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Full text of "Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover"

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University  of  Toronto 


http://archive.org/details/diekunstdenkmlerb1  h1  hann 


DIE  KUNSTDENKMÄLER 
DER  PROVINZ  HANNOVER 


HERAUSGEGEBEN  VOM  PROVINZIAL- 

AUSSCHUSS  UND  LANDESDIREKTORIUM 

DER  PROVINZ  HANNOVER 


I.  REGIERUNGSBEZIRK    HANNOVER 
HEFT  1   UND  2 


STADT   HANNOVER 

BEARBEITET  VON 
ARNOLD  NÖLDEKE 


SELBSTVERLAG  DER  PROVINZIALVERWALTUNG 
THEODOR  SCHULZES  BUCHHANDLUNG,   HANNOVER 

1932 

HEFT  19  UND  20  DES  GESAMTWERKES 


KLISCHEEHERSTELLUNG  UND   DRUCK 

G  E  R  R  Ü  D  E  R    JÄNECKE, 
DRUCK-UND  VERLAGSHAUS,  HANNOVER 


I. 

DENKMÄLER  DES  „ALTEN" 
STADTGEBIETES  HANNOVER 

(EINGEMEINDUNGSSTAND    BIS    1.  JANUAR    1870) 


BAND 


MIT  8  TAFELN  UND  530  TEXTABBILDUNGEN 


Inhaltsverzeichnis: 

Seite 

EINLEITUNG l 

WEICHBILDENTWICKLUNG 21 

BEFESTIGUNG 41 

GEISTLICHE  GEBÄUDE  UND  ANLAGEN: 

Kirchen  und  Kapellen 75 

Klöster  und  Ablader  geistlicher  Orden 215 

Stifter 229 

Friedhöfe 249 

HÖFISCHE  GEBÄUDE  UND  ANLAGEN: 

Leineschloß 261 

Residenzpalais'  und  Ablager .'50  1 

Hofmarställe  und  Zubehörungen 321 

AMTSGEBÄUDE: 

Archiv 329 

Gerichtsgebäude 337 

Konsistorium 339 

Münzstätten 341 

Rathäuser 345 

Regierungsgebäude 370 

Ständehäuser 373 

Waage 378 

MILITÄRISCHE  GEBÄUDE  UND  ANLAGEN: 

Behörden 379 

Kasernen  und  Zubehörungen 383 

Lehranstalten 391 

Ratsmarstall 392 

Wachgebäude 394 

Zeughäuser   und  Zubehörungen 396 

WOHNGEBÄUDE: 

Höfe  und  Häuser  des  Adels 407 

Bürgerhäuser 435 

Fachwerkbauten  bis  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 439 

Massiv-  und  Mischbauten  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  .  444 

Wohnbauten  seit  der  2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  . 449 

Liste  der  Bürgerhäuser 15  1 

GEBÄUDE  UND  ANLAGEN  VERSCHIEDENER  ZWECK- 
BESTIMMUNG: 

Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 641 

Gesundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten 663 

Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof 677 

Schulgebäude,  Theater  und  Museen 691 

Strafanstalten 716 

TECHNISCHE  BAUTEN  UND  ANLAGEN: 

Brücken 719 

Brunnen  und  Wasserwerke 727 

Mühlen 740 

Wehre 746 

Werkanlagen 749 

EHRENMÄLER 751 

IV 


Vorwort. 


Die  Provinzialkommission  zur  Erhaltung  und  Erforschung  der  Denk- 
mäler in  der  Provinz  Hannover  hat  in  ihrer  Sitzung  vom  24.  Juni  1920 
mit  Rücksicht  auf  die  damaligen  Zeitumstände,  die  der  Fortsetzung 
der  Denkmalaufnahme  Beschränkungen  auferlegten,  beschlossen,  die  Be- 
arbeitung der  Denkmäler  in  der  Stadt  Hannover  in  Angriff  zu  nehmen, 
weil  sie  Reisekosten  nicht  erforderte.  Sie  entschied  sich  aber  für  eine 
ausführliche,  der  Bedeutung  der  Landeshauptstadt  entsprechende  Be- 
handlung des  Stoffes.  Die  Bearbeitung  wurde  dem  Dr.  phil.  A.  Nöldeke 
übertragen. 

Während  für  die  Denkmälerverzeichnung  allgemein  als  Zeitgrenze  das 
Jahr  1870  festgesetzt  ist,  mußte  hinsichtlich  der  örtlichen  Umgrenzung 
das  Stadtgebiet  gelten  gemäß  dem  Umfange,  den  es  zur  Zeit  der  Be- 
arbeitung hatte.  Die  topographisch-politische  Einheit,  welche  das  Stadt- 
gebiet Groß-Hannover  gegenwärtig  darstellt,  blieb  während  der  Bear- 
beitung nicht  unverändert:  sie  erweiterte  sich  namentlich  auf  die  in 
Hinsicht  auf  das  Denkmalinventar  wichtigen  beiden  Bezirke  Herrenhausen, 
den  Schloß-  und  Gartenbezirk  und  den  Gutsbezirk  Herrenhausen  und  das 
Kloster  Marienwerder.  Diejenigen  im  Stadtgebiet  Hannover  aufgegan- 
genen, ehemals  politisch  selbständigen  Einheiten,  welche  als  zugehörig 
zu  den  Landkreisen  Hannover  oder  Linden  im  ersten  Inventarbande  von 
1902  bereits  behandelt  waren,  sind  im  vorliegenden  Bande  in  Überar- 
beitung aufgenommen,  so  daß  in  dieser  Hinsicht  eine  Neuauflage  des 
vergriffenen  Bandes  des  Inventarwerkes  I.  L,  Landkreise  Hannover  und 
Linden,  vorweggenommen  ist. 

Eine  topographische  Stoffanordnung,  welche  das  alte  Stadtgebiet 
Hannover  nach  dem  Begriffe  vom  1.  Januar  1870  herausstellt  gegen- 
über dem  späteren  Zuwachs  an  ehemals  politisch  selbständigen  und  mit 
eigener  Geschichte  herangewachsenen  Gemeinden,  schien  sich  also  zu 
empfehlen. 

Außer  in  Mithoffs  Arbeiten  hat  die  Denkmalverzeichnung  in  der 
Stadt  Hannover  Wegbereitung  gefunden  in  der  mannigfaltigen  Stoff- 
sammlung, welche  in  den  Hannoverschen  Geschichtsblättern  niedergelegt 
ist.  Unter  den  Autoren  sind  Namen  vertreten  -  der  Zeitfolge  nach 
geordnet  — wie  Jürgens  f,  Schuchhardt,  Engelke,  Peßler,  Habicht,  Riemer  f, 

V 


Haiig,  Leonhardt.  In  die  Ziele  dieser  Zeitschrift  hat  vor  einem  Menschen- 
alter ihr  Begründer  und  Herausgeber,  der  inzwischen  verstorbene  Stadt- 
archivdirektor Dr.  Jürgens,  die  Wegbereitung  für  ein  künftiges  Denkmäler- 
inventar  bewnüt  einbegriffen.  Dies  an  dieser  Stelle  anzuerkennen  und 
zugleich  aller  durch  ihn  der  vorliegenden  Arbeit  zuteil  gewordenen  un- 
mittelbaren Förderung  dankbar  zu  gedenken,  ist  uns  Flucht.  Als  Amts- 
nachfolger von  Jürgens  sowie  vorher  als  Privatgelehrter  hat  Herr  Dr. 
Leonhardt  von  Anbeginn  seine  unmittelbare  Anteilnahme  der  Arbeit 
zugewendet;  seine  wissenschaftliche  Freigebigkeit  ist  ihr  ständig  zugute 
gekommen;  das  abgeschlossene  Manuskript  hat  seiner  Durchsicht  unter- 
legen, und  die  Wahl  der  Abbildungen  ist  vielfach  von  ihm  beraten.  In 
aufrichtiger  Verbundenheit  heben  wir  daher  Leonhardts  verdiente  Mit- 
wirkung gebührend  hervor.  Daß  eine  derartige  Mitwirkung  auch  dienstlich 
geschehen  konnte,  wird  dabei  dem  verständnisvollen  Wohlwollen  des 
Herrn  Senators  Dr.  Engelke  verdankt.  Die  zeichnerischen  Aufnahmen 
sind  größtenteils  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Landesbaurat  Darr  her- 
gestellt; seiner  Hand  entstammen  zahlreiche  Reinzeichnungen;  seine 
vielfache  Beratung  darüber  hinaus  verpflichtet  den  Bearbeiter  zu  freund- 
schaftlichem Dank.  Herrn  Vermessungsdirektor  Siedentopf  werden  außer 
freundlichen  Mitteilungen  aus  seinen  Forschungsgebieten  Photographien 
und  Pläne  verdankt. 

Der  Magistrat  der  Stadt  Hannover  hat  eine  amtliche  Anteilnahme 
an  der  Herausgabe  des  Denkmälerwerkes  über  die  Hauptstadt  der  Provinz 
durch  die  Übernahme  eines  großen  Teiles  der  Druckkosten  und  jede 
mögliche  Förderung  der  Bearbeitung  bekundet.  Er  ist  an  der  Druck- 
legung selbst  durch  die  Hergabe  von  Abbildungen  beteiligt,  für  die  er 
das  Recht  der  Wiedergabe  im  Druck  besitzt,  und  hat  eine  Anzahl  von 
Druckstöcken  zur  Verfügung  gestellt.  Bei  unserem  Dank  an  den 
Magistrat  erübrigt  es  sich  nicht,  einzelner  städtischer  Dienststellen, 
wie  des  Stadtbauamtes,  des  Kestnermuseums  und  des  Vaterländischen 
Museums  sowie  des  städtischen  Verkehrsamtes  besonders  zu  gedenken. 
Der  Direktion  der  Kunstabteilung  des  Provinzialmuseums  haben  wir  für 
freundliche  Mitteilungen  und  die  Hergabe  von  Abbildungen  zu  danken. 
Seitens  des  Staatsarchive,  der  Klosterkammer  und  der  Geistlichkeit  hat 
die  Bearbeitung  bereitwillige  Förderung  gefunden.  Dem  Entgegenkommen 
der  Obersten  Verwaltung  des  Gesamthauses  Braunschweig  und  Lüneburg 
war  es  zu  verdanken,  daß  der  von  Alvenslebenschen  Arbeit  über  Herren- 
hausen ein  gewisser  Vorschub  geleistet  werden  konnte,  so  daß  deren 
jüngere  Forschungsergebnisse  dem  Inventarwerke  rückwirkend  zugute 
gekommen  sind. 

Über  den  Plan  des  Gesamtwerkes  und  die  für  die  Stoffbehandlung 
maßgebenden  Gesichtspunkte  ist  im  ersten  Hefte  des  Gesamtwerkes 
(I.  1  Landkreis  Hannover  und  Linden,  Seite  Vif.)  des  näheren  berichtet. 

VI 


Hier  mögen  die  wesentlichsten  darunter  hervorgehoben  werden: 

In  der  Einleitung  sollen  Angaben  über  Lage,  Größe,  Natur,  Bevöl- 
kerungsverhältnisse, über  ethnographische  und  frühere  politische  und 
kirchliche  Zustände,  über  Handel  und  Verkehr,  Straßen  und  Wege  sowie 
über  das  Kunsthandwerk  in  gedrängter  Kürze  und  stets  nur  so  weit  ge- 
geben werden,  als  zum  Verständnis  der  Denkmäler  unerläßlich  ist.  Es 
bleibt  vorbehalten,  derartige  zusammenhängende,  die  ganze  Provinz 
betreffende  Angaben  im  Schlußbande  des  Werkes  zu  machen.  Auf- 
genommen werden  alle  Denkmäler,  welche  dauernd  in  der  Provinz  vor- 
handen sind,  gleichviel  in  welchem  Besitz  sie  sich  befinden.  Vorchristliche 
Denkmäler  werden  jedoch  nur  dann  berücksichtigt,  wenn  ihre  Bedeutung 
eine  solche  ist,  daß  sie  im  Rahmen  dieses  Werkes  nicht  entbehrt  werden 
können.  Die    Beschreibung    erfolgt    auf    Grund    der   vorangestellten 

geschichtlichen  Angaben  und  der  technischen  und  stilistischen  Merkmale 
in  möglichst  knapper  Form;  Mitteilungen  über  diesen  Rahmen  hinaus 
sowie  Eingehen  auf  wissenschaftliche  Streitfragen  werden  vermieden. 
Die  Ausstattungsstücke  sind  in  alphabetischer  Reihenfolge  aufgeführt. 
Inschriften  werden  nicht  sämtlich,  aber  in  möglichst  großer  Zahl  gegeben; 
auf  die  Art  der  Typen  wird  im  Text  hingewiesen,  auf  eine  doch  nur 
andeutende  Wiedergabe  derselben  verzichtet.  Unser  Denkmälerverzeichnis 
soll  umfassende  wissenschaftliche  Untersuchungen  vermeiden,  nur  das- 
jenige geben,  was  auf  Grund  örtlicher  Untersuchung  und  der  bisherigen 
Forschung  als  feststehend  zu  betrachten  ist;  es  soll  eine  Sammelstelle 
der  kunstgeschichtlichen  Quellen  und  eine  Grundlage  für  weitere  Arbeiten 
bilden  und  endlich  übersichtlich  geordnetes  Material  für  eine  umfassende, 
allgemeine  deutsche  Kunstgeschichte  bieten. 

Den  Druck  des  vorliegenden  Buches  besorgte  die  Buchdruckerei 
von  Gebrüder  Jänecke  in  Hannover,  wie  auch  die  Druckstöcke  sämt- 
licher Abbildungen,  soweit  nichts  anderes  vermerkt  ist,  aus  der  Kunst- 
anstalt der  gleichen  Firma  hervorgegangen  sind. 

Die  Flugbildaufnahme  Tafel  1  wird  der  Akademischen  Fliegergruppe 
an  der  Technischen  Hochschule  zu  Hannover  verdankt. 

Das  Manuskript  des  Inventarwerkes  über  die  Stadt  Hannover  ist  zu 
Ostern  1929  abgeschlossen.  Die  Drucklegung  begann  Ostern  1931  und 
wurde  nach  mehrmonatiger  Unterbrechung  seit  Ostern   1932  fortgesetzt. 

Die    Verzeichnisse    werden    dem    zweiten    Bande    angehängt    werden. 


H  a  n  n  o v  e  r ,  im  September  1932. 


Das  Landesdirektorium 
der  Provinz  Hannover. 


Tafel  1 


Einleitung. 


Die  Berechnung  der  Ortslage  von  Hannover  geht  auf  die  von  Gauß  für 
die  hannoversche  Landesvermessung  errechneten  Zahlen,  bezogen  auf  den 
Marktkirchturm  zurück.  Es  ergibt  sich  die  Breite  zu  52  Grad  22  Min. 
24  Sek.  und  die  Länge  zu  27  Grad  23  Min.  59  Sek.  ö.  Greenwich.  Die 
Meereshöhe  des  Stadtgebietes  liegt  im  Mittel  bei  55  m.  Das  hannoversche 
Klima  ist  das  der  norddeutschen  Tiefebene,  steht  aber  deutlich  unter  dem 
Einfluß  der  Meeresnähe  hinsichtlich  der  Luftfeuchtigkeit  und  der  mittleren 
Temperatur,  welche  8,5  Grad  Celsius  beträgt.  Die  Niederschlagsmengen 
sind    verhältnismäßig    gering,    die    Regentage    mit    167    dagegen    häufig. 

Die  geophysikalische  Lage  Hannovers  wird  durch  zwei  Koordinaten 
bestimmt:  einmal  die  Grenzlinie  zwischen  dem  deutschen  Mittelgebirgs- 
lande  und  dem  norddeutsch-mitteleuropäischen  Tieflande,  sodann  den 
Leinetalgraben.  Als  diejenige  topographische  Eigentümlichkeit  von 
Hannovers  Lage,  der  siedlungbildende  Kraft  in  besonderem  Maße  und 
im  Sinne  einer  nicht  lediglich  auf  bodenwirtschaftlicher  Produktion 
beruhenden  Ansiedln ng  innewohnen  mochte,  wird  die  Einengung  des 
Leinetales  zwischen  dem  Lindener  Kalksteinstock  und  den  Kronsberg- 
abhängen  angesehen,  innerhalb  deren  die  hannoversche  Talsandinsel 
zwischen  dem  Leine-Wietze-Urstrombett  und  dem  vielverzweigten  Leine- 
Ihme-Strombett  sich  einschiebt  und  einen  leichten  Übergang  ermöglicht. 
Die  diluviale,  westlich  gerichtete  Stromknickung  wenig  unterhalb  davon 
ließ  dem  aus  dem  Leinetal  nach  Norden  ziehenden  linksleinischen  Verkehr 
in  dieser  Gegend  kaum  eine  andere  Wahl  zum  Übergange*). 

In  der  Besiedlungsgeschichte  ist  die  Rolle  der  hannoverschen  Tal- 
sanddüne offenbar  recht  alt;  sie  erscheint  in  frühgeschichtlicher  Zeit  als 
Grenzpunkt  zwischen  Engern  und  Ostfalen.  Der  engrische  Marstemgau 
griff  hier  auf  das  andere  Leineufer  über,  umschloß  das  spätere  Weichbild 
Hannovers  und  bog  von  der  Wietze  wieder  zurück  nach  Westen.  Den 
Grenzen  zwischen  Marstemgau  und  Ostfala  schlössen  sich  die  Bistümer 


*)  In  diesem  Zusammenhange  ist  zu  erwähnen  der  Fund  (192<S)  einer  Römer- 
münze von  Alexander  Severus  am  Ufer  des  1645  beseitigten  Hauptarmes  der  Leine 
(Grundstück  des  Friederikenstiftes).     Die  Münze  befindet  sich  im  Vaterl.  Museum. 


Minden  und  Hildesheim  an;  auch  die  calenbergischen  und  lüneburgischen 
Besitzungen  der  Weifen  und  nach  deren  Vereinigung  die  Ämter  Koldingen 
und  Langenhagen  haben  sich  an  den  alten   Grenzverlauf  gehalten. 

Die  Vorgänge  der  frühgeschichtlichen  Besiedlung  der  Gegend  werden 
durch  Bodenfunde  nicht  hinreichend  beleuchtet.  Die  frühesten  Schrift- 
urkunden, welche  Namen  von  Siedlungen  in  der  nächsten  Nähe  des  heutigen 
Hannovers  nennen,  entstammen  meist  dem  10.  Jahrhundert:  Velbere  947, 
Ondertunum  (Änderten)  und  Thorniti  (Döhren)  991,  Lembere  (Limmer) 
und  Haringhusen  (Herrenhausen)  1022.  Die  Siedlungsform  aller  dieser 
Ortschaften  beruht  auf  der  Bodenbewirtschaftung,  noch  gegenwärtig 
erkennbar.  Hannover  selbst,  das  beachtlicherweise  erst  geraume  Zeit 
später  urkundlich  genannt  wird,  hat  eine  andere  Wirtschafts- und  Siedlungs- 
form und  kann  von  Anfang  an  nur  auf  anderer  Grundlage  erwachsen  sein, 
für  die  die  Bedingungen  frühestens  seit  karolingischer  Zeit  gegeben  sind. 
In  einer  landesherrlichen  Verwaltungs-  und  Zollstation  hat  es  die  Keim- 
zelle, von  der  seine  städtische  Entwicklung  ausgegangen  ist.  Wie  benach- 
barte Siedlungen  oder  Bestandteile  davon  aufgesogen  sein  mögen,  so  kann 
selbst  der  Name  übertragen  sein. 

Der  Name  Hannovers,  von  dem  das  Hannoversche  Urkundenbuch  die 
Schreibweisen  Honovir  1202,  Honovere  1225,  Honnovere  1226,  Hannover 
1260  und  1320  aufweist,  ist  in  Niederdeutschland  noch  anderweitig,  selbst 
dicht  unterhalb  der  Stadt  bei  Marienwerder  an  der  Leine  (Bedecker, 
Chron.  S.  790)  vertreten,  wo  die  Örtlichkeit  eine  hochgelegene  Flur  an 
geböschtem  Hange  aufweist.  Schon  der  noch  unbekannte  Verfasser  der 
Halberstädter  Bilderchronik  aus  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  (ver- 
öffentlicht 1732  durch  Caspar  Abel)  und  später  Elias  Holwein  in  seinem 
Gedicht  „Laus  Hannoverae"  1636  geben  ihm  die  Deutung  „Hohes  Ufer". 
Sie  erregte  Bedenken  —  zuerst  bei  Grupen  -  -  ist  aber  volkstümlich  ge- 
worden und  hat  sich  bis  zu  einer  Straßenbenennung  „Am  hohen  Ufer" 
(1911)  durchzusetzen  vermocht.  Einen  neuen  Erklärungsversuch  des 
Namens  unternimmt  M.  Mittelhäußer  (H.  G.,  1929,  S.  182):  honhof- 
ere;  honhof  =  Hof  des  Hundertschaftsgrafen;  die  Endung  ere  bleibt 
unerklärt.  Leonhardt  möchte  in  hono-bere  die  im  Calenbergischen 
häufige  Zusammensetzung  mit  bere  =  büren  erblicken  wie  in  Velbere, 
Limbere,  Embere  u.  a.  und  den  Namen  als  „Dorfsiedelung  des  Hano" 
deuten.  (Vgl.  dazu  die  Form  Hanobruinborgar  im  Beisetagebuche  des 
isländischen  Abtes  Nicolaus  um  1150.) 
geschickte  Gegenüber  der  Zeit,  da  der  Verfasser  der  hannoverschen  Chronik  sein 
Werk  mit  den  Worten  einleitete:  „Von  dem  Ursprung  und  Anfang  der 
Stadt  Hannover  hat  man  nichts  Gewisses",  besteht  der  Fortschritt  der 
Forschung  in  der  Erkenntnis  von  der  Bedeutung  des  landesherrlichen  Hofes 
als  bedingendes  Moment  städtischer  Entwicklung.  In  der  urkundlichen 
Nennung    der   curia    Honoverae    1163   ist    geschichtlicher   Boden    zuerst 


gegeben.  Heinrich  der  Löwe  hielt  hier  einen  Hoftag,  an  welchem  mehrere 
westfälische  Bischöfe,  Äbte  und  Grafen  teilnahmen.  Das  Territorium 
erscheint  als  landesherrlich.  Die  Anwohner  standen  in  einem  besonderen 
Abhängigkeitsverhältnis  vom  Landesherrn.  Soweit  sie  in  anderen  frühen 
Urkunden  und  Lehnsregistern  genannt  werden,  erscheinen  sie  als  Lehns- 
leute und  Ministerialen  der  Kurie  und  ihrer  Verweser.  Die  Tatsache  der 
Hoftagung  und  die  Teilnahme  hoher  Würdenträger  läßt  darauf  schließen, 
daß  die  Örtlichkeit  sich  vor  anderen  für  den  Zweck  besonders 
empfahl.  Vielleicht  drückt  sich  in  dieser  Wahl  aus,  daß  der  Löwe  sie 
begünstigte  nach  der  Einziehung  des  Schwalenberger  Lehens  im  Jahre  1156. 

Heinrich  der  Löwe  wurde  1180  von  der  Höhe  seiner  Macht  gestürzt. 
Der  Zwist  mit  Barbarossa  führte  1189  zu  dem  Strafzuge  Heinrichs  VI. 
gegen  Braunschweig  und  Hannover.  Hannover  wurde  niedergebrannt; 
die  Gräflich  Rodensche  Burg  Limmer  widerstand.  Diese  Niederbrennung 
muß  hervorgehoben  werden,  weil  sie  offenbar  die  Veranlassung  war,  die 
Stadt  nach  überlegtem  Plane  neu  und  verbessert  wieder  erstehen  zu  lassen. 
Sie  wird  in  einer  der  Urkunden  über  die  1202  stattgehabte  Erbteilung  der 
väterlichen  Güter  zwischen  den  Söhnen  Heinrichs  des  Löwen  als  oppidum 
bezeichnet,  d.  h.  als  Weichbild  oder  als  Marktort,  der  abhängig  von  einem 
Grund-  oder  Marktherrn  zu  sein  pflegte.  Etwa  gleichzeitig  mit  dem 
Wiederaufbau  der  Stadt  tritt  die  landesherrliche  Burg  Lauenrode  auf,  die 
als  Lehen  an  die  Grafen  von  Roden  ausgetan  war.  In  ihr  erstand  die 
landesherrliche  Kurie  in  neuer  Gestalt  wieder.  Es  ist  also  zwischen  Landes- 
herrn und  Stadt  ein  engeres  Abhängigkeitsverhältnis  bislang  unverändert 
bestehen  geblieben.  Die  Bürger  von  Hannover  werden  sogar  cives  de 
Lowenroth  genannt  (U.  B.  Nr.  7;  vom  Jahre  1234).  Die  Jahrzehnte 
währenden  Kämpfe  zwischen  Weifen  und  Staufen  brachten  die  Kräfte 
des  Landes  in  tiefen  Verfall.  Dem  Herzoge  Otto  I.  mit  dem  Beinamen 
„das  Kind"  gelanges,  seines  weifischen  Erbbesitzes  und  der  allzu  selbständig 
gewordenen  Ministerialen  wieder  Herr  zu  werden,  vornehmlich  durch  das 
Mittel,  die  Städte  für  sich  zu  gewinnen.  Er  erreichte  das  in  den  Jahren 
1229 — 47  durch  die  Erteilung  von  Privilegien  und  Rechtsbestätigungen. 
Das  an  Hannover  am  25.  Juni  1241  verliehene  Stadtrecht  bestätigt  so  alle 
längst  bestehenden  Rechte  und  bedeutet  durch  die  Versprechungen, 
die  Otto  in  der  Urkunde  gibt,  eine  Besserung  und  Mehrung  derselben, 
so  daß  es  als  Rechtsgrundlage  für  Hannovers  Fortentwicklung  als  städ- 
tisches Gemeinwesen  gelten  darf.  Insbesondere  werden  die  Befugnisse 
der  Lauenroder  Grafen  gegenüber  der  Stadt  beschränkt;  die  Vogtei  wird 
fortab  vom  Herzoge  selbst  durch  seinen  Ministerialen  besetzt;  grund- 
herrliche  Gefälle,  Worthzins  und  Bede  bleiben  dem  Landesherrn. 

