebel bleiben die Massivhäuser treu oder sie ver-
wenden eine andere, vom Wesergebiet her eingeführte Giebelform, die in
ihren durch die Giebelschrägen durchschießenden Geschoßteilungssimsen
den Treppengiebel wenigstens rudimentär enthält. Beide Formen gehen
nebeneinander her: die Beispiele der ersten Gruppe der frühbarocken
Häuser umfassen in Hannover die Zeitspanne von 1583 bis etwa 1619;
die Schräggiebelgruppe die Zeit von etwa 1590 bis etwa 1610.
Dem hohen Barock gehört eine dritte, wenig zahlreiche Gruppe an,
deren Zeit mit dem Leibnizhause 1648 anhebt und um 1663 zu Ende ist.
Den beiden frühen Gruppen ist gemeinsam eine Unterscheidung des
Giebels vom Unterbau durch verschiedene Achsenteilung. Eine besondere
Stellung nimmt das Haus Schmiedestraße Nr. 9 ein. Erst die dritte Gruppe
führt die Achsenteilung von unten auf über den Giebel gleichmäßig durch.
Im Ornamentalen erweist sich die Schräggiebelgruppe als die ein-
fachste: sie verwendet außer geschoßteilenden Profilsimsen und den
gleich profilierten Simsen der Giebelschräge noch Konsolen unter dem
seitlich ausgekragten Giebelfuß und eine Giebelbekrönung mit Zirbelnuß.
Die Fenstergewände pflegen unprofiliert zu sein; die Einfassungen der
rundbogigen l^oreinfahrten bleiben unverziert.
446
Bürgerhäuser
Beispiele dieser Art sind:
Marktstraße 41, um 1590;
Köbelingerstraße 27, 1590 (—1600);
Breite Straße 16, 1590 (—1600);
Marktstraße 50, 1590 (—1600);
Leinstraße 24 (abgebrochen), um 1605.
Die zweite Gruppe der Massivhäuser bedient sich einer Scheinarchi-
tektur mit geschoßweise wiederholten Renaissancegebälken auf Lisenen-
pilastern, um das Giebelfeld waagerecht wie axial aufzuteilen. Am
ältesten Beispiele, dem Hause Leinstraße 32 vom Jahre 1583, sind die
Pilaster und Gebälke verkröpft, ein Brüstungssims fehlt; die jüngeren
Beispiele zeigen die Lisenen durch einen Brüstungssims lediglich unter-
brochen, also ohne Verkröpfung: Osterstraße 73 (1600), Köbelingerstraße 12
(um 1600). Die Flächen des Frieses und der Lisenen fordern alsbald die
Verzierung mit Rahmen- und Bandwerk heraus; die Brüstungssimse
können durch Zahnschnitt bereichert werden: Marktstraße 49 (von 1606,
abgebrochen); Osterstraße 39 (1605 — 10); Schiniedestraße 5 (um 1602).
Die Zwickel der Giebelabtreppungen werden durch Volutenwerk
mannigfaltiger Form gefüllt, in das figürliches Ornament einkomponiert
vorkommt: Osterstraße cSl (von 1611), Leinstraße 3 (um 1610), Haus der
Väter (1619 — 24); die Stufenenden sind mit Obelisken besetzt. Die
Giebelbekrönung setzt sich gewöhnlich aus einem von Rollwerk umrahmten
Kartuschenmotiv zusammen, das von Fialen beseitet und bekrönt wird.
Die ältere Form des Abschlusses in dreieckiger Giebelverdachung kommt
nur in dem Beispiel Leinstraße 32 von 1583 vor.
Die Fensteröffnungen pflegen bis zum Anfange des 17. Jahrhunderts
einfache, höchstens abgefaste Sandsteingewände zu haben. Nach dieser
Zeit erst tritt verbreitet die Halb- und Viertelsäule an den Gewändekanten
auf mit toskanisch-dorischem oder ionischem Kapitell und gestelztem
ornamentierten Fuß: Osterstraße 39, Schmiedestraße 5. An den Rathans-
erkern, die heute nicht mehr bestehen, ist die Verwendung von Ecksäulen
in Hannover schon 1575 nachweisbar.
Dem Hause Schmiedestraße 9, einem Massivhause mit ungestaffeltem
Giebel, kommt eine besondere Stellung unter den Gruppen der Massiv-
häuser zu: es entlehnt seine Eigentümlichkeiten sowohl von der ersten
wie von der zweiten Gruppe und zeigt in der gleichmäßig über Unterbau
und Giebel durchgeführten axialen Aufteilung sowie in der Verwendung
von Fenstersäulchen überall Merkmale, die der dritten Gruppe angehören.
Es ist 1653 erbaut.
Die Zeitspanne von etwa 1620, bis der 1648 begonnene Bau des Leibniz-
hauses, Schmiedestraße 10, die dritte Gruppe der Massivhäuser einleitet,
weist Beispiele nicht auf. Sie hat für die Betrachtung dieser Gruppe
447
Bürgerhäuser
gleichwohl Bedeutung, insofern innerhalb ihrer sich die Monumentalplastik
herausbildet, deren Formenwelt insbesondere am Leibnizhause in die
Erscheinung tritt.
Die wenigen Beispiele der dritten Gruppe sind im Gegensatz zu denen
der anderen beiden Gruppen sämtlich datiert und signiert, während sich
die Zeitsetzung dort oft an stilkritische Gründe halten muß*).
Außer dem Leibnizhause, dessen Meister Hinrich Alfers ist, gehören
hierher: Osterstraße 1 von 1658, Am Markt 16 von 1662 und schließlich
ein Traufenhaus von 1663, Am Markt 6, das 1884 abgebrochen und von
dem die Fassade wieder aufgestellt wurde am Hause Lavesstraße 83.
Diese drei Beispiele haben den aus Hannover stammenden Adrian Siemer-
ding zum Architekten, den Erbauer der Duvekapelle, der auch mit Alfers
(t 1658) und dem Zimmermeister Eggert Holste zusammen den ersten
Haubenturin Hannovers, den Kreuzkirchturm, schuf.
Welche Beziehungen diese sowie die übrigen, dem Namen nach zum
Teil bekannten Steinmetzmeister der Zeitspanne von etwa 1575 bis 1663
mit den Steinmetzschulen der Nachbarschaft verbanden, ist die Forschung
noch schuldig, aufzuklären.
Die Massivhäuser der Benaissance stellen sich im Anschluß an die
gotischen Massivhäuser vor den gleichzeitigen Mischbauten heraus, indem
sie bis auf das letzte Beispiel innerhalb der Baugesinnung der Gotik bleiben.
Den mit den gleichen Benaissancezutaten wie die Massivhäuser aus-
gestatteten Mischbauten ist von vornherein ein minder monumentaler
Charakter zugedacht. Sie treten fast durchgehend auf als Traufenhäuser
aus zwei massiven Geschossen und einem Geschoß in Fachwerk. Die hier-
zu nennenden Beispiele umfassen die Zeitspanne vom Jahre 1601 bis um
1660; dabei liegen die jüngeren (seit etwa 1642) durch eine Lücke von fast
zwanzig Jahren von den älteren getrennt im Formenkreise des hohen
Barocks. Eine ganze Anzahl ist datiert und signiert: Meister Hans Behnsen
erbaute 1601 das erste, im massiven Teile heute veränderte Mischhaus
Osterstraße 50. Auch das Haus Osterstraße 28 von 1608 läßt auf Behnsens
Hand schließen, ist aber ebenfalls in den massiven Geschossen verändert.
Erst Leinstraße 12 vom gleichen Jahre zeigt den ganzen Formenreichtum
der Behnsenschen Kunst. Einzelne Fenstersäulchen mit figürlichem
Schmuck von diesem Hause werden im Leibnizhause aufbewahrt. Um 1608
ist das Haus Ballhofstraße 6 und die nachmalige Hofschule Burgstraße 23
in der Art Behnsens zu datieren.
Seit dem Anfange des dritten Jahrzehntes übt der Meister Hinrich
Stünkel seine Kunst: das abgebrochene Haus Köbelingerstraße 30/31
*) Die Dissertation von K. Stöckel, Die Steinfassaden der Bürgerhäuser aus
der Renaissance Alt-Hannovers, Auszug in Die Denkmalpflege 1923, S. 124 ff.,
nimmt oft eine andere, z. B. für die Massivhäuser mit ungestaffeltem Giebel eine
viel spätere Entstehungszeit als hier geschehen, an.
448
Bürgerhäuser
war von ihm signiert; vielleicht ist ihm auch Knochenhauerstraße 61 zuzu-
schreiben. Fast gleichzeitig schafft der Meister Hinrich Pape die Häuser
Roßmühle 8 vom Jahre 1624 und Köbelingerstraße 39 von 1625.
Diese schmuckfreudige Bauart erfährt nun infolge der Wirkungen des
Dreißigjährigen Krieges eine Unterbrechung, welche das Jahr 1645 mit dem
noch sehr reichen Beispiel Köbelingerstraße 9 beendet. Die nachfolgenden
Beispiele halten sich demgegenüber einfacher in den Schmuckformen.
Auf die Verwendung von Fenstersäulchen wird aber fast nie verzichtet.
Das Haus Osterstraße 88 hatte ungezierte Fensterumrahmungen, dafür
aber ein Portal mit Säulenstellungen und Konchen. Die letzten Beispiele
der Zeit sind Marktstraße 24 von 1652 und Osterstraße 104 von 1655, die
beide vielleicht derselben Hand angehören.
Wohnbauten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Residenz, Hofhaltung und die Erhebung Hannovers zur Landes-
hauptstadt bewirkten einen Zuzug von Adeligen, Beamten und Militärs,
dazu auch von solchen Angehörigen des Landadels, die lediglich die Nähe
des Hofes und dessen Annehmlichkeiten suchten. In den Wohnbauten
derartiger Persönlichkeiten tritt das Streben nach einer gewissen Bedeutung
zutage; einige entstanden durch die Munifizenz des Landesherrn, auch wohl
unter Mitwirkung der bei Hofe angestellten Baubeamten; sie sind vorn
bereits behandelt. Oft fallen sie weniger durch architektonischen Auf-
wand im Äußeren als durch stattliche Ausmaße auf. Die Fachwerk-
fassade wird dabei nicht gescheut, aber im Charakter der Steinarchitektur
verkleidet. Es sind mehrstöckige Gebäude von großer Achsenzahl,
an den Kanten durch Quaderlisenen begrenzt, horizontal meist von
Bandsimsen durchzogen und mit mäßig starkem Hauptsims abgeschlossen.
Risalite, die durch reichere Einfassung hervorgehoben und durch Dreiecks-
giebel bekrönt werden, dienen zur Gliederung der Fassade.
Das Beispiel dieser höfischen Bauweise zerbrach die Überlieferung im
bürgerlichen Wohnbau vollends. An den Fachwerkbauten - - bürgerliche
Massivbauten treten erst wieder 1710 auf --bei denen seit dem zweiten
Drittel des 17. Jahrhunderts zunehmende Nüchternheit und Sachlichkeit
zu beobachten war, hatte man die Geschosse erhöht und die Straßen-
fronten um der Lichtgewinnung und Lastenverminderung willen in Fenster
aufgelöst (alle Fenster sind außenbündig). Die Duvesiedlung in der
Neustadt weist noch den Versuch auf, die überlieferte Knaggenkonsole als
Trägerin prunkhafter barocker Zierformen am Leben zu erhalten. Neben-
her geht aber bereits die Einführung des Frontons und des Giebelerkers,
oft in geschwungener Linie; dazu werden Bekrönungen in Form einer Vase
oder einer Figur, wenigstens aber eines Giebelpfahles üblich. Das
Mansardendach tritt gegen Ende des Jahrhunderts hinzu.
29 449
Bürgerhäuser
Die Grundrißformung unterlag anderen Bedingungen als zuvor: Klein-
bürgerhaus und Hofbeamtenhaus stellten einen wesentlichen Teil der Bau-
aufgaben dar. Das geräumige und repräsentative Wohnhaus übernahm
möglichst viel vom Grundriß des Adelshotels.
Daß die letzten Meistersignaturen und die letzten Sinnspruchinschriften
an den Fachwerkhäusern in eben dieser Zeit zu verzeichnen sind, verdient
hervorgehoben zu werden.
Beispiele:
Kramerstraße 5, signiert C. H. S.*), datiert 1664 / Kramerstraße 22,
signiert M. C. H. S. / Kreuzstraße 3 und 4, datiert 1661, signiert
M. 11. L.**) (ehemals 2. Pfarre der Kreuzkirche / Calenberger Straße 20,
datiert 1665, signiert M.H.M.***) mit gereimter geistlicher Inschrift in
lateinischen Großbuchstaben / Calenberger Straße 36 von 1661 und 37
von 1665, beide mit Prunkkonsolen / Calenberger Straße 18, Beispiel der
Verschalung des Rähms bei schwacher Vorkragung / Calenberger Straße 39
gegen Ende des Jahrhunderts, mit Mansardendach / Große Duven-
straße 18 von 1662—64 mit Durchfahrt / Mittelstraße 2 um 1670 mit
Rokokotür / Bäckerstraße 31 (katholisches Gesellenhaus) 1660 — 70 /
Lange Straße 8, 1674, Supraporte, Treppenhausanlage und Hof / Neue
Straße 4, 5 und 27 von 1681 / Calenberger Straße 23, 1660 70, mit
geschwungenem Giebelerker / Calenberger Straße 21, 1670 — 80 Erker-
aufbau / Calenberger Straße 31 und 32 von 1686.
Dazu beförderten gewisse baupolizeiliche Bestimmungen der Landes-
regierung die Herausbildung eines neuen Fassadentypus. Ein erster Fall
bauästhetischer Überwachung ist schon 1680 zn verzeichnen, indem
landesherrlicherseits dem Kammerdiener Eversmann für den Hausbau
Lange Straße 1, an der Ecke der Calenberger Straße, aufgegeben wurde,
einen Abriß und ein Modell zur „approbation" einzuliefern, damit er „kein
Hinder- noch Ungestaltnis gebe" (H. G. 1927, S. 128). Ein herzoglicher
Erlaß vom 22. September 1692 betraf Erker und vorgekragte Ober-
geschosse f); eine Verfügung der Geheimen Ratsstube an Bürgermeister
*) = Carsten Heinsohn.
**) = H. Lüssenhop.
***) = H. Mensing.
t) Eine landesherrliche Verordnung vom 18. August 1712 betrifft wiederum
„Auslagen oder Ausluchten sowohl an der erden, alß an das andere, dritte und
vierte Stockwerk gehänget", die als — „schädliches zur deformitet Unserer
Residenzstadt gereichendes werk" niemand mehr bauen solle, „wie denn auch
hiermit verbothen wird, dass niemand sein balken und darauf ruhende Stockwerke
weiter als einen halben Fuß über das darunter stehende Ständerwerk in die
straßen herauslegen solle. Alles bey Vermeidung ohnausbleiblicher herunter-
reißung und überdem einer willkührlichen schärften leibesstraffe". Diese Kgl.
Kurfürstl. Verordnung erneut der Magistrat am 3. Oktober 1769.
450
Bürgerhäuser
und Rat vom 25. Oktober 1706 befaßt sich mit den Neubauten und
Reparaturen; eine andere Verfügung derselben Stelle weist auf ,,ohn-
förmbliche neue Häuser, guten Theils aus ohnerfahrenheit derer Baumeister
und Handwerker" entstanden, hin und stellt eine unentgeltliche Bauberatung
in Aussicht (Hannoversche, Zellische Landes-Constitut- und Polizey-
Verordnung. Tom. II. pag. 47 — 50, 65 — 70, 71 — 75, Stadtarchiv). Ver-
mutlich standen derartige Bauberatungen unter dem Einfluß der landes-
herrlicherseits angestellten Architekten, was, zunächst für die kurze
Wirksamkeit Remy de la Fosses festzustellen, erwünscht wäre.
Hannover bleibt auch im 18. Jahrhundert und darüber hinaus Fach-
werkstadt. Seit Beginn des Jahrhunderts kann die Herausbildung des neuen
Fassadentyps im Fachwerkbau als abgeschlossen gelten: er zeigt die Ein-
teilung in Achsen statt in Gefache wie der Steinbau; wo noch Vorkragungen
vorhanden sind -- etwa bis 1735 — , werden Balkenköpfe und Füllhölzer
mit gleicher Profilierung versehen, wo nicht, werden Bandsimse verwandt.
Tür- und Fensteröffnungen pflegen segmentförmige Sturzgebälke zu haben;
Giebelerker oder Frontons bleiben ständige Bestandteile der Fassade;
Mansardendächer mit Gauben oder Ochsenaugen sind üblich. In der
Fassadengliederung, der Anordnung der Fenster und deren Abmessungen
und Sprossenteilungen wird oft ein Wohllaut erreicht, der Ausdruck einer
bis ins Handwerk reichenden künstlerischen Schulung in klassizistischem
Sinne ist. Das Schmuckbedürfnis beginnt sich seit dem zweiten Jahr-
zehnt an den Haustüren und Oberlichtern auszuwirken.
Beispiele der Zeit finden sich in der Neustadt in großer Zahl: Berg-
straße 13 um 1720 / Lange Straße 31 um 1730 / Rote Reihe 3 um 1740.
In der Altstadt: Schmiedestraße 17, Hofflügel von 1710 / Breite Straße 17
um 1725 / Schmiedestraße 4 von 1737.
Die Massivbauweise, die in Hannover immer eine stärkere Abhängigkeit
vom Wohlstande der Bevölkerung gezeigt hat, als es der Fachwerkbau tat,
weist Beispiele nur auf bis kurze Zeit nach dem Wegzuge des Hofes.
Dann tritt eine Unterbrechung ein bis zur Mitte des Jahrhunderts. Ful-
das Jahr 1710 ist das Haus Burgstraße 6 zu verzeichnen, zu dessen Kreise
das abgebrochene, in Abbildungen überlieferte Haus Marktstraße 5 zu
zählen ist. Das gleiche Baujahr weist Schmiedestraße 17 auf. Außer-
ordentlich ist für Hannover die Fassade des Hauses Breite Straße 18, die
eine gewisse Veiwandtschaft mit der Art Remy de la Fosses erkennen läßt.
Die Giebelbildung wiederholt sich am Hause Marktstraße 43. Vor der
Mitte des Jahrhunderts ist sonst lediglich das Wohnhaus des Obrist-
Lieutenants von Uten am Archive bemerkenswert, das 1734 unter könig-
licher Gnadenbeihilfe entstand, s. darüber S. 419.
Der damaligen wirtschaftlichen Bedrängnis des Bürgertums, die zu-
sammen mit dem Mangel an Bauraum die Bautätigkeit lähmte, suchte
451
Bürgerhäuser
bekanntlich Grupen durch die Schaffung des Ägidienanbaues entgegenzu-
wirken. Hier entstanden nun seit 1718 unter Dinglingers Leitung außer einer
beträchtlichen Anzahl von Fachwerkhäusern einfacher Art Grupens eigenes
Wohnhaus Breite Straße 25 und dasjenige Dinglingers: Große Ägidien-
straße 32 als Massivbau. Aus dieser Zeit sind ferner zu nennen das Haus
üsterstraße 63 und das Haus Breite Straße 8, dessen Architekt offenbar
auch der Urheber des Hauses Schmiedestraße 37 und des von dem Bussche-
schen Palais an der Leinstraße 29 ist.
Soweit das geringe Baubedürfnis gegen Ende des Jahrhunderts nach
Befriedigung drängte, stand außer dem am Steintore und im Ägidienanbau
verfügbar gewordenen Grund und Boden noch das Gartengelände vor den
Toren zu Gebote, wo denn auch verstreute Wohngebäude aufgeführt wurden,
von deren Art einzelne bildliche Darstellungen teils im Vaterländischen
Museum, teils im Stadtarchiv Zeugnis ablegen. In der Stadt half man sich
durch Aufstocken der Häuser.
Nach den Freiheitskriegen gewann die private Bautätigkeit in der nun-
mehrigen Königlichen Residenzstadt nur sehr allmählich an Umfang, ob-
wohl bereits 1822 die erwähnte „Baukommission zur Beförderung der Baue"
ins Leben getreten war. Die ministerielle Verfügung vom 24. April 1822
„Die Errichtung einer Bau-Commission betreffend" und die im Anschluß
daran erlassenen Bekanntmachungen des Magistrats seien hier im Auszuge
wiedergegeben :
Um eine Verschönerung der Stadt durch eine geschmackvollere Bauart
zu bewirken, als auch durch Wegräumung der bisher dem Bauen entgegen-
gestandenen Hindernisse, die Hausbaue zu befördern, haben Wir für dien-
sam erachtet, eine Baukommission anzuordnen. Bekanntmachung des
Magistrats der hiesigen königl. Residenzstadt vom 28. Mai 1822:
zur Beförderung der Baue und der Ver-
schönerung derselben wird von jetzt an
1. allen denjenigen Privatpersonen, welche künftig von Grund auf neu
bauen, oder auch nur eine ganz neue Facade aufführen, bis auf eine
Fagade von 20 Fuß Breite an der Straße die Anzahl von 1000 Stück
Mauersteinen, und zwar 500 Stück rothe und 500 Stück weiße Steine
von den städtischen Ziegeleien unentgeltlich verabfolgt — bei einer
größeren Breite verhältnismäßig vermehrt
2. denjenigen Bürgern, welche künftighin ihre jetzigen baufälligen Häuser
ganz abbrechen sollten, um neue Wohngebäude an der Straße von Grund
aus wieder aufzuführen, gleich den Neubauenden an der Georgstraße
eine Befreiung von den gewöhnlichen städtischen Abgaben auf zehn Jahre
angedeihen.
Auszug aus der Bekanntmachung vom 13. März 1833, verschiedene
Polizeivorschriften, das Bauwesen in hiesiger Residenzstadt betreffend:
452
Bürgerhäuser
Es werden Anordnungen von sogenannten Schaufenstern, von
Treppen, Thüren und Thorwegen, welche auf die Straße führen, sowie über
die an den Häusern hiesiger Stadt befindlichen Ausbaue und Ruhebänke
hiermit zur allgemeinen Nachachtung bekanntgemacht
Zur Charakterisierung der neuen Zeit seien einige kennzeichnende Bau-
beispiele namhaft gemacht, wie sie der Zeit und Stilrichtung nach aufein-
ander folgen. Als Architekt beherrscht bis 1830 Laves das Feld auch im
bürgerlichen Bauwesen. Hinter dem seinigen folgt der Name Hellners und
Schusters; alle drei repräsentieren die klassizistische Richtung. Beispiele
sind: Friedrichstraße 15, 1822 von Laves / Königsworther Platz 2, 1823
von Hellner / Georgstraße 27 (abgebrochen), 1823 von Laves / Georgstraße
26, 1825 von Laves / Georgstraße 28, 1825 von Hellner mit Über-
arbeitung von Laves / Dachenhausenstraße 2, 1825 von Laves / Brühl-
straße 4, 1829 von Hellner / Georgstraße 23 und 24, 1829 von Schuster /
Friedrichstraße 7/8, vor 1833 von Hellner.
Die private Neubaubetätigung des ganzen dritten Jahrzehntes ist mit
diesen Beispielen im wesentlichen umrissen. Aus den beiden nächsten
Jahrzehnten sind die Wohnbauten an der Adolfstraße von Täntzel und
Gersting zwischen 1833 und 1836, dann ein Haus Molthans, Maschstraße 6,
von 1846, und Ebelings Bauten um den Georgsplatz etwa 1847 zu nennen.
Die Anlehnung an florentinische Palastarchitekturen der Renaissance, die
sich herschreibt von dem gerade 1837 in Paris erschienenen Stichwerke von
Grandjean de Montigny ist damit beendet; man geht über zu einem
Kompromiß mit romanischen Formen: Tramm baut 1851 das Haus
Georgsplatz 20 (abgebrochen), Schiffgraben 16 (1853), Brühlstraße 1
(1857/59). Hunaeus, Debo und Rasch sind vertreten mit den Beispielen
Adolfstraße 7 (1856), Schillerstraße 33 (1855), Königstraße 50 A und 51
(1858/59). Droste komponiert neuartig Sandstein- und Ziegelbau an den
Wohnhäusern Leinstraße 27 (1858), Georgstraße 29 (1861), am Hause
Georgstraße 13 mit Terrakotten. Hase wendet sich mit seinem Eigenhause
dem Ziegelbau zu und führt die Formenwelt gotischer Ziegelarchitektur
im Wohnhausbau ein; Josefstraße 8 (1858). Seiner Art folgen dann Hotzen:
Haarstraße 5 (1860), Liier: Hindenburgstraße, früher Tiergartenstraße 1
(1864), und Oppler: von Grotesches Palais, Sophienstraße 7 (1865), Villa
Solms: Jägerstraße 14 (1865), von Wedelsches Palais: Parkstraße 1 (1865).
Zum Näheren über die Hannoversche Architektenschule darf auf Th.
Ungers Festschrift zur 5. Generalversammlung des Verbandes Deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine in Hannover 1882 (Führer durch die
Stadt und ihre Bauten) verwiesen werden.
453
Liste der Bürgerhäuser.
Adolfstraße 2:
Massivhaus, 1836 von den Maurermeistern Täntzel und Striehl erbaut;
1815 vom Hofe erworben (s. Ernst-August-Palais).
Adolfstraße 3:
Abb. 292 Massivhaus, 1836 von Täntzel; zum Ernst-August-Palais hinzugezogen.
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Abb. 292. Hannover; Adolfstraße 3, 1836.
Adolfstraße 4:
Massivhaus, 3 Geschosse, 7 Achsen, 1833 von Gersting erbaut.
Adolfstraße 5:
Wie vor. 1835 von Gersting.
454
Ägidienkirchhof
Adolfstraße 7:
Ursprünglich freistehendes Massivhaus, 1856 von Hunaeus als Eigen- Abb. 293
haus in romanischen Formen erbaut.
(Abbildungen im Denkm.-Arch.)
■
1
1
Abb. 203. Hannover; Adolfstraße 7. Nach Entwürfszeichnung von Hunaeus, 18f>(>.
Ägidienkirchhof 2, 3, 4:
Mit den Häusern Marktstraße 30 — 34 (s. daselbst) zur Gruppe der
Ägidienkirchhäuser gehörend, gleichzeitig damit (1582) und von den
gleichen Meistern erbaut. Es sind Traufenhäuser, jenen entsprechend
ausgebildet. Konsolen fehlen jetzt, Vorkragungen teilweise verschalt.
Andreaskreuze sind durchweg verwandt.
Ägidienkirchhof 6:
Als Eckhaus zur Gruppe der Kirchhäuser von 1582 an Marktstraße Abb. 294
und Ägidienkirchhof (hier ursprünglich freistehend) gehörig, Giebel
nach dem Turm der Kirche hin. Die konstruktive Ausbildung ent-
spricht derjenigen der übrigen Häuser der Gruppe. Unterhalb des
Fachwerkgeschosses sind S-Konsolen und Füllhölzer erhalten. Am
Eckpfosten die Signatur M. H. M. mit Sägemülleremblemen (s. darüber
das unter Marktstraße 30 — 34 Gesagte). An der Giebelseite, auf Setz-
schwellen, 2. Obergeschoß und Giebelfuß, die schwer leserliche Inschrift:
455
Liste der Bürgerhäuser
VITA • DEO • CARA • EST • QVAM • CONO
TANTILLIS • FLORE • PERENNI •
CREDE • DEO • ET • TV • CREDE • DEO • ET • SPEca
FALLI(T) • TIMOREN • FINE • RONÜ • MALA • LONGA
DEVS • PRORRA • VERTIT • HONOREO
Abb. 291. Hannover; Ägidienkirchhof 6.
Die Inschrift an der Marktstraßenseite s. bei der Häusergcuppe Markt-
straße 30-34.
Große Ägidienstraße 4:
Fachwerkhaus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts; vielfach verändert
durch Aufstocken und Ladenausbau; 1914 Vorblendung einer massiven
Front.
456
Große Ägidienstraße
Gedenktafel: „Hier lebte und starb Charlotte Kestner, geb. Buff,
geboren am 11. Januar 1753, gestorben am 16. Januar 1828, durch
Goethe verherrlicht als Werthers Lotte."
Abb. 295. Hannover; Große Ägidienstraße 32.
Große Ägidienstraße 32:
Massivhaus, Ziegel geputzt, mit Verwendung von Sandstein; von Ding- Abb. 295
linger 1751 — 53 als eigenes Wohnhaus erbaut. 2 Geschosse, 5 Achsen.
Erkeraufbau mit Dreiecksgiebel. Sandsteinsockel mit ehemals vor-
457
Liste der Bürgerhäuser
liegender Freitreppe. Eckquadern. Breites Gurtsims, lebhaft profi-
liertes Hauptsims. Fensteröffnungen mit Segmentbögen; am Mittel-
portal verkröpfte Pilaster mit Konsolen statt Kapitellen; Segment-
verdachung. Haustür ehemals nur um die Gewändestärke zurück-
liegend, jetzt weiter zurückverlegt. Mansardendach mit profiliertem
Bruchsims, das sich um den Giebelfuß des Erkers herumkröpft. Lu-
karnen: Seitengewände unten in Voluten ausgerollt. Fensteröffnungen
mit Dachsimsen und keilförmigen Schlußsteinen.
Im Familienbuche Dinglingers finden sich über den Hausbau eingehen-
dere Nachrichten. Dinglinger wohnte in seinem Hause von 1753 bis
zu seinem Tode, 1785. Das erste Dinglingersche Wohnhaus, 1748 — 50
von ihm erbaut, lag Braunschweiger Straße 35, jetzt Nr. 3.
Archivplatz.
Auf dem heutigen Regierungsgrundstück am Archivplatz lag bereits
1734, als das von Iltensche Haus (s. Seite 419) gebaut werden sollte,
das Haus des Kammersekretärs Patje. Es beherbergte unter König
Ernst August das Finanzministerium und ist 1862 abgebrochen (Abb.
Stadtarchiv, Mappe 3).
Zur Beförderung der Bebauung des Geländes des 1767 abgetragenen
Walles neben der Loh- und Bohrmühle gelobte der Magistrat 1771 ein
Douceur. Erst 1781/82 baute der Hof rat Alemann dort sein Wohnhaus,
Leinstraße 113a und b, das sich 1822 im Besitze des Kabinettsrats Georg
von Hinüber befindet. Als von Hinübersches Haus spielt es in den
Akten des Oberhofmarschallamtes (XI. Conv. XIX) eine Rolle, ist 1828
in den Besitz der Krone übergegangen und bei Freilegung des Mühlen-
platzes 1841 auf Abbruch versteigert (Abbildung anscheinend nicht
überliefert).
Bäckerstraße 4:
Fachwerkhaus auf stumpfer Ecke, vor Mitte des 18. Jahrhunderts, Haupt-
front von 2 Geschossen, 4 Achsen. Dacherker eingeschossig mit vor-
kragendem Giebelfuß. Haustür mit Oberlicht, Perlstab und Maske
am Losholz. - - Der andere - rechte Frontteil - - von 3 Gefachen hat
korbbogige Durchfahrt. Rechte Ecke des Obergeschosses auf orna-
mentierter Konsole abgestützt.
Bäckerstraße 11:
Fachwerkhaus um 1750. 3 Geschosse, 5 Gefache, Haustür zweiflügelig,
in der Mittelachse, abgebildet bei Ebel*), Tafel 3.
Bäckerstraße 12—21:
Fachwerkhäuser aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Nr. 17 — viel-
*) Zeitschrift für Bauwesen, 1920, S. 33 ff.
458
Bäckerstraße
leicht 1710 hat vorspringende zweiarmige Freitreppe. Haustür
Barock. Abb. 296
B
-|~*M-
Abb. 296. Hannover; Bäckerstraße 12, einflügelige Haustür.
Aufgen. u. gez. I)., 1912.
Bäckerstraße 31 :
Wiederaufgebautes Wohnhaus des 1710 zum Bau der Clemenskirche
angekauften v. Windheimschen Hofes, das die Grundstücke Nr. 27 — 31
umfaßte. Wohnung des Abbate Steffani, später von ausländischen
Gesandten benutzt, heute katholisches Vereinshaus.
Mischbau, Erdgeschoß massiv, Eckverzahnung und Gewände in Sand-
stein, Mittelportal rundbogig, Haustür einflügelig, in Rahmeneinsatz
eingelassen, ist vielleicht jünger. Abbildung bei Ebel, Tafel 3.
Zwei Obergeschosse in Fachwerk; 12 Gefache, geringe Vorkragungen.
Erker mit flachem Giebel von 4 Gefachen in der Mitte.
459
Liste der Bürgerhäuser
Bäckerstraße 37:
Fachwerkhaus 1730; Eckhaus am Töge, 3 Geschosse, 4 Achsen, Fenster
des Obergeschosses flachbogig, Mansardendach mit Gauben und einem
Ochsenauge.
Bäckerstraße 40:
Fachwerkhaus, Eckhaus am Töge, Ende des 17. Jahrhunderts, 3 Geschosse,
8 Gefache; Vorkragung 2. Übergeschoß verschalt; Mansardendach.
Setzschwelle 1. Obergeschoß:
WANN EINER SCHON EIN HAVS AVFBAWT • VND GOTT NICHT
HILFFT MIT SEINER HAND • SO IST DIE ARBEITT NICH BEWANT.
WANN GOTT NICHT HVTET VND ZVSfCHAVT • SO WI]RDT EIN
STADT • VMBSONST BEWACHT ALL FLEISS VND MVH IST NICHTS
GEACHT • M. CORDT WEHLERN GISELA DE (Balkenende).
Bäcker straße 43:
Fachwerkhaus von 4 Geschossen bei 4 Achsen, zweite Hälfte des 18. Jahr-
hunderts. Zwerggiebel aus dem Hauptsims entwickelt. Haustür ab-
gebildet bei Ebel im Text, S. 50.
Bäckerstraße 51 :
Tür abgebildet bei Ebel, a. a. 0., S. 36.
Bäckerstraße 52 :
Fachwerkhaus um 1750. 3 Geschosse, 4 Achsen, Mittelerker mit Giebel
von 2 Achsen Breite. Doppelpfosten mit Querriegeln. Architravartige
Bandsimse. Haustür zweiflügelig, mit Oberlicht. Abbildung bei Ebel,
S. 40.
Bäckerstraße 53:
Fachwerkhaus, Anfang des 18. Jahrhunderts, 3 Geschosse, 4 Gefache,
Vorkragung mit sichtbaren Balkenköpfen. Tür abgebildet bei Ebel,
S. 36. '
Bäckerstraße 54:
Ähnlich dem vorigen, Vorkragungen später verschalt. Flächen nach-
träglich geputzt. Tür mit Oberlicht.
Bäckerstraße 56:
Fachwerkhaus, um 1665, 2 Geschosse, 4 Gefache. Hauptsims mit sicht-
baren Balkenköpfen, Füllhölzer mit besonderem Profil. Setzschwelle
des Obergeschosses:
I I KANNICHT • SCHADEN WAS GOT WIL DAS MVS WOL
GERATEN
460
Ballhofstraße
Bäckerstraße 62:
Fachwerkhaus, etwa 1660 — 70. 3 Geschosse, 8 Gefache, Vorkragungen
teilweise mit Konsolen. Setzschwelle 1. Obergeschoß:
WER GOT VERTRAWET HAT WOE GEBAWET IM HIMMEL VND
AVF ERDEN — - IVSTVS HEIDERVS SOPHIA ELISABETH ENGEL
Bäckerstraße 67:
Fachwerkhaus, kurz vor 1700, 4 Geschosse, 3 Achsen. Hohe Geschosse,
Doppelpfosten, Querriegel, architravartige Bandsimse. üacherker mit
Segmentverdachung.
Ballhofstraße 2:
Traufenhaus, Fachwerk, nach 1608. 4 Geschosse, 4 Gefache, Erdgeschoß
verändert. 2. Obergeschoß auf S-Konsolen vorgekragt. Füllhölzer nicht
erhalten. Setzschwelle des 2. Obergeschosses mit Inschrift: Abb. 297
WOLLEVEN WIL VNDGVDE DAGESEEN • DE STILLE SINETVNGEN •
DATSENICHTROSESBEDE • VND I i
mmmms
Abb. 297. Hannover; liallhofstraße 2. S-Konsolen und Setzschwelle des 1. Obergeschosses mit Inschrift.
Phot. 1904.
Ballhofstraße 6:
Traufenhaus, Mischbau; Ecke Kreuzstraße; um 1608. Erdgeschoß
massiv, mit Sandsteinsimsen; ursprünglich ein Obergeschoß in Fach-
werk; dieses und Traufe auf S-Konsolen vorgekragt. Das 2. Obergeschoß
1853 aufgesetzt. Erdgeschoß vielfach umgebaut. (Das mit Zahnschnitt
versehene Sims ist das ehemalige Brüstungssims für die Zwischen-
geschoßfenster.)
Am 1. Fachwerkgeschoß sind die Füllhölzer mit Eierstab und Kon-
solenfries versehen; die Kreuzstraßenseite hat geschnitzte Füllhölzer.
An dieser Seite besteht auch ein Anbau. Inschrift auf der Setzschwelle
des ersten Fachwerkgeschosses beginnt am Anbau und setzt sich um
die Ecke herum fort. Lateinische Großbuchstaben gemischt hochdeutsch
und niederdeutsch:
461
Liste der Bürgerhäuser
PSALM XXV SEHEwANJDATJ\lINRRJVIENDEwSOJVELEwIS • UN_
DE HATEN MIWUTH WREVELE BEWABE JVHNE_SEELEwUNDE_
REDEJMl JLATHJKI • NICHTjrHÜ^SCHANDENJWEBDEN • WENTEw
ICH • VORTRUWwUPwDI • SCHLICHT- UND • RECHT- DAT^BEHODE
MI (Ecke) BLEIRET • BEIwUNS • HERE^IESU CHRIST • DE WILE_
FS_AVENT_GEWOBDENwIST • DIN WORDT DE HOLDT EWIGLICH*)
An der oberen Schwelle Spuren weiterer Inschrift. Ballhofstraßenseite
(nach Riemer H. G. 1914, S. 227):
ACHwGOT • WI • GERN • ICH • WISSEN • WOLT • WEM • ICH • AUF
ERDEN • GETRVWEN • SOLT • ICH • SEE • MEC • UMME • ZV • ALLER •
FRIST • ICH • WEISS • NICHT • WER • MEIN • FRUNDT • IST •
(Vgl. Leonhardt, H. G. 1924, S. 85.)
Ballhofstraße 10:
Traufenhaus, Fachwerk, 1565 — 70. 4 Geschosse, 5 Gefache, vielfach
verändert. 2. Obergeschoß auf Trommelkonsolen vorgekragt. Inschrift
Abb. 298 auf der Setzschwelle des vorgekragten Geschosses in lateinischen Groß-
buchstaben :
ROM: 6 • DER • TODT • IST • DER • SUNDEN • SOLT • ARER • DIE
GABE • GOTTES • IST • DAS • EWIGE • LEBEN ■ IN • CHBISTO • .IHESV
VNSERN • HERN •
Abb. 298. Hannover; liallhofstraUe 10, Trommelkonsolen und Setzschwelle des 1. Obergeschosses
mit Inschrift.
Ballhofstraße 14:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1580. 3 Geschosse, 3 breite Gefache.
Vorkragung des 2. Obergeschosses und der Traufe auf S-Konsolen.
*) Die Verbindungsbogen bedeuten, daß in der Inschrift die Wörter ungetrennt
fortlaufen.
462
Bergstraße
Füllhölzer fehlen; Andreaskreuze. Späterer Giebelerker von 2 Gefachen.
(Vgl. Kreuzstraße 11. Leonhardt, H. G. 1924, S. 88, setzt das Haus
kurz nach 1609.)
Abb. 299. Hannover; Bergstraße, Häuser Nr. G— 13. Phot. M. B. A., 1928.
Bergstraße 8—12:
Die gesamte Häusergruppe, Fachwerk, entstammt dem ersten Drittel
des 18. Jahrhunderts.
Nr. 8 und 9: Gleich ausgebildete Häuser von ursprünglich 3 Geschossen,
9 Gefachen. Vorkragungen in allen Obergeschossen. Balkenköpfe und
Füllhölzer gleich profiliert. Große Durchfahrten mit Oberlicht. Nr. 8
hat Giebelerker und Winde, ist Eigentum der Synagogengemeinde,
463
Liste der Bürgerhäuser
vielleicht 1703/01 erbaut (s. Geschichte der Synagoge). Bei Nr. 9 ist
ein Stockwerk später aufgesetzt.
Bergstraße 13:
Fachwerkhaus von 3 Geschossen, 5 Achsen; gebrochene Front mit drei-
geschossigem Erkerausbau links; Mansardendach mit eingeschossigem
Giebelerker rechts. Der Ausbau schließt mit Mansardengiebel. Haustür
mit vorgelegter Treppe, Oberlicht und geschwungener, auf Konsolen
gestützter Verdachung. Tür dreiteilig, mit Klopfer und Griff, Fenster
segmentbogig (Abbildung bei Ebel, Tafel 3).
Bockstraße 3:
Fachwerkhaus um 1700. Haustür zweiflügelig, mit überlicht, um 1700.
Bock straße 6:
Fachwerkhaus 1690 — 1700; Setzschwelle 1. Obergeschoß älter, mit
Inschrift; unleserlich. Haustür einflügelig, mit Oberlicht.
Bockstraße 22:
Fachwerkhaus um 1700. Haustür einflügelig, mit Oberlicht.
Brand straße 6: abgebrochen.
Fachwerkhaus, erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. In der Wohnstube
des Erdgeschosses links soll sich ein Kachelbild: aufgehende Sonne,
Bäume und segelnde Schiffe, als Wandbekleidung befunden haben.
Brandstraße 12:
Überputztes Fachwerkhaus 1730 — 40. Haustür mit Oberlicht. Tür
dreiteilig (Abbildung bei Ebel im Text S. 10).
Brandstraße 15:
Fachwerkhaus, 2 Geschosse,- 5 Gefache, Windenerker um 1660. Setz-
schwelle mit unleserlicher Inschrift. Mitteltür, Sturzbalken mit größten-
teils verdeckter Inschrift: HREcu
Brandstraße 18:
Empiretür, dreiteilig, mit Oberlicht.
Brandstraße 21:
Fachwerkhaus, 2 Geschosse, ursprünglich 4 Gefache, etwa 1660, später
verändert.
Setzschwelle :
DWOLSSODM HANS FHILIP • ANNA PHILIPS SEIN EHELICH
HAVSFRAV HABEN • WE • Sa
Braun Schweiger Straße 3:
Fachwerkhaus von 2 Hauptgeschossen, Mansardendach mit Giebelerker.
Hauseingang in der Mittelachse, mit vorgelegter Treppe; Dinglingers
Wohnhaus, 1748 begonnen, 1750 bezogen, 1751 verkauft. Gedenktafel
an Caroline Herschel, welche hier am 9. Januar 1848, 97 Jahre alt, starb.
464
Breite Straße
H H
Abb. 300. Hannover; Braunschweiger
zweiflügelige I [austür.
Aufgen. u. gez. 1). 1912.
Straße 7,
Braunschweiger Straße 7:
Zweiflügelige Haustür. Abb. 300
Braunschweiger Straße 10.
Ehemals Schmahlesches Haus;
hier wurden 1811/12 die
Sitzungen des Friedensgeriehtes
abgehalten. (Hausmann, Er-
innerungen, S. 78.)
Breite Straße 8:
Massivhaus in Ziegeln mit Abb. 301 a u. 301 b
Sandsteinverblendung, angeb-
lieh 1719 begonnen. Die künst-
lerische Urheberschaft darf
vielleicht dem Architekten des
von dem Bnsscheschen Palais
und des Hauses Schmiede-
straße 37 (J. P. Heumann?)
zugeschrieben werden.
3 Geschosse, 5 Achsen. Über
dem Hauptsims ein über drei
Achsen reichender Dreiecks-
giebel mit Vasenbekrönung.
Mansardendach mit je einer
Gaube beiderseits des Giebels.
Die Erdgeschoßfassade ist durch
Ladeneinbau ganz verändert.
Im Zustande von 1891 (B. P.A.)
war ein Mittelportal mit vor-
gelegter Freitreppe vorhanden.
Geschoßteilung durch Sims nur
über dem Erdgeschoß. Fenster segmentbogig; diejenigen in der Mittel-
achse durch ornamentale Ausstattung der Brüstungsplatte unterhalb
der Solbank und Schlußsteine bereichert. Sonst sind Solbänke nicht
vorhanden; die Fenstergewände liegen hinter der Fassadenfläche zurück.
Das Mittelportal erschloß einen langen Flur, an dem beiderseits die
Bäume aufgereiht waren (vgl. H. G. 1910, S. 279).
Breite Straße 14:
Giebelhaus, Fachwerk, angeblich von 1577. S-Konsolen (Spätbarock)
und Zahnsch nitt.
Abbildung des Hauses bei Galland, Benaissancestudien II, Taf. 22a
(„Allgem. Bauzeitung", Heft 1, 1887).
30 AQ-
4oo
Liste der Bürgerhäuser
466
Breite Straße
Nach H. G. 1924, S. 36, stammt der jetzige Bau aus dem Jahre 1637
sicher vom Meister Dietr. Stünkel.
Breite Straße 16:
Giebelhaus, um 1590, Ziegelbau, verputzt, Hausteinverweuduug (vgl.
Marktstraße 41 und Köbelingerstraße 27). 3 Hauptgeschosse, Giebel
in 3 Geschossen, Achsenverschiebung, Erdgeschoß ganz verändert.
Nach Zeichnung von 1843 in den Baupolizeiakten hatte das Erdgeschoß
rnndbogige Mitteleinfahrt mit je einem fast quadratischen Fenster zur
Seite. Auch im 1. und 2. Übergeschoß sind die Fenster so breit angegeben,
daß an ehemalige Teilung durch Pfosten zu denken ist. 1846 sind die
Fenster mit Bogen geschlossen.
Geschoßteilungen durch schmale Hausteinsimse, im Giebel durch-
schießend durch die Schräge. Giebelfuß seitlich auf Konsolen aus-
kragend. Bekrönung durch Zirbelnuß.
Breite Straße 18:
Geputztes Massivhaus in Ziegeln, mit reichlicher Hausteinverwendung.
Begence. In der Architektur besteht anscheinend eine Beeinflussung
durch Bemy de la Fosse. Die Fassade ist ein genaues Abbild des Mittel-
risalites von dessen Landschaftlichen Hause, auf das ein geschwungener
Barockgiebel aufgesetzt wurde. Das hohe Sockelgeschoß war ehemals Abb. 302-304
rustiziert; Lichtöffnungen und Durchfahrt (rechts) schlössen segment-
förmig. Die beiden Wohngeschosse (dreiachsig) sind durch eine gestelzte
Pilasterstellung jonischer Ordnung mit Gebälk zusammengefaßt. Der
Giebel läuft konkav geschwungen an und schließt in dreieckigem Aufbau.
Vasenbekrönungen. In den Bäumen des Hauptgeschosses getäfelte
Paneele (H. = 70 cm) von weißer Lackierung.
Breite Straße 19:
Fachwerkhaus, um 1750, 4 Geschosse, 4 Achsen, Zwerggiebel, architrav-
artige Bandsimse, Doppelpfosten mit Querriegeln.
Am Hinterhause (Scheune), Fachwerk, 3 Geschosse, über der Durchfahrt
zwei Wappen in Stein:
ANNO 1635 HANS LENEKER*) ANNA RAVEN.
Am Sturzbalken der rundbogigen Durchfahrt:
DER HER REHUTE MEINEN EINGANG AN GOTTES SEGEN —
Breite Straße 20:
Scheune auf Friedrichstraße 6. Meisterzeichen: GP
Breite Straße 23 (Hof):
Von der 1592 neuerbauten Scheune ist ein Sturzbalken im Hof ein-
gemauert. Darauf Wappen des Georg Betke und seiner Frau mit der
Jahreszahl 1592.
*) Färber Hanss Lenhardt, gen. Leneker, nach Leonhardt in H. G. 1924, S. 36.
467
468
Breite Straße
Abb. 305. Hannover; Breite Straße 25, Grupens Haus. Phot. 1914.
Breite Straße 25:
Putzbau mil gequaderten Kantenlisenen; Sockel und Gewände in Abb. 305
Sandstein; 1748 begonnen. Architekt angeblich Di nglinger. 3 Geschosse,
2+3 + 2 Achsen, Mittelrisalit wenig vorgezogen und in einem Erker-
469
Liste der Bürgerhäuser
geschoß über das Hauptsims hinaufgeführt; Satteldach und Gauben.
Lichtöffnungen nur im 2. Obergeschoß segmentförmig. Vorliegende
Freitreppe mit Kandelabern (um 1840) auf den Seitenwangen. Portal
rechteckig, mit waagerechter Verdachung.
Das Haus ließ Grupen bei Anlage der Ägidienneustadt für sich errichten.
Zum Bau scheint Material des damals abgebrochenen Ägidientorturmes
verwandt zu sein, der vor dem Grundstück stand. Das Innere, vielfach
umgeändert, hat noch eine dreiarmige Freitreppe mit gußeisernem
Gitterwerk. Das Obergeschoß rechts hat im Hofflügel einen kleinen Saal
mit Apsis: vergoldete Ornamentik in Formen ähnlich der des Wangen-
heimschen Palais. Diese Ausstattung entstand infolge der Erwerbung
des Hauses durch den Grafen Schwiecheldt. 1923 als Bankhaus umgebaut.
1927 Ausbau des Erdgeschosses mit Schaufenstern.
Brühlstraße 1:
Abb. 306 Als Wohnhaus des Oberkommerzienrates Ezechiel Simon durch Tramm
inDeistersandstein und Putz 1857
Heute Handelsmuseum.
-59 in romanisierenden Formen erbaut.
Abb. 306. Hannover; Brühlstraße 1, Haus des Oberkommerzienrates Simon, jetzt Handelsmuseum.
erbaut 1857 von Tramm.
470
Brühlstraße
Brühlstraße 2:
Als Wohnhaus des Kaufmannes Anton Bahlsen 182 1 erbaut: 2 Geschosse, Abb. :s<i7
7 Achsen, davon drei in flachgiebelig geschlossenem Risalit. Erdgeschoß
rustiziert, Fenster ungerahmt. Im glatt geputzten Obergeschoß jonische
Flachpilaster am Risalit. Walmdach. Zeichnung im Stadtarchiv.
r
Abb. :S()7. Hannover; Brühlstraße
1S21.
Brühlstraße 4:
Als Wohnhaus des Kaufmannes Meyer- Vezin 1829 durch Hellner Abb. 308
aufgeführt. Erhöht freistehender zweigeschossiger Putzbau von drei
Achsen auf quadratischem Grundriß. Die Mittelachse mit Eingang und
vorgelegter Freitreppe liegt zurück und hat im Obergeschoß einen auf
Konsolen vorgekragteu Balkon, hinter dem der Wohnraum zwischen
jonischen Pilasterstützen geöffnet ist. Seitenrisalite rustiziert. Haupt-
sims mitZahnschnitt. Attika. Erkeraufbauten in den Mittelachsen; davon
derjenige der Schauseite mit Flachdach und Geländer, in Lu nette geöffnet.
Die Garteneinfriedigung mit Altan und Brüstung von Balustern in
Form jonischer Säulen. Zeichnungen im Stadtarchiv.
471
Liste der Bürgerhäuser
An der Rückseite des Grundstückes an der Langen Laube älteres Garten-
portal, um 1720, Sandsteinpfosten mit Blumengirlanden in Relief.
> " ■• ■ '""'"ist rrr i irTr~T~i\i— j-x ■■ * . i •
lUrnrn ,■.,.. : rn artryf
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Abb. 308. Hannover; Brühlstraße 4. 182!>.
Brühlstraße 15:
Verschaltes Fachwerkhaus von 2 Geschossen, Ende des 1<S. Jahrhunderts.
Älteres v. Malortiesches Haus.
Burgstraße 6:
Abb. 309-312 Putzbau, 1710. Das Haus hat der Senator Hermann Dohme, der das
Grundstück seit 1701 besaß, erbauen lassen. Der Architekt ist unbekannt.
Zum Portal und anderen Einzelheiten vgl. Davilers, Cours d'Architecture,
PI. 43 B, Nr. 7. Auf die Fassade des Hauses in Braunschweig, Breite
Straße 18, Hotel d'Angleterre, von 1713, sei hingewiesen (Meier und
Steinacker, S. 109).
472
Burgstraße
3 Geschosse, 1 + 3+3 Achsen; Mitfelrisalit wenig vorgezogen, über
dem Hauptsims um ein Geschoß erhöht und mit Segmentgiebel, ge-
kröntvon einer Vase, abgeschlossen.
Das durch Schaufenstereinbau ver-
änderte Erdgeschoß mit Rustika.
Links rundbogige Durchfahrt mit
Oberlicht; im rechten Teile des
Risalites Portal mit Oberlicht und
Supraporte; Treppe jetzt zurück-
liegend. Simse und Fenstergewände
der Obergeschosse in Sandstein.
Hauptsims in Verschalung mit
Konsolen. Die Jahresinschrift
„ANNO 1710" findet sich an der
Supraporte. Teilweise sind alte
Fensterrahmen erhalten. Das alte
Treppenhaus besteht fast unver-
ändert.
Burgstraße 9:
Auf dem Grundstück stand das
eigentliche Wohnhaus des St. Gallen-
hofes. Heute Massivhaus, um 1815.
Erdgeschoß gequadert und wohl
verändert. Im 1. und 2. Obergeschoß dreimal je zwei dicht zusammen-
stehende Rundbogenfenster. Unter dem Hauptsims Rundbogenfries in
gleicher Ebene mit den Ecklisenen. Darüber Scheinmetopen und aus-
ladendes Hauptsims.
Burgstraße 10:
Fachwerkhaus, ursprünglich freistehendes Giebelhaus, an der Stelle
der 1630 eingestürzten St. Gallenkapelle durch Adrian Siemerding für
Joh. Duve 1669 erbaut. Wohnung des Dichters Philipp Spitta (Gedenk-
tafel). 4 Geschosse, 8 Gefache, Erdgeschoß verändert um 1845. 1. Ober-
geschoß mit Doppelständern, 2. und 3. Obergeschoß — dieses nicht
ursprünglich — auf barocken Konsolen vorgekragt. Giebelerker.
Burgstraße 11:
Zweigeschossiges Fachwerkhaus, Ecke der Ballhofstraße. Ende des
17. Jahrhunderts. Erdgeschoß Ziegel, verputzt; flachbogige Durchfahrt
links. Obergeschoß Fachwerk, 8 Achsen, vorgekragt bei sichtbaren
Balkenköpfen und gleich profilierten Füllhölzern. Genäherte Pfosten.
Brüstungsfelder mit Fußstreben. Hauptsims verschalt; Mansardendach
mit Giebelerker links und Gauben.
Abl>. 309. Hannover; Burgstraße 6, Grundriß.
473
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 310. Hannover; Burgstraße 6, Aufgen. D. u. N., 1925, gez. N.
474 .
Burgstraße
Abb. 311. Hannover; Burgstralic 6. M. B. A., 1928.
475
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 312. Hannover; Burgstraße 6, Treppenhaus. Phot. M.B.A., 1928.
Burgstraße 13:
Fachwerkhaus, 1822 „mit massivem Anwurf" aufgebaut*), 3 Geschosse,
5 Achsen, Mansardendach mit Giebelerker von 3 Achsen, Hauptsims
weit ausladend auf Konsolenfries.
*) Der Architekt hieß Kellner. Laves als Mitglied der Baukommission rügte, daß
nicht Schaft auf .Schaft und Fenster über Fenster angeordnet seien. (Bau-Pol.-
Akt.)
476
Ringstraße
Abb. 313. Hannover; Burgstraße 20 bis 12, Straßenbild. Phot. M. B. A., 1928.
Burgstraßc 15:
Traufenhaus, Mischbau, vielleicht um 1620, 3 Geschosse. Erdgeschoß
und 1. Obergeschoß massiv, 2. und 3. Obergeschoß vorgekragt in Fach-
werk, verputzt. Vorkragung verschalt. Erdgeschoß ist ganz verändert.
1. Obergeschoß zwischengeschoßartig. Unter den Fenstern feine
Renaissancesimse. Denkmalswert ist heute gering, da alles verschalt,
verputzt, beseitigt.
Burgstraße 20:
Giebelhaus, Eckhaus Tiefenthal, Fachwerk, 1540—50, 2 Geschosse, Abb. 313, links
477
Liste der Bürgerhäuser
Erdgeschoß verändert, 5 Gefache, Obergeschoß etwas vorgekragt.
Giebel im 2. Geschoß vorgekragt, Konsolen mit Krallenverzierung.
Füllbretter (neuere Zutat?). Brüstungsleisten. Fußstreben. Auf allen
drei Setzschwellen Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben mit Groß-
buchstaben (restauriert 1921).
Obere Schwelle :
.ftobe • bneb • vov • ben ....(?) nefen • unbe • achte. . .
Mittlere Schwelle:
borch • bone • grote roolbat • f)cft • bu ■ oorbroctet • alte • emabe • 5)ar •
»mmc ■ griff • vn& • oertrouwen • 93nbc • t>i) • ctvncb • befebouoenn •
Untere Schwelle;
2Bc • tont • ftraffen • nmtf • onbc ■ bc • mnnen • $)efe • erftett • oppc • fnet •
onbe • op • bc • fnnen •
1540 — 50. Nach den Baupolizeiakten 1 858 war links ein eingeschossiger
Erker von 2 Gefachen. Die Haustür rechts davon schmalrechteckig,
das Eckfach rechts hatte ein Fenster.
Burgstraße 21 :
Traufenhaus, Fachwerk, um 1580, doch um 1700 stark verändert;
rechts ein 2 Gefache breiter Erker, um 1610. Alle Vorkragung des
2. Obergeschosses mit einzelnen S-Konsolen und Füllhölzern nach
Fruchtgirlandenmotiv. Zweizeilige Inschrift auf der Setzschwelle in
lateinischen Großbuchstaben, unleserlich. Die Obergeschosse haben
genäherte Pfosten. Mansardendach mit flachgiebeligem Erker.
Burgstraße 22: abgebrochen 1889.
Abb. 314 Ehemalige Stadtdirektorwohnung (s. „Ztschr. d. hist. Vereins f. Nieder-
sachsen" 1886, S. 343). Wappen der Stadt, 0,5:0,9 m (s. Schuchh.Nr.21).
Abb. :!l I. Hannover; Wappen der Stadt vom Grundstück Burgstraße 22,
jetzt an der Bürgerschule, Burgstraße.
Burgstraße 23: Abgebrochen 1889.
Traufenhaus, Mischbau, um 1600, in der Art des Meisters Beensen.
Abb. 315 2 Geschosse massiv, davon das untere mit Hausteinverblendung, das
478
Burgstraße
obere in Ziegel, geputzt. 2. Obergeschoß war in Fachwerk auf S-Konsolen
vorgekragt. Rundbogige Durchfahrt rechts. 1620 war links ein Sand-
steinerker (2 Geschosse, 4 Achsen; Fenstersäulchen und Karyatiden,
Dreiecksgiebel mit Delphinen und Bekrönung durch eine Fortuna)
■Süi ■ ■
Abb. .315. Hannover; Burgstraße 23, abgebrochen 1X.X9.
angebaut. Die vier Inschriftentafeln zwischen den Sockelpfeilern
des Obergeschosses s. Mithoff, Kdm., S. 94. Nach dem Abbruch 1889
wurden die ornamentierten Teile in das Leibnizhaus gebracht. Auf-
nahme von A. Haupt im Leibnizhause (vgl. den von Schmiedestraße 29
stammenden, jetzt dem Hause der Väter angefügten Erker von 1621).
Gleichzeitig war eine Wappentafel über der Durchfahrt eingesetzt:
479
Liste der Bürgerhäuser
Allianzwappen (des Amtsmannes von Marienwerder) JOACHIM
SCHVLTZEN (und seiner Frau) MARGARETA SCHVTS 1620.
Das Maus stand auf dem Marienwerderschen Hof. 1791 wurde die 1787
gegründete ,, Hof-Söhne- und Töchterschule darin eingerichtet und das
Haus zu diesem Zweck umgestaltet". Später Stadtleihamt.
Burgstraße 25:
Hofgebäude (1624) in der Art des Meisters Hinrich Stunkel, mit der
Inschrift: AN GOTTES SEGEN IST ALLES GELEGEN. Ferner Rest
einer Sandsteinplatte mit dem Reliefbild des Königs David und der
Unterschrift M. D. M. 1624 TATIO MEA. Magister David Meier,
t 1640 (sein Grabmal an der Marktkirche von Lud. Witte ist behandelt
auf Seite 105), Prediger an der Kreuzkirche und später der Markt-
kirche, war Eigentümer des Hauses gewesen.
Burgstraße 27:
Geputzter Ziegelbau, Eckquaderung und Fenstergewände von Sandstein,
1741 erbaut; 3 Geschosse, 9 Achsen, Mittelrisalit von 3 Achsen vorgezogen
und mit Dreiecksgiebel gekrönt. Keine geschoßteilenden Simse; nur ein
stark ausladendes, verschaltes Hauptsims. Haustür mit ursprünglicher
Freitreppe (?).
Das Grundstück hat sich seit Anlegung des Hausbuches (1428) und
wohl schon seit Auflösung des landesherrlichen Wirtschaftshofes bis
jüngsthin ununterbrochen im Besitz der Familie v. Alten befunden.
Burgstraße 28:
Abb. 316-318 Traufenhaus, Fach werk, wahrscheinlich 1566, 4 Geschosse, 9 Gefache,
rechts späterer Erker von 3 Geschossen bei 3 Gefachen. Erdgeschoß
verändert, 2. und 3. Obergeschoß und Traufe vorgekragt. Konsolen
- erhalten unter 3. Obergeschoß und Traufe — zeigen besondere Form.
Setzschwellen mit breiten Schiffskehlen, deren Tauornament dem der
Füllhölzer entgegengesetzte Drehrichtung hat. Teilweise ist dieses
Ornament nach dem Motiv der Fruchtgirlanden ausgebildet. Pfosten
der vorgekragten Geschosse mit Flachschnitzwerk überzogen. Brüstungs-
leisten mit Taustab. Brüstungsgefache mit Platten ausgesetzt, auf denen
Halbkreisrosetten verschiedener Gestaltung eingeschnitzt sind.
Als Meister vermutet Leonhardt, H. G. 1924, S. 72, Hinrich Holste, den
der Rat aus Hildesheim kommen ließ, als der Ratszimmermeister Jürgen
Gering während der Arbeit am Apothekenflügel plötzlich verstarb.
Die Rauweise dieses Meisters hat in Hannover keine Schule gemacht.
Abb. bei Eicke, „Bürgerliche Baukunst Niedersachsens", S. 259, Nr. 194.
Burgstraße 28, Hinterhaus und Seitenflügel:
Fachwerk, Hinterhaus 1564, Seitenflügel wenig später, Meister G. K.
Beide von 3 Geschossen, die 2. Obergeschosse auf Krallenkonsolen vor-
480
Burgstraßc
Abb. 316. Hannover; Burgstraße 2S
Grundriß.
Hechts: Abb. :il7. Hannover; Burg-
straße 28. Phot.M.B.A., 1!il>x.
gekragt. Am Hinterhause auf der unteren Setzschwelle Inschrift in
lateinischen Großbuchstaben
ANNO SALUTIS 156-1 HINRICUS GRUBE STRUXIT HOC AEDIFICJUM
BROI IS:
sie nennt den Bauherrn - - nicht den Meister, wie Riemer angenommen
hat. Seitenflügel, unlere Setzschwelle:
[IN]DNO • MEA • CERTA • SALVS • MEA • GLORIA • CERTA • EST -PETRA-
I I INVICTA • VALNS (sie!) SPES • MEA • SOLA • DEVS G K|
Obere Setzschwelle:
jNISI • DOMINVS • E]DIFICET • FRVSTRA • DOMVS • ILLA • PARATUR
QVAM • VOLET • HVMANVS • CONSTITVISSE • LABOR.
31
481
482
Burgstraße
Beim Seitenflügel Brüstungsleiste mit gotischem Tauornament, auf-
genagelt. Im 2. Obergeschoß Andreaskreuze. Obere Setzschwelle mit
Inschrift und Meisterzeichen G. K. (vgl. Inschrift Kreuzstraße 5,
Hokenzunfthaus von 1577).
Bei Hinterhaus und Seitenflügel sind gotische Bauteile eines älteren
Baues wieder verwandt (s. Leonhardt, H. G. 1924, S. 73). Das Erd-
geschoß ist 1817 mit ministerieller Beihilfe von 100 Thlr. geändert.