Die  Stadtrechtverleihung  von  1241  bedeutet  die  volle  Anerkennung 
der  republikanischen  Selbstverwaltung  der  Bürgerschaft,  wie  sie  sich  auf 
der  Grundlage  des  Sachsenrechtes  herausgebildet  hat. 


Die  wirtschaftlichen  Grundlagen  des  bürgerlichen  Gemeinwesens,  auf 
die  von  nun  ab  durch  geschichtliche  Daten  reicheres  Licht  fällt,  Handel 
und  Gewerbe,  erstarkten  durch  die  den  Kaufleuten  erteilten  Vorrechte 
außerordentlich.  Hannoversche  Kaufleute  stehen  in  Handelsbeziehungen 
zu  Celle,  Hildesheim,  Bremen,  Hamburg  und  Lübeck.  Ihren  sicheren 
Verkehr  schützen  Verträge  mit  diesen  Städten.  Schon  um  1260  findet 
sich  Hannover  unter  den  sächsischen  Städten,  welche  sich  bei  der  Stadt 
Gent  über  ungerechte  Behandlung  beschweren.  1295  erscheint  es  im  Verein 
mit  einer  großen,  von  Köln  bis  Biga  reichenden  Anzahl  anderer  Städte, 
welche  wegen  eines  Urteiles  des  Gerichtshofes  zu  Nowgorod  an  die  Stadt 
Lübeck  appellieren  sollen.  Nächst  dem  Handel  mit  flämischen  Tuchen, 
an  dem  sich  sogar  die  Stadt  als  Körperschaft  beteiligte,  war  es  der  auf  der 
calenbergischen  Produktion  beruhende  Kornhandel,  der  zu  den  weitgehen- 
den Beziehungen  führte.  Der  Graf  von  Hoya  bewilligte  1338  den  hanno- 
verschen Bürgern  den  Einkauf  von  Vieh.  Die  Herzöge  dehnten  ihre 
Privilegien  für  den  Handel  mit  Tuchen  auf  Märkte  und  Jahrmärkte  aus 
(1277  und  1282)  und  ermäßigten  den  Zoll  zu  Winsen  an  der  Luhe  auf  die 
Heringseinfuhr  (1333).  Wesentlich  vor  allem  war  der  Erwerb  von  Münze 
und  Wechsel  durch  die  Stadt  (1322).  Die  Kapitalisten  sind  die  Tuch- 
händler, die  ihr  Geld  in  Bankiergeschäften  anlegen. 

Von  der  Gewerbetätigkeit  der  Bürger  zeugt  die  Anzahl  der  in  der  Stadt 
bestehenden  siebzehn  Innungen,  die  in  bestimmter  Beihenfolge  seit  der 
ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  in  den  Stadtbüchern  aufgezählt  werden. 
Auch  die  zahlreichen,  in  der  Stadt  und  deren  nächster  Umgebung  vor- 
handenen Mühlen  waren  ein  wesentlicher  Bestandteil  gewerblichen 
Betriebes  des  mittelalterlichen  Hannovers. 

Der  Kaufmannstand  bezeichnet  die  Artung  der  Bürgerschaft.  Die 
Kaufleute,  d.  h.  seit  dem  13.  Jahrhundert  die  Tuchhändler,  stehen  an 
erster  Stelle  in  der  Ordnung  der  Stadtbücher,  in  der  sich  die  soziale  Struk- 
tur der  Bürgerschaft  abzeichnet.  Die  handwerkende  Bürgerschaft  gliederte 
sich  in  vom  Bäte  genehmigte  Innungen  — Ämter,  da  die  Zugehörigkeit  zu 
ihnen  als  obrigkeitlicher  Auftrag  angesehen  wurde,  von  denen  die  vier 
von  der  Kaufmannschaft  unabhängigeren  als  solche  im  Bäte  selbst  Sitz 
und  Stimme  hatten,  während  die  übrigen  in  der  Meinheit,  das  ist 
die  Gesamtheit  der  hausbesitzenden  Bürgerschaft,  ihre  Vertretung  fanden. 
Herrschaftliche  Dienstmannen  und  Adelige  wohnen  in  der  Stadt  unter 
besonderen  mit  dem  Bäte  vereinbarten  Bedingungen. 

Die  Stadtobrigkeit,  welche  das  Gemeinwohl  vertrat,  bildete  der 
einem  Geschworenenkolleg,  „Bat  unde  Sworene",  entnommene  „sitzende 
Bat",  der  1255  bereits  aus  zehn,  später  in  der  Begel  aus  zwölf  consules 
bestand.  Ihm  zur  Seite  steht  für  bestimmte  Aufgaben  ein  Viererausschuß 
der  nicht  „sitzenden"  Ratsherren,  die  „vere  ut  den  Sworenen",  und  zwei 
Burmester,  „magistri   civium";  die  Leitung  obliegt  dem  Prokonsul  oder 


Burgermeister.  Ein  regelmäßiger  Wechsel  findet  nur  in  der  Person  des 
Bürgermeisters  und  bei  den  Vertretern  der  „großen  Ämter"  statt,  während 
im  Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  deutschen  Städten  ein  regelmäßiger 
Wechsel  mehrerer  vollständiger  Ratskollegien  nicht  zu  beobachten  ist. 
Unabhängig  vom  Rat  bestehen  eine  Vertretung  der  „Meinheit",  d.  h.  der 
Gesamtheit  der  hausbesitzenden  Bürgerschaft,  ferner  als  „Olderlüde  und 
Werkmester"  solche  der  Kaufmannschaft  und  der  privilegierten  Innungen, 
der  „Ämter".  Die  ausgebildete  Stadtverfassung  unterscheidet  noch  Käm- 
merer, Münz-,  Schoß-  und  vielfältige  andere  „Herren"  als  Leiter  der  ver- 
schiedenen Verwaltungszweige,  die  anscheinend  ohne  Zugrundelegung  eines 
besonderen  Schlüssels  lediglich  nach  der  persönlichen  Eignung  diesem  an 
die  100  Köpfe  starken  Personenkreis  entnommen  werden.    (Leonhardt.) 

Die  politische  Wirksamkeit  des  Rates  bezog  sich  nach  außen  hin  auf 
das  Verhältnis  zum  Landesherrn,  zu  den  Bischöfen  von  Minden  und 
Hildesheim  sowie  zu  den  größeren  Städten  der  Umgebung.  „Des  Friedens 
wegen  und  zu  Frommen  des  Landes"  wurde  1360  ein  Bündnis  mit  Goslar, 
Braunschweig,  Lüneburg,  Einbeck,  Hameln  und  Helmstedt  geschlossen. 
1368  erscheint  Hannover  unter  den  Hansestädten.  Jedoch  ist  von  einer 
Teilnahme  der  Stadt  an  den  nordischen  Unternehmungen  der  Hansa 
wenig  bekannt.  Die  Sateverträge  von  1392  schufen  eine  nähere  Ge- 
meinschaft zwischen  Hannover,  den  Prälaten,  der  Ritterschaft  und  den 
übrigen  Städten  der  Fürstentümer  Calenberg  und  Lüneburg.  Die  auf 
die  städtische  Handels-  und  Verkehrsfreiheit  gerichtete  Politik  gegen- 
über den  Ansprüchen  des  Landadels  wie  dynastischen  Hoheitstendenzen 
führte  gelegentlich  zu  blutigen  Fehden,  hat  jedoch  verhältnismäßig 
selten  Differenzen  mit  der  eigentlichen  Landesherrschaft  verursacht. 

Nach  innen  zielte  die  Politik  darauf,  unter  Ausnutzung  der  Schwäche 
des  Fürstentums  herrschaftliche  Rechte  zu  erwerben.  1322  erkaufte 
die  Stadt  in  Gemeinschaft  mit  Ritterschaft  und  Land  von  Herzog  Otto 
das  Münzmonopol  samt  dem  Wechsel  und  stellte  vier  Bürger  zu  dem 
Ausschuß,  welcher  diese  Regalien  verwaltete.  Der  Worthzins  wurde 
1348  von  den  Herzögen  an  die  Stadt  veräußert.  Zugleich  ging  das  Schul- 
patronat  aus  landesherrlichem  Besitz  an  sie  über. 

Seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  ist  derart  in  schrittweisem, 
klugem  Vorgehen  die  obrigkeitliche  Stellung  der  Stadt  so  verbreitert, 
daß  sie  verschiedene  staatliche  Aufgaben  erfüllte,  die  von  ihren  berufenen 
Trägern  vernachlässigt  waren. 

Der  Eintritt  der  Hochblüte  wird  bezeichnet  durch  das  in  das  Jahr 
1371  fallende  Ereignis  der  Zerstörung  der  Burg  Lauenrode  am  Schlüsse 
des  Lüneburger  Erbfolgestreites.  Die  Stadt  hatte  sich  für  die  sächsischen 
Herzöge  Albrecht  und  Wenzel  entschieden  und  sich  wohl  auch  an  der 
Eroberung  der  Burg  kriegerisch  beteiligt;  dafür  erhielt  sie  neben  neuen 
Privilegien    die    Verfügung    über   die    Burg.     Die    Bürger   brachen    diese 


daraufhin  ab,  wie  im  gleichen  Jahre  die  Lüneburger  die  Burg  auf  dem 
Kalkberge  zerstört  hatten. 

Auf  der  politischen  Höhe,  die  nun  erreicht  war,  vermochte  sich  Hanno- 
ver zu  halten  bis  zur  Reformation  und  darüber  hinaus.  Während  ander- 
wärts das  Territorialfürstentum  bereits  die  Macht  der  Städte  beein- 
trächtigte, verdankt  Hannover  dem  Umstände,  daß  das  Weifenhaus 
durch  vielfache  Erbteilungen  niedergehalten  wurde,  die  längere  Be- 
hauptung seiner  Stellung.  Scheinbar  dehnt  sich  die  Blütezeit  der  hanno- 
verschen Stadtrepublik  sogar  bis  zum  Ende  des  Dreißigjährigen  Krieges 
hinaus.    Bereits  die  Reformation  läßt  jedoch  die  Zeitenwende  erkennen. 

In  Hannover  führte  die  Reformation  zum  Zwist  zwischen  den  kon- 
servativ-kirchlichen Geschlechtern,  die  letzthin  gewohnheitsmäßig  die 
Ratsherren  stellten,  und  dem  gut  kaiserlichen  Herzoge  Erich  von  Calen- 
berg  auf  der  einen  Seite  und  der  Meinheit  auf  der  anderen  Seite.  Die 
kirchliche  Bewegung  wurde  zur  politischen,  in  der  Herzog  Erich  seine 
fürstliche  Gewalt  geltend  machte.  Die  Bewegung  endete  mit  der  Ge- 
stattung freier  Religionsübung  und  einer  schonenden  Neuordnung  des 
Kirchenwesens.    Hannover  trat  dem  Schmalkaldener  Bunde  bei. 

Schon  Herzog  Erich  der  Jüngere  ließ  sich  das  Recht  der  freien  Reli- 
gionsübung und  die  Privilegien  der  Bürger  für  eine  hohe  Summe  ab- 
kaufen. Beim  Regierungsantritt  eines  jeden  neuen  Landesherrn  wieder- 
holte sich  zwar  die  Bestätigung  der  Privilegien;  sie  bedeutete  aber  nicht 
eine  Mehrung  der  bürgerlichen  Selbstherrlichkeit.  Vielmehr  mußte  die 
Stadt  vor  den  Ansprüchen  der  aufstrebenden  Fürstenmacht  auf  dem 
Gebiete  des  Gerichtswesens,  des  Steuer-  und  Abgabenwesens  vielfach 
zurückweichen.  Der  Wohlstand  der  Bürgerschaft  blieb  einstweilen  ge- 
sichert durch  Handel  und  Gewerbe,  obwohl  auch  hier  Wandlungen  sich 
vollzogen  hatten,  insofern  an  die  Stelle  des  Kornhandels  mit  zurück- 
gehender Leineschiffahrt  der  Wollhandel  getreten  war.  Das  Finanz- 
wesen der  Stadt  selbst  geriet  aber  seit  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts in  dauernden  Rückgang.  Die  Stürme  des  Dreißigjährigen  Krieges 
hat  Hannover  besser  überdauert  als  manche  andere  Stadt  Niedersachsens, 
und  die  Duvezeit  bedeutet  eine  kurze,  prächtige  Nachblüte,  der  aber 
der  Boden  unabhängigen  Städtetumes  bereits  abgegraben  war. 

Die  Verlegung  von  Hof  und  Regierung  durch  Herzog  Georg  von  Calen- 
berg  nach  Hannover  als  der  festesten  Stadt  Calenbergs  gegen  den  Ein- 
spruch der  Bürgerschaft  ist  der  sichtbare  Ausdruck  des  stabilierten 
souveränen  Fürstentums.  Ein  Besidenzvergleich  ordnete  das  künftige 
Verhältnis  zwischen  Hof  und  Stadt  im  Tone  und  im  Sinne  einer  landes- 
herrlichen Verfügung.  Die  Hofhaltung  und  die  mehr  und  mehr  in  Hanno- 
ver zusammengezogene  Regierung  versprachen  zwar  der  Stadt  nach  des 
Herzogs  Voraussage  ,, guten  Zugang,  Aufnahme  und  Wachstum",  doch 
wurde   dieser  Zugang   alsbald   durch   den   Ausbau   der   Neustadt  wieder 


abgezogen.  In  der  Neustadt  bildete  sich  ein  Gemeinwesen  heraus,  auf 
das  der  altstädter  Rat  seine  Privilegien  nicht  auszudehnen  vermochte. 
Die  wichtigsten  öffentlichen  Gebäude  erhielten  hier  ihren  Platz,  Hofadel 
und  Beamte  wohnten  dort.  Die  Konkurrenz  der  Neustadt  wurde  nur 
äußerlich  durch  den  Umstand  gemildert,  daß  Georg  von  Calenberg  sein 
Residenzschloß  auf  altstädtischem  Boden  errichtet  hatte,  so  daß  es  auch 
dort  einen  Teil  der  Bevölkerung  gab,  für  den  der  Hof  die  Quelle  von 
Wohlstand  war.  Es  blieb  nicht  aus,  daß  Hoheitsrechte  des  Rates  frei- 
willig oder  unter  Zwang  den  neuen  Verhältnissen  geopfert  wurden.  Die 
Landesherren  beanspruchten  eine  Beaufsichtigung  des   Stadtregimentes. 

Die  Wahl  Hannovers  zur  Residenz  durch  Georg  von  Calenberg  gibt 
Zeugnis  von  dessen  staatsmännischen  und  militärischen  Weitblick; 
die  Leistung,  es  mitten  im  Dreißigjährigen  Kriege  zur  Residenz  her- 
gerichtet zu  haben,  verdient  Bewunderung.  Fürstliches  Gepräge  und 
Gepränge  gaben  der  Residenz  unter  den  vier  nacheinander  zur  Regierung 
gekommenen  Söhnen  Georgs  von  Calenberg  besonders  Johann  Friedrich 
und  Ernst  August.  Sie  entfalteten  ein  Hofleben,  das  mit  der  Pracht  der 
Höfe  zu  Paris  und  Wien  in  Wettbewerb  treten  konnte.  Beide  unterhielten 
nahe  Beziehungen  zu  Italien.  Johann  Friedrich  pflegte  die  italienische 
Musik  und  die  Oper;  sein  Prachtbedürfnis  nicht  minder  als  seine  religiöse 
und  romantische  Sinnesrichtung  ließen  ihn  zum  katholischen  Glauben  über- 
treten. Herrenhausen  ist  seine  Schöpfung,  soweit  die  Anlage  bis  zu  seinem 
Tode  1679  gediehen  war.  Ernst  Augusts  Regierungszeit  bedeutete  einen 
beispiellosen  Aufstieg  der  Dynastie.  Nachdem  das  weifische  Haus  die 
Primogeniturordnung  eingeführt  hatte,  war  dem  Herzog  Ernst  August 
die  Kurwürde  zuteil  geworden.  Dem  Anwachsen  seiner  politischen  Macht 
entsprechend,  mehrte  er  den  Glanz  seines  Hofstaates.  Durch  die  Kur- 
fürstin Sophie  wurde  der  hannoversche  Hof  zu  einem  der  geistigen  Zentren 
Deutschlands,  dem  der  Name  Leibniz  seinen  Adel  verlieh.  Für  Hannover 
als  Residenz  waren  die  wenigen  Jahrzehnte  der  Regierungszeit  dieser 
beiden  Fürsten  die  große  Zeit  schlechthin;  sie  endete  fast  gleichzeitig 
mit  Sophies  Tode  1714,  indem  auf  Grund  der  Erbansprüche  der  Kur- 
fürstin deren  Sohn  Georg  Ludwig  die  Krone  Englands  zufiel,  und  der 
Hof  nach  dorthin  übersiedelte. 

Die  Hofhaltung  wurde  auf  das  Mindestmaß  beschränkt,  das  gehalten 
werden  mußte,  um  bei  Besuchen  der  Könige  den  gesamten  Glanz  vor- 
übergehend wiedererstehen  zu  lassen.  Georg  III.  hat  während  seiner 
langen  Regierungszeit  seine  kurfürstliche  Residenz  nie  gesehen. 

Dem  an  der  Spitze  der  Regierung  stehenden  Geheimratskollegium 
lag  die  Führung  der  Regierungsgeschäfte  im  Einvernehmen  mit  der  Krone 
ob.    Hannover  erhielt  das  Gepräge  einer  Beamten-  und  Garnisonstadt. 

Der  allgemeine  Stillstand  des  öffentlichen  Lebens  beeinträchtigte 
auch    das    hannoversche    Bürgertum;    die    wirtschaftlichen    Fortschritte 


waren  gering.  „Zum  Betriebe  von  Fabriken  fehlte  es  an  Neigung,  Zeit, 
Geld  und  Händen"  (Patje).  Die  Beschäftigung  der  arbeitenden  Hände 
für  die  höheren  Gesellschaftsklassen,  im  Fremdenverkehr  und  im  Spe- 
ditions-  und  Kommissionshandel  ließen  industrielle  Betriebe  nicht  ent- 
stehen. Nur  wenige  Anlagen  7.11  eigenem  Bedarf  der  Bevölkerung,  Bar- 
chent- und  Tabakfabrikation,  gab  es.  Die  Gobelinweberei  der  Hugenotten 
war  nicht  heimisch  geworden.  Des  Bürgermeisters  Grupen  großzügige 
Stadterweiterung  durch  die  Ägidien-Neustadt,  die  den  Zweck  verfolgte, 
durch  Ansiedlung  fremder  Gewerbearten  dem  wirtschaftlichen  Leben 
aufzuhelfen,  erwies  sich  in  diesem   Sinne  als  ein  Fehlschlag. 

Auf  geistigem  Gebiete  dagegen  ist  seit  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts gerade  das  Bürgertum  zum  Träger  feiner  Kultur  geworden. 
Besonders  das  Jahrzehnt  von  1770 — 80  ist  die  klassische  Zeit  Hannovers: 
Boie,  Leisewitz  und  Hölty,  drei  Dichter  des  Göttinger  Hainbundes, 
lebten  hier.  Der  Zusammenschluß  geistig  interessierter  Kreise  in  wissen- 
schaftlichen und  literarischen  Gesellschaften  begann  damals. 

Die  Leidenszeit  der  französischen  Fremdherrschaft  1803 — 13  hat 
diese  Kultur  nicht  ganz  zum  Erliegen  gebracht;  dem  wirtschaftlichen 
Wohlstande  aber  schlug  sie  tiefe  Wunden.  Die  Befreiung  vom  napole- 
onischen Joch  brachte  für  Hannover  die  Erhebung  zum  Königreich. 
Als  Generalgouverneur  nahm  1816  Herzog  Adolph  Friedrich  von  Cam- 
bridge, seit  1831  als  Vizekönig,  seinen  Sitz  in  Hannover.  Die  Einwohner- 
zahl begann  zu  steigen,  Handel  und  Wandel  sich  zu  beleben.  Dem  allge- 
meinen Fortschritt  des  städtischen  Wesens  nach  den  Freiheitskriegen 
entsprach  eine  neue,  1824  verliehene  städtische  Verfassung,  durch  die 
auch  die  Trennung  von  Alt-  und  Neustadt  aufgehoben  wurde. 

Die  Personalunion  mit  England  löste  1837  der  Tod  Wilhelms  IV., 
und  der  Herzog  Ernst  August  von  Cumberland  bestieg  als  König  den 
hannoverschen  Thron.  Der  Stadt  Hannover  war  damit  der  Glanz  einer 
Hofhaltung  wiedergegeben.  Ihr  wirtschaftliches  und  geistiges  Gedeihen 
vollzog  sich  fortab  unter  der  unmittelbaren  Förderung  der  Könige  Ernst 
August  und  Georg  V.  Die  günstige  Verkehrslage  der  Hauptstadt  wurde 
der  Ausgangspunkt  einer  seit  den  1840er  Jahren  einsetzenden  Eisenbahn- 
politik, die  namentlich  nach  dem  Beitritt  des  Königreiches  zum  Zoll- 
verein von  größter  Bedeutung  für  Hannover  wurde,  indem  sie  die  Grund- 
lage für  die  Stellung  schuf,  die  es  heute  in  Handel  und  Industrie  ein- 
nimmt. 

Großhandelsstadt  ist  Hannover  nicht  geworden.  Von  dem  einstigen 
Dorfe  Linden,  das  bis  zur  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  ausgesprochener 
Villen-  und  Gartenvorort  gewesen  ist,  ging  die  Industrialisierung  Hanno- 
vers aus.  Als  königliche  Besidenz  und  seit  1866  als  Provinzialhauptstadt 
wurde  es  in  wachsendem  Maße  zum  Sitz  zahlreicher  politischer,  mili- 
tärischer   und    Verkehrsbehörden,    Lehranstalten,    Stiftungen    und    Ver- 

8 


einigungen.  Mit  der  Mehrung  der  Einwohnerzahl  ging  die  Vergrößerung 
des  Stadtgebietes  durch  Eingemeindungen  Hand  in  Hand. 

Bis  zum  1.  Januar  1870  waren  die  ehemals  selbständigen  Gemeinden, 
die  Vorstadt  Hannover  (1859)  und  die  Vorstadt  Glocksee  mit  der  Resi- 
denzstadt Hannover  zu  einer  politischen  Einheit  verschmolzen,  die  an 
Grundfläche  etwa  2500  ha  und  an  Einwohnerzahl  etwa  87600  Seelen 
einbegriff.  Das  weitere  Anwachsen  des  Stadtgebietes  ist  dem  Stande 
von  1879  nach  aus  einer  Karte  bei  Drape  „Fünfundzwanzig  Jahre  aus  dem 
Leben  der  Königl.  Residenzstadt  Hannover  von  1854  bis  1879"  zu  ersehen. 
Nach  der  Zählung  von  1890  betrug  die  Einwohnerzahl  163593.  1891 
kamen  die  weiter  hinausbelegenen  Dörfer  Herrenhausen,  Hainholz, 
Vahrenwald  und  List  hinzu,  so  daß  der  Umfang  des  Stadtgebietes  auf 
nunmehr  3950  ha  anwuchs. 

Die  Eingemeindung  der  Dörfer  üöhren,  Wülfel,  Kirchrode,  Buchholz. 
Bothfeld  und  Stöcken  am  1.  Oktober  1907  brachte  fast  den  doppelten 
Flächeninhalt  hinzu.    Die  Zahl  der  Einwohner  betrug  1911  rund  303000. 

Das  Stadtgebiet  Linden,  dem  im  Jahre  1902  die  Dörfer  Limmer, 
Davenstedt,  Badenstedt,  Bornum  und  Ricklingen  angegliedert  waren, 
umfaßt  bei  seiner  Eingemeindung  in  Hannover  am  1.  Januar  1920  etwa 
90000  Einwohner. 

Die  jüngsten  Eingemeindungen  vom  Jahre  1928  zogen  das  Klostergut 
Marienwerder  und  den  Schloß-  und  Gartenbezirk  Herrenhausen  sowie 
den  1882  daraus  ausgesonderten  Gutsbezirk  Herrenhausen  in  das  groß- 
hannoversche Stadtgebiet,  das  nun  mit  etwa  434000  Einwohnern  an 
zwölfter  Stelle  unter  den  deutschen   Großstädten  steht. 

Dem  nach  außen  gerichteten  Druck  in  weitere  Bauräume  gegenüber, 
den  die  Zuführung  immer  neuer  Menschenmengen  ausübte,  hat  sich  in 
entgegengesetzter  Richtung  wirksam  erwiesen  die  Steigerung  der  Boden- 
werte nach  dem  Stadtkerne  zu,  eben  der  mehr  und  mehr  zum  geschäft- 
lichen Mittelpunkte,  zur  „City",  gewordenen  Altstadt. 

In  dieser  Kräftewirkung  liegt  wesentlich  das  Schicksal  der  Altstadt 
Hannover  als  Gesamtdenkmal  beschlossen,  und  die  neuzeitliche  Groß- 
stadt Hannover  wird  nicht  zögern,  ihr  Recht  auf  Leben  gegen  sie  geltend 
zu  machen. 

* 

Der  Anteil  untergegangener  Denkmäler  an  der  hannoverschen  Denk-  Übersicht  über 
mälerliste  ist  sowohl  der  Zahl  wie  auch  dem  Kunstwerte  nach  recht  erheb-  DIE  DENKMÄLER- 
lieh.  Die  Verzeichnung  nicht  mehr  bestehender  Denkmäler  wird  immer 
als  ein  Erfordernis  zur  Wahrhaftigkeit  des  kunstgeschichtlichen  Gesamt- 
bildes betrachtet  werden  müssen;  im  besonderen  Falle  Hannovers  ist 
sie  außerdem  geeignet,  Zeugnis  abzulegen  von  der  Ungunst  des  Geschickes, 
unter  dem  das  hannoversche  Kunstgeschehen  sich  vollzogen  hat. 

9 


Die  Erhebung  zur  landesherrlichen  Residenz  im  Jahre  1636  geht  in 
ihrer  Bedeutung  für  Stadt  und  Bürgerschaft  weit  über  das  Politische 
hinaus  und  bildet  in  der  künstlerischen  Kultur  Hannovers  einen  ent- 
schiedenen Wendepunkt.  Bis  zur  Duvezeit  war  das  in  seiner  Stadtrepublik 
repräsentierte  Bürgertum  politisch  wie  künstlerisch  durch  die  stadt- 
hannoverischen Geschlechter  zu  hohem  Stande  hinaufgeführt.  Fortab 
trat  es  in  den  Hintergrund  gegenüber  dem  landesherrlichen  Hof.  Eine 
neuartige,  höfische  Kunst  drängte  zur  Entfaltung;  man  könnte  den 
Inbegriff  dieses  Vorganges  mit  dem  Namen  „Herrenhausen"  umschreiben. 
Dieser  höfischen  Kunst  aber  war  die  Zeit  nicht  beschieden,  eigene  Wurzeln 
zu  schlagen,  obwohl  es  den  Anschein  hatte,  als  sei  für  die  Residenz  eine 
glanzvolle  Entwicklung  unter  den  Händen  einer  bodenständig  gewordenen 
Künstlerschaft  bereits  gesichert.  Die  Übersiedelung  des  Hofes  nach 
England  im  Jahre  1714  entzog  ihr  den  Boden  und  gab  sie  dem  Hinwelken 
preis.    Hannover  sank  zum  Range  einer  Provinzstadt  hinab. 

Freilich  begann  das  Bürgertum  eine  geistige  Kultur  zu  entfalten, 
deren  Höhe  schon  von  zeitgenössischen  Beobachtern  als  über  gewöhnliches 
Maß  hinausgehend  bemerkt  wird.  Sie  konnte  aber  in  Sachdenkmälern 
nur  so  weit  zum  Ausdruck  gelangen,  als  der  bescheidene  Wohlstand  der 
Zeiten  um  den  Siebenjährigen  Krieg  es  gestattete. 

Die  Wiedererrichtung  der  dauernden  Residenz  im  Jahre  1814,  an  die 
sich  für  die  künstlerische  Neublüte  der  Stadt  Hannover  hohe  Erwartungen 
knüpfen  ließen,  stand  Jahrzehnte  hindurch  unter  dem  Zeichen  sparsamen 
Behelfs.  Künstlerische  Schöpferkräfte,  wie  sie  in  einem  Laves  zur  Ver- 
fügung standen,  konnten  dabei  zur  vollen  Auswirkung  nicht  hindurch- 
dringen. Wir  sehen  die  Tragik  im  hannoverschen  Kunstgeschehen  sich 
wiederholen,  daß  es  zerrissen  und  torsohaft  bleiben  mußte,  weil  miß- 
günstige Umstände  den  Gegebenheiten  oder  Ansätzen  zu  hoffnungs- 
vollem Gedeihen  Abbruch  taten. 

Dazu  kommt  die  Tragik,  der  das  Geschick  des  Denkmälerbestandes 
selbst  unterworfen  war.  Ohne  Zweifel  fällt  den  Bilderstürmern  der 
Reformation  die  Vernichtung  eines  erheblichen  Teiles  vom  kirchlichen 
Denkmälerschatze  aus  vorreformatorischer  Zeit  zur  Last*). 

An  dem  überkommenen  Restbestande  aber  hat  sich  insbesondere  das 
19.  Jahrhundert  einsichtslos  vergriffen.  Das  Jahrhundert  beginnt  mit  der 
Verschleuderung  der  beiden  barocken  Kunstbrunnen  der  Stadt:  des 
Aktäonbrunnens  auf  dem  Altstädter  Markt  und  des  Parnaßbrunnens 
auf  dem  Neustädter  Markt. 


*)  So  wurde  der  den  Altstädter  Kirchen  gehörende  Bestand  an  liturgischen 
Geräten  und  Gefäßen,  einer  Urkunde  vom  27.  Juni  1539  im  Stadtarchiv  zufolge, 
dem  Magistrat  zur  Münzprägung  überantwortet  und  ergab  die  Summe  von  2500 
Gulden. 

10 


Anfangs  der  1820er  Jahre  ward  in  der  Residenzstadt  eine  Kommission 
zusammengesetzt  „zur  Beförderung  der  Baue.  .  .  .  und  der  Verschönerung 
derselben".  Eine  Pflege  der  bestehenden  Baudenkmäler  im  heutigen  Be- 
griffe lag  nicht  in  der  Anschauung  des  wiedererwachten  historischen  Sinnes; 
die  Auffassung    zielte  vielmehr  auf  eine   „Verbesserung"  derselben  hin. 

Eine  Restauration  der  Kreuzkirche,  1822,  beseitigte  bis  auf  Taufe 
und  Kanzel  alles,  was  an  älteren  Kunstwerken  darin  vorhanden  war. 
Das  Innere  der  Ägidienkirche  wurde  1826  im  Geschmack  englischer 
Gotik  erneuert;  die  Marktkirche  1852  außen  und  innen  dem  Stile  nach 
bereinigt:  man  verkaufte  die  Überreste  aller  nichtgotischen  Ausstattung 
daraus  buchstäblich  nach  Fudern.  Die  Minoritenkirche  als  Schloßkirche 
versetzte  Laves  1832  auf  Befehl  durch  Stucküberzug  in  den  Stil  eng- 
lischer Gotik.  Die  ältere  Ausstattung  wurde  dabei  aufgegeben.  Der 
Apothekenflügel  und  der  Fleischscharren,  Musterbeispiele  des  hohen 
Standes  der  niedersächsischen  Kunstentwicklung  im  16.  Jahrhundert, 
fielen  in  den  1840er  Jahren.  Das  Schloßopernhaus  opferte  man  1852 
dem  Schloßbauprogramm,  obwohl  dessen  Fortführung  insgeheim  längst 
aufgegeben  war.  Längere  Zeit  hindurch  plante  man  den  Abbruch  des 
Altstädter  Rathauses;  eine  Wiederherstellung  im  Jahre  1878  hat  schließ- 
lich alle  Renaissancewerkstücke  daran  und  daraus  beseitigt,  deren  Fehlen 
wir  heute  bedauern  müssen.  Das  Land- Ständehaus  von  Remy  de  la 
Fosse  fiel  1887  einem  Straßendurchbruch  zum  Opfer.  Von  den  Treppen- 
und  Fialengiebeln  der  ziegelgebauten  Bürgerhäuser  sprechen  heute  nur 
noch  zwei  im  Straßenbilde  mit.  Man  hat  sich  der  Fachwerkbauten  ge- 
schämt, die  man  der  Würde  der  Residenz  nicht  für  angemessen  hielt, 
und  veränderte,  wo  man  sie  nicht  ganz  beseitigte,  wenigstens  die  Erd- 
geschoßfassaden. Das  Straßenbild  Hannovers  würde  sich  demjenigen  von 
Braunschweig  und  Hildesheim  gleichwertig  anreihen  dürfen,  bestünden 
wenigstens  die  bis  ins  19.  Jahrhundert  hineingeretteten  markigen  Bürger- 
hausbauten noch  in  voller  Zahl. 

Die  Ursprungsgeschichte  Hannovers  reicht  in  das  Forschungsgebiet 
der  Siedlungsgeographie  hinein,  die  sich  dieser  Aufgabe  bisher  noch  kaum 
bemächtigt  hat.  Eine  vorgeschichtliche  Besiedlung  der  Stätte  ist  durch 
Bodenfunde  belegt.  In  dem  Werdegang  Hannovers  weist  die  neuere 
Lokalforschung  dem  1152  in  landesherrlichem  Besitze  befindlichen  Wirt- 
schaftshofe, an  dessen  Überbleibsel,  dem  Ballhofe,  das  ehemalige  landes- 
herrliche Haus  noch  heute  ein  gewisses  Anrecht  hat,  die  Rolle  des  in  jeder 
Stadtbildung  mehr  oder  minder  ausgeprägt  erkennbaren  Siedlungs- 
kernes zu.  Sie  nimmt  an,  daß  an  diesem  Wirtschaftshof  in  der  zweiten 
Hälfte  der  Ottonenzeit  eine  planmäßige  Marktsiedlung  angegliedert 
wurde,  welche  eine  stadtmäßige  Fortentwicklung  einleitete.  Diese  er- 
reichte innerhalb  der  folgenden  zwei  Jahrhunderte  eine  gewisse  Bedeutung; 

11 


mit  ihrer  Niederbrennung  im  Jahre  11<S9  sollte  Heinrich  der  Löwe  offenbar 
empfindlich  gezüchtigt  werden. 

Den  Eintritt  Hannovers  in  die  Kunstgeschichte  etwa  mit  seinem 
Wiedererstehen  aus  der  Asche  gleichzusetzen,  lassen  greifbar  überkommene 
Denkmäler  noch  nicht  zu;  einige  in  der  Ägidienkirche  vermauerte 
romanische  Werkstücke  sind  die  frühesten  und,  obschon  stadtgeschicht- 
lich bedeutungsvolle,  so  doch  kunstgeschichtlich  kaum  auszuwertende 
Dokumente. 

Seit  dem  14.  Jahrhundert,  also  verhältnismäßig  spät,  werden  Denkmale 
in  größerer  Zahl  greifbar:  einer  beispiellosen,  um  die  Mitte  des  Jahr- 
hunderts ungefähr  gleichzeitig  betriebenen  Bautätigkeit  werden  die  drei 
Altstädter  Hauptkirchen  verdankt;  im  Gürtel  der  Stadtmauer  schließen 
sich  die  letzten  Lücken;  die  Zahl  der  Mauertürme  wird  durch  den  „Neuen 
Turm",  den  stattlichen,  noch  heute  erhaltenen  Beginenturm  vermehrt. 
Die  Stadt  gewinnt  ein  abgeschlossenes  Bild,  dessen  Grundzüge  bis  zur 
Gegenwart  erkennbar  sind.  Einzelzüge  bleiben  indes  noch  undeutlich: 
so  ist  von  dem  Grundelement  einer  jeden  Stadt,  dem  Bürgerhause,  aus 
so  früher  Zeit  in  Hannover  -  -  anders  als  etwa  in  Hildesheim  —  kein 
Beispiel  erhalten.  Zu  den  Vorgängen  der  Grundstücksbebauung  und  im 
Zusammenhange  damit  zur  Entwicklungsgeschichte  des  städtischen 
Wohnhauses  bietet  Hannover  erst  seit  dem  15.  Jahrhundert  Unterlagen. 
Als  Kemenaten  anzusprechende  bürgerliche  Baulichkeiten,  die  hier  so 
gut  wie  in  den  Nachbarstädten  erwartet  werden  dürfen,  sind  nur  in 
einem  Falle,  und  zwar  nur  schrifturkundlich  nachweisbar;  kein  monumen- 
tales Beispiel  ist  zweifelsfrei  erhalten. 

Die  Baulichkeiten  geistlicher  Anstalten  und  Stiftungen,  die  gleich 
anfangs  sich  dem  Weichbilde  eingliedern,  sind  für  unsere  Vorstellung 
durch  Bedeckers  Aufzeichnungen  —  Chronik  und  Collectanea  1723 — 62 
(Hs.  Stadtarch.)  —  mehr  oder  minder  anschaulich,  die  Denkmäler  selbst 
nur  geringenteils  oder  verändert  überkommen.  Von  den  außerhalb  der 
Tore  gelegenen,  noch  in  das  14.  Jahrhundert  gehörenden  Kapellen 
St.  Marien  vor  dem  Ägidientor,  St.  Marien  auf  der  Neustadt  und  der 
St.  Nikolaikapelle  gilt  dasselbe. 

Von  einem  für  die  Geschichte  und  die  Kunstgeschichte  der  Stadt 
gleichermaßen  wichtigen  Denkmale,  der  schon  1371  zerstörten  Burg 
Lauenrode  genügen  weder  Überreste  noch  Nachrichten  zu  einer  deutlichen 
Vorstellung.  Ihre  Gründung  scheint  um  das  Jahr  1200  gesetzt  werden 
zu  müssen.  Ebenso  wenig  läßt  sich  über  die  Beschaffenheit  der  anderen 
beiden  Burgen,  die  im  heutigen  Stadtgebiete  bestanden  haben,  derer  zu 
Limmer  und  Herrenhausen,  feststellen. 

Nächst  der  Architektur  hat  die  monumentale  Plastik  des  14.  Jahr- 
hunderts der  Gegenwart  frühe  Denkmäler  überliefert.  Der  Grabstein  des 
Thiedericus  von   Binteln   (f  1321),   ein   kleines   Kreuzigungsrelief  an   der 

12 


Marktkirche,  das  Habicht  (H.  G.  1913,  Seite  243  und  254)  in  die  Zeit  um 
1385  setzt  und  ein  Christophorusrelief,  das  der  Zeit  nach  zwischen  beiden 
steht,  sind  die  wenigen  Repräsentanten  der  frühesten  bildhauerischen 
Kunst  in  Hannover. 

Sehr  der  Erwähnung  wert  sind  auch  einige  der  Glasfenster  im  Chore 
der  Marktkirche,  die  möglicherweise  noch  der  Vorgängerin  dieser  Kirche 
entstammen. 

Der  Baustoffverwendung  nach  erscheint  Hannover  sogleich  bei  seinem 
Eintritt  in  die  Kunstgeschichte  als  eine  Stadt,  in  der  keinesfalls  der 
Ziegelbau  vorherrschend  geübt  wurde.  Das  massige  Ziegelgebäude  der 
Marktkirche  steht  als  solches  vereinzelt  neben  den  zeitgenössischen  kirch- 
lichen Werksteinbauten.  Die  Stadtmauer  und  der  Beginenturm  sind 
andere  etwa  der  gleichen  Zeit  angehörende  Baudenkmale  in  Bruchstein. 
Der  Werkstoff  wurde  großenteils  aus  den  Kalksandsteinbrüchen  der 
nahen  Umgebung  gewonnen.  Die  Verwendung  von  Deistersandstein  tritt 
später  dazu.  Bezeichnenderweise  bildeten  die  lapicidae  schon  136(5  eine 
eigene  Bruderschaft  (siehe  H.   G.  1913,   S.  237). 

Die  Brennöfen  des  Ratsziegelhofes,  deren  Leistungen  seit  Ende  des 
14.  Jahrhunderts  bekannt  sind,  lieferten  nur  eine  verhältnismäßig  geringe 
Anzahl   von    Ziegeln.     Die   Menge    der   Bürgerhäuser   wird  entgegen 

anderer  Meinung  -  -  keinesfalls  damals  eine  andere  Bauart  aufgewiesen 
haben  als  später  —  eben  den  Fachwerkbau*). 

Die  Baudenkmale  der  jüngeren  Gotik  seit  etwa  1400  lassen  allerdings 
eine  offenbare  Zunahme  der  Ziegelbauweise  erkennen.  Wahrscheinlich 
gehören  die  Anfänge  des  heute  noch  bestehenden  Rathauses  schon  in 
das  3.  Jahrzehnt  des  Jahrhunderts.  Sein  Marktflügel  mit  dem  besonderen 
Schmuck  der  Giebel  und  Lucarnen  wurde  1454/55  durch  die  beiden 
Meister  Haverkoper  geschaffen. 

Fast  gleiche  Giebelausbildungen  finden  sich  wieder  an  Bürgerhaus- 
bauten; die  Anzahl  der  Beispiele  dieser  Art  darf  indes  nicht  überschätzt 
werden:  erhalten  ist  gegenwärtig  nur  noch  eins,  das  Haus  Knochenhauer- 
straße 28.  In  diesen  Giebelausbildungen  besitzt  Hannover  einen  ganz 
eigenen  Typ. 

Den  Ziegelbauten  ist  auch  das  älteste,  überhaupt  in  der  Stadt  noch 
bestehende  Bürgerhaus  zuzuzählen,  ein  an  der  Marktstraße  Nr.  48  be- 
legenes Traufenhaus,  das  wohl  um  1420  errichtet  wurde  (man  hat  ihm  bei 
einem  Umbau  1925  eine  Fachwerkfassade  aufgemalt).  Von  einem  kirch- 
lichen Ziegelbau,  der  in  dieser  Zeit  vor  den  Toren,  in  dem  heute  zum 
Stadtgebiet  gehörenden  Hainholz  als  Wallfahrtskirche  entstehen  sollte, 
ist  nur  der  Chor  vollendet  worden  und  auf  die  Gegenwart  überkommen. 

*)  Über  die  Werkstoffe  in  Niedersachsen  im  Znsammenhange  mit  der  Land- 
schaft handelt  V.  C.  Habicht    im    Jahrbuch   1928    d.    Geogr.    Ges.    zu   Hannover, 

S.  60  ff. 

13 


Wie  es  scheint,  haben  auch  die  mildtätigen  Anstalten  und  klösterlichen 
Niederlassungen  bei  der  Ausführung  einzelner  Gebäude,  denen  eine 
gewisse  Monumentalität  zukam,  in  der  späteren  Gotik  den  Ziegelbau 
bevorzugt.  Hinzu  kommen  die  jüngeren  Türme  der  Stadtbefestigung, 
die  Zwinger  und  der  Turm  der  Wasserkunst  an  der  Klickmühle,  so  daß 
sich  in  der  Tat  seit  dem  15.  Jahrhundert  eine  gewisse  Häufigkeit  der 
Ziegelbauweise  bis  um  1550  feststellen  läßt,  wo  sie  in  dem  Treppengiebel- 
hause  Osterstraße  59  den  letzten  noch  erhaltenen  Vertreter  einer  Ziegel- 
hausgruppe hat,  die  gleichzeitig  mit  den  Lüneburger  Häusern  am  Sande 
entstanden  war.  Seit  der  Renaissance  verbirgt  man  in  Hannover  den 
Ziegel  unter  Putz. 

Mit  der  Ziegelarchitektur  verbindet  sich  eng  eine  monumentale 
Terrakottakunst  reliefierter  Glasurfliesen.  Die  wichtigsten  dieser  Arbeiten 
sind  die  Friese  am  Rathause  (1453 — 55)  und  am  Leibnizhause,  datiert  1499. 
Dem  Rathausfriese  kommt  eine  besondere  Stellung  innerhalb  der  gotischen 
Terrakottaarchitektur  zu;  er  ist  älter  als  der  Lüneburger  Löwenfries  am 
Johannisturm,  der  aus  dem  Jahre  1482  stammt.  Beispiellos  sind  die 
Ritter  an  den  Erkern  des  Rathauses.  Die  Kunst  der  glasierten  Form- 
steine überhaupt  scheint  in  Hannover  eher  bestanden  zu  haben  als  in 
Lüneburg,    von   wo   aus  nach    der   bisher   geltenden   Anschauung 

Hannovers  Ziegelbauweise  befruchtet  sein  soll.  In  Celle  werden  um  die 
gleiche  Zeit  die  Pöttker  von  Hannover  zu  Arbeiten  herangezogen,  nicht 
solche  aus  Lüneburg. 

Welche  Rolle  der  monumentale  Werksteinbau  in  spätgotischer  Zeit 
spielt,  seit  das  Baubedürfnis  im  allgemeinen  und  insbesondere  auf  kirch- 
lichem Gebiet  durch  die  großen  Kirchenbauten  der  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts befriedigt  war,  ergibt  der  Umstand,  daß  nur  ein  kirchlicher  Bau 
derart  sich  nachweisen  läßt,  die  etwa  um  1430  neu  erbaute  Minoriten- 
kirche. 

Die  Renaissance  bedient  sich  des  Werksteinbaues  reichlicher;  sie  hat 
aber,  abgesehen  von  den  Torhäusern  der  Stadtbefestigung,  keine  eigent- 
lich monumentalen  Aufgaben  mehr  gefunden,  will  man  nicht  auch  den 
reizvollen  Auswirkungen  der  neuen  Formenwelt  an  den  Erkerbauten  des 
alten  Rathauses  von  1576  monumentalen  Charakter  zugestehen.  Die 
Bürgerhäuser  der  Renaissance  verwenden  in  ihren  Fassaden  den  Werk- 
stein zur  Anbringung  der  Schmuckformen.  Nur  an  dem  von  M.  Mersmann 
aus  Petershagen  erbauten  Hause  Leinstraße  32  ist  die  Fassade  vollständig 
aus  Stein.  Die  erhaltenen  Beispiele  von  Fassaden  dieser  Art  beginnen 
mit  dem  Jahre  1583  und  enden  im  Barock  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts, 
wo  das  Leibnizhaus  ihren  reichsten  Vertreter  darstellt. 

Keinerlei  bürgerliche  Bauten  aus  Fachwerk  sind  aus  vorreformatori- 
scher  Zeit  überkommen.  Etwa  gleichzeitig  mit  der  Reformation  wird  ein 
Baubedürfnis  bemerkbar,  das  in  einer  über  50  Jahre  anhaltenden  Periode 

14 


sich  erschöpft,  indem  es  die  ältere,  abgelebte  Generation  der  bürgerlichen 
Fachwerkhäuser  durch  neue  Hausindividuen  ersetzt  und  damit  den 
zahlenmäßigen  Hauptbestandteil  der  gegenwärtig  noch  erhaltenen  Denk- 
mäler Hannovers  überhaupt  schafft. 

Der  überkommene  Bestand  vorreformatorischer  Denkmäler  auf  dem 
Gebiete  der  Skulptur,  Malerei  und  des  Kunstgewerbes  ist  aus  den  dar- 
gelegten Gründen  äußerst  gering.  Einige  Leitstücke  sind  in  den  Museen 
gerettet.  Eine  berufene  kunstgeschichtliche  Würdigung  haben  die  Denk- 
male zuletzt  durch  Habicht  erfahren  (H.  G.  1913,  S.  234  ff.  und  „Stätten 
der  Kultur",  Hannover,  S.  17  ff.).  Es  sind  der  Altar  des  Minoritenklosters 
um  1415  (Prov. -Museum),  die  gleichzeitige  Altartafel  der  Nikolaikapelle 
und  die  späteren,  um  1500  zu  datierenden  Werke  der  Rückseite  des  Altars 
der  Ägidienkirche,  der  Tafel  mit  dem  Drachenkampf  des  heiligen  Georg 
in  der  Marktkirche  und  des  Triptychons  aus  der  Kreuzkirche.  Dazu 
kommen  insbesondere  die  drei  hervorragenden  Bronzearbeiten  der  Taufen 
in  den  drei  Altstädter  Hauptkirchen;  die  älteste  davon  in  der  Kreuzkirche 
um  1420,  die  beiden  anderen  um  1490 — 1500.  Im  übrigen  gewähren  vom 
Stande  des  Kunstgewerbes  zu  Ende  des  15.  Jahrhunderts  einige  im 
Provinzialmuseum  aufbewahrte  Stücke  aus  dem  Inventar  der  Markt- 
kirche eine  Vorstellung:  Kelche,  Monstranzen  und  ein  Evangelienbuch- 
deckel. Die  in  der  Stadt  Hannover  gefertigten  Goldschmiedearbeiten  sind 
als  solche  erst  seit  1598  durch  den  Beistempel  des  Kleeblattes  gezeichnet. 
Die  Neustadt  führte  100  Jahre  später  den  Löwen  als  Beschaustempel  ein. 

Die  Ernüchterung,  die  mit  der  Reformation  einherging,  hat  nach  der 
Dezimierung  des  Denkmalbestandes  auf  das  kirchliche  Kunstschaffen 
lähmend  eingewirkt.  Aus  nachreformatorischer  Zeit  besitzt  die  Schloß- 
kirche in  dem  Altarbilde  Lucas  Cranachs  ein  überragendes  Werk,  bei 
dem  aber  zu  bemerken  ist,  daß  es  erst  1669  der  Alexanderkirche  zu  Einbeck 
entnommen  und  hierher  verpflanzt  wurde.  Ein  profanes  Werk  der  nach- 
reformatorischen  Zeit,  das  durch  die  Themata  seiner  bildnerischen  Dar- 
stellungen der  kirchlichen  Kunst  nahesteht,  ist  der  1551  geschaffene 
Piepenborn.  Der  Meister  ist  Arndt  Siemerding,  f  1566  (vgl.  Schuchhardt, 
B.  d.  R.,  S.  10,  Leonhardt,  H.  G.  1929,  S.  76  ff.).  Die  jüngst  wieder 
aufgefundenen  Reliefplatten  dieses  Brunnens  gehören  schlechthin  zu  dem 
Besten,  was  Hannover  an  plastischen  Denkmälern  der  Vergangenheit 
besitzt.  Selbst  die  Spitzenwerke  der  hannoverschen  Bildhauerschule, 
deren  ununterbrochenes  Bestehen  von  1550  bis  um  1750  Schuchhardt 
zuerst  behauptet  hat,  sind  künstlerisch  kaum  höher  zu  werten,  obwohl 
darunter  Werke  sind,  wie  der  Grabstein  der  Geschwister  Romeis  und  der 
des  Pastors  David  Meyer,  beide  an  der  Marktkirche. 

Schon  einige  Jahre  bevor  der  Herzog  Georg  von  Calenberg  auf  der 
Stätte  des  Minoritenklosters  den  Bau  seines  Palatiums  in  Angriff  nahm, 
rief  landesherrlicher  Wille  die  Riesenarbeit  der  Neustadtbefestigung  ins 

15 


Leben.  Der  Einzug  eines  neuen  Geistes  bereitete  sich  sichtlich  vor. 
Unter  Christian  Ludwig  und  dem  gebildeteren  Georg  Wilhelm  waren 
weder  die  Fortführung  des  Schloßbaues  noch  die  Anlagen  der  Hofhaltung 
aufwendig  zu  nennen.  Für  das  Stadtbild  aber  ergaben  einmal  die  mit  der 
Einbeziehung  der  Neustadt  in  den  Festungsbereich  einhergehende  Ver- 
legung des  Flußlaufes  1616  und  die  Veränderung  des  Judenteiches,  sodann 
die  Bauten  des  Schlosses,  der  Marställe  und  Wagenhäuser,  des  Jäger- 
hofes, des  Ballhauses  und  des  fast  60  m  in  der  Front  messenden  monumen- 
talen Zeughauses  sogleich  ganz  neuartige  Einzelzüge. 

Johann  Friedrich  unterstellte  die  Fortführung  des  Schloßbaues  dem 
italienischen  Architekten  Sartorio,  die  Ausstattung  in  Stuck  dem  Dossa 
Grana.  Er  und  sein  Bruder  und  Nachfolger  Ernst  August  hatten  auf 
ihren  Reisen  nach  Italien  die  Vorliebe  für  Venedig  gefaßt,  die  es  erklärt, 
daß  sie  als  Herzöge  ihrer  nordischen  Residenz  ein  venezianisches  Gepräge 
zu  verleihen  trachteten.  Sartorio  und  Giusti  waren  die  Hofarchitekten 
dieser  Zeit,  beide  in  palladianischer  Lehre  erzogen,  Giusti  ein  Architekt 
und  Maler  zugleich. 