Burgstraße 29:
Entspricht dem Hause Nr. 30, hat 7 Gefache und einen Erker. An der
Hofseite Setzschwelle des 1. Obergeschosses mit Treppenmotiv als jetzt
letztes Beispiel in situ.
Burgstraße 30:
Fachwerkhaus, um 1660, 3 Geschosse, 25 Gefache, 2 Eingänge. Vor-
kragungen des 1. und 2. Obergeschosses mit gleich profilierten Füllhölzern
und Balkenköpfen. Ein Erker vor dem 1. und 2. Obergeschoß hat
3 Gefache. Sein Giebelaufbau wie die Aufklappgauben sind laut Bau
polizeiakte modern.
Burgstraße 31:
Fachwerkhaus, verputzt und verschalt, vielleicht aus der Mitte des
17. Jahrhunderts, 2 Geschosse, 9 Achsen. Erdgeschoß verändert.
Mitteltür. Obergeschoß auf kräftig profiliertem Sims vorgekragt.
Pfosten durch pilasterartige Verschalung verkleidet - - nach den Bau-
polizeiakten 1841, wahrscheinlich unter Beratung durch Laves.
1428 Domus der von Alten. Das Braurecht hat dieses Haus 1692 von
Nr. 30 erworben; bis dahin war es ein adeliges Freihaus (s. Leonhardt,
II. G. 1924, S. 71).
Burgstraße 32:
Fachwerkhaus, geputzt, um 1820 — 30, 3 Geschosse, Achsen zu 2, 3, 2
zusammengefaßt. Erdgeschoß als Sockelgeschoß ausgebildet, jetzt stark
verändert, alte Durchfahrt links. Die beiden Obergeschosse zurückliegend
in Lisenenumrahmung. Starkes Hauptsims und Abschluß durch
Dreiecksgiebel in ganzer Frontbreite. Im Giebelfeld liegt die Fläche der
3 Achsen zurück in korbbogiger Lünette. An der Setzschwelle des
Obergeschosses ist 1930 die einzeilige Reiminschrift nach dem 1. Petri-
brief, Kap. 2 — 6, freigelegt:
t • pe • t) • ©ob • bcfft • gelegt • nit • fon • gemene • Sbnn • tbom • fostltfcn •
eggestene • 2Ulc • be • bar • op • botoen • werben • tragen • bc • ewige •
rootDC • n>ol • fit • an • obm • ergern • fnn • be • ftorten • tbor • belle • pmt.
Burgstraße 38:
Traufenhaus, Fachwerk, erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, 5 Geschosse,
483
Liste der Bürgerhäuser
3 Gefache, alle Obergeschosse vorgekragt, Konsolen nicht mehr vorhanden
infolge Veränderungen. Setzschwelle 2. Obergeschoß:
ALL • MEIN • ANLANGE • UNDT • ENDE • BEFIHEL • ICH • GOT • IN •
DEINE- HENDE.
Im Hof: ANNO 1605.
Burgstraße 40:
Massivhaus, um 1820 ('?), 3 Geschosse, 8 Achsen, Mitteldurchfahrt,
Geschoßteilung durch Bandsimse.
Burgstraße 41:
Redensches Familienhaus (s. Hausmann, Erinnerungen, S. 31).
Burgstraße 42:
Abb. 319 Eckhaus zum Holzmarkt, geputzter Massivbau von ursprünglich zwei
Geschossen aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts. 1827 mit einem
".../, .< .
'*"*}
■4
Abb. 319. Hannover; Burgstraße 42, Zustand 1827.
2. Obergeschoß und Eckaufbauten versehen. 7 Achsen an der Burg-
straße. Nach B. Hausmann (Lebenserinnerungen, S. 7) war das Haus
vor 1721 Eigentum der der Kaufmannsinnung angehörenden Patrizier-
familie von Änderten und zuletzt im Besitze eines Arztes. Nach Ankauf
durch Werner Bernhard Hausmann wurde durch den Baumeister
Sudfeld Vick ein sehr großes Verkaufsgewölbe im Erdgeschoß eingerichtet,
484
Galenberger Straße
welches mit einem Bogeneingange an der Ecke die ganze an der Burg-
straße belegene Seite des Hauses und am Holzmarkt den Teil bis zur
Haustür einnahm. Die Abb. A in „Freudenbezeugungen" gibt bereits
drei Geschosse an.
i ' ■'.. ' — — — i — ■ — ■ ' — rz.
Abb. 320.
Hannover; CalenbergerStraße 3, zweiflügelige Haustür.
Aufgen. u. gez. ü., 1912.
Calenberger Straße 3:
Fachwerkhaus, um 1730, Eckhaus an der Kommandanturstraße.
Haustür mit Oberlicht und Laterne; geschwungenes Losholz; Tür Abb. 320
zweiteilig. Alte Treppenanlage.
Calenberger Straße 16: Schloßapotheke.
Fachwerkhaus, angeblich 1665 erbaut. Eckhaus. 3 hohe Geschosse,
485
Liste der Bürgerhäuser
7 Achsen. Vorkragungen mit gleich profilierten Balkenköpfen und Fall-
hölzern. Fensterstürze segmentförmig.
Calenberger Straße 17 und 1<S:
Fachwerkhäuser um 1660 — 70. Verschalle Vorkragungen von kyma-
artigem Profil, Rühm mit Hohlkehle.
Calenberger Straße 19:
Fachwerkhaus, um 1670, 4 Geschosse, 1 Achsen. Verschalte Vorkragun-
gen. Zwergerker mit geschwungenem Giebel und figuraler Bekrönung.
Calenberger Straße 20:
Fachwerkhaus, 1665, Meister M. H. M. 1 Geschosse, 6 Gefache.
Setzschwelle 2. Obergeschoß:
ALLEIN AVF GOTT SETZ DEIN VERTRAWEN AVE MENSCHEN HVLF
SOLTV NICHT BAWN GOTT IST ALLEIN DER GLAVBEN HELT SONST
IST KEIN GLAVB MEHR IN DER WELT — - VND WEN DIE WELT VOL
TEVFFEL WER VND WOLTEN VNS GAR VERSCHLINGEN SO FURCH-
TEN WIR VNS NICHT SO SEHR.
Calenberger Straße 21:
Fachwerkhaus, 1680 — 1700, 4 Geschosse, 4 Achsen. Segmentförmige
Fensterstürze. In der Mitte Zwergerker von 2 Achsen mit geschwun-
genen Giebelchen und Seitenanläufen. Vasenbekrönung.
Calenberger Straße 22: Geburtshaus von Leisewitz (1752 — 1806).
Fachwerkhaus, um 1670, 4 Geschosse, 8 Gefache, Windenerker vielleicht
jünger. Im Hinterzimmer des Erdgeschosses Wandbekleidung mit
kleinen Kacheln holländischer Herkunft.
Calenberger Straße 23:
Fachwerkhaus, 1660 — 70, 4 Geschosse, 7 Gefache. In den Vorkra-
gungen Balkenköpfe und Füllhölzer verschieden profiliert. Fußstreben
überall. Alle Gefache mit Fenstern. Hauptsims zu segmentartigem
Giebel ausgeschwungen. Am Giebelfeld breitovales Ochsenauge.
Calenberger Straße 21:
Fachwerkhaus, 1660 — 70, 4 Geschosse, 5 Gefache (3. Obergeschoß mit
Zwerggiebel ist jünger). In den Vorkragungen sind Balkenköpfe und
Füllhölzer verschieden profiliert. Ursprünglich alle Gefache mit Fen-
stern.
Calenberger Straße 28: Neustädter Apotheke.
Fachwerkhaus, Eckhaus, um 1665, 4 Geschosse, Giebel an der Archiv-
straße. Obergeschosse vorgekragt, keine Konsolen, Balkenköpfe, Füll-
hölzer und Rahm profiliert. Im 1. Obergeschoß alle Gefache mit Fen-
stern, außenbündig,
Calenberger Straße 32: s. S. 617.
486
Galenberger Straße
sc
.a
487
Liste der Bürgerhäuser
488
Calenberger Straße
Calenberger Straße 36:
Fachwerkhaus, 1661. Eckhaus zur Großen Duvenstraße, von Joh. Duve Abb. 32
für die Familie v. Wallmoden erbaut. Vollständig dem folgenden ent-
sprechend. Erdgeschoß heute zu Läden ausgebaut. Im Traufsims
sind noch die Balkenköpfe verziert. Füllhölzer mit Zahnschnitt. Beides
fehlt bei Nr. 37. Wetterfahne mit Meerjungfer und ,,1661". An einer
Konsole in der Frontmitte Wappenschild Joh. Duves mit der Taube.
Als Wappenbekrönung ein Antlitz in Eisenhaube. Masken an allen
Konsolen mit Gehängen von quellenden Früchten, Schildchen in
Ohrmuschelstil.
Nach Verfügung des Herzogs vom 11. November 1660 wurde Joh-
Duve genötigt, „die beiden Hausplätze (36 und 37) an der Calenberger
Straße mit zweien Wohnhäusern fordersamst zu bebauen" (vgl. auch
Altendorf, Joh. Duve, in H. G. 1911, S. 62 11).
Calenberger Straße 37 (städtisches Eigentum):
Fachwerkhaus, Eckhaus an der Gr. Duvenstraße. 1665 von Joh. Duve Abb. 323 u. 324
für die Familie v. Knigge-Leveste erbaut; 1779 durch den Kaufmann
Carl Ludwig Vezin angekauft und zum Kolonial- und
Materialwarengeschäft, auch mit Ladenverkauf, einge-
richtet. Firmenschild über dem früheren Eingange an der
Gr. Duvenstraße von 1769 mit Tabakrollen, Zigarren,
Fässern, Zuckerhüten. Das Haus hat 4 Geschosse, Rück-
seite nur 3. 2. und 3. Obergeschoß auf reichen Konsolen
vorgekragt. An der Calenberger Straße 14 Gefache, an der
Gr. Duvenstraße 8 Gefache. Das Dach straßenwärts in
zwei gestaffelten Dachgeschossen aufgeklappt. Im massiv
ausgebauten Oberteil des Giebels eine Windenluke mit
Glockenhaube und Wetterfahne. Das Mittelportal an der
Calenberger Straße ist erneuert. In den vorgeklagten Ge-
schossen Balkenköpfe mit Fassettenbuckeln; Kopfbänder
in Volutenwulste zusammengedrückt, deren Oberflächen
0 Abb. 323.
mit Schuppen, Blättern und anderen Mustern belegt sind. Hannover; caien-
Darunter hängen an aufgerollten kartuschenartigen Schil- bQr^n' Straße 37,
den Masken, Engels- und Kinderköpfe, bärtige Häupter
und Fratzen herab. Die beiden vorgekragten Geschosse haben durch-
weg Fußstreben.
Die Grundrißanordnung zeigt großes Vestibül und (hölzerne) Treppen-
anlage im Hintergrunde. Die Räume noch vielfach mit hohen Holz-
paneelen. Im Erdgeschoß bestand ein mit Fliesen ausgestattetes Kaffee-
zimmer. Der Hof mit flachbogiger Durchfahrt an der Gr. Duvenstraße
(Maske im Schlußstein) war auch von der Kl. Duvenstraße zugänglich.
489
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 321. Hannover; Calenberger Straße :S7, Vorderfront, Teilansicht.
IU. 15. A.. 1928.
490
Dachenhausenstraße
Calenbergcr Straße 39:
Fachwerkhaus, kurz vor 1700, Eckhaus der Kl. Duvenstraße. 2 Ge-
schosse, 5 Achsen, Geschosse sehr hoch, Mansardendach. Die hohen
Fenster mit segmentförmig geschnittenem Sturzholz; Fensterläden mit
Jalousien, alt.
Anschließendes Nebenhaus; Mansardendach mit weit übergreifendem
Oberdach.
Calenberger Straße 43:
Massivhaus um 1830, 2 Geschosse, 2 + 5 + 2 Achsen. In der Mitte
Scheinrisalit mit Dreiecksgiebel. Doppelarmige Freitreppe. Im Ober-
geschoß hat das Scheinrisalit Rundbogenfenster und Mitteltür mit
Balkon.
Dachenhausenstraße 2 :
Wohnhaus des Hofbauschmiedes Knoke, 1825 durch Laves als zwei- Abb. *>:-,
geschossiger Putzbau erbaut, als die Planierungsarbeiten am Festungs-
walle die Höhenlage des Erdgeschosses noch nicht feststellen ließen;
daher hohes Doppelgeschoß und spätere, zweiläufige Freitreppe. Das
Erdgeschoß hat flach vorgelegte Scheinarkaden, in deren Blenden
die Fenster rechteckig eingeschnitten sind. Im Obergeschoß haben
die Fenster einfache Rahmen mit Verdachungen. Das Haus wurde
später aufgestockt.
Lavessche Zeichnung von 1825 im Stadtarchiv.
Abb. 325. Hannover; Haus Dachenhausenstraße 2, ehemals Böttcherscher Hof.
Kopie nach einer Zchng. von Laves, 1825. Dreistöckig ausgeführt, 1879 verändert.
491
Liste der Bürgerhäuser
I ) a m in s t r a ß e :
Nach Red. Chr., S. 700 sind 1677 durch Brand „in der Barnstorfischen
Hause etliche Brauhäuser mit vielen Hintergebäuden zwischen Damm-
und Kramerstraße ruiniert".
Dammstraße 2:
Abb. 327 Traufenhaus, Fachwerk, etwa 1591; 1 Geschosse; 4 Gefache; Erd-
geschoß verändert. 2. und 3. Obergeschoß auf S-Konsolen vorgekragt.
Keine Füllhölzer und Rahme. 1. Obergeschoß mit Andreaskreuzen.
Das oberste Geschoß ist wohl nicht ursprünglich. Setzschwelle des
2. Obergeschosses mit Inschriften niederdeutsch in lateinischen Groß-
buchstaben (vgl. Knochenhauerstraße 49).
PSALM 78 HEBBE • DINE • I.VST • AM • HEBEN • DE • WERTT • DI •
GEVEN • WAT • DIN • HEBTTE • WVNSCHET •
Wüstefeld hat die an sich unrichtige Stellenangabe des Spruches irrig
gelesen: 15 I. M. 78 (s. auch H. G. 1914, S. 215 und 252).
Dammstraße 3:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1540. Meisterzeichen zurzeit unleserlich
(H. K. ?); 4 Geschosse, 7 Gefache; 2. und 3. Obergeschoß vorgekragt
auf Krallenkonsolen (3. Obergeschoß vermutlich jünger). Im 2. Ober-
geschoß kommen einwärts geschwungene Fußstreben vor. Setzschwelle
des 2. Obergeschosses mit Inschrift in Kleinbuchstaben:
2Bol bar oele fraget na nnen meren. 5)c bar feebt na onbc locht od!
gerne • Sulctc lubc fcbaltu mnben • 2Dultu nnebt fallen nn grotb loben.
Dammstraße 5:
Giebelhaus, Fachwerk, um 1590, Meister C. H.; 4 Geschosse, 7 Gefache;
Giebel in 2 Geschossen. Vorkragungen aller Obergeschosse vom 2. Ober-
geschoß an auf S-Konsolen. Keine Füllhölzer, aber
Rahme. Andreaskreuze. Inschriften niederdeutsch
in lateinischen Großbuchstaben auf allen Setz-
schwellen. Ein Pfosten im 2. Obergeschoß mit Flach-
schnitzwerk um 1570 in zweiter Verwendung.
Kellergewölbe mit „plumpen Graten".
Straßenfront :
IOH • I • DAT BLODT • 1ESV • CHBISTI • MAKET •
VNS • FREI • VAN • ALLEN • SVNDEN.
SALOMON • PBOVEB • 16 • BEVELE DEM • HEBEN •
DINE WEBCKE- SO -WEBDEN • DINE -ANSCHLEGE •
VORT • GHAN.
PSAL • CHI • WIE SICH EIN • VADER • VBEB SINE •
KINDER • EBBABMET • SO • EBBABMET • SICH • „ *bb- **• . ,
Hannover; Dammstr. 5,
DEB • HEBB • VBEB • DIE SO IN FVRCHTEN. Hof, Konsole.
492
Dammstraße
ROM • AM • 4 • CHRISTUS • IS • VMB • VNSER SVNDE • WILLEN •
DARHEN GEGEVEN VND VMB • VNSER • GERECHTICHEIT • WILLEN •
VPGEWECKET.
Abb. 327. Hannover; Dammstraße 2—0. Phot. M. li A., 1928.
Hofseite :
Fachwerk um 1590. 4 Geschosse. 2., 3. Obergeschoß und Traufe auf
S-Konsolen vorgekragt. Keine Füllhölzer, Andreaskreuze. Inschriften Abb. 32c
auf den Setzschwellen niederdeutsch in lateinischen Großbuchstaben.
493
Liste der Bürgerhäuser
Im Hofe:
JOHANNES • 3 • ALSO • HEFT • GODT • DE • WELDT • GELEVET .
DAT • HE • SINEN • ENI GEN • SON • GAEE • VP • DAT ■ ALLE • DE .
AN • EN • GELOVEN • NICHT • VORLAREN . WERDEN . SONDERN •
DAT ■ EWIGE • LEVENDT • HERRN.
IESAIAS • WEISSAGET • ALSO • VOM • LEDEN ■ CHRISTI • IM . LIII •
CAP • CHRISTUS • IST • VMME • VNSER • SVNDE • WILLEN • THO •
SCHLAGEN • DE STRAFFE LICHT • VP • EM • VP • DAT • WI • FREDE •
HEDDEN • VND • DORCH • SINE • WVNDEN • SINDT • WI • GEHEILET.
Dammstraße 18:
Traufenhaus, Fachwerk um 1565. 4 Geschosse, 5 Gefache. Erdgeschoß
verändert. 2. Obergeschoß auf Trommelkonsolen vorgekragt; Fall-
hölzer nach Fruchtgirlandenmotiv.
Mithoff, Kdm. S. 91, überliefert die nicht mehr vorhandene Inschrift:
KIRCHEN GEHEN SEVMET NICHT • ALMOSEN GEREN ARMET
NICHT • VNRECHT GVDT GEDEIET NICHT.
S. auch Nr. 19.
Dammstraße 19: abgebrochen.
Fachwerkhaus von 1581.
Die Inschrift, die Mithoff für das Haus Nr. 18 (s. Kdm. S. 91) angibt:
DEVS DAT CVI VVLT • 1581 •
stand vielleicht am Hause Nr. 19. Ebenso wohl die von Riemer
(H. G. 1914, S. 119) mitgeteilte Inschrift:
DEO DANTE NIHIL VALET INVIDIA
DEO NON DANTE NIHIL VALET
Gr. Du ven straße:
Die Häuser 13 — 18 sind gleichzeitig und gleichartig erbaut durch
.loh. Duve 1662—64 (s. die Abb. 96, Seite 156 nach Zeuner).
Nr. 18: 3 Geschosse, 12 Gefache. Vorkragungen mit sichtbaren Balken-
köpfen. In den Obergeschossen ein um das andere Gefach mit Fen-
stern. Erdgeschoß hat Fußstreben überall. Mitteldurchfahrt korb-
bogig mit Oberlicht. Umrahmung mit geschwungener Verdachung
und Kartusche. Tür zweiflügelig, Füllungen mit geschnitzten Rahmen.
Alte Treppenanlage erhalten; runde Doggen.
Gr. Duvenstraße 13:
Eckhaus zur Rosmarinstraße. Haustür mit Sandsteingewände, segment-
bogiges Oberlicht, dreiteilige Tür.
Gr. Duvenstraße 15:
Mitteldurchfahrt mit Sandsteingewände, segmentbogiges Oberlicht.
Tür dreiteilig.
494
Kl. Duvenstraße
Kl. Duvenstraße:
Ärmere Fachwerkhäuser der Duvezeit, gewöhnlich 3 Geschosse, 3 Ge-
Abb. :$28. Hannover; Kleine Duvenstraße, Häusergruppe. Phot. 1905.
fache, Vorkragungen ohne Profilierung. Verschalungen meist später. Abb. 328
Hier und da Mansardendächer. Haustüren bei den Nummern 6, 9,
10, 11, 14, 15, 19 bemerkenswert.
495
Liste der Bürgerhäuser
E rnst- Au gu s t- S t r a ß e 2 :
Giebelhaus, Eckhaus Rademacherstraße, Fachwerk, um 1540. Die
modern aufgemalte Jahreszahl 1543 ist willkürlich, aber ungefähr
zutreffend. Die ganze obere Fron! ist 1846 zurückgesetzt; ein Erker,
links, 1840 beseitigt worden. Rademacherstraßenseite von 2 Geschossen,
8 Gefachen, hat Vorkragung des Obergeschosses und der Traufe, letztere
mit Krallenkonsolen, Brüstungsleisten; Fußstreben in jedem Brüstungs-
fach. Die Inschrift auf der Setzschwelle in Kleinbuchstaben mit Groß-
buchstaben am Satzanfange:
fyov&tu narvc u>nl bn boef) febemen. 2htbc labt boeb bcö buucls proceffte
betetnen. 93olgc ebrteto bmtent gobe uitbc bereit. 53nbcr fnn bannerc
ronl bn Heren. Sat ts fmt crutjc ottbc fnn bntter bobt 93nbc fmt Inbettt
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(vgl. die Inschrift, Köbelingerstraße 11).
Ernst-August-Straße 3: abgebrochen 1903.
Eckhaus zur Rademacherstraße, Wüstefeld überliefert die Jahreszahl
,,1567", die als Baujahr inschriftlich angegeben war. Die beim Abbruch
am Hause zu lesende Inschrift und Jahreszahl, die in gleichzeitigen
Zeitungsnotizen sich findet, stammle von einer 1901 geschehenen
Instandsetzung des Hauses. Abb. im Stadtarchiv.
Ernst-August-Straße 8:
Giebelhaus, Fachwerk, angeblich 1598; nur die linke Hälfte im alten
Zustande. Das Haus war an den 1682 abgebrochenen Torbau des
äußeren Leintores angebaut. 2 Geschosse, 4 Gefache alt. Giebel-
fnß und ein Giebelgeschoß auf S-Konsolen vorgekragt. An der Giebel-
schräge liegt die Konsole schräg. Brüstungsleiste von Renaissance-
profil.
Ernst-August-Straße 10:
Das alte Haus war dreigeschossig, Fachwerk, Mitte des 18. Jahr-
hunderts, mit Mansarde und Erker. Bei Erbreiterung der Ernst-August-
Straße nach 1845 ist die alte Fassade gefallen und die jetzige, weiter
zurückliegende erbaut. Im 1. Geschoß nach der Bückseite (Blick auf
die Leine hinter der Brückmühle) gut erhaltene Bäume mit Paneelen,
Holztüren, eine davon mit geschnitztem Monogramm (,,A G") und
Schnörkelwerk im Oberlicht. Eingebautes Eckschränkchen, Ofennischen.
Ornamentierte Stuckdecke, um 1750.
Friedrichstraße 6: s. Breite Straße 20.
Fried rieh straße 7 — 8 :
Wohnhaus, vor 1833 erbaut, stark verändert. Zeichnung von Hellner
im Stadtarchiv.
496
Friedrichstraße
Friedrichstraße 15:
Dreigeschossiges Massivhaus von 1+3 + 1 Achsen, 1822, von Laves. Abb. 329
Mittelrisalit wenig vorgezogen. Erdgeschoß mit Rustika, rundbogige
Fenster, im Risalit (rundbogige Blenden bei rechteckigen, jetzt rund-
bogigen Lichtöffnungen. Die Brüstungen der Übergeschosse mit Balustern
in Gestalt dorischer Säulchen. Hauptsims mit Zahn- und Konsolenschnitt.
Auf das Giebeldreieck über dem Risalit bezieht sich ein Veränderungs-
vorschlag von 1827. Innenausstattung ehemals mit gemalten Tapeten.
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Abb. 329. Hannover; Friedrichstraße 15, erbaut 1822 von Laves. Phot. M. B.A., 1928.
Der Ran des Hauses 1822 genehmigt. Es gehörte Laves als Bauherrn.
Zeichnungen von Laves im Stadtarchiv. Rewohnt wurde das Haus
vom General Sir Hugh Halkett, f 1863. Seit 1908 Eigentum der Stadt.
Friedrichstraße 16:
Haus des Barons von Campe, erbaut um 1830, später Wohnung des Abb. 330
Gesandten des kaiserlich französischen Hofes, bis 1866.
32 497
Liste der Bürgerhäuser
■
Abb. 330. Hannover; Friedrichstraße 16 um 1830. Stadtarch.
Georgsplatz 19:
Abb. 331 Wohnhaus, Eckhaus zur Landschaftsstraße. Putzhau, 1847 durch
Eheling erbaut. Antikisierender Aufbau mit romanischen und gotischen
Einzelformen.
Georgs platz 20: abgebrochen 1891.
Abb. 332 Putzbau, 1851 durch Tramm erbaut.
Georgstraße 23: abgebrochen 1912.
Haus des Generals v. d. Bussche: später Dienstwohnung des Regierungs-
präsidenten, 1829 von Schuster erbaut. Freistehender dreigeschossiger
Putzbau von 7 Achsen, deren 3 im Mittelrisalit lagen. Dieses hatte
im Obergeschoß 3 Rundbogenfenster und Balkon auf Konsolen.
Zeichnung im Stadtarchiv.
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Abb. 331. Hannover; Georgsplatz 19. Nach Entwurfszeichnung von Ebeling, 1847. Stadtarch.
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Abb. 332. Hannover; Georgsplatz 20, abgebrochen 1891. Nach Entwurfszeichnung von Tranim, 1851.
Stadtarch.
499
Liste der Bürgerhäuser
Georgstraße 24: abgebrochen um 1 <S<S 1
Abb. 333 Haus des Kabinettsrates Falcke, 1829 von Schuster erbaut. Zwei-
geschossiger Putzbau von 5 Achsen. Eingangstür mit Freitreppe in
der Mittelachse, die außerdem durch einen Balkon auf Pilastern aus-
gezeichnet war. Rustiziertes Keller- und Erdgeschoß; gestelzte Pilaster-
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Abb. '.Y.i'.i. Hannover; Georgstraße 24. Nach Entwurfszeichnung von Schuster, 1829. Stadtarch.
an den Kanten. Rechteckige Fensteröffnungen überall;
diejenigen im Obergeschoß mit Rahmen und Verdachung. Walmdach.
Abb. im Stadtarchiv.
Georgstraße 26:
Abb. 334 Durch Aufstocken und Anbau links im Jahre 1899 veränderter Putzbau;
das Erdgeschoß war schon früher zu Läden eingerichtet. Als Wohn-
haus des Hauptmanns Jasper 1825 von Laves erbaut: ursprünglich
2 Geschosse bei 5 Achsen, von denen drei in schwach vortretendem
500
Georgstraße
Mittelrisalit unter Dreiecksgiebel zusammengefaßt waren. Das Ober-
geschoß des Risalites ist durch vier ionische Pilastervorlagen gegliedert;
dazwischen gerahmte rechteckige Fenster, über denen in breitrecht-
eckigen, vertieften Feldern kleine Festons angebracht sind. Die Haustür
Abi). 334. Hannover; Georgstraße 2fi. Phot. 1913.
reicher umrahmt und mit konsolengetragener Verdachung versehen;
alle übrigen Öffnungen ohne Einfassungen in die rustizierten Wand-
flächen eingeschnitten.
Georgstraße 27: Nordostecke der Windmühlenstraße, abgebrochen
1905.
Als Wohnhaus des Fräul. v. Bremer durch Laves um 1823 erbaut; Abb. 335
1849 zum Hotel erweitert und umgebaut. Im ursprünglichen Zustande
zweigeschossig bei 7 Achsen, deren mittlere drei in schwach vorgezogenem,
dreigeschossigem Risalit lagen. Das Erdgeschoß war gequadert und mit
501
Liste der Bürgerhäuser
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Abb. 335. Hannover; Georgstraße 27, Zustand 184<). Stacltarch.
rundbogigen Öffnungen versehen. Das Hauptgeschoß des Risalites
zeigte vier Paar flacher jonischer Piiastervorlagen, dazwischen drei
rechteckige Fenster in Rundbogenblenden, deren Bogenfeld mit einem
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Abb. 336. Hannover; Georgstraße 28, 1S25. Stadtarch.
502
Georgstraße
Muschelornament gefüllt war. Das 3. Geschoß des Risalites mit glatt
eingeschnittenen Öffnungen schloß in flachem Dreiecksgiebel. Sämt-
liche Fenster des Obergeschosses hatten Balustradenbrüstung. Die
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Abb. 337. Hannover; Georgstraßo 29. Phot. 1910.
Front wurde beiderseits durch eingeschossige Durchfahrten mit Altanen
— rechts deren zwei — verlängert.
Aufnahmezeichnung von 1849 im Stadtarchiv.
Georgstraße 28: Südostecke der Windmühlenstraße.
Massivhaus, als Wohnhaus des General-Pay-Masters Taylor, 1825 Abb. 336
von Hellner erbaut, doch später durch Oppler verändert (Zeichnungen
in dessen Nachlaß). In der Hellnerschen Fassung fünfachsiger Putzbau
503
Liste der Bürgerhäuser
von 2 Geschossen mit eingeschossigem Anbau an der Windmühlenstraße
(Remise). Die mittleren 3 Achsen waren als Risalit wenig vorgezogen,
das durch einen auf dorisch« n Säulen ruhenden Balkon ausgezeichnet
war. Eine Attika bekrönte das Risalit. Die spätere Fassung baute
den Balkon voll aus unter Verwendung jonischer Wandvorlagen und
eines jonischen Palmettenfrieses.
Die Hellnersche Zeichnung im Stadtarchiv.
Georgs t r a 13 e 29 :
Abb. 337 Massivhaus, 4 Geschosse, Ziegel ohne Putz, Sandsteinverwendung,
Gußeisenbalkon, 18(51 von Droste als Brauergildehaus erbaut; Brauer-
gildewappen.
Goldener Winkel 1 :
Traufenhaus, Fachwerk, 1570- 80, 3 Geschosse, 2 Ge-
fache, Vorkragung des 2. Obergeschosses und der
Traufe auf S-Konsolen.
Setzschwelle 1. Obergeschoß:
WOL GODT VORTRVWET DE HEFDT WOL GEBVWET
GODT Sl MIT VNS
Goldener Winkel 2:
Abb. 338 Traufenhaus, Fachwerk, um 1565, 3 Geschosse, 4 Ge-
fache, Erdgeschoß verändert. 2. Obergeschoß und Traufe
auf Trommelkonsolen vorgekragt. Auf der Trauf-
schwelle ein Fries von Vorhängebögen (s. H. G. 1914,
S. 129 Anm.). Bei den Konsolen ist die untere Trommel Abb-338- Hannover;
Goldener Winkel 2,
besonders eingesetzt. Trommelkonsole.
Haarstraße 5:
Backsteinwohnhaus |mit Turm. 1860 durch Hotzen erbaut. Gotische
Formen. Sogenannte „Hotzenburg".
Hindenburg-(Tiergarten-)straße 1 :
Wohnhaus, Sandsteinbau von Euer, 1864 erbaut. Mit Erkerturm,
Blumenhaus, Veranden, Sternwarte.
Am Holzmarkt 3:
Fachwerkhaus, Eckhaus, um 1660; 4 Geschosse, Holzmarktseite mit
Giebelerker. Vorgekragte Geschosse. Balkenköpfe sichtbar, Füll-
hölzer gleich profiliert. Fußknaggen abwechselnd.
Zum Grundstück gehörte ursprünglich das Nachbargrundstück auf der
Kramerstraße.
Innenausstattung des Ladens teilweise um 1830.
Holzmarkt 8:
Nach einem Stich von 1727 (Freudenbezeugungen) scheint das damals
hierstehende Haus von der Art des Apothekenflügels gewesen zu sein.
504
Knochenhauerstraße
Das heulige Haus Nr. <S ist ein Fachwerkhaus aus dem Anfange fies
18. Jahrhunderts, 1 Geschosse, 4 Achsen. Dreiecksgiebel über 2 Achsen,
Doppelpfosten, Geschosse vorgekragt, aber mit architravartig profilierten
Schalsimsen.
Joseph Straße 9:
Eigenhaus des Erbauers, C. W. Hase, 1858 in Ziegeln erbaut. Ein-
geschossig; Grundriß mittelalterlich. Kleine Giebelfassade von farbigen
Ziegeln. Erstes gotisches Backsteinwohnhaus der hannoverschen Schule
Kaiser straße 3:
Traufenhaus, Fachwerk, an-
geblich 1556, wahrscheinlich
später (H. G. 1914, S. 192).
4 Geschosse, 4 weite Gefache,
2. und 3. Obergeschoß und
Traufe auf Konkavkonsolen
besonderer Form (s. H. G.
1921, S. 127).
Kaiserstraße 2 und Kaiser-
straße 4:
Vorkragungen mit Kon-
solen besonderer Form. Vgl.
Knochenhsuerstraße 55, Sei-
tenflügel.
Knochenhauerstraße 1: abgebrochen 1898.
Giebelhaus, Eckhaus Marstallstraße, Fachwerk, 1540 — 50; 4 Geschosse
einschließlich Zwischengeschoß; 8 Gefache, Giebel (Knochenhauer-
straße) gewalmt. 2., 3. Obergeschoß und Giebelfuß bzw. Traufe mit
Krallenkonsolen. Fußstreben auswärts geschwungen wie bei Markt-
straße 7/8. Setzschwellen mit Halbrosettenfriesen. Erdgeschoß war
zur Zeit des Abbruches verändert. Meisterzeichen T. G. Abb. Stadt-
archiv (s. H. G. 1914, S. 112).
Knochenhauerstraße 5: Hinterhaus.
Fachwerkhaus, 1645. Dirck Stunkel. Konsolen sind nicht verwandt.
Setzschwelle 1. Obergeschoß:
GORT RIKEN CATHARINA HVRLEBVSCH • ME • FIERI • FECIT • ANNO •
CHRISTI -1645. DmCK
Am Pfosten, Mitte 2. Obergeschoß über Emblemen (Scheit
, . S I INLKliL
und Axt).
Knochenhauerstraße 7 :
Mischbau 1594, Art der Marktkirchenhäuser in der Schuhstraße. Erd-
geschoß und 1. Obergeschoß in Ziegeln mit Eckverzahnungen in Sand-
Abb. 339. Kaiserstraße 2. Abb. 340. Kaiserstraße3.
Konsolen.
505
Liste der Bürgerhäuser
stein. Fenster mit profilloser Sandsteinumrahmung. Erdgeschoß ver-
ändert. Alte Einfahrt, wahrscheinlich rechts, besteht nicht mehr.
2. und 3. Obergeschoß (in Fachwerk von 0 Gefachen) und Traufe auf
S-Konsolen vorgekragt. Füllhölzer nach dem Fruchtgirlandenmotiv.
2. Obergeschoß iiberputzt.
Am Erdgeschoß zwei Wappenschilde mit M. H. G. (Magister Henrich
Garber, Pastor der Marktkirche, f 1609, als Bauherr) und M. W.
(Margareta Wolders). Darüber:
MORTALI SATIS EST • IESUS SERAATOR MEUS • SOLI DEO OLORIA.
Obere Schwelle:
DAS • EWIGE • GVDT • MACHT • HKCHTEN • MATH • DABEIBK • WAGE •
GVDT • AND • LEIB • GODT • HILF • MIB • AEBWINNEN.
Untere Schwelle:
PSAL • XC • HEBB • GODT • SEY ■ ANS • FBEANDTLICH • AND •
EABDEBE • DAS • WEBCK • ANSEB ■ HENDE.
K n o c h e n h a u e r s t r a ß e 8 :
Eckhaus, in Fachwerk, 1534; Giebel an der Knochenhauerstraße.
3 Geschosse, 8 Gefache, Erdgeschoß und 1. Obergeschoß glatt; 2. Ober-
geschoß weit vorgekragt, links in 2 Gefachen durch die erkerartig
vorgezogenen Untergeschosse gestützt. Giebelfuß auf Konsolen vor-
Abb. 34i u. 342 gekragt (Schwelle mit flacher Weinranke). 2. Giebelgeschoß ebenso.
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SZ22
Abb. 341. Hannover; Knochcnhaucrstral3e 8 (1534). D., 1925.
Andreaskreuze; Spitzbogen; Einfahrt 1873 verbaut: Zwickel mit
Hausmarken (aufgemalt, die geschnitzten sind gelöscht), Flachranken-
werk und Datierung: ANNO • DNI • MD- XXX IUI (Großbuchstaben).
Seitenfront am Goldenen Winkel: 10 Gefache, Vorkragungen 2. Ober-
geschoß und Traufe mit Krallenkonsolen; Setzschwelle 2. Obergeschoß
mit Inschrift (Kleinbuchstaben mit Großbuchstaben), deren Fort-
setzung auf der Giebelfront des Hauses weitergeht:
506
Knochenhaut' ist nilk'
Abb. 342. Hannover; Knochenhauerstraße 8, Eckhaus zum Goldenen Winkel.
Phot. M. B. A., 1928.
<Pscil: 33 fein foenunge t>elpct fr»nc grote maetyt niebt. <Snn ■ refe • wert •
niebt • gevebbet • boreb • finc • grote • traft. 9?offe • bclpet • od! • nid)t ■ on
(Hausecke) cre • grote • ftetrefbeit • bclpct ■ oä ■ nicht. 611 • bes • bere •
ogc • ^nbt • op • fo • bc • onc • fruebte • on • op • finc • gubtbcit • bopen. Qat ■
bc • orc • jelc • 9*cbbc • oä ■ bobe • on • erner • fc • i)n • ber • buren • tt)bt.
507
Liste der Bürgerhäuser
An der Seile des Goldenen Winkels sind die Fußstreben einwärts
geschwungen. Setzschwelle 1. Obergeschoß mit gotischer Wellenranke,
die nach links hin in Wolfskopf ausläuft. (Abb. bei Mithoff, Archiv,
Tafel XX f. - die Schwellenverzierung setzt Mithoff irrig um 1580.)
Abb. auch bei Galland, a. a. O. 1886, Tafel 26.
Hofseite: Vorkragung mit gotischen Knaggen. Setzschwelle mit Haus-
marke und Inschrift: ANNO • DOMINI ■ 1564 (Blattornament).
Knoc h e n h a u e r s t r a ß e 10:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1565( ?), stark verändert, in der Vorkragung
des 3. Obergeschosses zwei Trommelkonsolen erhalten.
Mithoff, Kdm. S. 94, gibt die jetzt unter Putz verdeckte Inschrift:
TRACHTET AM ERSTEN NACH DEM REICHE GODTES VNDE NACH
SINER GERECHTIGKEIT- SO WIRD SOLCKES ALLES ZVFALLEN
WENN GODT WILL.
Meisterzeichen ebenfalls überputzt: HM(?).
Knochenhauerstraße 16:
Abb. 343 Giebelhaus, Eckhaus, Fachwerk, 1590 — 1600; 3 Geschosse, Giebel
ebenfalls in 3 Geschossen ausgebaut; 5 Gefache, Erdgeschoß verändert.
2. Obergeschoß, Giebelfuß und alle Giebelgeschosse auf S-Konsolen
vorgekragt. Keine Füllhölzer. Die Konsolen der Giebelschräge
sind schräggestellt. Andreaskreuze überall, Brüstungsleisten im Giebel
mit Zahnschnitt.
Die Seitenfront (Ballhofstraße) von 9 Gefachen hat alte Einfahrt in
der Frontmitte gehabt.
K n o c h e n h a u e r s t r a ß e 20 :
Traufenhaus, Fachwerk, um 1580. Meister: C M. 4 Geschosse, 4 Gefache;
unverändert bis auf die Fenster ist nur 2. Obergeschoß mit den Vor-
kragungen darunter und darüber (ehemalige Traufe), 3. Obergeschoß
ist später. Vorkragungen auf S-Konsolen (neben Hokenamtshaus
frühestes erhaltenes Beispiel mit S-Konsolen); Füllhölzer nach dem
Motiv der Fruchtgirlande. Pfosten mit postamentartiger Ausbildung
und Verkröpfungen. Brüstungsfüllungen in Holz durch zwei gekuppelte
Renaissancenischen belebt. Inschrift Setzschwelle 2. Obergeschoß in
Großbuchstaben.
GOT • IST • MEIN • SCEPPER • CRISTVS • MEIN • ERLÖSER • DE •
HILLIGE • GEIST • MIN • TRÖSTER.
Meisterbezeichnung am Mittelpfosten 2. Obergeschoß: M. CM. = Cort
Meyer (Meister CM auch am Hause Osterstraße 66, 1586).
(S. auch H. G. 1924, S. 113, und H. G. 1914, S. 252.)
508
Knochenhauerstraße
Abb. 343. Hannover; Knochenhauerstraße l(i, Eckhaus zur Ballhofstraße.
Phot. M. B. A., 1928.
509
Liste der Bürgerhäuser
Knochenhauerstraße 21:
Abi). 344 Giebelhaus, Fachwerk, 1550 — 60, Art des TG.; 4 Geschosse einschließlich
Zwischengeschoß. 9 Gefache, 2. und 3. Obergeschoß, Giebelfuß und
ein Giebelgeschoß auf Krallenkonsolen vorgekragt. Brüstungsleisten
Abb. 344. Hannover; Knochenhauerstraße 21. Phot. 1028.
mit Tauornament. Andreaskreuze. Halbrosettenfriese auf allen Setz-
schwellen mit Zwickelblatt. Im Erdgeschoß bestand bis um 1850
rundbogige Einfahrt, links der Mitte.
An der Hofseite ist das Zwischengeschoß deutlicher.
510
Knochenhaucrstraüc
Abb. 345. Hannover; Knochenhauerstraße, Straßenbild, Ilauser 22—28, rechts. Phot. M.B.A., 1928.
511
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 345 Knochenhauer straße 23:
Traufenhaus, Fachwerk, um lf).~)f), Meister I. G.; 1 Geschosse, 1 Gefache,
2., 3. Obergeschoß und Traufe auf Krallenkonsolen, keine Füllhölzer.
Im 3. Obergeschoß Andreaskreuze. Einfahrt links, verändert. Sturz-
schwelle mit Hausmarken und Datierung verstümmelt. Meister-
nennung auf dem rechten Ende der Setzschwelle 3. Obergeschosses mit
Emblemen. Inschriften niederdeutsch in lateinischen Großbuchstaben:
Setzschwelle 3. Obergeschoß:
MINSCHE • BEDENCKE • DEN • ENDE • DE • DODT • IS • SCHNL • VNDE •
BEHENDE ■ AMEN • |_'~1 I • G.
Setzschwelle 2. Obergeschoß:
ICK • BIN • DE • VPSTANDIGE • VNDE • DAT • LEVENDT • WOLL • AN •
MI • LOVET • DE • WEBT • LEVEN • IOAN: I.
Das Hinterhaus, Fachwerk, 1612. Inschriften:
Setzschwelle 3. Obergeschoß:
WAS • D[V • WILT • DAS • MAN] • DIB • THVE • DAS • SOLTV EINEM
ANDEBN THVN AVCH.
Setzschwelle 2. Obergeschoß:
SIGH • HINTER [DICH • VND •] VOR DICH • DIE • WELT IST
BETR IE GLICH.
Setzschwelle 1. Obergeschoß:
ACHEN ANNO DOM INI 1612.
M
Auf dem verdeckten Schlußstein der Durchfahrt soll stehen ,,1615".
K n o c h e n h a u e rs tr a ße 2(S :
Fialengiebelhaus in Ziegeln, um 1450; der letzte Vertreter seiner Art
im Wohnhausbau. Erdgeschoß schon im 1<S. Jahrhundert verändert
aw, 346 (s. Mithoffs Aufnahme von 1845 im Archiv Abt. 1, Tafel XIV und XVI);
dann durch Schaufenstereinbau um 1880 erneut umgestaltet, wobei
Erd- und Zwischengeschoß vereinigt worden sind. Erdgeschoß hatte
rechts eine durch das Zwischengeschoß reichende Auslucht, etwa 1570
vorgebaut. Die ehemalige Hofeinfahrt ist vom Nachbar überbaut.
Der fünfgeschossige Fialengiebel hebt über einem Friese aus gebranntem
und glasiertem Tone an, der nach Mithoff 1848 hergestellt, jetzt aber
beseitigt ist: aneinandergereihte, durch Laubstab getrennte Rund-
medaillons mit fünfpassigen Rosetten, deren inneren Kreis je ein Löwe
und ein Greif wechselnd schmücken. Der Dachansatz liegt oberhalb
des ersten Fialengiebelgeschosses.
Auf der Hauptgesimsschräge sind in gleicher Konstruktion wie bei
Abb. 347 den abgebrochenen Häusern Marktstraße 1<S (Isern Porte) oder
Schmiedestraße 11 und wie bei den Rathausgiebeln selbst hier acht
übereckgestellte Bündelpfeiler als Fialen hinaufgeführt, belebt durch
wechselnd unglasierte und glasierte Ziegelschichten. Geschoßweise
512
Knochenhauers traße
'
Abb. 34(i. Hannover; Knochenhauerstraße 28.
Nach Mithoffs Aufnahme von 1845.
33
513
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 347. Hannover; Knochenhauerstraße 28, Treppengiebel mit Fialen. Phot. 1905
514
Knochenhauerstraße
spannen sich zwischen die Fialen spitzbogige Blendnischen, welche
von gekuppelten kleeblattbogigen Licht Öffnungen durchbrochen werden.
Nur in den äußersten Blenden jedes Geschosses sind auch diese blind.
Die Bogenfelder der Blenden tragen an Stelle der Lilienornamente
jener genannten Giebelbeispiele hier Rosetten der gleichen Art, wie
sie der Fries aufweist. Die Giebelstufen sind im Gegensatz zu jenen
Beispielen ohne oberen Abschluß. Die Fialen tragen Kugelaufsätze
aus der Renaissance und schmiedeeiserne Stangen mit Zierat.
Das Innere des Hauses ist ganz umgestaltet als Warenlager oder zu
Wohnungen.
Knoche n h a u e r s t r a ß e 30 :
Traufenhaus, Fachwerk, 1580 — 90, vielleicht gleicher Meister wie bei
Nr. 31. Ursprünglich 3 Geschosse, 5 Gefache; 2. Obergeschoß und
ehemalige Traufe auf S-Konsolen. Im 1. Obergeschoß teilweise Andreas-
kreuze erhalten. Inschrift an der rechten Hälfte des 2. Obergeschosses:
LAT- TROTZEN • IVMMER • WEB • DA • WIL • GOT • IST • ALLEIN
MIN- ZEIL-
K n o c h e n h a u e r s t r a ß e 3 1 :
Traufenhaus, Fachwerk, n. Inschrift 1608. 3 Geschosse, 4 Gefache;
ein 4. Geschoß mit weitausladendem klassizistischen Hauptsims ist
später. 2. Obergeschoß und ehemalige Traufe auf S-Konsolen. Im
2. Obergeschoß Andreaskreuze. Füllhölzer fehlen. Schwelleninschrift
des 3. Obergeschosses aufgemalt :
SIE • HINTEB • VND • VGL • DICH • DIE • WELT • IST ■ BETBIEGLICH •
GEBAWET • ANNO • DOM INI • 1608.
Setzschwelle 2. Obergeschoß:
HABE • GOT • VOR • AVGEN ■ VND • TBVE • INE • IN
ALLEN • DINGEN • SO • KAN • ES • DIB • NICHT
MISGELINGEN.
K n o c h e n h a u er st r a ß e 32 :
Traufenhaus, Fachwerk, um 1590. Ursprünglich: 3 Ge-
schosse, 4. Geschoß um 1660 aufgesetzt; 5 Gefache;
2. Obergeschoß und ehemaliges Traufsims auf S-Kon-
solen. Pfosten und Füllhölzer von Flachschnitlranken
überdeckt; vordere Konsolenflächen mit Beschlag-
ornament. Inschrift hochdeutsch in Schwabacher Groß-
und Kleinschrift :
6ci nicht ein 2Bcinfenffer ben ber SBcin bringt Diel Seilte Ha»n°^r; Knochen-
a hauerStraße 32,
limb ©Ut. S-Konsole.
Veränderung der Fassade 1825 baupolizeiamtlich genehmigt.
515
Liste der Bürgerhäuser
Knochenhauerstraße 36: abgebrochen 1884.
Tutel- den 1881 zur Erweiterung des Platzes nördlich der Marktkirche
abgebrochenen Häusern war bemerkenswert Nr. 36. Fachwerkbau
von 1657, vielleicht von Meister CH. S., mit reichgeschnitzten Hänge-
erkern. Abb. H. G. 1914, S. 288. Die Erker mit bauchartig geschwun-
genem Ansätze, wie bei Dammstraße 1. In den Brüstungsfeldern
waren Reliefs: hastendes Wild, jagende Hunde, geschwänzte Meer-
jungfrauen. Ähnlich wie Am Markt 6 von 1663, ebenfalls 1884 abge-
brochen, jetzt Lavesstraße 82 wieder errichtet.
Knochenhauerstraße 41 und 42:
Fachwerkhaus, um 1800, 4 Geschosse je 5 Achsen, beide ungefähr
gleichzeitig. Keine Vorkragungen, Schalsimse. Im weitausladenden
Hauptsimse ein Zahnschnitt, Doppelpfosten mit kurzen Querriegeln.
Knoc h e n hauerstraß e 43 :
Giebelhaus, Eckhaus Schuhstraße, Fachwerk, 1550 — 60, Art des TG.,
3 Geschosse, 8 Gefache, Giebel (Knochenhauerstraße) gewalmt. 2. Ober-
geschoß und Giebelfuß bzw. Traufe mit Krallenkonsolen. Gefache
vielfach verändert, im Giebel Andreaskreuze. Auf den Setzschwellen
Halbrosettenfriese. Links späterer Erker von 2 Gefachen durch 2 Ge-
schosse.
An der Schuhstraßenseite 11 Gefache; Erdgeschoß auch hier ver-
ändert. Im 2. Obergeschoß hier und da Andreaskreuze erhalten. Balken-
köpfe wie an Vorderfront mit Diamantbuckel. Inschrift auf der Setz-
schwelle des 2. Obergeschosses lateinische Großbuchstaben:
ICK • WET • DAT • MIN • VORLOSER • LEVET • VNDE • HE • WERT •
DARNA • MIT • DVSSER • MINER • HVDT • VMME • GEVEN • WERDE •
VNDE • WERT • IN • MINE • FLESCH • GODT • SEN • VNDE • MIN • OGEN •
WERDEN • ENE • SCHAWEN • VNDE • NENE • ANDER • AMEN: JOB: 19.
Knochenhauerstraße 49:
Traufenhaus in Fachwerk, vielleicht 1574, Meistersignatur: M. H.,
4 Geschosse, 6 Gefache, Erdgeschoß verändert. 2., 3. Obergeschoß
und Traufe auf S-Konsolen vorgekragt. Füllhölzer nach Girlanden-
motiv. Im 3. Obergeschoß einwärts geschwungene Fußknaggen und
aufgenagelte Brüstungsleiste. Giebelerker von 2 Gefachen in der
Abb. 350 Frontmitte. Meisterzeichen am zweiten Pfosten von links im 3. Ober-
geschoß. Inschriften: Setzschwelle 3. Obergeschoß:
EL • SO • HEFT • GOT • DEWELT • GELEVET • DAT • HE • SINEN •
ENI GEN • SONE • GAF • VP • DAT • AL • DE • AN • EM • GELOVEN •
NICHT • VORLOREN • WOEREN. Setzschwelle 2. Obergeschoß:
516
Knochenhauerstraße
NA • DI • HERE • VORLANGET • MI • MIN • GODT • ICK • HOPE • VP •
DI ■ LAT • MI • NICHT • TO • SCHANDEN • WERDEN • PSALMO • 25.
Die dann folgende Jahreszahl ist aufgemalt und
bezieht sich auf die Rückfront (s. daselbst). Die
von Mithoff des weiteren mitgeteilte Inschrift:
Anno Domini 1574 woll Godt vortruwet De lieft
woll gebuwet. Help uns Godt alle Tidt Amen.
Ein Levendt, idt sie so gudt, alse idt wil, so w ,
gehört vielleicht zum Hause Nr. 47, das bis 185S
mit der Nummer 49 bezeichnet war.
(Knochenhauerstraße -19, Hofseite):
Hofseite, datiert 15(55. Erdgeschoß und Zwischen-
geschoß verändert. 2. Obergeschoß und Traufe
auf Konsolen vorgekragt, ähnlich Kaiserstraße 2.
Setzschwelle 2. Obergeschoß mit flachgeschnitztem
Rankenwerk und:
ANNO • DOM INI • ffi • CCCCC • L • XV.
Abb. 349.
Hannover;
Knochenhauerstraße 49,
Hol, Konsole.
Knoc h e n h a u e r s t r a ß e 51 :
Giebelhaus, Fachwerk, 1550 — 60; 3 Geschosse, 6 Gefache, 2. Ober-
geschoß und Giebelfuß mit Krallenkonsolen. Rriistungsfächer mit
Andreaskreuzen. Setzschwellen mit Halbrosettenfriesen. Art des
Meisters TG.
Knochenhauers traße 55: Seite der Kaiserstraße.
Fachwerk, um 1560, Art des T. G. ; Erdgeschoß und Zwischengeschoß
verändert. Obergeschoß und Traufe mit besonders geformten Krallen-
konsolen, wie sie an der Kaiserstraße mehrfach vorkommen.
Knochenhauerstraße 56:
Giebelhaus, Eckhaus Kaiserstraße, ganz überputzt seit 1888. 3 Geschosse
mit Halbgeschoß. Vorkragungen des 2. Obergeschosses und Giebel-
fußes. Gotisches Haus, um 1550 — 60.
Knoche n hauerstraß e 58 :
Soll unter Putzschicht Fachwerkfassade um 1560 verbergen.
Knochenhauerstraße 59 :
Traufenhaus, Fachwerk, Art des T. G., 1550 — 60, 4 Geschosse mit
Zwischengeschoß, 6 Gefache, 2. und 3. Obergeschoß und Traufe auf
Krallenkonsolen vorgekragt. Setzschwelle 3. Obergeschoß mit Ver- Abb. 351 u. 352
zierung aus verbundenen konzentrischen Halbkreisen; 2. Obergeschoß
mit unverbunden nebeneinandergesetzten Halbrosetten.
517
£
QJ
u
Q
L5
LJ
Knochenhauerstraße
Am Hinterhause Steintafel mit zwei Hausmarken, dazwischen H. (enni)
W. (isseis) und C. B. 1611. Obere Schwelle:
MATHEVS • AM • 6 • TRACHTET • AM • ERSTEN • NACH • DEM • REICH •
GOT[TES.]
Untere Schwelle unleserlich.
Abb. 352. Hannover; Knochenhauerstraße 59, Teilbild, l'hot. 1905.
Knochenhauerstraße 60:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1565 — 70, 4 Geschosse (mit Zwischen-
geschoß), 6 breite Gefache, 2. und 3. Obergeschoß auf Trommelkon-
519
Liste der Bürgerhäuser
solen vorgekragt. Füllhölzer mit Fruchtgirlandenmotiv nur unter
2. Obergeschoß erhalten. Fächerfries und Gardinenbogen. 2 Ge-
schosse um 1700 hinzugefügt.
Am Hinterhause über steinerner Tür :
1624 ■ FRANS • BARINCK • MAR-
GRETA • SCH
K nochenhauerstraße 61 :
Abb. 353 Traufenhaus, Mischbau, um 1620,
von ursprünglich 3 Geschossen. Meister
wahrscheinlich Hinrich Stunkel. Das
vierte Geschoß ist unter Beibehaltung
der alten Firsthöhe
aufgestockt. Die
beiden unteren Ge-
schosse sind massiv.
Abi). 334 Erdgeschoß stark
verändert ; nur von
der rechteckigen
Tür ist dereine Lei-
bungspfosten mit
Eierstab und Zahn-
schnitt in der Fa-
sung erhalten. Das
1. Obergeschoß ist
fast ganz in schmale
Fenster mit toska-
nischen Teilungs-
säulchen aufgelöst
und durch Friese,
Brüstungssims und
Lisenen gegliedert.
Das ursprünglich
einzige Fachwerk-
geschoß auf S-Konsolen vorgekragt, deren Stirn und Seitenflächen mit
Beschlagornament verziert sind. Füllhölzer mit Zahnschnitt und Perl-
stäben. Entsprechend ist die Vorkragung der ehemaligen Traufschwelle
behandelt. Zeichen des Zimmermeisters an einem Pfosten des gleichen
Geschosses in Kartusche, zurzeit unleserlich. Typischer Grundriß.
Treppe mit spindelförmigen Docken.
Inschrift an der Setzschwelle des alten Fachwerkgeschosses:
ES TRETEN FREVELZEVGEN AVF • Dil-: ZLIHEN MICH • DAS ICH
NICHT SCHVLDICH BIN • PSALM 35 •
Abb. 354.
Hannover; Knochen-
hauerstraße 61.
Grundriß.
Abb. 353.
Hannover; Knochenbauerstr. 61.
X., 1925.
520
Köbelingerstraße
Knochenhauerstraße 62:
Mischbau, vermutlich um 1560. Ursprünglich 3, später 4 Geschosse,
6 Gefache, Erdgeschoß und Zwischengeschoß massiv, 2. Obergeschoß
und ehemalige Traufe mit später verschalten Vorkragungen. Keine
Andreaskreuze.
Hinterhaus (Scheune), datiert 1542.
Seitenflügel von 1614 mit besonders schönem Renaissancefachwerk
nach Art des H. Beensen. 4 Geschosse, sichtbar 5 Gefache. Alle Ober-
geschosse auf Konsolen vorgekragt, Füllhölzer mit Eierstab und Zahn-
schnitt. Kanten der Schwellen mit gegürteten Rundstaben in den
Fasungen, Brüstungsleisten, Andreaskreuze.
Schwelle des 2. Obergeschosses:
JESAIAE • 28 • DES • HERN • RAHT ■ IST • WVNDERBARLICH • VND
FVHRET • ES • HER (lieh hinaus).
Schwelle des 1. Obergeschosses:
II-THIM • 6 • ES • IST • EIN • GROSSER • GEWIN • WEHR • GODT-
SELICH • IST • VND • LESSET • IHM • GENVGEN •
Rehm des Erdgeschosses:
PSALM • 37 • HOFFE • AWF • DEN • HERN • VND ■ TIDE • GVTES •
BLEIB • IM • LANDE •
Zweite Zeile:
UND • NEHRE • DICH • REDLICH l I DER • ICH • P. W.
folgen Namen der Erbauer; rechts:
ANNO DOM INI 1614.
Köbelingerstraße, s. Schiller-Lübben, mnd. Wörterbuch: Kavelinge
= Abteilung. Hier wohl als „Abzweigung" zu deuten.
Köbelingerstraße 4: abgebrochen.
Ursprünglich Stadtkommandantenhaus, laut Inschrift 1645 erbaut
(Hartmann, S. 263). Das aus 2 massiven Geschossen mit Mitteleinfahrt
und einem Fachwerkgeschosse bestehende Haus erhielt 1<S29 eine neue
Fassade durch Andreae und nahm beim Abbruch des Apothekenflügels
am Rathause die Batsapotheke auf (s. die Andreaesche Zeichnung).
Köbelingerstraße 9 :
Traufenhaus, Mischbau, angeblich 1645. 2 massive Geschosse, Ziegel
geputzt. Eckverzahnung usw. in Sandstein; ein Fachwerkgeschoß
von 7 Gefachen ohne Konsolen vorgekragt; 4Taufsims mit reichen
S-Konsolen. Erdgeschoß zuerst 1855, später wiederholt verändert.
Durchfahrt in der Frontmitte, rundbogige Umrahmung in Sandstein Abb. 355
mit Flachornament, Fasenverzierung in Eierstab und Zahnschnitt.
521
Liste der Bürgerhäuser
Tür mit Oberlicht und barock geschwungenem Losholz ist großenteils
;ilt. Geschoßteilung durch friesartige Bänder, auf denen abwechselnd
Rosetten, Löwenköpfe, Engelsköpfe angebracht sind. Fenster: in der
-k_
Abb. 355. Hannover; Köbelingerstraße 9, dreiteilige Dielentür. Aufgen. u. gez. D., 1912.
Mitte zwei einzelne, seitlich je ein gekuppeltes, mit Fenstersäulchen.
Abb. 356 Der Fries oberhalb der Fenster enthält Engelsköpfchen, Rosetten,
Diamanten.
522
Köbelingerstraße
Am Fachwerkgeschoß ist das Traufsims und seine Konsolen und Füll-
hölzer reich geschmückt (Verkröpfungen, Zahnschnitte, Eierstäbe).
Dach mit zwei die ganze I lausbreite einnehmenden, übereinander
angeordneten Aufklappgauben.
Abb. 356. Hannover; Köbelingerstraße 9. Phot. 1904.
Treppenanlage alt.
Abb. Denkmalpflege 1923, Heft 7—9, S. 130.
Köbelingerstraße 10: (s. Grundriß Abb 357).
523
Liste der Bürgerhäuser
Köbelingersl ra ße 1 1 :
Abb. 358 Giebelhaus, Fachwerk, erbaut 1536*), 3 Ge-
schosse (einschließlich Zwischengeschoß), 7 Ge-
lache, 2. Obergeschoß und Giebelfuß auf Krallen-
konsolen vorgekragt ; Giebel
in drei Geschossen, glattes
Erdgeschoß wiederholt ver-
ändert. Inschriften auf
Setzschwelle, Obergeschoß
und Giebelfuß; gotische
Kleinbuchstaben und Groß-
buchstaben:
fyov ftu wi)l bn bocb fcbcmc •
23n lat ue 5>iihc1ö profcffic
bctemc • 2Dolgccrifto • bnnetn
beten 23nber fmte banevc
voil bn lere batnsfnn fvuftjc
onbe ft)tt bot • 6n ftr>avc
Inbent onbe fnne uninbcn vot.
Hierzu vgl. Inschrift Ernst-
August-Straße 2, Seite der
Rademacherstraße.
[2ßolj beut be bar butoe op
bc bere • 33nbc fr>clf oä ben befpottere afferc. 33ortrutt>et gobt.
bev 2ubc fyot. ftanftu bavaucr bat frufc nnebt entgä. ©ebe
o5 gäbe bat ewige leuet roirft ctfä.
(Vgl. Inschrift Kreuzstraße 6.)
Köbelingerstraß'e 12:
Giebelhaus, um 1600, Massivbau, Ziegel geputzt, Eckverzahnung,
Fensterumrahmungen, Simse, Lisenen, Zier in Sandstein. 3 Geschosse.
Erdgeschoß verändert, Giebel in 3 Geschossen mit Abtreppungen und
Geschoßteilungen durch friesartige Bandsimse. Giebelansatz seitlich aus-
kragend. Lisenenteilung (im untersten Giebelgeschoß 1861 beseitigt). Ab-
treppungen mit Volutenfüllungen, die übereinstimmen mit Osterstraße 73
von 1600. Obelisken fehlen heute, ebenso Wetterfahne der Giebelspitze.
Abbildung bei Galland, Tafel 26.
Köbelingerstraße 17:
Fachwerkhaus mit Giebelerker, 1639; 2 Geschosse, 5 Achsen, Erd-
Abb. 358.
Hannover; Köbelingerstr. 11
33oracbtet
efe bat bu
Abb. 35(1
*) Diele ungefähr im ursprünglichen Zustand wiederhergestellt. Hofflügel.
Erbauer: Barnstorf, (16)19, s. H. G. 1924, S. 98.
524
Köbelingerstraße
geschoß verändert. Obergeschoß vorgekragt über durchgehobeltem
Sims. An der Setzschwelle ANNO • DOMINI • MDCXXXIX.
Traufsims klassizistisch. .
Köbelingerstraße 27:
Giebelhaus, massiv in Ziegeln
mit Sandsteinverwendung, um
1590; 3 Geschosse. Erdgeschoß
ganz verändert 1827. Damals
waren rundbogige Durchfahrt
links und zwei sandsteinum-
rahmte, rechteckige Fenster
rechts. Die geschoßteilenden
Sandsteinsimse 1802 zum Teil
entfernt. Im Giebel schießen
die Simse durch das Decksims
der Giebelschräge hindurch.
Giebelbekrönung durch Zirbel-
nuß.
Hof, Quergebäude, Fachwerk,
1635, Meister Dierich Stunkel.
3 Geschosse, 7 Gefache, an der
Stadtseite sichtbar nur 3 Ge-
schosse. Durchfahrt hier rund-
bogig in Stein, an der Masch-
seite flachbogig in Holz. Im
Zwickel der steinernen Umrah-
mung Allianzwappen und 1035
m
JOHANNES
WILCKEN
C.ATHARINA
HALSBANT
Traufsims mit Konsolen, die in
Einzelheiten des Schmuckes
untereinander verschieden sind.
Meisterzeichen an einem Pfosten
in Kartusche M. D. S. mit Em-
blemen. Schwelleninschriften
hochdeutsch in lateinischen
Großbuchstaben.
— — — =— — ~ ~ — =— — —
i - r "j -i
i [ \ |
! 'i '
i 1 i 1
-
H
Abb. 359. Hannover; Köbelingerstraße 12. Das
Erdgeschoß ist im Zustande vor 1855, das Giebel-
fußgeschoß im Zustande vor 1861 dargestellt. Obe-
lisken ergänzt ; Giebelbekrönung ist etwa mit Obelisk
oder mit Wetterfahne zu denken. N., 1925.
Oben:
EWIGE • EREVDE ODER PEIN • WIRD YNSER ALLER LONVNG SEN
Unten :
WER GOT VERTRAVT • HAT WOLGEBAVT • IM HIMEL • VNT AVF
ERDEN.
525
Liste der Bürgerhäuser
Abb. :«'><>. Hannover; Köbelingerstraße 27, zweiter Hol. Phot. M.B.A., 1928.
526
Köbelingerstraße
Die Maschseite des Hauses ist besonders malerisch; offene Laube im Abb. 360
2. Übergeschoß. Schwelleninschriften mit Ideogrammen:
DES MENSCHEN » IN jg) GEHT • WENS MITTEN VNTERM f STEHT •
DAS f IST SCHWER DAS GLVCK IST (iVHT • TRVBSAL DIE ®
BRINGEN THVT. (Wappenspruch Martin Luthers).
RES VATERS SEGEN • RAVWET • DEN KINDERN • HEVSER • ABER
DER MVTTER FLVCH REISSET SIE • NIEDER • ANNO ■ 1 • 6 • 3 • 5.
Über der Durchfahrt:
DER • HERDVRCHDER • ENGEL
GANG BEWAHR.
SCHAR • ME1NEEINVNDAYS-
Köbelingerstraße 28:
Giebelhaus, Fachwerk, vielleicht um 1580, besonderer Meister; 3 Ge-
schosse, 5 Gefache, Giebel in 2 Geschossen. Die Untergeschosse ver-
ändert. Vorgekragt sind 2. Obergeschoß, Giebelfuß und Giebelgeschosse;
S-Konsolen alt, jedoch neu am Giebel. Füllhölzer nur am Giebelfuß
mit doppelt übereinander angeordneter Rundstabprofilierung. Im
Giebel drehstabartige Brüstungsleisten vorgenagelt. Füllholz in der
Giebelspitze mit Zahnschnitt. Spitzendreieck. gefüllt mit Halbrosetten;
ungewöhnlich für Hannover. Schräggestellte Konsolen.
Unter dem 1. Obergeschoß Zierkonsolen, Rokoko.
Köbelingerstraße 29: abgebrochen 1891.
Das Haus war von Erasmus von Berkhusen gebaut, eine Abbildung
aus dem Jahre 1846 bringt Mithoff (Arch., Tafel XVIII); außerdem
H. G. 1915, S. 526. Mithoffs Lesung der Wappenbeischrift MCCCCCI
scheint zu lesen zu sein MCCCCCL. Zweigeschossiges Giebelhaus, ur-
sprünglich mit Zwischengeschoß; vierstufiger Treppengiebel mit spitz-
bogigen Blendnischen und spitzbogigen Fenstern; diese zu Mithoffs
Zeiten schon verändert. Eine hohe spitzbogige Durchfahrt lag in flach-
geschlossener Blendnische.
Abb. 361 a.
Eine glasierte Ritterfigur (hl. Mau-
ritius?), die angeblich im Giebel
gestanden hat, ist jetzt am Leibniz-
hause, Hofseite, eingelassen. Die
Jahresinschrift war, auf zwei
Wappensteine verteilt, unter dem
Friese des 1. Obergeschosses links
angebracht, rechts entsprach ihr
eine Platte mit Hausmarke.
Abb. 361b.
527
Liste der Bürgerhäuser
Köbelingerstraße 30/31: abgebrochen 1889.
Traufenhaus, Mischbau, 1023; Meister H. S. Erdgeschoß und niedriges
1. Obergeschoß in Sandstein; zwei Fachwerkgeschosse - davon das
obere später - mit 9 Gefachen. Giebelerker von 5 Gefachen über der
Frontmitte. Erdgeschoß verändert. Wahrscheinlich hatten die Türen
geraden Sturz. Geometrischer Gurtfries unterhalb des 1. Übergeschosses
entsprach dem des Hauses Knochenhauerstraße 61. Fläche des 1. Ober-
geschosses fast ganz aufgelöst in Fenster, die zu 3, 2, 2, 3 gekuppelt
und mit Säulchen ausgestattet waren. Fachwerkaufbau auf S-Kon-
solen vorgekragt; auch unter dem ursprünglichen Traufsims waren
solche. Füllhölzer reich mit Eierstab und Zahnschnitt.
Die Jahreszahl 1622 soll am massiven und am Fachwerkteil gestanden
haben; außerdem an einem Pfosten: M. H. S. Hinrich Stunkel, wie er
sich Kramerstraße 16 nennt, ist als hannoverscher Bürger nachweis-
bar 1623-27. (Vgl. H. G. 1914, S. 253.)
Köbelingerstraße 33: abgebrochen um 1889.
Traufenhaus, Mischbau um 1620. 2 massive Geschosse, 2 in Fachwerk
auf Konsolen vorgekragte Geschosse. Aufnahme von C. Saß aus dem
Jahre 1840 im Stadtarchiv.
Köbelingerstraße 37:
Traufenhaus, Fachwerk um 1595; 4 Geschosse, 4 Gefache; 2. und 3. Ober-
geschoß vorgekragt, davon das 3. auf S-Konsolen. Füllhölzer nicht
erhalten.
Köbelingerstraße 39 :
Traufenhaus, Mischbau, Meister H. P.
= Hinrich Pape, um 1625, Bildhauer-
schmuck. 2 Geschosse in Ziegeln,
geputzt; Eckverzahnungen usw. in
Sandstein; ursprünglich nur ein vor-
gekragtes Fachwerkgeschoß. 1870 ist
Abb. 362 ein zweites aufgesetzt. Erdgeschoß
verändert, Mitteldurchfahrt rund-
bogig, Schlußstein mit Engelskopf,
Fasenverzierung in Eierstab und
Zahnschnitt. Das Meisterzeichen am
rechten Pfosten (s. Verz.). Dasselbe
Zeichen mit den Buchstaben H. P.
am Ziegelobergeschoß. Die ehemalige
Geschoßteilungen durch Simse und
Fries an Spuren erkennbar. Fenster
Abb. 362.
Hannover; Köbelingerstraße 39,
Grundriß.
528
Kommandanturstraße
verändert. Unter dem Fachwerkgeschoß Konsolenreste vorhanden;
Fenster zu 3 X 2 gepaart.
Hof-Seitengebäude Fachwerk mit reichen Vorkragungen in der Art
des Meisters Hinrich Stunkel oder vom gleichen Meister.
Köbelingerstraße 46:
Traufenhaus, Fachwerk, Neubau nach 1536 in der Art Arnd Hagemanns,
4 Geschosse, 4 Gefache, 2. und 3. Obergeschoß weit vorgekragt. Krallen-
konsolen. Setzschwelle des 2. Obergeschosses mit Inschrift in gotischen
Kleinbuchstaben mit Großbuchstaben, schwer leserlich:
SIcenmcbman Dam anbete fprtct't Befrachte bc n?abt em fwlucft gebrtebt
£>e ftpccjc tvol fülle unbc febe t>ä nemanbe nnd)t.
Schmiedeamtshaus seit 1665.
Köbelingerstraße 50:
Eckhaus zur Schulstraße, Fachwerk, 1802. Haustür bemerkenswert.
Die Häuser: Schoßregister Köbelingerstraße 8, Marktstraße 69 und 68
wurden 1754 zum Sozietätsbrauhause eingerichtet; Köbelingerstraße 8
mit dem an der Köbelingerstraße belegenen Teil von Marktstraße 68 im
Jahre 1802 zur Stadttöchterschule umgebaut; seitdem die Bullenstraße
den Namen Schulstraße erhalten hat.
Köbelingerstraße 56/57: abgebrochen 1887.
Zwei Fachwerkhäuser, 1585, von gleicher Art. Nach H. G. 1914, S. 218
mit der Inschrift: Wenn du in diner Joget nicht sammelst, wat wultu
im older finden (vgl. Inschrift Leinstraße 8).
Königstraße 50 A:
Wohnhaus, Putzbau, 1858 durch Rasch erbaut.
Königstraße 51:
Wohnhaus, Putzbau, 1859 durch Rasch erbaut (s. Zs. d. Arch.- u. Ing.-
Vs. 1860, S. 159).
Königsworther Platz 2:
Wohnhaus Ilsemann, 1823 von Hellner erbaut, heute ganz verändert.
Fassadenzeichnungen von Hellner und spätere Photographien im Abb. 363
Stadtarchiv.
Kommandanturstraße 1:
Fachwerkhaus, ursprünglich 1660 — 90, verändert um 1730 — 40,
3 Geschosse, 3 Achsen, segmentförmige Fenster, Mansardendach,
Giebelerker, Rokokotür mit Oberlicht. Tür einflügelig.
Abb. 364.
34 529
Liste der Bürgerhäuser
Kramerstraße 4:
Über der ehemaligen Einfahrt:
ANNO 1054 CURDT HOSENHAGEN.
Die Wüstefeld- Inschriftensammlung (im Stadtarchiv) verzeichnet das
Meisterzeichen M. A. S. (Adrian Siemerding?)
Kramerstraße 6:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1590, mit späterem obersten Geschoß und
Zwerggiebel, ursprünglich 3 Geschosse, 1 Gefache. Vorkragung des
ehemaligen Traufsimses auf S- Konsolen. Neubau des Hans Busse
nach 1589.
Kramerstraße 7:
Giebelhaus, Fachwerk, 1552, Art des T. G. (Tileke Gering), 4 Geschosse,
9 Gefache, Giebel in 3 Geschossen, 2. und 3. Obergeschoß auf Krallen-
konsolen vorgekragt, Konsolen zumeist erhalten, Giebel glatt. Im
2, Obergeschoß Andreaskreuze. Setzschwelle des 2. und 3. Obergeschosses
Uc/kUx*
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Abb. 363. Hannover; Königsworther Platz 2. Entwurfszeichnung von Hellner, 1823.
530
Kramerstraße
mit Fries von Halbrosetten und Zwickelblättern. Aufgemalte Inschrift
ANNO 1552 stimmt überein mit früher in der Diele eingeschnitzt
gewesener. Kellergewölbe ursprünglich.
Abb. 364. Hannover; Konimandanturstraße 1,
zweiflügelige Haustür. Aufgen. u. gez. D., 1912.
Kramerstraße 12:
Fachwerkhaus, 1 680 — 1 700, 4 Geschosse, 5 Gefache, 2. und 3. Obergeschoß
mit Vorkragungen, Balkenköpfe sichtbar und den Füllhölzern gleich
profiliert. Andreaskreuze.
Haustür Spätbarock.
Kramerstraße 16:
Traufenhaus, Fachwerk, 1620 — 30, Meister Hinrich Stunkel, 4 Geschosse,
ursprünglich 6 Gefache. 2. Obergeschoß hat in der Vorkragung keine
Konsolen mehr, weil Fachteilung geändert. Ebenso fehlen am 3. Ober-
geschoß Konsolen. Nur am Traufsims sind über der alten Facheinteilung
531
Liste der Bürgerhäuser
Abb, 365 S-Konsolen. Füllhölzer mit Eierstab, Perlschnur und andere Schnur-
profile. Rahm nii l Zahnschnitt. Im gleichen Geschoß Andreaskreuze.
Am Mittelpfosten Meistername voll ausgeschrieben über Emblemen.
Windenerker, 1 Gefach breit, mit Konsolen.
Abb. 365. Hannover; Kramerstraße 10. Teilbild. Phot. 1905.
Inschriften auf allen drei Schwellen hochdeutsch in lateinischen Groß-
buchstaben.
Trauf schwelle :
ACH GOT • WIE • GEHT • DAS • IMER • ZV DAS DIE MICH HASSEN
DEN ICH • NICHT THV • MICH • VERGÖNNEN • AVCH NICHTS • GE[B]N
NOCH • MVSSEN SIE • LEIDEN • DAS ICH • LE[B]E
532
Kramerstraße
Setzschwelle 3. Obergeschoß:
GOT • DER HERRE • WEIS • HVLF • VNT • RAHT • WEN MENSCHEN •
HVLF • EIN • ENDE • HAT
Setzschwelle 2. Obergeschoß:
MENSCHEN • GVNST • IST • GANS • VMSVNST • AN • GOTTES • SEGEN •
IST • ALLES • GELEGEN.
Kramerstraße 17: abgebrochen 1907.
Das Haus war von dem Kantor Andreas Kroppe - erstes Drittel
des 17. Jahrhunderts — erbaut.
Schwelle des 2. Obergeschosses: Großbuchstaben auf vertieftem Grunde:
MIT • GODT • VND • VILER • FREVNDE • GYN ST • VND • HVLF • DER •
EDLEN • MVSIC • KVNST • DIS • HAVS • VON • NEW • IST • VFGERAWET •
GANTZ • WOL • DER • RAWET • DER • GODT • VERTRAWET.
Darunter einfache Balkenköpfe mit geschnitzten Rundstäben auf
einfachen geschnitzten Renaissancekonsoleu. Zwischen den Balken-
köpfen geschnitzte Füllhölzer.
Schwelle des 3. Geschosses: glatt, darunter Balkenköpfe, Konsolen und
Füllhölzer wie vorher.
Kramerstraße 18:
Fachwerkhaus um 1650. 5 Geschosse, 5 Gefache. Doppelpfosten ohne
Querriegel. Meisterinschrift M. D. S. mit Emblemen (Dirick Stünckel).
Kramerstraße 19:
Fachwerkhaus um 1665. 4 Geschosse, 6 -Gefache. Vielleicht gehört
hierher der Inschriftrest, den Mithoff (Kdm. S. 94) überliefert:
RVTA VIRET FLORENTQVE ROSAE SEDTEMPVS VTRVMQVE .
Kramerstraße 20:
Traufenhaus, Fachwerk, etwa 1594 erbaut. Art des C. H. 4 Geschosse,
4 Gefache. Vorkragungen des 2. Obergeschosses, 3. Obergeschosses und
der Traufe auf S-Konsolen. Füllhölzer mit Girlandenmotiv.
Setzschwelle des 2. Obergeschosses mit Inschrift, hochdeutsch in
lateinischen Großbuchstaben.
REWAR • DIS • HAUS • UND • G [ib o Gott allen denen Deinen
Segen die da gehen ein und aus]. (Ergänzt nach Leonhardt in H. G.
1924, S. 108.)
Kramerstraße 22:
Traufenhaus, Fachwerk, 4 Geschosse, 6 Gefache. Vorkragungen vom
2. Obergeschoß an. Fußstreben in jedem Brüstungsgefache. Meister-
zeichen am Mittelpfosten des 2. Obergeschosses M • C • H • S •
Das Haus ist 1664 für Moritz Duve gebaut.
533
Liste der Bürgerhäuser
Am Kreuz kirchhof:
Abb. 366 Pfarrhaus, abgebrochen 1867. Fachwerkhaus von 1579.
Die Baurechnungen weisen nach als Lieferanten des Fachwerkes den
Sägemüller Hans Müller, als Maurermeister den Dirik Berndes und als
Abb. 366. Hannover; Am Kreuzkirchhof, altes Pfarrhaus, abgebrochen 1867.
Druckstock H. G.
den Verfertiger von 64 Kopfbändern, 30 Füllhölzern und ,,27 Ellen
Bokstaven" den Schottilier Ludeke Prekel.
Andreaskreuze, bunte Ziegelausmauerung. Große Einfahrt. Inschrift
nach H. G. 1914, S. 205:
WER MIT CHRISTO EWICH WIL LEREN VND ERREN / DER MVS
MIT IME AVCH ZEITLICH LEIDEN VND STERREN. / WER DIE CRONEN
DER HERLICHEN WIL ERREICHEN VND RESITZEN / DER MVES
SICH CHRISTI DORNECRON LASSEN STECHEN VND RITZEN.
534
Kreuzstraße
Kreuzstraße 3/4:
Traufenhaus, Doppelhaus, Fachwerk 1661, Meister Hinrich Lussenhop.
Sandsteinsockel mit abgefaßter Oberkante. 2. Obergeschoß vorgekragt,
Balkenköpfe gleich den Füllhölzern profiliert. Rahm auch mit Pro-
filierung. Fußstreben in beiden Obergeschossen. An einem Pfosten
des Hauses Nr. 4 Kartusche mit Zimmermannsemblemen und darüber:
M. H. L. Türsturz von Nr. 3 trägt die Datierung: ANNO 1661.
Das Haus war 2. Pfarre der Kreuzkirche (s. darüber H. G. 1914, S. 284).
Spruch über der Tür des Konfirmandensaales: Verflucht sei, wer des
Herren Werk lässig tue.
Kreuzstraße 5: Hokenamtshaus.
Traufenhaus, Fachwerk, wohl 1546 vom Ratszimmermeister Amt
Hagemann. 3 Geschosse (Zwischengeschoß), 5 Gefache, Erdgeschoß
verändert. Über der rechteckigen Mitteltür (ursprünglich am Hinter-
hause) das Hokenamtswappen von 1649 von Meister Ludolf Witte Abb. 465, Seite 655
(Schuchhardt, Hannoversche Bildhauer der Renaissance, S. 1 10). 2. Ober-
geschoß und Traufe auf Konkavkonsolen vorgekragt, gerade Fuß-
streben. Inschrift auf der Setzschwelle des vorgekragten Geschosses
schlecht restauriert:
tool mit be grunbtlttcn toarbcit i i boren. 33nbe be toerlbt mnt
ber u>arbei)t roren. 5>c fumpt mt angst namer onbe nobt. 93nbe mach
od entlieh barummc üben ben bobt.
Das Hofhaus von 1577 s. unter: Gildenhäuser.
Kreuzstraße 6:
Traufenhaus, Fachwerk, erbaut 1546 (n. Leonh.), Meister T. G., 3 Ge-
schosse, 7 Gefache, 2. Obergeschoß und Traufe auf Krallenkonsolen
vorgekragt. Setzschwelle 2. Obergeschoß mit Inschrift in gotischen
Kleinbuchstaben mit Großbuchstaben:
93ortrut»et gobt • ooraebtet ber habe fpot • 3Bol beme bc bar butoet op ben
bereit • 93ttbc fntf oan ben befpotteren öfteren ■ 2Bentc got toerbt crem t>ufc
geuen • 33nbe na buffer tqbt bat etongbe leuenbt •
Meisterzeichen T G zwischen Richtscheit und Axt.
Kreuzstraße 8:
Traufenhaus, Fachwerk, erbaut 1553 (nach Dr. Leonhardt). Fassade
um 1850 überputzt und modernisiert. Konkavkonsolen. Nach Wüste-
feld von Meister T. G. mit Inschrift (nicht mehr vorhanden) in gotischen
Kleinbuchstaben :
gruebte gobt fo maa) bn gelnngcn t»nbe tbu bn von allen bolen bongen
nnd)t funbnge noeb t>cntclr>df oftc offenbar be b^e fc T. G
Kreuzstraße 9:
Traufenhaus, Fachwerk, vielleicht 1555; Meister TG. 3 Geschosse,
535
Liste der Bürgerhäuser
1 Gefache. 2. Obergeschoß und Traufe auf Krallenkonsolen vorgekragt;
Fußstreben auswärts geschwungen. Setzschwellen 2. Obergeschoß und
Traufschwelle mit Halbrosettenfriesen. Meisterbezeichnung TG. auf
der Setzschwelle rechts am Ende.
Kreuzstraße 10:
Fachwerkhaus, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, ähnlich wie Kreuzstraße 7.
Schneideramtshaus seit 1640. Auf dem Hofe Amtswappen in Stein von 1669.
Kreuzstraße 11:
Traufenhaus, Faclvwerk um 1580. 3 Geschosse, 7 Gefache, Erdgeschoß
verändert. 2. Obergeschoß und Traufsims auf S-Konsolen ausladend.
Andreaskreuze in beiden Obergeschossen. 2. Obergeschoß hat noch
alte Fenster. Inschrift auf der Setzschwelle des 2. Obergeschosses in
lateinischen Großbuchstaben, niederdeutsch:
PSAL • XXXI • GELOVET • SI • DE • HERE • DAT • HE • HEFFT • EINE •
WVNDERLIKE • GVDE • MI • BEWEISEN • IN • EINER • VASTEN •
STADT • V • D • M • I • JE ■*).
Außerdem, nicht mehr vor-
handen, nach Leonhardt,
H. G. 1921, S. 79, TOBIE •
AM -4.22- WI -WERDEN-
VELE ■ GVDES • HEBBEN •
SO • WI • 60DT • FRVCH-
TEN • DE • SVNDE • VOR-
MIDEN • VND • GVTHES •
THVN.
S. auch Mithoff, Kdm.S. 91.
Haustür um 1750. Winden-
erker.
Landschaftsstraße 3 (Ge-
werbeverein):
Haus der bayerischen Ge-
sandten (bis 1866).
Lange Straße 2:
Fachwerkhaus, jetzt über-
putzt und gequadert. 4 Ge-
schosse, 9 Gefache, stark
verändert, s. die Abbildung
in „Freudenbezeugungen".
Abb. 36? Holztreppe im Innern mit flach erhabenem Zierwerk des Spätrokoko.
Abb. 367
Hannover; Lange Straße 2, Treppengeländer.
Phot. Stadtbauamt, 1923.
*) V • D • M • I • JE = Verbum Domini Manet In Aeternum.
536
Lange Straße
Lange Straße 3 und 4:
Fachwerkhäuser, dem folgenden ähnlich. Giebelpfahl auf dem Erker
bei Nr. 3.
Lange Straße 5:
Fachwerkhaus, überputzt; um 1660; 3 Geschosse (Erdgeschoß ver-
ändert), 5 Gefache. Starke Vorkragungen, später verschalt. Geschosse
niedrig. Dacherker mit Giebel, 3 Gefache. Mitteltür Empire, zweiteilig.
Lange Straße 8:
Fachwerkhaus, ursprünglich von 1674 laut Inschrift. Zwei Obergeschosse
von 6 Achsen, Mitte des 18.. Jahrhunderts geändert; Doppelpfosten; gleich-
zeitige Erweiterung des Hauses
nach links um 4 Achsen bei 4 Ge-
schossen mit Mansardendach.
Vom alten Hause ist die Haus-
tür links erhalten mit barockem
Sturzgebälk und Voluten und he-
bräischer Inschrift, Z}v_: b~'£ ,,Viel
v v v
Gutes!", ptü Nr ai rb~n rro
„Durch diese Tür trete kein Un-
gemach !"
Die hervorgehobenen
Buchstaben bezeichnen als Zah-
len das Jahr (5)434 der jüdischen
Zeitrechnung = 1674. Treppe
zurückliegend. Ebenfalls vom
alten Zustande rührt der Mittel-
erker mit Windengiebel und
Giebelpfahl. Diele mit alter
Holztreppe. Das Grundstück
geht bis zur Neuen Straße
durch; der Gebäudegrundriß
umschließt einen Hof mit Durch-
fahrt von dieser Straße her.
Lange Straße 27: Marschners
Wohnhaus.
Fachwerkhaus, Mitte des 18. Jahr-
hunderts; 3 Geschosse, ! Achsen,
Mansardendach. Keine Vor-
kragungen und Verschalungen.
Segmentbogige Sturzsimse über-
all. Haustür Empire mit vor-
tretender Freitreppe.
Abb. 368. Hannover; Lange Straße 28, Zweiflügel-
Haustür. Aufgen. u. gez. D., 1912.
537
Liste der Bürgerhäuser
Lange Straße 28:
Fachwerkhaus, Mitte des 1«S. Jahrhunderts, dem vorigen entsprechend.
Haustür, Abb. 368.
Lange Straße 30.
Am Hofgebäude Zimmermannszeichen, vergleiche Calenberger Straße 20.
Lange Straße 37:
Fachwerkhaus, 1 Geschosse, 5 Gefache, 1700. Profil von Balkenköpfen
und Füllhölzern ans abgesetztem Wulst und Kehle. Rahm birn-
stabartig profiliert. Über dem Türsturz:
IOHAN • ERNST • OLTMAN
ILSE • DOROTHEA 1700.
Lange Straße 42:
Fachwerkhaus, erstes Viertel des 18. Jahrhunderts, 4 Geschosse, 3 Ge-
fache, Haustür mit Oberlicht; s.Abbildung bei Ebel, a.a.O., Tafel 4.
Lange Straße 52:
Fachwerkhaus, Ecke Bergstraße, um 1660 — 70, 4 Geschosse, 6 Gefache.
Vorkragungen später gesimsartig verschalt.
Lange Straße 55:
Fachwerkhaus, zweites Viertel des 18. Jahrhunderts, 5 Geschosse,
4 Achsen, geschwungene Sturzsimse. Tür abgebildet bei Ebel, Text-
abbildung 6, S. 38. '
Lange Straße 57:
Eckhaus zur Poststraße, Fachwerk, ursprünglich drei, jetzt vier Ge-
schosse. Duvezeit. Alle Gefache mit Fenstern und Fußstreben. Vor-
kragungen mit weit hervortretenden Balkenköpfen. Keine Konsolen.
Leibnizstraße 12:
Überputztes Fachwerkhaus mit Empiretür in der Mittelachse.
Leibnizstraße 15:
Fachwerkhaus mit Mansardendach. Haustür links. Abbildung bei
Ebel, a. a. O., Tafel 4.
Leinstraße :
Hausbuchbezeichnung 106a/274. Wintheimsches Haus, abgebrochen bei
Anlage des Schloßopernhauses. Backsteinhaus der jüngeren Gruppe.
Das Wintheimsche Haus neben dem Leineschloß an der Leinstraße
(H. G. 1924, S. 49, Melchior von Wintheim seit 1542) wurde 1686
von einem Nachkommen gleichen Namens an den Herzog Ernst August
verkauft. Den älteren Zustand zeigt Zeuners Abbildung, den späteren
eine rekonstruierende Lithogiaphie W. Kretschmers: „Das Schloß zu
Hannover im 17. Jahrhundert". Original von Kretschmer im Familien-
museum, Herrenhausen.
538
Leinstraße
Haus der Väter.
Ursprünglich das Haus vor der nördlichen Ecke an der Clickmolen-
strate. 1801 kam die Häuserreihe bis zum Opernhaus in Besitz der
BlMi J J
Abb. :5<;i). Hannover; Leinstraße. Das Haus der Väte
Aufriß nach Aufnahme von Laves.
Krone, die deren Niederreißuno plante. Als 1836 der Abbruch drohend
wurde, rief der Arzt und Poet Dr. Willi. Blumenhagen (1781—1839)
durch einen im Vaterländischen Archiv für 1839 veröffentlichten Aufsatz
539
Liste der Bürgerhäuser
Mitbürger zum Schutze der dem Untergange geweihten Denkmäler auf.
Seitdem wird das Haus nach der Überschrift jenes Aufsatzes „Haus der
Väter" genannt. Der Dichter hatte ihm im Aufsätze den Namen
„Zauberburg" gegeben.
Aus den Kalk- und Ziegelrechnungen der Stadt ist zu entnehmen, daß der
Amtmann Dietrich von Änderten (f 1619), der seit 1617 als Abnehmer
Abb. 370. Hannover; Haus der Väter. Giebelbekrönung des an der Langen Laube
wieder aufgebauten Hauses. Die Zusammensetzung stimmt mit der ursprünglichen
nicht überein. Vgl. die Aufnahme von Laves.
von Kalkziegeln erscheint, den Bau der Seitenflügel aufführte und
vollendete (Leonhardt, H. G. 1924, S. 138). Seit 1622 erst scheint das
Hauptgebäude durch Ludolf von Änderten ausgeführt, aber erst ab-
geschlossen zu sein durch seinen Schwiegersohn Dr. Georg Türcke
gegen Ostern 1624. Am Hofflügel las Mithoff noch die Jahreszahl 1619.
Das jetzt über dem Hauptportal angebrachte Steinmetzzeichen mit
den Buchstaben M. I. P. ist das des Batsmaurermeisters Joachim Pape,
540
Leinstraße
der Ostern 1624 bereits verstorben war, bis dahin aber als führender
Meister in den Lohnrechnungen des Rates erscheint.
Das Haus ist 1852 zur Freilegung des Schlosses abgebrochen. Es war Abb. 369
ein Staffelgiebelhaus: Schauseite aus Ziegel, verputzt, Hausteinver-
wendung an Sockel, Eckverzahnung, Gewänden, Simsen und Schmuck-
teilen. 1 Geschosse, Giebel in 4 Geschossen gestaffelt; Achsenteilung
des Giebels gegen die der Hauptgeschosse verschoben. Erdgeschoß
mit zwei rundbogigen Einfahrten; Zwischengeschoß und hohes
Wohngeschoß. Geschoßteilungen durch Ornamentfriese, teilweise
figürlich. Fenster, meist zu zweien, die seitlichen im Zwischengeschoß
und 2. Obergeschoß auch zu vieren gekuppelt. Fensterteilungen
(Hermenkaryatiden) in den Brüstungsfeldern durch schmale Lisenen
fortgesetzt. Giebel senkrecht aufgeteilt durch wechselnd breitere und
schmälere Lisenen, diese in hoher Plastik ornamentiert. Staffelzwickel
paarweise gefüllt durch Löwenfiguren, Fischweibchen, Delphine. Auf
den Staffelenden und als Giebelbekrönung Kriegergestalten in antiker
Tracht. Ein Holzerker war mit 5 Seiten in flacher Ausbuchtung über
der linken Seiteneinfahrt herausgebaut. Die Brüstungsfelder eines
seiner beiden Geschosse waren mit geschnitzten Holztafeln versehen,
die fünf Sinne darstellend. Vier davon sind Lange Laube 3 als Tür-
füllungen eingesetzt.
Diese Fassade ist 1852 beim Bau des Wohnhauses für den Maler
Professor Oesterley an der Langen Laube Nr. 3 verwendet. Die Teile
des alten Giebels wurden hier beim Aufbau von drei Giebelchen an Abb. 370
dem damals noch freistehende}) Hause auseinandergezogen. Einzelne
Schmuckteile gelangten ins Leibnizhaus. Die Bauausführung geschah
nach Mithoffs Rissen und unter seiner Überwachung.
Über dem Hauptportal ist die ursprünglich an anderer
Stelle befindliche Meisterinschrift M. I. P.*) mit da-
zwischengeschobener Hausmarke wieder angebracht.
Der dem Hause Lange Laube 3 vorgesetzte Hausteinerker stammt vom
Hause Schmiedestraße 29, wo er 1621 vorgesetzt worden war. 1852,
beim Abbruch dieses Hauses, wurde er von Oesterley erworben. Zwei
Geschosse - - durch Einfügung eines Zwischengliedes mit den Geschoß-
höhen des „Haus der Väter" zusammengestimmt; ursprünglich auch ohne
den Abschluß durch Dreiecksgiebel. Beide Geschosse mit vierfach ge-
kuppelten Fenstern: unten weibliche Gestalten als Karyatiden an den
Fenstersäulchen. oben Putten. Brüstung des Obergeschosses durch
puttengeschmückte Lisenen in Felder geteilt mit Reliefs: Aer, Terra,
Aqua, Ignis und den Wappen v. Anderten-Bessel. Im oberen Friese
die Jahreszahl ANNO 1621. Schmiedeeiserne Tür am Seiteneingang,
►) H. G. 1929, S. 63, Nr. 57.
541
Liste der Bürgerhäuser
DD
DD
DD
DD
DD
DD
DD DD
DD DD
DO DD
Abb. 371. Hannover; Leinstraße 3. Zustand von 1841.
Aufgen. D. u. N., 1925. Gez. D.
1852 einem Gartenbesitzer an der Adolfstraße abgekauft, 17. Jahr-
hundert, s. Liier u. Creutz, Geschichte der Metallkunst. E., S. 153.
Von der Holzausstattung der Marktkirche erwarb Oesterley „vier
Fuder" und verwandte sie in der Innenausstattung. Vgl. Zs. d. bist.
Vereins f. Niedersachsen 1893, S. 368.
542
Leinstraße
Lein straße 3:
Giebelhaus, massiv in Ziegeln mit Sandsteinverwendung, um 1610. Abb. 371
3 Geschosse bei 4 Achsen, links zweiachsiger Erker vorgezogen. Giebel
mit 3 Geschossen. Erdgeschoß verändert; rundbogige Durchfahrt
Abb. 372. Hannover; Leinstraße 3. Phot. 1901.
rechts, ist 1841 beseitigt. Fenster rechteckig in Sandstein umrahmt.
Giebel mit Geschoßteilungen durch Friese, ist in Stufen abgesetzt und Abb. 372
durch diamantbesetzte Lisenen senkrecht aufgeteilt. Fenster ohne
Verwendung von Säulchen. Die Stufenzwickel des Giebels sind mit
543
Liste der Bürgerhäuser
spiralig geschwungenem und schuppenversehenem, teilweise figürlichem
Schnörkelwerk gefülH (in der unteren Staffel Fischmann und Fisch-
weibehen). Außerdem sind Obelisken fialenartig verwendet.
Leinstraße 8: (Höltys Wohn- und Sterbestätte).
Traufenhaus, Fachwerk, 1592. 4 Geschosse, 4 Gefache. Erdgeschoß
mit rundbogiger, um 1800 veränderter Durchfahrt rechts. Zwickel des
Sturzbalkens enthalten Hausmarken:
BARTELT WELDER • MARGRETE WITERSEN,
dazwischen die Datierung in lateinischen Großbuchstaben
ANNO • DOM INI • 1592
(Abbildung des Türsturzes bei Galland, a. a. 0., Figur 4).
2. und 3. Obergeschoß auf S-Konsolen. Keine Füllhölzer. Andreas-
kreuze. Inschriften: Setzschwelle 2. Obergeschoß:
SIRACH • AM • 25 • WEN • DV • IN • DINER • GOGET • NICH • SAMMELST •
WAT • WVLTV • IM • OLDERV (INDEN).
Setzschwelle 1. Obergeschoß: FRVCH • IN • ALLE • DINEN • SAKEN •
GODT • VNDE • HOLTSIN • GOTLIKE • GEBOT.
Leinstraße 10:
Abb. 373 Einflügelige Haustür, Empire, mit geschwungenem Losholz und Oberlicht.
Leinstraße 12:
Abb. 374 Traufenhaus, Mischbau, 1608, Meister Hans Behnsen. 2 massive Geschosse,
Erdgeschoß in Sandstein, 1. Obergeschoß Ziegel, vermutlich von alters
geputzt, 2. Obergeschoß in Fachwerk von 8 Gefachen. Erdgeschoß mit
rundbogiger Mitteldurchfahrt. Kämpferlose Umrahmung mit Beschlag-
ornament und Zahnschnitt in der Fasung. Fenster verändert. Die alten
Teile imLeibnizhause : Säulchen mitfigürlichemSchmuck, Fides, Charitas,
Engelsköpfchen. Geschoßteilung durchantikisierende Friese mit Zahn-
schnittstreifen. Ob im 1. Obergeschoß die paarweise gekuppelten Fenster
(das am weitesten rechts mit Doppelhalbsäulchen) unberührt sind,
erscheint fraglich.
Das Fachwerkgeschoß kragt ohne Konsolen vor und hat auch unter der
Traufe keine Konsolen. Füllhölzer sehr reich mit Perlstab, Eierstab,
Zahnschnitt und Blattreihungen. Setz- und Traufschwelle mit In-
schriften, hochdeutsch in lateinischen Großbuchstaben:
Traufschwelle :
JOHANNES • 3 • ALSO • HADT • GODT • DE • WELDT • GELEBEDT •
DAS • ER • SEINEN • ENI GEN • SON • GAB • AVF • DAS • AL • DE • AN •
IN • GELOBEN • NICHT • VER • LOREN • WERDEN • SONDER • DAS
EWI GELEBEND . . .
Die Datierung 1608 findet sich am Ende der Inschrift auf der Setz-
schwelle. Pfosten von Beschlagornament bedeckt. Meisterzeichen am
Mittelpfosten unter Emblemen: M. B. H.
544
Leinstraße
Setzschwelle 2. Obergeschoß:
SYRACH • AM XI • BLEIBE • IN • GOTTES • WORT • VND • VBE • DICH •
DARINNEN • VND • BEHARRE • IN • DEINEN • BERVF • VND • LAS •
DICH • NICHT • IRREN • WIE • DIE • GOTLOSEN • NACH • GVT • TRACHT •
EN 1608.
Abb. 373. Hannover; Leinstraße 10, einflügelige Haustür.
Aufgen. u. gez. D., 1912.
Das Haus ist 1608 für Cord Haspelmat vom Ratszimmermeister Hans
Beensen erbaut, der 1603 wegen seiner Verdienste um das städtische
Bauwesen das Bürgerrecht unentgeltlich bekam.
35
545
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 374. Hannover; Leinstraße 12. Teilstück der Fassade.
Aufnahme von O. Kiecker, 1906.
546
Leinstraße
Lein Straße 15:
Abb. .575.
Hannover; Leinstraße 15,
Grundriß.
Traufenhaus um 1570. Fachwerk,
1 Geschosse, dabei Zwischengeschoß.
Das 3. und 4. Geschoß sind später.
10 Gelache. Ehemals rundbogige Abb. 375
Durchfahrt links der Frontmitte.
Im äußersten Gefach rechts die jetzt
zugesetzte Tür der Boda mit Gar-
dinenbogen und Flachschnitzwerk
darauf. Vorkragung des 2. Ober-
geschosses auf S-Konsolen. Füll-
hölzer nach Girlandenmotiv. Inschrift
auf der Setzschwelle niederdeutsch
in lateinischen Großbuchstaben.
Ebenso die verstümmelte Inschrift
auf der Setzschwelle des Zwischen-
geschosses.
Diele mit Treppenanlage aus der
Mitte des 17. .Jahrhunderts.
Inschriften (obere Setzschwelle):
ALSO • HEFFT • GOTT • DE • WELT •
• ENIGEN • SONE • GAFF • VP • DAT •
NICHT • VORLOREN • WERDEN •
JOHANNES AM • 3 CAP1TTEL •
GELEVET • DAT • HE • SINEN
ALLE • DE • AN • EN • GELOVEN
SVNDER • DAT • EWIGE • LEVENDT • HEBB[ETJ.
Untere Setzschwelle:
DEN • GODT • WIE • ERNEREN • KANN • NIEMANDT • VERHEREN
Durchfahrt:
GE • LVCKKE • KO
Am Hofseitenflügel Galerie aus der Mille des 17. Jahrhunderts. Hinter- Abb. 376
haus vonl655 mit säulengetragener Durchfall] l. Barock ausgeschnittenes
Sattelholz auf Knagge. Daran in lateinischen Großbuchstaben:
EMERENTIA VON
WINDHEIM
ANNO 1655.
Lein straße 16:
Giebelhaus, Fachwerk, etwa 1660. Erdgeschoß mit Zwischengeschoß
vielleicht älter (1598); 1. Obergeschoß und 2. Obergeschoß vorgekragt,
Balkenköpfe sichtbar und mit den Füllhölzern gleich profiliert. Giebel
mit zwei ausgebauten und vorgekragten Geschossen. Vor dem 1. Ober-
geschoß und 2. Obergeschoß rechts und links je ein zweiachsiger Erker.
Im Erdgeschoß befand sich die alte Durchfahrt links.
547
Liste der Bürgerhäuser
Über dem Torbogen des Hinterhauses:
DANIEL • MEIER • MARGARETA • ELISABEDT • RÜDEN
ALLES • NACH • GOTTES • WILLEN • ANNO 1687.
Abi). 376. Hannover; Leinstraße 15, Hofansicht. Phot. M.B.A., 1928.
Leinstraße 24: abgebrochen 1889.
Ziegelmassives Giebelhaus der Renaissancegruppe in Putz bei Sand-
steinverwendung etwa 1605 (?). 1 Hauptgeschosse, 4 Achsen, Giebel
in 3 Geschossen. Die Geschoßteilungssimse durch die Giebelschräge
548
Leinstraße
hindurchschießend. Spitzenfeld des Giebels mit Volutenwerk. Be-
krönung durch Würfelaufsatz mit Zirbelnuß.
Die Front war schon 1837 gänzlich entstellt (vgl. „Die Denkmalpflege"
1923, Heft 7—9, S. 134).
Abb. 377. Hannover; Leinstraße 26 19, teilweise abgebrochen. Phot. 1888.
Leinstraße 26:
Massives klassizistisches Haus, 1827, von Hellner erbaut. Erdgeschoß,
Entresol, 2 Obergeschosse und ein jüngeres Dachgeschoß. 5 Achsen.
Leinstraße 27:
Massivhaus, 1856 von Droste erbaut (s. Zeitschrift des Arch.-u. Ing.-Ver.,
1856, S. 223).
549
Liste der Bürgerhäuser
Lei n st raße 31 :
Traufenhaus, massiv, vielleicht Anfang des 17. Jahrhunderts; 4 Ge-
schosse, 1 Achsen. Rechts ein Erker durch alle Geschosse vorgezogen
mit feinen Simsgliedern im Erdgeschoß und 3. Obergeschoß; Zahn-
schnitt, geriefte Brüstungslisenen. Inschrift am Friese:
VIRTUTEDECET NON SANGUINE NITI VIRTVS ETENIM NEMINEM
DEDIGNATVR NECSEXVMNECGENVS ELIGIT,
Der Erker ist ans alten, um 1580 zu datierenden Teilen dem späteren
Hause vorgesetzt.
Das Grundstück war mit dem benachbarten (Nr. 32) seit 1530 in der
Hand der Familie Stech. Die Mutter des Gevert Stech ließ sich um die
gleiche Zeit ein Haus bauen, wie das Haus Nr. 32 errichtet wurde, das
ist um 1583. (Namensckreibweise Stech, auch Steg).
Leinstraße 32:
Das Haus ist 1583 mit großer Wahrscheinlichkeit von dem Peters-
hagener Meister Meersmann erbaut für Gevert Stech. Das Grundstück
war seit 1492 in Händen der Patrizierfamilie Stech (s. über diese „Wäsken-
book", H. G. 1920, S. 186). Der in die Verschwörung von 1691 ver-
wickelte Oberjägermeister von Moltcke wohnte hier (Weiteres s. ,,125
Jahre des Geschäftshauses Hahnsche Buchhandlung in Hannover",
Hannover 1917).
Abb. 378 u. 379 Staffelgiebelhaus aus Ziegeln mit Hausteinverblendung; 3 Haupt-
geschosse und dreigeschossiger Giebel. Achsen von Haupt- und Giebel-
geschossen gegeneinander versetzt. Eingang in der Frontmitte. Links
gleichzeitiger Erker von 3 Geschossen.
Abb. 380 Die Erdgeschoßfassade ist 1830 verändert. Vom Schema des han-
noverschen Hausgrundrisses scheint hier abgewichen, weil vielleicht
besondere Niveauverhältnisse die Unterkellerung und Höherlegung
des rückwärtigen Teiles vom Erdgeschoß bedingt haben. Die Fenster
in den Hauptgeschossen waren ehemals zu zweien und dreien gekuppelt
bei Verwendung von Pfeilerchen. Geschoßteilungen durch Friese und
Sims. Giebelfuß seitlich ausgekragt. Der Giebel baut sich in zwei
Hauptstaffeln auf und hat einen ädikulaartigen Bekrönungsaufsatz mit
Dreieckgiebelchen; im Giebelfelde ,,1583". Senkrechte Gliederung
des Giebels durch pilasterartige Lisenen, die sich am Architrav und
Friese verkrüpfen, während die Hauptsimse glatt über sie weggehen,
jedoch, weil das Mittelfeld des Giebels gegen die seitlichen Flächen
zurücktritt, hier entsprechend gekröpft sind.
Staffelzwickel gefüllt durch aufgerollte und abgesetzte, mit Diamanten-
und Kugelbossen geschmückte Bänder. Besetzung mit Obelisken und
Halbkugeln. Wetterfahne.
550
Leinstraße
Der Erker hat auf Säulchen gekuppelte Fensler, verkröpfte Gebälke
und kannelierte Lisenenstreifen in den Brüstungsfeldern. Giebel-
abschluß durch Volutenbänder, zwischen denen ein tafelartiger Aufsatz
Abb. 378. Hannover: Leinstraße 32,
Grundriß.
Abb. 379. Hannover; Leinstraße 32. 11128.
Phot. M.B. A., llJ28.
mit der Jahreszahl 1583 angeordnet ist. Die Voluten trugen ehemals
Obelisken.
Inschriften am Erker:
ANNO DNI 1583.
PSALMO • 18 • LAV-DANS INVOCABO DOMINVMET AB INIMICIS
MEIS SALVVS EBO.
551
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 380. Hannover; Leinstraße 32, Zustand vor 1830.
Aufgen. D. u. N., 1925. Gez. N.
552
Leinstraße
PS. 37 VND 57. BKVEHELE DEM HERN DEINE WEGE • VND HOFEE •
AVFF IHNE EHR WIRTS WOL MACHEN • DAN SEINE GYETHE IST
SO WEIT DER HIMMEL IST • VND SEINE WARHEIT SO WEIT DIE
WOLCKEN GEHEN • SEINE EHRE IST VBER ALLES.
PSALMO 121. AVXI-LIVM • MEVM • A • DOMINO QVI • FECIT COELVM
ET TERRAM.
DISCITE IVSTITIAM ET REGNVM VENERABILE CHRISTI FERTE
CRUCEM VINCIT SVB CRVCE VERA FIDES.
1. "-pet. 1. 2Uks flcifcb tft tr>ie gras • rmb alle t>erltgtctt ber menfeben
u>ie bes grafee Murrten • i><\ö gras t»er=borret unb bie blutttc feilet abe •
aber bes bern tr-ort bleibt in eungbeit.
pfaltn. 90. onb 39 b,er lebre mich bebenden t>a& ich fterben mite • ba& ein
enbc mit mir nentett mus mein leben ein jiel batt onb ict) baoott tnue.
DAMNA FER IN TE-RRIS SORTIS PACI-ENTER- INIQVjE POST PARTI A
FOELIX DIVITE CIVIS ERIS.
PS: 25. VND 31. HERR • ZEIGE • MIR • DEINE • WEGE • VND LEHRE
MICH • DEINE • STEIGE • LEITE MICH • IN • DEINER WARHEIT VND
• LEHRE • MICH DAN • DV BIST • DER GOTT • DER MIR HILFET •
VMB DEINES NAMENS WILLEN WOLLESTV MICH LEITEN VND
FVHRF.N.
Am Seitenflügel:
PS. 37. BEFEHLE DEM HEREN DEINNE WEGE VND HOFE AVFE IN
ER WIRT ES WOL MACHEN.
AM PSALM 118. DE HER IST MIT MIR MIHR ZV HELLFEN VND ICH
WIL MEINE LVST SEHEN AN MEINEN FEINDEN. ES IST GVT AVF
DEN HERREN VERTRAWEN VND SICH NICHT VERLASEN AVF
MENSCHEN • MATTHIAS RVST • VRSVLA VON (IDENSEN(?) ANNO
CHRISTI 1638).
Chronik, S. 542.
Leinstraße 33:
Massives, verputztes Barockhaus um 1680, 4 Geschosse, 10 Achsen. Bis
1849 waren nur 3 Geschosse vorhanden mit vierachsigem Giebelerker
über dem Risalit. Das damals veränderte Erdgeschoß hatte eine korb-
bogige Durchfahrt unter der vierten Achse von rechts; außerdem je
eine Tür in den Seitenteilen der Fassade. Mittelrisalit wenig vorgezogen.
Ecklisenen und Gewände in Sandstein. Das Obergeschoß von 1849
hat Hauptsims in weit ausladendem Schalwerk.
Das Hinterhaus mit massivem Erdgeschoß gehört noch dem 15. Jahr-
hundert an. Flachbogige Einfahrt.
553
Liste der Bürgerhäuser
Am Markt 6: abgebrochen 1 *S8 1 zur Erweiterung des Marktplatzes;
wiederaufgebaut Lavesstraße <S2.
Abb. 38i Traufenhaus, Massivbau von 1663, Meister: Adrian Siemerding (Meister-
Abb. 381. Hannover; Am Markt f>, abgebrochen 1884. I'hot. 1884, Stadtarchiv.
schild im 3. Obergeschoß rechts), 4 Geschosse; die Fenster zu 4 + 2 +4
gekuppelt; hermenartige Fensterpfosten. Im Erdgeschoß, das durch
den Wiederaufbau im übrigen verändert ist, befindet sich das
alte rundbogige Mittelportal: Hausteinumrahmung mit Putten auf
554
Am Markt
Blattstengeln; über dem Bogen-
scheitel das von Engeln gehaltene
Ehewappen JOHANN OVERLACH
- ANNA KLEINEN 1663.
Geschoßteilungen durch Gurtfriese,
mit Rankenwerk geschmückt,
denen desLeibnizhauses verwandt;
Brüstungssimse. Senkrechte
Fassadengliederung durch ornamen-
tierte Lisenen und breitere Rand-
streifen an den Geschoßkanten.
(Vgl. Riemer, H. G. 1914, S. 246 ff.)
Am Markt 11:
Ganz entstelltes ehemaliges Trep-
pengiebelhaus aus Ziegeln, 1558,
wie die untenerwähnte Wappenbei-
schrift angibt, erbaut. Die Geschosse
bis zum Giebelfuß waren 1834 noch
äußerlich wenig verändert erhalten ;
derTreppengiebel aber damals durch
eine Notwand ersetzt. Die Wieg-
Abb. 382. Hannover; Am Markt 11, Zustand um
1834, nach e'ner Skizze in den Baupolizeiakten.
Abb. 383. Hannover; Marktplatz, nach Lithographie von Kretschmer.
mannsche Lithographie von 1834 wie auch "Hei-nr. Busses Abbildung Abb. 382
des Marktplatzes zeigen diesen Giebel. Nach Handskizze in den Bau-
555
Liste der Bürgerhäuser
polizeiakten bestand das alte Haus aus Erdgeschoß. Zwischengeschoß
und Obergeschoß, Hauseingang links der Frontmitte -- spitzbogig in
flachbogiger Blendnische. Rechteckige Lichtöffnungen im Erdgeschoß
und Zwischengeschoß ebenfalls in flachbogigen Blendnischen. Eine
Durchfahrt flachbogig rechts; links ein Erker aus Haustein bis zum
Obergeschoß reichend. Die Lichtöffnungen des Obergeschosses erscheinen
breit und sind flachbogig geschlossen. Unterhalb des Giebelfußes ein
Fries aus glasiertein Ton.
Heute sind Wappensteine in Höhe des 1. Obergeschosses wahr-
scheinlich von dem Erker stammend - eingelassen: Zwei kleine von
1558 mit Unterschrift ANNO DNI • 1558 • JAR beziehen sich auf
Tönnies Limborg und seine Frau Margarete Hertzog. Außerdem vier-
geteilter Wappenschild der Weifenherzöge (s. H. G. 1910, S. 42).
Am Markt 14/15: städtisches Eigentum seit 1. April 1908.
Giebelhaus, Fachwerk, 1565, Art des Apothekenflügels, 4 Geschosse
(Zwischengeschoß), 11 Gefache. Obere Geschosse und Giebelfuß vor-
gekragt auf Trommelkonsolen. Erdgeschoß verändert, von rundbogiger
Durchfahrt (etwa links der Mitte) Sturzbalken erhalten. Wappen:
Hans v. Windheims und seiner Gattin, geb. v. Änderten; dazwischen:
ANNO DNI 15G5.
Abb. 384. Hannover; Am Markt 14 15, TeiKtück der Fassade. Pliol. M. B. A., 192S.
556
Am Markt
Abb. 385b. Hannover;
Am Markt 10, Eckpfeiler.
Abb. 385a. Hannover; Am Markt 16.
Zustand von 1834.
Aufgen. D. u. N., 1925. Gez. N.
557
Liste der Bürgerhäuser
Rechts vom rundbogigen Hauseingange ist von der unter gleichem
Dache angeordneten Boda der Türsturz erhalten. Schwellen mit ge-
hobelten, unterhalb der Pfosten verkröpften Profilen. Füllbretter
(zweifelhaft, ob nach ehemals vorhandenen) erneuert. Pfosten als
Pilasterbasen verkröpft. Brüstungsfüllungen durch Bretter mit Halb-
rosettenzier nur, soweit die „domus" reicht.
Das Haus isl 1908 renoviert und zu Kleinwohnungen ausgebaut.
Am Mar kl 115:
Staffelgiebelhaus an der Ecke der Dammstraße. Giebelfront am Markte
in Ziegeln mit Putz und Hausleinverwendung; an der Dammstraße
in Faehwerk. Durch Meister Adrian Siemerding 1662 erbaut. Meister-
zeichen und Initialen an der Giebelfußbrüstung (Abbildung H. G. 1929,
Tafel V, 68). Als Zimmermeister signiert sich an der Dammstraßen-
seite Heinrich Lüssenhop (Abbildung ebenda, Tafel VIII, 104).
1 Hauptgeschosse. Giebel in drei mit Volutenwerk und Halbmuscheln
gefüllten Staffeln. Das Erdgeschoß hatte ehemals nach Zeichnung von
1834 bei den Baupolizeiakten rundbogige Mitteltür, deren Schluß-
stein mit Engelskopf und Jahreszahl 1662 heute an der Fensterbrüstung
des 1. Obergeschosses eingesetzt ist. Wahrscheinlich war darüber ein
Doppelwappen angebracht. Der Eckpfeiler des Erdgeschosses trägt
beiderseits eine von Schuchhardt (B. d. Ben., Nr. 99) dem Peter Köster
Abb. 385 au. b zugeschriebene Ornamentierung. Geschoßaufteilüngen durch Gürtungs-
friese. Fenster zu vieren mittels schlanker Säulchen gekuppelt. Brü-
stungssimse. Senkrechte Frontgliederung durch axiale Anordnung
von Fenster- und Brüstungslisenen durchgehend bis in den Giebel.
Marktstraße 3: abgebrochen 1887.
Ursprüngliches Treppengiebelhaus mit Lisenen, in der Art des Hauses
Osterstraße 59. Nach Abb. im Besitze der Familie Volger war der
Treppengiebel durch einen Fachwerkaufbau ersetzt. Die Wappen
Volger und Wintheim waren getrennt seitlich an der Fassade ange-
bracht wie bei Am Markt 11.
Markt straße 1: abgebrochen 1887.
Massivbau mit geputzter Front, um 1710 erbaut. 3 Geschosse, 7 Achsen,
die mittleren drei in schwach vorgezogenem Bisalit. Giebelerker mit
Vasenbekrönung. Ouaderlisenen, Bandsimse, Fenstergewände aus Sand-
stein. Lichtöffnungen segmentbogig.
Bis 1860 bestand ein Mittelportal mit segmentförmiger, auf Voluten-
konsolen vorgekröpfter Verdachung, ähnlich dem des Hauses Burg-
straße 6. Einfluß durch Bemy de la Fosse möglich.
558
Marktstraße
Markt Straße 7/8.
Doppelhaus mit Giebel, Fachwerk, 1550 — 60, wahrscheinlich von Meister
Jürgen Geringes für Franz v. Wintheim erbaut; 3 Geschosse, 14 Ge-
fache, davon 8 Gefache zum Giebel gehörig. Erdgeschoß verändert
schon 16(50 — 70, wo Durchfahrt und Treppenhaus neu angelegt
Abb. 386. Hannover; Marktstraße TS, Hof. I'hol. M.B.A., 1928.
wurden. 2. Obergeschoß und Giebelfuß bzw. Traufe auf Krallenkon-
solen vorgekragt. Giebel glatt. Fußstreben im 1. Obergeschoß als
konkav ausgeschnittene Füllbretter, im 2. Obergeschoß und im Giebel
als konvex geschnittene Hölzer, so daß eine ornamentale Wirkung
erzielt wird. Setzschwelle 1. und 2. Obergeschoß mit Inschriften in
lateinischen Großbuchstaben, niederdeutsch, sind jüngst nach Maßgabe
der Inschriften im Hofe, aber entstellt, restauriert.
559
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 386 Im Hofe finden sich am (alteren) Giebelbau von oben nach unten
die Inschriften:
De • VALSCHEN • WIL • GODT • VAN • SICK • DRIVEN • AVER ST • DE •
WARHEIT • SCHfALL • EWIG ■ BLIVEN.] WEN • ENER • SINER • EGEN •
SVNDE • VNDE • SCHANDE • NEME • WAR • DE • VORSWEGE • OCK.
ENES • ANDEREN • LICHTLICK • GHAR •
DE • GADE • DEM • HEREN • VAN • HERTEN • VORTRVWEN • KAN •
DE • BLIFT • IN • EWICHEIT.
EN • VNVOR • [DORVEN • MAN]
Am (wenig jüngeren) Querbau:
ALLE • SCHALKHEIT • DE • VORGEIT • DE • GELOVE • EWICHEIT.
GAS • WAST • (so!) ■ HOLDT • DINE • REDE • TRVWE • NEMENDE •
ALTOVELE • VELE • WES • OCK • NICHT • TO • REH[ENDE • ACHT •
WAT] • DV • DE IST • BEDENKE • DEN • END.
Abb. 387. Hannover; Marktstraße 9/8.
Druckst. Verk.-A.
560
Marktstraße
Marktstraße 9:
Giebelhaus, Eckhaus, Fachwerk, 1556, Meister Jürgen Geringes,
4 Geschosse einschließlich Zwischengeschoß, 9 Gefache, Erdgeschoß Abb. 387
verändert. Von der alten Einfahrt ist der Sturzbalken mit Rundbogen
scheitel erhalten. Zwischen zwei Hausmarken: C[ord] J[sere]n und
A. L. die Datierung ANNO • DOMINI ffi CCCCCLVI eingeschnitzt
(ein sechstes ,,C" war nur aufgemalt). In den Brüstungsgefachen größten-
teils Andreaskreuze. Alle Setzschwellen mit Halbrosettenfriesen. Meister-
zeichen an der Setzschwelle des 3. Obergeschosses: I G in einem von
Richtscheit und Axt gebildeten Felde.
Vgl. H. G. 1914, S. 113, wo irrig „T G" gelesen ist.
Marktstraße 15: abgebrochen 1875.
Wappen von 1593. Das Haus, an dem das Wappen ursprünglich saß,
war ein Fachwerkhaus; 2. Obergeschoß auf Konsolen vorgekragt.
Marktstraße 24:
Traufenhaus, Mischbau, 1652, erbaut für den Hauptmann Hans
Barteides. 2 massive Geschosse, Erdgeschoß Sandstein, verbl. 1. Ober-
geschoß Ziegel; 1 Fachwerkgeschoß. Erdgeschoß verändert. Zwei
rundbogig geschlossene Eingänge; davon ist der linke (1839) aus Teilen
der alten Durchfahrt zusammengebaut. Stark abgeschrägte Kanten,
Barockschnörkel als Eckübermittlung, vgl. Portale Neustädter Kirche;
Schlußstein des einen Portals mit Engelskopf, des anderen mit Löwen- Abb. 388
köpf. Meister unbekannt. Geschoßteilung durch Fries zwischen üblich
profilierten Simsen. Im massiven Obergeschoß sind 4mal je 3 Fenster
gekuppelt. Fenstersäulchen. Fachwerkgeschoß ohne Konsolen vor-
gekragt. Füllhölzer anders profiliert als die Balkenköpfe; Fußstreben.
Traufsims ohne Konsolen vorgekragt. Giebelerker von 3 Gefachen
rechts der Frontmitte und je eine Gaube beiderseits.
Die Hofgebäude s. unter Köbelingerstraße 39.
Marktstraße 28:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1580, 3 Geschosse mit jüngerem, zwei-
geschossigem Giebelerker, 2. Obergeschoß und Traufe auf S-Konsolen
vorgekragt; Füllhölzer mit Girlandenmotiv' in der rechten Hälfte des
2. Obergeschosses erhalten. Inschrift auf Setzschwelle des 2. Ober-
geschosses niederdeutsch, in lateinischen Großbuchstaben:
WOLL • GODT • VOR • TRVWEN • KAN • DIE • BLIFT • EIN • VN • VOR •
DORVEN • MAN
WOLL • GODT • VORTRVWET • DER • HEFT • WOLL • GEBVWET •
36 561
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 388. Hannover; Marktstraße 24, Haustür.
Phot. M.B.A., 1928.
Marktstraße 29:
Giebelhaus, Fachwerk, wahrscheinlich 1652. Eckhaus zur Köbelinger-
straße. 3 Geschosse mit geringen Vorkragungen. Keine Konsolen,
Abb. 389 Balkenköpfe sichtbar, Füllhölzer gerundet. Giebelfront an der Markt-
straße; an der Köbelingerstraße Windenerker. Wetterfahne mit Wasser-
jungfer.
Im Straßenbilde wertvolles Denkmal.
562
Marktstraße
Marktstraße 30—34:
Traufenhäuser in Fachwerk, zu dem 1582 gleichartig bebauten Block
am Ägidienkirchhof gehörend, unter Leitung des Ratsmaurermeisters
Dietrich Berndes und Mitwirkung des Ratsmaurermeisters Cord Meier
und des Schottiliers Ludeke Prekell entstanden. M. Cord Hoyer war
als Zimmermann beteiligt und Hans Moller als Sägemüller. Des letzteren
Zeichen M. H. M. mit Mühlrad, Beil und Richtscheit am Eckständer
des Hauses Ägidienkirchhof 6.
Nr. 30 mit dem anstoßenden Hause am Ägidienkirchhof 6 unter
gleichem Dach ist im Erdgeschoß verändert. 2. und 3. Ober-
Abb. 38!). Hannover; Marktstraße, Straßenbikl. Links Nr. 29. Phot. M. B. A., 1928.
563
Liste der Bürgerhäuser
geschoß vorgekragt, Konsolen fehlen heute. Füllhölzer nach Gir-
landenmotiv.
Nr. 31, an dessen Stelle ein um 1850 entstandener Neubau die Gruppe
unterbricht, hatte geknickte Front, 2 massive Untergeschosse und 1 Ge-
schoß in Fachwerk. Oberhalb einer rundbogigen Durchfahrt rechts
befand sich das von Schuchhardt (a. a. ()., Nr. 22) abgebildete Stadt-
wappen (jetzt im Leibnizhause) mit der Jahresangabe:
ANNO DOM INI 1 • 5 • 8 • 2 •
Über das Wappen s. a. Red., Chron. S. 520. Zeichnung des Hauses
von C. Saß 1 83 1 im Stadtarchiv.
Die übrigen Häuser sind durch Aufstocken verändert. Eine Inschrift
auf der Setzschwelle des Fachwerkgeschosses, unterbrochen durch
das fehlende Stück von Nr. 31, zieht sich fortlaufend darüber hin:
SIS • ANIMO • LIN [G] VAQUE • HVMILIS • PRODESSE • BENIGNE •
OMNIBVS • ET • NVLLI • SIT • NOCVISSE ■ LABOR •
SEDVLVS • IN • PROPRIIS • ALIIS ■ ALIENA • RELINQV[E]
PRVDENTEBQVE • FIDES • CVI • SIT • HABENDA • VIDE •
QVAE • SGIS • .... Fortsetzung auf der Marktstraßenseite des Hauses
Agidienkirchhof 6:
TERNA • HABEAS • POCIORA • CODVCIS •
PRAEQVE • HOMINVM • TIBI • SIT • GRATIA • GRATA • DEI
ANNO • DOM INI • M • D • CCCCC • LXXXII •
Marktstraße 35:
Traufenhaus, Fachwerk, 1530 — 40, heute stark verändert. Die Datierung
1583 oder 1581, die H. G. 1914, S. 108, gegeben wird, kann nicht in
Einklang gebracht werden mit Krallenkonsolen und Schwellenfries aus
Weinranke.
Marktstraße 36:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1880, stark verändert: ursprünglich dem
Hause Marktstraße 45 ähnlich. Hinterhäuser mit schwachen Vor-
kragungen, um 1730.
Marktstraße 37:
Frühestes Beispiel eines Traufenhauses in Fachwerk, wahrscheinlich 1531
Abb. 390 zu datieren. Erdgeschoß, Zwischengeschoß und ein Obergeschoß,
9 Gefache. Die von Mithoff (Archiv, Tafel 19) abgebildete spitzbogige
Durchfahrt ist 1924 beseitigt, die Diele durch eine Längswand aus-
einandergeschnitten, das Zwischengeschoß oberhalb davon ausgebaut.