Die  Nüchternheit,  welche  die  unter  italienischem  Einfluß  entstandenen 
Bauten  im  Äußeren  zeigen,  steht  ganz  im  Gegensatz  zu  der  Ausstattung 
der  Innenräume,  die  eine  außerordentliche  Prachtentfaltung  anstrebt. 
Stukkaturen  und  Gemälde  pflegen  sich  auf  den  Deckenschmuck  zu  er- 
strecken, während  die  Wandbekleidungen  aus  Tapeten  und  Gobelins 
bestanden,  deren  Herstellung  einen  hervorragenden  Zweig  des  hannover- 
schen Kunstgewerbes  bildete,  seit  die  Hugenotten  diese  Kunst  nach 
Hannover  verpflanzten.  Von  ihrer  reichen  Produktion  ist  bisher  kein 
Stück  mehr  nachweisbar.  Auch  nur  wenige  Innenräume  der  geschilderten 
Art  sind  unverändert  erhalten;  im  Leineschloß  im  wesentlichen  der 
Rittersaal.  Herrenhausen  enthält  in  der  Orangerie  den  „umfangreichsten 
Freskenzyklus  des  Barock  in  Norddeutschland"  (v.  Alvensleben,  Herren- 
hausen, S.  9). 

Hofwelt  und  Adel  schufen  sich  um  die  Wende  des  17.  Jahrhunderts 
mehr  oder  weniger  in  Anlehnung  an  das  Vorbild  zu  Herrenhausen  Lust- 
häuser und  Gärten.  Von  diesen  Anlagen  geht  ein  bestimmender  Einfluß 
auf  die  Herrenhäuser  im  ganzen  Lande  aus.  Das  einzige  und  zugleich 
fast  unberührte  Beispiel  eines  solchen  Lusthauses  vor  der  Stadt  ist  das 
im  Jahre  1700  vom  Oberhofmarschall  von  Platen  erbaute  Schloß  Linden. 

Die  adeligen  Stadthäuser  des  ausgehenden  17.  Jahrhunderts  sind  sämt- 
lich verschwunden.  Von  einem,  dem  von  Redenschen  Hause  an  der 
Osterstraße,  erbaut  1686,  abgebrochen  1913,  ist  die  Dekoration  des 
Hauptsaales  vor  dem  Untergange  bewahrt  geblieben. 

Bei  dem  außerordentlich  bemerkenswerten  Gotteshause  der  Neu- 
städter St.  Johanniskirche,  das  1666,  noch  vor  dem  ersten  Auftreten 
Sartorios,    erbaut    wurde,    erscheint    unmittelbarer    italienischer    Einfluß 

16 


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mindestens  zweifelhaft.  Die  Raumschöpfung  entspricht  durchaus  einem 
protestantischen  Ideal.  Diese,  erste  Saalkirche  Norddeutschlands  bildet 
den  Ausgangspunkt  der  Entwicklung  eines  neuen  Kirchentyps,  der  in 
zahlreichen  Landkirchen  der  Folgezeit  wiederkehrt. 

Als  fast  ausschließlich  italienischer  Kirchenbau  steht  dagegen  die 
katholische  St.  Clemenskirche  da,  ein  leider  unvollendet  gebliebener 
oberitalienischer  Zentralbau,  für  den  Tomaso  Giusti  1713  den  Entwurf 
geliefert  hat. 

Sudfeld  Vicks  Ägidienkirchturm,  der  fast  zu  gleicher  Zeit  sich  im 
Bau  befand,  geht  nach  des  Architekten  eigenen  Angaben  auf  das  Studium 
von  Vitruv,  Palladio  und  anderen  Theoretikern  zurück. 

Die  Zeit  des  französischen  Einflusses  in  der  Architektur  beginnt  aus- 
geprägt mit  dem  Auftreten  Remy  de  la  Fosses  1705,  der  den  französischen 
Spätbarock  in  Hannover  einführte.  Während  der  kaum  neun  Jahre 
seines  Aufenthaltes  hier  baute  er  —  soweit  man  weiß  —  das  Kielmannsegg- 
sche  Lusthaus  Fantaisie,  das  von  Platensche  Monbrillant,  beide  in  Fach- 
werk, und  das  Landständehaus,  einen  Massivbau  in  der  Art  eines  Pariser 
Adelshotels.  Von  seinen  hannoverschen  Bauten  gehört  außer  dem  einen 
der  beiden  Eckpavillons  im  Herrenhäuser  Großen  Garten  das  Neue  Reit- 
haus und  das  Archivgebäude  zum  vorhandenen  Denkmalbestande. 

Nach  der  Übersiedelung  des  Hofes  war  es  im  wesentlichen  der  in 
Hannover  verbliebene  Hofadel,  der  namhafte  bauliche  Aufträge  zu  ver- 
geben hatte.  Die  Wiedererrichtung  des  1741  abgebrannten  Flügels  vom 
Leineschloß  durch  Johann  Paul  Heumann  auf  Grund  von  dessen  in  Paris 
revidierten  Plänen  ist  als  das  wichtigste  unter  der  Hofbaudirektion 
zustande  gekommene  Werk  bis  zum  Auftreten  von  Laves  zu  verzeichnen. 

Die  Künstlerpersönlichkeit  Johann  Paul  Heumanns  ist  bislang  zu 
wenig  ins  Licht  gestellt.  Zu  Unrecht  hat  man  mehr  auf  den  Festungs- 
baumeister Dinglinger  geschaut,  der  irrig  als  Architekt  des  großen  Gast- 
stättenbaues auf  der  Calenberger  Neustadt,  in  dem  heute  das  Landes- 
kirchenamt seinen  Sitz  hat,  galt,  und  dem  auch  das  von  dem  Busschesche 
Palais  nicht  mit  voller  Sicherheit  zugeschrieben  werden  kann.  Heumann 
war  in  Wirklichkeit  der  Schöpfer  des  „Wappens  von  England"  (British 
Hotel)  und  kommt  für  das  von  dem  Busscheschen  Palais  und  die  ver- 
wandten Bauten  Breite  Straße  8  und  Schmiedestraße  3  in  Frage.  Er 
baute  die  Münze,  das  v.  Hardenbergsche  Haus  in  Herrenhausen,  die  alte 
Gartenkirche  und  ist  als  Architekt  beteiligt  an  dem  Kanzelaltar  in  der 
Neustädter  und  Gartenkirche  sowie  an  der  Kanzel  der  Kreuzkirche. 

Der  Ägidienanbau  wurde  unter  Grupen  bis  ins  einzelne  nach  Plänen 
von  Dinglinger  durchgeführt.  Er  ist  unter  den  wohnkolonialen  Bau- 
anlagen, deren  Hannover  seit  dem  Mittelalter  einige  zu  verzeichnen  hat, 
wie  die  Budenkolonien  auf  dem  Rösehof  oder  dem  Potthof,  up  den 
Specken  und  die  Duveschen  Kolonien  auf  der  Neustadt,   die  erste,  der 

2  17 


echte  städtebauliche  Gedanken  zugrunde  liegen.  Zudem  stellt  er  die 
bedeutendste  Äußerung  baulicher  Unternehmungslust  des  Bürgertums  seit 
dem  Wegzuge  des  Hofes  dar.  Vereinzelte,  auch  künstlerisch  ansehnliche 
bürgerliche  Wohnbauten  entstanden  schon  zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts: 
erhalten  geblieben  sind  davon  die  Häuser  mit  französisch  beeinflußter 
Fassadenausbildung  Burgstraße  6  und  Breite  Straße  18. 

Wenn  vom  bürgerlichen  Bokoko  Hannovers  Johann  Paul  Heumann 
und  bedingungsweise  Dinglinger  in  der  Architektur  als  die  Exponenten 
gelten  dürfen,  so  war  Johann  Friedrich  Ziesenis  sein  vornehmster  Ver- 
treter auf  kunstgewerblich-bildhauerischem  Gebiete.  Die  Hauptwerke 
seiner  Kunst  entstanden  bezeichnenderweise  in  kirchlichem  Auftrage: 
seine  Kanzel  in  der  Kreuzkirche  (1758)  und  der  Kanzelaltar  in  der  Neu- 
städter Kirche  (1759)  sind  über  die  Grenzen  des  Landes  hinaus  berühmte 
Denkmäler. 

Das  zu  Ende  gehende  18.  Jahrhundert  ist  nicht  eben  durch  Beichtum 
an  Denkmälern  ausgezeichnet.  Dem  in  die  Zeit  um  1780  fallenden 
Bau  der  Leibgarde-Kaserne  unter  dem  Grafen  Wallmoden  und  dem 
gleichzeitigen  Umbau  von  dessen  Lusthause  im  Wallmodenschen  Park  - 
beides  ausgeführt  durch  den  Ingenieur  H.  Borchers  —  mag  noch  das 
Gebäude  der  „Neuen  Vieharzneyschule"  (1793)  vor  dem  Clevertore 
und  der  Leibniztempel  hinzugefügt  werden,  um  die  nennenswerten,  noch 
bestehenden  architektonischen  Dokumente  vor  Augen  zu  führen.  Die 
Zeit  bereitete  durch  die  Schleifung  der  Festungswerke  neue  bauliche 
Möglichkeiten  vor:  vorerst  entstanden  repräsentative  Toranlagen  vor  den 
Haupteingängen  der  Stadt,  und  die  Wälle  wurden  zu  Promenaden  um- 
gestaltet. Die  behelfsmäßige  Unterbringung  der  Staatsbehörden  blieb 
bestehen,  doch  liegt  in  einem  Entwurf,  der  in  die  1790er  Jahre  gehört, 
ein  bemerkenswerter  Versuch  vor,  für  Justizkanzlei  und  Konsistorium 
ein  Amtsgebäude  zu  erstellen.  1803  bereiste  Friedrich  Weinbrenner  das 
Kurfürstentum  in  staatlichem  Auftrage  und  schlug  Veränderungen  an 
dem  Leineschlosse  vor.  Die  napoleonische  Zeit  ließ  architektonisches 
Schaffen   nicht  aufkommen.  Unmittelbar  nach   den   Freiheitskriegen 

trat  Laves  —  damals  26j  ährig  -  -  in  Hannover  bei  der  Instandsetzung 
des  von  dem  Busscheschen  Palais  an  der  Leinstraße  für  den  Herzog 
Friedrich  von  York  auf.  Die  Bestauration  des  Herrenhäuser  Schlosses 
begann  einige  Jahre  später.  In  das  Jahr  1816  fällt  Laves'  Entwurf  zu 
einem  neuen  Besidenzschloß  vor  dem  Clevertore.  Eine  Entschließung 
des  Königs  und  Kurfürsten  vom  3.  Dezember  1816  entschied  sich  aber 
für  die  Wiederherstellung  und  den  Ausbau  des  Leineschlosses.  Infolge 
davon  scheint  ein  Wettbewerb  stattgefunden  zu  haben,  wenigstens  findet 
sich  eine  Beihe  von  unsignierten  Entwürfen  im  Staatsarchiv,  die  dieses 
Projekt  behandeln.  Das  Vorhandensein  derartiger  archivaler  Denkmäler 
ist  besonders  willkommen  zur  Erkenntnis  des  tieferen  architektonischen 

18 


Wollens  jener  Zeit,  die  wirklich  ausgeführte  Denkmäler  als  Anschauungs- 
und  Belegmaterial  nur  in  geringem  Umfange  zur  Verfügung  gestellt  hat. 
Im  archivalen  künstlerischen  Nachlaß  von  Laves  ist  darüber  hinaus  ein 
biographisches  Material  zur  Beurteilung  eines   Genius  überliefert. 

Die  Entwicklung  Hannovers  zur  Großstadt  städtebaulich  in  die  Wege 
zu  leiten,  war  seit  etwa  182cS  Laves  beschieden,  in  der  Ausgestaltung  der 
Esplanade  zum  Waterlooplatz  1828  hat  er  die  erste  Probe  seines  weit- 
ausschauenden Könnens  erbracht.  Ein  städtebaulich  einheitlich  in 
klassizistisch-romantischem  Sinne  durchgebildetes  Hannover  als  König- 
liche Residenzstadt  erscheint  bei  ihm  als  Leitgedanke  seiner  Planungen 
selbstverständlich,  obwohl  es  den  bewußten  Begriff  des  Städtebaues 
damals  noch  nicht  gab.  Von  seiner  Zeit  konnte  seine  überragende  Fähig- 
keit in  dieser  Hinsicht  weder  voll  erkannt  noch  nach  Gebühr  geschätzt 
werden. 

Die  „Hannoversche  Architektenschule",  welche  der  Stadt  im  übrigen 
den  Ausdruck  der  nunmehr  Königlichen  Residenz  zu  geben  bemüht  war, 
suchte  mit  heißem  Eifer  in  der  Wiederanknüpfung  an  frühere  Stilarten 
und  deren  Fortentwicklung  das  Heil  der  Architektur  und  endete  folge- 
richtig in  der  Auflösung  des  Eklektizismus. 

Ebeling,  ein  Weinbrennerschüler,  baute  1831  das  Polytechnikum  an 
der  Georgstraße  in  florentinisch-romanischen  Formen.  Von  den  drei  in 
München  bei  Gärtner  vorgebildeten  Architekten  Andreae,  Droste  und 
Hase  baute  der  erste  1844  den  ,, Dogenpalast"  genannten  Rathausflügel, 
der  zweite  1850 — 54  die  Hohen  Schulen  am  Georgsplatze,  und  Hase  1852 
das  Museum  in  der  Sophienstraße.  Der  Bau  der  Christuskirche  1856 
führte  Hase  ganz  der  Backsteingotik  zu,  die  dann  im  Straßenbilde  in 
durchaus  eigenartiger  Ausdrucksform  zur  Herrschaft  gelangte. 

Die  Münchener  romantische  Bauart  behielt  insbesondere  der  bevorzugte 
Hofarchitekt  der  1850er  Jahre,  Tramm,  unbeirrt  bei.  In  seinem  Weifen- 
schloß oder  dem  Simonschen  Palais  hat  der  von  ihm,  Heldberg  und  Rasch 
vertretene  neuromanische  Stil,  der  bis  in  die  1870er  Jahre  hinein  mit 
der  Neugotik  im  Stadtbilde  wetteifert,  seinen  bezeichnendsten  Ausdruck 
gefunden. 


19 


~  22 


20 


Weichbildentwicklung. 


ANFANGE. 

Untergrund. 

Fernhandelsstraße. 

übergangstelle  und  Siedelung. 

Wirtschaftshof. 

Markt. 

Rechtsleinischer  Straßenzweig. 

MITTELALTER. 

Mittelalterlicher  Weichbildzuwachs. 
He  völkerungszuwachs. 
Grundstücke. 
Blockaufteilung. 

17.  UNI)  LS.  JAHRHUNDERT. 
Calenberger  Neustadt. 
Altstadterweiterungen. 
Ägidienanbau,  Friedrichstraße,   Georgstraße. 

STÄDTEBAULICHE   ENTWICKLUNG 

IM  19.  JAHRHUNDERT. 
Laves. 

Eingemeindungen. 

Ernst-August-  Stadt. 

Bebauungsplan  von  1852. 


21 


Weichbildentwicklung. 


Untergrund  Den  Untergrund  dos  hannoverschen  Stadtgebietes  bilden  die  Kies- 
ablagerungen eines  eiszeitlichen  Gletscherbettes,  auf  dem  diluviale  Sande 
von  durchschnittlich  12  m  Mächtigkeit  bei  flachwelliger  Oberflächen- 
gestaltung und  südost-nordwestlich  streichender  Schüttungsfront  ab- 
gelagert sind.  Diese  Sande  gehören  zu  der  Moränenschüttung,  welche  das 
Leine-Wietzeurstromtal  abriegelte;  sie  stemmten  sich  dem  Flußlaufe 
entgegen,  drängten  ihn  gegen  die  linksufrigen  Ausläufer  des  Mittelgebirges 
(Lindener  Berg)  und  zwangen  ihn  weiterhin  zur  Richtungsänderung  nach 
Westen. 


»Jim  ^ 


IV 


Abb.  2.     Hannover;  Physikalische  Karte  der  Umgebung  Hannovers  um  KiOO. 


22 


Weichbildentwicklung 

Diese  Umstände  mußten  die  seit  dem  Neolithikum  nachweisbar  vom  Fernhandelsstraße 
Durchgangsverkehr  benutzte  Fernhandelsstraße  durch  den  Leinetalgraben, 
deren  letzte  Etappen  vor  dem  Austritt  in  das  Flachland  noch  in  Carolin- 
gischer  Zeit  der  linksufrig  gelegene  Bischofssitz  Elze  und  der  Ort  Pattensen 
gebildet  haben,  veranlassen,  hier  an  dem  Leinebogen  auf  das  andere  Ufer 
hinüberzugehen.  Eine  frühe,  quer  zu  dieser  Leinetalstraße  verlaufende 
Fernhandelsstraße,  die  gerade  beim  heutigen  Hannover  die  erstgenannte 
gekreuzt  hätte,  ist  nicht  anzunehmen,  da  wenig  weiter  südlich  der  Hellweg 
durch  die  Porta  Westfalica  die  Ronneberger  Höhe  querte,  um  mit  dem  durch 
die  Hameler  Senke  führenden  einen  gemeinsamen  Flußübergang  etwa  bei 
Sarstedt  zu  suchen. 

Der  Isohypsenverlauf  des  rechten  Urstromufers  der  Leine  beim  späteren  Übergangsstelle  und 
Hannover  zeigt  abwärts  der  tiefen  Einbuchtung  beim  heutigen  Holzmarkte  s,edcluns 
eine    westwärts    stark    ausspringende    Ufernase,    die,    heute    vom    stadt- 
hannoverschen  Sandrücken  durch  die  Leine  getrennt,  geologisch  als  im 
Zusammenhange  mit  diesem  —  nicht  aber  mit  dem  Lindener  Berge  — 
stehend  festgestellt  ist.    Die  Höhe  dieses  Vorsprunges  in  geschichtlicher  Abb.  2. 
Zeit  ist  auf  etwa  56  m  über  NN  berechnet,  so  daß  die  Annahme  einer 
natürlichen  Trennung  durch  Ausspülung  entfällt  und  nur  eine  künstliche 
Durchstechung  in  Frage  kommt. 

Die  gegebene  Uebergangsstelle  für  die  Fernhandelsstraße  war  dieser 
Vorsprung,  der  von  seinem  Bewuchs  den  Namen  Brühl  trug.  Dem  örtlichen 
Verlauf  der  Fernhandelsstraße  vor  dem  Flußübergang  entspricht  linksufrig 
die  Bäckerstraße,  rechts  setzt  er  sich  auf  dem  Sandvorde  in  Richtung  auf 
die  spätere  Nikolaikapelle  fort. 

Analog  den  Vorgängen  bei  anderen  Flußübergangs-  und  Umschlagstellen 
entwickelte  sich  hier  eine  Etappensiedlung,  die  bald  von  Bedeutung  wurde 
und  die  ohne  Zweifel  eben  jenes  1022  genannte  vicus  Honovere  war,  die 
Heimat  des  blinden  Mädchens,  an  dem  nach  den  Aufzeichnungen  eines 
Hildesheimer  Mönches  der  heilige  Bernwardt  die  wunderbare  Heilung 
vollzog  (Hdschr.  d.  Miracula  St.  Bernwardi,  Mon.  Germ.  SS.  IV,  783,  16). 
Im  Jahre  1283,  während  inzwischen  die  Stadt  Hannover  sich  an  benach- 
barter Stelle  entwickelt  hatte,  besteht  diese  Siedlung  noch  als  praeurbium 
(Urk.  B.  Nr.  47).  Bei  ihrer  Niederlegung,  welche  1314/15  die  Fürsprache 
des  Herzogs  Otto  d  .  Strengen  zugunsten  der  Stadt  bei  den  Grundeigen- 
tümern erwirkte,  zeigt  sich,  daß  dieses  „praeurbium  auf  dem  Santforde" 
mit  30  bis  40  Wohnstätten  größer  war  als  irgendeine  andere  Siedlung  der 
näheren  Umgebung.  Auffällig  ist  dabei  die  große  Zahl  der  Lehnsadeligen, 
welche  Grundeigentümer    der    niedergelegten  Kotstellen    gewesen  waren. 

Ebenfalls    rechtsufrig,    in    Nähe    des    vermutlichen    Leineüberganges,  whtschaftshoi 
besteht,  für  die  zweite  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  belegt,  ein  Wirtschafts- 
hof, der  spätere  St.  Gallenhof,  auf  dessen  Bedeutung  für  die  Entwicklung 
der  Stadt  Schuchhardt  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat  (H.  G.  1903,  S.  27). 

23 


Weichbildentwicklung 

Heinrich  der  Löwe  hielt  1163  in  „curie  nostre  Honovere"  einen  Hoftag  ab 
(Urk.  B.  Nr.  1).  Ganz  allgemein  pflegt  in  Niedersachsen  ein  landesherrlicher 
Wirtschaftshof   die    Keimzelle    zu    fortschreitender    Besiedlung    zu    sein. 

Die  neuere  Forschung  glaubt,  daß  schon  einer  der  Frankenkönige  nahe 
dem  Flußübergange  einen  jener  Wirtschaftshöfe,  wie  sie  Karl's  des  Großen 
Capitulare  de  villis  in  ihrem  wirtschaftlichen  Betriebe  eindringlich  schildert, 
für  den  König  selbst  und  seine  Sendboten  angelegt  habe  als  wohlvorbereitete 
Beisestationen,  die  an  geeigneter  Stelle,  und  so  auch  wohl  hier,  Sitz  des 
königlichen  Verwalters  der  Finanz-,  Militär-  und  Kultusangelegenheiten 
des  Grafen  waren.  Bege  Wechselbeziehungen  zwischen  Königshof  und 
Dorf  werden  bestanden  haben;  das  Dorf  wird  dem  Hofe  die  nötigen  Hand- 
werker gestellt  und  der  Hof  den  Dorfbewohnern  sein  Ackerland  zur  Nutzung 
überlassen  haben  (Leonhardt). 
Markt  Der  Charakter  einer  Siedlung,  wie  sie  an  Bast-  und  Umschlagplätzen 
entsteht,  ist  von  allem  Anfang  an  mehr  bestimmt  durch  ihre  Beziehungen 
zum  Beise-  und  Handelsverkehr  als  durch  die  landwirtschaftliche  Erwerbs- 
weise der  Siedler.  Eine  derartige  Etappensiedlung  pflegt  bald  zum  Zentrum 
des  Warenangebotes  für  einen  gewissen  Bezirk  und  zur  Stätte  gelegent- 
licher Märkte  zu  werden,  zumal  wenn  sie  in  unmittelbarer  Nähe  einer 
Völkerschaftsgrenze  —  hier  Engern  und  Ostfalen,  zugleich  Bistumsgrenze 
Minden-Hildesheim  —  liegt.  Unbedenklich  darf  der  Vorgang  so  auch  für  die 
Siedlung  beim  Leineübergang  angenommen  werden,  und  ebenso  unbedenk- 
lich ist  die  Annahme,  daß  der  Grundherr  ihn  mit  Aufmerksamkeit  verfolgte 
und  schließlich,  als  in  der  zweiten  Hälfte  der  Ottonenzeit  die  Gründung 
von  Märkten  geradezu  zu  einem  Gründungsfieber  ausartete,  auch  hier  der 
Grundherr,  um  seinen  Vorteil  wahrzunehmen,  in  den  Gang  der  Dinge  eingriff. 
Rechtsieinischer  Sehr  zu  beachten  ist  nun,  daß  die  Leinetalstraße  inzwischen  durch  die 
straßenzwe.g  Verlegung  des  Bischofsitzes  nach  Hildesheim  im  Jahre  815  eine  Ab- 
zweigung von  Northeim  über  Gandersheim  erhalten  hatte,  die  sich  bei 
Hannover  mit  dem  alten  Straßenzuge  wieder  vereinte  und  sicher  von  allen 
denen  bevorzugt  wurde,  die  auf  ihrer  Beise  der  geistlichen  Erquickungen 
der  Bischofstadt  teilhaftig  zu  werden  wünschten. 

Innerhalb  der  Straßengabelung,  beide  Straßen  beherrschend,  finden  wir 
den  landesherrlichen  Wirtschaftshof  angelegt.  Der  örtliche  Verlauf  des  in 
der  unmittelbaren  Nähe  des  Wirtschaftshofes  vorbeiziehenden  rechts- 
leinischen  Straßenzweiges  wurde  bestimmend  für  die  Stätte  des  grund- 
herrlichen Marktes,  und  zwar  gilt  der  Hokenmarkt  an  der  Schmiedestraße 
als  diese  vom  Grundherrn  gewählte  Stätte  der  ersten,  wohl  nur  geringen 
Marktsiedlung,  weil  hier  noch  bis  in  das  17.  Jahrhundert  hinein  die  landes- 
herrliche Zollbude  gestanden  hat.  Der  Hokenmarkt  wird  noch  1279 
,,in  foro  nostro"  bezeichnet  (Urk.  B.  Nr.  45).  Im  Gegensatz  dazu  heißt 
der  Platz  südlich  der  Marktkirche  1257  „in  cimiterio  Sancti  Georgii  in 
Honovere"  (Urk.  B.  Nr.  20,  s.  auch  Urk.  B.  Nr.  99,  Anm.  2). 

24 


Weichbildentwicklung 

Die  neue  Siedlung  tritt  nun  in  Wettbewerb  mit  jener  älteren  beim  Stapel 
und  überwindet  sie  unter  grundherrlicher  Förderung. 

Um   1300,   wo   die  bis  auf  kleine   Lücken   vollzogene    Schließung  des  Mittelalterlicher 
Mauerringes   für   die    Weichbildsgestalt   einen    sicheren   Anhalt   gewährt,  Weichbildzuwachs 
zeigt  sich  die   Stadt  in  einem  schon  weit  vorgeschrittenen  Besiedlungs- 
zustande: zwei  kirchliche  Gemeinwesen  finden  sich  vor;  die  Kauf manns- Tafel  2 
Siedlung  hat  sich  längst  aus  einer  vom  Grund-  und  Marktherrn  geleiteten 
Marktgemeinde  zu  einem  sich  selbst  verwaltenden  städtischen   Gemein- 
wesen fortentwickelt;   die  landesherrliche  Anerkennung  dieses  Zustandes 
besitzt  die  Bürgerschaft  seit  1241   durch  die  Stadtrechtverleihung. 