Obergeschoß und Traufsims sind auf Konkavkonsolen weit vorgekragt,
564
Marktstraße
deren Vorderflächen -- für Hannover einzigartig -- mit einer Reihung
von flach geschnitzten, vierblätterigen Rosetten geschmückt sind.
Die Balkenköpfe tragen je eine Rosette der gleichen Art. Füllbretter
fehlen, wie stets in Hannover. Setzschwelle (s. Mithoff, Archiv, Tafel XX)
mit stilisiertem Weinrankenfries und Fratzen. Pfosten mit Fußstreben
abgestützt. Hohes Satteldach mit drei Gauben im unteren Dachgeschoß.
I
s
Abb. 390. Hannover; Marktstraße 37.
Aufgen. D. u. N., 1925. Gez. N.
Der jetzt im Vaterländischen Museum aufbewahrte Sturzbalken der
Einfahrt trägt zwischen zwei Wappen die zweizeilige Inschrift:
2Jnno • bitt • SMGSee • £ • %%% ■
3t)efus — 2Iiarta.
Die Jahreszahl entspricht nicht der Errichtung des Hauses; sie ist
durch Veränderung der ursprünglich für L und das letzte X vorhanden
gewesenen Zeichen entstanden, so daß sie wahrscheinlich MCCCCCXXXI
565
Liste der Bürgerhäuser
zu lesen war. Das auf dem
Wappenschilde des Ehe-
mannes erscheinende Mono-
gramm G • E ist ebenfalls
nicht ursprünglich und be-
zieht sich auf den Besitzer
des Hauses zwischen 1580
und 1631, Gert Evers, der
also diese Umänderungen
hat vornehmen lassen.
Der alte Grundriß des
Hauses ist durch eben-
denselben Gert Evers ver-
ändert, insofern dieser hof-
wärts einen Giebelbau an-
fügte, so daß die Diele
eine sehr große Tiefen-
ausdehnung bekam (s.
Zeichnung von Mithoff,
Archiv, Tafel XIX, Quer-
schnitt bei Galland, a. a. 0.,
1886, Abb. 1).
Marktstraße 38:
Traufenhaus, Fachwerk,
um 1580, Meister CM,
3 Geschosse, 9 Gefache,
Erdgeschoß verändert.
Rundbogige Einfahrt auf
der rechten Frontseite.
Darüber ehemals Zwischen-
geschoß. Vorkragungen auf
S-Konsolen beim 2. Ober-
geschoß und Traufsims.
Füllhölzer nach Girlanden-
motiv nur an der Traufe
erhalten. Inschrift nieder-
deutsch in lateinischen
Großbuchstaben :
Abb. 391. Hannover; Marktstraße 37, Grundriß, 1925.
PSAL • XC • DE • HERE • VNSE • GODT ■ SI • VNS • FRVNDELICK • VNDE
VORDERE • DAT • WERCK • VNSER • HENDE • BI ■ VNS • IA • DAT
WERCK • VNSER • HENDE • WOLDE • HE • DOCH • VORDEREN •
566
Marktstraße
Meisterzeichen mit Emblemen am Mittelpfosten des Zwischengeschosses
über der Einfahrt: M • C [Ml (vgl. Knochenhauerstraße 20, Osterstraße 66;
s. auch H. G. 1914, S. 203).
Abb. 392. Hannover, Marktstraße 37. 1025. Gez. N.
Mit teilweiser Benutzung einer Aufn. von O. WinkelmüHcr a. d. J. 1921.
Marktstraße 39:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1550, Art des Jürgen Gering, 3 Geschosse,
3 Gefache. Erdgeschoß verändert, 2. Obergeschoß und Traufe auf
Krallenkonsolen vorgekragt. Auf der Setzschwelle des 2. Obergeschosses
Halbrosettenfries.
567
Liste der Bürgerhäuser
^7
^^
'\2 4LJy) K^r
Abb. 393. Hannover; Marktstraße 37, Vorkragung und Schwellenzier. Aulgen. D., 1925.
Abb. 394. Hannover; Marktstraße 37. Phot. M. B. A., 1928. Druckst.: Verk.-Amt.
568
Markt straße
Abb. 395.
Hannover ; Marktstr. 39.
Marktstraße 40:
Traufenhaus in Fachwerk, stark verändert. 2. Obergeschoß auf S
Konsolen; die Setzschwelle mit Inschriftenresten rechts. 2. und 3. Ober
geschoß aus dem 18. Jahrhundert.
Marktstraße 41 :
Ziegelmassives Giebelhaus in Putz bei Sandstein-
verwendung, Ende des 16. Jahrhunderts. Im Giebel
schießen die Simse durch die Schrägen hindurch.
Die Achsen des Giebels sind gegen die der Haupt-
geschosse verschoben. Einfache, geschoßteilende Simse
überall. Giebelfuß seitlich ausgekragt. Bekrönung
durch Würfel (Beschlagornament), Kugel und
Wetterfahne.
Erdgeschoß verändert, rundbogige Einfahrt links
der Frontmitte mit barocker Tür. Treppenanlage
wenig verändert.
Die Hinterhäuser in Fachwerk, um 1580; zweigeschossig, mit überge-
kragtem Obergeschoß und Traufsims. Unverzierte konvexe Konsolen;
Füllhölzer stark verschmiert; Andreaskreuze.
Marktstraße 43:
Massives Giebelhaus in Putz mit Sandsteinverwendung, um 1710,
3 Geschosse, 5 Achsen. Der Giebel ist über starkem Hauptsims abgesetzt.
Von seinen drei Geschossen ist das des Giebelfußes voll ausgebaut;
seitliche Postamentpfeiler mit Kugelbekrönung. Die Schrägung hebt in
konkaver Linienführung an und schließt flachdreieckig.
Erdgeschoß und 1. Obergeschoß 1850 verändert. Die Baupolizeiakten
geben rundbogige Durchfahrt rechts an, hochrechteckige Tür in der
Mittelachse und rechteckige Fenster links. Im 1. Obergeschoß sind die
Solbänke tiefer gelegt.
Der ursprüngliche, typisch-hannoversche Grundriß ist verändert. Lüne-
burger Einfluß ist zu vermuten.
Marktstraße 44:
Giebelhaus, Fachwerk, um 1540, 3 Geschosse, 6 Gefache. Erdgeschoß
und 1 . Obergeschoß verändert. 2. Obergeschoß und Giebelfuß vorgekragt,
nur am Giebelfuß sind Krallenkonsolen erhalten. Giebel gewalmt,
Fußstreben einwärts gebogen. Setzschwelle des 2. Obergeschosses mit
Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben mit Großbuchstaben, nicht
leserlich.
Rechts Brandmauer mit Vorkragungen: im unteren Teil Eckverzahnung.
Das 1. Obergeschoß, im 18. Jahrhundert verändert, hat 4 Achsen
zwischen Doppelstielen.
569
Liste der Bürgerhäuser
570
Marktstraße
571
Liste der Bürgerhäuser
Marktstraße 45:
Giebelhaus, Fachwerk, 3 Geschosse, 1 Achsen, ursprünglich gotisch.
Erdgeschoß neuzeitlich. Obergeschosse um 1700. Giebel zweimal vor-
gekragt. Giebelpfahl.
Marktstraße l(i: abgebrochen um 1895.
Giebelhaus, Fachwerk, 1544 erbaut, gehörte mit Marktstraße 37 wahr-
scheinlich in die gleiche Gruppe, abgebildet H. G. 1914, S. 192. 4 Ge-
schosse (Zwischengeschoß), 7 Gefache, Giebel in drei Geschossen,
rundbogige Einfahrt, 2. und 3. Obergeschoß und Giebelfuß auf Krallen-
konsolen. Giebelgeschoß mit geringerer Vorkragung, zuletzt ohne
Konsolen. Inschrift auf der unteren Setzschwelle in lateinischen Groß-
buchstaben: DEO HANG TVEARE DOMVM. Auf der oberen
Schwelle Weinrankenfries.
Marktstraße 47: das südliche der auf Nr. 47 stehenden Häuser.
Traufenhaus, Fachwerk, um 1540 (vgl. Marktstraße 44), 3 Geschosse,
Erdgeschoß verändert, 7 Gefache. 1., 2. Obergeschoß und Traufe auf
Krallenkonsolen vorgekragt. Im 2. Obergeschoß einwärts geschwungene
Fußstreben und Reste einer Brüstungsleiste. Setzschwelle des 2. Ober-
geschosses mit niederdeutscher Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben
mit Großbuchstaben:
V>v\ä Öemc l)uiiri$cii Öp brot. Vitöc De Öc um clcitöe [mit vove mit mit htte.
Dufte fo ölt cnett nafcfcen fuft fo tletc onc. Vn tei M nt)Ayt vo ötjtic flfcfc.
3föi • 'Sl\. lUol fij orc to floppet vor fcem fmge ös avme. Vc wert oef rope
vn ittjcht crfjcrct wcvüc
Das zwei Grundstücksbreiten einnehmende Hauptgebäude auf Nr. 47
ist ein Traufenhaus in Ziegeln, wahrscheinlich das älteste seiner Art am
Orte; dem Wäskenbook (451) nach erbaut von Johann Scheele, der 1419
Bischof von Lübeck wurde*), 1 139. Dieser stiftete auf dem Grundstück,
an das von der Böselerstraße und Osterstraße her die Höfe der Augustiner
und Karmeliter anstießen, auch eine Kapelle. Bedecker bildet die
Marktstraßenfront des Hauses ab (Chron., S. 318) mit Maßwerkfenstern
im Erdgeschoß und hochrechteckigen im Obergeschoß: links einen
zweigeschossigen Erker. Danach ist die Front wohl schon im
17. Jahrhundert verändert. 1852 — 1924 beherbergte das Haus das
vom Thalia-Verein begründete Theater und ist zu diesem Zweck
im Inneren ausgebaut worden. Jetzt ist es Kraftwagenhalle. 1924
sind die Profilsteine des gotischen Traufsimses abgeschlagen, das
*) Über ihn s. Becker. Umständl. Gesch. d. Stadt Lübeck, T. 1, S. 356, 373
bis 379.
572
Marktstraße
Haus hat durch Anstrich das Ansehen eines Fachwerkbaues erhalten.
Nur am Querflügel sind die mittelalterlichen Fenster im Obergeschoß
erhalten. Der Denkmalswert ist so gut wie vernichtet.
Abb. 400. Hannover; Marktstraße -18, Isern Forte. Abgebrochen 188(1.
Marktstraße 48: abgebrochen 1886.
Das im Verlassungsbuche 1439 „Isern Porte" genannte Familienhaus der
Volger ererbte Bertold Volger und baute es neu. Der Zeit und dem
Meister nach stand es dem Rathausflügel von 1455 sehr nahe. Nach
Mithoffs Aufnahme aus dem Jahre 1844 (Archiv, Tafel XIII) war das Abb. 4oo
573
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 401. Hannover; Marktstraße 19. Fassadenaufnahme 1860. Stadtareh.
574
Marktstraße
Erdgeschoß im 18. Jahrhundert verändert und geputzt. Der Giebel mit
acht gestaffelten, übereck gestellten Bündelpfeilern als Fialen setzte
unmittelbar über diesem an und hatte 5 Geschosse mit gekuppelten
kleeblattbogigen Lichtöffnungen und Blendnischen außerhalb der Dach-
Abb. 402. Hannover; die abgebrochenen Häuser IX (Isern Porte) und 49.
Druckst.: 11. (..
schräge. Die Bogenfelder darüber trugen Lilienornamente; die Giebel-
stufen je einen kreisförmig durchbrochenen Aufsatz. Die Fialen
endeten in Pyramiden, aus denen Wetterfahnen hervorragten (vgl.
Knochenhauerstraße 28).
Aufnahmezeichnung bei Mithoff (Archiv, Tafel XIII).
575
Liste der Bürgerhäuser
Marktstraße 19: abgebrochen 1878.
Staffelgiebelhaus von 1606, Eckhaus zur Röselerstraße, Giebel an der
Marktstraße. Geputzter Ziegelbau mit Hausteinverwendung. 3 Haupt-
geschosse. Giebel in 5 Staffeln. Erd-
Abb. 40i geschoß war um 1840 schon verändert.
Der Eingang war ausgestattet mit dem
Allianzwappen Volger-Herbst. Schuch-
hardl (a. a. ()., Nr. 41) vermutet richtig
den gleichen Meister wie bei Osterstraße (i8
(s. daselbst), nämlich Nottelmann. Das
Abb. 4o:< Wappen ist beim Neubau an der Röseler-
straße wieder angebracht. Die Haupt-
geschosse waren sechsachsig; Fenster
hochrechteckig mit Sandsteinumrahmung;
Geschoßteilnngen durch antikisierende
Gurtungsfriese angegeben. Im Giebel
Brüstungssimse. Senkrechte Gliederung
des Giebels durch breite Lisenenstreifen
(Diamanten in Beschlagornament). Staffel-
zwickel gefüllt durch Volutenwerk und
mit Obelisken bestanden.
Eine Aufnahme von üppler findet sich in dessen Nachlaß.
Abb. 403. Hannover, MarktstiaUe 49,
jetzt Röselerstraße.
Allianzwappen Volger-Herbest, 1006.
Marktstraße 50:
Giebelhaus, Ziegel geputzt, vielleicht im Urzustände zur Gruppe der
Häuser mit glattem Schräggiebel bei durchschießenden Geschoßteilungs-
simsen um 1590 gehörig. 4 Geschosse, 4 Achsen. Geschoßteilung durch
Hausteinsimse. Fensterumrahmungen teilweise erneuert.
Marktstraße 51:
Traufenhaus, ursprünglich gotischer Ziegelbau, 1661 umgebaut und
verputzt und mit Erkeranbau versehen, 4 Geschosse, 6 Achsen. Der
ehemals dreigeschossige Erker rechts der Frontmitte ist 1887 durch
Wegnahme des Untergeschosses zweigeschossig geworden. Links der
Frontmitte befand sich ein rundbogiger Eingang; Hausteingewände mit
Kämpfer, Schlußstein mit geflügeltem Engelskopf.
Das Zwischengeschoß hat quadratische Lichtöffnungen in Haustein-
gewänden. Geschoßteilung durch breiten Fries zwischen barocken
Simsen.
Das dritte Obergeschoß ist nicht ursprünglich. Hauptsims in Holz-
verschalung, weit ausladend.
Am Erker sind die Fenster zu vieren gekuppelt bei Verwendung von
toskanischen Säulen.
576
Marktstraße
Das Haus war 1529 für Magnus Volger erbaut (s. H. G. 1925, S. 53).
Die Grundstückseinteilung ist noch die mittelalterliche. Scheune mit
Wappen der Volger und v. Windheim und der Jahresangabe:
ANNO • DOMINI • MCCCCCLXXX.
Marktstraße 54: abgebrochen 1887.
Mithoffsches Haus. Dreigeschossiger Massivbau, Ende des 18. Jahr-
hunderts, 2+3+2 Achsen, Mittelrisalit. Erdgeschoß mit Rustika.
Hauptgeschoß sehr hoch mit waagerechter Simsverdachung der Fenster.
Mezzanin ohne geschoßteilendes Sims. Das Hauptsims in hohen Architrav
und Fries geteilt; weit ausladende Sima. Dreiecksgiebel über dem Risalit.
Mansardendach. Abbildung im Stadtarchiv (Grupenstraßenansicht).
Marktstraße 58: abgebrochen 1841.
Fachwerkgiebelhaus, zuletzt Hofpredigerwohnung, Art des Meisters
Cord Meier, Ende des 16. Jahrhunderts.
Auf dem Grundstück wurde
durch Droste 1841 die neue
Marktwache erbaut (s.
daselbst).
Marktstraße 60 und 61:
Reide Häuser um 1752
mit einheitlicher Front
versehen durch den Ge-
heimen Rat Freiherrn von
Steinberg (Weiteres s.
Wohngeb. von Hofwelt
und Adel, S. 346).
Am Sockel des Seitenge-
bäudes zum Hause Nr. 60
findet sich ein Stein mit
dem Wappen v. Lünde—
v.Wintheim und der Jahres-
zahl 1526.
Marktstraße 63:
An der Hofseite oberhalb
des Sturzes der Durchfahrt
in dieWTand eingelassen ein
Kalksandsteinrelief, dar-
stellend den hl. Christo- Abb. 404
phorus, H. 70 cm, wahr-
Abb. 104. Hannover, Marktstraße 63,
Christophorusrelief im Hofe. Phot. 1923.
scheinlich noch 14. Jahrhundert. Nahe Beziehung zu dem Kreuzi-
gungsrelief der Marktkirche; dem Kunstkreise des Meisters Bertram
37 _77
o77
Liste der Bürgerhäuser
und seiner Vorgänger nahestehend (s. Habicht, H. G. 1915, S. 343 ff.).
Vermutlich stammt das Relief von der Marktkirche. Mehrere der Eigen-
tümer des Hauses Marktstraße 63 hatten an der Sodenschen Kapelle der
Marktkirche besondere Anrechte. Bei der Anlage dieser Kapelle könnte
das Relief seinen ursprünglichen Platz in der Kirche verloren haben.
Marstallstraße 10:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1530, 3 Geschosse, glatt. 3. Obergeschoß
und Traufe mit Vorkragung auf Konsolen konkaver Form (ähnlich in
Celle, Schuhstraße 15, um 1530). Setzschwelle der Vorkragung mit
Treppenfries (vielleicht in zweiter Verwendung). Ein zweites - - doch
nicht in situ — Rückseite des Arbeitervereinshauses, Burgstraße 29.
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•+
Abb. 105. Hannover; Marstallstraße 10. Aufgen. D., 1927.
Marstallstraße: 33 abgebrochen.
„Der von Holle Haus", Abbildung in H. G. 1924, Tafel IV. Die Haupt-
front lag wahrscheinlich nach Nr. 34 hin. Das Bild zeigt die Giebelseite
an der „Mauerstraße": Mischbau, 1571 erbaut, 3 Geschosse, Erdgeschoß
massiv mit Kreuzpfostenfenstern. Die übrigen Geschosse Fachwerk mit
Vorkragungen, auch im Giebel, auf Trommelkonsolen, Füllhölzer nach
Fruchtgirlandenmotiv.
Setzschwelle des 1. Obergeschosses:
1)V TREWER • GODT • HER • IESV CHRIST • DER ■ 1)V • DER • RFXHTE •
BAWHER • RIST • BEWER • VNS • JA • FVR • FEWERSNOD • VND •
NACHMALS • FVR • DEN • EWGEN • TODT
S. Leonhardt, H. G. 1924, S. 121.
Abbildung Stadtarchiv, Mappe 22.
Maschstraße 4:
Wohnhaus des Hofbaumeisters Molthan. Zweigeschossiger Putzbau mit
romanischen Anklängen. Reiches Maßwerk in den rundbogigen Fenstern.
Überhängendes Hauptsims aus Holz.
578
Mittelstraße
Maschstraße 5:
Putzbau in romanischen Formen von Droste, 1855. Abb. 406
Maschstraße 6:
Putzbau, 1846 für v. Werlhof erbaut, angeblich durch Molthan, italieni- Abb. wi
scher Landvillenstil, Loggia und halbkreisförmig vorspringendes Blumen-
haus.
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4# jtyi-y' .».*■■*■-..
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Abb. 100. Hannover; Maschstraße 5. Droste, 1855.
Mittelstraße 1:
Fachwerkhaus, um 1750, 3 hohe Geschosse, 5 Achsen, Mansarden-
dach. Dacherker von 3 Achsen mit Dreiecksgiebel. Doppelpfosten,
Querriegel, Schalsimse architravartig. Hohe rechteckige Haustür.
Treppenanlage alt.
579
Liste der Bürgerhäuser
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Abb. 407. Hannover; Gartenhaus von Werlhof, Masch.stral.lr 6. 1846.
Mittelstraße 2: Ehemals Gasthof.
Abb. 408 Eckhaus Wagenerstraße, Fachwerk, Ende des 17. Jahrhunderts, 3 Ge-
schosse, 4 Gefache (Wagenerstraßenseite mit 8 Gefachen). 1. Obergeschoß
mit geringer Vorkragung. 2. Obergeschoß glatt mit verschalter Geschoß-
teilung. Das hohe 2. Obergeschoß schließt mit an der Hauptfront
geschwungenem Giebel; Seitenfront hat geschwungen in Knopf aus-
laufenden Giebel nur über den 4 Mittelgefachen. Mansardendach
Abb. 409 mit Ochsenaugen. An der Mittelstraßenfront rechts die einflügelige
Haustür mit geschnitztem Gewände; Oberlicht. In den Fenstern des
2. Obergeschosses alte Sprossenteilung.
Mittelstraße 5:
Fachwerkhaus, um 1660 — 70, 3 Geschosse, 4 Gefache, Erker von 2 Ge-
fachen mit Dreiecksgiebel in der Mitte. Vorkragungen mit gleich-
profilierten Balkenköpfen und Füllhölzern. Setzschwelle des 1. Ober-
geschosses:
ALLES WAS MS'IN TVHN VNDANFANGIST •
GESCHE IM NAMENESVCHRIS • DER STEHE MR BEIFRVH
VND SPÄHT BISAL1VEIN THVNE INENDE HATT.
Mittelstraße 8:
Fachwerkhaus, Eckhaus, erstes Viertel des 18. Jahrhunderts, 3 Geschosse,
später verschalt; Achsenteilung nicht ursprünglich. Ebenso Vor-
580
Mittelstraße
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■° 3
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581
Liste der Bürgerhäuser
kragungen mit antikisierenden Simsen spater. Haustür rechteckig
mit vorgelegter Freitreppe. Geländer in Schmiedeeisen alt. Die Tür
selbst einflügelig mit Oberlicht, Empire. Haus der 1711 gegründeten
Weingroßhandlung von Ahles.
Mühlenstraße 3:
Abb. 410 Traufenhaus, Fachwerk, go-
tisch (um 1525). Erdgeschoß
und 1. Obergeschoß glatt;
2. Obergeschoß und Traufe
mit Krallenkonsolen. 1 Ge-
fache. Füllhölzer fehlen.
Setzschwelle des 2. Oberge-
schosses mit feinem Fasen-
profil, ,, Leistentrapez". Ehe-
mals Einfahrt rechts. Wohn-
haus des Cord Broyhan.
Neue Straße 1 :
Fachwerkhaus, 1683, 3 Ge-
schosse, 7 Achsen. Hoher
Sandsteinsockel mit barock
profiliertem Absatz. Geringe
Vorkragungen; Balkenköpfe
und Füllhölzer verschieden
profiliert. Rahm birnstab-
ähnlich. Fußstreben verein-
zelt. Giebelerker von 5 Achsen,
rundbogige Durchfahrt links,
Sturz: J[JfJ&. 1683.
Neue Straße 2—5:
Einheitlich 1681 bei Anle-
gung der Straße erbaute Fach-
werkhäuser. Vorkragungen
mit gleichprofilierten Balken-
köpfen und Füllhölzern.
Neue Straße 11:
Fachwerkhaus (die Bemer-
kung H. G. 1914, S. 290, be-
zieht sich auf Nr. 44) ursprünglich 3 Geschosse, 6 Gefache, 2. Ober-
geschoß jünger. Setzschwelle 1. Obergeschosses:
WIRBAWENALHIERFESTEVND SINTDOCHFREMBDEGESTE o
VNDDA WIREWIGSOLLENSEINDABAWENWIRGARWENIGEIN.
Abb. 410. Hannover; Mühlenstraße 3.
Sctzsehwolle dos 2. O.-G. mit Lcistentrapozen.
Phot. 1905.
582
Neue Straße
Neue Straße 16:
Fachwerkhaus, größtenteils Ende des 17. Jahrhunderts, Haustür recht-
eckig mit Oberlicht und einflügeliger Rokokotür. Abbildung bei Ebel,
S. 37.
Neue Straße 17:
Fachwerkhaus, entsprechend dem vorigen; Tür links, Rokoko.
Neue Straße l.S:
Fachwerkhaus, den vorigen entsprechend, auf den Resten des mittel-
alterlichen Zwingers aufgebaut, der dort in den Graben hinaussprang.
Am Fundament des Hinterhauses ein Steinmetzzeichen M. H. W. 1691.
Neue Straße 19 und 19a:
Fachwerkhaus als Wagenremise und Fouragespeicher von der Landes-
herrschaft zu Ende des 17. Jahrhunderts errichtet (s. Hofmarstall-
wesen, Seite 323).
Neue Straße 21 s. London-Schenke.
Neue Straße 23:
Fachwerkhaus vornehmerer Art, 1707 (?); 3 hohe Geschosse, 7 Haupt-
gefache, dabei 5 Fenstergefache. Mittelerker mit flachem Giebel.
Rechts war eine Einfahrt. Sturz mit unleserlicher Inschrift. Jahres-
zahl 1707 (?). Empiretür, zweiflügelig. Treppenanlage alt, aber ohne
Besonderheit.
Neue Straße 24:
Hinterhaus von Lange Straße 20. Neue Inschrift:
MIEN HUS MIEN STOLT STAH LAST AS EEKEN HOLT A-D- 1682.
Neue Straße 27:
Fachwerkhaus, letztes Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts, 3 Geschosse,
gebrochene Front. Vorkragungen aller Obergeschosse mit gleicher
Profilierung von Köpfen und Füllhölzern; Giebelerker mit Giebel-
pfahl. Rechts zugesetzte Durchfahrt. Hauseingang mit zurückliegender
Treppe. Die Haustür einflügelig mit Oberlicht, Ornamentik aufgelegt,
ist etwa 1790 entstanden.
Das Haus war von 1740 — 97 im Besitz der Familie Kestner. Charlotte
Kestner, geb. Buff, Werthers Lotte, wohnte hier bei ihrer Schwieger-
mutter in den ersten Jahren ihres Aufenthaltes zu Hannover.
Neue Straße 28—31:
Gleichzeitig um 1681 erbaute Fachwerkhäuser mit gleichgebildeten
Vorkragungen. Nr. 28 mit einflügeliger Spätrokokotür und Ober-
licht.
583
Liste der Bürgerhäuser
Neue Straße 33 und 34:
Ursprünglich Doppclhaus für Ratsdiener, Fachwerk um 1681,
3 Geschosse, 1 1 Gelache, Giebelerker von 6 Gefachen in der Mitte;
Giebelpfahl. Vorkragungen in allen Geschossen wie vorher. Links
flachbogige Durchfahrt, rechts rechteckige Tür, dreiteilig, mit Ober-
licht, Regenzemerkmale. Treppenanlage alt.
Neue Straße 35: Simonsche Stiftung.
Mischbau, 1681 (s. Lange Straße <S), 3 Geschosse, Erdgeschoß massiv,
Sockel ohne Absatz, aus Sandstein. Die beiden Fachwerkgeschosse
von 18 Gefachen. Vorkragungen wie vorher. 2. Obergeschoß sehr hoch.
Alle Fenster außenbündig. Hauptsims auf klassizistischen Konsolen
vorgekragt; Mansardendach. Windenerker. Mitteleinfahrt mit Sand-
steinumrahmung, rundbogig. Hebräische Inschrift im Scheitel.
rz.b * ~"2a P"Z'
„Jahr Wahrheit nach der minderen Zahl." Das mittlere Wort „Wahr-
heit" bedeutet als Zahl gelesen 441 der jüdischen Zeitrechnung =
1681 der christlichen Ära.
Neue Straße 37:
Fachwerkhaus, letztes Viertel des 17. Jahrhunderts, 4 Geschosse, 5 Ge-
fache, Haustür bei Ebel, Textabb. S. 46.
Am Neuen Wege 3A: abgebrochen 1890.
Abb. 4ii Fachwerkhaus, Mitte des 18. Jahrhunderts; 2 Geschosse, 7 Achsen,
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Abb. 411. Hannover; Neuer Weg HA, Haus des Vise-Oberjägerraeisters Graf Hardenberg, 1836,
584
Osterstraße
Giebelerker von 3 Achsen, Mansardendach mit Gauben. Dem Eingange
in der Mittelachse war eine doppelarmige Freitreppe vorgelegt. Um
1836 Haus des Vize-Oberjägermeisters Graf Hardenberg.
Abb. 412. Hannover; Osterstraße 1, Schmiedestraßenfront. Phot. 1924.
Osterstraße 1: ,, Plenterburg", später Gasthaus „Zum römischen
Kaiser".
Giebelhaus, Eckhaus zur Schmiedestraße, Giebelseite massiv in Ziegeln Abb. «s
unter Verwendung von Haustein; Flächen geputzt. Osterstraßenseite
hat in den übergeschossen Fachwerk ohne Konsolen; Andreaskreuze.
585
Liste der Bürgerhäuser
Meisterzeichen Adrian Siemerdings seitlich des Giebelfußes. Die
Jahresangabe 1658 findet sich in der Wetterfahne.
•1 Geschosse, Staffelgiebel in 3 Geschossen. Fenster zu je vier und zu
je zwei gekuppelt, alle mit Säulchen. Geschoßteilungen durch antiki-
sierende Gurtfriese. Brüstungssimse; senkrechte Lisenen. Achsen-
anordnung bis in den Giebel hinein senkrecht untereinander. Rechts
Erker von 3 Geschossen mit zu je fünf gekuppelten Fenstern. Nach
der Osterstraße sind das 2. und 3. Obergeschoß wie der Giebelfuß
vorgekragt. Der Giebel hat in den Stufenzwickeln Füllungen durch
Halbmuscheln und Volutenwerk, ähnlich wie am Hause „Am Markt 16".
Obelisken. Giebelbekrönung mit Muschel, Volutenwerk und Wetter-
fahne auf kupferner Kugel.
Der Hauseingang befand sich in Mitte der Osterstraßenfront.
Osterstraße 3:
Traufenhaus, Fachwerk überputzt, vielleicht ursprünglich 2 Geschosse,
2 Gefache, 2. Obergeschoß vorgekragt und verschalt. 3. Obergeschoß
hat noch drei Konsolen mit Taustab, um 1560, ähnlich Kaiserstraße 2.
Osterstraße 4:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1550, stark verändert. 6 breite Gefache,
Fußstreben stellenweise erhalten. Malerischer Hof.
Osterstraße 8:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1550; Erdgeschoß und 1. Obergeschoß
sind noch gotisch, Balkenköpfe mit Krallenverzierung. Konsolen
nirgend mehr vorhanden. 2. und 3. Obergeschoß 18. Jahrhundert.
Über der Durchfahrt innen:
HILF GOT REICHLICH • EWIG • VND ZEITLICH.
Der Hofflügel von Meister D. S. (Dirik Stünckel), 1635, Inschriften:
TRACHT ■ STETS • DARNACH • WAS • RECHT • ISTGETHAN • OB DICH •
SCHON NICHT • LOBT IDERMAN • ES KANS • DOCH MACHEN • KEINER
ALSO • DAS • IDERMAN GEFALLEN (THO)
DER • CHI PSAL • LOBE DEN HERN MEINE • SELE VND VERGIS •
NICHT • WAS ER MIR (iVTES GETHAN HAT HANS • HANSINCK •
ELISABET • BERNS • ANNO 1635
(vgl. H. G. 1914, S. 117).
Osterstraße 9:
Fachwerkhaus, um 1730; 3 Geschosse, 1 Achsen, Vorkragungen des
2. Obergeschosses und des 4>aufsimses mit sichtbaren Balkenköpfen.
Fensterstürze in Segmentform. Mansardendach mit Giebelerker von
2 Gefachen.
586
Osterstraße
Osterstraße 10:
Traufenhaus, Fachwerk, Erdgeschoß um 1550, 5 Gefache. Ein jüngeres
Obergeschoß von 6 Gelachen.
Osterstraße 11:
Giebelhaus, Fachwerk, um 1550. Art des T. G., 3 Geschosse (Zwischen-
geschoß), 9 Gefache; Giebel in 3 Geschossen. Vorkragungen des
2. Obergeschosses und Giebelfuß auf Krallenkonsolen, Setzschwellen
mit Halbrosettenf riesen.
Durchfahrt war bis 1860 rechts.
Osterstraße 12:
Mithoff, Kdm. S. 95, überliefert die Inschrift :
LOBE DEN HERRN MEINE SEELE —
Osterstraße 13:
Mithoff, Kdm. S. 91, verzeichnet die Inschrift:
DAS BLVT JESV CHRISTI MACHT VNS REIN VON ALLEN SINDTEN
Osterstraße 22: abgebrochen beim Durchbruch der Grupenstraße.
Giebelhaus, Fachwerk, um 1600 — 10, 2 Geschosse, 6 Gefache, Gicbelfuß
auf S-Konsolen vorgekragt, Füllhölzer mit Kymation und Zahnschnitt.
Rechts ein Erker durch zwei Geschosse vorgezogen. Fenstersäulchen.
Vielleicht um 1630. Abb. H. G. 1926, Taf. IX.
Osterstraße 26: abgebrochen um 1890.
Giebelhaus, Fachwerk, um 1565. Vielleicht vom Meister des Apotheken-
flügels. 2 Geschosse, Giebel in 2 Geschossen, 7 Gelache. Erdgeschoß
mit spitzbogiger Einfahrt links der Mitte. Giebelfuß und Giebelgeschoß
auf Trommelkonsolen vorgekragt. Keine Füllhölzer erhalten. Pfosten
mit pilasterartiger Fußausbildung und Verkröpfungen an den Setz-
schwellen. Brüstungsbretter mit Halbrosetten. Gardinenbögen; an
der Giebelschräge schräggestellte Konsolen. Abb. H. G. 1916, S. 216.
Inschrift der Scheune s. Osterstraße 28.
Osterstraße 27:
Mithoff, Kdm., S. 95, las die unter einer Verschalung wahrscheinlich
noch vorhandene Inschrift :
HER CHRIST BEWA.R DK STADT VND HAVS SONST ISTS MIT VNS
GANTZ VND GAR AUS
Osterstraße 28:
Mischbau, 1608, Erdgeschoß und 1. Obergeschoß Ziegel verputzt mit
Sandsteinverwendung an der Durchfahrt (links). Nach Zeichnung
von 1855 in den B. P. A. war der rundbogige Hauseingang damals rechts,
im Hintergrunde der Diele rechts die Treppe. Sims über Erdgeschoß
587
Lisle der Bürgerhäuser
erhalten, unterhalb der Fensterbrüstung überputzt. Im 1. Ober-
geschoß jetzt Fenster nül Segmentbögen. 2. Obergeschoß in Fachwerk
vorgekragt ohne Konsolen. Füllhölzer reich mit Zahnschnitt, Kymation
und Konsolenschnitt. Der Oberbau ist vermutlich von Hans Behnsen.
Setzschwelle des Fachwerkgeschosses mit hochdeutscher Inschrift
in lateinischen Großbuchstaben:
HILF- GODT-AVSNODT- DERABGVNST- IST- GROS- WERABERGQDT-
VERTRAWET- HADT • WOL • GEBVET ■ ICH • ZWEIFEL • N ICH • GODT-
WIRT • HILFEN • MICH ■ 1 ■ 6 • 0 • 8 •
Schlußstein der Durchfahrt mit Hausmarke.
Hintergebäude ungefähr aus gleicher Zeit; über der Durchfahrt an der
Setzschwelle:
.... FINK IN ALLEN DINGEN • SO KAJNES DI[R NICHT
MISGELINGEN] ANNO DOMINI 1(304.
Unter der Traufe S-Konsolcn.
Osterstraße 33: abgebrochen.
Als Steinhaus seit 1428 oft erwähnt und auf älteren Stadtplänen
gezeichnet. Über das auf diesem Grundstück 1686 erbaute von Reden-
sche Haus s. S. 113.
Osterstraße 34 und 35:
Zwei gleich ausgestattete Fachwerkhäuser, 1732 erbaut, 4 Geschosse,
je 5 Achsen.
Die Grundstücke 1 158 an Hinrik Reseler, 1586 .lobst Knigge; ,,Kniggen
Hof", zu dem auch die nächsten beiden Grundstücke der Röseler-
straße gehörten, wurde durch üvn Bürgermeister Grupen 1729 für die
Stadt erworben und dann neu bebaut.
Über die nicht mehr vorhandenen Bauinschriften s.
H. G. 19U5, S. 498.
Osterstraße 36:
Giebelhaus, Eckhaus, Fachwerk, datiert 1589, Meister
wohl C. H. (vgl. Osterstraße 38). 3 Geschosse, 8
Gefache, Giebel in 3 Geschossen. Erdgeschoß ver-
ändert. 2. Obergeschoß und alle Giebelgeschosse auf
Abb. 413 S-Konsolen vorgekragt. Keine Füllhölzer. Verkröpfte
Brüstungsleisten wie an der Röselerstraßenfront waren
wohl vorhanden, bevor die Fenster verändert sind.
Andreaskreuze in allen Obergeschossen. Seitenfront
aus großformatigen Ziegeln bei Vorkragung des
2. Obergeschosses in Fachwerk. Vielfache Veränderun-
gen. Keine Inschriften. straße 36, s-Konsoie.
588
Abb. 413.
Hannover; Oster-
Osterstraße
Osterstraße 38:
Giebelhaus, Fachwerk, um 1590 (Abb. bei Galland 1886, Tai. 28).
4 Geschosse, Giebel in 2 Geschossen, <S Gefache (vgl. Dammstraße 5).
Erdgeschoß 1854 verändert. Einfahrt hatte damals schon geraden
Sturz. Fachteilung der Obergeschosse bis auf das 3. Obergeschoß
nicht ursprünglich. Alle Geschosse, auch im (Hebel, vorgekragt; nur
im Giebel sind die S-Konsolen alt. Die Pfosten und Konsolen des
Giebels neigen sich nach der Giebelspitze hin. Füllhölzer fehlen. Andreas-
kreuze und vorgenagelte Brüstungsleisten. Inschriften niederdeutsch
in lateinischen Großbuchstaben.
Giebelfuß :
DE CXII PSALM • WüLDEM • DE • DEN • FERN • FRVCHTET • DE •
GROTE • LVST • HEFT • AN • SINEN • GERODEN ■ DES • SAT • WARTH •
WELDICH • SIN • VP • ERDEN •
Auf der nächsten Setzschwelle darunter:
WOL • GOT • VORTRVWET • HEFT • VAST • VND • WOL • GEBVWET •
WOR • GOT • NICHT • GEIET • DAR • HELPT • NEIEN • ARREIT •
Untere Setzschwelle: die großenteils verdorbene Inschrift ist durch
Bemalung nachgearbeitet :
DE • XXV • PSALM • THO ■ 1)1 • HERE • VORLANGET • MIE • MIN • GODT •
ICK ■ DOPE • VP • DI • LAT • MI • NICHT • THO • SCHANDEN • WARDFN.
Osterstraße 39:
Giebelhaus, Ziegel verputzt bei Hausteinverwendung, um 1610. 3 Haupt- Abb. tu
geschosse, Giebel in 4 Geschossen gestaffelt, Erdgeschoß und 1. Ober-
geschoß verändert; 2. Obergeschoß hat 5 Achsen von paarweise ge-
kuppelten Fenstern mit Säulchen. Staffelgiebel beiderseits ausgekragt,
hat andere Achsenteilung, breite diamantbesetzte Lisenen, Staffel-
zwickel gefüllt durch Bandwerk mit barocken Ansätzen wie Schmiede-
straße 5. Obelisken fehlen heute. Abb. bei Galland, 1886, Tai'. 28.
Osterstraße 11 :
Traufenhaus, 3 Geschosse, 3 Achsen, Fachwerk. 1712 neu gebaut
und dem conrector scholae zugewiesen (s. Leonhardt, H. G. 1926,
S. 65).
Osterstraße 42:
Traufenhaus, 3 Geschosse, 4 Achsen. Erdgeschoß massiv mit. flach-
bogiger Durchfahrt links; darüber
SOLI DEO GLORIA 1720.
In den hohen Obergeschossen Doppelpfosten; geringe Vorkragung.
Traufsims klassizistisch.
589
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 414. Hannover; Osterstraße 39. Phot. M.B. A„ 1928.
Osterstraße 44:
Fachwerkhaus, ähnlich Osterstraße 41 ; 3 Geschosse, 4 Achsen, Anfang
des 18. Jahrhunderts.
Über der Einfahrt der ehemaligen Scheune ANNO DOM INI 1596.
IOBST • SCHRODES • HILLE • DEPMER1NG (statt Dethmering).
590
Osterstraße
Osterstraße 46: Geburtshaus des Rechtsgelehrteu Justus Henning
Böhmer.
Giebelhaus, Fachwerk, Art des Hinr. Stünkel. 5 Geschosse, Erd-
geschoß mit Eckverzahnung in Sandstein. Durchfahrt links der Mitte.
Die Obergeschosse - 7 Gefache, Giebel in 2 Geschossen - - sämtlich
vorgekragt, bis auf das 1. Obergeschoß auf S-Konsolen. Füllhölzer
reich mit Eierstab und Zahnschnitt im 1. Obergeschoß, mit Konsolen-
fries im 2. Obergeschoß und mit einfachem Zahnschnitt im 3. Ober-
geschoß. Erbauer Hinrich Behrens.
Fenster im 1. Obergeschoß und 2. Obergeschoß vergrößert. Die ehemals
rundbogige Durchfahrt enthielt auf dem Sturzbalken zwischen Wappen-
schilden Namen und Jahresangabe; nicht lesbar.
Osterstraße 47:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1570, 1 Geschosse, 7 Gefache, Erdgeschoß
1885 verändert; segmentförmig geschlossene Durchfahrt war links.
3. Obergeschoß mit Giebelerker jünger. 2. und 3. Obergeschoß (ehe-
malige Traufe) auf JYommelkonsolen vorgekragt. Andreaskreuze.
Inschrift auf der. Setzschwelle:
DAT • IS • DAT • LAM • GADES • WELCKEB • DER • WERLT • SVNDE •
DRECHT • GODT • DE ■ HERE • SI • VNS • GNE |DIG
Am Hofseitenflügel eingefügter Balken mit Datierung: ANNO • DOMINI •
1584 • zwischen 2 Wappenschilden, deren einer mit C E (Cord Eggers)
bezeichnet ist.
Osterstraße 48/49:
Traufenhaus in Fachwerk, Mitte des 18. Jahrhunderts.
Osterstraße 50:
Traufenhaus, 1001 vom Meister Hans Beensen. Mischbau von 2 massiven Abb. 415
Geschossen mit besonders starken Mauern und einem vorgekragten
Obergeschoß von 5 Gefachen. Traufsims ebenfalls vorgekragt.
Eckverzahnung, Gewände und Gesimse aus Haustein. Erdgeschoß
durch Fenstereinbau verändert, mit rundbogiger Durchfahrt rechts;
im Schlußstein Wappenschild (Hilmer?), Geschoßteilung durch Gurt-
fries. Brüstungssims des 1. Obergeschosses mit Zahnschnitt. Fenster-
teilung verändert. Vorkragung des Fachwerkgeschosses mit niedrigen
S-Konsolen. Die Unterkanten von Füllhölzern und Setzschwelle sind
stark gefast. Unter dem 4>aufsims höhere, von lesbischem Kyma
umrahmte S-Konsolen. Andreaskreuze. Meisterzeichen mit Emblemen
am Pfosten rechts der Mitte M. H. B. Auf der Setzschwelle in Groß-
buchstaben (Hammer und Zange):
HERE GODT RIS DV MEIN ZVVERSICHT • SO MIN MVNT KEIN WORT
MER SPRICHT ANNO 16[0]1.
591
Liste der Bürgerhäuser
Frühester nachweisbarer Hau des Hans Beensen, der 1603 Ratszimmer-
meister und steuerfrei wurde wegen seiner Verdienste um den städtischen
Wohnbau.
Abb. 416.
Hannover; Osterstr. 51.
den
Osterstraße 51; s.
Grundriß, Abb. 416.
Osterstraße 54:
Traufenhaus, etwa 1650
erbaut und 1850 mit neuer
Front verseilen. Im Zu-
stande vor 1850 gehörte
es zu den Mischbauten:
Erdgeschoß massiv, über-
putzt, rundbogige Durch-
fahrt rechts. Fenster mit
Sandsteinumrahmungen,
hoher Gurtfries. 2 Ober-
geschosse in Fachwerk um 1730, eingeschossiger Dacherker. Treppen-
haus ursprünglich; gedrehte Docken.
Osterstraße 56:
Giebelhaus, Mischbau, ursprünglich ganz in Fachwerk. Um 1550
durch Meister Jürgen Geringes für Hinrich Kobart erbaut. Erdgeschoß
1645 in Sandstein erneuert: Durchfahrt rundbogig mit Flachornament
Abi). 115. Hannover; Osterstraße 50.
592
Osterstraße
auf der Umrahmung; Kanten mit Eierstababfasung; in den Zwickeln Abb. 417
Hausmarken H. E. und J. N. und die Jahreszahl 16/45. Die Fenster
des Erdgeschosses hatten Teilung mit Säulchen (Zeichnung in den
Baupolizeiakten von 1873). Wiederherstellungsarbeiten 1884. Wahr-
Abb. 417. Hannover; Osterstraße 56, Durchfahrt. Phot. M.B.A., 1928.
scheinlich war ein Zwischengeschoß bis 1645 vorhanden, dessen Setz-
schwelle, mit Fächerfries verziert, sich noch in alter Lage befindet.
Giebelfußschwelle ebenfalls mit Fächerfries. Vorkragungen auf Krallen-
konsolen. Füllbretter und Streben neuzeitliche Zutat. Meisterzeichen
am Giebelfuß J. G. Auf den Setzschwellen des Seitenflügels findet
sich die Jahresinschrift ANNO 1565 und die Hausmarke des Hinrich
Kobart nebst den Anfangsbuchstaben seines Namens H. K., außerdem
die Meisterbezeichnung C. K.
38
593
Liste der Bürgerhäuser
Über der Hauseinfahrt war ehemals das Herbergszeichen der Tischler
angebracht, jetzt im Vaterlandischen Museum.
Abbildung des Hauses in H. G. 1926, Tat. VII.
Osterstraße 57:
Traufenhaus, etwa 1630, 2 Geschosse massiv und überputzt; ursprüng-
lich ein Fachwerkobergeschoß von 6 Gefachen, wenig vorgekragt.
Ein zweites Fachwerkobergeschoß 1837 aufgestockt. Erdgeschoß
durch Schaufenstereinbau verändert, enthält das alte Hausportal
rechts der Frontmitte: schmal, rundbogig mit Kämpfer; Fasen des
Bogens mit Eierstab; im Scheitel Rosette mit Engelsköpfchen. Tür
aus der Erbauungszeit. Fenstergewände aus Sandstein. Keine Ver-
wendung von Säulchen. Vgl. Osterstraße 52.
Abbildung des Zustandes von 1837 im Stadtarchiv.
I )as Haus gehört der St.-Ägidien-Kirchengemeinde und war Pfarr-
witwenhaus.
Osterstraße 59: (sogenannte „Alte Kanzlei") vorübergehend Sitz der
Justizkanzlei, 1742—60).
Giebelhaus in Ziegelbau, Eckhaus zur Breiten Straße. Nach dem
Wäskenbook § 582 ist das Haus erst um Mitte des 16. Jahrhunderts
erbaut, und zwar von Hans Gercken dem Jüngeren, der es seit 1554
Abb. 419 besaß. Der Giebel überragt alle Häuser der Nachbarschaft. Erd-
geschoß mit hohem Zwischengeschoß, 2 Obergeschosse, gotischer
Lisenen-Staffelgiebel (Profilziegel- und Glasurverwendung) in 6 Staffeln
II achsig angesetzt.
Veränderungen des Erdgeschosses liegen schon im 17. Jahrhundert.
Der seit 1689 im Hause wohnende Oberzahlkommissar Johannes
Reinbolt ließ an der Osterstraße ein Portal mit seinem Wappen und
Abb. ns der Jahreszahl 1691 einbauen, das jetzt an die Front der Breiten Straße
verlegt ist. Ein neuerdings beseitigter Erker saß an der Ecke. Das
Erdgeschoß ist heute verputzt, läßt aber Eckverzahnungen in Sand-
stein erkennen. Am Giebelfuß ist die Rahmung eines Frieses sichtbar.
Die alte flachbogige Durchfahrt links ist neuerdings wieder geöffnet.
Die Veränderungen des Dielengrundrisses lassen den alten Zustand
nicht einwandfrei erkennen. In einem nach der Breiten Straße zu
belegenen, ursprünglich durch zwei Geschosse reichenden Erdgeschoß-
raum fanden sich 1926 unter Putz Wandmalereien in Leimfarben, die
nicht erhalten werden konnten: Renaissancekartusche und Spruch
Psalm 55, Vers 23; Farben: Schwarz, Grün, Gelb.
594
Osterstraße
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595
Abb. 418. Hannover; Osterstraße 59, Zustand von 1850.
Aufn. D. u. N., 1925. Reinzciclm. D.
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 41i>. Hannover; Osterstraße 59. Pliot. 1928.
Druckst.: Vcrk.-A.
Osterstraße 63 :
Abb. 420 Spätbarockes, französisch beeinflußtes Massivhaus in Ziegeln mit Putz.
Gewände, Simse, Quaderlisenen in Sandstein. Das Haus bestand
schon 1732, wie aus dem Tagebuch des Abtes von Loccum, Ebel, hervor-
geht, wo es als Geh. Justizrat Denichens Haus bezeichnet wird. Ur-
sprünglich 2 Geschosse bei 5 Achsen. An Stelle des Mansardendaches
ist 1827 1 Geschoß mit klassizistischem Giebel aufgestockt. Das Mittel-
portal - - ehemals mit zweiarmiger Freitreppe hat verkröpfte Sims-
verdachuug von geschwungener Form; das Mittelfenster darüber zeigt am
Brüstungsfelde unter der konsolengetragenen Solbank Blumengehänge.
Osterstraße 65:
Ursprünglich Giebelhaus von 1530, mit offener Hofeinfahrt links;
etwa 1620 wurde die Einfahrt überbaut, der Giebel abgewalmt. Das
Gewände der damaligen Einfahrt ist um 1890 am Hofe der Reichs-
bank eingebaut.
596
Osterstraße
Abb. 420. Hannover; Osterstraße 63. Phot. 1914.
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Abb. 121. Hannover; Osterstraße 65. D., 1925.
597
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 121 An der Rückseite des Vorderhauses spitzbogige Durchfahrt in Fach-
werk. In den Zwickeln die Jahresinschrift 1530 zwischen zwei Wappen-
schilden, deren ursprünglicher Inhalt getilgt ist.
Neben der Durchfahrt rechts spitzbogige, in Profilziegeln gemauerte Tür
von der Diele zum Hofseitenflügel, jetzt zugesetzt. (Tür zur Kemenate?)
Über dem Torbogen des Quergebäudes im Hofe Doppelwappen von
etwa 1620: Iochim Brvwer • Anna Polmans (Gioßbuchstaben).
Osterstraße 66:
Traufenhaus, Fachwerk, 1586 vom Meister Cord Meier erbaut; 3 Ge-
schosse, 6 Gefache; links ein 2 Gefache breiter Erker bis zum 2. Ober-
geschoß vorgezogen. Erdgeschoß und 1. Obergeschoß verändert; Durch-
fahrt ehemals rechts. 2. Obergeschoß und Traufe auf S-Konsolen
vorgekragt. Füllhölzer nach Girlandenmotiv. Andreaskreuze.
Inschrift auf der Setzschwelle des 2. Obergeschosses in lateinischen
Großbuchstaben jetzt nur teilweise sichtbar:
SPES MIHI SOLA DEVS SPES COETERA FALLIT ET ERRAT.
Das Meisterzeichen MCM innerhalb der Embleme im 2. Obergeschoß
am Pfosten über der Einfahrtsmitte. Mithoff las noch über dem Erd-
geschoß:
ANNO DOMINI 1586 FLEBILE PRINCIPIVM SED FINIS LAETA BO-
NORV.
An der Hausrückseite Spitzbogen der Durchfahrt erhalten. Hof-
seitenflügel von 1592 mit der Inschrift:
ANNO I. 5. 92 FIDE DEO CAVSA QVEM DESTITVERE SECVND^
QVIDQVUID ET HUMANA EST IN RATIONE BONI
QVEM PATER ET GENETRIX QVEM DESERVERE PRO PINQVI
DESERTVM PATITVR NONTAMEN ESSE DEVS
Osterstraße 68:
Traufenhaus, laut Inschrift von 1609: wohl dem Meister Hans
Nottelmann zuzuschreiben. Ursprünglich 3 Geschosse; ein viertes ist
Abb. 422 straßenwärts durch Aufklappen der Dachfläche aufgestockt. Nur das
Erdgeschoß in Haustein, 1. und 2. Obergeschoß in Ziegeln, geputzt
bei Hausteinverwendung; die übrigen beiden Geschosse in Fachwerk.
Die Fassade ist, abgesehen vorn Aufstocken, verändert, indem die drei-
teilig gekuppelten Fenster in zweiteilige umgestaltet wurden. Das
Erdgeschoß hat rundbogigen Eingang und ursprünglich vorgelegte
Treppe. Sandsteingewände mit Beschlagornament, Zahnschnittfasen,
Schlußstein als Engelskopf; darüber Allianzewappen: Rosenhagen-
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Osterstraße
Wiering und die Jahreszahl 1609.
Das Wappen schreibt Schuchhardt Abb. 423
(B. d. R., Nr. 42) dem Meister mit
der Signatur ,,M. H. F." zu, die
gelesen werden muß M[eister]H[ans
Nottelmann] F[ecit]. Die Fenster
rechts waren ehemals zu dreien
gekuppelt; Säulchen toskanisch.
Im 1. Obergeschoß war die ent-
sprechende Fensteranordnung mit
jonischen Säulchen. Geschoßteilun-
gen durch Friese. Brüstungssimse
waren überall vorhanden.
Abb. 122. Hannover; Osterstraße 68,
Zustand nach der Aufstockung.
Aut'n. D. u. N., 1025. Gez. N.
Abb. 12.S. Hannover; Osterstraße 68,
Ehewappen über der Haustür.
Osterstraße 69:
Traufenhaus, Mischbau, 1570 — 80, 2 Geschosse massiv, 2 in Fachwerk, Abb. 124
Erdgeschoß verändert, das 2. Fachwerkgeschoß von 1864 (lt. Bau-
polizeiakten). Vorkragung des 1. Fachwerkgeschosses auf (erneuerten)
Konsolen; Andreaskreuze, Setzschwelle mit Inschrift in lateinischen
Großbuchstaben, niederdeutsch :
599
Liste der Bürgerhäuser
HERE SIMI GNEDICH • WENTICK ROPE DAGELIKES THODI •
VORFROVWDE • SEILLE • DINES KNECHTES NA •
Osterstraße 70: abgebrochen 1864, s. die Abb. der Gruppe 68 — 70.
Abb. 124. Hannover; Gruppe der Häuser Osterstraße 68, 69, 70, Zustand um 1850. Nach Zeichnungen
in den Baupolizeiakten und Phot. Stadtarchiv; gez. N., 1926.
Osterstraße 72: abgebrochen 1898.
Giebelhaus, in Fachwerk, überputzt; erbaut 1692 (Zeichnung in Bau-
polizeiakten von 1856), 3 Geschosse, 6 Achsen. Mitteltür mit ge-
schwungenem Losholz und durchbrochenem Oberlicht. Durchfahrt
rechts. Auf dem Schlußstein des Torbogens stand nach Wüstefeld
SOLI DEO GLORIA • ANNO 1709.
Im Hof über der Einfahrt:
IORST CHRISTOF SCHRÖDER ANNO 1692 ILSE MARGARETHA BÖT-
GERS.
Unter den beiden Namen die zugehörigen Wappen.
Am Hinterhause die gleichen Familienwappen und an einem Balkenkopfe
St. Georg, den Drachen tötend.
600
Abb. 425. Hannover; OsterstralJe ~'.i.
Aufn. D. u. N., 1925. Gez. N.
Osterstraße
Osterstraße 73:
Massivhaus mit gestaf-
feltem Volutengiebel,
laut Inschrift 1600 er-
baut. Ziegel, verputzt,
und roter Sandstein.
1 Hauptgeschosse und
ebensoviel Geschosse im
Giebel. Die Fenster Abb. 425
der Hauptgeschosse sind
noch im 17. Jahrhundert
erweitert : dabei die alten
Brüstungs- und Archi-
travsimse abgeschlagen,
wie an Spuren erkennbar
ist. Die Fassadenauftei-
lung ist symmetrisch auf
die Mittelachse bezogen.
Achsenanordnung im
Giebel gegen die der
Hauptgeschosse ver-
schoben. Im Erdgeschoß
liegt die rundbogige
Durchfahrt rechts der
Mitte. Im ursprünglichen
Zustande scheinen die
Hauptgeschoüfenster zu
zweien auf Pfeilerchen
gekuppelt gewesen. Der
Giebel ist in Lisenen-
streifen aufgeteilt.
Zwickelfüllungen mit
Volutenwerk, Beschlag-
ornament und Obelisken,
ähnlich Köbelinger-
straße 12. Meister ist
wohl H. Nottelmann.
Die Jahresinschrift 1600
findet sich über dem
1855 durch Hunaeus
veränderten Fenster
rechts der Durchfahrt.
Treppenanlage etwa 1660.
601
Liste der Bürgerhäuser
Die Hofgebäude in Fachwerk sind 1923 abgebrochen. Seitenflügel, 1597,
Art des Cord Meier, 2 Geschosse. Obergeschoß und Traufe auf S-Konsolen
vorgekragt. Füllhölzer reich behandelt nach Fruchtgirlandenmotiv;
Andreaskreuze. Inschrift auf der Setzschwelle in lateinischen Groß-
buchstaben, niederdeutsch:
WO • GODT • NICHT • SVLVEST • DAT • HVS • VPRICHTET • VNDE
SCHAFFET • ALLE • DINGK • DARINNE • SO • ISMIT • VNS • NICHT
VTH • GERICHTET • VORLAREN • IS • STARCK • VNDE • SINNE
ALLE • MOIE • VNDE • SORGE • VORGEVES • GEIT • WO • GADES
HVLPE • NICHT • RI • VNS • STEIT • ALL ■ ARREIT • IS • VORLAREN
Über zwei Pfosten verteilt je unter Hausmarke:
ANNO
DOM
1 • 5
9 • 7
INI
Die Scheune, Fachwerk, war wenig älter, 2 Geschosse, teilweise verdeckt.
Durchfahrt. Inschrift in lateinischen Großbuchstaben, teilweise ver-
dorben :
GEN • VND • TRVL IN • ALLEN • DINGEN • .
Gemälde des Hofes im Besitze des Prokuristen der Hauseigenttimerin,
Firma Brauns.
Osterstraße 78:
Scheune, Fachwerk: ANNO DOMINI 1614.
Osterstraße 80:
Am Hofflügel, Fachwerk von 1635, die Inschriften:
Obere Setzschwelle :
DIE MITTHRENEN SEIEN- WERDEN MIT FREVDEN ERNDTEN • SIE
GEHENHIN VND WEINEN VND TRAGEN EDLEN SAMEN • VND
KOMMEN MIT FREVDEN VN BRINGEN IHRE GARREN • PSALM 176
(176 fälschlich statt 126) 10. IVNY.
Untere Setzschwelle:
WOLL GOTT VERTRAWT • HAT WOL GEBAWT • IM HIMMEL VND
AVF ERDEN • WER SICH VERLEST AVF IESVM CHRIST • DEM MVS
DER HIMMEL WERDEN • HANS HERBST • ELISABET GROVE • AD.
1635.
Osterstraße 81 :
Massives Staffelgiebelhaus in Putz; Ziegel- und Sandsteinverwendung.
Ursprünglich 4 Hauptgeschosse (jetzt 3) mit dreigeschossigem ge-
Abb. 126 staffelten Giebel. Erdgeschoß ehemals mit rundbogiger Durchfahrt
rechts (geändert 1859). Geschoßteilungen durch Friese. Giebel durch
Lisenen aufgeteilt. Die Staffelzwickel werden durch Volutenwerk
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Abb. 426. Hannover; Osterstraße 81. Zustand 1859.
Aufn. D. u. N., 1925. Gez. D.
geschossiger Erker war auf musche
geschoß herausgekragt und hatte
Haus war bald nach 1600 für Seba
Osterstraf3e
gefüllt, innerhalb dessen die
4 Evangelisten mit ihren Abb. 127
Attributen und Engelsköpfe
eingefügt sind. Als Giebel-
bekrönung Christus der Über-
winder, der Schlange den
Kopf zertretend. Am Posta-
ment dieser Figur die Jahres-
zahl 1611.
Das Haus war ehemals Gilde-
haus der Zimmerleute (Re-
decker, Chron., S. 629; H. G.
1908, S. 60 und 246: H. G.
1914, S. 167). Redecker sagt:
Bevor der königliche und kur-
fürstliche Kammersekretarius
Friedrich Julius Bütemeister
die beiden untersten Stock-
werke im Jahre 1728 ändern
ließ, war eine Auslage daran
mit folgender, damals noch
übrigen in Holze erhöhet ge-
hauenen Schrift:
CVRIA FABRORVM EX PS. 127.
Nach Jugler (S. 178) war der
Innung 1666 das Wappen des
Rates geschenkt.
Osterstraße 82: abgebrochen
1878.
Nach flüchtigen Rissen in den
Baupolizeiakten ein Massh-
haus der Renaissance, geputzt,
bei Sandsteinverwendung, von
2 Geschossen, mit fünfmal
gestaffeltem Giebel. Die Vo-
lutenfüllungen in den Staffeln
waren verwandt denen des
gleichfalls abgebrochenen Hau-
ses Marktstraße 48. Ein zwei-
teiliger Auskragung vor dem Erd-
dreieckigen Giebelabschluß. Das
stian Florich erbaut.
603
Liste der Bürgerhäuser
Hofgebäude: zweigeschossiges, gotisches Fachwerkhaus, auf dem Ge-
lände des ehemaligen (anderen) Potthofes. Setzschwelle mit Klein-
buchstabeninschrift, zurzeit nicht lesbar, 1546 erbaut durch H. 1).
(Heinrich Deierling).
Abb. 427. Hannover; Osterstraße 81. Giebelbekrönung.
Oster straße 83:
Brauergildehaus (s. S. 653).
Osterstraße 84:
Osterstove (s. S. 663).
Osterstraße 88:
Traufenhaus, Mischbau, 1644, für den Hof rat Block ausgeführt. Die
Zahl steht im Bogenscheitel der rückwärtigen Durchfahrt. 2 Ge-
schosse in Ziegeln, verputzt. Hausteinverwendung an Eckver-
zahnung, Tor- und Fensterumrahmung und Simsen. 2 Geschosse in
Fachwerk, ohne Vorkragungen. Erker durch 3 Geschosse, rechts der
604
Osterstraße
Frontmitte. Erdgeschoß ganz verändert (1854). Ehemals war außer
der rundbogigen (rechts) Durchfahrt noch ein Eingang mit Säulenstellung
und Konchen (links) vorhanden. 1. Obergeschoß hat 7 rechteckig
umrahmte Achsen. Gürtung durch Fries zwischen barocken Simsen.
Die hohen Fachwerkgeschosse ganz in Fenster aufgelöst. Abbildung
des Erdgeschosses im Stadtarchiv, s. Abb. 428.
Abb. 12S. Hannover; Osterstraße
Aufriß des Krutfeschosses, 1854.
Osterstraße 89, 90, 91:
Königliches Schatzkollegium bis 1866.
Osterstraße 92:
Haus der Allgemeinen Ständeversammlung (s. S. 373).
Osterstraße 93:
Kriegsministerium (s. S. 380).
Osterstraße 94:
Generalkriegsgericht.
Osterstraße 99: abgebrochen.
Giebelhaus, Fachwerk, um 1585, Art des Meisters C. H., 3 Geschosse,
Giebel mit 2 vorgeklagten Geschossen und Walm, 9 Gefache. Erdgeschoß
war im 19. Jahrhundert verändert, rundbogige Einfahrt ganz links.
2. Obergeschoß auf S-Konsolen vorgekragt. Andreaskreuze. Die seit-
lichen Giebelpfosten konvergierten. Abb. 429
Inschriften in lateinischen Großbuchstaben nach H. G. 1914, S. 206:
Obere Schwelle :
DE CXXIV. PS. UNSE HULPE STEIT IM NAMEN DES HERRN, DE
HIMMEL UND ERDE GEMACHET HEFFT.
Mittlere Schwelle :
DE XXVII SAL|OMONIS] DE HERRE IS MIN LICHT UND MIN HEIL,
VOR WEME SCHOLDE IK MI FRUCHTEN. DE HERRE IS MINES
LEVENDES KRAFT, VOR WEME SCHOLDE MI GRUWEN.
605
Liste der Bürgerhäuser
Untere Schwelle :
WO DE HERRE DAT HUES NICHT BUWET, SO ARBEIDEN VOR-
GEWES, DE DARAN BUWEN. WO DE HERRE DE STADT NICHT
VORWAHRE, SO WACHTEN DE WECHTER UMMESUS.
Abb. 429. Hannover; Osterstraße 99, abgebrochen. Phot. 1905.
Osterstraße 101:
Giebelhaus, vermutlich erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Erdgeschoß
606
Osterstraße
ganz verändert, die beiden Obergeschosvse wahrscheinlich Fachwerk,
geputzt, Giebel in 3 Geschossen, Vorkragungen ohne Konsolen.
Das Haus gehörte zu Brand Smerjohans Hof.
Abb. 430.
Hannover; abgebrochene Häusergruppe bei der Einmündung der Osterstraße in die
Schmiedestraße. Phot. 1889.
Osterstraße 104:
Traufenhaus, Mischbau, von 1655, 3 Geschosse. Erdgeschoß in Haustein,
2 Fachwerksgeschosse. Am rechten und linken Frontende je ein zwei-
achsiger Erker vorgezogen, derjenige rechts über der Durchfahrt zum
Johanneshof hat nur zwei Geschosse. Erdgeschoß, 1849 teilweise ver-
607
Liste der Bürgerhäuser
ändert, hat rundbogigen Hauseingang, Leibungskanten profiliert,
Schlußstein mit geflügeltem Engelskopf, Zwickel mit Familienwappen.
Im Zustande vor 1 <S 19 waren rechts des Einganges drei gekuppelte
Fenster mit Säulchen; links der Tür ist ein entsprechendes erhalten.
Von den Fachwerkgeschossen ist das untere bündig, das obere mit
barocker Verschalung vorgekragt; die Traufe auf Konsolen. In der
Fachteilung scheint mir das 2. Obergeschoß ursprünglich.
Die Datierung ANNO 1655 steht im Friese der oberen Gürtung des
Erdgeschosses oberhalb der Tür.
Das Grundstück war 1413 von den 1 Rodeherren gekauft worden
und hieß davon ,,Rodehns". 1448 — 53 besaßen es die Beginen.
Osterstraße 109: abgebrochen 1891.
Gasthaus zur Stadt Lyon. Abbildung und Grundriß im Stadtarchiv,
Gr. M. 48. Abb. 430.
Kleine Packhoi's traße 7:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1530, ähnlich Kleine Packhofstraße 8.
Kleine Packhofstraße 8:
Traufenhaus, Fachwerk, 1533, 4 Geschosse (vermutlich ehemals 3),
3 breite Gefache, Erdgeschoß und 1. Obergeschoß glatt, 2. Obergeschoß
gering vorgekragt, Konsolen fehlen, Balkenköpfe mit Krallenverzierung.
Abb. 431
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Abb. 431. Hannover; Kleine Packhofstraße 8 (1533), Konsolen ergänzt. 1926, D.
Die Schwelle des 3. Obergeschosses (vermutlich ehemals Traufsims) hat
noch 3 Krallenkonsolen, Fachteilung verändert. Setzschwelle des
2. Obergeschosses mit flacher Wellenranke, von rechts und links gegen
die Mitte in Fratzen auslaufend (ähnlich wie Mithoff, Archiv, Tafel XX,
Abb. b, hier falsch datiert). Im Erdgeschoß rechts Sturz einer
spitzbogigen Tür mit Zwickelinschrift in gotischen Klein- und Groß-
buchstaben: Ano • dm • MCCCCC • XXXIII.
608
Rote Reihe
Potthofstraße 1 (über den Potthof s. Leonhardt, H. G. 1926, S. 110):
Fachwerkbude, 1607 unter Wiederverwendung von Teilen einer alteren
Bude neu erbaut. Setzschwelle mit Palmettenfries. Inschrift:
WOL GODT VORTRVWET DE HEFT WOLDERGEHN 1607.
Potthof 4:
Fachwerkhaus, Setzschwelle des Obergeschosses mit Fächerfries, Art des
Meisters T. G., in zweiter Verwendung mit samt einem anderen Stück
Schwelle, auf dem die Jahreszahl 1563 steht.
Potthof 16:
Fachwerkhaus, über der Tür: 1619.
Potthof 17:
Fachwerkhaus, Herberge der Zimmer- und Maurergesellen. Aushänge-
schild von 1803. Rest einer Hausinschrift HANS | WUNDRAM 1632?].
K a d e m a c h e r s t r a ß e :
früher Stovenweg, als Weg zur Leinstove auf dem Stovenwerder, Abb. 432
s. H. G. 1921, S. 58.
Rote Reihe 3: Rühmkorffs Geburtshaus.
Fachwerkhaus, um 1730, 2 Geschosse, 3 Gefache, Giebelerker mit Giebel-
pfahl etwas jünger. Geringe Vorkragungen mit sichtbaren Balkenköpfen,
genäherte Pfosten, segmentbogige Fenster. Haustür mit zierlichem Ober- Abb. 433 u. 43t
licht, zweiflügelig.
Rote Reihe 6 bis 15:
Gruppe von gleichgearteten Häusern, von Joh. Duve etwa 1662 erbaut.
Die früheste Abbildung der Häuser in „Freudenbezeugungen" vom
Jahre 1724. Meist 4 Geschosse, Giebelerker mit Giebelpfahl. Geringe Abb. 96, Seite 156
Vorkragungen mit sichtbaren Balkenköpfen. In den Obergeschossen
trägt fast jedes Gefach ein Fenster, außenbündig. Bei Nr. 7 Umrahmung
der Haustür bemerkenswert: flachgeschnitztes Blumenwerk.
Rote Reihe 17:
Eckhaus zur Calenberger Straße, Fachwerk, um 1700, 3 hohe Geschosse,
6 Achsen, an der Calenberger Straße 3 Achsen. Geschoßteilungen durch
architravartige Simse. Hauptsims mit Zahnschnitt, weit ausladend. Abb. 322, Seite 488
Mansardendach, Windenerker, genäherte Pfosten mit Querriegeln.
Fenster mit Segmentverdachung. Haustür an der Roten Reihe mit
Vortreppe. Im 1. Obergeschoß Plafondgemälde.
39 609
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 132. Hannover; Rademacherstraße, Straßenbild, 1905.
Rösehof 18 — 23: abgebrochene Buden, s. Abb. 435.
Rösehof 26 und 27: abgebrochen.
Zwei Mischbauten, Erdgeschoß Sandstein, 1. Obergeschoß in Ziegeln,
Volutenkonsolen. Portal von Nr. 27 im Leibnizhause. Inschriften:
Nr. 26:
BEWAR DIS HAVS VND GANZP: STADT
O FROMMER GODT IN ALLER GNADT.
Nr. 27:
DER HERR DVHCH DER ENGEL SCHAR
DEINEN EIN VND AVSGANG STEDES BEWAR
610
Röselerstraße
Rechts: Abb. 433: Hannover; Rote Reihe 3.
Phot. M.R. A., 1928.
Unten: Abb. 434. Hannover; Rote Reihe 3,
zweiflügelige Haustür.
Aufgen. u. gez. D., 1912.
Röselerstraße:
Alter Name: Grüttemekerstrate; seit 1498 nach Hinrik Reseler, dem
das Haus Osterstraße 35 gehörte, benannt. Über die Familie Reseler
s. Ernst Büttner, „Kulturbilder aus dem mittelalterlichen Hannover"
1926, S. 32/33.
Röselerstraße 3:
Traufenhaus, Mischbau, um 1590, 1 Geschosse, 17 Gefache, 2. und
3. Obergeschoß auf erneuerten S-Konsolen. Andreaskreuze. Fallhölzer?
(vgl. Schuhstraße 10/15.)
Röselerstraße 4 (Augustinerhof):
Die Augustiner von Herford erwarben 1331 oder kurz vorher von der
Witwe des Ludolf von Dornde das Grundstück (Grupen, S. 292 f., Üb. 172).
Hinterhaus in der Art von Meister DirikStünkel, um 1640. Erdgeschoß alt.
611
Liste der Bürgerhäuser
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Abb. 435. Hannover; Rös'ehof, Budenbildung. Haus Nr. 22 ist 1875, die übrigen Häuser sind 1898
abgebrochen.
Röselerstraße 6 :
Traufenhaus, Fachwerk, 1561, 3 Geschosse, 6 Gefache; 2. Obergeschoß
und Traufe auf Krallenkonsolen vorgekragt. Von der ehemaligen Ein-
fahrt links Sturzbalken erhalten; darauf Inschrift: ANNO 1561. Da-
hinter I. P., Name des Bauherrn Jost Polman.
Röselerstraße 10:
Traufenhaus, Fachwerk, 1566, wohl vom Meister des Apothekenflügels
(Abb. s. Mithoff, Aren., Tafel XX; auch Galland 1886, Tafel 29).
Ursprünglich 3, jetzt 4 Geschosse, 3 Gefache; Vorkragungen des 2. Ober-
geschosses und des ehemaligen Traufsimses mit Trommelkonsolen.
Eckpfosten des Erdgeschosses, Pfosten im 1. Obergeschoß sämtlich,
im 2. Obergeschoß nur die Eckpfosten mit Flachschnittornament.
Brüstungsfüllungen im 1. Obergeschoß mit Brettern, darauf je eine
Halbrosette in Flachschnitt. Füllhölzer an beiden Vorkragungen erhalten
mit dem Motiv der stilisierten Fruchtgirlande.
Die von Mithoff abgebildete Datierung der Brüstungsfüllung ist nicht
mehr vorhanden.
Hausgrundriß: schmaler, nach dem Hofe durchgehender Gang rechts;
links hintereinander angeordnet 2 Räume und die Treppe.
612
Roßmühle
R o 0 m ü h 1 e :
Haus Nr. 1 war „des Rades Roßmühle".
Ehemals Piperstraße. Erst 1<S86 durchgeführte Straße, war ehemals Abb. 436
durch den nördlichen Teil des Zeughauses gesperrt. Vor dessen Errich-
tung lag dort das Gallentor (porta que ducit ab urbe ad oppidum
[Altstadt] (U. B. 49 von 1284).
Abi). -136. Hannover; Roßmühle vor dem Durchbruch. Phot. 1884.
Roß müh le 7:
Mithoff, Kdm. S. 91, überliefert vom ehemals dort vorhandenen Hause
die Inschrift:
(WOL) GODT DEM HEREN VORTRVWE KAN DE RUFT EIN VNBE-
DORVEN MANN.
613
Liste der Bürgerhäuser
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kgeschoß
Roßmühle 8:
Traufenhaus, Mischbau, 1624, von Meister llliu
geschosse und ein auf kurzen S-Konsolen vorgekr
von 10 Gefachen. Traufsims eben-
falls mit Konsolen. Giebelerker von
3 Gefachen, vermutlich jünger.
Ebenso isl jünger ein rechts vom
1. Obergeschoß anvorgezogenerAus-
bau von 2 Gefachen. Erdgeschoß
verändert. Die alte Einfahrt, in
Spuren sichtbar, wurde mit dem ge-
kuppelten Fenster von rechts ver-
tauscht. Gurtfries unter dem 1. Ober-
geschoß ohne Ornament. Fenster
des 1. Obergeschosses zu 5, 3, 3
gekuppelt. Säulchen entsprechen
denen am Hause Knochenhauer-
straße 61. Im Fachwerkgeschoß
verzierte Pullhölzer (Eierstab.
Zahnschnitt) und Andreaskreuze in
den Brüstungsgefachen. Steinmetz-
zeichen des Hinrich Pape an einem
Fenstersäulcheh im Erdgeschoß wie
am Portal Köbelingerstraße 39.
Am Schiff graben 16:
Eigenhaus des Erbauers, Hofbau-
meisters Tramm. Putzbau in roma-
nischen Formen, 1853 (s.Zs. d.Arch.-
u. Ing.-Vereins 1853/54, S. 68).
Schillerstraße 33:
Wohnhaus in hellen Ziegeln mit
Sandstein, romanischeFormen,1855
durch Debo erbaut (s. Zs. d. Arch.-
u. Ing.-Vereins 1856, S. 360).
Schule: straße 35:
Wohnhaus auf stumpfer Ecke, ro-
manische Sandsteinarchitektur von
Droste, 1856 (Zs. d. Arch.- u. Ing.-
Vereins 1859, S. 413).
Schloßstraße, ehemals Schustrate, da hier im 15. und 16. Jahr-
hundert vorwiegend Schuhmacher wohnten. Seit Abbruch des Leintor-
turmes, 1798, Schloßstraße.
Abb. 137.
Hannover; Roßmühle 8.
Phot. M. H.A., 1928.
614
Schmiedestraße
Schloß straße 1 :
Traufenhaus, Fachwerk, 1510 — 50, 5 Geschosse. 1 Gefache, Erdgeschoß
und 1. Obergeschoß bündig, übrige Geschosse vorgekragt. Konsolen
fehlen heute. Vielfache Veränderungen. Andreaskreuze.
Schloßstraße 2:
Wie voriges. Vorkragungen sind später durch Vorziehen der Geschoß-
fronten ausgeglichen. Konvexe Fußstreben. Haikenköpfe mit Krallen-
verzierung.
Schloßstraße 4:
Wie voriges. 4 Geschosse, 4 Gefache, 1540 — 50, angeblich signiert: T G.
2. und 3. Obergeschoß mit Krallenkonsolen und Andreaskreuzen. Auf
den Setzschwellen Halbrosettenfries. Erdgeschoß 1875 geändert.
Schloßstraße 5:
Wie voriges. 4 Geschosse, 3 Gefache mit Giebelerker (etwa 1680).
Vorkragungen des 2. und 3. Obergeschosses mit Krallenkonsolen.
Setzschwelle des 2. Obergeschosses mit Halbrosettenfries. Dasselbe
Geschoß hat doppelte Andreaskreuze.
Schmiedestraße u n d FI o k e n m a r k t :
(Der Baublock des Hokenmarktes ist 1838/39 abgebrochen.)
An der Stelle des jetzigen Bödekerdenkmals und östlich davon am
Rande des Kirchhofes an der Nordseite der Marktkirche standen eine
Reihe der Kirche gehöriger Verkaufsbuden, die für die auswärtigen
Buchhändler (Bockforer) bestimmt gewesen waren. Von dieser Einrich-
tung ist der später zu Bedeutung gelangte hannoversche Buchhandel
ausgegangen. Außerdem befanden sich hier der Brotscharren, die Bude
des Luchtemakers, die Garküche und andere Verkaufsstande, auch die
Stadtwaage (Näheres in H. G. 1926, S. 22 ff.).
Die Gebäude bestanden durchweg aus Fachwerk; Abbildung ebenda,
Tafel II.
Schmiedestraße 2 :
Traufenhaus, Fachwerk, um 1550, 4 Geschosse (Zwischengeschosse),
6 Gefache. 2. und 3. Obergeschoß vorgekragt; Konsolen nicht erhalten.
Rundbogige Einfahrt im Oberteil erhalten (Hausmarke und Zwickel-
schnitzwerk). Am Hofseitenflügel kommen Krallenkonsolen vor.
Schmiedestraße 4:
Traufenluuis, Fachwerk, 1737, 4 Geschosse, 1 Achsen bei ungleichmäßiger
Fachteilung. Obergeschosse vorgekragt mit sichtbaren Balkenköpfen.
Zwerggiebelerker mit Wetterfahne. Fensterstürze mit Segmentver-
dachungen. An der Hofseite trägt der Sturz der Durchfahrt die Inschrift :
615
Liste der Bürgerhäuser
NICOLAUS BURCHARD
WOLCKENHAER ■ ANNO 1737
CHRISTINA JULIANA
EGGERS %
Das zweit- 1 Iofhaus hat am Türsturz: WOLCKENHAER ANNO 1670.
Abb. 438. Hannover; Schmiedestraße, Straßenbilrl.
> >
Schmiede Straße 5:
Giebelhaus, Ziegel geputzt, bei Hausteinvenvendung; vielleicht 1601/02
(H. Nottelmann?)*).
*) Das Haus war von 1602 — 06 schoßfrei, muß also kurz vor 1602 erbaut
sein. Eigentümer w?ar der Goldschmied Jürgen Siemerding, der Großvater von
Adrian Siemerding. (Frdl. Mitt. von Dr. Leonhardt.)
616
Schmiedestraße
fr
Oben: Abb. 110. Hannover; Schmiedestraße 5. Phot. 190."».
Links: Abb. 439. Hannover; Schmiedestraße 5. Znstand von 1872.
Anfn. D. n. N., 192."). Gez. N.
617
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 441. Hannover; Schmiedestraße 9. N., 1922.
4 Hauptgeschosse, Giebel in drei Geschossen gestaffelt. Erdgeschoß 1872
ganz verändert; ein Erker an der linken Frontseite über der ehemaligen
Durchfahrt wurde damals entfernt. Achsen der Hauptgeschosse zu 2, 3,
2 Fenstern gekuppelt mit Fenstersäulchen. Geschoßteilungen durch
618
Schmiedestraße
Friese mit flachem Bandornament. Zahnselmitt. Die senkrechte
Gliederung in den Hauptgeschossen wird unterstützt durch schmale
diamantenbesetzte Lisenen in den Brüstungsfeldern. Der beiderseits
auskragende Giebel weicht in der senkrechten Achsenanordnung von der
der Hauptgeschosse ab und hat wechselnd breitere und schmalere,
ebenfalls diamantenbesetzte Lisenen. Die Staffelzwickel werden gefüllt
durch Bandwerk mit barocken Anklängen. Beichliche Verwendung von
Obelisken (vgl. Osterstraße 39).
Schmiedestraße 8:
Traufenhaus, massiv, um 1640, 1 Geschosse, 5 Achsen, ursprünglich
Giebelhaus. Nach Zeichnung bei den Baupolizeiakten war das Haus bis
1839 ein Mischbau. Erdgeschoß massiv mit rundbogiger Durchfahrt.
Fenster rechteckig, ohne Säulchen, vielleicht damals schon geändert.
Fries wie bei Nr. 9. Zwei Geschosse waren in Fachwerk mit Giebel.
Schmiedestraße 9:
Schräggiebelhaus in Ziegeln mit Putz und Sandsteinverwendung.
Das Haus ist bald nach 1653 erbaut (s. H. G. 1926, S. 37). Drei Haupt-
geschosse, Giebel in 3 Geschossen ausgebaut. Achsenanordnung senk-
recht übereinander bis in den Giebel hinein. Ein dreigeschossiger Erker
ist links vorgezogen. Aufbau und Grundriß sind wenig verändert. Abb. 441
Restauration durch A.Haupt 1892.
Rundbogige Durchfahrt in der gegen die wirkliche Mitte etwas rechts
verschobenen Mittelachse der Fassadenaufteilung. Geschosse durch
Friese geteilt. Fenster mittels Säulchen gekuppelt; dabei am Erker
einige mit Meisterzeichen :
Durch das Sims der Giebelschräge schießen die Simen der Geschoß-
teilungsfriese hindurch.
In der Diele rechts Verkaufsbank mit Klappläden; links erhöhtes Erker-
zimmer mit Fliesenverkleidung. Treppenanlage weiter dahinter links.
Windeluken und Haspel sind erhalten.
Schmiedest r aß e 10:
Fiskalisch, 1648 — 52 erbaut. Leibnizhaus genannt, weil hier der
Philosoph Leibniz gewohnt hat und am 14. November 1716 verstorben
ist. Der Schauspieler Iffland wurde 1759 in diesem Hause geboren.
Auf dem Eckgrundstück Schmiedestraße-Vrenschenhagen stand vorher
ein viel schmäleres, 1499 oder schon um 1 182 (s. Mithoff in Zs. d. bist.
Vereins f. Niedersachsen 1872, S. 130) erbautes, von Sodesches Staffel-
619
Liste der Bürgerhäuser
giebelhaus in Ziegeln. Dies Haus ist nach dein Besitzwechsel von Sode-
Oberkriegssekretär Carl von Lühde, 1648, bis auf die Kellergewölbe nieder-
gelegt, Abb. 1 12 (gedrückte Birnstabrippen; in den Schlußsteinen kommt
zweimal das Sodesche Wappen vor). An seine Stelle trat der heutige
Fachwerkbau mit der berühmten Steinfassade, an der der Tonfries des
älteren Hauses wiederverwendet wurde. Das Haus war nicht als Kauf-
mannshaus gedacht, hat auch vor Ende des 18. Jahrhunderts als solches
nicht gedient und muß als Patrizierhaus angesprochen werden. Die
\bb 14i SchmledestrSße 10 Lubnizhaus Grundriß fier Unterki :Tcri>ng
Uranlage ist 1890 — 93 durch Albrecht Haupt nach Möglichkeit wieder-
um, m hergestellt. Als 1811 der damalige Besitzer die Erdgeschoßfassade
abzureißen beabsichtigte, griff der König Ernst August ein und kaufte
das Haus für das Öomanium. Als fiskalisches Gut kam es 1866 an den
preußischen Staat. Der um die Wiederherstellung verdiente Kunst-
gewerbeverein benutzte es seit 1893 als Museum. (Über die Hauptsche
Restauration s. „Deutsche Bauzeitung" 1895, S. 121 ff.)
Als Architekt des Hauses signiert sich zweimal an der Fassade Hinrich
Alfers. Als Bildhauer haben sich drei Meister mit Steinmetzzeichen und
Initialen signiert: Peter Köster, Ludolf Fiene (s. Schuchhardt, Nr. 84)
und H. F., dessen Buchstaben wohl Hans Frömeling zu lesen sind
(vgl. H. G. 1929, S. 85). Als Zimmermeister ist Hans Deierberg beteiligt.
Staffelgiebelhaus in Ziegeln mit verputzten Flächen, Hausteinverwendung
an Sockel, Simsen und Schmuckteilen, 1 Hauptgeschosse, Giebel in 4
Geschossen gestaffelt. Rechts ein Erker durch 3 Geschosse vorgezogen.
Das Erdgeschoß hat links der Frontmitte eine rundbogige Einfahrt mit
Säulenstellung und verkröpflem Gebälk. Am Fries „POSTER ITATI".
620
Schmiedestraße
Abb. 443. Hannover; Schmiedestraße 10, Leibnizhaus. Phot. 1905.
621
Liste der Bürgerhäuser
Das jetzt verschollene Friesstück über dem Portal enthielt vielleicht
das Wappen Carls von Lühde zwischen Lisenenkaryatiden (Phot. Stadt-
areh., Käst. 11, Bl. 252). Die Achsen in Hauptgeschossen und Giebel
sind senkrecht übereinander angeordnet. Fenster zu je zweien auf
Säülchen gekuppelt. Geschoßteilungen durch ornamentierte Gebälk-
friese. Der gotische Tonfries von 1 199 ist am Giebelfuß eingelassen.
Brüstungssimse überall.
Die senkrechte Fassadengliederung wird betont durch Schmucklisenen :
breilere an den Frontkanten, schmälere in den Brüstungsfeldern. Die
Staffelzwickel des Giebels sind gefüllt durch barockes Volutenwerk.
Obelisken. Giebelbekrönung durch (erneuerte) Figur und Wetterfahne.
Abb. in ])er Erker hat in jedem Geschoß drei gekuppelte Fenster mit reichen
Säulchen, verkröpften Gebälken und Brüstungssimsen. Giebelbekrönung
von 1893. Plastik des Erkers: im Giebel Erschaffung Evas; Adam und
Eva unter dem Baum; Vertreibung aus dem Paradiese. Am 3. Geschoß
Kain und Abel; Isaaks Opferung- Wappen der von Lühde; Jakobs Traum;
Venus und Amor (Anspielung auf den damaligen Brautstand des Künst-
lers, Peter Köster, der 1653 heiratete); darunter ganz klein Selbstporträt
Kösters mit Meißel und Schlägel. Am zweiten Geschoß Christus in
Gethsemane; Aufrichtung des Kreuzes; Grablegung; Auferstehung;
Gang nach Emmaus. Am Erdgeschoß einzelner Krieger; Judith mit dem
Abb. 445a-i Haupte des Holofcmes; Salomos Urteil; Simson und der Löwe; David
und Goliath.
Der Tonfries ist wahrscheinlich in zwei Reihen zu trennen und durch
2 oder 3 Tafeln zu ergänzen. Die Inschrift des Frieses muß nach
Matth. 19, V. 17 vervollständigt werden: Si vis vitam ingredi serva
mandata dei. Die Reihen von je 4 Tafeln mit Heiligenbildern werden
dreimal durch das Sodesche Wappen mit der Rose unterbrochen. Über
den letzten 4 Tafeln steht die Inschrift „Anno dni MCCCCXCIX".
Bei der Restauration von 1890 sind an der Kaiserstraßenseite die
übereinanderliegenden Fenster vom Erd- und ersten Obergeschoß zu
je einer Achse vereinigt. Von den durch zwei Vollgeschosse durch-
gehenden Holzsäulen der Diele sind zwei alt, die dritte ist neu her-
gestellt.
Schmiede straße 11:
Fachwerkhaus. Inschrift über dem Türbogen: ANNO 1628. Meister
vielleicht H. Stünkel.
Schmiedestraße 12: abgebrochen um 1885.
Spätbarocke, wahrscheinlich massive Fassade, geputzt, um 1700.
Abb. in H. G. 1926, Tafel IV.
622
Abb. 141. Hannover; Schmiedestraße 10, Leibnizhaus, Erker, l'hot. 1005.
623
Liste der Bürgerhäuser
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Schmiedestraße
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625
Liste der Bürgerhäuser
Schmiedestraße 14: abgebrochen 1862.
Ziegelhaus der älteren (".nippe mit Fialengiebel, 1474. Mithoff überliefert
eine Bauinschrift (Archiv, Tafel XVI) mit dem Limburgschen Wappen
Abb. I l(i. Hannover; Schmiedestraße 14, abgebrochen 1862.
Nach Zeichnung von Mithoff, IS 16.
(nach dem Wäskenbook, S. 91, war das Haus von einem Limborg erbaut):
Anno dni mcccclxx iiii onla preter | | reter amare deum. Dazu gibt
er auf Tafel XVIII eine perspektivische Zeichnung der Fassade,
626
Schmiedestraße
s. Abb. 146. Eine Photographie findet sich in H. G. 1914, S. 144
wiedergegeben.
Die Abbildungen zeigen hohes, (im 18. Jahrhundert) schon verändertes
Erdgeschoß von 5 Achsen. Der Giebelaufbau ist fünfgeschossig und durch
Abb. 117. Hannover: Schmiedestraße 1"
Fialen am Fuß in 9 Streifen aufgeteilt. Die Lichtöffnungen darin
waren teilweise schon nicht mehr in ursprünglicher Fassung, größerenteils
aber waren sie unberührt und zeigen gekuppelte Fenster mit Kleeblatt-
bögen. Der Schmuck der freien Felderflächen oberhalb derselben ähnelte
dem des Rathausgiebels an der Köbelingerstraße. Aus Lilienfliesen
627
Liste der Bürgerhäuser
zusammengesetzte 13blätterige Blumen. Die Fialen endeten in Knäufen
und schmiedeeisernem Zierat.
Die seitliche, im Spitzbogen geschlossene Durchfahrt rechts war im
16. Jahrhundert überbaut und mit einem wappengeschmückten Erker
ausgestattet worden, etwa 1580. Ein zweiter Erker war wohl gleichzeitig
am Giebelfuß links vorgebaut, der ebenfalls Wappen in den Brüstungs-
feldern enthielt. Neubau von Oppler, 1862.
Schmiedestraße 17:
Das massive Vorderhaus ist nach der Inschrift im Giebel 1710 erbaut.
Bauherr war der Postmeister Anton Johann Hinüber. 1805 — 35 hat
der Spediteur Carl Dietrich Matthee das Haus zu Eigentum gehabt und
bewohnt, wie eine marmorne Inschrifttafel in der Durchfahrt besagt.
Ursprünglich dreigeschossige Fassade bei 6 Achsen. Durchfahrt rechts,
mit dem damaligen Hinüberschen Wappen (laufendes Boß) im Schluß-
stein. Erdgeschoß 1859 durch Lädeneinbau verändert. Die oberen
Geschosse sind geputzt; Fensterumrahmung, Bandsims und Quader-
lisenen aus Sandstein. Hauptsims aus Holz. Zweiachsiger Giebelerker
mit Quaderlisenen und Bundfenster im Giebelfeld. Nach 1859 ist ein
Abb. in Dachgeschoß aufgestockt.
Der tief in das Grundstück hineinragende Seitenflügel und das Hinter-
haus sind in Fachwerk „ANNO 1711", wie hier am Giebel steht,
hinzugekommen.
Schmiedestraße 20:
Eckhaus zur Schuhstraße, Fachwerk, um 1530, aber Anfang des 18. Jahr-
hunderts verändert. Die Vorkragungen an der Schmiedestraßenfront
samt einem Erker sind entfernt; an der Seitenfront dagegen sind die
weit ausladenden Vorkragungen auf konkaven Konsolen von früher
Profilierung erhalten.
Schmiedestraße 21:
Doppelhaus, Traufenhaus, Fachwerk, um 1530, 4 Geschosse, 3 Gefache.
2. und 3. Obergeschoß auf konkaven Konsolen vorgekragt, die zum Teil
neu sind. Schwellenschmuck in parallel abgesetzten Fasen. Die gemein-
same Haustür in der Frontmitte hat im Sturzbalken die spätere Inschrift
ANNO DOM INI zwischen zwei unkenntlichen Wappenschilden. Jahres-
zahl verdeckt.
Schmiedestraße 23, 21 und 25: abgebrochen 1883.
Fachwerkhäuser, vermutlich schon vor 1530 einheitlich erbaut (Abb.
im Stadtarchiv. Vgl. hier Abb. 448). Schwellenschmuck Treppenfries.
628
Schmiedestraße
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629
Liste der Bürgerhäuser
Schmiedestraße 26: abgebrochen 1850.
Eckhaus am Marktkirchhof, Fachwerk, 3 Geschosse, 5 Gefache (s. die
Ahl). von Mithoff im Stadtarchiv und Einzelheiten im Archiv f. Nieder-
sachsens Kunstgeschichte, Tafel XXa). Mithoff hat die Jahresinschrift
1533 aufgezeichnet. Obergeschosse auf Figurenkonsolen (Apostel)
vorgekragt, an der Schmiedestraßenseite St. Georg und die Evangelisten.
Einige Figuren im Leibnizhause. Schwellenschmuck Treppenfries. Am
Sturzbalken der Diele Hauswappen: Bitter in Halbfigur mit Traube.
Die Diele war 1840 durch Ladeneinbau schon verengert. Eine Wendel-
treppe im Hintergründe führte zum Zwischengeschoß.
Eingehenderes s. II. G. 1915, S. 518. Das Haus hat seit 1565, wo es der
Buchführer Steffan Henkel kaufte, bis in die Mitte des 18. .Jahrhunderts
dem Buchhandel gedient (s. H. G. 1926, S. 25).
Schmiedestraße 29: abgebrochen 1852.
Ziegelhaus mit gestaffeltem Lisenengiebel, um 1550. Hauptgeschoß
und Zwischengeschoß. Der Giebel umfaßt 5 Geschosse. Erdgeschoß
mit flachbogiger Durchfahrt links; spitzbogiger Hauseingang rechts
der Frontmitte mit reich profilierter Leibung in hoher flachbogiger
Nische. Bogenabdeckung von Durchfahrt und Tür mit plastischen
Lilienfliesen. Die Erdgeschoßfenster und die des Zwischengeschosses
waren um 1600, also schon vor der 1621 geschehenen Anlage des Erkers
(zwischen Haustür und Durchfahrt), geändert. Im 2. Hauptgeschoß
gekuppelte, flachbogige Fenster in flachbogigen Blendnischen. In der
Mittelachse eine einfache Blendnische mit Flachrelief des hl. Georg.
Geschoßteilungen durch Friese zwischen schmalen Simsen. Giebel am
Fuß neunnischig anhebend; die äußeren Nischen als Blendnischen
haben im Bogenfelde jedesmal eine aus Lilienfliesen (wie vorher') zu-
sammengesetzte neunblütige Blume. Giebelbekrönung durch Wetter-
Abb. 449 fahne.
Der Erker 1852 von dem Maler Oesterley erworben und an dessen Hause
an der Langen Laube (Haus der Väter) angesetzt. Beschreibung s. dort.
Meister vielleicht Joachim Pape.
Mithoff, Arch., 1. Abt., Taf. XII; ferner vgl. dazu H. G. 1914, S. 149,
178, und H. G. 1926, S. 46.
Schmiedestraße 30: umgebaut 1880.
Das im Schoßregister unter M. 152 eingetragene Haus ist auf einem
Aquarell von H. S. Stephens (Stadtarchiv, Kasten IV, Bl. 8) teilweise
zu erkennen als dreigeschossiges, massives Haus mit rechteckigen
Fenstern ohne besonderen Schmuck*). Der jüngere Uffenbach schreibt
(a. a. O., S. 40), es sei „auswendig von Quatersteinen und mit verschie-
*) Säulenportal angeblich 1830 von Täntzel.
630
Schmiedestraße
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Abb. 449. Hannover; Schmieilestraße 29, abgebrochen. Nach Aufn. v. MitholT, 1844.
631
Liste der Bürgerhäuser
denen Statuen geziehret Eine Reyhe von recht propren
fürstlich meublierter Zimmer, welche alle voll köstliche Gemälde und
anderem Aufputze wäre" sei vorhanden gewesen.
Das Grundstück war ausweislich des
Schoßregisters 165cS Eigentum des Bürger-
meisters Amsing. 1725 ging es aus dem
Besitz des Vizekanzlers von Hugo, der es
1707 erworben hatte, an den Kammerdiener
Mehmed (von Königstreu) über und kam
1 735 an den Kammerpräsidenten von Grote,
dessen Erben es 1857 an die Firma K.&F.
Hauers verkauften. Das Anwachsen dieser
Firma führte 1880 zu einem Umbau des
Hauses, dessen Äußeres verändert wurde.
Im Inneren sind einige Zimmerdecken aus
Stuck -- um 1800 — unberührt geblieben.
Ein Stuckspiegel aus dem Spätbarock, der
unbeweglich eingelassen ist, soll von einem
Mitgliede der Familie von Campe, das bis
1866 hier wohnte, in das Haus gebracht sein.
Auf dem Grundstücke stand ehemals die
herrschaftliche Zollbude.
Schmiedestraße 37:
Dreigeschossiger und dreiachsiger Aufbau
mit Blendfassade in Sandstein um 1745.
Mansardendach und 3 Gauben. Wegen der
Ähnlichkeit in Steinschnitt und Profilie-
rungen mit den Häusern Breite Straße 8
und dem v. d. Busscheschen Palais an
der Leinstraße kann der gleiche Architekt
in Frage kommen - - vielleicht I. P. Heu-
mann. Die Erdgeschoßfassade ist 1847
für den Einbau eines Ladens geändert.
Die Zeichnung, Abb. 450, gibt den ursprüng-
lichen Zustand nach den Baupolizeiakten.
Über dem 4'orbogen der ehemaligen
Scheune: T H ÜSPAN ANNO 1663.
Abb. 150. Hannover; Schmiede-
straße 37, Zustand von 1847.
Schmiedestraße 41:
Traufenhaus, Fach werk, um 1580. 4 Geschosse, 4 Gefache. Erdgeschoß
verändert. 2. und 3. Obergeschoß auf S-Konsolen vorgekragt. Trauf-
sims verschalt. Giebelerker von 2 Gefachen.
632
Schuhstraße
Schmiedestraße 42: abgebrochen 1897.
Giebelhaus, Fachwerk, 1560 — 70. 1 Geschosse, 8 Gefache, Giebel in
3 Geschossen mit konvergierenden Pfosten. Das Haus war in seinem
letzten Zustande ganz verputzt; Erdgeschoß verändert. Vom 2. Ober-
geschoß an alle Geschosse auf Konkavkonsolen vorgekragt. Im Giebel
Gardinenbögen.
Seitenfront von 13 Gefachen, rundbogige Einfahrt rechts, später
klassizistisch verschalt.
Abb. H. G. 1914, S. 190.
Schmiedestraße 43: abgebrochen 1892.
Traufenhaus, Fachwerk, um 1570. 4 Geschosse, 5 Gefache, späterer
Giebelerker mit Windenluke. Vom 2. Obergeschoß an waren alle Ober-
geschosse, auch die Traufe, auf S-Konsolen vorgekragt.
Mithoff (Kdm., S. 90) teilt die Inschrift mit:
Ps. 37 CREDE DEO CÖFIDE DEO SPES OMNIS [IN IPSO SIT] TVA,
QVAQ' HABITAS JREGIONE MANE.
NOSSE • DEVM • ET • BENE • POSSE • MORI • SAPIENTIA • SVMMA •
EST • ANNO DNI [1]55[4] SALVATOR.
Abb. s. H. G. 1914, S. 193. Die Ergänzung Mithoffs zu der verstümmelten
Jahreszahl stimmt nicht zu den Stileigentümlichkeiten des Hauses.
Schmiedestraße 49: abgebrochen.
Das ehemals auf dem Grundstück vorhandene Haus von etwa 1525
zeigte an den Schwellen den Treppenfries; einige Konsolen waren mit
Schnitzfiguren geschmückt, dabei der hl. Christophorus (vgl. H. G. 1912,
S. 91, und H. G. 1926, S. 42).
Schmiedestraße 50: abgebrochen.
Torbogen mit der Inschrift: A. D. 1531. Treppenfries.
Schmiedestraße 47: abgebrochen.
Schwelle mit dem Wappen und Namen von H. Westenholz und M. Pax-
mann, am Hinterhause Schwelleninschrift ,, juvante Deo. Amen."
Schuh straße 1:
Verändertes Fachwerkhaus. Türsturz mit Kielbogen; daran die In-
schrift: ANNO DOM INI MCCCCCL und Allianzwappen, der linke Schild
mit einem Fisch und den Buchstaben E. F. Evert Fischer erwarb
1548 das Grundstück.
Schuhstraße 3:
Das nicht mehr bestehende alte Haus hat die bei Mithoff, Kdm., S. 91
für das Haus Nr. 4 aufgezeichnete Inschrift aus Ovid, Ars amandi,
getragen :
Non minor est virtus quam querere parta tueri.
633
Liste der Bürgerhäuser
Abb. 151. Hannover; Schuhstraße 9, abgebrochen 1890.
Schuhstraße 5:
Fachwerkhaus, Ende des 16. Jahrhunderts. Inschrift der unteren Setz-
schwelle:
WOL • GODT • VORTRAWET * HADT • WOL • GERAWETT.
Inschrift der oberen Schwelle zurzeit nicht lesbar.
Schuhstraße 7: 1907 abgebrochen.
Inschriften in Renaissance-Großbuchstaben, verschollen.
634
Schuhstraße
Schuhstraße 9: abgebrochen 1890.
Staffelgiebelhaus in Ziegeln, um 1550, Eckhaus zur Knochenhauer- Abb- 451
straße; stark verändert und überputzt. Über dem hohen Erdgeschosse
setzte der Lisenengiebel siebenachsig an. Die sämtlichen Lichtöffnungen
waren schon seit langem zu rechteckigen Fenstern umgeändert.
Die zum Grundstück gehörende Bude, ein ursprünglich zweigeschossiges,
um 1700 um 3 Geschosse erhöhtes Fachwerkhaus griff mit seinem
Obergeschoß über die Staffeln des Ziegelhauses hinweg.
Schuhstraße 10 — 15, Kornhaus des Rates:
Gruppe gleichartiger Traufenhäuser, 1594 auf der Wedeme der Matkt-
kirche errichtet. Als Meister der Maurerarbeiten des älteren Unter-
geschosses kommt Dil ick Berndes, für die Zimmerarbeiten der Zimmer-
meister Gurt Meier (f 1597) in Betracht. Den figürlichen Schmuck
an einzelnen Konsolen schreibt Leonhardt (H. G. 1926, S. 28) dem
Schottilier Jürgen Blome zu, der in diesem Gebäudeteil wohnte.
Abi). 152. Hannover; Schuhstraße 11, Voikragun^en des II. Obergeschosses.
635
..iste der Bürgerhäuser
Die Häuser Nr. 10, 11 und 13 haben Erdgeschosse in Fachwerk; bei
Nr. 12 und 15 ist Erdgeschoß und Halbgeschoß in Ziegeln, rundbogige
Durchfahrten mit Sandsteinumrahmungen. Jedes Haus hat 9 Gelache.
Abb. 453. Hannover; Seilwinderstraße gegen die Marktkirche.
Nach Aquarell im Stadtarchiv.
Abb. 152 Die Obergeschosse sind auf S-Konsolen vorgekragt. Fallhölzer nach
Girlandenmotiv. Traufsimse verschalt. Inschriften auf oberer und
unterer Setzschwelle durchgehend in lateinischen Großbuchstaben, bei
Nr. 10 bzw. Nr. 11 verdorben:
636
Simonsplatz
Obere Setzschwelle:
PSALM: 34 • FVRCHTET DEN HERN IHR SEINE HEILIGEN DAN DIE
IHNE FVRCHTEN HABEN KEIN MANGEL / Haus Nr. 14: DIE
REICHEN MVSSEN DARBEN VND HVNGERN ABER DIE DEN HERN
SVCHEN HABEN KEIN MANGEL / AN IRGENT EINEM GVDT #
PSALM: 37 • HOFFE AVF DEN HERN VND THV GVTS BLEIBE IM
LANDE.
(Jetzt nach Leonhardts Angaben ergänzt.)
Haus Nr. 11: Inschrift verdorben. Haus Nr. 10:
ND VNVORZAGET ALLE DIE IHR DES HERN HARRET.
Die untere Setzschwelle ganz durchgelesen:
AVGVSTINVS ADTE SVSPIRO CREATVRA TVA OPVS MANVVM TV-
ARVM NE DESPICIAS • VVLNERA MANVVM TVARVM DVLCISS / 1ME
IESV PRECOR VT ASPICIAS • ECCE IN MANIRVS TVIS DOMINE
DESCRIPSISTI ME LEGE ILLAM SCRIPTVRAM ET SALVA ME #
ITEM QVI FVIT TIBI CARVS AD REDIMENDVM NON SIT TIBI VILIS
AD PEBDENDVM * DA [PACEM DOMINE IN DIEBVS NOSTRIS
QVIS PVGNJET PRO NOBIS NISI TV DEVS NOSTER * ANNO
DOMINI 1594.
Wappenschild an Nr. 13 mit Körnern und C. H. = Kornhaus. Eine
Konsole mit dem geschnitzten Bilde des hl. Georg wird in Nr. 13,
Gastwirtschaft von Müller, Wwe., aufbewahrt.
Seil winderstraße 1: abgebrochen um 1900.
Dreigeschossiges Eckhaus zur Marktstraße in Fachwerk, Giebel an der
Seilwinderstraße. Konsolen wie am Hause Burgstraße 10 von 1666..
Zwei Erker vor den Obergeschossen. Die- frühere Einfahrt war später
durch ein schmales Fachwerkhaus überbaut.
Abb. Stadtarchiv, Mappe 6.
Simonsplatz 1 :
Fachwerkhaus, Eckhaus, zur Langen Straße, um 1700. 3 Geschosse,
6 Achsen, Giebel in 2 Geschossen. Genäherte Pfosten; Querriegel.
Vorkragungen in allen Geschossen. Haustür abgebildet bei Ebel,
Tafel 4.
Simonsplatz 3:
Fachwerkhaus, Mitte des 18. Jahrhunderts. Haustür mit Treppe ab-
gebildet bei Ebel, Textabbildung 11, S. 42.
Simonsplatz 8:
Fachwerkhaus, Mitte des 18. Jahrhunderts, später mit senkrechten
Brettern verschalt. Haustür s. Ebel, Tafel 4.
637
Abi). !.->!
Liste der Bürgerhäuser
Sophienstraße 7:
Ziegelbau in Formen englischer Gotik, 1862 — 64 von Goetze erbaut
als Palais des Grafen Grote (s. Zeitschrift des Arch.- und Ing.-V. 1869,
S. 193).
Stift straße 12:
Wohnhaus des Erbauers, Baurat Mithoff. Helle Backsteinarchitektur
in italienischen Formen, 1862.
Tiefental 1:
Mit Nr. 2 unter einem Dach. Der Bosettenfries von Nr. 2 setzt sich auf
der Setzschwelle des Hauses Nr. 1 unter den beiden linken Gefachen fort.
Tiefental 2:
Traufenhaus, Fachwerk, um 1545. Meister G. K. — vgl. Tiefental 3 -
Andreaskreuze kommen vor. Setzschwelle des vorgekragten 2. Ober-
geschosses hat Halbrosettenfries mit Zwickel-
blättern; auf dem linken Ende der Schwelle in
rechteckigem Schilde steht G K. (vgl. Burgstraße 28,
Hinterhaus, von G. K,).
Tiefen tal 3:
Mit Nr. 4 gleichartig und unter einem Dach.
Traufenhaus, Fachwerk von 1542 (s. H. G. 1924,
S. 83), Meister B. K. ; 3 Geschosse, 5 Gefache, links
Erker von 2 Gefachen. Erdgeschoß um 1800 ver-
ändert. 2. Obergeschoß und Traufe vorgekragt,
Konsolen nach den alten Vorbildern erneuert.
Meisterzeichen auf dem rechten Ende der Setz-
schwelle des 2. Obergeschosses: B. K. Inschrift-
rest ebenda, ergänzt nach Mithoff, Kdm. S. 90:
Abb. 454.
Hannover; Tiefental 3.
|£Jbt fraget tttemtneb voo \bt um gent
©mtge nt tun u>ol ji>t voev em leibt
2at folteit reben alfe bc nbt mettet
60] n>ol j)d lachen toett bc wettet
ftbt fn fmt fcbtmtp ebber spot
y&at bc tun guttnet bat gbeuc obm gobt.
Tiefen tal 4b (Hinterhaus):
Von 1570. Über der im Eselsrücken geschlossenen Tür Inschrift in
lateinischen Großbuchstaben zwischen zwei Wappenschilden: das eine
,,v. Wintheim", das andere sechszackiger Stern mit Böse in der Mitte.
FORTVNAE COMES INVIDIA • ANNO 1570. Anfang verdeckt.
638
Wagenerstraße
Außerdem griechische Inschrift an der oheren Schwelle:
(Psalm 128): [EuXoytjOsi] os xupio; sx oia>v:xai toou Houa -r<ov Ho>v a[ou]
(Segnen wird dich der Herr aus Zion und mögest du sehen Kinder von
deinen Kindern — II für ui.)
Wagenerstraße 1:
Fachwerkhaus, nach Mitte des 18. Jahrhunderts, 3 Geschosse, 5 Gelache,
Drempelgeschoß. Haustür zurückliegend, mit Oberlicht, einflügelig.
Abbildung bei Ebel, Textabbildung 25, S. 48.
Wagenerstraße 4:
Fachwerkhaus, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, 2 Geschosse, 4 Achsen.
Mansardendach. Keine Vorkragungen. Flachbogige Einfahrt, recht-
eckige Haustür mit Oberlicht, einflügelig.
639
Gebäude und Anlagen
verschiedener Zweckbestimmung.
GASTHÄUSER, GILDENHÄUSER, KLUBHÄUSER.
GESUNDHEITS- UND WOHLFAHRT SAN STALTEN.
Bäder.
Krankenhäuser.
Siechen- und Waisenhäuser.
KAUFHÄUSER, LAGERHÄUSER, POST- UND
EISENBAHNHÖFE.
SCHULGEBÄUDE, THEATER UND MUSEEN.
STRAFANSTALTEN.
641
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
642
Gasthäuser, Gilcienhäuser, Klubhäuser.
Die Neustadt Hannover entwickelte sich seit dem Ende des 17. Jahr-
hunderts zur Hotelvorstadt der Residenz für alle die Reisenden, die
zum Hofe oder in Geschäften nach Hannover kamen. Die schönsten und
berühmtesten Gaststätten entstanden am Calenberger Steinwege, so das
Hotel de StreUtz, das Hotel d'Hanovre, auch die Neue Schenke, später
British Hotel genannt. Die London-Schenke lag an der Neuen Straße 21.
Die Einrichtung des Postetablissements auf der Bergstraße ( 1 80 1 ) brachte
die Neustädter Gasthäuser zu hoher Blüte.
Der Wohlstand des Calenberger Hinterlandes leistete dem örtlichen
Verkehr in besonderem Maße Vorschub, so daß auch der Ausspann-
verkehr sehr stark war.
Die günstige Stellung der Neustadt hörte teilweise auf, als 1843 der
Eisenbahnverkehr begann und in den folgenden Jahren ausgebaut wurde.
Die Hotels siedelten in die Nähe des Bahnhofes über. Der Neustadt
verblieb nur der Verkehr der ländlichen Bevölkerung aus dem Calen-
bergischen. Aber auch dieser nahm ab, als 1872 die Altenbekener Eisen-
bahn das Reisen mit eigenen Fuhrwerken überflüssig machte.
Die Vollendung der Bahnen von Berlin und von Köln nach Hannover
ergab 1845 die Vereinbarung eines durchgehenden Fahrplanes, der veran-
laßte, daß Hannover das Nachtquartier für alle durchfahrenden Reisenden
wurde. Infolge davon entstanden in der Nähe des Bahnhofes mehrere
große und architektonisch bemerkenswerte Gaststätten.
Zum Bau einer öffentlichen Gaststätte ersten Ranges auf dem Neu- die neu?:
Städter Markt für die „bei künftig zu hoffender Anwesenheit Sr. Königl. schenre
° ° (heute Sitz des Lan-
Majestät" zu erwartende Ankunft vieler Standes- und anderer Personen dcs-Kirchenamtes)
erteilen am 24. Mai 1746 des Königs Geheime Räte gemäß einem Vor-
schlage der Neustadt den Auftrag. Der von J. P. Heumann gefertigte
Riß des Gebäudes erhält am 12. Juli die Genehmigung. Der Bau scheint
1750 fertig gewesen zu sein. Heumann quittiert über sein Douceur
am 28. Dezember 1752 (s. Leonhardt in H. G. 1927, S. 239a).
643
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
Seil April 1751 war das Gasthaus pachtweise in Privathand unter
dem Namen „Neue Schenke" oder „Im Wapen von Engeland", seit
Abb. 155 dem 19. Jahrhundert als British Hotel. Das Gebäude ist 1860 durch das
Finanzministerium für die Staatsregierung erworben und fortab Sitz
von Behörden gewesen. Die Erwerbung geschah mittels Tausches gegen
das unter „Georgstraße 18/19" im Schoßregister geführte, 1852 an der
Ecke der Kleinen Packhofstraße erbaute Haus der Königl. Bau-Kom-
mission. Von den hier sitzenden Behörden erhielt namentlich - - und
seit 1872 ausschließlich - die Königliche Landdrostei in dem Gebäude
am Neustädter Markt ihre Diensträume. 1885 wurde es dem Königlichen
Konsistorium zugewiesen.
Abb. 456 Der Heumannsche Bau grenzt mit seiner Westseite an die Bote
Reihe und liegt völlig frei auf dem Neustädter Markte. Wie Hausmann
(Erinnerungen, S. 15) schreibt, war die Errichtung des Gebäudes vielfach
wjmmmmmmmmmammmmmmmmmmmmmmimmm
Abb. 456. Hannover; die Neue Schenke, heute Landeskirchenamt, Calenberger Straße 31.
644
Neue Schenke
beklagt worden, weil sie den einzigen regelmäßigen freien Platz der Stadt
beschränkte. Es ist ein langrechteckiger Massivbau mit geputzten und
gequaderten Flächen; an den Ecklisenen und Umrahmungen ist Sand-
stein verwandt, ebenso am Sockelgeschoß, auf dem zwei Hauptgeschosse
bei elffacher Achsenteilung angeordnet sind. An der nördlichen Schmal-
front ist im rechten Winkel gegen den Markt vorspringend ein Fach-
werkflügel angefügt. Während die lange Front am Markte eine Abb. 457
besondere architektonische Gliederung nicht erfahren hat, ist die gegen-
überliegende durch ein schwach vortretendes, viergeschossiges Mittel-
risalit von drei Achsen mit Dreiecksgiebel ausgezeichnet. Als Haupt-
Abb. 457. Hannover; ehem. Neue Schenke, jetzt Landeskirchenamt, Ostfront.
Nach Aufnahme des H. B. A. I, 1920.
fassade ist aber die dreiachsige Schmalfront an der Calenberger Straße
ausgebildet: eine doppelarmige Freitreppe mit schmiedeeisernem Geländer
ist dem Sockelgeschoß vorgelegt; der Mitteleingang liegt in einem Schein-
risalit, das durch zwei, je in einem Konsolenpaar gegen das Hauptsims
verlaufende Pilasterlisenen begrenzt wird und sich oberhalb desselben,
ebenso begrenzt und mit Dreiecksgiebel geschlossen, fortsetzt. Die Licht-
öffnungen der beiden unteren Geschosse sind geradlinig umrissen, im
Sockelgeschoß quadratisch, im I. Obergeschoß hochrechteckig; im II. Ober-
geschoß sind sie segmentbogig geschlossen. Die Hauptfassade hat voluten-
artige Schlußsteine in den Fensterstürzen.
Das mächtige gewalmte Mansardendach wird durch Gauben in zwei
Reihen belebt, deren Giebel in der unteren Reihe wieder segmentförmigen
Schluß haben.
Das Innere des Gebäudes ist völlig verändert. Die beiden stattlichen
Treppenhäuser mit stückweise erhaltenen, alten Treppen sind ursprüng-
lich. Nach den Rechnungen war auf die Reschaffung von stadthannover-
schen Steingutöfen Wert gelegt worden.
645
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
Abb. 458. Hannover; das ehem. British Hotel, jetzt Landeskirchenamt, Südfront.
Nach Aufnahme H. B. A. I, 1620.
646
Zum grünen Kleeblatt
Das Haus war 1680 als Weinschenke erbaut und genoß als Hotel stadt strelitz
unter dem Namen „Stadt Strelitz" einen besonderen Ruf unter den Calenberser Straße 33
Gaststätten Hannovers. Als Hotel ist es 1889 eingegangen. Das noch
bestehende dreigeschossige Fachwerkhaus ist durch Überputzen in der
Neuzeit entstellt. Altere Abbildungen im Stadtarchiv.
Das Haus Calenberger Straße 32 führte im 1<S. Jahrhundert den Namen zum grünen
Zum grünen Kleeblatt, dann ,, Prinz von Eutin" und schließlich ,, Hotel KLEEBLATT
Hannover". Fachwerkhaus, 1 685 erbaut, von 3 Geschossen bei 15 Ge-
fachen. Die Obergeschosse sind auf Zierkonsolen verschiedener Ornamen-
tierung bei geschoßweise gleicher Form vorgekragt. Die Brüstungs-
leisten tragen Konsolenschnitt. Über der flachbogigen Einfahrt in der
rechten Haushälfte trägt der Sturzbalken die Inschrift:
ANNO 1686
EIN ICKE IT MACHT STARK
Den Hauseingang erschließt eine doppelarmige Freitreppe.
Abb. 45'.». Hannover; Neue Straße 21, ;ils London-Schenke erbaut, später Duvesches Armenhaus.
Phot. M. 15. A., 1928.
647
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts war das Haus Nr. 31
mit dem eben beschriebenen vereint und bekannt als Launhardts bzw.
Höllehers Schenke. Die Seitenfront an der Neuen Straße hat 20 Gefache,
die Fenster sind in Gruppen zu zwei und drei geordnet. Die geringen
Vorkragungen werden nicht mehr von Konsolen getragen.
stadt lonoon, Eine altere „Neue Schenke" war wohl schon 1682 durch den Gastwirt
Neue suaße 21 Füller an der Neuen Straße erbaut. Nach der Thronbesteigung Georgs I.
erhielt sie den Namen „Im Schilde von London". Das an der Ecke der
Bockstraße belegene Fachwerkhaus wurde 1727 durch Ankauf des Neben-
hauses an der Neuen Straße, dann 1760/61 durch Ankauf der Häuser
an der Rückseite nach der Langen Straße hin erweitert. Seit 1824 ist
es Armen- und Waisenhaus.
Abb. 459 An der Neuen Straße 3 Geschosse, 9 Gefache, Vorkragung aller Ober-
geschosse; Balkenköpfe und Füllhölzer gleich profiliert. Rahm als halber
Birnstab. Fensteröffnungen in jedem zweiten Gefach. Fußstreben in
allen Brüstungsgefaehen. Giebelerker von 4 Gefachen mit vorgekragtem
Abb. 460. Hannover; Nene Straße 21, Hotel Stadt London, nachmals Duvesches Armenhaus,
Treppenhaus. Phot. M. B. A., 1928.
648
Neues Haus
Giebelfuß. Giebelpfahl. Eingang flachbogig mit zurückliegender Treppe;
Umrahmung in Sandstein mit Kantenprofilierung und Blattbildung
im Scheitel. Haustür zurückliegend, Abb. bei Ebel, a. a. 0., Tafel X.
Treppenhaus gut erhalten. Das Nebenhaus nach links hin umfaßt sechs Abb. -ico
Achsen und ist gleichaltrig: Giebelerker von 2 Gefachen mit Winde
(Grundrißaufnahme im Stadtarchiv, Abb. von 1 <S 10 im Vaterländischen
Museum).
In der London-Schenke stieg 1809 der Schwarze Herzog von Braun-
schweig auf seinem Zuge zur Weser ab. Zur Erinnerung daran wurde
1840 eine Tafel mit dem lebensgroßen Medaillonkopf des Herzogs in Bronze
am Erdgeschoß des Hauses angebracht (weiteres s. Duvesches Armen-
haus, S. 666).
Hotel Rheinischer Hof, als Privathaus für den Hauptmann Ahrbeck in rheinischer
romanischen Formen 1850/51 erbaut; Ziegel, geputzt. Erster Bau von'101' nl . _
ö ° 1 Ernst-August-Platz 2
C. W. Hase, der in seinem Berichte darüber mit Eifer den Rohbau Abb. 491, Seite 688
gegenüber dem Putzbau vertritt (s. „Ztschrift. des Arch.- und Ing. -Vereins"
1853/51, S. 382).
Hartmanns Hotel; Erbauer ist Hase, 1858. Gotische Formen, gewölbter hartmanns
Biertunnel, gotische Dekoration und gotisches Mobiliar. hotel
0 ° Ernst-August- Platz S
Eine Gastwirtschaft, die den Namen „Goldener Löwe" später annahm, goldener löwe
bestand seil dem Ende des 18. Jahrhunderts vor dem Clevertor. Es Esohe,straße 15 A
war ein einfaches Fachwerkhaus und lag in einem bis an die Lange Laube
reichenden prächtigen Garten, in dem der Wirt nach dem Abbruch des
Parnaßbrunnens 1802 die damals von ihm größtenteils erworbenen Statuen
des Brunnens aufgestellt hatte. Unter diesen Figuren befand sich ein'
Löwe, nach dem die Wirtschaft benannt sein soll; doch trug sie den
Namen schon vorbei-.
1857 wurde auf dem Gelände des Gartens das Simonsche Gewese
(heute Handelsschule) angelegt.
Auf dem inselartigen Reste des Glockseeravelins, innerhalb des ehe- marieninsel
maligen Festungsgrabens, wurde 1813 eine Wirtschaft mit Garten
angelegt und zu Ehren der Kronprinzessin Marieninsel genannt, ein roman-
tischer kleiner Park mit Wirtshaus, Badehaus, Kegelbahn und einem
dreirängigen Freilichttheater, wo seit 1847 auch Opern aufgeführt wurden. Abb. u;i
Nach Zuschüttung des Grabens und Herstellung der Humboldtstraße
ging 1874 der Vergnügungsort ein.
Das als Pesthaus erbaute Neue Haus am Schiffgraben wurde nach neues haus
dem Erlöschen der Pestgefahr als Wirtshaus „Zum Güldenen Löwen"
stadtseits verpachtet. Eine Beschreibung des Hauses ist im Corpus
649
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
Marie äsIii sei
aeim
Abb. 461. Hannover; Marieninsel mit Gartentheater, Zeichnung von A. Holekamp, 1848. Stadtarchiv.
bonorum von 1720 enthalten (H. G. 1907, S. 135). Im Garten des Neuen
Hauses wurde 1837/38 ein Theater aus Holz mit drei Rängen gezimmert,
in dem eine auswärtige Truppe zu spielen pflegte. Das alte Wirtshaus
ist 1893 abgebrochen (s. auch „Krankenhäuser", S. 657).
odeon Das Odeon, eine dem Tivoli ähnliche Anlage mit antikisierenden
Bauten auf einem Teile des Posthofgartens, mit dem 1200 Personen
fassenden Königssaale wurde 1865 durch Oppler geschaffen und ist um
1892 als Garten eingegangen (Abbildung im Stadtarchiv).
kaffeehaus Ehemaliges Cafe Robby. Pavillon in Eisenkonstruktion, 1809 von Goetze
Theater-[Rathenau-] erHchtet
platz 16 B
Tivoli Die Stadt erhielt - - wie Redecker (Chronik, S. 709) angibt - - von
der Landesherrschaft im Jahre 1681 das Privileg, Schänken und Wirts-
häuser vor der Eilenriede anzulegen und errichtete daraufhin am Schiff-
650
Gildenhäuser
graben das Wirtshaus „Zum Grünen Walde", das in späterer Zeit auch
einen Saal an der ,, Herrenweide" (Königstraße) hatte. Nach Eröffnung
der Eisenbahn (1844) erbaute an dessen Stelle der Wirt ein Kaffeehaus,
das er „Tivoli" bezeichnete. Nach den Bahngleisen zu bestand eine
Terrasse; in den Sommermonaten fanden Theateraufführungen im Saale
statt. Der Kommissionsrat Röpke, der das Gewese 1860 erwarb, ließ
durch den Architekten Goetze den Garten mit Beleuchtungsanlagen,
Terrassen, Springbrunnen und Grotten ausstatten. (Abbildung des
Wirtshauses „Zum Grünen Walde" im Stadtarchiv, des Tivoligartens
im Denkmalarchiv.)
Die Vergnügungsstätte Vaux Hall war 1768 nach dem Muster des vaux hall
Londoner Vergnügungsortes auf dem abgetragenen Walle beim Rats-
fischteich gegenüber dem Schlosse eingerichtet. Es wurde eine Kaffee-
wirtschaft in einem zweigeschossigen, mit Mansardendach versehenen
Fachwerkgebäude betrieben, das etwa 1780 nach Entwürfen von Maurer-
meister G. C. Müller neu erbaut war (Lageplan, Grundriß, Seitenansicht
im Staatsarchiv: Karten I A, b. 81). Die feinere Gesellschaft gab in
Vaux Hall Diners und kleinere Bälle. Als 1802 kein Pachtlustiger sich
fand, verlegte man nach erfolgtem Umbau das Lyzeum in das Gebäude.
1847 wurde es abgerissen.
Walhalla, Wirtshaus in der Windmühlenstraße: Saal durch ein und walhalla, wind-
einhalb Geschosse; 1860 von Goetze eingerichtet. Romanisierende innen- mühlens,raßc 4
architektur in farbiger Behandlung. Gußeiserne Säulen.
Gildenhäuser.
Die Gilden pflegten ihre Tagungen in den Häusern wohlhabender
Gildegenossen abzuhalten. Erst im 17. Jahrhundert haben einige reiche
Gilden, z. B. die Kramer, bisherige Bürgerhäuser erworben, um sie als
Gildehäuser zu benutzen. Das einzige, für die Gilde eigens erbaute Haus
ist das Brauer- Gildehaus an der üsterstraße.
Nach Zunftgebrauch verfügten die Gilden über teilweise bemerkens-
wertes Trinkgerät aus Silber oder Zinn. Die wertvollen Silbergeräte der
Bäcker-, Hoken-, Schlachter-, Schmiede-, Schneider-, Schuhmacherämter
werden jetzt im Vaterländischen Museum aufbewahrt.
Kleiner Willkommen des Bäckeramtes von 1626. Silber, vergoldet bäckeramt
mit graviertem Wappen. Meisterzeichen: H. R. (Hans Rhaders). Beschau-
stempel fehlt. Der Deckel hat das Meisterzeichen A. S. (Andreas Schel-
len) und Kleeblatt mit 44.
651
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
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652
Brauergildehaus
Großer Willkommen des Bäckeramtes von 1650. Hoher Deckelkelch Abb- 462
aus Silber. Auf dem Kopf schildhaltender Putto. Meisterzeichen A. S.
(Andreas Scheuen). Beschaustempel: Klee-
blatt.