In  die  Vorgänge  der  Weichbildentwicklung  etwa  seit  dem  11.  Jahr- 
hundert hat  die  Kleinarbeit  der  Hausgrundstückforschung  insoweit  Licht 
bringen  können,  als  sie  aus  dem  mittelalterlichen  Weichbilde  zunächst 
zwei  Kernstücke  herausgeschält  und  die  Erweiterungen  aufgezeigt  hat, 
die  es  zu  dem  an  Baum  gesättigten  Ganzen  abrundete,  als  welches  es  bis 
ins  17.  Jahrhundert  hinein  bestand. 

Als  das  eine  der  beiden,  je  von  einheitlicher  Grenzlinie  umzogenen 
Kernstücke  erscheint  im  nordwestlichen  Weichbildwinkel  ein  125  xl80  qm 
umfassendes  Rechteck,  der  frühe  Umfang  des  Wirtschaftshofes;  als  das 
andere  erscheint  das  von  ovaler  Umgrenzung  eingehegte  Stadtgebiet,  das 
längs  aufgeschlossen  wird  von  dem  Markt-Schmiedestraßenzuge  und  von 
der  Osterstraße. 

Auch  dieses  Gebilde  differenziert  sich  noch,  wie  die  schon  1211  aus- 
gesondert erscheinende  Worthzinspflicht  der  südlichen  Osterstraße 
erkennen  läßt. 

Der  Einäscherung  der  Stadt  im  Jahre  1189  kommt  die  erhebliche 
Bedeutung  zu,  die  Ursache  für  deren  bauliche  Fortentwicklung  gewesen 
zu  sein.  Bald  nach  diesem  Vorgange  ersteht  nicht  nur  die  landesherrliche 
Wirtschafts-  und  Verwaltungsstation  auf  besser  verteidigungsfähiger  Stelle 
als  Burg  Lauenrode  neu,  sondern  der  Landesherr  teilt  auch  südöstlich  der 
älteren  Marktsiedlung  Fronland  aus  an  Kaufleute  und  Gewerbetreibende, 
so  daß  sehr  bald  ein  neues  Gemeinwesen  worthzinspflichtiger  Angesiedelter 
mit  kirchlichem  Mittelpunkt  entsteht.  Die  überkommenen  architektoni- 
schen Beste  der  Vorläuferin  der  Agidienkirche  sind  Zeugen  dieser  Zeit. 
Im  weiteren  Ausbau  wachsen  die  beiden  Gemeinwesen,  das  um  die  Jacobi- 
kirche  und  das  um  die  Agidienkirche,  zu  dem  Stadtgebilde  zusammen, 
welches  1241   das  Stadtrecht  erhielt. 

Die  hauptsächlichste  der  Weichbilderweiterungen  bildet  die  Ausdehnung 
des  Stadtgebietes  gegen  Westen  nach  der  Leine  hin,  wo  wahrscheinlich 
ein  alter,  dem  Zwischenverkehr  dienender  Uferweg  bestand.  1291  hatten 
sich  hier  die  Minoriten,  reichlich  30  Jahre  früher  (zwischen  1216  und  1264) 
bereits  die  Zisterzienser  von  Betzingerode  (Marienrode)  niedergelassen 
(ungedrucktes  Chronicon  des  Priors  Franziscus  Borsum,  vor  1581,  Hdschr. 

25 


Weichbildentwicklung 

im  Stadt-Arch.),  beide  auf  exterritorialem  Boden,  denn  sie  unterstanden 
nicht  der  Stadtgerichtsbarkeit.  Die  beabsichtigte  Einbeziehung  dieses 
Gebietes  in  das  Weichbild  war  vermutlich  die  Ursache  des  Streites 
zwischen  Herzog  Otto  und  der  Stadt,  der  1297  versöhnlich  durch  die 
Erlaubniserteilung  zur  Vollendung  des  begonnenen  Mauerbaues  geschlichtet 
wurde  (Urk.  B.  Nr.  65). 

Um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  bereits  hatte  die  Anlage  des 
Heiligengeist-Stiftes  eine  kleinere  Stadterweiterung  hervorgerufen,  die 
das  Gebiet  vom  Marienseerhofe  bis  zum  Kleinen  Wulveshorne  umschloß. 
Weiter  außerhalb  nach  Norden  und  Westen  bestand  noch  zwischen  Stapel 
und  Steintor  das  alte  Dorf  Honovere,  dessen  Grund  und  Boden  zum 
Teil  im  Eigentum  der  St.  Gallenkapelle  war,  zu  anderen  Teilen  ver- 
schiedenen Adelsgeschlechtern  gehörte.  In  den  Jahren  1314  und  1315 
erst  traf  die  Stadt  mit  den  Eigentümern  die  vorher  erwähnte  Vereinbarung 
auf  Abbruch  von  über  30  Kotstellen,  offenbar,  um  hier  das  Weichbild 
ausdehnen  zu  können  (Urk.  B.  Nr.  116  ff.). 

Ein  weiterer  Zuwachs,  der  das  mittelalterliche  Weichbild  so  weit 
abrundete,  daß  das  Bedürfnis  nach  Siedlungsgebiet  auf  mehrere  Jahr- 
hunderte hinaus  befriedigt  blieb,  war  der  allmähliche  Erwerb  des  Werders 
von  der  Klickmühle  bis  zum  Leinstoven  in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts. So  gelangte  1340  mit  Zustimmung  der  Herzöge  eine  Häuser- 
gruppe der  v.  Alten  in  das  Gerichts-  und  Weichbildsrecht  der  Stadt 
(Urk.  B.  Nr.  217),  während  andere  Teile  ihren  grundherrlichen  Gerichts- 
barkeiten unterstellt  blieben  und  das  Ganze  mit  Bücksicht  auf  die  ver- 
schiedenen Zuständigkeiten  von  der  Einbeziehung  in  den  Mauerring 
ausgeschlossen  blieb. 

Das  Gelände  der  Burg  Lauenrode  kam  nach  deren  Zerstörung  im 
Jahre  1371  als  letzte  der  mittelalterlichen  Erweiterungen  hinzu. 
Bevöikerungs-  Mit  der  machtpolitischen  Stellung  des  städtisch  und  bürgerlich  freien 
Zuwachs  pjannov€rj  mjt  dem  Stande  seiner  Handelsbeziehungen  und  mit  dem 
seiner  Wirtschaft  steht  der  Bevölkerungszuwachs  der  Stadt  als  Ursache 
der  Weichbilderweiterungen  in  Wechselwirkung.  Das  14.  Jahrhundert 
bahnt  die  Hochblüte  des  hannoverschen  Gemeinwesens  an;  mit  der 
Privilegerteilung  von  1371  und  dem  Fall  der  Burg  Lauenrode  ist  sie 
erreicht. 

Die  natürliche  Vermehrung  der  eingesessenen  Bevölkerung  allein 
konnte  nicht  einen  so  starken  Zuwachs  schaffen,  wie  er  durch  den  Zuzug 
von  außen  zustande  kam.  Dieser  setzte  sich  zusammen  aus  jungen  Söhnen 
des  Landadels,  des  freien  Bauerntums  und  des  auswärtigen  Patriziates, 
aus  der  Einwohnerschaft  der  wüste  gelegten  Ortschaften  —  zum  Teil  ent- 
lassene Hörige  --  und  in  allmählich  zunehmendem  Maße  den  wandernden 
Handwerksgesellen,  die  eine  freigewordene  Meisterstelle  zur  Seßhaft- 
machung  veranlaßte.    Das  zahlreiche  Auftreten  von  klösterlichen  Nieder- 

26 


Weichbildentwicklung 

lassungen   und    Ablagern   geistlicher   Orden   ist   ein    Gradmesser   für   die 
beginnende  Blüte. 

Die  bodenwirtschaftliche  Entwicklung  des  Weichbildes  erscheint  Grundstücke 
um  1300  in  dem  Sinne  abgeschlossen,  daß  die  Grundstücksgrenzen  — 
soweit  das  Weichbild  damals  reichte  —  festliegen.  Sie  bleiben  mit  wenigen, 
in  besonderen  Umständen  begründeten  Ausnahmen  unverändert  bis  zur 
Neuzeit  (siehe  dazu  den  von  Leonhardt  für  den  niedersächsischen  Städte- 
atlas vorbereiteten  Plan  der  Grundstücksgrenzen  seit  1428).  Es  tritt 
lediglich  eine  Differenzierung  der  Besitzverhältnisse  innerhalb  der  Grenzen 
der  mit  vollem  bürgerlichen  Becht  begabten  Grundstücke  (domus)  ein 
durch  die  Abteilung  von  Wohnstätten  minderen  Bechtes  (bodae).  (Siehe 
darüber  „Bürgerhäuser".) 

Die  Blockaufteilung  des  Weichbildes  durch  ein  rostförmiges  Straßen-  Biockaufteiiu 
System  mit  nur  wenigen   Querstraßen  ist  um  1300  abgeschlossen. 

Dieses  System  ergibt  sich  aus  der  Erweiterung  des  durch  Schmiede- 
Marktstraßenzug  und  Osterstraßenzug  aufgeschlossenen  Kernes  einmal 
durch  die  Bebauung  des  an  den  Klosterhöfen  vorbeiführenden  Weges 
nach  dem  landesherrlichen  Wirtschaftshof,  der  Leinstraße.  Diese  zog 
auch  die  Bebauung  der  Köbelingerstraße,  bis  dahin  eines  rückseitigen 
Zufahrtweges  für  die  Grundstücke  der  Marktstraße,  wie  er  sich  als  Gasse 
„Hinter  der  Mauer"  vielerorts  erhalten  hat,  nach  sich.  Andererseits 
ergab  das  System  sich  aus  der  Auflassung  des  Wirtschaftshofes,  dessen 
Erhaltung  —  munitio  inter  castrum  pp.  sie  manebit  -  noch  1241 
vorgesehen  war,  die  wiederum  die  Bebauung  der  Knochenhauerstraße, 
des  schmalen  Trennungsgeländes  zwischen  Stadt  und  Hof  ermöglicht 
und  einen  neuen  Weg  zum  Steintore,  den  wohl  daher  sogenannten 
neuen  Steinweg,  schafft. 

Auch  in  der  Verwaltungsteilung  der  Altstadt  zeichnet  sich  dieser 
Entwicklungsgang  des  Weichbildes  ab.  Zu  dem  Viertel  der  Osterstraße, 
welche  in  ihrem  Nordwestende  vom  zeitweise  sogenannten  Pferdemarkt 
an  Kopperslägerstraate,  auch  Gropengeterstraate,  im  Mittelalter  hieß, 
gehörten  das  Große  und  Kleine  Wulveshorn,  jetzt  Große  und  Kleine 
Packhofstraße,  die  Unslinger-  später  Seilwinderstraße  und  die  Grütte- 
meker-,  später  Böselerstraße.  Bösehof,  Johannishof,  Potthof  sind  erst 
im  16.  und  17.  Jahrhundert  Straßen  geworden.  Zum  Viertel  der  Markt- 
straße gehörte  als  Fortsetzung  die  Schmiedestraße,  ferner  die  Juden-, 
jetzt  Schuhstraße.  Zur  Köbelingerstraße  gehörten  Damm-,  Kramer-, 
Knochenhauer-,  Bock-  später  Juden-,  jetzt  Ballhofstraße,  Kreuzstraße 
und  Kreuzkirchhof,  Tiefenthal,  Goldener  Winkel,  Mauernstraße,  jetzt 
Marstallstraße,  und  Vrenschenhagen,  jetzt  Kaiserstraße.  Das  vierte 
Stadtviertel  hieß  nach  der  Leinstraße;  zu  ihr  gehörten  deren  Verlänge- 
rung, nämlich  die  Stadt-,  jetzt  Burgstraße,  ferner  Knappenort,  Twenger- 
straate   oder   Blauer   Donner,   jetzt   Neuer   Weg,    die   Mühlenstraße,    die 

27 


Weichbildent  wicklung 

Schuh-,  jetzt  Schloßstraße,  die  Brückstraße,  jetzt  Ernst-August- Straße, 
Stovenweg-,  jetzt  Rademacherstraße,  Beginen-,  jetzt  Pferdestraße  und 
Pieperstraate,  jetzt  Roßmühle. 

Im  Jahre  1431  sah  sich  der  Magistrat,  um  Wohnstätten  für  den  Be- 
völkerungszuwachs zu  schaffen,  zu  dem  Beschlüsse  genötigt,  daß  die 
wüsten  Statten,  die  vor  Zeiten  dingpflichtig  waren,  bebaut  werden  sollten, 
andernfalls  sollten  sie  enteignet  werden,  und  der  Rat  wollte  die  Bau- 
arbeiten selbst  übernehmen. 
Caienberger  Die  Neustadt,  die  im  weiteren  Sinne  auch  den  Burgbezirk  und  den 
Neustadt  Brüiil  umfaßt,  findet,  hier  von  jenen  Unterbezirken  und  dem  preurbium 
gesondert,  die  erste  sichere  Erwähnung  in  einer  Urkunde  aus  dem  Jahre 
1283  (Urk.  B.  Nr.  47a.    Siehe  die  Anm.  5  auf  S.  46). 

Die  seit  1652  geführten  Schoßregister  der  Neustadt  lassen  noch  die 
Cloppenburg  -  -  die  Vorburg  oder  den  Baumgarten  -  -  erkennen,  einen 
Gebietsteil,  an  den  sich  im  Osten  die  Burg  Lauenrode  unmittelbar  an- 
schloß. Östlich  der  Burg  erstreckte  sich  ein  zu  ihr  gehörender  Mühlen- 
bezirk. 

Diese  drei  Teile  des  Burgbezirkes  bildeten  ein  ostwestlich  sich  er- 
streckendes Rechteck,  das  im  Süden  und  Westen  von  einem  Leinearm 
berührt  wurde,  von  dem  der  spätere  Judenteich  ein  kolkartig  erweitertes 
Überbleibsel  war. 

Auf  ebenfalls  hochwasserfreiem  Gelände,  nordwestwärts,  wird  die 
•  älteste  Siedlung  Honovere  vermutet.  Sie  zerfällt  spätestens  seit  Er- 
bauung der  Burg  um  1200  und  den  dadurch  veranlaßten  Leinedurchstich 
in  die  1283  genannten  Teile  Brühl  und  Preurbium,  und  hat  sich  wohl 
bis  an  den  heutigen  Königsworther  Platz  und  die  Goseriede  erstreckt. 
Hier  lagen  die  in  Kotstätten  aufgeteilten  Lehnshöfe  von  wenigstens 
einem  Dutzend  adeliger  Geschlechter.  Anfangs  des  14.  Jahrhunderts 
wurde  der  größere  Teil  dieser  Siedlung  den  militärischen  Interessen 
der  Altstadt  geopfert,  während  ein  nicht  unbeträchtlicher  Teil  der  Rest- 
siedlung auf  dem  Brühl  1648  zugunsten  der  Clevertorbefestigung  der 
Neustadt  fiel. 

Ganz  anderen  Charakter  trägt  das  Gebiet  der  Neustadt  im  engeren 
Sinne. 

Im  Überschwemmungsgebiet  gelegen,  war  es  durchflössen  vom 
„äußersten  Mühlenstrange"  der  Leine  und  deren  vielfachen  Verzwei- 
gungen, die  teilweise  durch  Zuflüsse  von  der  Ihme  verstärkt  wurden. 
Wir  finden  es  besetzt  von  8  bis  9  Sattelhöfen  der  eigentlichen  Burg- 
mannen, die  sich  nordwärts  der  in  der  Gegend  des  nachmaligen  Roten 
Turmes  (Gelände  des  Hilfslazarettes  an  der  Adolfstraße)  sich  vereinigenden 
beiden  Ihmearme  erstreckten,  teilweise  durchschnitten  von  der  Heer- 
straße. Von  West  nach  Ost  waren  es  ein  großer  v.  Altenscher  Hof,  daran 
anschließend    drei   v.    Iltensche    Höfe,    ein   Türckscher   Hof;    ein   fünfter 

28 


Weichbildentwicklung 

Hof,  gegenüber  dem  Baumgarten,  gehörte  den  v.  Alten  --  auf  ihm  wurde 
nach  der  Zerstörung  der  Burg  die  Kapelle  St.  Marie  errichtet  -  ferner 
ein  v.  Limburgscher  Hof  (Friederikenstift)  usw.  Ursprünglich  dem  per- 
sönlichen Aufenthalte  des  Burgmanns  und  seiner  Reisigen  dienend, 
scheint  ein  Teil  von  ihnen  die  bei  Niederlegung  des  Preurbium  obdachlos 
gewordenen  Kotsassen  des  gleichen  Grundherrn  aufgenommen  zu  haben, 
während  ein  anderer  seit  Zerstörung  der  Burg  völlig  unbenutzt  liegen  blieb. 

Das  geringe  Neustädter  Gemeinwesen,  das  vorwiegend  aus  Knechten 
und  Leinewebern  bestand,  war,  obwohl  es  1284  vom  Bischof  Volquin 
von  Minden  ein  oppidum  genannt  wird  (s.  v.  Spilcker  a.  a.  O.  S.  122), 
seiner  rechtlichen  Verfassung  nach  ein  Dorf.  Es  war  von  der  Burg  ab- 
hängig und  blieb  auch  nach  deren  Zerstörung  1371  unter  der  Botmäßigkeit 
eines  landesherrlichen  Vogtes.  Durch  den  Fall  der  Burg  erlitt  die  Neustadt 
schwere  Einbuße;  ihre  Fortentwicklung  wurde  gehemmt  durch  elementare 
Ereignisse,  wiederholte  Überschwemmungen  und  Feuersbrünste.  Dazu 
kam  die  Eifersucht  des  Rates  zu  Hannover,  der  1407  und  abermals  1433 
die  Übersiedlung  aus  der  Altstadt  in  die  Neustadt  bei  hoher  Vermögens- 
einbuße verbot.  Ein  Statut  von  1486  untersagt  den  Altstädter  Bürgern 
das  Bauen  auf  den  Ländereien,  die  sie  etwa  im  Gebiete  der  Neustadt 
besäßen. 

Eine  Entwicklung  der  Neustadt  in  städtebaulichem  Sinne  beginnt 
in  bescheidenem  Maße  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  mit  der  Auf- 
teilung des  Burgbezirkes.  Aber  erst  die  schweren  Zeitläufte  des  30jährigen 
Krieges,  die  für  den  Herzog  Georg  von  Calenberg  wesentlich  die  Wahl 
Hannovers  zu  seiner  Residenz  bestimmt  haben,  bringen  die  Entwicklung, 
welcher  das  seltene  Beispiel  deutscher  Städtebaukunst  im  17.  Jahrhundert 
zu  verdanken  ist,  wie  es  in  der  Calenberger  Neustadt  noch  heute  fast 
unberührt  vorliegt.  Diese  Entwicklung  geht  unter  unmittelbarer  Be- 
einflussung durch  den  Landesherrn  vor  sich,  der  mit  der  Befestigung 
der  Neustadt  eine  bewußte  und  weitausschauende  städtebauliche  Planung 
verband  und  in  späteren  Anordnungen  die  weitere  Ausgestaltung  be- 
stimmte. 

Die  Befestigung  beseitigte  durch  die  Abschneidung  und  Verlegung 
des  äußersten  Mühlenstranges  die  Überschwemmungsgefahr,  so  daß 
der  Brand  bebauungsfähig  wurde.  Außerdem  gewann  man  Baugelände 
dadurch,  daß  die  Altstadtbefestigung  am  Leinewerder  als  überflüssig 
hinweggeräumt  werden  konnte. 

Die  Besiedlung  förderten  die  Herzöge  durch  die  Erteilung  von  Pri- 
vilegien und  Freiheiten  und  durch  die  Duldung  aller  Glaubensbekenntnisse. 

Eine  politische  Vereinigung  mit  der  Altstadt,  die  1652  vom  Altstädter 
Magistrat  angestrebt  wurde,  lehnte  die  Regierung  ab,  um  freie  Hand  in 
der  Ausgestaltung  der  Neustadt  zu  behalten;  sie  verwies  darauf,  daß 
der  Herzog  sich  den  Bau  seiner  Residenz  auf  der  Neustadt  vorbehalte. 

29 


Weichbildentwicklung 

Die  Bebauung  des  hochwasserfrei  gewordenen  Geländes  begann 
unmittelbar  nach  1618  (s.  dazu  die  Karle  in  H.  G.  1927,  Tafel  V).  An 
neuen  Straßen  entstanden  die  Wagener-,  Brand-,  Mittelstraße  und  die 
Calenberger  Straße.  Wegen  des  hohen  Grundwasserstandes  mußten 
die  Häuser  auf  Pfahlrosten  gegründet  werden. 

Als  Finanzmann  und  Bauunternehmer  durch  Gelegenheit  spielt  der 
Kaufherr  Johann  Duve  in  der  Siedlungsfrage  eine  sehr  wichtige  Bolle. 
Der  Herzog  Georg  Wilhelm  erließ  an  ihn  am  14.  November  1660  eine 
Verfügung,  der  gemäß  Duve  den  weiteren  Ausbau  der  Calenberger  Neu- 
stadt vorzunehmen  hatte  (den  Wortlaut  der  Verfügung  siehe  Hann. 
Magazin   1835,   S.  71  bis  73). 

Das  Ergebnis  der  daraufhin  von  Duve  in  den  Jahren  1661 — 1664 
entwickelten  Bautätigkeit  sind  die  fast  unberührt  erhaltenen  Häuser- 
gruppen der  Boten  Reihe,  der  Großen  und  der  Kleinen  "Duvenstraße. 
Es  sind  vierzig  Wohnhäuser  in  vier  Zeilen  auf  fünf  zusammengekauften 
adeligen  Höfen  erbaut.  Für  jede  der  Straßen  ist  eine  Einheitsform  ge- 
wählt: die  Häuser  der  Roten  Reihe  bildeten  eine  große  Mietskaserne, 
wogegen  die  der  Großen  Duvenstraße  als  dreigeschossige  Patrizier-  und 
Kaufmannshäuser  mit  dielenartigen  Einfahrten  und  geräumigen  Höfen 
ausgestattet  waren.  Die  Kleine  Duvenstraße  bestand  aus  einheitlich 
dreiachsigen  Wohnhäusern  von  drei   Geschossen  für  Kleinbürger. 

Die  gegebene  Hauptstraße  der  Neustadt  war  der  Calenberger  Steinweg, 
der  den  Verkehrsstrom  vom  Lande  her  durch  das  1648  fertiggestellte 
Calenberger  Tor  nach  dem  Leinetor  zu  in  einem  gegen  die  früheren  Zeiten 
teilweise  veränderten  und  begradigten  Verlauf  leitete.  An  dieser  Straße 
legte  Georg  Wilhelm  1661  den  Marktplatz  für  die  Neustadt  an,  indem  er 
die.  kolkartige  Erweiterung  der  Leine  südlich  des  Lauenroder  Berges, 
die  damals  Judenteich  hieß,  zuschütten  ließ.  Die  Arbeiten  dauerten 
über  die  Bauzeit  der  Kirche  hinaus,  die  am  Nordrande  des  gewonnenen 
viereckigen  Platzes  1666  entstand.  1678  wurde  durch  den  Bauschreiber 
Brand  Westermann  das  Kieselpflaster  hergestellt.  Erst  1719  zedierte  die 
Landesherrschaft  den  Platz  an  die  inzwischen  in  die  Reihe  der  „kleinen" 
Städte  aufgenommene  Neustadt  (Red.  Chron.,  S.  813). 
Altstadt-  Die  Lange  Straße  in  ihrem  unteren  Teil  und  die  Neue  Straße  wurden 
erweiterungen.  cjem  Altstädter  Festungsgelände  durch  Zuschütten  der  Gräben  abge- 
wonnen. Ihre  Bebauung  geschah  seit  1681;  sie  wurde  großenteils  finan- 
ziert durch  den  Herzog  Ernst  August  und  ausgeführt  nach  den  Plänen 
Brand  Westermanns. 

Zu  den  großen  Erdmassenbewegungen,  welche  durch  diese  Platz-  und 
Straßenanlagen  bedingt  waren,  gehört  die  Planierung  des  1541  als  „Dreck- 
wall" aufgeschütteten  „Hohen  Ufers".  Neben  dem  Beginenturm  war  1643 
bereits  das  landesherrliche  Zeughaus  entstanden;  flußabwärts  schloß  sich 
daran  der  Marstallbezirk,  dessen  Anlage  etwa  um  1650  beginnt  (Plan  der 

30 


Weichbildentwicklung 

Gegend  von  Zeughaus,  Stadtmauer  usw.  am  Hohen  Ufer  (um  1650)  im 
Staatsarch.,  Karten,  Katal.  A.  IV.  B.  4).  Hier  lag  um  die  Wende  des 
17.  Jahrhunderts  das  Feld  städtebaulicher  Betätigung.  An  die  1682  durch 
einen  Durchbruch  des  Eckturmes  geschaffene  Toranlage,  zu  der  der  Torplatz 
und  die  davorliegende  Leinebrücke  zu  rechnen  ist,  gliederte  1712 — 1714 
Bemy  de  la  Fosse  eine  Erweiterung  des  Marstallbezirkes  nordwärts  an. 
Die  geschlossene  Gestaltung  desselben  erzielte  er  durch  die  Abstimmung 
der  neuen  Marstallgebäude  auf  gleiche  Simshöhen  mit  den  älteren  und 
durch  eine  Bepflanzung  des  Flnßufers  mit  Pappelbäumen  in  gleichmäßigen 
Zwischenräumen.  Die  Erweiterung  des  Bezirkes  war  durch  eine  Hinaus- 
schiebung des  nördlichen  Walles  und  Grabens  erreicht. 

Mit  dieser  steht  ferner  im  Zusammenhange  eine  kleine  Verlängerung 
der  Steintorstraße,  deren  Häuser  in  der  nächstfolgenden  Zeit  in  Fachwerk 
erbaut  wurden.    Der  mittelalterliche  Steintorturm  bestand  bis  1741. 