Willkommen der Bäckergesellen. Zylindri-
scher hoher Deckelkelch aus Silber. Auf dem
Deckelknopf Schildhalter mit Wappen an einer
Stange.
Die Brauergilde, die sich aus den 317 brauer-gilde-
HAUS
(abgebrochen 1894)
Abb. 162. Hannover; Willkommen
des Bäckeramtes von 1650.
Phot. des Vaterl. Museums, 19.32.
Gebäude 1 878 in
brauberechtigten Bürgern der Altstadt zu-
sammensetzte, übte wesentliche Hechte in der
Stadtregierung aus und bildete in der soge-
nannten Ehrlichen Gemeinde die zweite Klasse.
Diese also sehr angesehene Gilde (über die
Näheres bei Spilcke'r, S. 208 und S. 128,
ILöhdefink, H.G. 1925, S. 19 ff., nachzulesen ist)
ließ sich 1642 angeblich durch Johann Duye
ein eigenes Gildehaus an der Osterstraße 83
erbauen, wo seitdem auch die Festlichkeiten
der Bürgerschaft geleiert wurden. Auf dem
bis zur Stadtmauer reichenden Grundstück
entstand nach Hedecker (Chronik. S. 782/783)
im Jähre 1711 12 hinter dem Brauer-Gilde-
hause ein rnassi-v.es allgemeines Brauhaus,
dessen Ansicht vom Walle aus Hedccker ab-
bildet (wiedergegeben II. G. 1907. S. 358).
Dieses Hintergebäude ist 1738 abgebrannt.
Die Keller werden heute noch verwandt
(Pilsener Bierkeller). Eni im Denkmalarchiv
vorhandener Lageplan aus dem Jahre 1859
gibt die spätere Bebauung des Grundstückes
an. Da die Baulichkeiten schon damals nicht
mehr ausreichten, wurde eine neue Brauerei
an der Hildesheimer Straße 73 erbaut, deren
Gebrauch genommen sind.
Das Gildehaus auf dem Vordergrundstücke wurde in der Nacht des
1. auf den 5. Dezember 1893 durch einen Brand stark beschädigt und im
März 1891 abgebrochen.
Das Brauer-Gildehaus an der Osterstraße 83 gehörte zu den Misch- Beschreibung
bauten und war ein Traufenhaus: Zwei Geschosse in Ziegeln, verputzt,
653
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
bei Hausteinverwendung; zwei Geschosse in Fachwerk bei 21 Gefachen.
Das Erdgeschoß war um 1840 verändert (Aufrisse von 1846/47 im Denk-
malarchiv, Grundriß im Stadtarchiv: Kartenschrank). Bundbogige
Mitteldurchfahrt mit Wappenstein (über diesen s. unten), zwei Neben-
durchfahrten symmetrisch dazu; Geschoßteilungen im Zustande vor
1817 durch eine Simsgürtung mit hohem Fries. Im Erdgeschoß waren die
Fenster wahrscheinlich zu fünf, im Obergeschoß zu zwei und über den
Durchfahrten zu drei und vier gekuppelt unter Verwendung von Säulchen.
Reide Fachwerkgeschosse, auch die Traufe, kragten ohne Konsolen vor.
Abb. 463 Füllhölzer mit reichem Zahnschnitt und Eierstab. Windenerker links
der Frontmitte. Die Fachwerkgeschosse dienten als Gerstenspeicher.
In die Fenster hatten sämtliche Ämter ihre Wappen verehrt; auch viele
Bürgerfamilien taten dasselbe, wenn sie ihre Hochzeiten im Brauer-
Gildehause gefeiert hatten. Über die Glaswappen s. auch Jugler, „Bei-
träge zur Geschichte der Stadt Hannover" 1865, II. Heft, S. 32, Anm. 2.
Ein Teil der Fenster befindet sich heute im Provinzialmuseum.
Kunstuh r Eine Kuiistuhr mit biblischen Gestalten, die allstündlich auftraten,
war im Anfange des 18. Jahrhunderts noch vorhanden. Über den Auf-
stellungsort dieser Uhr und ihren Verbleib ist nichts bekannt (s Spilcker,
S. 199).
Reliefs Im Hofe des jetzt an Stelle des Rrauer-Gildehauses getretenen Hauses
Nr. 83 der Osterstraße sind zwei Flachreliefs aus Kalkstein in der Mauer
eingelassen mit den Inschriften: „NEPTUNI CONJ." und „CALLIRHOE".
Es sind Tafeln von dem 1619 von Jonas Wulfes errichteten Marktbrunnen,
Abb. 518, Seite 735 der schon 1719 umgebaut wurde (H. G. 1926, S. 105.)
Der über der Durchfahrt angebracht gewesene, jetzt am Geschäfts-
hause der Städtischen Brauerei, Hildesheimer Straße 73, eingemauerte
Wappenstein wird von Bedecker beschrieben (H. G. 1908, S. 61): „darin
10 Malzkörner, 3 Gerstenähren und 2 Braukellen mit dem Kleeblatte";
Beischrift: „DER RRAWER HAVS. PRO COMMODITATE PATRIAE". Das
Wappen war farbig bemalt (Abb. bei Redecker). Redecker irrt in bezug
auf die Braukellen. Die Helmzier hat Hörner. Das Wappen ist Hans
Nottelmann zuzuschreiben.
hoken-amxs- Je ein Hokenamt bestand ebenfalls in Alt- und Neustadt, dessen
haus Mitglieder mit Fettwaren, Käse und Heringen handelten. Die 50 Ge-
nossen der Altstadt hatten ein Amtshaus am Kreuzkirchhofe, heute
Hinterhaus zu Kreuzstraße 5, das -- wie die Inschrift an der Setzschwelle
schließen läßt - - der Herzog von Braunschweig-Lüneburg 1577 an den
früheren Besitzer, den Iltener Amtsvoigt Schlüter, geschenkt hatte.
654
Hoken-Amtshaus
Das Obergeschoß enthielt einen in Holz gewölbten Saal. Das verwahr-
loste Fachwerkhaus scheint ehemals höher gewesen, jetzt hat es zwei
Geschosse; fünf Gefache liegen frei; Traufsims auf Eckkonsolen vorge-
kragt; Füllhölzer mit Schiffskehlen und Zahnschnitt; Pfosten verkröpft;
Brüstungsgefache durch Bretter mit Bautenmuster geschlossen. Inschriften
auf beiden Setzschwellen in lateinischen Großbuchstaben:
LLA ■ PARATVR • QVAM • VOLET • HVMANV'S • CONSTITVISSE •
LABOR • ANNO • DOMI • 1577 ■
Traufschwelle (jetzt verschalt):
BRVNSWICKENSTVM • KT • LVNEBVBGENSIVM • PRINCIPIS • DONVM
Am Hause Kreuzstraße 5 ist das von Wappen
Meister Ludolf Witte gearbeitete Hokenamts-
wappen von 1649 angebracht, das vorher
am zugehörigen Hinterhause gesessen hatte
(s. darüber „Bürgerhäuser" Kreuzstraße 5).
Von der Innung der Hoken befindet sich willkommen
ein silberner Willkommen von 1640 im Vater- Abb- 464
kindischen Museum. Meisterzeichen: H. R.
(Hans Rhaders) und Kleeblatt.
Abb. 164. Hannover; Willkommen
des Hokenamtes von 1640.
Phot. des Vaterl. Museums, 1932.
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Abb. 465. Hannover; Hokenamtswappen, Kreuzstraße •">,
signiert von Ludolf Witte.
655
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
KRAMER-AMTS-
HAUS
In der Altstadt und in der Neustadt bestand je ein Krameramt.
)as Altstädter Krameramt zahlte zu Ende des 18. .Jahrhunderts
59 Amtsgenossen, von denen 32 mit Gewürz und Materialien, 27 mit
Ellen- und Kurzwaren handelten. Ihr Amtshaus lag seit 1653 an der
Leinstraße 20 und hat 1892 beim Hau der Markthalle fallen müssen.
Wappen Das K ramera m t swa ppe n von diesem Hanse ist 1891 an der nordwest-
Abb- t66 liehen Ecke der Markthalle wieder eingefügt (Schuchhardt, a. a. ()., Nr. 103):
kniende Justitia in Barockkartusche; Meister unbekannt. Inschrift:
ANNO DOM INI 1653
EIN AMBTYNI) INNVNGE DEM
KRAMER.
schmiede-amts- Als,,curia fabrorum" wird von
HAUS Redecker das Haus Osterstr. «Sl
Gerät bezeichnet, s. das. „Julius-
becher", 1585 von Herzog Julius
zu Braunschweig und Lüne-
burg dem Gesamt- Schmiede-
amt zu Hannover als Zeichen
seiner Anerkennung geschenkt.
Vaterländisches Museum.
Achtkantbecher, Silber, mit
Deckel und Knauf, auf dem ein
bannerhaltender Pntto steht.
Die Seitenflächen enthalten
unterhalb des Randes in Ziselier-
arbeit Kartuschen mit alle-
gorischen Figuren. Ziseliertes
Wappen mit Unterschrift, 1585.
Schneider- Das Schneider- Amtshaus lag
„ GtIL,?E"AHS; vor 1669 auf der Ringstraße/
kreuzstralJe 10, Hof n
Wappen Steinerne Wappentafel von
breitrechteckiger Form mit der
Inschrift: DAS AMPT DER SCHNEIDER GILHAUS IST GEBAU WET
ANNO DOMINI 1669 (wahrscheinlich Peter Köster. Vaterl. Mus.).
Gerät Das Vaterländische Museum bewahrt einen Gesellen-WTillkommen des
Schneideramtes aus dem Jahre 1655 auf. Meisterzeichen H. S. (Hinrich
Sädeler).
Schuhmacher- Nach Grupen (Orig., S. 359) hatte der Rat das alte Schusteramts-
amtshaus Gehrnaus zwischen Klickmühle und dem Werder - auf der Stelle des
späteren Banhofes im Jahre 1512 abbrechen lassen und dem Amte
einen Platz neben dem Leintore außerhalb der Mauer zugewiesen. Dort
bauten sie 1593 ein eigenes Amtshaus.
Abb. 166. Hannover; Wappen des Krameramtes, 1653.
An der Stadt. Markthalle, Leinstraße 19.
656
Klub- und Gesellschaftshäuser
Der Schuhhof war aber an der Köbelingerstraße eingerichtet worden
und im Jahre 1565 samt dem daraufstehenden Schuster-Amtshause
wegen der damals begonnenen Erweiterung des Rathauses durch den
Apothekenflügel eingegangen. Der Rat entschädigte das Amt dadurch,
daß er den Platz vor der Mauer durch eine Streichwehr sicherte (Grupen,
S. 340). 1639 erwarb das Schusteramt den verfallenen Leintorzwinger
und errichtete an seiner Stelle ein neues Gehrhaus, das um etwa 3 m
tiefer als der Wächtergang belegen war. Das Gelände ist später ange-
schüttet worden, so daß die Setzschwelle des Schusteramtshauses sich
jetzt ebenerdig befindet. An der Setzschwelle sind die Namen der damaligen
Vorsteher des Schusteramtes angebracht gewesen; noch lesbar sind fol-
gende: CORDT HENCKE. ABEL. V. D. (WISCH). HÄRMEN BOCKHOLT.
HANS KRACK. CHRI STOFFER SCHELLERMAN. HANS LVPKE
VAN WEGEN außerdem das Baujahr ANNO • DOMINI • 1593.
Den ehemaligen Eingang des Schusteramtshauses bezeichnet noch
heute ein Sturzbalken am Klostergange, der zu Seiten des Schuster-
wappens und der Jahreszahl 1639 den Spruch trägt:
2Ber ©ott in ratb urtb ©laubcn traut / l\nt> nicht auf funb unb laftcr bau>t /
S>cn left ©ott cnblicb nicht in notb / noä) feinen 6af)tncn fuebett 23root /
(nach Psalm 37, Vers 25 und 28. Abb. bei Redecker, s. H. G. 1905, S. 438.
Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1871, S. 149. Mithoff, Kdm. I, S. 86).
1821 ist das alte Innungshaus verkauft und ein neuerworbenes am
Johanneshofe bezogen. 1825 vereinigten sich die beiden Schuhmacher-
gilden der Alt- und Neustadt. Die Organisation blieb auch nach Ein-
führung der Gewerbefreiheit 1869 bestehen. Als Ausdruck ihrer Be-
deutung ließ die Innung das alte Gehrhaus im Klostergange renovieren.
Klub- und Gesellschaftshäuser.
Wie Spilcker angibt, geschah die erste Klubgründung in Hannover
im Jahre 1752. Die seitdem ins Leben getretenen zahlreichen Klubs
pflegten in den namhaften Gasthäusern, wie der Neuen Schänke, der
Londonschänke, Vaux Hall, Ballhof usw., zu tagen oder auch in anderen
Wirtslokalen, wo sie Mietsräume besaßen (über das Gesellschafts- und
Geistesleben der Zeit s. Spilcker, S. 560, ferner Gunkel „Zweihundert
Jahre Rechtsleben in Hannover", S. 174).
Der Alte Billardklub, dem vorzugsweise der Adel, das Militär und die alter billard-
höheren Staatsdiener angehörten, benutzte ein dem Gastwirt Goette KLUB
abgemietetes Haus an der Friedrichstraße (katastriert sub. Nr. 739 zur
Leinstraße), das durch die Schapersche Kopie eines älteren Abbildes
überliefert ist (Stadtarchiv, Mappe 34, Bl. 13). Das Haus war 1800 schon Abb. 467
vorhanden und wurde 1828 vom Hofmarschall Georg von Wangenheim
angekauft, der es abbrechen ließ, um sein Palais dort aufzuführen. Es
657
Gasthäuser, Gildenhäuser, Klubhäuser
war ein bemerkenswerter vierachsiger Bau auf rechteckigem Grundriß
von nur einem Geschoß in streng klassizistischen Formen. Die Treppe
lag an der Seite des Mühlenplatzes eingebaut unter einem hohen Por-
tikus. Den Akten nach (Cumberl. Verm.-Verw. XI. Hofbausachen Conv. I,
Nr. 73g) scheint 1821 der Plan bestanden zu haben, das Klubhaus mit
Portikus und Freitreppe nach dem Himmelreiche hin zu vergrößern.
Abb. 407. Hannover; Klubhaus am Friedrichswalle, abgebrochen 1828.
Aquarell von Schaper nach älterem Original, Stadtarchiv.
Börse Zur Förderung des Handels hatte sich im Jahre 1785 ein eigenes
Kommerz-Kollegium gebildet und eine Börse ins Leben gerufen (s. darüber
Brönnenberg, a. a. ()., S. 81). Die Handelsinnung erwarb 1814 das der
Gräfl. Hardenbergschen Familie gehörige Haus an der Ecke der Oster-
und Seilwinderstraße, ein zweigeschossiges, massives, im Anfange des
Abb. los 18. Jahrhunderts erbautes Haus, in dem ein Saal war.
Gemälde Wie Spilcker mitteilt, waren in diesem Saale zwei allegorische Gemälde
von Bamberg „aufgestellt", die Kindheit des Handels und den Triumph
des Handels darstellend (s. a. a. 0., S. 497. Die dort gegebenen Beschrei-
bungen der Bilder stammen von Bamberg selbst). Die Bilder sind verschollen.
658
Börse
Im Jahre 1858 entstand ein Hinteranbau, in dem zwei große Säle
durch C. W. Hase geschaffen wurden, von deren Dekoration noch Teile
in dem heutigen Warenhause, Seilwinderstraße 4/5, erhalten sind. 1875
wurde das Vorderhaus an der Osterstraße verkauft und später abgerissen.
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Abb. IfiX. Hannover; Gräflich v. Hardenbergsches Haus, Osterstraße 1(>, später Börse, abgebrochen
um 1890 Druckstock H. G., 1926.
Die Klubs Harmonie und Ressource, zwei zahlreiche, aus bürgerlichen Harmonie und
Familien und dem wohlhabenden Mittelstande bestehende, geschlossene RESSOURCE
Gesellschaften, die nach den Freiheitskriegen emporblühten, bedienten
sich zu ihren geselligen Unterhaltungen eines Wirtslokales in Remys
Hof auf der Neustadt. Der Saal der Harmonie beherbergte ein Gemälde Gemälde
von Ramberg: „Die alten Philosophen schauen dem Tanze der Gra-
zien zu".
659
Gasthäuser, Gesellschaftshäuser, Klubhäuser
museumsklub Der Museumsklub, aus einer 1799 gegründeten Lesegesellschaft,
welche eine Bibliothek und ein Museum hielt, nach den Freiheitskriegen
hervorgegangen (Hausmann, Erinnerungen, S. 1CKS), erwarb 1838 das
einstige Haus der Gräfin Yarmouth an der Leinstraße. Über dieses und
die miterworbene Ausstattung desselben s. ,, Gesandtenhaus".
schützenhaus Das Schützenwesen Hannovers als Bestandteil des Stadtverteidigungs-
wesens überhaupt, geht in die Anfänge der Stadt zurück. Schon 1397
findet sich im Kämmereiregister die Verzeichnung einer Ausgabe an Bier
für die Schützen, welche den „Papagoien" schössen. Nach der Zerstörung
der Burg Lauenrode stand der Papagoienbaum auf deren Ruinen. Noch 1609
hielten hier die Schützen Schießübungen mit der Armbrust ab (Näheres
über das hannoversche Schützenwesen hat Jugler, S. 52 f., zusammen-
getragen).
Angeblich wurde von Herzog Erich d. Alt. das von seinen Vorfahren
der Stadt Hannover im Jahre 1529 erteilte Privileg, „einen Schützenhof zu
halten", im Jahre 1574 bestätigt. Daraufhin wurde im gleichen Jahre aus
städtischen Mitteln vor dem Steintore in unmittelbarer Nähe des St. Ni-
colaihospitals ein Schützenhaus erbaut. Die Festlichkeiten der Schützen
wurden aber nicht hier, sondern auf dem Brauer-Gildehause begangen.
Seit der Kurfürst Ernst August 1696 die gewöhnlichen Bürgerwachen
in den Stadttoren abgeschafft hatte, verlor die Bürgerbewaffnung ihre
letzte Bedeutung, und mehr und mehr gewannen die Veranstaltungen der
Schützen den Charakter der reinen Lustbarkeit, an der die Bürgerschaft
bis heute eine unveränderte Anhänglichkeit hegt.
Der Plan, ein neues Schützenhaus zu bauen, wurde 1794 dem Magistrat
vorgelegt, ist aber trotz des empfehlenden Berichtes des mit der Begut-
A.bb. 400. Hannover; Schützenhaus in der Ohe. Phot. 1895.
660
Schützenhaus
achtung betrauten Cammerarius (s. Jugler, S. 75) nicht zur Ausführung
gekommen.
Das Schützenhaus am heutigen Klagesmarkte, wie es im 18. Jahr-
hundert beschaffen war, ist im Corpus bonorum von 1720 beschrieben
(H. G. 1917, S. 138). Es gehörten mehrere kleinere Gebäude dazu; das
eigentliche Haus war zweigeschossig aus Fachwerk erbaut. Im Ober-
geschoß lag der große Schützensaal mit den Gewehrschränken und
-börtern. Im Hofe standen Tische und Bänke. Eine Abbildung auf
einem alten Schützenbrett von Jahre 1653 erwähnt Jugler (S. 60, Anm.).
Eine andere Abbildung, die einen Jahrmarkt auf dem Klagesmarkte zu
Anfang des 19. Jahrhunderts darstellt, bewahrt das Stadtarchiv auf.
Die Lage des alten Schützenhauses wird durch den heutigen Gasthof
„Zur Stadt Petersburg" bezeichnet. Am Ende des Klagesmarktes er-
hoben sich drei Scheibenberge, nach denen mit den Standbüchsen auf
350 Schritt, mit gezogenen Gewehren freihändig auf 150 Schritt ge-
schossen wurde (Hausmann, Erinnerungen, S. 24).
Die Absicht, ein neues Schützenhaus, und zwar in der Ohe zu bauen,
trat 1818 wiederum auf. Schon ehemals hatte die Altstädter Bürger-
schaft in der Ohe vor dem späteren Neuen Tore ihr Freischießen abge-
halten. Der Stadtdirektor Rumann führte 1826 den Plan aus, als nach
der Vereinigung der Neustadt mit der Altstadt das Schützenhaus beim
St. Nicolaistift zu klein geworden war. Am 15. Juli 1826 konnten die
vereinigten Städte die Einweihung des neuen Schützenhauses mit dem
Freischießen begehen.
Einige von Laves herrührenden Pläne der Anlage befinden sich im
Stadtarchiv. Die den Zuweg zum Schützenhause bildende Allee war
von Laves im Zusammenhange mit dem Projekte der Platzanlage für das
Waterloomonument geplant. Das Hauptgebäude des Schützenhofes
und seine Nebenbauten bilden eine dreiteilige symmetrische Gruppe. Abb. 469
Der Mittelbau, welcher im Obergeschoß den queraxial angeordneten
Festsaal birgt, ist durch ein fünfachsiges Risalit ausgezeichnet, welches
im rustizicrten Sockelgeschoß in rundbogigen Portalen, im Hauptgeschoß
in einer Säulenstellung von sechs jonischen Säulen mit zwischengesetzten,
rechteckig umrahmten Fenstern sich öffnet und durch einen flachen,
mit dem königlichen Wappen im Felde geschmückten Dreiecksgiebel
abgeschlossen ist. Die Grundrißaufteilung zeigt im Erdgeschoß eine
geräumige Vorhalle, rechts und links je eine breite Treppe, geradeaus
das Deputiertenzimmer, rechts Gaststuben, ergänzt durch Hilfssäle,
links Küche und Pächterwohnung. Das Obergeschoß enthält außer dem
Festsaale beiderseits des Treppenhauses Kleiderablagen und Schank-
räume. Die beiden eingeschossigen Nebengebäude sind durch rustizierte
Terrassen dem Haupthause angegliedert. Lauben, Hallen, Schießschuppen
661
Gasthäuser. Gildenhäuser, Klubhäuser
ergänzen die Anlage. Als Abbildung sei auf Rambergs aquarellierte
Zeichnung hingewiesen.
Bildnisse In den Sälen des Schützenhauses waren nach Brönnenberg, S. 77,
die Bildnisse der vier „letztverstorbenen Landesherren, des jetzt (1830)
regierenden Königs und Vizekönigs" aufgestellt. (Jetzt in der Stadthalle.)
willkommen Der bei der Kollation zum Ehrentrunk benutzte „Willkommen"
ist ein 1665 gestifteter Kelch aus Silber, innen ganz, außen teilweise
vergoldet. Verfertiger war Meister Heinrich Sädeler aus Hannover (über
die Anschaffung s. Jugler, a. a. 0., S. 73. Daselbst auch die Inschriften).
Höhe des Kelches fast 2 Fuß. Oberfläche bedeckt von den Namen und
Wappen früherer „Schaffer". Inschriften auf und im Deckel, am Bauche
und am Fuße. Die Deckenbekrönung bildet die Figur eines Gewappneten,
der in der Rechten eine Fahne hält, während die Linke sich auf einen
Schild stützt, gefertigt aus einem Speziesthaler von 1665. Der Meister-
name ergibt sich aus den Aufzeichnungen der Gilde.
662
Gesundheits- und Wohlfahrtsanstalten.
Mittelalterliche Badestuben.
Die künstlichen Bäder im Mittelalter waren Schwitzbäder, die ur-
sprünglich durch heiße Luft, nach dem 12. Jahrhundert durch Wasser-
dampf wirkten. Der Dampf wurde dabei durch Begießen erhitzter Steine
mit Wasser erzeugt. Die Badestuben wurden in Hannover gegen einen
Zins an städtische Bader verpachtet.
Hannover hatte zwei, unter Aufsicht des Bates stehende, öffentliche
Badestuben: eine ältere an der Osterstraße, 1389 angelegt, eine andere
an der Leinstraße. Für den Bau dieser „stadtstoue geheten de nyge
stoue an der Leynstrate" stiftete Richard von Linden 1393 100 Mark
lübische Pfennige, damit auch notdürftige Leute - - ausgenommen Aus-
sätzige - in der neuen Badestube ein Bad „in de ere Godes" genießen
könnten. Das Freibad wurde zweimal im Jahre in der Kirche St. Jürgen
und bei den Barfüßern vom Predigtstuhle aus verkündet und galt als
geistliche Handlung.
Die Leynstove war 1463 von denen von dem Steinhause erworben Lcinstove
und baulich erneuert worden. Auf dem Stadtplan bei Grupen (Origines,
S. 274) wird sie auf der Insel angegeben; die zu ihr führende Straße,
der Stovenweg, ist die spätere Rademacherstraße. Das Haus am Holz-
markt, das Redecker (Chronik, S. 304) abbildet, und in dem nach seiner
Meinung die „Schwestern vom Bade" wohnten, kommt als Leinstove
sicher nicht in Betracht (vgl. darüber H. G. 1926, S. 66).
Von der Osterstove sagt Bedecker (S. 376): „1479 ward das Seelenbad osterstove
auf der Osterstraße, die Neue Stove, item die Osterstove genannt, Heinrich
Trümpern auf fünf Jahre für 2 Pfund und daß er die Kieserlinge im Ofen
stehen sollte, eingetan." Er läßt dann eine Abbildung des Hauses folgen,
„welches eine in der Riege der Ostseite selbiger Straße stehende Bad-
stube ist und dein Bader Haasen zugehöret" und fügt hinzu: „Der von
Holz und Steinen gebauete Theil scheinet vorzeiten nicht dazugehöret
zu haben, sondern ein Acquisitum zu seyn." Vom Äußern des Hauses
663
Gesundheits- und Wohlfahrtsanstalten
bestellt auch von Mit hoff eine Aufnahme*) im Stadtarchive. Über die
innere Einrichtung der beiden Stoven sind wir indes nicht genauer unter-
richtet.
das rode- Das an der Köbelingerstraße 15, Ecke des Knappenortes, belegene
kloster Rode-Kloster, auch als das nyge closter (Kämmereiregister 1403 f.),
ruffum claustrum (Lohnregister 1441) usw. bezeichnete Haus scheint
1402 erbaut oder umgebaut zu sein. Es war ein dem Rate gehöriges
Frauenhaus und wird als solches noch im Jahre 1531 im Verlassungs-
buche bezeichnet (vgl. das Rode-Kloster in Braunschweig an der Echtern-
straße). Nach Einführung der Reformation mußte der Rat unter dem
Druck der öffentlichen Meinung das Haus schließen. Es ging 1543 als
Wohnhaus in Privatbesitz über (vgl. Grupen, S. 329, Hartmann, S. 281,
Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1871, S. 152, und 1860, S. 185 ff.).
römische Auf dem Gelände des 1842 abgebrochenen Kornmagazins wurde in den
schwimm-bade- ja]iren 1865 — 67 eine Badehalle mit Schwimmbassin auf Aktien nach
HALLE
Plänen des Architekten Gersting erbaut. Ein Bau von gelben Ziegeln
mit Verwendung von Deistersandstein. Die Badeanstalt enthält zwei
Schwimmhallen, Dampf- und Römische Bäder. Renaissancearchitektur,
Arkaden an der Vorderfront. Das Gebäude ist als Badehalle gegenwärtig
nicht im Gebrauch.
russisches Auf dem Gelände des zugeschütteten Stadtgrabens am Friedrichs-
dampfbad, wape Wurde im März 1829 der Bau eines russischen Dampfbades begonnen.
Friedrichstraße 1 .
Das Gebäude enthielt einen Salon, in dem Erfrischungen gereicht wurden.
Die gärtnerischen Anlagen in der Nähe des Gebäudes und die daselbst
veranstalteten Musikaufführungen waren für die Kurbrunnen trinkende
Gesellschaft Hannovers von Anziehungskraft. Man nannte das Eta-
blissement „Klein Pyrmont".
Das noch bestehende Badehaus enthielt beiderseits des genannten
Salons zwei „aus Blockwänden konstruierte" Dampfbäder (Brönnenberg,
S. 79, Sievert, S. 16). In zwei vorspringenden Flügeln waren je vier
Gemächer mit steinernen Bädern angeordnet. Flügel- und Hauptbau
umrahmten eine niedrige Terrasse mit vorgelegten Stufen. Die Archi-
tektur ist klassizistisch; sie verwendet Bundbogen, Dreiecksgiebel und
Abb. 470 flache Pfannendächer bei spärlicher Ornamentik.
*) Nach dieser ist die Zeichnung auf Seite p44i gefertigt. — Über Bade-
stuben s. Mithoff, Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1871, S. 131; Uhlhorn,
2 Bilder aus dem kirchlichen Leben der Stadt Hannover, I. Das Mittelalter;
Joh. Falke, Die Badestuben im Mittelalter, Westermanns Monatshefte 1861,
Oktober, S, 35.
664
Altstädter Stadtlazarett
Abb. 170. Hannover; Hi
Dampfbad, Friedrichstraße 1, 1829 begonnen. Phot. KHK).
Krankenhäuser.
Um der Pest zu wehren, die im Jahre 1712 aus Süddeutschland bis neues haus
zum Harz vorgedrungen war, ließ der Magistrat 1713 auf Grund eines Abgebrochen 1893
älteren, schon vom Kürfürsten Ernst August 1 682 erteilten und nun
erneuerten Privilegs weit vor der Stadt in der Eilenriede am Schiffgraben
ein Pesthaus erbauen, das sogenannte Neue Maus. Da die Stadt von der
Plage verschont blieb, wurde das Gebäude als Lazarett nicht einge-
richtet, sondern als Wirthaus zum „Güldenen Löwen" verpachtet.
Das Äußere des 1<S93 abgebrochenen Hauses ist durch mehrere Ab- Abb. m
bildungen überliefert. Ein Aquarell von A.Voigt, 1896, im Vaterländischen
Museum. Über die Raumverteilung berichtet das Corpus bonorum von
1720 (H. G. 1907, S. 135, s. ferner Sievert, a. a. ()., S. 105. und „Illustrierte
Rundschau" 1914, S. 350).
Das Neue Haus war zweigeschossig in Fachwerk erbaut und hatte ein
Mansardendach mit Gauben. An seine Stelle ist 1893/94 ein massiver
Neubau als städtisches Kaffeehaus getreten.
Hospitale, deren Stiftung nicht wie im Mittelaller ein religiöses Re- altstädter
dürfnis des Stifters zugrunde lag, sondern die auf breilerer, sozialer Stadtlazarett
& & Pferdestraße 9
Grundlage und in Verbindung mit einer gehobenen ärztlichen Kunst
wirken wollten, entstanden in Hannover erst im LS. Jahrhundert. Die
Landesherrschaft regte 1720 unter Hinweis auf eine frühere Verordnung,
„um die Chirurgie hiesigen Ortes in guten Stand zu setzen", die Erbauung
eines herrschaftlichen Hospitales an, auf einem Gartengrundstücke an
der Leine (s. Anatomieschule), doch ist dieser Anregung nicht sogleich
stattgegeben.
665
Gesundheits- und Wohlfahrtsanstalten
Ers1 1730 konnte mit der Unterstützung von Menschenfreunden
durch Vermächtnisse und Stiftungen ein Lazarett neben der Sommer-
brücke vollendet und am 23. Mai 1737 eingeweiht werden, dessen Patron
der Magistrat war. Andere Anstalten dieser Art gab es in der Altstadt
nicht (Näheres s. bei Spilcker, S. 392 ff.). Nach Vollendung des Neuen
Stadtischen Krankenhauses in Linden im .Jahre 1833 wurde die Benutzung
Abb. 171. Hannover; Neues Haus. Nach dem Stich von Salzenberg:
„Am neuen Haufe bey Hannover".
aufgegeben. Das Stadtlazarett enthielt zwei große und drei kleine Kran-
kenstuben; insgesamt konnten 25 Betten gestellt werden. Im Erdgeschoß
wohnte der Verwalter; außerdem waren hier zwei Bader, deren sich auch
die sonstige Einwohnerschaft gegen Entgelt bedienen konnte.
Das noch bestehende Gebäude ist ein dreigeschossiges Fachwerkhaus
von 7 Achsen mit flachem Giebel über einem dreiachsigen Mittelerker
(dieser nicht ursprünglich). Die Geschoßteilungen sind durch architrav-
artige Schalsimse verkleidet. Eine Ansicht von 1834 in den Baupolizei-
akten zeigt eine korbbogige Durchfahrt links, der Dacherker fehlt noch.
nelstädter Für die Neustadt wurde 1802 ein Haus, „das Kleeblatt" genannt,
LNZARKTT zwischen Clevertor und Steintor außerhalb der Stadt mit königlicher
Beihilfe angekauft. Die Einrichtung zum Lazarett kam nicht zustande
(s. Spilcker, a. a. 0., S. 395).
neueskranken- Für das nach den Plänen des Stadtbaumeisters Andreae auszuführende
IIAl.,s.^^,ÜTAL?JT Neue Krankenhaus der Stadt Hannover war in dem gartenreichen Linden
HANNOVER IN °
linden, ein Bauplatz zwischen der Ihme und der Bicklinger Straße gewählt,
nickiinger straße 62 Das Gebäude war im November 1830 unter Dach gebracht: hufeisen-
666
Ratsapotheke
förmige, zweigeschossige Anlage in Florentiner Palazzoformen; Südflügel
für medizinische, Nordflügel für chirurgische Kranke vorgesehen. Im
Mittelbau Küche, Speisekammer, Vorratskammer für die Apotheke,
Dienstwohnung und Diensträume des Verwalters, Vestibül und Treppen-
haus (Näheres s. Brönnenberg, S. 59). Das Gebäude ist 1856 — 58 um ein
Geschoß und einen Kniestock erhöht worden (Pläne im Stadtbauamt).
Die Königin Marie stiftete 1859 zum Gedächtnis an ihre Großmutter, henrietten-
die Herzogin Henriette von Württemberg, die nach dieser Henriettenstift STIFT
genannte Krankenanstalt, verbunden mit einer Bildungsstätte für evan-
gelisch-lutherische Diakonissinnen. Der vom Hofbaumeister Tramm
stammende Entwurf der Anstalt wurde 1860 ausgeführt. Später ist die
Anlage wiederholt erweitert worden, insbesondere 1886 durch den Anbau
einer Kirche.
Das Gebäude des Henriettenstiftes ist aus gelben Ziegeln mit geputzten
Lisenen in romanischen Stilformen ausgeführt.
Der die Ratsapotheke enthaltende, 1842 abgebrochene Apothekenflügel ratsapotheke
des Rathauses ist im Zusammenhange mit diesem auf Seite 364 ff. behandelt.
Schon vor dem Abbruch des Apothekenflügels ließ 1830 der Magistrat
das gegenüberliegende Haus des Stadtkommandanten, ein Fachwerk-
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Abb. 472. Hannover; Patsapotheke, Köbelingerstraße 4. Entwurf von Andreae, 1829.
667
Gesundheit*- und Wohlfahrtsanstalten
Abb. 47:
gebäude, durch Andiene zur Ratsapotheke umbauen. Die Front erhielt
dabei rustizierte Flächen, in die im Erdgeschoß Hundbogenfenster, in
den beiden Obergeschossen rechteckige Lichtöffnungen eingeschnitten
waren. Davon waren diejenigen der Beletage mit waagerechter Sims-
verdachung versehen. Das Gebäude ist 1890 abgebrochen. Neben der
Mitteleinfahrt standen auf beiderseits vorgekröpften, bis zum ersten
Obergeschoß reichenden Vorlagen die Skulpturen des Äskulap und der
Hygieia, Werke des Hofbildhauers Bernhard Wessel. Die Figuren sind
an der neuen Batsapotheke, Grupenstraße 9, wieder aufgestellt.
Ratskloster und Sodensches Kloster.
geschichtk Die beiden nach der Beformation ins Leben gerufenen Stiftungen
des Batsklosters und des Sodenschen Klosters waren Armenhäuser.
Das Batskloster oder Alte Kloster hatte der Bat in dem verlassenen
Minoritenkloster mit Hilfe des Vermächtnisses der beiden Schwestern
Abb. 17:!. Hannover; Soden- oder Neues Kloster, Klostergang .'i, mit Tafeln des Aktüonbiunnens
über der Tür. Um 1870.
668
Ratskloster und Sodensches Kloster
Romeis (über deren Wandmal an der Marktkirche s. vorn S. 102) im Jahre
1551 als Hospitium für alte Frauen eingerichtet. Das Sodensche Kloster,
eine Stiftung des Moritz v. Soden aus dem Jahre 1587, bestimmt für
neun arme Männer und ebensoviel arme Frauen, lag ebenfalls auf dem
Grund und Boden des Minoritenklosters hinter der Klosterkirche.
Bei der Errichtung des landesherrlichen Palatiums mußten die beiden
Hospitien 1637 hinweggeräumt werden. Das Ratskloster wurde dann auf
Kämmereikosten ganz neu aufgebaut; das Sodensche Kloster aus dem
Fachwerk des bisher von ihm benutzt gewesenen Gebäudes wieder-
errichtet, und zwar erhielten beide nebeneinander ihren Platz an dem Abb. 473 u. 474
Wächtergange zwischen dem Leintorzwinger und dem Beginenturm
außerhalb der Stadtmauer am Leineufer, wo die dort verlaufende Streich-
mauer den Gebäuden als Fundament für die Rückseite dienen konnte.
■U444444-14-1--.
s
Abb. 171. Hannover; Ratskloster und Sodenklostor im Klostergang. Grundrißzeichnung. Stadtbauamt.
Das Untergeschoß des Ratsklosters wurde später als Stadtmünze
verwandt (Redecker, Chronik S. 481, H. G. 1906, S. 210); es geschah
das bis zum Jahre 1675*).
Die beiden Hospitien sind 1908 in das an der Schwesternhausstraße 10
neu erbaute Schwesternhaus verlegt. Die alten Gebäude dienen heute zu
Wohnzwecken. Bei Redecker (a. a. O.) findet sich eine Zeichnung beider.
*) In den Räumen der Münze waren die Reliefplatten des Pipenborns zum
Teil niedergelegt worden, die 1927 wieder aufgefunden wurden.
669
Gesundheit«- und Wohlfahrtsanstalten
Beschreibung Die Fachwerkgebäude des Rats- und Sodenschen Klosters am Kloster-
gange bilden heute eine zweigeschossige Front von 23 Gefachen. Nur
die Traute ist auf Konsolen vorgekragt, und zwar die des 1637 oder 1638
ganz neu errichteten Ratsklosters auf S-Konsolen; die des Sodenschen
Klosters auf Konsolen gotischer Form. Die Setzschwelle des Ober-
Abb. 475 geschosses ist nur beim Ratskloster mit gotisierender Ranke in Schnitz-
arbeit geschmückt. Der bei Mithoff erwähnte Türsturz am Sodenschen
Kloster von Eselsrückenform mit Wappen in den Zwickeln ist nicht mehr
vorhanden.
w^ä^ra&mrm
■i 1 — , — , — . — . \ o.
Abb. 475. Hannover; Fries am Ratskloster, Klostergang 1/2. Gez. D., 1926.
Altar Im Sodenschen Kloster war nach der Reformation der Altar aus
der Minoritenkirche aufgestellt. S. über ihn S. 219.
Krmifixus Ein Kruzifixus, Eichenholz, Höhe des Korpus 51 cm, jetzt im Pro-
Abb. 476 vinzialmuseum. 2. Viertel des 15. Jahrhunderts. Reste von Bemalung
auf Kreidegrund.
Inschrift Die über der Tür des Sodenschen Klosters ehemals angebracht ge-
wesene, jetzt im neuen Sodenkloster befindliche, in Holz erhöht ge-
schnittene Inschrift (vgl. Mithoff, Kdm. S. 82) lautet:
MAVRITIUS DE SODE CANONICVS
ECCLESIAE SANCTAE CRUZ IS ET
PRAEPOSITVS DIVAE MARIAE MAGDA-
LENAE IN URBE HILDE SIANA
HAS AEDES PRO PAVPARIBVS ET / EGENIS EN CENSIBVS SUIS
ANNVIS EXTBVXIT. ANNO. A. CHRISTO
NATO. M: D: LXXXVII
Der Sturzbalken der Tür des Sodenschen Klosters hat zwischen den
Wappen, links der von Sode, rechts des Geschlechtes Kruedener (nach
Mithoff ebenda) die Inschrift getragen:
670
Ratskloster und Sodensches Kloster
HER MORITZ VOM SODE HIR GEBORN
VF DISSEN PLATZ DARZV ERKOREN
ERBAWTE SYCHEN HOSPITAL
DIE ARMEN DANCKEN IM ALZVMAL
(vgl. Redecker, Chronik, S. 534).
Abb. 47C>. Hannover; Kruzifixus aus dem Sodenschen Stift, jetzt im
Provinzialmuseum. Höhe der Figur 51 cm.
Am Sodenschen Kloster zeigen Redeckers Abbildung (H. G. 1906, steinreiiefs
S. 211) und ältere Photographien in den Brüstungsfächern über der Tür
beiderseits der vorhin erwähnten Inschrift zwei Reliefplatten aus Stein; Abb. 473
Mithoff meldet, daß eine dritte Platte verschwunden sei. Andere an der
Leineseite des Ratsklosters angebracht gewesene Bildsteine erwähnt
Redecker. Auch sie sind nachmals verschollen gewesen. Sechs Platten
wurden bis 1927 wiedergefunden und als zum alten Marktbrunnen von
1521 gehörig von dem Finder, Dr. Leonhardt, erkannt und durch den
zuletzt aufgefundenen Eckpfeiler mit dieser Jahreszahl bestätigt. Sie
werden jetzt im Leibnizhause aufbewahrt (s. Piepenborn, S. 731).
671
(resundheits- und Wohlfahrtsanstalten
Armen- und Waisenhaus.
Seit dem 17. Jahrhundert verwaltete ein Armenkollegium das Armen-
wesen der Stadt, die zu diesem Behüte in 92 Distrikte geteilt war, durch
Pfleger und Armenvögte. Um dem Übel vorzubeugen, soweit die Schuld
an der Verarmung durch mangelnde Erziehung bedingt sein konnte,
stiftete Johann Duve und seine Frau 1642 ein Armen- und Waisenhaus
vor dem Steintore und stattete es vollständig aus. Die von Duve gestiftete
sogenannte Herberge des Herrn war bestimmt, 30 Knaben, 30 Mädchen
und 40 alten, lahmen, blinden und elenden Personen ganz umsonst und
um Gottes willen Wohnung, Essen und Pflege zu geben. Dazu sollte ein
regelmäßiger wöchentlicher Gottesdienst abgehalten werden.
Die Anstalt wurde nach Redecker am 3. Oktober 1643 eingeweiht
(s. H. G. 1903, S. 49 — 51). Redecker überliefert außer näheren Angaben
über die Stiftung auch eine Handzeichnung des Armen- und Waisenhauses,
Abb. 477. Hannover; das Armen- und Waisenhaus vom Steintorwalle aus.
Nach Redecker, Chron. S. 631, umgezeichnet.
Abb. 477 gesehen vom Steintorwalle aus, etwa um 1720 samt einem Grundriß der
ganzen Anlage (s. H. G. 1906, S. 213, 216 und 217). Diese dehnte sich
danach fast unmittelbar vom mittelalterlichen Steintorturme nach Westen
vor der Stadtmauer aus und bezog die beiden nächsten Stadtmauertürme
mit in sich ein. Nordwärts
war sie durch eine Stein-
mauer umfriedigt, welche Hof
und Gärten einschloß. Das
dreigeschossige Hauptgebäu-
de linker Hand enthielt die
Kirche, die längs der Stadt-
mauer eine Empore hatte,
also durch mindestens zwei
Geschosse ging. Unter der
Abb. 4/S. Hannover; Duvescnes Armennaus. hhewappen
Duve-Koiienrodt, 1642. von Ludoit Witte. Empore befanden sich Wirt-
672
Armen- und Waisenhaus
Schaftsräume. Als Gotteshaus war das Gebäude durch einen vier-
seitigen Dachreiter mit offener Laterne gekennzeichnet. In den übrigen
Gebäuden waren Wohnungen, Wirtschafts- und Arbeitsgemächer unter-
gebracht. Die beiden Mauertürme dienten zu Redeckers Zeit als Ge-
Abb. 479. Hannover; Sandsteinrelief dos hl. Christophorus am Duveschen Armenhause.
fängnisse, denn es bestand damals im Anschluß an das Armen- und Waisen-
haus ein Werk- und Zuchthaus. Über der Hauspforte neben dem Steintore
war das Ehewappen der Stifter mit der Jahreszahl 1642 angebracht. Abb. 478
Dicht neben der Pforte war das Christophorusrelief in die Mauer ein- Abb. 479
gelassen, das wie das Wappen und die Inschrift später an das Haus der
43 673
Gesundheits- und Wohlfahrtsanstalten
London-Schenke, Neue Straße 21, übertragen worden ist. (Über den von
Meister Ludolf Witte signierten Wappenslein und das Christophorus-
relief s. unten.) Hartmann (a. a. ()., S. 275) erwähnt noch, daß über dem
Christophorusrelief ein von Wind und Wetter zerzaustes Gemälde sich
befunden habe, das 1766 hatte repariert werden müssen.
Abb. ISO. Hannover; Duvesches Armenhaus, Apostelfiguren vom Altar.
Holz, H. = 43 cm. Phot. Bleibaum, 1912.
Bis zur Vereinigung der Alt- und Neustadt (1. Dezember 1824) war
das Armen- und Waisenhaus vorzugsweise für verarmte Bürger und eben-
solche Waisenkinder der Altstadt bestimmt. Dem durch die Verschmelzung
erweiterten Zwecke genügten jedoch weder die bisher zur Verfügung
stehenden Mittel, noch die inzwischen verfallenen Gebäude des Armen-
hauses. Deshalb wurde die Neustädter Legatenkasse der Anstalt über-
wiesen und mit Hilfe von deren Kapitalien die vormalige vLondon-
Schenke" am 22. Januar 1825 angekauft, deren Gebäude dem künftigen
Zweck angepaßt und das Armen- und Waisenhaus dorthin verlegt (s. ,, Hotel
Stadt London"). Die feierliche Einweihung war am 4. Juli 1826. Im Jahre
674
Armen- und Waisenhaus
1920 ist die Anstalt von liier in ein neues Gebäude nach Köthenwald
übergesiedelt.
Der in Redeekers Grundrißzeichnung in der Kirche der Anstalt an- Aitar
gegebene Kanzelaltar ist noch nicht der später zum Armen- und Waisen-
haus gehörige Altar. Der seit 1925 im Leibnizhause stehende Altar,
der mit Wahrscheinlichkeit Johann Friedrich Ziesenis zuzuschreiben
ist, hat eine Rokokomensa aus Lindenholz mit kleinem Aufsatz in Giebel- Abb. 48i
form, der im wesentlichen ein Abendmahlrelief enthält; H. = 1,53,
Br. = 1,80 (vgl. Bleibaum, a. a. ü., S. 301). Auf den Seitenstücken
steht jederseits eine kleine Apostelfigur, H. = 43 cm, aus Holz, deren
Verfertiger dem gleichen Meister vermutlich nicht ganz fern steht. Abb. tsu
Abb. 181. Hannover; Duvesches Armenhaus, Altar. I'hot. Bleibaum, 1911
Bei der Verlegung des Duveschen Armenhauses in das Gebäude der christophorus
London-Schenke, 1824, wurde der ursprünglich im alten Steintorturm
eingelassen gewesene Relicfstein des Christophorus am Sockel des ge-
nannten Hauses, rechts des Einganges, eingesetzt.
Der Reliefstein, H. — - 1,30, Br. = 1,00, Frührenaissance, deutet eine
umrahmte, flachbogige Konche an, ans der die Figur des Christophorus
stark erhaben herausgearbeitet ist: blusenartiges kurzes Gewand, Schulter-
kragen, zurückgeschlagene Kapuze, darin das Kind sitzend, welches
675
Gesundheits- und Wohlfahrtsanstalten
die Rechte segnend emporhält und in der Linken die Weltkugel tragt.
Das Antlitz des Christophorus, von einem Vollbart umrahmt, ist nach dem
Kinde hingewandt, seine Knie sind von dessen Schwere gebeugt; mit
beiden Händen hält er einen Eichenstab. Im Wasser sind Schwäne dar-
gestellt. Links am Ufer der Eremit mit Rosenkranz, die Hände vors
Gesicht haltend, vor einem kuppelgekrönten Gebäude.
Wappen Die obenerwähnte Bauinschrift des Duveschen Armenhauses mit den
Wappen Johann Daves und Elisabeth Kolvenrotts von 1642 (behandelt
bei Schuchhardt unter Nr. 74), H. = 0,75, Br. = 1,44; Meister L. W.
= Ludolf Witte, die ebenfalls bei der Verlegung des Armenhauses hierher
kam, ist im Treppenhause Neue Straße 21 eingelassen:
16 42
Johan Duve, Gotschalck Duven Sohn und fein fraw / Eliefabet
Kolvenrott Haben Gott Zu Ehren diefs / Armenhaufs Bawen
Laffen und den armen verehrdt.
676
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof.
Altstädter Fleischscharren
(abgebrochen 1842).
Im Mittelalter haben die Schuster, die Schlachter und die Gewand-
schneider städtische Gebäude zu ihren Verkaufsstellen benutzt.
Die Knochenhauergilde erbaute 1541 der Inschrift nach auf der Stätte
der 1428 abgebrannten domus consulum den Fleischscharren („Coldunen-
borch", s. Grupen, S. 331). Dieses an der Ecke der Damm- und Köbelinger-
straße gelegene Haus wurde 1842 abgebrochen. Seine Art ist durch
Zeichnungen von Andrae (wiedergegeben H. G. 1914, S. 106) und von Abb. 482
Mithoff (Arch. Taf. XXII) überliefert. Einzelheiten bildet Mithoff, a. a. 0.,
im Text Seite 15 ab (s. auch H. G. 1914, S. 188). Einige Originalzeichnun-
gen Mithoffs von weiteren Einzelheiten sind im Stadtarchive.
Die ursprüngliche Inneneinrichtung und Verwendungsart der Räum-
lichkeiten läßt sich nicht mehr erkennen. In späterer Zeit, um 1720,
hatte die Diele als Fleischhalle rechts sieben, links neun Stände für die
Innungsmeister. Im Obergeschoß lag die Wohnung des Gerichtsschreibers.
Das dann folgende Geschoß diente 1712 einem Braumeister als Speicher.
Der Dachraum war in drei Böden geteilt. Die gewölbten Keller waren
1719 teilweise als königliches Gefängnis vermietet. Die Knochenhauer-
Amtsstube war von der Dammstraße aus zugänglich (s. Corpus bonorum
von 1720 in H. G. 1906, S. 220).
Der Fleischscharren war ein Fachwerk-Giebelhaus von drei Geschossen
mit Zwischengeschoß bei etwa 12 Gefachen. Vorkragungen mit Krallen-
konsolen; Schwellenzierat wahrscheinlich mit Ranken. Der Eckständer
trug in einer Renaissancenische ein flachgeschnitztes Bild (s. H. G. 1914,
S. 188) der Justitia mit der Unterschrift (Minuskeln mit Großbuchstaben
am Versanfange):
Gerechticheit byn yck ghenät
Gyft vjide ghall(?) fynt my vnbekant
Jck fe nycht an de perfonen arm edder ryck
Jck weghe dem keyser vnde dem arme bur ghelick.
677
Kaufhäuser. Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof
Eine andere Darstellung einer weihlichen Figur (Obrigkeit) in ent-
sprechender Umrahmung trug zur Unterschrift:
Goddes denerine hy ick ghenät
Der hilligen fchrift gas wol bekant.
De Ironie loue ick vnde krönet fe myt eren
De holen ftraffe ick myt dem fwerde.
■*<&*,£ * •**£<*& 4o*< Dl M.Ji 0(ft?{tS*r*\.ft«rreHr *Cr ^»»«vm . *{&
Abb. 482. Hannover; ,,I)ie Laube am Rathause und der alte Fleischscharren".
Zeichnung im Stadtarchiv. Signiert: „14. Juni 1837 A. A."
Mithoffs Ilandksizzen im Stadtarchive überliefern noch ein Holz-
schnitzwerk vom Eckständer, das David und Goliath vorstellte (wieder-
gegeben in H. G. 1914, S. 148). Die Anordnung der Bildwerke war so, daß
678
Städtisches Kornmagazin
auf jeder Seite des Eckständers über einem unteren Felde ein Spruch-
schild mit begleitenden Gestalten lag, überragt von den sinnbildlichen
Frauengestalten der Obrigkeit und der Gerechtigkeit (Riemer, H. G. 1914,
S. 189).
Neustädter Fleischscharren
(abgebrochen etwa 1748).
Die Lauben des kurz vor 1700 erbauten Neustädter Fleischscharrens
standen an der Stelle des heutigen Landeskirchenamtes vor den Häusern
der Roten Reihe am Neustädter Markt. Ihr Aussehen ist durch den
Stich in den „Freudenbezeugungen" von 1727 überliefert. Es waren Abb. r.\~
eingeschossige, an der Marktseite offene Lauben aus Fachwerk mit korb-
bogigen Rogenöffnungen und Satteldach.
Seite 51'.)
Kornmagazine
(abgebrochen 1842).
Auf die Anregung des Rürgermeisters Heiliger geht die Anlage eines städtisches
Städtischen Kornmagazins zurück, als Lagerstelle des von der Stadt KORNMA(iAZIN
zum eigenen Gebrauch erforderlichen Kornes. Einen für diesen Zweck
bestimmten Speicher errichtete die Stadt im Jahre 1795 an dem neu-
angelegten Friedrichswalle gegenüber der Klickmühle. Die Roden des
riesigen, vier Geschosse hohen Fachwerkspeiehers konnten etwa 15000 bis
16000 Malter Korn fassen; wenn sie für eigene Zwecke nicht beansprucht
wurden, so vermietete sie die Stadt anderweitig.
Abb. 483. Hannover; nachmaliger Friederikenplatz mit Schloßbrücke, Klickmühle, Kornmagazin und
Hoher Schule, um 1810. Nach Aquarell im Stadtarchiv.
679
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof
Das Kornmagazin ist 1842 abgebrochen zur Freilegung des Platzes
vor dem Schlosse. Das Gebäude nennt Hausmann (a. a. O., S. 38) „von
geschmacklosester Form, mit äußerster Verschwendung aus der Eilenriede
entnommenen Holzes". Eine Abbildung um 1810, die den nachmaligen
Abb. (83 Friederikenplatz darstellt, gewährt eine Anschauung des Kornmagazins.
Landes- Mehrere Landes-Kornmagazine waren als Sammel- und Lagerstätten
MmNMAGAziN von Brotgetreide und Saatgut über das ganze Land verteilt und standen
unter Aufsicht der Domanialverwaltung. Auch in der Landeshauptstadt
war 1713 ein Landes-Kornmagazin eingerichtet, bestimmt, bei Teuerung
und Ernteausfall in den näherliegenden Landesbezirken Getreide abzu-
geben. Die Verkehrserleichterung, welche durch die Eisenbahn ge-
schaffen wurde, überhob den Staat der Haltung solcher Versorgungs-
anstalten, die deshalb aufgegeben wurden. Das Landes-Kornmagazin
zu Hannover hat ein für seine Zwecke besonders geschaffenes Gebäude
nicht gehabt. Es wurde 1819 in den zur Vermietung freistehenden Böden
des städtischen Kornmagazins untergebracht (vgl. Spilcker, S. 370).
In seiner Spätzeit griff Dinglinger - - wie viele Architekten seiner
Zeit -- zur Feder; er schrieb, von seinem Hauptwerk über das Palais
an der Leinstraße abgesehen, eine theoretische Abhandlung über Korn-
magazine, 1768: „Die beste Art, Korn-Magazine und Frucht-Böden an-
zulegen, auf welchen das Getrayde niemahl, weder vom weissen noch
schwarzen Wurm, angestecket werden kann. Eine Preis-Schrift. Mit
in Kupfer gestochenen Bau-Bissen. Im Verlag der Bichter'schen Buch-
handlung in Hannover, 1768." Die 5 Tafeln sind gestochen vom Braun-
schweiger Architekturstecher A. A. Beck.
Städtischer Packhof.
Zur Erleichterung der Ausfuhr diente als Niederlage der steuer-
baren Waren der nach den Freiheitskriegen eingerichtete städtische
Packhof. Als solchen benutzte man das bisherige städtische Holz- und
Torfmagazin, das in der entfestigten Norder-Bothfelder Bastion lag und
ehedem landesherrliches Pulvermagazin gewesen war. Der Packhof
wurde 1823 durch ein geräumiges Lagerhaus und Nebenräume vergrößert.
Ein Plan der aus Fachwerkbauten bestehenden Anlage aus dem Jahre
1846 befindet sich im Stadtarchiv. Akten über den Packhof im Staats-
archiv. Beg.-Bepert. der Königl. Landdrostei Hannover, 39. Bd. (XXXIX.
B.); Spezialakten Stadt Hannover, I.Teil, S. 249ff., 1823.
Nach Anlegung des Eisenbahnhofes ließ die Stadt durch Droste
einen günstiger gelegenen Packhof mit Gleisanschluß in Nähe des
Bahnhofes an der Artilleriestraße aufführen. Der Bau währte von
1862 — 64. Der alte Packhof wurde nach dessen Fertigstellung abgebrochen.
680
Städtischer Packhof
Der neue, an drei Straßen belegene Packhof umfaßt eine Mittel- Abb. 484
halle, die ursprünglich für Woll-, Leinen- und Ledermärkte bestimmt
war und mit drei umlaufenden Holzgalerien versehen ist.
Abb. 481. Hannover; Städtischer Packhof, Innenansicht. Phot. 1900.
Abb. 485. Hannover; Städtischer Packhof, Artilleriestraße 24. Entwurfszeichnung von Droste.
'-■:<,.
Die Fassadenarchitektur, in gelben und roten Ziegeln bei dekorativ
verwandtem Sandstein, entwickelt reiche Portale mit Giebelüberbauten Abb. 485
im Rundbogenstil.
681
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof
Posthof.
Außer der seit 1516 eingerichteten Turn- und Taxisschen Post bestanden
in vielen einzelnen deutschen Staaten besondere Posten. In der Nach-
barschaft des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg hatten Braunschweig-
Wolfenbüttel 1641, Hessen 1642 Postprivilegien erteilt; die damals
schwedischen Lande Bremen- Verden und das kurkölnische Stift Hildes-
Abb. 48ti. Hannover; „Plan des Hinüberschen Gartens vor dem Steinthore zu Hannover. Vermessen
von dem Fehndrich Hagemann, 1778." Nach Kopie des Originals in Prov.-Bibl., Mappe XVII.
heim besaßen um die gleiche Zeit ihre Posten. Der hildesheimische,
später auch von Brandenburg privilegierte Postmeister Rütger Hinüber
erhielt am 15. März 1643 von Herzog Christian Ludwig die Genehmigung,
vor der Stadt Hannover an der Heerstraße nach Celle an einer zurVogtei
Langenhagen gehörigen Stelle ,, unter St. Nicolaus Kirchen, vor der
Türken Camp belegen" ein „geringes Posthaus" zu erbauen. Diese Nieder-
lassung durfte der Stadtverteidigung nicht hinderlich sein und mußte
leicht entfernt werden können. In den nächsten Jahrzehnten mehrte
sich der Umfang des Unternehmens; zugleich wurden mit dem Besitze
682
Posthof
die Befreiung von bürgerlichen Lasten, die Braugerechtsame, Schmiede-
freiheit, Hude- und Weiderecht, Zoll- und Akzisefreiheit verbunden.
Herzog Johann Friedrich gestattete am 31. Juli 1672 ,,zu Beförderung
des gemeinnützigen Postwesens undt der Beisenden desto besserer
accomodität", ein größeres Posthaus aufzubauen. Dazu kam 1689 eine
ein Waschhaus und einen Kornboden umfassende Schmiede. Diese
älteren, einen kleinen Hof bildenden Gebäude sind größtenteils an der
Celler Straße noch vorhanden.
Ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Posthofes beginnt mit der
Übernahme des Postwesens durch Georg II. für die Krone im Jahre 1735.
Die nunmehr Königlich-Kurfürstliche Post ließ die bewährten Einrich-
tungen bestehen. Das Amt des Postmeisters vererbte sich durch Genera-
tionen vom Vater auf den Sohn in der in den Adelstand erhobenen Familie
von Hinüber. Die wachsende Ausdehnung des Postwesens machte die
Bebauung des Grundstückes an der Cellischen Landstraße mit weiteren
Ställen für Pferde und Vieh, Wagenschauern, Scheunen für Korn und
Stroh notwendig; eine Anzahl von diesen Gebäuden steht noch heute.
Wie der Bestand im Jahre 1751 war, gibt ein Versicherungsvertrag von
damals an (von Hinübersches Familienarchiv). Dazu ist ein vom Fähn-
rich Hagemann gezeichneter Plan des Posthofes aus dem Jahre 1778
in der Provinzialbibliothek vorhanden, der die gesamte Anlage ver- Abb. 486
anschaulicht.
Abb. 487. Hannover; ['osthol, Herrenhaus.
Das Herrenhaus, zwei Geschosse in Fachwerk, Satteldach, zu Ende Herrenhaus
des 17. Jahrhunderts erbaut, zeigt die gewöhnliche Grundrißanordnung Abb. 487
der Landhäuser mit Treppenhaus und Gartenzimmer in der Mittelachse;
683
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof
Abb. 488. Hannover; Posthof, Kamin im von Hinüberschen Hause.
Aufaen. u. gez. D., 1924.
gartenwärts liegen einerseits die Küche (Fliesen und Rauchfang), anderer-
seits ein Saal. Der heute vorhandene Ausbau eines Teiles der Räume
entstammt dem frühen Rokoko. Der Saal ist ausgezeichnet durch einen
Kamin in Weiß und Gold (Abb. 488), Tür mit gemalter Supraporte in Gold-
umrahmung, niedrige Paneele. Ein Porzellanofen aus der gleichen Zeit — ein
Parallelstück dazu ist im Kestnermuseum — findet sich ebenda (Abb. 489).
Auch der straßenwärts gelegene Vorraum hat Supraporten; der Raum
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Abb. 489. Hannover; Ofen im von Hinüberschen Hause auf dem I'osthofe.
Bleizeichnung. D., 1925.
685
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhol'
über dem Saal einen Kamin. Das Haus ist zu Ende des 18. Jahrhunderts
ostwärts hinter dem Saal durch einen absidenartigen Anbau in Fach-
werk mit Mansardendach erweitert.
Unter den Hofgebäuden ist bemerkenswert wegen seiner Abmessungen
und technischen Ausführung das Wagenhaus mit darüber angeordnetem
Futterspeicher längs der Heerstraße, nordostwärts des Wohnhauses.
Es entstammt wahrscheinlich dem vierten Jahrzehnt des 17. Jahr-
hunderts.
i>ark Das einst recht große Gewese des Posthofes ist seit dem Ende des
19. Jahrhunderts wesentlich beschnitten worden. Ein großer Teil des
berühmten Parkes ist der neuzeitlichen Bebauung zum Opfer gefallen.
Dieser Park gehörte zu den frühesten im landschaftlich-romantischen
Gartenstil angelegten Gärten des Landes (Hirschfeld, Gartenkunst,
Bd. V, S. 197 ff.). Er ist eine Schöpfung des 1784 verstorbenen Kgl.
Großbritannischen und Kurfürstlich Hannoverschen Legationsrates Jobst
Anton von Hinüber, dem auch die Anlage des Klosterparks zu Marien-
werder zuzuschreiben ist. Hirschfeld begeistert sich an der erstaunlichen
Mannigfaltigkeit der Ansichten und der beständigen Abänderung der
Szenen auf einem so wenig ausgebreiteten Platze. Die Anordnung des
Parkes ist auf dem genannten Plane zu erkennen, doch bildet Hirsch-
felds Beschreibung eine willkommene Auslegung dazu. Er sagt: Aus-
ländische, besonders amerikanische Sträucher seien mit einheimischen
Holzarten wie auf einer Malerei zu Wirkungen durch lichte und dunkle
Farben gemischt. Die Perspektive sei erhöht durch dunkle Hinter
gründe und passend gewählte Größenunterschiede der Bäume. Die
Kirchtürme Hannovers und die neuen Baumpflanzungen der Wälle
waren als Hintergrund in das Bild einbezogen. Beim Eingange Jinks
stand eine Kapelle: davor die Statue eines Heiligen mit Harke und
Bischofsstab - eine Anspielung auf den hl. Paulinus zu Nola, der sich
vom Gärtner zum Bischof erhoben hatte. Die Kapelle, weinberankt,
innen mit Kupferstichen, Büsten, Statuen nach Antiken ausgestattet;
an der Seite ein Vogelhaus. Man gelangte, an einem Wasser mit Brücke
wandelnd, zu Ruinen in der Ecke des Gartens. Eine hohe chinesische
Brücke umrahmte einen besonderen Durchblick. Gleich hinter der
Ruine 'ag eine kleine Totenkapelle: gotisches Schnitzwerk, Bilder der
Sterblichkeit, eine Totenkammer darin; die Ausstattung nach katho-
lischem Brauch. Eine Tür öffnet sich: das Licht und die Schönheit der
Schöpfung strahlt hervor. Ferner ab fand sich ein chinesisches Kabinett
zu heiterer Stimmung bei geselligen Vergnügungen.
Am Rande des Parkes waren sanfte Erhöhungen mit Ausblicken in
die Landschaft.
Das Wohnhaus war in die Gartenlandschaft einbezogen; im Vor
garten standen amerikanische Nadelhölzer.
686
Eisenbahnhöf
Das Königlich-Kurfürstliche Postetablissement „Am Berge", seit 1801.
1800/01 wurden die zum Fürstenhofe bzw. Osnabrücker Hofe ge-
hörenden Gebäude, mit Ausnahme des Hauptwohnhauses, in denen bis
dahin die Hofbauschreiberei mit Schuppen und Ställen untergebracht
war, zum Königlich-Kurfürstlichen Postetablissement verwendbar ge-
macht (Pläne darüber im Staatsarchiv, Karten, I. A. b. 07 und 68). Von
dem Haupteingange an der Poststraße gelangte man auf einen geräumigen
Hof, wo drei Schalter und eine Wartehalle aus Holz für die Reisenden
eingerichtet waren. Die Ankunft und Abfahrt der Posten erfolgte von
dem zweiten Hofe an der Roten Reihe. 1851 wurde das Postamt in ein
kleines einstöckiges Gebäude an der westlichen Seite des Ernst-August-
Platzes verlegt. Da dieses sich für dvn zunehmenden Verkehr als nicht
ausreichend erwies, wurde es 1878 abgerissen und statt seiner 1879—82
das gegenwärtig vorhandene Postgebäude errichtet.
Der Grundstücksteil des Postetablissements am Berge wurde 1861
der israelitischen Gemeinde zum Bau der neuen Synagoge abgetreten.
In dem alten Postamt am Berge hatte auch das hannoversche General-
Postdirektorium seine Dienstlokale gehabt, welche 1856 von da in das
frühere Münzgebäude am Friederikenplatze und 1862 in ein Miethaus
am Klagesmarkt verlegt wurde. 1868 kaufte man ein Haus an der Theater-
straße für die Oberpostdirektion an.
Eisenbahnhof
(abgebrochen 1876).
Die Vorgeschichte der Eisenbahn im Königreiche Hannover geht auf-
das Jahr 1831 zurück, wo von englischen Kapitalisten die Anregung
zur Gründung einer Aktiengesellschaft gegeben wurde, um eine Eisen-
bahn von Hamburg nach Hannover zu bauen. Nach den gehörigen Vor-
arbeiten errichtete man in Hannover eine staatliche Kommission, die
im April 1842 die Bewilligung der Mittel für den Bau einer Eisenbahn
von Hannover bis zur braunschweigischen Grenze und von Celle nach
Hildesheini durchsetzte mit dem Zentralbahnhof in Hannover.
Die Anlage des Bahnhofs begriff - - abgesehen von dem allgemeinen
verkehrstechnischen Gesichtspunkte besonders eisenbahntechnische
und - im heutigen Sinne - städtebauliche Probleme in sich. Über die
Wahl des Platzes im Gebiete des Steintorfeldes bestanden kaum Zweifel.
Für die Form eines beim Neuen Hause beginnenden Endbahnhofes setzten
sich der der Kommission angehörende Eisenbahntechniker und Laves
als Architekt ein. Dieser vertrat mit Hartnäckigkeit die Forderung,
die Mitte des Bahnhofes in eine Linie mit dem Marktturm und der Water-
loosäule und außerdem genau gegenüber der stumpfen Ecke des Ge-
687
Kaufhäuser, Lagerhäuser, Post- und Eisenbahnhof
Abb. mo bäudes der Militär-Bekleidungskommission zu bringen. Wie Hausmann
(Erinnerungen, S. 181) schreibt, kostete es Mühe, eine Abänderung dieses
Planes zu erreichen. Der Anlage eines Durchgangsbahnhofes, die nun
beschlossen wurde, legte man die Kopie eines Planes vom Bahnhofe zu
Derby bei London zugrunde.
Der Geländeankauf für den Zentralbahnhof im Jahre 1844 war in
Anbetracht der beabsichtigten Vereinigung des Personen-, Güter-, Pro-
dukten-, Rangier- und Werkstättenverkehrs auf einer Stelle knapp
bemessen. Als Empfangsgebäude hatte vorläufig ein holzverschaltes Fach-
werkhaus, als Maschinenhalle ein Bretterschuppen gedient. Der Bau
Abb. 490. Hannover; die Bahnhofstraße vom Krnst-August-IMatze ans gegen die stumpfe Ecke des
Gebäudes der Militär-Bekleidungskommission und den Marktturm.
des Hauptbahnhofes wurde 1844 in Angriff genommen und in drei Jahren
zu Ende geführt. Das Gebäude war mit seiner Front gegen die zur
Erschließung des Bahnhofgeländes erst angelegte Bahnhofstraße gerichtet
und in drei Hauptteile gruppiert: einen dreigeschossigen Mittelbau und
zwei durch rundbogige Pergolen damit verbundene Flügelbauten. Da-
hinter erhob sich die Bahnsteighalle, deren Ein- und Ausfahrt je ein
4'urmpaar bezeichnete. Um die Architektur soll sich der Bauinspektor
Schwarz verdient gemacht haben; sicher wird man aber Laves einigen
Einfluß darauf einräumen müssen, der ja auch die Einbeziehung des Mittel-
baues in die Linie Waterloosäule — Markthalle durchgesetzt hatte. Der
Abb. 4<)i Mittelbau enthielt im Erdgeschoß die Bahnhofswirtschaft, in den Ober-
geschossen Verwaltungszimmer, die beiden Flügel beherbergten Warte-
säle für die Heisenden und Expeditionsräume.
688
Eisenbahnhof'
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689
Kaufhäuser. Lagerhäuser, l'ost- und Eisenbahnhof
Ein Aufriß, Grundrisse sowie eine Ansicht von der Stadtseite in Stahl-
stich ans dem Jahre 1853 sind in der Bibliothek des hist. Vereins f. Nieder-
sachsen vorhanden (Mappe X der Kartensammlung, Großfolio).
In städtebaulichem Betracht sind zur Bahnhofsanlage folgende Pläne
im Staatsarchiv zu nennen (Karten, Katalog B. G. 7): vier Pläne über
die Erweiterung der Königlichen Residenzstadt Hannover in betreff
der Anlegung des Bahnhofes. Und (G. 8) „Plan des Steintorfeldes und der
Kleinen Bult mit der Erweiterung der Königl. Residenzstadt Hannover
und der Anlage des Zentralbahnhofes. Gezeichnet von H. Thielen".
Dem ungeahnten Anwachsen des Bahnverkehrs vermochte der 1844
eröffnete Bahnhof verhältnismäßig bald nicht mehr zu entsprechen.
1876 wurde er abgerissen und durch den heutigen ersetzt.
Gebäude der Generaldirektion der Eisenbahnen und Telegraphen.
Thielenplatz.
Das Hauptgebäude in der Mitte des Bahnhofes von 1843 genügte
zur Unterbringung der Büroräume für die Verwaltung, solange das Eisen-
bahnnetz eine Ausdehnung von 100 Meilen noch nicht überschritt. Die
weitere Vergrößerung zwang 1860 zur Aufstellung von Plänen für ein
eigenes Verwaltungsgebäude, in dem die Geschäftsräume der General-
direktion der Eisenbahnen und Telegraphen Platz finden konnten.
Der Bauplatz an der Ecke der Königstraße und der Straße Am Bahn-
hofe schrieb die Grundrißform des Gebäudes ziemlich fest vor. Die
Bauausführung fiel in die Jahre 1861 — 63. Urheber der Pläne war Bau-
inspektor Rasch. Das Gebäude besteht im Sockel und I. Geschoß aus
Sandstein, im übrigen aus gelben gepreßten Ziegeln; Simse und Säulen
sind wieder aus Sandstein. Die Architektur ist in romanischen Formen
durchgebildet; in dem besonders bemerkenswerten Treppenhause ist
die Treppe auf gußeisernen Säulen angeordnet.
690
Schulgebäude, Theater und Museen.
Die Anatomische Schule
(abgebrochen 1853 bzw. 1877).
Cinc Anatomiekammer wurde bald nach 1610 im Obergeschosse des
nach dein Brande des: Zwingers wiederhergestellten Torhauses des Agidien-
tores eingerichtet (s. darüber S. 60). Die auf der Alt- und Neustadt
berechtigten acht Chirurgen erhielten 1716 das Privileg, ein anatomisch-
chirurgisches Kollegium zu bilden, aus dem bei Mitwirkung tüchtiger
Ärzte unter der Leitung des Stadtphysikus eine Lehranstalt mit größerem
Wirkungskreise hervorging. 1720 wurde sogar herrschaftlicherseits zur
Förderung dieser Anstalt empfohlen, ihr ein Hospital anzugliedern, wo
die „manual operationes" erlernt und die Chirurgen ausgebildet werden
könnten (Staatsarch., Calenb. Des. 8, Altstadt Hannover, Nr. 161, über
das Collegium anatom. chir. s. Jugler, Repertor. p. 68. Spilcker, a. a. 0.,
S. 268 ff.).
Diese anatomische Schule hatte samt einem anatomischen Museum
ihre Unterkunft im oberen Stockwerk des Stadizeughauses auf der Wind-
mühlen- oder Sparrenbergbastion gefunden (Stelle des heutigen Opern-
hauses). Als diese 1787 abgetragen wurde, erbaute das Kollegium sein
eigenes Haus am Steintore beim Königlichen Gießhofe mit den Mate-
rialien des abgebrochenen Zeughauses. Die Anstalt wurde etwa 1828
zur chirurgischen Schule des Königreiches umgewandelt; der Zweck
war, Ärzte und Wundärzte heranzubilden, weiche ohne eigentliche ge-
lehrte Bildung unter ärztlicher Aufsicht medizinischen und chirurgischen
Beistand zu leisten imstande waren. Das Institut besaß eine Bibliothek.
Die Schule ging 1853 ein; die anatomische Anstalt siedelte 1877 nach der
Lavesstraße26 über, wo Wallbrecht ein Haus als Tauschobjekt geliefert halte.
Das Anatomiegebäude von 1787, von dem photographische Abbil-
dungen (Stadtarch., Kasten VIII, Bl. 1) vorliegen, war ein zweigeschossiger
Fachwerkbau von sieben Achsen mit einem Walmdach, über das zwei
mächtige Kamine hinausragten. Dem mit Simsverdachung versehenen
Mittelporta] war eine Freitreppe vorgelegt.
691
Schulgebäude, Theater und Museen
Tierarzneischule.
baugeschichte Zwischen der Clevertorbrücke und dem Clevertor von 1713 stand
westlich der Straße auf dem rechten Leineufer das Garnisonbackhaus
oder die Kommißbäckerei, die auch als Herrschaftliche Bäckerei be-
zeichnet wird (vgl. den Stadtplan von 1715). Dieses Backhaus winde auf
Grund der Wünsche des von Kassel herberufenen Oberhofroßarztes
.Johann Adolf Kersting (Verfügung, gegeben zu Celle 18. Januar 1778)
nach Plänen von Mackensen und Kört je, die am 29. April 1778 der König-
lichen Kammer vorgelegt waren, zu einer Pferdearzneischüle umgebaut*).
Der Wille des Kurfürsten und Königs Georg III. war: „Es sollte eine
mit der Zeit auch auf die Lehren von der Curart anderer Thiere, mit-
hin auf den Umfang einer Vieh-Arzney-Schule zu erstreckende Roß-
Arzney-Schule errichtet und unterhalten werden". Der Umbau kann
mit der Einreichung der Schlußabrechnung am 28. Oktober 1779 als
beendet gelten. Verausgabt waren 2019 Rthlr. 35 Mariengroschen 4 Pf.
Das Gebäude von etwa quadratischem Grundriß enthielt beiderseits
eines Längsganges mehrere Räume: links Schmiede und vier Stallungen,
am nördlichen Ende die Anatomieküche, rechts Apotheke, Hörsaal,
Museum und ein Zimmer für anatomische Übungen; im Obergeschoß
die Wohnung des Anstaltsleiters.
Über eine Besichtigung der Arbeiten im Beisein von Kersting am
28. Juli 1779 liegt ein Bericht vor (Cumherl. Verm.-Verw., Rep. Bd. IV.
I. 57 „Tierarzneischule"), nach dem Kersting den Vorschlag macht,
„den Hörsaal zu besserem Anstände für Fremde auszuzieren, derart, daß
alles in Kolonnen vertheilet und an der Wand nach der Leineseite in Kalch
vermalet, ein Pferdescelet nach den Regeln der Anatomie vorgestellet,
auch auf der anderen Seite und über den Türen, die zur Roßarzneikunst
gehörende Instrumente und die Büsten der alten berühmten Roßarznei-
lehrer vorgestellet würden", wofür der Hofdekorateur Hunnemann
60 Rthlr. zu haben verlange. „Es ist ferner beschlossen, das Gebäude
selbst von außen nach holländischer Art rot in Backsteinen abgeteilet
und an den Fenstern mit Architraven anstreichen zu lassen, welches
klafterweise so gering wie möglich zu verdingen "
Ein Inventarium vom 31. August 1780 nennt sämtliche in der Tier-
arzneischule enthaltene Gegenstände (ebenda).
Der Gedanke, diese Lehranstalt auf die Arzneikunde der übrigen
Haustiere zu erweitern, beschäftigt in den Jahren 1781/85 den Feld-
marschall und Oberstallmeister Grafen Wallmoden-Gimborn. Er wandte
sich mit Fragen über die Einrichtung, Unterstellung und die Ausdehnung
einer Ecole Veterinaire nach Wien und Dresden, wo solche Anstalten
*) Arch. d. Herzogl. Vermög.-Verw., Rep. 4, Marstalisaehen, P. Vieharznei-
schulensachen.
692
Ticrarzneischule
vor kurzem begründet waren (Wallmodensches Fam.-Arch. IX. 4). Die
neue Schule wurde dann 1793 unter der Leitung des Feldmarschalls
auf der anderen Seite der Straße zwischen Clevertorbrücke und Clevertor
erbaut. Dieses Gebäude nannte man zum Unterschiede von der älteren
die Neue Vieharzneyschule: es enthielt mehrere Hörsäle, Museumsräume
und eine Apotheke *).
Der fortschreitende Verfall des älteren Gebäudes, in dem zuletzt
praktisch und theoretisch Hufbeschlag gelehrt wurde, veranlaßte 1846
die Abtretung des Grund und Bodens samt dem daraufstehenden Gebäude
an die Stadt, die es bald abbrechen ließ. Die Beschlagschmiede errichtete
man 1817 auf dem gegenüberliegenden Grundstücke neu. Wenig später
fand hier der Neubau einer Anatomie (l.S LS 19), einer größeren Opera-
tionshalle (1850) und einer Anzahl sonstiger Gebäude statt. Entwurfs-
zeichnungen aus dieser Zeit (früher im Staatsarchiv, Karten, Katalog
B. J. 7, 27 Blatt ad acta des Ministeriums des Innern überwiesen) stammen
von Comperl (LS 17).
Unter den weiteren Baulichkeiten, die mein und mehr das Grund-
stück besetzten, sind hervorzuheben das 1868 geschaffene neue Ver-
waltungsgebäude dicht an der Clevertorstraße und das pathologisch-
anatomische Institut. Das alle Verwaltungsgebäude wurde im Innern
1874 umgebaut (Näheres mit Lageplänen s. Tierärztliche Wochenschrift
1913, Nr. 25, Aufsatz von Mießner: Die Hannoversche l'ierärztliche
Hochschule 1778 1913).
*) Staatsarch., Karten, Katalog A, IV B. 7, enthält einen Entwurf zu einer
Tierarzneischule v. Hellner, zwei Blätter um 1825, der aber nicht ausgeführt ist.
Abb. 11)2. Hannover; ,.Neue Vieharzneyschule" von 1793. Grundriß des Erdgeschosses.
Nach Aufnahme von 1874.
693
Schulgebäude; Theater und Museen
Nach Vollendung eines im Jahre 1891 begonnenen Neubaues am
Misburger Damm für die inzwischen mit den Eigenschaften einer staat-
lichen Hochschule ausgestattete Lehranstalt und nach deren Über-
siedlung dorthin im Jahre 1899 wurden die Gebäude am Clevertore dem
Landeskulturamt zu dessen Dienstzwecken überwiesen.
Beschreibung Vermutlich um eine äußere Übereinstimmung mit der Architektur
der alten Schule zu erzielen, war für die neue tierärztliche Schule von
1793 die holländische klassizistische Bauweise in Ziegeln mit Sandstein-
verwendung gewählt worden. Der Entwurf ist vielleicht Körtje zuzu-
Abb. i'.tü schreiben. Auf langrechteckigem Grundriß ist das Gebäude in einem
Hauptgeschoß und einem Mezzanin aufgebaut bei einer Fronteinteilung
in neun Achsen. Die mittleren drei Achsen sind als Risalit schwach vor-
gezogen, dessen Pilasterarchitektur ein mächtiges vorgekröpftes Gebälk
jonischer Ordnung mit flachem Dreiecksgiebel trägt. Dem rechteckig
umrahmten Mittelportal ist eine einarmige Freitreppe vorgelegt. Die
Fenster, im Erdgeschoß hochrechteckig, im Mezzanin quadratisch, sind
in wenig vortretenden unprofilierten Sandsteinumrahmungen gefaßt.
Die wiederholt, zuletzt 1871 geänderte Inneneinteilung hatte ursprünglich
ein Vestibül in der Mittelachse mit Säulenstellung. Die nach oben führende
Treppe liegt am nördlichen Kopfende des Gebäudes. Das Mezzanin-
geschoß hat einen durch die Länge des Hauses geführten Mittelgang.
Technische Hochschule.
baugeschichte Auf eine Anregung des 1828 durch Königliche Verordnung ge-
stifteten Gewerbevereins zu Hannover zur Schaffung einer technischen
Lehranstalt erhielt 1830 der Wiener Technologe Karmarsch (geb. 1803,
gest. 1879) den Ruf nach Hannover zur Vorbereitung der Anstalt. Als
Höhere Gewerbeschule konnte diese mit etwa 50 Schülern am 2. Mai 1831
in einigen Zimmern des gemieteten zweiten Stockes im Bierbrauer
Bornemannschen Hause am Altstädter Markt Nr. 61 eröffnet werden.
Die Hörerzahl wuchs im ersten Studienjahr bereits auf 123. Das Lehrer-
kollegium bestand außer Karmarsch aus 10 Lehrern. Im zweiten Studien-
jahr mietete man das erste Geschoß des Hauses am Markte hinzu. Gleich-
zeitig erwog man einen Neubau für die Anstalt. Als Bauplatz wurde das
1831 vom Kriegsministerium an das Königliche Ministerium des Handels
und der Finanzen überlassene Grundstück an der Georgstraße neben
dem Garten des Landständehauses gewählt. Die Pläne des Gebäudes
bearbeitete der Kriegsbaumeister Ebeling, der selbst Lehrer der Archi-
tektur an der Anstalt war und in den Jahren 1835 — 37 den Bau aus-
führte (die Pläne Ebelings im Staatsarchive, Kartensmlg. Katalog B.N. 13).
Die Gründung hatte auf Pfahlrosten, teilweise auf dem Festungsgraben
zu geschehen; vor Ende 1835 war der Sockel gelegt, 1836 das Gebäude
694
Technische Hochschule
unter Dach gebracht, Ende Oktober 1837 erfolgte die Übersiedlung der Abb. im
Schule und die Eröffnung des ersten Lehrkursus. Die Zahl der Hörer
betrug damals 175, vermehrte sich aber bald, wie auch Sammlungen
und Laboratorien hinzukamen. 1817 wurde der Name der Anstalt offiziell
in die Bezeichnung „Polytechnische Schule" umgeändert, die zu verleihen
man bislang gezögert hatte, weil sie durch die Beteiligung der Eleven
der Pariser Polytechnischen Schule an der .Julirevolution anrüchig ge-
worden war.
Abb. 193. Hannover; das Polytechnikum an der Georgstraße von Ebeling und das Gebäude der Militär-
Bekleidungskommission von Tramm. Nach Kretschmer.
Nach Erweiterung der Lehranstalt LS 15 — 17 wurde 1853 eine Ver-
längerung des südlichen Hofflügels unternommen, gleichzeitig in der
Nordwestecke des Gartens von Debo ein Observatorium erbaut. 1860
erhielt die Polytechnische Schule das Dienstgebäude der Militär-Beklei-
dungskommission überwiesen, das ebenfalls von Debo durch einen
Zwischenbau mit ihr in baulichen Zusammenhang gebracht wurde. Im
Hofraum entstand 1866 ein eingeschossiger Bau für Zeichensäle, 1873
ebenda ein Hörsaal mit Sägedach für 200 — 250 Hörer. 1875 war die
Zahl der Hörer auf 868 angewachsen; es wurden „Im Palm" am Königs-
worther Platz Räume hinzugemietet.
Schon 1872 war an einen umfassenden Erweiterungsbau, bald darauf
an einen Neubau gedacht. Wallbrecht schlug gegen den Ankauf des
695
Schulgebäude, Theater und Museen
alten Gebäudes die Hergabe eines Bauplatzes an der Humboldtstraße
vor. Die Bearbeitung des Planes für einen Neubau an dieser Stelle lag
Hunaens ob. Die preußische Regierung wandte sich jedoch dein Gedanken
zu, das Weifenschloß zur Polytechnischen Schule auszubauen. Den
Entwurf dazu bearbeitete wiederum Hunaeus; sein Plan wurde am 20. Juli
Abb. m INT.") genehmigt (Akten im Staatsarch. Hnvr., Des. 122a). 1S79 hielt
die Anstalt ihren Einzug in das umgebaute Weifenschloß, bei welcher
Gelegenheit ihr die Bezeichnung „Technische Hochschule" verliehen
wurde. (Pläne beim IL B. A. II Hannover.)
Abb. 494. Hannover, Technische Hochschule. I'hot. 102.S.
Druckstock des Stadt. Verk.-Amtes.
Das alte Gebäude an der Georgstraße baute Wallbrecht in Gemein-
schaft mit dem Architekten Heine 1879 zu einem monumentalen Hotel
um, indem er es noch um zwei Geschosse erhöhte.
Beschreibung Der Ebeliugsche Bau des Polytechnikums an der Georgstraße war ein
dreigeschossiger Ziegelbau in Putz von 15 Achsen an der Vorderfront.
Der Grundriß sah die Anordnung des im Laufe der Zeil zn erweiternden
Gebäudes um einen rechteckigen Hof vor. Die Umschließung des Hofes
ist aber nur zu etwa 3/4 vervollständigt worden; mit der Anlage des Ob-
servatoriums (1X53) durchbrach man den Baugedanken. Die in der
Hauptmittelachse angeordnete Eingangshalle mit dem sich daran an-
schließenden geräumigen Treppenhause ist in dem späteren Hotelbau
erhalten geblieben. Die Korridore verlaufen an der Hofseite. Die Archi-
Abb. 195 tektur der Fassaden bildete Ebeling Florentiner Bauwerken, dem Palazzo
696
Technische Hochschule
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3
Abb. 1!)5. Hannover; Polytechnische Schule, System des Aufrisses.
Nach Zeichnung von 1860. Stadtarch.
697
Schulgebäude, Theater und Museen
Strozzi und demPalazzo Riccardi, nacli. Der hohe Sockel, kräftig bossiert,
die oberen Geschosse in Verhältnissen und Mauerflächen leichter gehalten ;
Erdgeschoß und 1. Obergeschoß mit starken Horizontalfugen, das 2. Ober-
geschoß glatt gequadert. Mittelportal und Fensler rundbogig, letztere
auf Säulchen gekuppelt. Geschoßteilungen durch Sandsteinsimse; Haupt-
sims stark betont durch Konsolenreihung. Flachgeneigtes Ziegeldach.
Nähere Beschreibung mit Grundrissen und Aufriß s. „Ztschrft. des
Hann. Arch.- und Ing. -Vereins" 1857, S. 58, Tafel 68 ff. Den Umbau
des Welfenschlosses betreffend s. dieselbe Ztschrft. 1879, S. 351 ff., und
1880, S. 19 ff., Dr. Kannarsch, Die Polytechnische Schule zu Hannover,
1856. Dr. Karmarsch, Die Höhere Gewerbeschule in Hannover, 1831,
II. Aufl. 1844. Launhardt, Die Königl. Techn. Hochschule zu Hannover
von 1831 — 81. Hannover 1881. Entwürfe für das Gebäude an der
Humboldtstraße von Hunaeus bewahrt das Hochbauanil II auf.
„Hohe Schulen."
(Literatur und Quellenangaben s. bei H. Hertram, Geschichte des Rats-
gymnasiums. Sonderabdruck aus den II. (1., Hannover, 1915.)
Ein Rektor der hannoverschen Schule wird in einer am 21. August 1267
von diesem selbst geschriebenen Urkunde erwähnt (Ahrens, Geschichte
des Lyzeums zu Hannover, im .Jahresbericht der Schule 1869/70, Urk.,
S. 8), die somit die erste sichere Nachricht über diese Schule erbringt.
Mangels weiterer Urkunden lassen sich zusammenhängende Angaben
weder über die Gründung der Schule noch über ihren ersten Standort
gewinnen. Vermutlich hatte sie anfänglich Beziehungen zur Burg Lauen-
rode (s. Bertram, a. a. 0., S. 9). Auf Vorschläge des Rates hin gestaltete
der Herzog Otto von Braunschweig am 16. November 1315 (Urk. B. der
Stadt Hann., Nr. 129) dem Rate und der Bürgerschaft die Erbauung eines
Schulgebäudes auf dem Platze zwischen Pfarrhaus und Hokenhalle, der
zur Wedeme der Marktkirche gehörte (Kataster-Nr. 281b der Köbelinger-
straße). An dieser Stelle blieb die Schule auch nach einem am 11. Dezember
1579 stattgehabten Brande, der das Gebäude stark beschädigt hatte.
Wahrscheinlich ist es darauf von Grund auf erneuert worden. Am 10. De-
zember 1583 fand ein Fest zur Einweihung des fertiggestellten Schul-
hauses statt.
Über das Äußere des Gebäudes um diese Zeit ist aus der „Laus Hanno-
verae" des Pastors Niemeyer von 1603 zu entnehmen, daß es an mannig-
fachem Schmuck in Stein- und Malerarbeit daran gefehlt habe. Johann
Duve soll um die Mitte des Jahrhunderts einen Umbau vorgenommen
haben. Vielleicht ließ er die Tafel mit Jacobs Himmelsleiter anbringen,
von der später Redecker berichtet. 1726 fand ein abermaliger gründlicher
698
„Hohe Schulen"
Umbau statt. Den Zustand, in den das Gebäude durch ihn versetzt war,
schildert Redecker und bildet zugleich die hohe Giebelfront des Schul-
hauses in einer Handzeichnung ab. Redeckers Abbildung stimmt im
wesentlichen mit einer späteren, im Stadtarchive aufbewahrten Hand-
zeichnung überein (s. H. G. 1915, S. 538). Wir haben es zu tun mit einem
zweigeschossigen Giebelhause, dessen Erdgeschoß massiv war und vielleicht
hinsichtlich seiner Schmuckbehandlung neben die frühen Bürgerhäuser
der Renaissance von der Art der Hahnschen Hofbuchhandlung von 1583
zu stellen ist (s. Bürgerhäuser, S. 552). Das Obergeschoß und der Giebel
hatten vermutlich die Fachwerkarchitektur ihrer Zeit: Vorkragungen mit
Volutenkonsolen, Füllhölzer nach dem Motive der Fruchtgirlande und
Inschriftfriese auf den Setzschwellen. Die Inschriften sind durch Heiliger
überliefert (Monumenta et Inscriptiones, S. 27, Stadtarch.):
„über dem untersten Stockwerk, zu beiden Seiten der Thüre"
Non casus sed cura Dei de pulvere tollit Sorte hominem tenui
£ duris quem in rebus egestas
Urget ab illuvie vehit ad fastigia rerum - - lateri latus
applicet huius A inter Primos sui populi caritati inserat agmina
iuvat.
Das zweite Stockwerk trug die Überschrift:
Istos enim igniculos seminaria ista queis sevit Agios ingenii beata
rerum Natura parens studiis augescere par est aut splendor abit
perditus Erugine tetra. 1583.
Über dem dritten Stockwerk befanden sich die Worte:
Lasciva iuventus fugiens dieta magistri facilem stolide vendit
inauspicata risum moeroris emit Se-mina poenitentia mota.
Über der Tür war in halbkreisförmiger Umrahmung das Kleeblatt-
wappen mit den beiden wilden Männern als Schildhaltern und neben der
Tür die erwähnte Belieftafel eingelassen, die .Jacobs Traum darstellte.
Bei der Wiederherstellung von 1726 halte man die Jahreszahl der Ent-
stehung des Gebäudes ,,1583" und das Datum „Renovatum 1720" an-
bringen lassen.
Die Verteilung der Klassenzimmer und sonstigen Räumlichkeiten ist
auf Grund des Corpus bonorum von 1720 von Bertram, a. a. 0., S. 412 ff.,
dargestellt.
Die amtliche Bezeichnung „Lyceum" tritt 1788 auf.
Gegen Ende des Jahrhunderts gaben die alten Mängel so das Fehlen
eines Schulhofes und die immerwährende Flickarbeiten erfordernde Bau-
fälligkeit — mehr und mehr Anlaß, an eine Verlegung der Schule zu denken.
Von dem Plan einer am Markt und an der Köbelingerstraße zu errichtenden
699
Schulgebäude, Theater und Museen
Doppelschule stand man ab, auch auf einen 1709 von dem Baumeister
Meißner eingereichten Entwurf zu einem „für die hiesige lateinische Schule
zu errichtenden Gebäude" (Erläuterung dazu im Stadtarchiv 1800 zu
Nr. 135) ging man nicht ein.
Angeblich hat auch Friedrich Weinbrenner einen Entwurf für die
Lyzeen in Hannover in dieser Zeit geliefert (s. A. Valdenaire, Fr. Wein-
brenner, Karlsruhe 1010, S. 70—72.)
Als sieh 1802 die Gelegenheit bot, das dem Schlosse gegenüber am
Mühlenplatze belegene Gebäude der Kaffeewirtschaft Vaux Hall, das 1770
erbaut war, zu erwerben, kaufte die Stadt mit Genehmigung der könig-
lichen Ministerien dieses für 12000 Thlr. an. Nach einem Umbau für die
Zwecke der Schule siedelte diese im Oktober 1803 hierher über (Plane des
Hauses um 1802 in der Rathausregistratur).
Das alte Gebäude der Hohen Schule am Markt diente, nachdem es 1803
geräumt war, eine Zeitlang als Militär-Feldapotheke und wurde 1814 auf
Abbruch verkauft. Dabei sind die Zierst ticke des Wappens und der Relief-
tafel verlorengegangen.
Der Huf der Hohen Schule halte seit Grotefend in den Jahren 1821 — 24
einen solchen Zuwachs der Schülerzahl bewirkt, daß der Raum im Hause
nicht mehr ausreichte. Grotefend teilte die Lehrfächer, auch den Realien
Rechnung tragend; es entstand somit eine mit dem Lyzeum verbundene
Realschule und eine höhere Bürgerschule. Der Magistrat entschloß sich
1821 zu einer Erweiterung des Gebäudes, das nun die aus den Abbildungen
bekannte Gestalt erhielt (s. H. G. 1915, S. 308). Es war ein schmuckloser,
dreigeschossiger Fachwerkbau auf langrechteckigem Grundriß von 15
zu i Achsen mit Walmdach. Die beiden Fortale, die der Hauptfront eine
Dreiteilung gaben, waren durch eine Simsverdachung auf Konsolen hervor-
gehoben und durch eine Freitreppe ausgezeichnet. Die beiden oberen
Stockwerke des damals entstandenen Anbaues waren für den Direktor als
Wohnung bestimmt; das untere Stockwerk hatte nach dem Mühlenplatze
zu zwei sehr geräumige Unterrichtszimmer und nach dem Hofe eine
Wohnung für den Kustos (s. H. G. 1915, S. 351); die auf den Lau des neuen
Schulhauses bezüglichen Akten sind im Staatsarchiv). Zu Michaelis 1825
war der Bau fertig.
Zur Freilegung des Mühlenplatzes, die zu den Lavesschen Plänen der
Ausgestaltung der Umgebung des Besidenzschlosses gehörte, ließ der
König Ernst August 1817 den Platz der Hohen Schule ankaufen, die dann
auf des Königs besonderen Wunsch bis zum 5. Juni — seinem Geburtstage
— niedergelegt werden mußte.
Eine notdürftige Unterbringung fand die Schule in dem v. d. Decken-
scheu Hause an der Braunschweiger Straße Nr. 10. Als Aula diente der
700
701
Schulgebäude, Theater und Museen
Abb. 497
Hannover; Schule am Clevertor von Droste, Portalrisalit.
l'hot 1913.
Ballhofsaal. Für einen Neubau waren die Mittel zwar vorhanden, doch
bereitete die Wahl des Platzes Schwierigkeiten. Anfangs hatte man das
Gelände der alten Tierarzneischule am Clevertor in Betracht gezogen,
entschied sich aber 1850 für den Georgsplatz. Baurisse und Kosten-
anschläge lagen seit 1<X18 für die beiden höheren Schulen, das Lyzeum und
die Höhere Bürgerschule, die nachmalige Realschule, dem Magistrat vor.
Abb. 49ß. Erst Mitte September 1850 begann der Bau nach dem Plane des Stadtbau-
meisters Droste. Am 3. Mai 1851 konnte das neue Schulgebäude ein-
geweiht werden.
Beschreibung Das Gebäude der Hohen Schulen ist ein dreigeschossiger Ziegelbau mit
reichlicher Verwendung von weißem Deistersandstein - an den Bück-
702
Hof-Söhne- und Töchterschule
Seiten teils auch von Putz — in romanischen Formen. Die wenig gegliederte
Hauptfront liegt nach dem Georgsplatze zu. Der Grundriß hat Hufeisen-
form; der umschlossene Hof wird aber durch einen für beide Anstalten
gemeinsamen, ursprünglich für die Stadtbibliothek im Erdgeschoß und die
Aula im Obergeschoß vorgesehenen Flügel in der Hauptmittelachse in
zwei gleichgroße Spielhöfe geteilt. Die Hauptfront ist im Erdgeschoß
durch eine gewölbte Wandelhalle auf Bündelpfeilern geöffnet (des näheren
s. Drostes Beschreibung in „Ztschr. d. Arch.- u. Ing. -Vereins" 1855, S. 155,
mit den Tafeln 9, 10, 11).
Schulgebäude am Clevertcr.
Nachdem die Stadt 1847 das Gelände der Alten Tierarzneischule am
Clevertore im Austausch gegen das Grundstück des Lyzeums am Frie-
derikenplatze erworben hatte, ließ sie dort in den Jahren 1854 — 56 nach
Drostes Plänen ein Schulgebäude für die Mittelschule errichten (Clever-
tor 4); ein zweites Schulgebäude wurde 1860, ebenfalls durch Droste,
unmittelbar daneben erbaut.
Die Architektur der beiden Schulen entspricht derjenigen des Schul- Abb. 497
gebäudes am Georgsplatze. Die Ziegelflächen sind 1914 überputzt.
Georgianum
(abgebrochen 1874).
Das 1796 gestiftete Erziehungsinstitut für Pagen, die spätere Lehr-
anstalt für altadelige Landeskinder, erhielt im Jahre 1800 in dem von der
kurfürstlichen Begierung angekauften Schmahleschen Hause am Calen-
berger Steinwege Unterkunft. Das Institut wurde 1803 aufgelöst.
Akten des Georgianums befinden sich bei der Cumberländischen
Vermögensverwaltung (Bepert. VI. 1; Akt. von 1796 — 1804, und VI. 7;
Geschichte des Georgianums). Über das Gebäude s. v. Harlingscher
Hof, S. 411 ff.)
Hof-Söhne- und Töchterschule
(abgebrochen 1889).
Der spätere Abt Salfeld rief 1787 ein Vorbereitungsinstitut für gelehrte
Schulen ins Leben, das zugleich Bildungsanstalt für die sein sollte, die
ohne Universitätsstudium den Stand eines Offiziers, Kaufmannes oder
703
Schulgebäude, Theater und Museen
Staatsdieners erwählen wollten. Die Zöglinge pflegten die Anstalt bis
zum 15. Jahre zu besuchen; vornehmlich entstammten sie der Hofge-
meinde. Die Schule gliederte sich in eine Knaben- und eine Mädchen-
Abteilung und stand unter dvv Aufsicht des Geistlichen der Schloßkirche.
(Näheres s. Kurze Nachricht von der ersten Entstehung und gegen-
wärtigen Verfassung und Einrichtung der Söhne- und Töchter- Schule bei
der Hofgemeinde zu Hannover, von dem Zweiten Hofprediger und Kon-
sistorialassessor Salfeld, 1791.)
Als Schulgebäude diente das auf dem Grundstück des ehemaligen
Barsinghäuser und Marienwerder Klosterhofes um 1600 erbaute Haus
Abb. 315, Seite 479 Burgstraße 23, das 1791, nachdem es zuletzt als Hofpredigerwohnung
gedient hatte, zur Schule eingerichtet wurde (s. dris.).
Altstädter Töchterschule.
Um zugleich die Unterbringungsverhältnisse der Schulanstalt für
Bürgertöchter und der hohen Schule am Markte zu regeln, beabsichtigte
der Magistrat 1799 beide Anstalten in einer Doppelschule am Eingange
der Köbelingerstraßc beim Marktplatze zu vereinen (Erläuterung eines
Entwurfes dazu von dem Baumeister Meißner im Stadt-Arch. 1M00 zu
Nr. 135). Statt dieses Planes kam ein anderer zur Ausführung, demgemäß
die Altstädter Töchterschule allein im Jahre 1802 an der Ecke der Köbe-
lingerstraßc und Bullenstraße (gen. nach Dr. Bulle) erbaut wurde. Die
Spezial aufsieht über die Schule führte ein Magistratsdeputierter, drei
Lehrer und sieben Lehrerinnen unterrichteten an der Anstalt.
Das noch erhaltene dreigeschossige Fachwerkgebäude ist ein unge-
putzter Zweckbau ohne Zierat, auch ohne Geschoßabsetzungen und
bezeichnend für die Zeit seiner Erbauung.
Ratsschreibschule.
Die nach der Reformation im Minoritenkloster untergebrachte Rats-
schreibschule und Mägdleinschule verlegte man lo3(5, als das Grundstück
zur Erbauung des Residenzschlosses in Anspruch genommen wurde, in
ein Gebäude des eingegangenen Beginenklosters an der Ecke des Kloster-
ganges in der Pferdestraße. Redecker bringt davon eine Abbildung
(s. H. G. 1906, S. 112; vgl. dazu das zum Beginenhause Gesagte, S. 227).
Neustädter Lateinschule.
S. darüber das zur Neustädter Marienkirche S. 209 Gesagte.
704
Blindenanstalt
Schullehrerseminar.
Der Stifter des Schullehrerseminars und der Seminarien schule, der
Kaufmann Ernst Christoph Böttcher, kaufte auf der Ägidienneustadt im
Jahre 1751 drei Bauplatze an der Südostecke des Hundemarktes, auf
denen er drei Gebäude für die genannten Schulanstalten errichten ließ.
(Näheres über diese s. v. Spilcker, S. 259 ff., Brönnenberg, S. 63, Sievert
S. 37.) Seit der Errichtung des Schullehrerseminars am Volgersweg im
Jahre 1880 sind die Gebäude am Hundemarkt für Wohnzwecke ver-
wendet (Abb. im Stadtarchiv).
Hebammenschule.
Die mit einer Entbindungsanstalt verbundene, zur Heranbildung
von Hebammen 1 780 unter Bürgermeister Alemann begründete Lehr-
anstalt wurde zuerst in einem zum Armen- und Waisenhause im Großen
Wulfeshorn gehörenden Gebäude untergebracht. 1812 kaufte der Magi-
strat ein Haus an der Osterstraße (Ü. 188), zugleich als Dienstwohnung
des leitenden Arztes für die Anstalt. Bei der Anlage der Baringstraße ist
das Haus abgebrochen (1864); Abbildungen desselben sind nicht nach-
zuweisen. Zu seinem Ersatz war 1862/63 an der Meterstraße 2<S ein
zweigeschossiger Neubau aus gelben Ziegeln und weißem Deistersandstein
in romanischen Formen errichtet. Architekt war der Baurat Basch.
(Näheres s. „Ztschrft. des Arch.- und Ing.-Vereins" 1861, S. 293, mit
Abbildungen, und 1865, S. 217.)
Blindenanstalt.
Die Gründung einer Blindenanstalt für das Königreich war seit Beginn
der 1830er Jahre beabsichtigt. 1842 war durch Sammlungen und Stif-
tungen unter Förderung des Königs eine hinlängliche Summe zum Be-
ginn des Baues zusammengekommen (vgl. Sievert, S. 126). Die Gründung
war bestimmt für Knaben und Mädchen aller Glaubensbekenntnisse,
denen die Sehkraft in dem Maße abging, daß sie an dem Unterricht in
gewöhnlichen Schulen nicht teilnehmen konnten. 1815 konnte das an der
Hildesheimer Straße errichtete Anstaltsgebäude bezogen werden. Im
Laufe der Jahre wurde die Anstalt erweitert. Nach 1866 ist sie der Provin-
zialverwaltung unterstellt worden. Die Gebäude sind 1893 nach Ver-
legung der Anstalt nach Kirchrode abgebrochen. (Abb. im Stadtarch.)
45 705
Schuigebiuule, Theater imd Museen
Turnhallen.
Maschstraße 11 Maschstraße 11: Geputzte Fassade mit drei Rundbogenportalen, fialen-
artigen Scheintürmchen und Rundbogenfriesen; 1<S59 von Droste auf-
.
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1
Abb. 498. Hannover; Turnhalle, Maschstraße 11. Entwurfszeichnung von Droste, 1859.
Abb. 498 geführt (Zeichnung im Stadtarch.). Die eigentliche Halle ist die wieder-
verwandte Theaterhalle des ,, Grünen Waldes" (Mitteilung von Dr. Leon-
hardt).
Maschstraße 3 Turnhalle des Turnklubbs, Maschstraße 3 : Gotischer Ziegelbau von 1864.
Architekten : Schulz und Hauers.
706
Städtisches Opernhaus
Städtisches Opernhaus
(ehemaliges Hof'theater*).
Mit der Frage der Fortsetzung des Schloßbaues (s. Seite 282) verquickte baugeschichte
sich die Frage der Beseitigung des Schloßopernhauses. In einem Berichte
vom 21. Dezember 1842 an den König Ernst August wird auf die Feuer-
gef ährlich keit des Theaters hingewiesen und der König gebeten, ,, alier-
gnädigst beschließen zu wollen, sofort ein neues Theater erbauen zu
lassen" (Akten des Oberhofmarschallamtes, Cumb. Verm.-Verw., Bep. I,
Abt. XIII, 136). Im März 1813 wird abermals auf die Feuergefährlichkeit
des Theaters hingewiesen, derentwegen man beim Weiterbau des Schlosses
hinsichtlich der Geldmittel auf Mitwirkung der Stände nicht würde
rechnen können. Im April 1843 beauftragte der König den Oberbaurat
Laves mit Aufstellung eines Projektes für ein neues Hoftheater. Am
8. Dezember des gleichen Jahres legte Laves, der sich seit langem mit dem
Gegenstande beschäftigt hatte, zwei Projekte, A und B, vor, die sich aus
mehreren Planungen ergeben hatten (s. die Hoftheaterakte Abt. XIII,
136). Wegen der Platzwahl werden zwei Tage später drei Vorschläge
eingereicht. Sie beziehen sich erstens auf den v. Altenschen (Vaux Hall)
Garten, zweitens auf die Anlagen am Friedrichswall in der Nähe des
Schlosses und drittens auf die Georgstraße, und zwar entweder auf den
Platz vor dem Gräflich Platenschen Palais (Georgsplatz) oder beim Wind-
miihlenberge. Das Projekt A sah einen Konzertsaal vor und nahm in einer
Variante bereits Bücksicht auf den Platz beim Windmühlenberge. Das Pro-
jekt B verzichtete auf Festräume und hatte den Vorzug geringerer Baukosten.
Der Brand des Berliner Opernhauses im August 1843 fiel zugunsten
eines einzelstehenden 44ieaters in die Waagschale. Dazu warf Laves
*) Die Titelvignette zeigt ein Akroterion vom Giebel des Hoftheaters.
707
Schulgebäude, Theater und Museen
um der Erweiterungsmöglichkeit willen die Forderung nach freier Lage
ins Gewicht. Der König entschied sich im Juni 1844 für den Platz der
alten Sparrenbergbastion an der Georgstraße und bestimmte, daß der
Bauplan einen Konzertsaal einbegreifen, und der vorläufige Grundriß
deshalb um ein Drittel größer als das Schloßopernhaus angenommen
werden solle. Die Anlage eines Restaurations- und Festlokales mißbilligte
der König. Um der Gefährdung von Menschen bei Feuer vorzubeugen,
waren zu jedem der vier Ränge zwei Treppen vorzusehen. Die Einzel-
heiten der Ausführung sollten kommissarisch bearbeitet werden; hin-
sichtlich der königlichen Loge behielt sich der König vor, bei fortge-
schrittenem Bau an Ort und Stelle Anordnungen zu treffen.
Laves unternahm nun wiederholt Studienreisen nach Dresden und
Berlin, um die dortigen neuen Theater kennenzulernen, und arbeitete
sein Projekt danach um. Den Konzertsaal behielt er noch vor der Plaupt-
front bei und ordnete die große Treppenanlage zwischen Konzertsaal
und Foyer des Amphitheaters an (Projekt III).
Im Dezember 1844 kam die Forderung nach einem Raum für Kunst-
ausstellungen hinzu. Laves arbeitete daraufhin mit unermüdlichem
Fleiß ein viertes Projekt aus, bei dem der Konzertsaal in den linken Seiten-
flügel gelegt, der Mittelbau zusammengeschlossen und eine ruhige Glie-
derung des Gesamtbaukörpers vermittels der zweigeschossigen Durch-
führung der Nebentrakte erreicht war.
Seine Risse und aus Papier gefertigten Theatermodelle hatte Laves
auf königlichen Befehl dem gerade in Hannover weilenden Prinzen
Abb. 199. Hannover; ehem. Hoftheater, „Seitenfassade eines in Hannover zu erbauenden Hoftheaters"
(Proj. II). Die Klappe bezeichnet den nach dem Projekt III vorgeschlagenen Anbau, statt des
isolierten Gebäudes im Projekt II.
708
Städtisches Opernhaus
Friedrich von Preußen vorgelegt; er berichtet darüber am 16. März 1845.
Der Prinz bevorzugte das vierte Projekt und empfahl für die Ausbildung
des Amphitheaters eine Kombination der Galerien und Logen.
Am 22. März des zweiten Jahres wurde eine sechsköpfige Hoftheater-
kommission gebildet, deren Vorsitz der Finanzminister v. Schulte führte.
Laves gehörte ihr als Techniker ohne Votum an. Erst auf seine Be-
schwerde hin erhielt er eine Stimme; zugleich mit ihm wurde der Hof-
bauinspektor Molthan der Kommission als stimmberechtigtes Mitglied
beigegeben.
Ein fünftes, nunmehr entstandenes Projekt legte die formale Durch-
bildung des Baues fest.
Im Juli 1845 begann auf der eingeebneten Fläche des Windmühlen-
berges der Hoftheaterbau. Unter der Direktion von Laves wurde Molthan
mit der besonderen Leitung der Bauarbeiten beauftragt und ihm der
Hofbaukondukteur Tramm zur Hilfe beigegeben, dem die Anfertigung
der Detailzeichnungen oblag.
Als im Herbst 1847 der Bohbau weit genug fortgeschritten war,
wurden Laves und Molthan auf königliche Genehmigung nach Paris
entsandt, um für den inneren Ausbau die Einrichtung und Dekoration
Abb. 500. Hannover; ehem. Hoftheater, Unterfahrt an der Georgstraße. Phot. Theatermuseum 1027.
709
Schulgebäude, Theater und Museen
£ a
710
Städtisches Opernhaus
von Zuschauerraum und Bühne Studien zu sammeln (Bericht vom
4. November 1847). Die Hoffnung, den Bau bis 1849 zu vollenden,
täuschte, da die ausgeschriebene Theateranleihe nicht den gewünschten
Ertrag lieferte. So wurde 1848 eine Unterbrechung der Bauarbeiten
erwogen, man beschloß aber, aus innerpolitischen Gründen den Bau
langsam seiner Vollendung entgegenzuführen.
Nachdem Konzertsaal, Treppenhaus und Foyer fertiggestellt waren,
konnte 1850 mit dem Ausbau des Logenhauses begonnen werden. Durch
die Pariser Beise im November/Dezember 1847 angeregte Vorschläge
Abb. 503. Hannover; ehem. Hoftheater, Logengang des I. Ranges.
Phot. Theatermuseum 1927.
wurden ausgearbeitet unter Beratung des in Theaterfragen bewanderten
Grafen v. Kielmannsegg, damaligen hannoverschen Gesandten in London.
1850 fertigte Laves das heute im Vaterländischen Museum aufbewahrte
Modell an, nach dem die Ausführung vor sich gehen sollte. Die Farb-
gebung des Zuschauerraumes in Weiß und Gold und der Bezüge in Bot
entsprach dem Wunsche des Königs. Die Deckenbilder zu malen, erhielt
der Münchener Maler Kreling den Auftrag. Für die Ausführung der
zwölf Plastiken auf den Arkaden der Vorfahrt wurden neun hannoversche
Künstler herangezogen, darunter Bändel und Wessel. Die Giebelinschrift
an der Georgstraße ERNESTUS AUGUSTES REX CONDIDIT ARTIBUS
ET MUSIS hat auf Befehl Georgs V. der königliche Bibliothekar
und Archivar Dr. Schaumann verfaßt.
711
Schulgebäude, Theater und Museen
Ende 1851 war die Innenausstattung so weit gediehen, daß der Rat
eines der Bühnentechnik kundigen Intendanten angesucht wurde (Bericht
vom 12. Dezember 1851). Seit Juli des gleichen .Jahres bestand ein Ver-
trag mit der Londoner Gas-Association in Hannover auf Lieferung von
Gas zur Beleuchtung des Hauses.
Die Fertigstellung des Gebäudes fällt unter die Begierungszeit Georgs V.
Die vollendete ,, Hoftheater-Anstalt" ging am 21. Juli 1852 durch Gesetz
aus der Verwaltung des Oberhofmarschallamtes in diejenige der König-
lichen Intendanz über, die außer der baulichen Fürsorge auch die artistische
und finanzielle Leitung des Theaters im Namen des Königs zu vertreten
hatte. Die Einweihung des Konzertsaales war bereits am 8. Mai 1852
durch ein Festkonzert vollzogen, während die erste JJieatervorstellung
am 1. September 1852 stattfand. (Über angebliche Mängel des Logen-
hauses und Laves' Verteidigung dagegen siehe Notizblatt des Arch.- u.
Ing.-Vereins 1853/54, Teil III, Seite 197, mit Plänen des Hoftheaters
und anderer Theater.)
Beschreibung Das Hoftheatcr ist größtenteils aus Deistersandstein in klassizistischen
Formen Lavesscher Prägung erbaut. Den Grundriß bildet ein breit zur
Georgstraße gelagertes Bechteck von 82 x 55,5 m mit vier Binnenhöfen,
derart, daß Bühnen- und Logenhaus nebst Eingangshalle und darüber
gelagertem Foyer als Hauptmasse querrechteckig, die zweigeschossigen
Seitenteile und einen das Vestibül und die Eingangshalle enthaltenden
Vorbau von 29 x 17,5 m Grundfläche sowie einen Hinterbühnenbau
von 8,8 m Tiefe überhöhen. Der Zugang für Zuschauer erschließen an
der Georgstraßenfront seitliche Bampen und eine frontale Freitreppe,
ausgehend unter fünfachsiger Arkadenhalle. Durch diese erscheinen die
Baumassen in Staffeln gruppiert, deren Silhouette durch vielfache Ver-
wendung von Balustraden mit Figuren aufgelöst ist. Die Bückfassade
mit der Freitreppe des Bühnenzuganges ist auf die Wirkung als Blick-
abschluß in der Achse der Theaterstraße berechnet und durch eine zwei-
geschossige Säulenstellung ausgezeichnet.
Das Bühnenhaus mißt 28,6 x 33,3 m bei einer Höhe von 25 m. Die
Bühnenöffnung beträgt 12,5 m. Als Bühnenabschluß wurde der alte
Bambergsche Vorhang übernommen. Das Amphitheater umfaßte an-
fänglich 1900 Plätze im Parkett, Parterre und den vier Bangen. Decken
und Dach sind von Ursprung in einer Holzkonstruktion ausgeführt;
1894/95 wurden die Dachbinder über dem Bühnenhause in Eisenkon-
struktion erneuert.
Der linke Seitenbau enthält ein Mittelfoyer und den Konzertsaal
von den Abmessungen 12,3 x 32,7 m nebst einem Vorsaal. Der rechte
Flügelbau: Probesäle, Garderoben, Geschäftsräume und die ursprüng-
lichen Dekorationsmagazine.
712
Städtisches Opernhaus
713
Schulgebäude, Theater und Museen
Die Theaterverwaltung bewahrt Akten zur Baugeschichte des Theaters
auf und steht im Begriff, ein Theatermuseum einzurichten. Die Lavesschen
Theaterentwürfe befinden sich im Nachlasse des Meisters, den der Nieder-
sächsische Baumuseumsverein zu Hannover im Besitz hat.
Thaliatheater.
Das Thaliatheater, die Gründung eines Theatervereins, war in dem
v. Steinbergschen Hause, Marktstraße 47, eingerichtet und bestand in
einem großen Saale mit Bühne. Nach der Auflösung des Vereins 1879
stellte der neue Besitzer ein Logenhaus mit Bühne als Theater in aller
Form in dem erweiterten Gewese her (s. Fischer, Musik in Hannover.
Über die Freilichttheater auf der Marieninsel und im Neuen Hause
siehe unter diesen Titeln).
Museum für Kunst und Wissenschaft.
Ansätze zu bildungsförderndem Vereinsleben sind in Hannover zu
Ende des 18. Jahrhunderts zu verzeichnen, so besonders in der Gründung
der Naturhistorischen Gesellschaft 1797. Die zehnjährige Zeit der Fremd-
herrschaft beeinträchtigte derartige Bestrehungen.
Abb. f>()5. Hannover; ehemaliges Provinzialrmiseum. I'hot. 181)5.
714
Aquarium
Nach der Befreiung leitete das Ministerium des Innern Schritte zur
Begründung von Sammlungen für Naturkunde und für Werke der Kunst
in Verbindung mit einer Sammlung landesgeschichtlicher Altertümer ein,
die aber aus Mangel an Mitteln nicht sehr weit führten. Aus dem Schöße
der Naturhistorischen Gesellschaft heraus erfolgte im Jahre 1850 die
Anregung zur Gründung eines naturhistorischen Museums mittels eines
eigenen Museumsvereins. Der König überwies einige Bäume des Prinzen-
hauses für die der Gesellschaft überlassenen Sammlungen und literarischen
Werke. Die im Frühjahr 1852 erfolgte Verbindung mit dem Historischen
Verein für Niedersachsen und mit dem Verein zur Gründung einer öffent-
lichen Kunstsammlung bewirkte nicht nur eine Vereinigung der Samm-
lungen der drei Gesellschaften, zunächst in einigen Bäumen des graflich
Kielmannseggschen Hauses an der Calenberger Straße; es konnte sogar
1853 ein eigener Museumsbau an der Sophienstraße in Angriff genommen
werden. Dieser 1855 beendete Bau ist ein Frühwerk Hases und für den Abb. 505
Anfang der Architektur hannoverscher Schule bezeichnend.
Näheres s. Zeitschrift des Arch.- u. Ing. -Vereins, 1859.
Zoologischer Garten.
Die in Hannover seit 1797 bestehende Naturhistorische Gesellschaft
regte im Jahre 1861 beim Magistrat die Gründung eines zoologischen
Gartens an. Der Magistrat erklärte sich bereit, das erforderliche Gelände
in der Eilenriede bei Hanebuths Block pachtweise herzugeben und ver-
zichtete auf das Kündigungsrecht innerhalb der ersten 50 Jahre.
Mit der Anlage des zunächst mit 12 Morgen bemessenen Gartens
wurde 1863 begonnen und unter Leitung des Architekten Liier wurde
sie so schnell gefördert, daß die Eröffnung am 1. Mai 1865 erfolgen konnte.
Bald darauf wurden weitere 16 Morgen vom Magistrat zur Vergrößerung
des Gartens hergegeben.
Die von Liier erbauten Tierhäuser zeigen die gotische Formgebung
der hannoverschen Schule. Der 1870 in ebensolchen Stilformen errichtete
Eingangsbau stammt von Boesser.
Aquarium.
Aquarium, Hinüberstraße 16. Fassade als gotische Portalgrotte
in Sand und Schlackenstein 1865 von Liier erbaut. Im Inneren gewölbte
Halle aus Schlackenstein. Als Aquarium eingegangen.
715
Strafanstalten.
Werk- und Arbeitshaus
(abgebrochen 1853).
Cine vor dem Steintore an der Langen Laube durch Grupen 1758
ins Leben gerufene Parchentfabrik benutzte, nachdem schon Grupen die
Anregung dazu gegeben hatte, der Bürgermeister Alemann 1779, um darin
„ein Institut einzurichten, in welchem die älteren dürftigen Menschen
mit Arbeit versehen werden könnten und die dürftige Jugend zur Arbeit
angeleitet und zu gleicher Zeit moralisch gebildet würde" (Brönnenberg,
S. 73; Weiteres über die Anstalt s. Neues Vaterländisches Archiv, Jahr-
gang 1829, 2. Band, pag. 48 ff., und H. G. 1905, S. 158 f.).
Das Gebäude konnte 1782 von der Anstalt käuflich erworben werden
und ist 1853 auf Abbruch verkauft. Die letzten Insassen überführte
man ins Armenhaus. Abb. des Gebäudes im Stadtarch.
Die Inschrift am Werk- und Arbeitshause lautete nach Heiliger:
Anno 1760 IN COMMODA PAVPERVM -
C. PATRON I CHR. V. GRYPEN. COS. usw.
Silberne Abendmahlsgeräte aus dem früheren Arbeitshause, die
diesem 1786 von der Freimaurerloge Friedrich zum Weißen Pferde ge-
schenkt worden waren, sind jetzt im Vaterländischen Museum zu Hannover.
Clevertor-Gefängnis
(abgebrochen 1859).
Das für peinliche Verbrecher bestimmte Clevertor-Gefängnis lag als
letztes Haus der Langen Straße, mit der Rückseite gegen die Leine gerichtet,
neben der Kavalierbrücke. Über dem Gewölbe des Clevertores befand
sich die dazugehörige Verhörstube (H. G. 1927, S. 179). Auf dem Gelände
des alten Walles, östlich des alten Tores - der Wall war 1713 weiter
hinausgeschoben wurde 1738 unter Einbeziehung des Pforthauses
das Gefangenenhaus errichtet. Das der Königlichen Kriminal-Juris-
diktion unterstehende Gefängnis ist 1738 durch einen Flügelanbau längs
der Leine erweitert worden. Nach einer aus dem Jahre 1791 vorliegenden
716
Clevertor- Gefängnis
Zeichnung des Hofbaumeisters J. B. Hase (Denkm. -Archiv) ist damals
das Gefangenenhaus nach Abbrechung des Clevertorgewölbes „neu ein-
gerichtet" worden. Patje (S. 54) und Brönnenberg (S. 73) geben an, Abb. 506 u. 507
es sei 1791 die Front des Hauses, wie sie zuletzt beschaffen war, ent-
standen. Das ältere Gefangenenhaus hatte sich nämlich der Zeichnung
nach mit seiner Front an das Widerlager des Torgewölbes angelehnt,
so daß nach dessen Abbruch die Fassade in ihrer späteren vollen Breite
erst entwickelt werden konnte, ein Werk, das also dem Hofbaumeister
J. B. Hase zuzuschreiben ist.
Die Anlage umfaßte nun mit vier Flügeln einen rechteckigen Binnen-
hof und war längs der Leinstraße zweigeschossig, während den drei Hinter-
flügeln das Obergeschoß fehlte. Wegen des abfallenden Ufergeländes
hatten diese aber mit einem ausgebauten Souterrain ausgestattet werden
können.
Die Hauptfront zählte neun Achsen, wobei die drei mittleren in
schwachem, mit Dreiecksgiebel geschlossenem Risalit lagen. Die Gebäude-
kanten hatten Sandsteinverzahnungen, die Flächen waren geputzt.
Die Grundrißaufteilung konnte wegen der Entstehungsgeschichte des
Gebäudes nicht regelmäßig gestaltet werden. In den Flügeln von 1738
war das Korridorsystem durchgeführt. In den Frontgeschossen waren
Verhörstuben, Wachtstuben und Vorzimmer angeordnet. Die Zellen
im Kellergeschosse hatte man für schwere, die darüber befindlichen
für leichte Verbrecher bestimmt. Die Gefangenenzäh] konnte bis 30
betragen.
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Abb. 506. Hannover; das Clevertor-Gefängnis. Ansieht von der Langen Straße.
Nach Riß von J. B. Hase, 1791.
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Strafanstalten
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Technische Bauten und Anlagen
BRÜCKEN.
BRUNNEN UND WASSERWERKE.
MÜHLEN.
WEHRE.
WERKANLAGEN.
719
Brücken.
Unter den Brücken, welche innerhalb des hannoverschen Stadt-
gebietes die Leinearme und die Festungsgräben überspannten, bildeten
die öffentlichen eine Zehnzahl, auf die der hannoversche Bürger stolz
war. Lohmann zählt die zehn in seinem „Geschichtlichen Abriß" im
Anfange des 19. Jahrhunderts auf. Diejenigen davon, welche Bürger-
meister und Rat zu bauen schuldig waren, nennt das Corpus bonorum
von 1720 (H. G. 1906, S. 30). Einige der mittel-niederdeutschen termini
technici des spät-mittelalterlichen Brückenbaues teilt Mithoff aus den
Lohnregistern mit (Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1871, S. 173).
leintorbrücke Obwohl die Leintorbrücke nicht die älteste der hannoverschen Brücken
ist, war die etwa an ihrer Stelle vorhandene -- die Urkunde 141 (U. B.
d. St. H.) von 1320 nennt den pons antiquus, die alte Wasserhofbrücke -
doch bereits im 14. Jahrhundert die wichtigste, da sie zum Wasserhofe
führte (s. auch S. 267, Schloßbrücke). Ihre Bezeichnung als „der Stadt
Brücke", wie sie in mehreren Urkunden vorkommt (Urk. 217 von 1340,
Urk. 246 von 1347, Urk. 356 von 1356), stellt sie als die Brücke schlechthin
dar. Die Benennung ,,in ponte" (Urk. 388 von 1359), „Brügge", „auf
der Brücken" (Grupen) gilt auch der über den Werder führenden Straße
bis zur Zugbrücke über den Brückmühlenarm, die bis 1842 „Brückstraße"
hieß.
Die 1570 neu angelegte Brücke vor dem Leintorturm war bis 1713
eine einfache hölzerne Laufbrücke und wurde damals des anwachsenden
Verkehres wegen einbogig in Quadersteinen neu erbaut. Es ist die noch
gegenwärtig vorhandene.
sommerbrücke Eine im Zuge der mittelalterlichen „porta, quae ducit ab urbe ad
oppidum" über die Leine führende Brücke gilt als die älteste der Stadt-
brücken und soll eine Zugbrücke gewesen sein. Wahrscheinlich hat aber
die Insel so weit stromab gereicht, daß der zwischen der Lauenrode und
dem Gallentor an der Boßmühle zu denkende Straßenzug die Insel über-
queren mußte und daher zwei Brücken voraussetzen würde (in Urkunde 1 11
von 1320 ist die Rede von einem neuen Teil der Brücke am Stovenwege).