Diese  Veränderung  bildete  den  Ersatz  für  eine  Stadterweiterung  beim 
Steintore,  die  schon  1707  geplant  war,  und  zu  der  Remy  de  la  Fosse  zwei 
Entwürfe  geliefert  hatte.  An  Stelle  des  Steintores  sollte  ein  unregelmäßig 
rechteckiger  Platz  treten.  Das  Straßennetz  bestand  aus  rechtwinklig 
zueinander  verlaufenden  Straßen,  die  cpiadratische  Häuserblocks  ein- 
schlössen. 

Die  Übersiedlung  des  Hofes  nach  England  im  Jahre  1714  machte 
nicht  nur  diesen  Plan  zunichte,  sondern  brachte  auch  die  städtebauliche 
Fortentwicklung  Hannovers  auf  Jahrzehnte  zum  Stillstande.  Mit  einer 
Vermehrung  der  Bevölkerung  war  einstweilen  nicht  zu  rechnen,  das 
Bedürfnis  nach  Raum  steigerte  sich  nicht. 

Ein  solches  Bedürfnis  bestand  auch  noch  nicht,  als  seit  dem  Jahre  Ägidienanbau 

1746  der  Bürgermeister  Ulrich  Grupen  seine  Stadterweiterung,  den 
Ägidienanbau,  betrieb;  er  hatte  den  kühnen  Gedanken,  durch  Schaffung 
von  Siedlungsraum  den  erwünschten  Bevölkerungszuwachs  herbeizu- 
ziehen, um  dem  wirtschaftlichen  Rückgange  der  Stadt  entgegenzuwirken. 

Die  neue  Bebauungsfläche  sollte  durch  eine  Ausfüllung  des  Haupt- 
grabens zwischen  der  Bährenbastion  und  der  Süder-Bothfelder  Bastion 
gewonnen  werden.  Mit  dem  Entwurf  dieser  Stadterweiterung  wurde 
zunächst  der  Hauptmann  und  Stadtbaumeister  E.  Braun  beauftragt, 
der  im  Oktober  1746  zwei  Pläne  einlieferte,  welche  die  Schleifung  von 
einem  Stück  des  inneren  Stadtwalls  vorsahen  und  26  bzw.  60  Häuser 
hinter  dem  Ravelinwall  des  Ägidientores  einpferchten.  Zwei  weitere 
Entwürfe  Brauns  schoben  die  Erweiterung  bis  zur  Contre  garde  vor 
und  gaben  Platz  für  den  Bau  von  etwa  120  Häusern. 

1747  wurde  der  Festungsbaumeister  Dinglinger  mit  Entwürfen  befaßt. 
Fünf  Pläne  von  ihm  liegen  vor.  (Die  Braunschen  und  Dinglingerschen 
Pläne  befinden  sich  im   Stadtarchiv;   Dinglingers  erster  Riß  vom  März 

1747  in  der  Ratsregistratur:  „Stadterweiterung"  II.  1.)   Dinglinger  nahm 

31 


Weichbildentwicklung 


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Abb.  3.    Hannover;   Anlageplan  für  den  Aegidienanbau  nach  dem  Original  Dinglingers  vom  Oktober  1747. 
Stadtarchiv. 

die  letzte  Lösung  Brauns  auf:  im  Mittelpunkt  der  Stadterweiterung, 
dem  jetzigen  Hundemarkt,  einen  durch  ein  Straßenkreuz  durchschnittenen, 
Abb.  3  fast  quadratischen  Platz.  Diese  Planung  fand  den  Beifall  des  Königs 
Georg  II.  Für  die  Ausführung  kommt  Dinglinger  allein  in  Frage;  er  hat 
für  jedes  Haus  einen  Lageplan  gefertigt,  die  Bisse  geliefert  und  die  Ober- 
aufsicht geführt.  (Näheres  bei  Habicht,  H.  G.  1916,  S.  274;  O.  Ulrich 
in  Zs.  d.  bist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1893,  S.  165 ff.;  Schlemm,  Zentral- 
blatt d.  Bauverw.   1917,   S.  548  ff.,  553  ff.) 


32 


Tafel  3 


Hannover;   Stadtplan  von  Matthaeus  Seutter   um   17 15. 


Weichbildentwicklung 

Bei  den  Block-  und  Straßenfronten  der  Ägidien-Neustadt,  wie  diese 
zum  Unterschiede  von  der  Calenberger  Neustadt  genannt  wurde,  ist 
durch  gleichmäßige  Breite  der  Häuser  und  gleiche  Höhen  eine  Einheit- 
lichkeit angestrebt,  allerdings  nicht  überall  durchgeführt  oder  später 
durchbrochen.  Die  Häuser  sind  Fachwerkbauten;  nur  ausnahmsweise 
finden  sich  Massivbauten  mit  mäßigerVerwendung  von  Zierformen  darunter. 

Die  Erwartungen  Grupens  erfüllten  sich  nur  so  weit,  als  von  den  neu 
geschaffenen  Bauplätzen  zu  Beginn  des  Siebenjährigen  Krieges  72  besetzt 
waren;  neue  Erwerbs-  und  Handwerksarten  ließen  sich  aber  nicht  herbei- 
locken. Der  Ägidienanbau  wurde  beliebt  als  Beamten-  und  Honoratioren- 
viertel. 

Bedecker  (Chron.  S.  14)  zählte  1750  in  der  alten  Stadt  „wann  die  Tafel 3 
Auslage  am  Aegidienthor  völlig  bebauet  seyn  wird,  1026  Häuser  und  auf 
der  Neustadt  171".  Mit  etwa  dem  gleichen  Gesamtbetrage  trat  die  Stadt 
in  das  neue  Jahrhundert  ein.  Lohmann  (a.  a.  O.  Anhg.  S.  219)  gibt  um 
1818  die  Häuserzahl  Hannovers  auf  1 150  an,  die  bürgerliche  Einwohner- 
zahl auf  20500,  einschließlich  Militär  auf  22000.  Die  Altstadt  enthielt 
nach  seiner  Angabe  damals  985,  die  Ägidien-Neustadt  79,  die  Calenberger 
Neustadt  380  Häuser.  Da  seit  der  Schleifung  der  Festungswerke  das 
Wohnen  vor  den  Toren  zugenommen  hatte,  konnten  die  beiden  Garten- 
gemeinden eine  Vergrößerung  verzeichnen. 

Die  Entfestigung  ermöglichte  eine  Erweiterung  des  Weichbildes  Friedrichstraße 
städtebaulich  wie  rechtlich  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts:  im  Anschluß 
an  die  Ägidien-Neustadt  wurde  1783  die  Friedrichstraße  mit  ihrer  Seiten- 
allee angelegt,  sogenannt  nach  dem  Herzog  Friedrich  von  York.  Durch 
den  Kammervergleich  vom  13.  Februar  1782  war  die  Jurisdiction  der 
Altstadt  über  diesen  Weichbildzuwachs  geregelt.  Die  Friedrichswall-, 
allee  fand  nordwestlich  zunächst  ihren  Abschluß  am  Mühlenplatze  gegen- 
über der  1768  geschaffenen  Esplanade,  wo  im  Jahre  1790  in  dem  Bam- 
bergschen  Leibniztempel  ein  Blickziel  erstand.  Die  ursprüngliche  Be- 
pflanzung  der  Wallallee  bestand  bis  1806  aus  ,,Platanusbäumen";  die 
späteren  gärtnerischen  Anlagen  gingen  auf  Schaumburg  zurück. 

Andererseits   der  Ägidien-Neustadt    war    1787    der    Festungswall    bis  Georgstraßc 
zum    Steintore    abgetragen    und    bald    darauf   eine    Straße   angelegt,    die 
nach  Georg  III.  ihren  Namen  erhielt,  weil  der  König  deren  Herstellung 
durch  erhebliche  Zuschüsse  gefördert,  auch  für  jeden  Neubau  Beihilfen 
zugesichert  hatte. 

Die  Bebauung  beider  Bingstraßen  war  einseitig  gedacht,  die  andere 
Seite  bildete  die  Wallpromenade.  Neubauten  entstanden  mir  zögernd; 
die  Zeitumstände  ließen  bis  zum  Friedensschluß  von  1816  keine  Baulust 
aufkommen,  obgleich  auch  der  Magistrat  neben  der  unentgeltlichen  Ab- 
gabe von  Grundstücken  und  zehnjähriger  Abgabenfreiheit  die  Lieferung 
von  Bausteinen  aus  der  städtischen  Ziegelei  zugesagt  hatte. 

3  33 


Weich  l)i  kirnt  wicklung 

Seit  etwa  1  <S  1  <S  siedelten  sieh  an  Friedrich-  und  Georgstraße  die 
adeligen  Familien  von  Platen,  von  Bremer,  von  Campe,  von  Wangen- 
heim, von  Linsingen,  von  Schulte  usw.  an.  Ihre  Häuser  waren  meist  von 
nüchternen,  in  napoleonisch-klassizistischen  Formen  gehaltenen  Fassaden, 
die  sich  höchstens  durch  vorgesetzte  Säulen  und  flache  Giebel  auszeichneten. 
19.  Jahrhundert  Eine  Kommission  „zur  Beförderung  der  Baue  .  .  .  und  der  Verschöne- 
rung derselben"  trat  1822  in  Wirksamkeit;  zu  ihr  gehörte  Laves. 
Laves  Laves  war  seit  181  1  in  Hannover  als  Hof-Bauverwalter  eingestellt; 
er  hatte  sofort  begriffen,  daß  allein  eine  Hinausverlegung  des  Besidenz- 
schlosses  aus  der  City  Schaffensfreiheit  für  den  Architekten  und  Ent- 
wicklungsmöglichkeit für  die  Besidenzstadt  gewährleisten  würde,  wo  es 
sich  darum  handelte,  daß  „eine  anständige  Besidenz  für  den  Souverain 
in  Stand  gesetzt  werde"  (Schreiben  des  Königs  an  das  Ob.-Hof-Marschall- 
Amt  v.  3.  12.  1816).  Die  königliche  Entscheidung  aber  bestimmte,  daß 
aus  Gründen  der  Kosten  das  Leineschloß  wiederherzustellen  und  aus- 
zubauen sei.  Damit  entfiel  die  Verwirklichung  des  Lavesschen  Grund- 
gedankens, der  der  Besidenzstadt  städtebaulich  einen  ganz  neuen  Ent- 
wicklungskern zugebracht  haben  würde. 

Zum  Bilde  der  städtebaulichen  Gesamtgestaltung  der  Königlichen 
Besidenzstadt,  wie  es  Laves  vorgeschwebt  haben  mag,  gehört  die  Schützen- 
Abb.  4  hausanlage  in  der  Ohe  von  1826  mit  ihrer  Allee  und  dem  Neuen  Tore  (1833), 
an  die  sich  der  Park  von  Bella  Vista  mit  der  Villa  der  Frau  von  Schulte 
angliederte.  Oberhalb  von  Linden,  das  damals  die  Gartenvorstadt  von 
Hannover  war,  erhob  sich,  als  Blickziel  für  die  gesamte  Stadt  und  ihre 


Abb.  4.     Hannover;  Das  Neue  Tor,  erbaut  1833.     Phot.   IS'JU. 


34 


Weichbildentwicklung 


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Abb.  5.  Hannover;  „Plan  von  dem  jetzigen  Zustande  der  Umgebung  des  Königlichen  Schlosses  zu 
Hannover  in  Beziehung  eines  nach  dem  Projekt  A  anzulegenden,  mit  roten  Linien  angedeuteten, 
größeren  Faradeplatz.es".     O.  J.  signiert  von  Laves.    (Orig.  Staatsarchiv,  Karten  L.  1.) 

Umgebung  samt  den  Herrenhäuser  Gärten  gedacht,  die  Villa  auf  dem 
Lindener  Berge,  von  großzügigen  Anlagen  umgeben,  an  welche  sich  der 
von  Altensche  Parkbezirk  anschloß. 

Die  wachsende  Industrialisierung  Hannovers  und  Lindens  hat  diese 
Züge  einer  städtebaulichen  Planung  in  romantisch-klassizistischem  Sinne 
heute  bis  zur  Unkenntlichkeit  überwuchert. 

Über  seine  unmittelbare  Bauaufgabe  hinaus  beschäftigte  Lavesfortgesetzt 
das  Problem,  Schloß  und  Stadt  zu  einer  städtebaulichen  Einheit  in  Beziehung 
zueinander  zu  bringen.  Dahin  zielen  Entwürfe  aus  dem  Jahre  1827,  die  ein 
Strahlensystem  von  Straßen  die  Altstadt,  vom  Schloß  ausgehend,  durch- 
schneiden lassen,  welche  aufgenommen  werden  durch  den  Georgstraßenring 
in  kreisförmig  gedachten  Schmuckplätzen  an  den  Schnittpunkten. 

Gleichzeitig  (1826 — 31)  spielt  die  Anlage  des  Waterlooplatzes*), 
eines  Bechteckes  von  394  m  Länge  und  130  m  Breite  mit  halbkreisförmigen 
Ausbuchtungen  an  den  Schmalenden,  mit  der  Mittellängsachse  auf  Schloß- 
mitte und  Marktkirchturm  bezogen;  am  südwestlichen  Ende  erhebt  sich 


Abb.  5. 


*)  1830  wurden   die  letzten    Bastionen   durch   die   einberufenen  Artillerie-  und 
Trainreserven  abgetragen. 


35 


Weichbildentwicklunfl 


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Abb.  (').      Hannover;   „Entwurf  zu   einer   Erweiterung  der    Königlichen  Residenzstadt 

Hannover".    Ausschnitt.  Original  signiert  von  Andreae   1831  im  Stadtarchiv.    Maßstab 

links  in  Fuß,  rechts  in  Hüten  Calbg. 


36 


Weichbildentwicklung 

die  Waterloosäule,  militärische  Gebäude  umgeben  den  von  Linden  um- 
säumten Platz  (Entwürfe  zum  Wateriooplatz  und  zur  Waterloosäule 
im   Staatsarchiv,  Kartensammlung  L.  1). 

Mit  dem  Jahre  1828  beginnt  eine  Zeit  der  Vorentwürfe  für  die  Er- 
weiterung der  königlichen  Residenzstadt.  Außer  Laves  ist  an  diesen  Abb.  6 
der  Baurat  Hagemann  und  sehr  beachtlich  Andreae  beteiligt.  Es 
handelt  sich  einmal  um  die  Arrondierung  des  westlichen  Teiles  der  Stadt, 
vor  der  Laves  eine  nach  dem  Verlauf  der  Befestigung  gekrümmte  Straße 
mit  Grünanlagen  und  Wasserläufen  vorsieht.  Vor  der  Windmühlen- 
bastion sind  Häuserblocks  eingeteilt  (1830),  durch  die  nachmalige  Luisen-, 
Theater-,  Sophienstraße  und  den  Georgsplatz.  Bei  der  heutigen  König- 
straßenunterführung ist  ein  Triumphtor  mit  Wachgebäuden  geplant. 
Mit  der  Umgestaltung  des  Walles  zwischen  Calenbergertor  und  Neuer 
Esplanade  beschäftigen  sich  Hagemann  und  Laves  1830  und  1832.  Zwei 
undatierte  Pläne  von  Laves  behandeln  die  Gegend  zwischen  Windmühlen- 
platz und  Ägidientor.  Auf  dem  einen  der  Pläne  ist  der  Eingang  zum 
Ägidientorplatz  von  der  heutigen  Marienstraße  durch  ein  Triumphtor 
mit  halbkreisförmigem  Kolonnadenplatz  abgeschlossen  (Staatsarchiv 
Karten  D  29,  32,  36,  Staatsarchiv  Katalog  II  A.  b.  63;  Katalog B.,  S.  118 
Nr.  29). 

Die  königliche  Baukommission  gab  1834  (2.  April)  in  den  „Hannover- 
schen Anzeigen"  bekannt,  daß  sie  mit  der  Entwerfung  eines  umfassenden 
Bauplanes  höchsten  Ortes  beauftragt  sei  und  daß  künftig  die  Erstreckung 
des  städtischen  Zingels  über  einen  Teil  des  Steintorfeldes  ausgeführt 
werden  würde,  so  daß  der  allerhöchsten  Ortes  für  solchen  Fall  genehmigte 
Erweiterungsplan  dabei  befolgt  werden  solle. 

Als  im  Juni  1840  die  Pläne  der  Erweiterung  zur  Beratung  kamen 
(Näheres  darüber  s.  Hausmann,  a.  a.  0.  S.  172),  waren  diese  Vorschläge 
im  Lavesschen  Sinne  so  weit  gesichert,  daß  auch  die  neu  hinzutretende 
Frage  der  Anlage  des  Eisenbahnhofes  eine  Lösung  fand,  die  sich  in  die 
Lavessche  Planung  der  sogenannten  Ernst-August- Stadl  einpaßte.  Am 
14.  Februar  1843  wurde  der  Lavessche  Plan  der  Bahnhofsanlage  zur 
Ausführung  beschlossen. 

Da  Hannover  außerhalb  der  Zingeln  keine  der  Stadthoheit  unter-  Eingemeimhin^n 
stehende  Feldmark  besessen  hat,  so  verknüpft  sich  jede  einzelne  Aus- 
dehnung des  Weichbildes  mit  einem  politischen  Akt.  Bei  einem  Teil  des 
Ägidienanbaues,  der  zum  Hoheitsgebiet  des  Amtes  Coldingen  gehörte, 
führten  erst  30  Jahre  andauernde  Verhandlungen  1782  zur  Vereinigung 
mit  der  Altstadt. 

Das  Verhältnis  der  Calenberger  Neustadt  zur  Altstadt,  deren  beider 
Weichbildgebiete  ohne  natürliche  Grenze  ungetrennt  ineinander  über- 
gingen, während  jedes  unter  eigener  Verwaltung  bei  verschiedener  Ver- 
fassung   stand,    bedurfte    seit    den    Freiheitskriegen    um    so    mehr    einer 

37 


Weichbildentwicklung 

Regelung,  als  die  Interessen  der  beiden  Gemeinwesen  sieh  immer  enger 
miteinander  verquickten.  Als  äußere  Anerkennung  ihres  günstigen 
Entwicklungsstandes  war  die  Einreihung  der  Calenberger  Neustadt 
unter  die  kleinen  Städte  des  Herzogtums  bereits  1710  geschehen.  Beide 
Slädte  zu  vereinigen  gelang  nach  langwierigen  Verhandlungen,  die  am 
12.  März  1824  zum  Abschluß  führten. 

Vor  den  Toren  hatten  sich  seit  Beginn  des  1«S.  Jahrhunderts  zerstreute 
Niederlassungen  angebaut,  über  deren  Zuwachs  Redecker  gelegentlich 
Aufzeichnungen  hinterlassen  hat.  Das  Gebiet  dieser  Niederlassungen 
gehörte  links  des  Schiffgrabens  zum  Amte  Coldingen,  rechts  zu  Langen- 
hagen.  Nachdem  sie  sich  zur  Agidientor-Gartengemeinde  und  Steintor- 
Gartengemeinde  zusammengeschlossen  hatten,  schieden  sie  1793/95  aus 
den  Amtern  aus  und  bildeten  zusammen  das  Amt  Hannover.  Dieses  Amt 
wurde  1828  in  Ortschaften  zergliedert:  sechs  für  die  Agidientor-Garten- 
gemeinde, acht  für  die  Steintor-Gartengemeinde.  Als  besondere  Ort- 
schaften zählten  Glocksee  und  Ohe*).  1843  faßte  man  die  Ortschaften 
zusammen  unter  dem  Namen  ,, Vorstadt  Hannover";  Glocksee  und  Ohe 
bildeten  eine  abgesonderte  Gemeinde.  Aus  der  „Vorstadt"  wurde  nach 
Fertigstellung  der  Eisenbahn  1817  schließlich  der  Ernst-August-Stadtteil 
ausgenommen  und  ging  in  die  Verwaltung  des  Magistrates  über. 

Die  Gemeindeverwaltung  der  Vorstadt  betrieb  1852  auf  Anregung 
und  Unterstützung  der  Regierung  die  Wiederaufnahme  von  Verhand- 
lungen zur  Vereinigung  mit  der  Hauptstadt,  die  1835  gescheitert  waren. 
Auf  Grund  der  Vereinbarungen  vollzog  dann  eine  Verordnung  des  Königs 
vom  27.  Mai  1859  die  Vereinigung,  und  zwar  mit  ausdrücklicher  Ausnahme 
des  Schloß-  und  Gartenbezirkes  Herrenhausen  sowie  des  Geländes  der 
Cavalleriekaserne  am  Königsworther  Platz  (s.  Staatsarch.  Kartenkatalog  B. 
S.  74  Nr.  74  Charte  des  aus  den  Königl.  Besitzungen  in  der  Vorstadt 
Hannover  gebildeten  besonderen   Gemeindebezirks  [1865]). 

Eine  Erweiterung  der  Innenstadt  förderte  die  Regierung  seit  1854, 
indem  sie  das  fiskalische  Kanonenwallgelände  an  die  Stadtgemeinde 
abtrat  unter  der  Bedingung,  daß  die  Vorstadt  Glocksee  Anschluß  an  die 
Hauptstadt  fände.  Die  Abtragung  des  Walles  wurde  der  Stadt  sogleich 
vom  Kriegsministerium  gestattet,  doch  gerieten  die  Verhandlungen 
betreffs  der  Glocksee  ins  Stocken.  Auf  Grund  des  sogenannten  Kanonen- 
wall-Rezesses,  der  1866  diese  Verhandlungen  abschloß,  konnte  erst  am 
1.  Januar  1870  die  Vereinigung  der  Vorstadt  Glocksee  mit  Hannover 
vollzogen  werden. 

Die  Eingemeindungen  hatten  der  Stadt  in  wenig  mehr  als  drei  Jahr- 
zehnten einen  Geländezuwachs  gebracht,  der  städtebaulich  allergrößten- 
teils  ein  Wirrsal   darstellte,   das  nicht   binnen   kurzem  zu   meistern  war, 


*)  Als  zum  Gericht  Linden  gehörig. 
38 


Tafel   I 


Plan  der  Königlichen   Residenzstadt   Hannover,   der  Vorstädte   Hannover  und    Glocksee   und  der   Gemeinde  Linden,   1854.  Ausschnitt. 


Weichbildentwicklung 

zumal  die  Mittel  beschränkt  blieben  und  nicht  dringendes  Baubedürfnis 

diese  Eingemeindungen  veranlaßt  hatte. 

Auf  Grund  der  von  Laves  lange  vorbereiteten  Plane  begann  1842  die  Ernst- August- Stadt 
Ausgestaltung  der  Ernst-August-Stadt.  Die  längs  des  Georgstraßen- 
walles aufgereihten  Reste  der  Bastionen  hatten  das  Motiv  für  die.  Folge 
großabgemessener  Platzanlagen  -  des  Ägidientor-,  Georgs-  und  Theater- 
platzes -  -  geliefert.  Den  südöstlichen  Abschluß  des  bis  zur  Artillerie- 
und  Rosenstraße  herumgreifenden  Stadtteiles  bildete  die  längs  des  be- 
gradigten Stadtgrabens  angelegte  Prinzenstraße.  Die  Blockaufteilung 
folgte  der  erwähnten  Planung  von   1830. 

Das  Bahnhofsgelände  gliederte  Laves  diesem  Stadtteile  an  durch  das 
System  des  polygonalen  Ernst-August-Platzes  mit  seinen  strahlenförmig 
von  ihm  ausgehenden  Straßen,  unter  denen  die  mittlere,  die  Bahnhof- 
straße, als  Hauptzuweg  in  die  Achse:  Waterloosäule  -  -  Schloß  Markt- 
kirche --  Bahnhof  fällt.  Wie  die  Bahnhofstraße,  verlief  auch  die  Reitwall-, 
spätere  Schillerstraße,  großenteils  auf  dem  Gelände  des  zugeschütteten 
Stadtgrabens.  Die  Verlängerung  der  Schillerstraße  wurde  stadteinwärts 
auf  dem  Gelände  des  Hofmarstalles  fortgeführt. 

Die  Bebauung  dieser  Straßen  kam  in  Fluß,  als  der  seit  1847  fertig- 
gestellte Eisenbahnhof  den  Verkehr  an  sich  zu  ziehen  begann. 

Die  schleppende  Behandlung  des  Kanonenwall-Problems  hat  die 
Anlage  des  heutigen  Goethe-Humboldtstraßenzuges  und  seiner  Umgebung 
in  die  Jahre  nach  1865  hinausgerückt,  wo  von  der  Gestaltung,  die  Laves 
für  diese  Gegend  einst  geplant  hatte,  nicht  mehr  die  Rede  sein  konnte. 

Der  Beginn  stadtmäßiger  Bebauung  im  Gebiete  der  ehemaligen  Vor-  Bebauungsplan  von 
stadt  Hannover  folgte  der  raschen  Entwicklung  der  Ernst-August-Stadt. 
Einen  Bebauungsplan  für  das  unmittelbar  nördlich  des  Eisenbahnhofes 
belegene  und  von  dem  Ernst-August-Stadtteile  durch  das  sogenannte 
„Eisenbahntor"  beim  Tivoli  zugängliche  Gelände  hatte  die  königliche 
Baukommission  im  Jahre  1852  aufgestellt*).  Auf  den  Rat  von  Laves  Tafel 4 
waren  die  Straßen  in  gleicher  Breite  geplant  wie  in  der  Ernst-August- 
Stadt.  Der  Einspruch  der  Grundeigentümer  hiergegen,  dem  die  Regierung 
stattgab,  bewirkte  aber  eine  Einschränkung  der  Straßenbreiten  und  hat 
die  bauliche  Ausgestaltung  des  Viertels,  das  auch  die  Werkstätten  der 
Eisenbahn  aufnehmen  mußte,  beeinträchtigt  (s.  auch  Sievert  a.  a.  O. 
S.  103). 

Im  nordwestlichen  Teile  der  Vorstadt  schloß  sich  die  Bebauung  in 
den  führenden  Linien  an  das  System  der  bei  der  Goseriede  vor  dem 
Steintor  sich  sammelnden  alten  Heerstraßen  an.    Der  Anbau  der  „Alten 


*)  „Plan  der  Königlichen  Residenzstadt  Hannover,  der  Vorstädte  Hannover 
und  Glocksee  und  der  Gemeinde  Linden  mit  Bezeichnung  der  öffentlichen  Straßen 
in  außerstädtischem  Districte.  1854.  In  Commission  bei  Schraders  Nachfolger 
zu  Hannover."     Vier  Blätter. 

39 


Weichbildentwicklung 

Celler  I  leerstraße",  welche  infolge  der  Durchschneidung  durch  die  Eisenbahn 
benachteiligt  war,  ging  zunächst  in  dem  zwischen  Artilleriehof  und  Bahnhof 
belegenen  Teile,  der  sogenannten  Artilleriestraße,  vor  sich  und  war  1854 
auf  der  stadtwärts  belegenen  Seite  vollständig.  Die  nach  der  Einrichtung 
des  Posthofes  am  Postkamp  1643  geschaffene  Celler  Straße,  die  noch  um 
1860  eine  zwischen  Graben  verlaufende,  baumbepflanzte  Landstraße  war, 
wurde  in  ihrer  Bebauung  wesentlich  gefördert  durch  die  Anlage  des 
Weifenplatzes  und  der  diesen  Platz  umsäumenden  Kasernen  (1858/60). 
Der  Engelbosteler  Damm  baute  sich  stadtmäßig  aus,  als  auf  dem  zu- 
geschütteten Ochsenpump  durch  königliche  Stiftung  1859  die  Christus- 
kirche entstanden  war.  Das  im  Entstehen  begriffene  Weifenschloß  schließ- 
lich machte  das  Gartengelände  an  der  Langen  Laube  und  an  der  Brühl- 
straße  für  den  Adel  als  Baugrund  begehrenswert. 

Auf  die  alte  Grenzteilung  zwischen  Steintor  und  Ägidiengarten- 
gemeinde  griff  Georg  V.  zurück,  als  er  1862  den  nordwestlich  des  Schiff- 
grabens sich  erstreckenden  Teil  der  „Vorstadt"  nach  seinem  eigenen 
Namen  ,, Georgstadt"  benannte,  während  der  andererseits  des  Schiff- 
grabens  belegene   Teil    nach   der   Königin    Marie   seinen   Namen   erhielt. 

In  der  Marienstadt  konnte  die  stadtmäßige  Bebauung  vielfach  an 
die  Führung  vorhandener  Gartenwege  anknüpfen,  die  erschlossen  wurden 
durch  die  Heerstraße  nach  Braunschweig.  Nachdem  der  Platz  am 
Ägidientor  infolge  des  Abbruches  der  Wache  1861  in  polygonale  Ge- 
stalt gebracht  war,  hatte  man  als  neue  Straßenzüge  die  neue  Hildes- 
heiraer  Straße  und  die  Maschstraße*)  angelegt  und  deren  Bebauung  ein- 
geleitet. 

Die  Kriege  von  1866  und  1870/71  verursachten  Stockungen  in  der 
großstädtischen  Fortentwicklung  Hannovers,  die  in  den  Gründerjahren 
in  verstärktem  Maße  wieder  einsetzte. 


*)  Die  Maschstraße  ist  als  Anfang  der  Straße  nach  Hildesheim  ursprünglich 
zwar  vorhanden,  wie  die  etwa  1665  zu  datierende  Karte  im  Stadtarch.  zeigt.  Der 
Eingang  in  die  Straße  nach  Hildesheim  ist  aber  durch  die  Neuanlage  der  Ägidien- 
torbefestigung  nach  der  jetzigen  Höltystraße  verschoben. 


40 


Tafel  5 


a)  Hannover  von  der  Ostseite;  nach  dem  Kupferstich  von  Matheus  Meriai  1 

(Originalplatte  r 


A.  Pfarrkirche  S.  Georgii  et  Jacobi. 

B.  Fürstlich  Hans  und  Canzlei. 

C.  S.  Crucis. 

D.  Neustädter  Kirche. 

E.  Zeughaus. 

F.  Rathaus. 

G.  S.  Aegidien-Kirche. 
II.  Die  Neustadt. 

J.  Neustädter  Thor. 

K.  Stein-Thor. 

L.  Calenberger  Thor. 

M.  Lein-Thor. 

N.  S.  Aegidien-Thor. 

O.  S.  Nicolai-Hospital. 

P.  Linden. 


b)  Hannover  vom  Lindener  Berge  aus  geseht 

Liun 


Ir  Werdenhagens  1641  erschienenes  Werk   ,,De  rebus  publicis  Hanseaticis" 
Stadtarchive). 


nach  dem  Kupferstich  in  Merlans  Topographie  der  Herzogtümer  Braunschweig  und 
rg,  1654.    (Originalplatte  im  Stadtarchive). 


Befestigung. 


BURG  LAUENRODE. 

MITTELALTERLICHE  MAUERBEFESTIGUNG. 

Ältere  Abbildungen. 

Überreste  der  mittelalterlichen  Mauer. 

Wächtergang. 

Mauertürme. 

Stadttore. 

Ausfallpforten. 

Mittelalterliche  Wall-  und   Grabenanlagen. 

AUSBAU   DER  WALLBEFESTIGUNG   BIS   UM    1630. 
Homeyden  und  Zwinger. 
Stenhovede. 

Streichmauern  und  Fausse  brave. 
Brücken. 
Bäh  reu. 
Zingeln. 
Gesamtbild  um  die   Wende   des   16.  Jahrhunderts. 

LANDWEHREN. 

DIE   FESTUNG   SEIT  DEM   DREISSIGJÄHRIGEN 

KRIEGE. 
ENTFESTIGUNG. 

„Demolition"   1780. 
Promenaden. 


41 


Befestigung. 


L)ie  hannoversche  Marktsiedlung  stand  unter  dem  Schutze  des  landes- 
herrlichen Wirtschaftshofes,  den  man  sich  nach  Analogie  der  in  dem 
capitulare  de  villis  beschriebenen  Stationshöfe  als  mit  einer  verteidigungs- 
fähigen Umhegung  („munitio")  versehen  vorstellen  darf.  Verteidigungs- 
anlagen, etwa  ein  Hagen-  oder  Palisadenwerk,  dürfen  auch  für  die  Markt- 
siedlung im  11.  und   12.  Jahrhundert  angenommen  werden. 

Nach  der  Überrennung  und  Niederbrennung  von  1189  ging  offenbar 
die  bisherige  Rolle  des  Wirtschaftshofes  auf  eine  wirkliche  Veste,  die  Burg 
Lauenrode,  über. 

bürg  Die  Burg  Lauenrode  wird  zuerst  1215  genannt  als  der  Ort,  wo  Graf 
Conrad  (II.)  von  Rothen  eine  Urkunde  ausstellt  (U.  B.  Nr.  3).  Die  Brüder 
Conrad  II.  und  Hildebold  IL,  die  nach  dem  Tode  ihres  Vaters,  Conrads  I., 
die  von  diesem  nachgelassenen  Rechte  und  Güter  zunächst  gemeinschaft- 
lich verwalteten,  saßen  1208  auf  ihrer  Burg  Limmer  (Leyser,  Historia 
comitum  Wunstorpiensium,  2.  Aufl.  S.  25/26).  Im  Jahre  1215  scheint 
dann  Conrad  II.  auf  der  Burg  Lauenrode  zu  sitzen,  nach  der  er  in  zwei 
weiteren  Urkunden  sich  Graf  von  Lauenrode  nennt,  während  Hildebold 
darin  als  Graf  von  Limmer  bezeichnet  wird  (U.  B.  des  Hochstiftes  Halber- 
stadt I.  488/89). 

Auf  welche  Weise  Conrad  von  Roden  in  den  Besitz  der  Burg  Lauen- 
rode gelangt  ist,  geht  aus  den  Urkunden  nicht  hervor.  Wahrscheinlich 
liegt  die  Entstehung  der  Burg  nur  wenig  vor  dem  Jahre  ihrer  ersten 
Nennung  und  hängt  damit  zusammen,  daß  die  Niederbrennung  der  Stadt 
Hannover  im  Jahre  1189  auch  den  landesherrlichen  Wirtschaftshof  so 
sehr  beeinträchtigt  hatte,  daß  ein  zeitgemäßer  Wiederaufbau  des  Castrums, 
das  die  landesherrlich-vogteilichen  Funktionen  zu  tragen  hatte,  an  be- 
nachbarter Stelle  vorgenommen  wurde,  nämlich  auf  dem  markanten, 
einst  sehr  viel  höheren  Sandberge  des  Brühles,  eines  von  verzweigten 
Leineläufen  umflossenen  Werders.  Die  Grafen  von  Lauenrode  übten  im 
Namen  des  Landesherrn  dessen  Rechte  aus.  Nach  Conrad  II.  (f  1227) 
und  dessen  Sohn  Conrad  III.,  der  1239  kinderlos  starb,  saßen  zwei  un- 
verheiratete Brüder,  Heinrich  II.  und  Conrad  IV.,  auf  der  Burg  Lauen- 
rode.    Sie    erscheinen    als    unumschränkte    Machthaber    von    Hannover' 

42 


Befestigung 

stellten  von  sieh  aus  Vögte  in  der  Stadt  an  (U.  B.  Nr.  4,  5.  6,  8)  und 
suchten  die  unter  Heinrich  dem  Löwen  verlorenen  Rechte,  die  ihrem 
Geschlechte  als  Lehnsgrafen  zustanden,  zurückzugewinnen. 

Die  Aussöhnung  Otto's  des  Kindes  mit  dem  Kaiser  12-11  bereitete  der 
Herrschaft  der  Grafen  ein  Ende,  so  daß  sie  die  Burg  verließen.  Seitdem 
war  diese  ausgesprochenermaßen  eine  Schutzburg  für  die  Stadt.  Die 
Bürgerschaft  hatte  den  vom  Landesherrn  eingesetzten  Burgmannen 
einen  mäßigen  Schutzzins  zu  entrichten.  Der  Mauerbau,  den  die  Bürger 
zur  selbständigen  Verteidigung  ihrer  Stadt  unternahmen,  wurde  gleich- 
wohl bald  darauf  begonnen. 

In  dem  neunzehnjährigen  Erbfolgekriege  zwischen  den  Herzögen 
Albrecht  und  Wenzel  einerseits  und  dem  Herzoge  Magnus  von  Braun- 
schweig andererseits,  auf  dessen  Seite  die  Burgmannen  standen,  erfolgte 
1371  durch  die  vom  Kaiser  Karl  IV.  anerkannten  beiden  Herzöge  die 
Erstürmung  der  Burg,  an  der  sich  die  Bürgerschaft  Hannovers  beteiligte. 

Die  erstürmte  Veste  wurde  den  Bürgern  überantwortet,  die  dann  von 
dem  ihnen  zugestandenen  Rechte,  sie  zu  zerstören  und  die  Stätte  zu  be- 
halten, Gebrauch  machten.  Die  Niederreißung  der  Burg  war  ein  kurz- 
sichtiges Beginnen,  weil  es  der  Entwicklung  der  Neustadt,  die  für  die 
Altstadt  günstiger  hätte  verlaufen  können,  Abbruch  tat.  Wie  ein  von 
Grupen  (S.  185)  mitgeteiltes  Schreiben  des  Rates  zu  Lüneburg  an  den 
zu  Lübeck  zeigt,  wurde  von  Zeilgenossen  die  Zerstörung  mißbilligt. 

Laut  Kämmereiregister  von  1379  haben  in  diesem  Jahre  Bürger- 
meister und  Rat  am  Burgberg  Erde  abgraben  lassen  (Grupen;  S.  187), 
und  1524  (nicht  1513)  erteilte  Herzog  Erich  dem  Rate  die  grundsätz- 
liche Erlaubnis  zur  völligen  Abtragung,  um  die  Wallanlage  am  heutigen 
Hohen  Ufer  zu  erhöhen.  Gebrauch  wurde  davon  jedoch  erst  1541  gemacht 
(Redecker).  Da  der  Berg  auch  seit  dem  16.  Jahrhundert  bebaut  worden 
ist,  so  sind  Ruinenreste,  welche  die  Art  der  Burganlage  verdeutlichen 
könnten,  kaum  mehr  vorhanden.  Lohmann,  der  um  1818  schrieb,  sah 
noch  „ein  kleines,  altes,  gewölbtes  Haus  mit  einem  Turm",  das  aber 
wahrscheinlich  nicht  zur  eigentlichen  Burg,  sondern  zur  alten  Hofmühle 
gehört  hat  (s.  darüber  IL  G.  1927  S.  195).  Noch  heute  aber  besteht  eine 
hohe  Bruchsteinmauer  in  der  Struktur  der  Stadtmauer  mit  Pforte  zwischen 
dem  Grundstück  der  alten  Synagoge  und  den  Grundstücken  Bockstraße  8 
und  9,  die  als  Teil  der  äußeren  Mauer  auf  der  Nordseite  der  Burg  gedeutet 
weiden  kann  (Abb.  H.  G.   1927  Tafel  VI). 

Der  Burgbezirk  auf  dem  oberen  Teile  des  Brühls  bestand  außer  dem 
Burgplatze  Lewenroth  selbst  aus  der  westlich  davon  belegenen  Vorburg, 
die  der  Baumgarten  oder  die  Cloppenburg  genannt  wird,  und  dem  Hof- 
Mühlenbezirk  im  Südosten  (s.  dazu  Grupen  S.  188).  Es  handelt  sich 
mit  Wahrscheinlichkeit  um  den  Typ  einer  Hofburg,  wie  er  seit  dem 
12.  Jahrhundert   üblich  war.    Urkundlich  belegt  sind  folgende   Gebäude- 

43 


Befestigung 

teile  der  Burg:  ein  Jahr  nach  der  Zerstörung  noch  wird  der  Bergfriet 
(1272,  Sudendorf  IV  289),  seit  1211  findet  sich  die  Kapelle  wiederholt 
genannl  (U.  B.  Nr,  11  usw.);  1355  der  Pallas,  indem  es  heißt,  „uppe 
dem  mosthus  to  Lowenrode"  (LI.  B.  Nr.  340).  Ferner  kommen  vor  „lobium 
ante  castrum"  (1267)  und  eine  „kemenade  vor  der  Borch"  (1360). 

Leonhardt  unternimmt  (H.  G.  1927  S.  204  f.  und  Tafel  IV)  den  Ver- 
such einer  Verteilung  der  Baulichkeiten  auf  dem  von  ihm  enger  be- 
stimmten Burgbezirk. 

Mittelalter-        Verhältnismäßig  spät   vernehmen   wir   aus   den   Urkunden   von   einer 
BEFESTirmiG  "™   ^au   begriffenen    Stadtmauer;   Herzog   Otto   von   Braunschweig  ver- 
spricht  am   23.  Oktober    1297   (U.  B.    Nr.  64):    mumm    ....    inchoatum 

secundum  quod  consulibus   expedire  videbitur,  favebimus.    Der 

Mauerbau  muß  sich  von  da  ab  noch  über  Jahrzehnte  erstreckt  haben. 
Im  Jahre  1310  bestand  wahrscheinlich  beim  Minoritenkloster  an  der 
Leine  die  Stadtmauer  noch  nicht  (H.  G.  1926  S.  120),  und  erst  nach  1320 
kam  das  Stück  hinter  dem  Loccumer  Hofe  zustande.  Das  Kloster  ver- 
pflichtete sich  damals  dem  Bäte  gegenüber,  diesen  Teil  der  Mauer  selbst 
zu  erbauen  und  einen  Wächtergang  hinter  seinem  Hofe  frei  zu  lassen; 
wo  aber  durch  ein  an  der  Mauer  erbautes  Haus  dieser  Gang  unterbrochen 
würde,  sollte  auf  dem  Hause  selbst  eine  Wehranlage  mit  einer  ,,Borstwere" 
geschaffen  werden;  der  Bat  verzichtete  vorläufig  auf  die  Erbauung  eines 
Turmes  an  dieser  Stelle  (U.  B.  Nr.  136).  Das  Kloster  hat  dann  seine 
Verpflichtung  vor  1337  erfüllt  (U.  B.  Nr.  200). 

Mehrere  in  die  Jahre  1314  und  1315  gehörende  Urkunden  über  Ver- 
handlungen zwischen  dem  Herzoge  und  der  Stadt  einerseits  und  einigen 
adeligen  Grundherren  andererseits  über  den  Abbruch  von  insgesamt 
mehr  als  dreißig  Katen  und  Häusern  vor  dem  Steintore  und  dem  Brühl 
(U.  B.  Nr.  116/24)  deuten  darauf  hin,  daß  sie  veranlaßt  waren  durch 
die  zwischen  Steintor  und  Brühl  eben  damals  im  Gange  befindlichen 
Befestigungsarbeiten.  Man  darf  annehmen,  daß  um  die  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts der  Mauerring  geschlossen  war.  Eine  „neue"  Mauer  an  der 
jetzigen  Marstallstraße  wird  135<S,  1359  und  1369  genannt.  Es  ist  nicht 
ersichtlich,  ob  sie  an  Stelle  einer  dort  schon  früher  vorhandenen  erbaut 
wurde  oder  ob  die  alte  Mauer  weiter  südlich  verlief  und  die  neue  die  Grenze 
einer  nach  Norden  eingetretenen  Stadterweiterung  bezeichnete  (H.  G. 
1905  S.  99). 
Ältere  Abbildungen  Als  Abbildungen  der  noch  dem  Mittelalter  angehörenden  Befestigungs- 
werke sind  die  bereits  zur  Weichbildentwicklung  genannten  Gesamt- 
ansichten der  Stadt  in  Betracht  zu  ziehen:  ein  Holzschnitt  in  Büntings 
braunschweigisch-lüneburgischer  Chronik  von  15<S6,  der  aber  die  von  der 
Westseite  gesehenen  Werke  vor  dem  Leintore  recht  willkürlich  abbildet; 

44 


Befestigung 

dann  der  erheblich  wertvollere  Holzschnitt  von  Elias  Holwein  und  schließ-  Abb.  i 
lieh  die  beiden  Kupferstiche  von  Matheus  Merlan,  deren  einer  von  1641  Tafel  5a  u.  i> 
eine  Ansicht    der   Befestigungen   zwischen  Ägidien-  und   Steintor  bietet. 
Als  Ergänzung  zu  diesen  Abbildungen  im  einzelnen  kommen  hinzu  einige 
Handzeichnungen    aus    der    Chronologia    Hannoverana    und    Redeckeis 
Skizzen  in  seiner  Chronik  (s.  H.  G.  1905  pass.).    Hinsichtlich  der  Gegend 
am  Steintore    ist  die  Darstellung  auf  dem  Gemälde  in  der  Nicolaikapelle 
wichtig.     Der  ältere    Stadtplan   von  Seutter  von  etwa   1745  verzeichnet 
die   mittelalterlichen   Festungswerke,   soweit   sie   damals  erhalten   waren, 
ihrer   Lage    nach    am    zuverlässigsten.     Grupens    Grundriß    der   Altstadt  Tafel  3,  s.  32 
Hannover  im   Mittelalter  und   Hedeckers  im    Stadtarchive  aufbewahrtes 
Kartenwerk  (s.  H.  G.   1905   S.    193)  sowie  Landersheimers  wenig  zuver- 
lässige Pläne  im  Stadtarchive  seien  hier  wiederholt  aufgeführt. 

Seit  dem  Ende  des  LS.  Jahrhunderts  ist  die  Mauer  bis  auf  den  Grund  Überreste  der  mittel- 

.. n,  .,  ,  ,  „    .  ..    ..    .  .      .  alterlichen  Mauer 

größtenteils  abgetragen  und  zugunsten  neuer  Hebauungsmoghchkeiten 
beseitigt.  Die  wenigen  Reste  finden  sich  auf  dem  Hintergrunde  der  Grund- 
stücke Osterstraße  79  und  80,  deren  Hinterhäuser  an  die  Stadtmauer 
stoßen;  ferner  südlich  des  Loccumer  Hofes,  an  den  Hinterhäusern  des 
Grundstückes  Osterstraße  63;  im  Straßenkörper  der  Breiten  Straße 
zwischen  den  Häusern  Nr.  24  und  25  stieß  man  auf  Reste  des  alten 
Ägidientores.  Vom  Zuge  der  Südmauer  besteht  ein  Stück  auf  dem 
Grundstück  der  Broyhan-Brauerei,  Köbelingerstraße  23,  wo  ein  halb- 
runder Mauerturm  erhalten  ist;  auf  dem  Hofe  Neuer  Weg  Nr.  4  steht 
ein    spätmittelalterlicher    Mauerturm    mit    daran     anstoßenden     Mauer- 


Abb.  7.  Hannover;  Typus  civitatis  Hannoverae  (von  der  Gegend  der  Ihmebrücke  aus).  Nach  dem  Holz- 
schnitt von  ELIAS  MOLWEIN,  Typographus,  1636.  Aus  Chronica  Hannover.Hdschr.  XXIII, 
692   in  d.  Vorm.  Kgl.  Bibl. 


45 


Befestigung 

resten.       Ein    größerer    Teil    clor    Stadtmauer    findet    sieh    hinter    dem 

Abb.  s  Grundstücke  Leinstraße  9.    In  dvn  Fundamenten  des  Leineschlosses  sind 

Reste   eingebaut:    die   Pläne   des    Schlosses   von  Jungen  ;ius  dem   Jahre 


Abb.  8.     Hannover;  Stadtmauer  auf  dem  Grundstück  Friedrichstraße  17.     Phot.  1905. 

1740  [verzeichnen  noch  die  mit  Streben  versehene  Mauer.  Weiterhin 
an  der  Leine  findet  sich  eine  Mauerecke  im  Klostergange,  der  der  alte 
Wächtergang  ist  (Schloßstraße  7),  und  wenig  davon  entfernt  der  so- 
genannte   Beginenturm,     der     älteste     und    wehrhafteste     unter    seines- 

46 


Befestigung 

gleichen,  der  unversehrt  erhalten  ist.  Die  rückwärtigen  Fundamente  des 
Festsaales  des  Arbeitervereins,  Burgstraße  30,  liegen  auf  der  Stadtmauer. 
Ausschachtungen,  die  Leonhardt  1929  im  Wächtergange  zwischen  dem 
älteren  Marstallgebäude  und  den  Häusern  der  Burgstraße  vornehmen 
ließ,  ergaben  außer  den  Fundamenten  eines  der  Lage  nach  bis  dahin 
nicht  bekannten  Mauerturmes  diejenigen  von  zwei  hintereinander 
liegenden,  verschieden  alten  Stadtmauerstücken,  und  zwar  war  das 
Fundament  der  älteren  Mauer  um  etwa  1  m  tiefer  gegründet  als  das 
der  jüngeren.  Von  der  Nordmauer  finden  sich  Fundamentreste  im 
Keller  des  Hauses  Schillerstraße  10  und  11,  außerdem  in  der  Nähe  des 
alten  Steintores  auf  dem  Grundstücke  Steintorstraße  12  unter  der  Erde, 
wie  man  überhaupt  unterhalb  der  Erdoberfläche  gelegentlich  noch  weitere 
Beste  der  mittelalterlichen   Stadtmauer  antreffen  mag. 

Wo  noch  Beste  der  Stadtmauer  anzutreffen  sind,  ist  sie  aus  Lindener 
Kalkbruchstein  aufgeführt;  die  ursprüngliche  Höhe  von  8  bis  9  m  ist 
nirgends  mehr  erhalten.  Ihre  Stärke  schwankt  zwischen  0,78  m  und 
1,23  m.  Nach  Mithoffs  Angaben,  der  wohl  noch  größere  Teile  der  Stadt- 
mauer kannte,  bestand  sie  außen  aus  einem  Mantel  von  Bruchstein  oder 
Ziegeln,  innen  aus  Gußwerk.  Der  Sockel  ist  an  der  Innenseite  abgesetzt 
und  die  Mauer  innen  leicht  geböscht.  Die  Mauerkrone  war  glatt  abgedeckt. 
An  der  Außenseite  war  die  Mauer,  wie  Merians  Abbildung  erkennen  läßt, 
durch  Schrägstreben  gestützt.  Solcher  Pfeiler  sind  eine  große  Anzahl 
in  ungleichmäßigen  Zwischenräumen  längs  der  Mauer  verteilt  gewesen. 
Auf  älteren   Plänen   (Braun,  etwa  1730)    sind   sie   sorgfältig  verzeichnet. 

Zu  ebener  Erde  verlief  an  der  Innenseite  ein  Wächtergang.    Ein  in  wächtergang 
der  Höhe  verlaufender  Wehrgang  an  der  Innenseite,  für  den  die  Mauer- 
krone die  Brustwehr  gebildet  haben  würde,  läßt  sich  in  Hannover  nicht 
nachweisen. 

An  seiner  Stelle,  wie  es  scheint,  dienten  dem  Zwecke  der  Verteidigung  Mauertürme 
Mauertürme,  welche  vor  die  Mauerfront  vorsprangen.  1352  werden  ihrer 
vier  genannt:  der  Turm  hinter  dem  Holzhofe,  ein  anderer  nahe  dabei, 
ein  dritter  am  Großen  Wulveshorne  und  der  vierte  am  Kleinen  Wulves- 
horne.  Einige  Jahre  später  wurde  der  Beginenturm  erbaut.  Vermutlich  Abb.  9  u.  10 
sind  zunächst  in  ähnlichen  Abständen  weitere  Türme  längs  der  ganzen 
übrigen  Stadtmauer  angebaut;  sie  erreichten  nach  und  nach  eine  so 
große  Zahl,  daß  sie  in  Abständen  von  stellenweise  weniger  als  30  m  da- 
standen. Die  älteren  Türme  waren  halbkreisförmig  aus  behauenen 
Quadern  mit  gewölbtem  Erdgeschoß  aufgeführt.  Stadtwärts  waren  sie 
oberhalb  der  Mauerhöhe  entweder  offen  oder  mit  Brettern  verschalt. 
Ein  Turm  von  gleichem  Material  hatte  die  Form  eines  halben  Acht- 
ecks.    Die  oberen   Geschosse  waren  durch  Balkenlagen  geteilt. 

Die  jüngeren  der  mittelalterlichen  Türme  waren  rechteckigen  Grund- 
risses und  in  Ziegeln  erbaut;  sie  befinden  sich  in  der  Mehrzahl  gegenüber 

47 


48 


Abb.  10.    Hannover;  Beginenturm.    Grundrisse  und  Schnitt 
Nach  Aufnahme  des  Stadtbauamtes.    1890. 