720
Marstallbrücke
Als die Roßmühle durch den Bau des Zeughauses zur Sackgasse geworden
war, wurde weiter südlich im Jahre 1646 eine hölzerne Laufbrücke angelegt.
Die alte und die neue Sommerbrücke beim Stadtlazarett und an der
Insel sollen, wie mehrfach berichtet wird, Holzbrücken gewesen sein.
Redecker schreibt: 1682 sei „die Sommerbrücke, die vor der Insel über
der Leine lag, weggenommen und gegen den Beginen-Thurm über an
die Insel geleget" (Chron., S. 711). Die alte Sommerbrücke war nur für Fuß-
gänger bestimmt, die neue für Wagen und Pferde. Beide sind um
1818 und im Jahre 1861 wiederholt diesmal mit eisernen Tragern
neu gelegt worden.
Zum Ganzen ist zu verweisen auf das Manuskript des Kämmerers
Georg Christian Ludolph Meyer im Stadtarchiv: Beschreibung von der
Leine, der daher entstehenden WasserFluthen und den Stadt Wasser-
Werken, entworfen im Jahre 1795 vom Camerar: Meyer.
Bei der Klickmühle führten zwei hölzerne Brücken über die Leine, klickmühlen-
deren Erhaltung dem Rate oblag, eine Laufbrücke und die Fischerhaus- BRÜCKEN
brücke (Corp. bon. von 1720). Beide bestehen nicht mehr; sie sind
abgebildet durch Wiegmann. Vgl. auch Abb. 513.
Nach der Eröffnung des nordwestlichen Eckturmes der Stadtmauer marstall-
als Tordurchlaß wurde zwischen 1680 und 1082 die Leinebrücke erbaut, BRÜCKE
Abb. uns. Hannover; Marstallbrücke, stromabwärts gesehen. Phot. 1896.
46
721
Brücken
um die auf dem anderen Leineufer damals gerade geschaffene Neue Straße
in bessere Verbindung mit der Altstadt zu bringen. Nach dem beim
Austritte der Brücke an der Neuen Straße belegenen Gasthause hieß
sie früher ,, Brücke bei London-Schenke", später wegen der Nähe der
landesherrlichen Ställe „Marstallbrücke". Dies war eine Holzbrücke.
Die gegenwärtig bestehende Brücke ist laut Beischrift zu dem
daran befindlichen Wappen im Jahre 1732 unter Georg I. erbaut.
Abb. 508 Redecker (Chfon. S. 1036) gibt an: 1 746 für 4000 Thaler. Sie überspannt
die Leine mit drei Ilalbkreisbögen aus Quadern; die Hintermauerungen
sind in Ziegeln ausgeführt. Das aus schmiedeeisernen Stäben hergestellte
Geländer ist zwischen schmalen, postamentartig gebildeten Sandstein-
pfeilern eingefügt.
Oberstromwärts befindet sich am mittleren Geländerpfeiler das Mono-
gramm Georgs IL, unterstromwärts das königliche Wappen in Sandstein
ausgehauen.
cavalier- Die Cavalier- oder Jungfernbrücke beim Gefangenenhause, eine nur
brücke jm. pußgänger bestimmte hölzerne Laufbrücke, führte aus dem Cavalier
gegenüber dem Clevertore heraus nach Westen über die Leine; sie wird erst
um die Wende des 17. Jahrhunderts angelegt sein. 1791 wurde ihrer
Bahn eine höhere Lage gegeben, als man das Torgewölbe neben dem
Gefangenenhause niedergerissen hatte. Bis dahin führten Stufen zur
Brücke hinab (Mappe VII im Stadtarchiv enthält einen Plan*), vermutlich
aus dieser Zeit). Die Brücke ist 1875, als man im Zuge der Goethestraße
die heute dort befindliche massive Goethebrücke fertiggestellt hatte,
abgebrochen und bei Bella Vista auf dem Wege zum Schützenplatz
wieder aufgebaut; an ihre Stelle ist inzwischen eine neue Brücke getreten.
clevertor- Von der alten, 1650 angelegten Clevertorbastion aus führte nordwärts
brücke ukei. cjje Lejne eme mehrjochige Holzbrücke mit einem aufklappbaren
Joch. Statt ihrer wurde gelegentlich der Einrichtung des neuen Clever-
tores an der Brühlstraße um 1781 eine massive, in einem Bogen den Fluß
überspannende Brücke erbaut durch den damaligen Ingenieur-Haupt-
Abb. 509 mann Müller, der nachmals Professor in Göttingen war. Busch erwähnt
in seiner „Mathematik zu Nutzen und Vergnügen", Teil III, Bd. I,
S. 170 diese Brücke (Spilcker, S. 500).
*) Plan der Leine, wie solche in Ansehung der Direction ihres Laufes von
der Cavalier-Brücke an bis zur neuen massiven Brücke aa könne verbessert, am
rechten Ufer denselben mit einer Einfassung von Quadern bbb, am linken Ufer
aber mit einer niedrigen hölzernen Vorsetznng ccc versehen auch demnächst die
neue Cavalierbrücke dd gerade über den Fluß gelegt werden. Jahresangabe fehlt.
722
Ihmeb rücke
Abb. 509. „Die neue Brücke am Clever Thor zu Hannover, Ansicht aus dem Andreaeschen
Garten". Nach Stich von Salzenberg. Links Torwache: „WeyhenLöbe", rechts das Kg!. Reithaus
und das Militärhospital. Wo die Fischer stehen, war 1813 — 66 die Pionierkaserne.
Die beiden am Mühlenplatze über den Klickmühlen- und Brück- friederiken-
mühlenarm der Leine führenden Brücken waren ursprünglich Fußgänger- RR^JpRLO°"
brücken, aber um 1767 im Zusammenhange mit der Einrichtung des
landesherrlichen Holzhofes Auf der Koppel zum Verkehr mit Wagen neu
gebaut.
Bei der Schaffung des Friederikenplatzes 1841 wurde die ostliche,
1825 unter Verwendung von Lavesschen Tragern erneuerte Brücke,
die den Namen Friederikenbrücke erhielt., wesentlich verbreitert, die
andere, die Waterloobrücke, 1846 durch eine neue ersetzt, an deren
Stelle schon 1870 wiederum eine neue Brücke auf gußeisernen Pfählen
erbaut werden mußte.
Nach dem Corpus bonorum von 1720 ist von Seiten der Stadt die brücken am
Holzbrücke bei dem v. Harlingschen Hause (auf der Stelle des heutigen CALE^pRGER
Begierungsgebäudes) 1720 ganz neu erbaut. Lohmann - und nach ihm
Hartmann gibt 1737 an. Die vorher an dieser Stelle vor dem Zwinger
über den Brückmühlenarm führende Brücke war eine Zugbrücke. Der
Arm floß vor der Befestigung der Neustadt weiter westlich.
Außerhalb des Leintores überschritt der Steinweg vier Arme des
Leine-Ihme-Systems auf ebenso vielen Brücken, deren Unterhaltung
wie die des Steinweges selbst bis zum Brüningskreuz der Stadt oblag.
Es ist nicht möglich, was ältere Chronisten versucht haben, che in den
723
Brücken
Lohnregistern häufig wiederkehrenden Reparaturen auf eine jeweils be-
stimmbare Brücke zu beziehen. Umfangreiche Arbeiten der Art fallen
in die Jahre 159(5 — 9<S, bei denen die der Stadt nächstgelegene
Brücke über den äußersten Mühlenstrang, den eigentlichen, jedoch meist
Ihme genannten Hauptstrom der Leine - - sie lag etwa bei der heutigen
Mittelstraße — durch eine in drei Jochen gewölbte Steinbrücke ersetzt
(Grupen, handschriftl.), die nächste gegenüber von Altens Hofe und die
dritte beim Roten Turm in der Glocksee mit Kieserlingen gepflastert
wurden (Lohnreg.).
Vom Steinweg führte bei von Aliens Hofe eine zweite Brücke,
Schwartzers Brücke genannt, auf die Krumme Straße der Neustadt,
eine dritte, die sogenannte Hakebrücke, die jeden Winter abgebrochen
wurde, ist weiter nordwärts, etwa bei der heutigen Sackgasse Im Töge,
zu suchen; doch bedeutet der Name Im Töge nicht, wie oft vermutet,
eine Zugbrücke, sondern eine Fischerstelle.
Östlich der großen Steinbrücke, bei der jetzigen Archivstraße, führte
eine weitere Brücke über den äußeren Mühlenarm auf die Danzelmasch.
Endlich ist eine Laufbrücke über den Stadtgraben im Zuge der
heutigen Inselbrücke zu erwähnen, die der Neustädter Vogt 1606 zur
Umgehung der Leintorsperre anlegen ließ.
Alle diese Brücken sind, beginnend 1616 mit der Brücke beim Roten
Turm, der Neubefestigung der Calenberger Neustadt zum Opfer gefallen.
ihmebrücke 1 )er Meriausche Stich von 1651 zeigt die Holzbrücke über der heutigen
Ihme, welche 1603 für 2160 Gulden (Red., Chron. S.662) unter Leitung
des Zimmermeisters Hans Behnsen und des Maurermeisters Hans Behre
Abb. 510. Hannover; Ihmebrücke, .1909.
724
Ihmebrücke
erbaut worden war. Bei der Gelegenheit hatte übrigens auch die Brücke
gegenüber von Altens Hof ein zweites Joch erhalten (Lohnreg.). Man
hatte das Jahr vorher den ganzen Steinweg vom Roten Turm bis zum
Leintor neu gepflastert und die Bote-Turm-Brücke erneuert. Die Brücke
von 1603 ist im Jahre 1658 durch einen starken Eisgang fortgerissen
worden. Darauf vermittelte eine Notbrücke (\vn Verkehr mit dem Calen-
berger Lande Die etwa aus dem Jahre 1665 stammende älteste Karte
der Stadt gibt in Punktierung eine neue Steinbrücke über die Ihme an,
die damals also geplant wurde. Dem Plane nach lag sie oberhalb der
älteren Brücke, nicht im Zuge des Flußlaufes, sondern dieser sollte nach
Abb. 511. Hannover; Ihmebrücke. Querschnitt einer 1808 gefertigten Zeichnung Täntzels.
Fertigstellung der Brücke unter ihr hindurchgeführt werden. P^s scheint'
als ob dieser Plan damals noch nicht verwirklicht worden sei. . Am 10. Apri
1693 erinnert der Bauschreiber Brand Westermann auf Anordnung des
Kammerpräsidenten von Grote, „daß die Brücke über die Ihme vor dem
Calenberger Thore diesen Sommer über zu bauen nicht versäumet werde".
Der Bau kam 1696 erst in Gang und zog sich bis in das Jahr 1698 hin
(Akten im Staatsarchiv, Cal. Des. (S, Gen. der Stadt Hannover, Nr. 20).
Diese Brücke hatte eine Länge von etwa 1<S m bei einer Breite von etwa
10 m und überspannte mit fünf Tonnen auf vier sandsteinernen Strom-
pfeilern den Fluß. Es sollen zwischen den Pfeilern Stauwehre zu Zwecken
der Landesverteidigung angebracht gewesen sein (Illustr. Bdsch. 1913,
S. 637). Die Stiche aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts, soweit sie
eine Ansicht der Stadt vom Lindener Berge aus darstellen, zeigen die
Ihmebrücke mit steinernen, viermal im Halbkreise ausgebuchteten Brü-
stungen längs der Fußgängerwege. Am Aus- und Eingange trugen die
725
Brücken
Abb. r>12. Hannover; Ihmebrücke, Teilansicht aus einem 1X0X gefertigten Plane Täntzels.
Brüstungen je ein paar Postamentvasen. Für den Fußgängerverkehr
wurden 1775 hölzerne Seitenstege hinausgebaut und auch sonstige Ver-
änderungen vorgenommen. Mehrere Situationspläne, Grundrisse und
Ansichten darüber finden sich im Staatsarchive (Karten I. A. b. 64).
Das Sinken des Strompfeilers auf der hannoverschen Seite infolge von
Unterspülung bei einem bis an die Brückenbahn reichenden Hochwasser
im April 1808 machte schwierige Wiederherstellungsarbeiten nötig, die
der Ingenieurkapitän Bergmann leitete. Die Grundsteininschrift von 1808
ist abgedruckt in Haan. Illustr. Rdsch. 1913, S. 637. Die Ausführung
besorgte der Steinhauer- und Maurermeister Georg Täntzel; seine Zeich-
Abb. öii u. 5i2 nungen dazu werden beim Landesbauamt I aufbewahrt. Bei einer aber-
maligen Veränderung 1855 sind von der Brückenbrüstung die Vasen
und das kurfürstliche Wappen entfernt. Die Vasen wurden in Herren-
hausen auf den Portalen II und VII des Großen Gartens, das Wappen
an der Nordseite des Galeriegebäudes wieder angebracht*). 1010 mußte
die bei Hochwasser stark gefährdete Brücke abgebrochen werden; ein
Neubau trat an ihre Stelle.
*) Akten des O.-H.-M.-A., Vermögensverwaltung, XI Hofbausachen U LXII.
726
Brunnen und Wasserwerke
Stadtwasserkunst.
L)ie Wasserversorgung der Haushalte in der Stadt geschah im Mittel-
alter einmal durch Hausbrunnen, sodann in größeren Mengen zum Zwecke
des Brauens durch die Watertucht, welche Leinewasser schöpfte. Die
Schöpfstelle war die curia aquarum, der Wasserhof auf dem Otten- Werder
zwischen den Leinearmen. Außer dem städtischen gab es noch den
Iltenschen Wasserhof beim Minoritenkloster. Zur besseren Wasserver-
sorgung hatte die Stadt 1423 vom Landesherrn die Erlaubnis erhalten,
den Dieckborn in Linden zu fassen und Wasser von dort in die Stadt
zu leiten. Zur Anlage der Leitung mußten die Abnehmer des Wassers
anteilgemäß beisteuern. Der städtische Wasserhof ging allmählich ein,
als man vor 1487 eine neue Watertucht am Himmelreiche anlegte (vgl.
Zs. d. hist. Vereins f. Niedersachsen 1871, S. 159). An eisernen Ketten
wurde das Wasser aus der Leine emporgewunden und durch Gespanne
abgefahren. Die Watertucht pflegte gegen einen geringen Zins verpachtet
zu werden, und der Pächter hatte gegen eine Vergütung auf jedes Faß
die Bürger mit Wasser zu versorgen (vgl. H. G. 1921, S. 190).
4.
Abb. 513. Hannover; Plan der Röhrenleitungen vom 'Marktplatze aus im 18. Jahrhundert.
Kopie von einem Plane i. d. Prov.-Bibl. Kart. M. 17. XIX. 122.
727
Stadtwasserkunst
Im Jahre 1 Ki.S baute man ein großes Schöpfrad hinter dem Iltenschen
Wasserhofe in der Verlängerung der Dammstraße, welches das aus der
Leine geschöpfte Wasser in einen Hochbehälter goß, von dem aus es in den
ii i i i i
Abb. öl!2. Hannover; Wasserkunst der Klickmühle: Schnitt durch den Turm.
„GHemesfen im September 1791 von J. H. Borchers" (Stadtarchiv).
städtischen Born auf dem Markte durch eine Röhre floß. Von diesem
Brunnen aus wurde das Wasser mittels Nebenröhren auf die ganze Stadt
verteilt. Die Bürger, welche an der Wasserleitung teil hatten, zahlten
728
Brunnen und Wasserwerke
dafür einen jährlichen Bornzins. Die Verlegung der Röhren geschah
durch den Bornemeister zum Teil auf eigene Rechnung; die Anlage
schätzte der Rat nach ihrer Fertigstellung ab, übernahm und bezahlte sie.
1535 wurde ein größerer Neubau der Bornkunst bei der Klickmühle
errichtet, ein quadratischer Ziegelturm, der 1845 umgebaut und 1896
abgebrochen wurde. Das Äußere des Wasserturmes ist außer durch eine
Abb. 513. Hannover; Wasserkunst an der Klickmühle.
Nach Kretschmer.
Zeichnung Redeckers (wiedergegeben H. G. 1906, S. 176) durch mehrere Abb. 512 u. 513
andere Abbildungen überliefert. Ein geometrischer Aufriß befindet sich
im Stadtarchive (wiedergegeben H. G. 1914, S. 185). Ein Durchschnitt
der Kunst mit Darstellungen der Piepenposten in ,,Grunt-Ries" und
„Proviel" aus dem Ende des 17. Jahrhunderts ist ebenda.
Der Körper des Kunstturmes war mit einem Rautenmuster aus
glasierten Ziegeln überzogen. In der südwärts gerichteten Front lag eine
spitzbogige Tür mit einem Inschriftstein darüber; nach Redecker war ein
729
Brunnen und Wasserwerke
Kleeblattschild mit der .Jahreszahl 1535 darauf (Abb. H. G. 1906, S. 175).
Das auf Konsolen vorgekragte Walmdach war an der Südseite aufgeklappt,
so daß hier ein in Fachwerk ausgebildetes Geschoß mit spitzbogiger
Windenluke hervortrat. Die Brüstungsfelder waren mi1 Andreaskreuzen
ausgesetzt. Die Fachwerkarchitektur isl vielleicht dem Meister T. (i.
zuzuschreiben. Auf der Setzsehwelle stund die Inschrift:
Godt leth uns borne, dar to de water rieten,
To syner ere, dat wy der scholen geneten,
De wvl uns gode alhir tho gude geven,
Und ock dat water, dat quellet int ewyge levent.
(Vgl. 11. G. 191 1. S. 1,S5). doli. 1.
Über die ,, Bornkunst", das durch Wasserkraft getriebene Pumpwerk,
welches der Wasserturm enthielt, gibt die erwähnte Zeichnung im Stadt-
archiv Auskunft. Bei Merian, Topogr. S. 101, 1051, findet sich darüber
folgende Mitteilung: „Da treibet ein großes Rad am Leinstrom 16 Stampfen,
wodurch das Wasser etliche Ellen in die Höhe gezucket und geführet
wird, darnach durch kupferne Canäle herunterfällt und unter der Erden
bis auf den Markt geleitet wird, da es in künstlich gehauenen steinernen
Canälen oder Röhren in die Höhe steiget und vermittelst 10 Röhren
durch die ganze Stadt geführet wird. Es seyn auch Nothbrunnen in der
Erden, so in Feuersnot eröffnet werden können." Nach Brönnenberg
(a. a. 0., S. 74) hob das unterschlächtige Wasserrad der Kunst das Wasser
50 Fuß hoch in ein Bassin, von wo es teils nach dem Altstädter Markt,
teils in die verschiedenen Quartiere der Stadt, teils nach den Brau-
häusern geleitet wurde (vgl. weiter über die Bornkunst Hannoversches
Magazin 1800, S. 73 — 74; Jugler, Repert. pag. 109; Supplem. der hanno-
verschen Feuerordnung 1733, pag. 5; Seutterscher Plan von 1715).
Wasserkunst vor dem Clevertore.
Der Ingenieur-Kapitän Maillet deto Fourton legte auf eigene Rechnung
um das Jahr 1706 vor dem Clevertore, etwa in der heutigen Andertenschen
Wiese, eine Wasserkunst an in Spekulation auf die Abnehmerschaft der
Adelsgärten in der Steintormasch und besonders des Großen Gartens in
Herrenhausen. Mit der kurfürstlichen Kammer schloß Maillet am
8. Februar 1706 einen Pachtvertrag auf 25 Jahre, demgemäß außer dem
Herrenhäuser Garten auch der Neustädter Parnaßbrunnen mit Wasser
zu beliefern war. Maillets Wassermaschine entsprach nicht den Er-
wartungen, die man in sie gesetzt hatte; deshalb ließ die Landesherrschaft,
*) Die Anlage wird auch im Corpus bonorum von 1720 beschrieben. H. G.
1906, Seite 234.
730
Brunnen und Wasserwerke
die nach Ablauf des Vertrages 1731 Eigentümerin derselben geworden
war, sie zerfallen.. Nach Landersheimers Bemerkung auf seinem Plan IV
ist die Kunst am 24. Dezember 1732 eingestürzt und 1733 abgebrochen.
Aus einem 1731 aufgestellten Inventar (Schuster, K. u. K., S. 130)
ist die Einrichtung des Mailletschen Wasserwerkes ersichtlich. Ein
Wasserrad am Ufer des aufgestauten Leineflusses hob mittels eiserner
Pumpen das Wasser zu drei übereinander in einem Wasserturm ange-
ordneten, mit Blei ausgeschlagenen Holzbehältern empor, die als „Pfannen"
bezeichnet sind. Die Anbringung der Pfannen in unterschiedlichen Höhen
war in den Höhenlagen der zu versorgenden Künste in der Neustadt,
in der Steintormasch und in Herrenhausen begründet.
Piepenborn.
Als Wasserverteiler für das aus der Bornkunst am Himmelreiche
hergeleitete Wasser war am Markte der Piepenborn aufgestellt. Die
Stätte, wo er stand, ist auf den vorhandenen Planen in der Nähe der
nordöstlichen Bathausecke angegeben (s. den Plan in (k'v Prov.-Bibl.,
Kart.Mappel7,XIXC.,Calen-
berg 122). Von dem Hause
Marktstraße 60 heißt es im
Verlassungsbuche von 1111,
daß es ,,bi dem borne" liege.
Dieser altere Born wurde corn von i:,.,i
1551 durch eine Neuanlage
ersetzt, für die ausweislich
der Kämmereirechnungen
dieses Jahres die erhebliche
Summe von 2(1 13 Pfd. Pfenni-
gen, allerdings einschließlich
der Röhrenleitung., durch die
Stadt verausgabt wurde. Der
Brunnen als solcher war nach
dem Bornguldenregister das
Weik des Steinmetzen Arndt
Siemerding, während vier der
Bildtafeln daran von einem
Hildesheimer Meister ge-
schaffen sind. Die Art des
Bornes entsprach derjenigen
des Rolandbrunnens auf dem
Marktplätze zu Hildesheim:
aus einem achtseitigen Becken
731
Abb. 51ft. Hannover; Teile vom Hecken des Aklion-
hiiinnciis im Leibnizhause. Phot. Siedentopf, 1298.
JornS-S v«- lSi>1
Abb. 515
KL ISA u. NAEMAN
Abb. 516
ELASER
u. REBECKE
Abb
. 515 u. 516. Hannover: Marktbrunnen von .). Wulff, Reliefplatten des
Phot. 1927. V
Reckens.
732
A^>
51
Piepenborn
erhob sich eine Mittelsäule, welche die Piepen barg und vier Löwen-
köpfe als Wasserspeier hatte. Daraul' ruhte ein zweites Hecken,
überragt von einer kleinen Figur, dem sogenannten Häuschen auf dem
Piepenborn. Das Steinmaterial für den Brunnen stammte aus Obern-
kirchen. Der Brunnen war bemalt. Von den bislang verschollen ge-
wesenen Beckenplatten des Piepenbornes von 1551 sind bisher fünf im Abb. :>n
und am Sodenschen und Batskloster (durch Leonhardt) wieder aufge-
funden; dazu ein Kantenstück des Beckens, das die .Jahreszahl 1551
enthält. Die Skulpturen werden im Leibnizhaüse aufbewahrt.
Die Themata und die bildhauerische Behandlung der auf den Platten
dargestellten Halbfiguren stimmen mit denen des Hildesheimer Brunnens
überein. Die Tafeln zeigen in starkem Relief vor landschaftlichen Hinter-
gründen alttestamehtliche Szenen, die Beziehung auf das Wasser haben.
Beischriften, teils schwer lesbar, geben die betreffenden Bibelsfellen
und die Namen der Dargestellten an: Eleasar mit Rebekka, Gideon Abb. 515 u. 516
und Simson, Elisa und Naeman, Tobias und der Engel. Nach einer
Beschreibung des Sodenklosters von Redecker sind die noch fehlenden
Platten des Beckens als mit David und Bathseba, ferner mit Josua und
mit dem Stadtwappen reliefiert zu denken.
Die aus der Mitte des Brunnenbeckens hervorragende Säule gilt als
verloren. Die Figur des „Häuschen" soll nach Redecker eine zweite
Verwendung auf dem Bährenturme eines der Stadtsiele gefunden haben,
ist aber ebenfalls verschollen.
Ein Doppeldistichon, das an dem Brunnen angebracht war und die
Erfindung des Broyhans verherrlichte, ist in den Handschriften des
Stadtarchives überliefert :
Sodeniana domus Broehanam prima coquebat Broehanus coctor
nomina fecit ei.
Secula si quindena super numeraveris anhum Vicenum hoc
anno prima Broehana fuit.
Johann Broehan,
Inventore Volksmaro ab Änderten.
(Vgl. H. G. 1914, S. 259).
Nach Redecker wurde 1619 ein neuer Brunnen erbaut. Er hatte aktäon-
offenbar den Zweck, die Wasserverteilung zu verbessern und das Wasser Brunnen
den nun in einzelnen Straßen aufgestellten „Zucken" zuzuleiten (vgl.
das oben angeführte Zitat aus Merian von 1654).
Nach den Kämmereiregistern wurden schon 1618 - - am 10. April
und 23. Juni je 90 M. und am 2. August 47 M. - - Auszahlungen zum
„Borngebuwnis" an den Borneherrn geleistet. Der Rat schloß am 20. Mai
1618 einen Lieferungsvertrag mit dem der Hildesheimer Bildhauer-
733
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Abb. .")17. Aktäonbrunnen : Grund-, Auf- und Profilriß von Borchers. Stadtarchiv.
734
Piepenborn
familie Wulf angehörigen ,, Steinmetz und Bildhauer" wie er sich
selbst nennt - Meister Jonas Wulf, nachdem dieser seine Zeichnungen
vorgelegt hatte. Am Werke waren ferner der Kleinschmied Karsten
Beteken und der Botgießer Meister Heinrich Meier, als Maurer Hinrich
Pape und als Maler der Meister Wedemeier beteiligt. Die Herstellung
des Brunnens dauerte bis Ende 1620; Wulf war zu dieser Zeit bereits
gestorben. Die Baurechnung berichtet, daß Jeremias Sutel, der als
Geselle Wulfs nach Hannover gekommen zu sein scheint, sich erboten
habe, zwei ursprünglich nicht vorgesehene „mannsgroße" Bildwerke fin-
den Brunnen zu schaffen. Vermutlich sind das die beiden weiter unten
genannten Platten im Hofe des Hauses Osterstraße 83,
Abb. 518. Hannover; Reliefplatten Qsterstr. 83, Hof:
„NEPTVNIA CONJ." und „CALLIRHOE".
Bedecker erzählt, daß der Brunnen im Jahre 1719 von neuem gebaut
sei: es scheint, als ob damals lediglich das Gewände des Brunnenhauses
erneuert wurde. Um 1800 ist der Brunnen, der nach der Hauptfigur,
die seine Haube krönte, den Namen „Aktäonbrunnen" trug, abgebrochen,
seine Teile sind verschollen. Der Dichter Blumenhagen hat ihn in seiner
Jugend noch gekannt, und schreibt davon 1839 im Vaterländischen
Archive des historischen Vereins für Niedersachsen.
Das Stadtarchiv besitzt im ganzen drei aus dem Ende des 18. Jahr-
hunderts stammende Darstellungen des Aktäonbrunnens, also in der
Gestalt, die er 1719 erhalten hatte. Als die vertrauenswürdigste sei
hier die Zeichnung des Ingenieurs Borchers wiedergegeben. Ein auf A1)1) 51-
735
Brunnen und Wasserwerke
achteckigem Sockel angelegtes Brunnengehäuse, an den Kanten mit
barocken Pilastern versehen, um die sich ein schweres Abschlußsims
herumkröpft, ist abgedeckt mit einer achtteiligen, geschwungenen Brunnen-
haube aus Kupfer. Darüber hinaus erhebt sich ein kelchartiges offenes
Becken, aus dessen Mitte die als Säule ausgebildete Steigröhre emporragt,
welche die Figur des Aktäon trägt. Zu ergänzen ist die Borcherssche
Zeichnung insofern, als einst von den Kantenverkröpfungen am oberen
Gehäuserande zu dem kupfernen I »ecken hinüber, sich in Kupfer gearbeitete
Voluten gespannt haben. Nach Blumenhagen waren auf der Haube die
badende Göttin Diana und neun Nymphen in voller Plastik angebracht.
Die Wiederauffindung von drei Reliefplatten im Jahre 1907 im Keller
des Brauergildehauses und die Feststellung ihrer Zugehörigkeit zum
Aktäonbrunnen erbringen einen positiven Beitrag für die Erkenntnis
des Wulfschen Meisterwerkes: die eine der Platten trägt die Inschrift:
Anno 1619 Ist dieser brunne RENOVIRT und in diese
form gesetzet durch Jonaf Wulvef;
Abb. 518 zwei andere zeigen die Halbfiguren von Wassergöttinnen: „Amphitrite,
Neptunia Conjunx" und ,,Calirhoe". Die Tafeln (62x92 cm) sind jetzt
im Hofe des neuerbauten Hauses Osterstraße 83, eingemauert.
Diese drei Platten und die noch nicht wiedergefundenen übrigen
fünf des Brunnengehäuses scheinen 1719 durch ebenso viele Platten mit
lateinischen Doppeldistichen ersetzt zu sein, deren Wortlaut die Reichesche
Handschriftensammlung des Stadtarchives aufbewahrt hat.
Parnaßbrunnen.
Auf des Herzogs Johann Friedrich Veranlassung und Rechnung
übernahm - wie es heißt - Johann Duve die Versorgung der Neustadt
mit Brunnenwasser: nach Angabe Barings im Jahre 1668. Auf dem durch
Zuschütten des sogenannten Judenteiches gewonnenen Neustädter Markt-
platze wurde darauf ein Kunstbrunnen eingerichtet. Bleiröhren schafften
aus einem Brunnen am Eeineschlosse beim späteren Lavesschen Pavillon
das durch ein Rad hochgepumpte Leinewasser dorthin. Später speisten
doppelte Röhren aus dem Teiche im Lindener Küchengarten den Brunnen,
teils auch schöpfte die etwa 1706 vollendete Mailletsche Wassermaschine
auf dem Stapel das Wasser; schließlich lieferte die Herrenhäuser Kunst
dasselbe durch den Hochbehälter am Schneiderberge. 1672 scheint mit
dem Bau der Wasserkunst begonnen zu sein, aber erst 1679 wurde sie in
Gang gesetzt.
Der Kunstbrunnen auf dem Neustädter Markte war als besonderer
Schmuck für die Neustadt geplant. Der Bauverwalter Sartorio mußte
1671 auf des Herzogs Anweisung ein Modell des Brunnens anfertigen.
736
Brunnen und Wasserwerke
S
47
737
Parnaßbrunnen
Gelder zur Ausführung wurden nach den Kammerrechnungen etwas
später bewilligt (Schuster, K. u. K., S. 21). Baring nennt als Erbauer
den ,, Hochfürstlichen Italienischen Baumeister" (Kirchen- und Schulhist.,
S. 40). .Johann David Meyer schreibt ähnlich: „der italiänische Hauver-
walter". Wer der Verfertiger der Bildhauerarbeiten war, bleibt unge-
wiß. Die technische Einrichtung hat seit. 1 678 in den Händen des aus
Augsburg herbeigeholten Brunnenmeisters Michael Biggus gelegen
(Schuster, K. u. K., S. 25; vgl. auch das zur Ausführung der Grotte in
Herrenhausen Gesagte bei Schuster, S. (SO).
Der Brunnen scheint nie zuverlässig in Gang gekommen zu sein, denn
die Kammerrechnungen verzeichnen vielfache Flickereien an den Bohren
und auch am Grottenwerk. So wurde schließlich im Jahre 1802 die ganze
Brunnenanlage abgebrochen: ein einfacher Brunnen mit Becken in
gotischem Geschmack trat zunächst an seine Stelle; um 1830 machte
auch dieser einem anderen Platz (vgl. Siedentopf, Adreßbuch 1929. S. 10).
Der Wirt einer unmittelbar vor dem Clevertore an der Escherstraße
belegenen Gartenwirtschaft erwarb 1802 den größten Teil der steinernen
Figuren des Parnaßbrunnens und stellte sie in seinem Garten auf. Seit
dem Erwerb des Gartengeweses durch den Oberkommerzienrat Ezechiel
Simon 1857, der sich auf dem Grundstücke das schloßartige Wohnhaus
Brühlstraße 1 erbauen ließ, sind die Steinfiguren des Parnaßbrunnens
verloren.
Es bestehen nur mangelhafte Abbildungen des Parnaßbrunnens;
das Modell Satorios ist verschollen. Die älteste Darstellung ist auf Zeuners
Tuschzeichnung von der Neustädter Kirche gegeben; am wertvollsten
Abb. 519 ist der Stich in den „Freudenbezeugungen" von 1725. Bei Bedecker
finden sich (Chronik, S. 688) einige Handzeichnungen, und schließlich
bietet das Neustädter Wappen noch ein Abbild des WTerkes.
Die Abbildungen stellen übereinstimmend eine erhöhte Plattform
von vierpassigem Grundriß dar, umgeben von einer Balustrade, auf deren
Pfeilern 20 Standbilder, nämlich der Tugenden und Laster, aufgestellt
waren. Blumenhagen (a. a. O.) gibt an, das Bassin sei ein Best des Juden-
teiches gewesen. In der Mitte der Plattform war das Brunnenbecken
eingetieft, aus dem sich der etwas ungegliedert wirkende Felsenberg des
Parnasses erhob. In ihm eröffneten sich in den Achsen der Anlage vier
rundbogige Grottennischen, in denen lebensgroße Allegorien der vier
Weltteile erschienen: Europa auf dem Stiere reitend, ein Mohr auf einem
Krokodile als Afrika, eine weibliche Gestalt auf einem Elefanten oder
Nashorn als Asien, ein Wilder auf einem Löwen als Amerika. Auf dem
Parnaßberge waren sitzend Apoll mit den neun Musen verteilt; die Be-
krönung bildete - - zugleich als Wappensinnbild - der das herzogliche
Wappen haltende Pegasus. Das Wasser entsprang aus dem Berge, den
738
Heiligers Brunnen
Instrumenten der Musen und den Ohren des Pferdes. Auf Landers-
heimers Plan IV findet sich die Bemerkung, die Statuen seien 1729 weiß
angestrichen worden.
Heiligers Brunnen.
Der Hof- und Konsistorialrat Heiliger ließ 1791 in der Eilenriede
beim Pferdeturm eine länger bekannte schwache Schwefelquelle, der heil-
kräftige Wirkung zugeschrieben wurde, fassen und an dem viereckigen,
sandsteinernen Brunnengehäuse die Inschrift anbringen:
Westseite:
FONTI INEST NUMEN HOSPES VENERARE LIQVOREM E.A.HEILIGER.
Nordseite:
VENI VIDE RIRE.
Ostseite:
UNDE BIBENS HAU SIT LATIGEM SANCTORIVS OLIM MDCCXCIV.
„Die Quelle war ein beliebtes Ziel der lustwandelnden Hannoveraner"
(Hausmann, Erinnerungen, S. 22).
739
Mühlen.
Wassermühlen.
L)ie Mehrzahl der Mühlen im Stadtgebiet erscheinen in früher Zeit
als landesherrliches bzw. dynastisches Eigentum und sind es auch später
gewesen. Meist waren die Mühlen als Lehen oder Pfand vergeben; bei
einigen wird erwähnt, daß sie dem Herzoge einen Getreidezins zu zahlen
schuldig waren (s. Jürgens, H. G. 1929, S. 63). In der Mitte des
14. Jahrhunderts, mit der Ausdehnung des städt. Rechts, zieht die
Stadt das Eigentum an den Mühlengerechtigkeiten an sich.
klickmühle Das starke Gefälle und die Flußspaltung, die den Ottenwerder bildete
beim Eintritt der Leine in das hannoversche Weichbild, bot die besten
Bedingungen zur Anlage einer Wassermühle, so daß der Vorrang als
ältester der dort liegenden Klickmühle zuerkannt werden darf.
Das in einer Urkunde vom Jahre 1226 (Urk. B. 5) genannte
„molandinum Hoinovere" - schlechthin „die Mühle von Hannover"
ist die Klickmühle. Die von Roden hatten diese Mühle von den Edel-
herren von Meinersen zu Lehen. Drei Urkunden vom 15. Juni des Jahres
1347 (Urk. B. 246, 247, 248) betreffen den Verkauf des Ottenwerders
und der ,,Klikmoelen, de ghelegen is bi der muren to Honovere" an den
Rat der Stadt und die Bürgerschaft. Der Rat baute 1442 die Mühle neu,
daher sie auch als Neue Mühle bezeichnet wird.
Die Klickmühle bestand aus drei Kornmühlen; sie ist als Mahlmühle
1897 aufgegeben und abgebrochen worden. An ihrer Stelle ist die neue
Flußwasserkunst eingerichtet.
Zur Baugeschichte der Klickmühle enthält ein heute an der Fluß-
wasserkunst eingelassener Inschriftstein von 1615 wesentliche Angaben
(s. unten). Das Corpus bonorum von 1720 teilt mit, das Mühlengebäude
sei anno 1712 neu erbaut worden. Zum Gewese der Mühle gehörten
einige Stallungen an der Stadtmauer für des Mühlmeisters Vieh. Mehrere
Abbildungen stellen das Äußere der Mühle dar, wie es im 19. Jahrhundert
beschaffen war.
740
Klickmühle
Der Inschriftstein von 1615 ist eine hochrechteckige Tafel ans Deister-
sandstein H. = 1,95 + Br. = 1,()<S, und enthält im oberen Drittel in ein kreis-
rundes Feld eingetieft und umgeben von Beschlagornament das hanno-
versche Stadtwappen. Meister des Steines ist entgegen Schuchhardt
Rechts: Abb. 521. Hannover; Brückmühle,
Inschriftstein mit Stadtwappen, 1670.
Unten: Abb. 520. Hannover; Klickmühle,
Stein mit Stadtwappen mit Bauinschrift, 1615.
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.L-MTE-tML «mt Y. L MCE j'"
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<■■■ \ ■
(B. d. B., Nr. 53) urkundlich Hans Nottelmann. Die unteren zwei Drittel
des Steines werden von der Inschrift eingenommen (Großbuchstaben):
ANNO 1612 IST AN DER KLIP- UND FLOTH / MÜHLEN UND 1614
AN DER BEUTERST MUH / LEN DIE HERDE- UND GRUNDTWERCK
GANTZ / UND AN DEN HEUSERN DAS MEURWERCK MERER / THEILS
AUS DEM GRUNDE NEWE GEBAWT, DIE / FUNDAMENT VIEL TIEFFER
ALS UNTEN DIE / FULPFEHLE BEFUNDEN GELECHT, DARAUF ERST- /
741
Mühlen
LICH QUADERNSTUCKE DIESELBEN MIT EINEM / FESTE MEUR-
WERCK UBERMEURET UNDT OBEN WIDER MIT BREIDEN STENERN
ÜBER- LECHT UND BEFESTET WURDEN, DIE FLOTH /MÜHLE UF
NEWE ARTH MIT HANGENDEN /GETZEUGE FUNDIRT, DIE GRUNDT-
BEUME / ABER IN VORIGER SCHRODUNG WIEDER / GELECHT.
ANNO 1615 DER SCHNELLE / GRABE UF ('.LEICHE ABTH AUCH
NEW / AUS DEM GRUNDE GEBAWET. COT ER / HALTE DIE GE-
BEWDE LANGE,
brückmühle Auf dem Ottenwerder selbst, rechtsufrig des Brückmühlenarmes,
lag eine zweite Mühle, 1329 Brucmole juxta Honovere genannt (.Jürgens,
unveröffentlichte Urkundenauszüge, n. 163). Eine bei Grupen (Orig.,
Seite 387) abgedruckte Urkunde vom Jahre 1330 nennt die Mühle eben-
falls. Die von Roden hatten die Mühle vom Herzoge zu Lehen. 1356 er-
warb die Stadt das Obereigentum, während die Nutzung die von
Roden bis 1386 beibehielten. In diesem Jahre übertrugen die Herzöge
Wenzeslaus, Friedrich und Bernhard das Eigentum dem Rate zugunsten
der Armen im Hospital St. Spiritus. Die beiden Kornmühlen, aus denen
die Brückmühle bestand, werden später als Rats-Kornmühlen bezeichnet.
Das Corpus bonorum von 1720 (H. G. 1906, S. 231) gibt an, daß im
Jahre 1563 eine Flutmühle neu gebaut sei; diese sei aber 1626 zur Loh-
Abb. b'Z'l. Hannover; Brückmühle, Grundriß. Gez. 1711 von Vick.
742
Luchtenmühle
mühle umgewandelt, weil die Lohmühle vor dem Leintore in den Kriegs-
läuften durch dänisches Militär zerstört worden war. Für das Jahr 1572
wird eine Erweiterung verzeichnet: ,,l)er äußerste Mühlenheerd" und
eine Walkemühle wurden gebaut. Schließlich ist 1586 und - - der unten
wiedergegebenen Bauinschrift zufolge - - abermals 1670 die ganze Mühle
von Grund auf neu gebaut. Die Mühle ist im Zustande von 1711 durch
G. Vick dem Grundriß nach aufgenommen (Stadtarchiv, Kart. M. I.).
Die Zeichnung gibt die Lage der damals vorhandenen Mühlengänge und
zweier neu anzulegender an. Als Ergänzung zu den Angaben dieser Abb. r.22
Zeichnung finden sich im Corpus bonorum von 1720 weitere Bemerkungen.
Die alte Brückmühle ist 1858 wegen ihrer Baufälligkeit abgebrochen
und 1859 — 61 durch Droste von Grund aus neu errichtet. Zur Gründung
bedurfte es eines Pfahlrostes auf 600 Pfählen.
Inschriftstein. Ein die Brückmühle betreffender Bauinschriftstein
von 1670 (Reiche, Inscriptiones Ms., Stadtarchiv) ist heute an der neuen
Flußwasserkunst angebracht. Der Stein von 1670, H. = 1,91, Br. = 1,19,
ist von ähnlicher Gliederung wie der bei der Klickmühle beschriebene. Abi>. 521
Oben in Rundmedaillon das Stadtwappen, darunter auf nahezu quadra-
tischer Fläche die Inschrift in Großbuchstaben. Als Meister vermutet
Schuchhardt (B. d. R., Nr. 115) einen Bildhauer aus dem Kreise Küsters.
Die Inschrift lautet :
ANNO 1670 IST AUF DER HERRN / BÜRGERMEISTERE DES RATHS
UND / DER HERRN GESCHWORNNEN BEWIL / LIGUNG DIESE FLOT-
MÜHLE AUS DEM / GRUNDE NEWE WIEDER AUFGEBAWET /4 FUS
BREIDER UND 4 FUES LENGER/; IM GLEICHEN SEIN DIE DEHL:
FLOT / MÜHLEN: UND FREY: RENNEN /WIE AUCH DER GRUNDT-
BAUM MIT / SEINER ZUBEHÖRUNG GÄNTZ / NEW GEMACHT UND
DER HEERDT / NACH NOTTURFFT AUSGEBES / SERT: GOTT ER-
HALTE DIESE GE / BEUDE VIELE JAHR IN GUTEN STANDE /
BAWMEISTERE SEIN GEWESEN / J. H. HANS BABTELDES / J. H.
H INR ICH ALERDES.
Der westlich des Brückmühlenstranges nach dem Neustädter Gebiet luchtenmühle
zu verlaufende Leinearm, der in der Gegend des Archives und der Brand-
straße zwei Inseln bildete und 1377 als Ihme bezeichnet wird, trieb bereits
im 14. Jahrhundert drei Mühlen. Die Nachrichten über diese sind oft
schwer auseinanderzuhalten. Die Neustadtbefestigung 1641 hat dem
Bestände der drei Mühlen ein Ende gemacht.
Anscheinend ist die an der Seite des Eilikenwerders belegen gewesene
Mühle, die nach dem Müller Buchte (Urk. B. 154, 1325) genannte
Luchtenmühle. Der Ritter Wulbrand von Reden besaß sie 1312 zum
Pfände von der Landesherrschaft (Urk. B. 110). Nach dem Corpus
743
Mühlen
bonorum von 1720 ist die Mühle im Jahre 1 127 vom Rate übernommen.
Später befand sich hier die Ratssägemühle, die unter Verwaltuni» eines
Ratszimmermeisters stand (II. G. 1927, S. 235).
danzelmühle T 1 1 gleicher Höhe mit der vorigen auf der einen (h'v beiden Leine-
inseln lag die Danzelmühle novum molendinum in pratis (Urk.
B. 115, 1314) oder de nie molen bi der Danzelmersch (1371, .Jürgens
Urkundenauszüge Ms.) genannt. Die Mühle hatte 1314 samt der weiter
unterhalb gelegenen Trippenmühle der Ritter Heinrich von Wetbergen
von der Landesherrschaft pfandweise erhalten. 1351 wurden Johan
Snellegreve und Jordan Reynoldung damit belehnt, die sie 1358 an das
Heilige-Geist-Stift verkauften ad manus consulum (Urk. B. 303 und 373,
auch Corpus bonorum von 1720). Die Mühle war Mahlmühle, 1458 war
eine Walkemühle mit ihr verbunden (H. G. 1927, S. 236. Nach Redecker
(Chronik, S. 4<S2) wurde 1552 bei der Danzelmühle auch eine Kupfer-
mühle gebaut. Im Jahre 1614 ist die Mühle „fast ganz neu aus dem Grunde
gebaut" (Chronik, S. 579).
hamel- odeb Die auf der anderen Leineinsel belegene Hamel- oder Trippenmühle
trippenmühle f^ß S() n;)ch dem Mü]ler Lehnsinhaberin wurde 1331 die Müllerswitwe
Mechthild Trippen. Noch 1384 war ein Johann Tripp der Müller; seit
1377 war das Eigentum an das Heilige- Geist-Stift übertragen. Die Mühle
war eine Lohmühle; später war eine Pulvermühle damit verbunden,
die 1589 in die Luft flog, worauf sie als Oelmühle erneuert wurde.
hofmühle Die oft mit der Hamelmühle verwechselte, am Osthange des Lauen-
roder Berges belegene Hofmühle - - ihre Stelle war der untere Teil der
heutigen Langen Straße — erwähnen Urkunden von 1316 und von 1329
(Urk. B. 130 und 166) als im Besitz von hannoverschen Bürgern
befindlich. Sie wurde 1357 (Urk. B. 360) von der Stadt angekauft.
stapelmühle Die am Austritt der Leine aus dem Weichbilde gelegene Stapelmühle
wird schon 1303 im Bürgerbuche genannt, wo unter den neuen Bürgern
„Conradus molendinarius de Stapelmolen" aufgeführt ist. Sie lag in der
Gegend der späteren Schleifmühle (Urk. B. 116, Anm. I). Der Rat
kaufte die Mühle von den von Alten im Jahre 1384. Sie ist 1440 ein-
gegangen (Patje, S. 80/81).
schleifmühle Die Glasur- und Schleifmühle findet sich angegeben auf einer Karte
etwa aus dem Jahre 1781 (Stadtarchiv M. VII., Nr. 29).
Windmühlen.
Die 1558 erbaute Windmühle auf dem Himmelreich-Rondell gehörte
der Stadtkämmerei, ist später auf das Bähren-Rondell und von da im
744
Göpelmühlen
Jahre 1747 auf die Sparrenberg-Rastion verlegt. Nach deren Demo-
lierung übertrug man sie nach der Gegend der heutigen Sextrostraße.
Auf der Südwestbastion der Neustadt geben die Stadtansichten eine
Bockwindmühle an. Sie war eine Zeitlang dem Zimmermeister Dietrich
Heinsohn verpachtet und ging um 1760 ein.
Göpelmühlen.
Daß eine ,, Hersemole" im Großen Wulveshorne bestanden habe,
besagt eine Urkunde aus dem .Jahre 1334 (Grupen, Origines, S. 285,
und Urk. 190). Ob die Bezeichnung als ,, Boßmühle" gedeutet werden
kann, ist ungewiß. Um 1 132 hielt der Bat ebenda eine Roßmühle, an-
scheinend aber nur etwa ein Jahrzehnt lang. Gegen 1531 richtete der
Bat an der Burgstraße die Boßmühle ein, die der Sackgasse, in der sie
lag, ihren Namen gab.
745
Wehre.
Diner der natürlichen Überfall- und Durchbruchsgräben, welche
oberhalb der Stadt das überfließende Leinewasser zur Ihme ableiteten,
wird im Stadtprotokollbuche ad anniim 1449 genannt; ad 1474 wird
„de Were" daselbst erwähnt. Das hier gemeinte Überfallwehr lag bei
Bella Vista. Das 1 876 zugeschüttete „Englische Loch" war der letzte
Rest des Grabens. Der gleiche oder ein anderer der Gräben heißt im
Anfange des 17. Jahrhunderts „Schneller Graben" und hatte damals
ein Überfallwehr. Nach Grupens Meinung (Origines S. 69) ist der Name
älter und hängt zusammen mit der Bürgerfamilie Snellegrave, die sich
1351 im Mitbesitz der Ihmemühle, d. h. der Danzelmühle an dem ge-
legentlich Ihme genannten äußeren Mühlenstrang der Leine, befindet.
Infolge der mit der Neustadtbefestigung zusammenhängenden Zu-
schüttung des äußeren Mühlenstranges geschah 1651 ein Durchbruch
der Leine durch den heutigen Bella- Vista- Garten. Diesen Durchbruch
hat Duve, der gerade das erforderliche Material dazu wegen des Baues
des Kreuzkirchturmes liegen hatte, abgedämmt, indem er den Damm
zwischen der heutigen Bella- Vista-Brücke und dem Schützenhause an-
legte, den sogenannten „Duvendamm". Der Durchbruch bei Bella Vista
Abb. 523. Hannover; Schneller Graben. Phot. 1900.
746
Der schnelle Graben
gab später den Anlaß zur Verbreiterung und Befestigung des Schnellen
Grabens an der jetzigen Stelle, nachdem vorher die Landesregierung
einen anderen Plan hatte ausarbeiten lassen, der die Anlage eines neuen
Überfallwehres zwischen dem Englischen Loch und dem Schützenhause
bezweckt hatte.
Die Ausführung des Überfallwehres an der Stelle des heutigen Schnellen der schnelle
Grabens geschah 1732. Eine Zeichnung davon gibt Redecker, Chronik GRABEN
S. 693. Nach den Winterf] uteri 1737/38 und 1739, die das Wehr stark
beschädigt hatten, riß am 25. Juli 1739 eine Flut die Mauern weg. Erst
1742 begann man den Neubau, bei dem Material des soeben abgebrochenen
Steintorturmes verwandt sein soll. Die Arbeiten dauerten bis zum
Herbst 1745, wie ein von Job. Friedr. Ziesenis gearbeiteter Stein mit
Kleeblattwappen an der Brüstungsmauer angibt.
Das mit Schützen versehene Überfallwehr besteht aus drei schrägen, Abb. ö2:s
in Sandstein hergerichteten und zwischen den Uferkajen und zwei abge-
treppten Pfeilern eingespannten Bahnen, die das überfallende Wasser
zu der fast 3 m tiefer liegenden Ihme hinabschießen lassen.
747
\Yerkanlagen
2 W
ia
a, s
748
^D
Werkanlagen.
Der Stadt-Holz- oder -Bauhof befand sich 1352 auf der Burgstraße bauhof
„auf der Ecke an dem Stadtmauerturm, da durch jetzo das neue Thor
gehet" (Bedecker, Chronik S. 25.S).
Mehrere brauberechtigte Bürger traten 1753 zu einer Brausozietät brauhai s,
zusammen, um gemeinsam brauen zu lassen. Zu diesem Zwecke kaufte Köbehnserstraße !-
die Sozietät zwei Häuser an der Bullenstraße (Bedecker, S. 1070; H. G. 1907,
S. 360) an, verlegte aber 1794 ihren Betrieb nach der Köbelingerstraße
in drei Häuser, in deren einem bislang eine Zuckersiederei betrieben
worden war. Nach einem Brande 1827 wurde ein ganz neues, massives
Gebäude im Jahre 1830 aufgeführt, in dem seit März 1831 gebraut werden
konnte. Das Gewese bestand nun aus einem Hause für die Verwaltung,
zugleich als Wohnung für Brau- und Mulzmeister, aus dem Brauhause,
in dem unten drei Bäume zum Brauen von Broyhan-, Braun- und Lager-
bier sich befanden, während oben darüber zwei massive Malzdarren
lagen, und schließlich aus dem Malzhause, das sieben Böden und einen
Keller enthielt. Die Brauerei wetteiferte, wie Brönnenberg (a. a. O.,
S. 80) sagt, an Zweckmäßigkeit der Anlage' mit jeder anderen in Nord-
deutschland. Das in Ziegeln gebaute, unverputzte Brauhaus besteht noch.
In der Tuchbereitung wurden zur Erzielung der ,, Badengleichheit" rehmen
Spannrahmen verwandt, überdachte Anlagen, die auf mehreren Höfen
an der Stadtmauer im Wulveshorn und längs der Osterstraße bestanden.
Ein derartiger „Behmen" auf dem Grundstücke an der kleinen Packhof-
straße 13 wird 1495 genannt und war dort noch 1608 in Gebrauch (H. G.
1926, S. 81).
Ein städtischer Boesehof befand sich außerhalb des Ägidientores roesen
bei der Einmündung des Schiffgrabens in die Masch, wo der Name des
in der Mitte des 16. Jahrhunderts abgebrochenen ,,Boeserondels" auf
seine einstige Lage deutet. Eine zweite städtische Boese lag bei den Kalk-
steinbrüchen auf dem Lindener Berge, von der aus Kalk an die Dörfer
der Umgegend abgegeben wurde. Der 1179 zuerst im Hausbuche ein-
getragene ,, Boesehof" im Wulveshorn beim Johannishofe trägt seinen
Namen nicht nach einer Boese, sondern hieß richtig ursprünglich Bode-
hof (H. G. 1926, S. 82).
749
Werkanlagen
Das Brennholz wurde zur Roese an der Masch ebenso wie für den
Ziegelhof (s. daselbst) auf dem Schiffgraben herangeführt. Nach den
Lohnregisterauszügen von Mithoff (s. Zs. d. bist. Vereins f. Niedersachsen
1N71, S. 1(S7) war (\cv Roeseofen eine Art von Meiler mit einer gemauerten
Vertiefung (rosehol) von runder oder anderer Grundform und gemauerter
Halsöffnung (munt der roze). Die gestapelten Kalksteine wurden mit
einer Strohlehmschicht umgeben und der Ofen dann entzündet. Ein
Meister und seine „rozevente" besorgten die Roese.
ziegelhof Die Einrichtung des städtischen Ziegelhofes steht mutmaßlich mit der
Erbauung der Marktkirche in Zusammenhang. Seine früheste Nennung
findet sich 1371. Der Ratsziegelhof lag ursprünglich an der Masch, südlich
des städtischen Roesehofes, bis wohin die Feuerung aus dem Ratstorf-
moore an die Tongruben durch ,,dat Tegelscheep" (Grupen, Origines,
S. 71) herangebracht werden konnte. Er wurde 163cS auf fürstliches Ver-
langen von dort nach dem Reenkolke am Engesohder Berge verlegt;
auf seiner ehemaligen Stätte richtete man den Apothekengarten ein.
Über die Bedeutung des Ziegelhofes geben die Ziegeleiregister im
Stadtarchive Auskunft. Im Jahre 1399 lieferte der städtische Ziegelhof
2000 kleine und 2000 große Dachziegel für den Bau des Barfüßerklosters;
1 134 eine Anzahl von großen Ziegelsteinen an Marienrode. 1476 wurden
in 14 Öfen 209960 Steine gebrannt; in anderen Jahren mehr. So waren
1531 26 Ölen in Brand, ein 27. mußte vorgerichtet werden. 1531 erfolgte
Abb. r>24 n. :>25 ein Neubau der Ziegelei. Zeichnungen des Ziegelhofes liegen erst aus der
Mitte des 18. Jahrhunderts vor (Stadtarchiv, Karten-Mappe II).
75Ü
Ehrenmäler.
Durch private, 1787 eingeleitete Subskriptionen wurden die Mittel leibniz-
zusammengebraeht, um dem großen Gelehrten Leibniz gegenüber dem MONUMENT
Archive, der Stätte seines Wirkens, auf dem Esplanadeplatz ein Monument
zu errichten. Der König stiftete dazu eine größere Summe und hat später
die Unterhaltung des Ehrenmals übernommen.
Abb. .">26. Hannover; I.eibniz-Denkmal von SO. Phot. M. B. A., 1928.
751
Ehrenmäler
\i)h.
Abb. 527. Hannover; Standbild des Generals von Alten, Am Archive. Phot. 1897.
Die Risse des in Tempelform gedachten Denkmals im ganzen wie in
den Einzelheiten fertigte der Hofrat Ramberg, der Vater des Malers;
auch die Ausführung unterstand seiner Leitung (Wilh. Lohmann, a. a. 0.,
S. 75). Die Büste modellierte Hewetson in Rom; sie ist 1790 fertig ge-
worden. Die Inschrift „GENIO LEIBNITII" hat der Göttinger Philologe
Heyne erdacht (Brönnenberg, S. 71).
Das auf einem Reste des Esplanadeplatzes als point de vue errichtete
Monument ist ein zwölfsäuliger offener Rundtempel aus Sandstein mit
,26 Flachkuppel, in dessen Mitte die Kolossalbüste Leibniz' auf einfachem,
vierkantigem Postament beides aus weißem Marmor - steht. Erst
Laves gab der Anlage des Exerzierplatzes (späteren Waterlooplatzes)
die Achse, welche den Leibniztempel in eine Nebenstellung versetzte.
STANDBILD DES
GENERALS
VON ALTEN
Dem Führer der hannoverschen Truppen in Spanien und bei Waterloo,
General K. von Alten, wurde 1849 das Standbild vor dem Archivgebäude
an der Seite des Waterlooplatzes gesetzt. Die von Kümmel modellierte
Abb. r.27 Figur des Generals besteht aus Bronze, das Postament aus grauem Marmor.
752
Waterloosäule
Dem am LS. November 1851 verstorbenen Könige Ernst August reiterstand-
setzte man auf dem Bahnhofsplatze ein Reiterstandbild. Die Grund- BILD DES KÖNIGS
steinlegung fand am 5. Juni 1861 slaü. Der Sockel ist ein monolither
Granitblock ans dem Harz. Die
Abb. 5E8. Hannover; Waterloosäule. Entwurf signiert:
Laves inv. et fiel. Ohne Jahr. Staatsaich., Karten I. 1.
Figur des Königs zu Pferde wurde vom
Bildhauer A. Wolff in Berlin
modelliert. Der König isl in
Husarenuniform auf sehrei-
tendem Roß dargestelll. Den
Bronzeguß führten Bernstorff
und Eichwede in Hannover
ans. Die feierliche Ent-
hüllung des Denkmals geschah
am 21. September 1861 (Nähe-
res s. Sievert, S. 97).
Zur Feier des lOO.Geburts- schiller-
lages Friedrichs von Schiller, denkmal
1859, huldigte die Stadl den
Manen des Dichters vor einer
auf dem Theaterplatz aufge-
stellten Kolossalfigur Schi Hers,
die von Bändel aus Gips
und Leinwand hergestellt war.
Man beschloß an diesem Tage
die Errichtung eines Ehren-
denkmals für Schiller. Die
Ausführung wurde später dem
Bildhauer Harald Engelhardt
übertragen; das Modell isL
in Bronze gegossen durch
Bernstorff und Eichwede.
Am Sterbetage des Dichters,
dem 9. Mai 1863, konnte das
auf dem Georgsplatze aufge-
stellte Monument mit einer
Feier enthüllt werden.
Nach handschriftlichen Aufzeichnungen von Laves, dem Erbauer waterloosäule
der Waterloosäule (abgedruckt „Hannoversches Tageblatt", 30. März
LS(S 1 : „Einige Bemerkungen und Nachrichten, die Erbauung des Water-
loomonumentes in Hannover betreffend"), hat Laves 1816 nach seiner
Rückkehr von England sich an einem schon im Juni des gleichen .Jahres
ausgeschriebenen Wettbewerbe mit drei Entwürfen für ein Denkmal der
in der Schlacht bei Waterloo Gebliebenen beteiligt.
48 753
Ehrenmäler
Der erste Entwurf plante eine 70 Fuß hohe Säule auf einem mit er-
Abh. 52s oberteii Kanonen verzierten Postamente stellend und gekrönt von einer
bronzenen Siegesgöttin auf dem gegenüber dem Schlosse einzurichtenden
Esplanadeplatz.
Der zweite Entwurf sah einen mindestens 200 Fuß hohen Sandstein-
obelisken auf einem Stufenunterbau vor. Das Denkmal sollte am Ende
der Georgstraße bei der Ägidienneustadt seinen Platz finden.
Abb. 529. Hannover; Waterloosäule. Phot. 1900.
Endlich der (bitte Entwurf schlug auf dem Lindener oder dem Tönjes-
berge einen Rundtempel vor, unter dessen Mitte eine Statue Wellingtons
und an dessen Wänden in Nischen die Büsten anderer Befehlshaber von
Waterloo aufgestellt werden sollten.
Der erste Entwurf von Laves fand unter den von anderen Künstlern
vorgelegten Entwürfen (.Wn Vorzug des Komitees und wurde zur Aus-
führung gewählt.
754
Waterloosäule
Bei der Anwesenheit des Königs Georg IV. in Hannover im Jahre 1<S21 Abb. 521»
genehmigte dieser die Ausführung des gewühlten Entwurfes und be-
stimmte den vorgeschlagenen Platz zwischen Esplanade und Schloß zur
Errichtung des Denkmals. Die Ausführung verzögerte sich indes. Laves
legte nun 1X20 mehrere Entwürfe zur Erweiterung des Paradeplatzes
mit besonderer Berücksichtigung des Waterloomonumentes vor. Der
vom Könige genehmigte Plan gab dem Platze die Ausdehnung von
800 x 100 Fuß ohne die Halbkreisausbuchtung gegen die Ohe hin. Im
Hintergrunde des Platzes auf dem auszufüllenden Stadtgraben sollte das
Monument gegründet werden. Die Alleen zum Calenberger Tore einer- Abb. 530
seits über cWn damals noch bestehenden Wall und andererseits zu dem
neu anzulegenden Tor in der Richtung auf das Schützenhaus gehörten
zum Projekte. Da bei dessen Ausführung im Jahre 1828 die Begrenzung
des Platzes in Rücksicht auf die bereits im Bau befindliche Jägerkaserne
noch erweitert wurde, gelangte man für das Monument zur Annahme
eines größeren Maßstabes: die Höhe der Säule samt dem Postamente
wurde auf 156 Fuß festgesetzt ; die Säule sollte im Innern mit Treppen
versehen werden.
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Abb. .">30. Hannover; Plan zur Anlage des Waterlooplatzes von Laves. Original Stadtarch., Karten L 1.
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I luvnmüler
Die Gründung des Denkmals halle Schwierigkeiten zu überwinden,
deren man Herr wurde durch die Versenkung von 36 je I Fuß im Quadrat
haltenden, aus Quaderplatten konstruierten Kästen, welche man nach der
Versenkung ausmauerte. Der Aufbau der Säule war im Frühjahr 1832
zu Ende geführt. Die Victoria, nach einem Modell des Bildhauers Hengst
in Kupfer getrieben von den Blechschmieden Conrad und Franz Beck-
mann, war am 8. Juni 1832 fertig aufgestellt. Die Einweihung des Monu-
mentes fand unter großer Pompentfaltung am 17. Jahrestage des Sieges
von Waterloo statt (18. .Juni 1832).
Das 64,7 m hoho Siegesdenkmal aus Barsinghäuser Sandstein steht
auf einem sechsstufigen Sockelunterbau. Die Säule selbst von 47 m
Höhe erhebt sich auf kubischem Postament, an dem die Namen der
Gefallenen verzeichnet sind, und ist nach toskanischer Ordnung mit
Kannelierungen gebildet. Oberhalb der Deckplatte ist auf hoher Sand-
steintrommel die auf einer Kugel schwebende Siegesgöttin aufgestellt.
Die 6,30 m hohe Figur trägt in der gesenkten Linken zwei Kränze als
Widmungsgabe für die Gefallenen, während die erhobene Hechte den
Siegern einen Kranz zu bieten scheint. Die kühne Haltung der Figur
und die Entfaltung ihrer Schwingen erforderte ein sorgfältig konstruiertes
Eisengerüst und eine geschickte Verankerung.
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N
6874
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Bd.l
Heft 1
Die Kunstdenkraäler der
Provinz Hannover
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