49 


Befestigung 


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Abb.  11.     Hannover;  Stadtmauer  und  Mauerturm  hinter- dem  Loceumer  Hol'.    Phot.  1890. 

den  anderen  und  gehören  frühestens  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts an,  der  Zeit,  seit  der  man  überhaupt  in  Hannover  in  Ziegeln 
haute.  Ihre  Eigentümlichkeit  ist,  daß  sie  an  der  Außenseite  der  Mauer 
auf  Stelzen  vorgebaut  sind,  die  in  Höhe  der  Mauerkrone  durch  einen 
gewölbten  Bogen  verbunden  wurden.  Sehr  oft  befand  sich  am  Dachborde 
eine  Anzahl  von  Dachfenstern,  die  nicht  selten  als  Pechnasen  vorgebaut 
erscheinen.  Die  Dächer  der  Mauertürme  liefen  in  eine  Spitze  aus,  hatten 
aber  zuweilen  auch  einen  kurzen  First;  Hedecker  bildet  die  zu  seiner  Zeit 
noch  erhaltenen  Türme  der  Reihe  nach  ab  (s.  II.  G.  1905  S.  1<S7,  189 
und   190  f.). 

Der  Beginenturm,  der  so  heißt,  weil  er  in  dem  Garten  der  Beginen 
erbaut  war,  tritt  1357  unter  dem  Namen  „De  nye  torn"  auf.  Seine 
Mauern  sind  in  der  Höhe  des  Erdbodens  3  m  stark.  Bei  Ausgrabungs- 
arbeiten hatte  man  in  einer  Tiefe  von  1,20  m  den  Mauerfuß  noch  nicht 
erreicht,  der  wahrscheinlich  bis  unter  +51  m  über  N.  N.  hinabgeht  und 
noch    im    Niederungsgebiete    vor    dem    eigentlichen    Höhenrücken    liegt, 


51 


Befestigung 

auf   dem    Hannover  sich   ausdehnt.     Der  Turin   ist   in   drei   abgesetzten 
Geschossen  aus   Quadern  sehr  verschiedener  Größe  erbaut. 
Abb.  n         Auch  der  halbrunde  Turm  am  Spreenswinkel,  dessen  Fundamente  2,40  m 
tief  in  die  Erde  gehen,  ist  in  seinem  Untergeschoß  aus   Quadern  erbaut, 
seine  Höhe  bis  zur  Dachspitze  beträgt  9,40  m;  in  der  Höhe  von   1,70  m 
über  dem  Erdboden  beträgt  die   Stärke  der  Wände  noch   1,71  m.    Das 
Obergeschoß  ist  im  späteren  Mittelalter  in  Ziegeln  erneuert. 
Abb.  12  u.  13        Der    viereckige    Mauerturm    auf    dem    Gelände    der    Kunstgewerbe- 
schule ist  vollständig  aus  Ziegeln  gebaut  und  auf  Stelzen  der  Mauer  vor- 
gesetzt.   Er  ist  1892  nach  dem  von  Redecker  überlieferten  Vorbilde  eines 
benachbarten,  von  dem  Chronisten  aber  verwechselten  Turmes  mit  neuem 
Obergeschoß  und  Dach  versehen. 
\bb.  li        Der  vierte  der  vorhandenen  Türme,  auf  dem  Grundstück  des  Loccumer 
Hofes  ist  ebenfalls  viereckig  in  Ziegeln  erbaut  und  in  der  Neuzeit  mit 
Putz  versehen.    Er  ist  im  Inneren,  namentlich  im  Obergeschoß,  gut  erhalten. 
Stadttore        Die    Stadttore,    deren   es   nach   dem    Hinzukommen    des    1340   zuerst 
urkundlich  erwähnten  (U.  B.  Nr.  214)  Leintores  vier  gab,  waren  überbaut 
von  mehrgeschossigen,  viereckigen  Türmen  aus  Quadern.   Das  Ägidientor, 


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Abb.  15.  Hannover;  der  Ägidientorturm  von  der  Stadtinnenseite.  Hechts 
das  änlJere,  nach  1(110  aufgeführte  Ägidientor.  Im  Grundriß  links  davon  ist 
der  Zwinger  von  15dl  angegeben.    Nach  Handskizze  um  1740  in  der  Chronologia 

Hannoverana. 

das  1300  zuerst  urkundlich  erscheint,  ist  17 1<S  abgebrochen;  das  Steintor, 
zuerst  1314  genannt,  wurde  1741,  das  Leintor  1797/98  abgetragen.  Das 
vierte  Tor,  die  ,,porta,  quae  ducit  ab  urbe  ad  oppidum"  lag  im  Zuge 
der  Piperstraße*);    es   verlor   durch    die  Einrichtung  des  Leintores   seine 

*)  Es  heißt  noch  1311  valva  saneti  Galli. 


52 


Befestigung 

Bedeutung  und  wurde  um  1646  durch  den  Neubau  des  Zeughauses,  der 
die  Piperstraße  zur  Sackgasse  machte,  seinem  Zwecke  als  Stadttor  ganz 
entzogen. 

Der  Ägidientorturm  stand  zwischen  den  Häusern  Nr.  9  und  Nr.  25 
inmitten  der  Breiten  Straße,  deren  Breite  er  nicht  vollständig  einnahm, 
großenteils  vor  der  Stadtmauer.  Einzelabbildungen  finden  sich  bei  Be-  Abb.  15 
decker  und  in  der  Chronologia  Hannoverana  (Handschr.  Prov.-Bibl.  XXIII, 
693a  S.  208).  Der  mehrgeschossige  Turmkörper  zeigt  außen  keine  Ge- 
schoßteilung; ein  massiver  Drempel  scheint  vorhanden  gewesen  zu  sein. 
Die  Durchfahrt,  im  Zustande  einer  spätgotischen  Erweiterung  dargestellt, 
ist  im  Eselsrücken  geschlossen;  Lichtschlitze  und  unter  dem  Dachansatze 

Wappenschilde  sind  angegeben; 


der  Turmhelm  ist  achtseitig  mit 
Giebelluken  unter  der  Spitze 
abgebildet. 

Der  mittelalterliche  Steintor- 
turm, der  in  der  heutigen  Stein- 
torstraße zwischen  den  Häusern 
1 1  und  14  stand,  hatte  drei  durch 
Simse  abgesetzte  Geschosse  und 
war  an  der  Außenseite  ganz  aus 
Quadern;  innen  deutet  die  Dar-  Abb.  u; 
Stellung  der  Chronologia  die  Ver- 
wendung von  Ziegeln  unter  Putz 
an.  Die  Durchfahrt  zeigt  wieder 
den  Eselsrücken. 

Der  Leintorturm  neben  dem 
Leineschlosse  ist  außer  durch 
die  Zeichnungen  Bedeckers  und 
der  Chronologia  durch  geo- 
metrische Aufnahmen  LB. Hases 
aus  der  Zeit  des  Abbruches 
1797/98  überliefert.  Redecker  Abb.  17 
stellt  den  Turmhelm  dar  in  der 
Form,  die  er  vor  dem  Schloß- 
brande   1741   gehabt  hat.     Der 


Abb.    16.     Hannover;    der    Steintorturm,    Stadt- 
innenseite,  und  an    diese  Ansicht  angeklappt,  die 
Stadtaußenseite.     Nach    Handskizze    um    1740    in 
der  Chronologia  Hannoverana. 


Turm  war  über  dem  Erdgeschoß 
durch    ein    um    die  Durchfahrt 
herumgekröpftes    Kaffsims    ab- 
gesetzt und  hatte  drei  gewölbte, 
aber  außen  nicht  unterschiedene  Obergeschosse.    Die  Geschosse  waren  von 
einem  seitlich  angelegten  Treppenturme  aus  zugänglich.    Zu  beiden  Seiten 
der  im  Eselsrücken  gewölbten  Durchfahrt  standen  in  Baldachinnischen 


53 


Befestigung 

die  Statuetten  der  Heiligen  Georg  und  Jacob,  kleine  Figuren  aus  Holz 
oder  Stein  (es  waren  nicht  die  heute  am  Turme  der  Marktkirche  stehenden 
Figuren);  über  dem  Kaffsims  in  Wandnischen  Maria  und  Christus. 


Abb.  17.    Hannover;    das  Leintor  nach  Zeichnung  von   B.  Hase.    1796.    Staats- 
arch.  Calenb.  Des.  8.    Altstadt  Hannover.  167.  b.    Der  Turm  hatte  im  Mittelalter 

ein  Zeltdach. 


Ausfaiipforten  Die  Mauer  hatte  außer  den  genannten,  dem  ständigen  Verkehre 
dienenden  Tordurchlässen  noch  solche  für  Zeiten  der  Gefahr,  damit 
bedrohte  Stellen  des  Walles  auf  kurzem  Wege  erreicht  werden  könnten. 
Bestimmte  Nachrichten  über  ihre  Lage  und  Anzahl  fehlen:  genannt 
wird  die  „Drüeckenporte"  am  Großen  Wulveshorn;  eine  zweite  gegenüber 
dem  Ottenwerder  wurde  durch  die  Errichtung  des  landesherrlichen 
Residenzschlosses  nach  1637  verbaut.  Nachdem  im  18.  Jahrhundert  die 
Mauer  als  Befestigung  ihre  Bedeutung  vollständig  verloren  hatte,  wurde 
die  Anlegung  von  Pforten  an  mehreren  Stellen  der  Stadtmauer  gestattet. 
Die  Anlage  der  Himmelreichpforte  steht  wahrscheinlich  im  Zusammenhange 
mit  der  Einrichtung  der  Wasserkunst  an  der  Klickmühle  1534. 

54 


Befestigung 

Die  mittelalterlichen  Wall-  und  Grabenanlagen  Hannovers  sind  infolge  Mittelalterliche  waii- 
der  Umänderungen  der  Stadtbefestigung  seit  dem  16.  Jahrhundert  in  und  Grabenaniagen 
solchem  Maße  zerstört,  daß  man  bezüglich  ihrer  Gestalt,  bislang  auf 
Vermutungen  angewiesen  war;  denn  auch  aus  den  Urkunden  ließ  sich 
nähere  Auskunft  darüber  nicht  entnehmen.  In  den  Lohnregistern  der 
Stadt  sind  verschiedene  Wälle  und  Gräben  namentlich  genannt,  doch  ist 
ihre  Lage  nicht  näher  bezeichnet  (s.  Zs.  d.  hisL  Vereins  f.  Niedersachsen 
1869,  S.  185  ff.).  Die  Erwähnung  des  Grabens  in  der  vorher  angeführten 
Übereinkunft  zwischen  dem  Rat  und  den  Loccumer  Mönchen  vom  Jahre 
1320  ist  insofern  wichtig,  als  sie  zeigt,  daß  die  Grabenanlage  gleichzeitig 
mit  dem  Mauerbau  anzunehmen  ist.  Mithoff  hat  1869  (Zs.  a.  a.  0.)  die 
Vermutung  ausgesprochen,  daß  man  die  Wall-und  Grabenanlage  Hannovers 
sich  ähnlich  vorzustellen  habe  wie  bei  der  Stadt  Alfeld.  Bodenforschungen, 
die  1926  ausgeführt  wurden,  haben  ihm  recht  gegeben:  der  alten  Mauer  Abb.  18 
ist  in  einem  Abstände  von  etwa  25  m  --  gemessen  vom  Mauerfuß  bis  zur 
Kammlinie  —  ein  Erdwall  vorgelagert,  der  aus  dem  Aushub  eines  Grabens 
zwischen  beiden  aufgeschüttet  war.  Dieser  Graben  konnte  keine  ständige 
Wasserzuführung  von  der  Leine  oder  dem  Schiffgraben  her  haben,  da  seine 
Sohle  höher  als  deren  gewöhnlicher  Wasserstand  lag.  Sein  Zweck  war, 
durch  seinen  Aushub  das  Mauerhindernis  um  etwa  5  m  zu  erhöhen,  während 
er  selber  zugleich  ein  Hindernis  bildete,  da  er  bis  zu  einer  Spiegelbreite 
von  etwa  13  m  durch  Sammelwasser  angefüllt  war.  Dieses  Wasser  konnte 
durch  Bähren  am  Abfluß  zur  Leine  gehindert  werden.  Die  Grabenböschun- 
gen waren  durch  Pfähle  befestigt. 


Abb.  18.     Hannover;    Teilstück   der    mittelalterlichen  Befestigung   bis  gegen   das   Jahr  1550  nach    den 
Ausgrabungen    1925/26.      (Die    punktierten    Linien     deuten    den    Wasserspiegel,     die    dazwischen    ver- 
laufenden  die  Grabensohle   an.)    Nach  Aufnahmezeichnung  von  Gerster. 

Dem  Mittelalter  gehört  auch  ein  zweiter  äußerer  Graben  an,  mit 
dessen  Aushub  der  zwischen  beiden  sich  hinziehende  Wall  erhöht  worden 
ist,  wie  sich  an  der  Ausgrabungsstelle  zeigte  (vgl.  außer  H.  G.  1926, 
S.  124  ff.,  auch  Siedentopf,  Zur  Befestigung  der  Stadt  Hannover  durch 
Stadtgräben,  Hann.  Magazin,  1.  Juli  1927,  mit  Zeichnungen).  Vermutlich 
umzog  dieser  Doppelgraben  die  ganze  Ostseite  der  Stadt  vom  Steintore 


55 


Befestigung 

bis  zum  Eckrondell  an  der  Ägidienmasch.  An  der  Südseite  traten  andere 
Verhältnisse  ein,  insofern  hier  das  Bestehen  eines  Leinelaufes,  der,  von 
den  Mühlen  beim  Dorfe  Embere  herkommend,  an  der  Südostecke  der 
Stadt    nach  Nordwesten  umbog,  dvn  zweiten   Grabenring  erübrigte. 

In  ähnlicher  Weise  bot  die  Natur  der  Örtlichkeit  auch  im  Westen 
der  Stadt,  gegenüber  der  Insel,  Veranlassung,  von  dem  Befestigungsschema 
abzuweichen.  Die  Mauer  trat  hier  an  den  Klickmühlenstrom  so  nahe 
heran,  daß  für  einen  Wall  kein  Baum  mehr  blieb.  Dagegen  bestand  auf 
der  Insel,  und  zwar  auf  deren  nördlichem  Teil,  ein  Deich,  in  dessen  Zuge 
ein   Bergfried  lag  und  der  südwärts  bei  einer  Homeyde  endete. 

Unterhalb  der  Insel  gegenüber  der  Burg  Lauenrode,  am  heutigen 
Hohen  Ufer,  fehlte  im  Mittelalter  jedenfalls  eine  Wallanlage. 


ausbauder  Die  bisher  beschriebenen  Wall-  und  Grabenanlagen  bildeten  den 
WALLBEFESTi-  Grundstock  der  Befestigung,  die  mit  dem  Fortschreiten  der  Fortifikations- 
um  1630  kunst  im  15.  und  16.  Jahrhundert  einen  weiteren  Ausbau  erfuhr.  Schon 
die  Erhöhung  des  Walles,  die  etwa  in  das  Ende  des  11.  Jahrhunderts  zu 
setzen  ist,  bedingte  an  den  Toren  eine  besondere  Sicherung  des  Wall- 
durchlasses durch  eine  gewölbte  Durchfahrt.  In  Hannover  deckt  die 
Bezeichnung  „Homeyde"  diesen  Begriff. 

Homeyden  und  Grupen  erwähnt  nur  einmal  (a.  a.  O.,  S.  397)  eine  Homeyde,  nämlich 
.wmger  (jje  zwjscnen  insei  und  Neustadt  (1446),  wo  auch  Waffen  aufbewahrt 
wurden;  sie  war  gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  gegen  einen  Zins  ver- 
pachtet. Nach  den  Angaben  in  den  Lohnregistern  waren  die  vor  den 
Stadttoren  liegenden  Homeyden  mit  verschließbarer,  gepflasterter  Durch- 
fahrt und  einem  oberen  heizbaren  Baum  versehen. 

Die  Homeyden  erhielten  zunächst  einen  Schutz  durch  einen  Zwinger 
von  runder  Grundform,  der  an  einer  Seite  vorgelegt  wurde.  Am  Steintore 
entstand  ein  Zwinger  1492,  am  Ägidientor  ein  solcher  1504.  Am  inneren 
Leintore  erbaute  der  Bat  1517  einen  Zwinger;  dieser  verlor  aber  durch  die 
Erbauung  des  äußeren  Leintores  und  Zwingers  seine  Bedeutung  und  wurde 
1639  in  verfallenem  Zustande  an  das  Schuhmacheramt  verkauft.  Das  Amt 
brach  ihn  ab  und  errichtete  1659  an  seiner  Stelle  das  Schuhmacheramtshaus. 
Die  auf  der  Insel  liegende  Homeyde,  die  schon  1446  vorhanden  war,  wurde 
im  Jahre  1544  zu  einem  Tore  mit  Bollwerk  darüber  ausgebaut  und  durch 
einen  Zwinger  verstärkt,  der  jenseits  des  Brückmühlenstranges  südwärts 
des  Steinweges  stand.  Ein  zweiter  Zwinger  wurde  1599  ihm  gegenüber 
bei  der  heutigen  Neuen  Straße  errichtet.  Beide  bestanden  bis  gegen  die 
Mitte  des  17.  Jahrhunderts.  Die  Pfahlroste  und  das  Fundament  des 
Zwingers  an  der  Südseite  sind  1876  beim  Neubau  der  Regierung  wieder 
aufgefunden;  der  Durchmesser  des  Turmfundamentes  betrug  27  m, 
die  Breite  des  Pfahlrostkranzes  5,80  m.  Eine  Abbildung  des  Zwingers  im 
späteren  Zustande  überliefert  der  Holzschnitt  des  Elias  Holwein  von  1636. 

56 


Befestigung 

Ein  vor  die  Mauer  hinausgeschobener,  alleinstehender  Zwinger  bestand 
etwa  vor  der  Mitte  des  Mauerzuges  zwischen  Ägidien-  und  Steintor; 
seine  Erbauung  geschah  anscheinend  1521  (Landersheimer,  Plan  III, 
schreibt  1522).  Die  Fundamentreste  dieses  Zwingers,  der  festungstechnisch 
einen  Fortschritt  darstellt,  liegen  noch  heute  unter  der  Erde  an  der 
Georgstraße  vor  dem  Hoftheater. 

Zu  der  allmählichen  Modernisierung  im  16.  Jahrhundert  gehören  weiter  stenhovede 
mit  gleichem  fortifikatorischen  Zweck  wie  der  freistehende  Zwinger  ein 
„Stenhoved"  auf  der  Klickmühlenwiese  beim  Himmelreich,  das  1515 
vollendet,  wurde,  und  ein  gleichzeitiges  Stenhoved  bei  der  Liebfrauen- 
kapelle vor  dem  Ägidientore.  Ein  drittes  Stenhoved  wird  1531  genannt, 
ohne  daß  man  seine  Lage  bisher  kennt.  Der  Zwinger  und  die  meisten 
Stenhovede  bezeichnen  die  späteren  Stellen  von  Rondellen.  Redecker  gibt 
für  eine  Anzahl  von  Rondellen  das  Entstehungsjahr  an,  unterscheidet  aber 
nicht  mehr  zwischen  Rondell  und  Stenhoved.  Stenhoved  und  Zwinger 
waren  runde,  im  Zuge  des  Hauptwalles  eingefügte  niedrige  Türme,  die  ein 
Geschütz  aufzunehmen  vermochten. 

Auf  einigen  Strecken  der  Wälle,  die  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts  streichmauern  und 
verstärkt  und  begradigt  wurden,  richtete  man  Streichmauern  ein.  So  hatte  Fausse  h™>'° 
die  Bürgerschaft  auf  die  erwähnte  Erlaubnis  von  1524  des  Herzogs  Erich 
hin  den  Berg,  auf  dem  die  Reste  der  Burg  Lauenrode  standen,  1541 
abgetragen  und  am  Mauerfuß  vor  dem  Hohen  Ufer  abgeschüttet.  Vor  dem 
hier  neu  entstandenen  Walle  wurde  1558  eine  Streichwehr  gezogen. 
Die  Einrichtung  der  Streichmauern  scheint  fortgesetzt  und  1575  mit  der 
Ausrüstung  der  Strecke  zwischen  dem  Steintor  und  dem  Ostzwinger 
zum  Abschluß  gebracht  worden  zu  sein;  sie  muß  sich  aber  nicht  bewährt 
haben,  denn  man  ging  dazu  über,  eine  Fausse  brave  mit  Contre-escarpe 
vor  den  Hauptwall  zu  legen. 

Somit  hatte  man  sich  allmählich  einem  Befestigungssystem  zugewandt, 
das  nach  niederländischer  Art  in  polygonal  gezogenen  Erdwällen  und 
breiten  Wasserg-äben  seine  Defensivstärke  suchte.  Es  wurde  in  der 
Folgezeit  stückweise  weitergeführt,  aber  nicht  zum  Abschlüsse  gebracht, 
denn  die  neue  Befestigungskunst,  gezeitigt  durch  die  Erfahrungen  des 
Dreißigjährigen  Krieges,  veranlaßte  eine  völlige  Umgestaltung  dieses 
Systems. 

Die  über  die  Gräben  führenden  Brücken  sind  zu  verstehen  als  Zug-  Brücken 
brücken,  oder  sie  waren  mit  einem  aufklappbaren  Joch  versehen.  In  den 
Lohnregistern  freilich  ist  bei  den  zahlreich  verzeichneten  Ausgaben  für 
Brücken  von  einer  Zugbrücke  ausdrücklich  nur  ausnahmsweise  die  Rede. 
Im  Reiseskizzenbuch  von  Pitzler  um  1730  finden  sich  als  Merkwürdigkeil 
Hannovers  Klappbrücken  mit  nur  einem  einzigen  Hebelbaum  abgebildet 
(über  die  Brücken  s.  II.  G.  1906,   S.  174,   nach  Redecker). 

57 


Befestigung 

Hainen  Die  aus  Quadern  gefügten,  der  Füllung  oder  Entleerung  der  Gräben 
dienenden  Wasserdurchlässe,  Bähren  genannt,  waren  gewöhnlich  durch 
einen  Aufbau  architektonisch  hervorgehoben,  der  plastischen  Schmuck*) 
und  Inschriften  zu  tragen  pflegte.  Zwei  derartige  Bähren  sind  noch 
gegenwärtig  vorhanden:  der  eine  am  ehemaligen  Batsfischteich,  50  m 
oberhalb  der  Klickmühle  linksseitig,  mit  achtseitig  pyramidalem  Aufbau 
aus  dem  16.  Jahrhundert,  der  andere  am  Brückmühlenarm,  ebenfalls 
linksufrig  gegenüber  dem  von  Altenschen  Garten,  der  zur  Speisung  der 
Neustädter  Festungsgräben  gedient  hat. 
Zingein  Als  Zingel  muß  in  Hannover  der  Baum  innerhalb  des  von  Palisaden 
eingezäunten  äußeren  Grabenrandes  einschließlich  des  Platzes  vor  den 
Homeyden  aufgefaßt  werden.  Die  Lohnregister  nennen  wiederholt  den 
Zingel  vor  dem  Steintore  (1480,  1489  usw.).  Außerhalb  der  Brücke  waren 
Schlagbäume,  Schluchter  und  Böcke  als  Befriedung  angebracht  (Ausgaben 
von  1480,  1482  usw.). 
Gesamtbild  um  die  Um  die  Wende  des  16.  Jahrhunderts,  etwa  um  das  Jahr  1610,  ergibt 
Wende  des  16.  Jahrb.  sjcn  cjas  Gesamtbild  der  Befestigung  Hannovers  ungefähr  folgendermaßen: 
die  mittelalterliche  Mauer  hatte  man  überall  bestehen  lassen,  ihre  Türme 
jedoch  vielfach  schon  bürgerlichen  Zwecken  dienstbar  gemacht.  Nicht 
mehr  in  der  Mauer,  sondern  in  dem  breiten  Hauptwall  und  dem  davor- 
liegenden  Graben  beruhte  die  Stärke  der  Befestigung.  Hier  wieder  waren 
die  verwundbarsten  Stellen  durch  angehängte  Bondelle  geschützt,  deren 
nunmehr  fünf  zu  zählen  sind:  das  Windmühlen-,  später  Himmelreich- 
rondell, da,  wo  die  Leine  an  die  Stadt  herantritt;  das  Bösehof-  oder 
Bährenrondell  an  der  südöstlichen  Ecke  der  Stadt  unweit  des  Ägidientores; 
das  Eilerierondell  zur  Flankierung  des  gleichen  Tores  an  der  anderen  Seite 
flankierte  zugleich  die  Ostfront  gegen  das  Steintorfeld  hin;  als  viertes  das 
Bothfelder  Bondell  im  nördlichen  Knick  der  Umwallung  und  als  fünftes 
endlich  das  Steintorrondell. 

Zwischen  diesen  Bondellen  gab  es  an  zwei  Stellen  leichtere  fleschen- 
artige  Werke:  eines  unmittelbar  vor  dem  Ägidientor,  ein  anderes  an  der 
Stelle  des  mittelalterlichen  Zwingers  vor  der  Mitte  der  Ostfront.  Ein 
ähnliches  Werk  sicherte  auch  die  Stelle,  wo  der  Wall  an  die  Leine  unterhalb 
der  Stadt  herantrat. 

Für  den  weiteren  Ausbau  sind  in  der  Folgezeit  die  hier  bezeichneten 
Stellen  der  Umgürtung  immer  die  Brennpunkte  der  Anlagen  geblieben. 
Der  Ottenwerder  und  die  Mühle  waren  in  einen  weiten  Wall-  und  Graben- 
gürtel  einbezogen,  der  das  äußere  Leintor  mit  seinen  beiden  Zwingern 
enthielt  und  unterhalb  der  Insel  durch  einen  mächtigen  Donjon  gesichert 
war,  dessen  Fundamente  noch  im  Hause  Neue   Straße   17  liegen. 


*)  Die  Brunnenfigur  vom  Altstädter  Marktbrunnen  war  1628   auf  den  Bähren 
am  Knesenkamp  gesetzt  (Redecker,  Chron.  S.  465). 

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Befestigung 


59 


Befestigung 

Das  Bild  der  drei  großartigen  Toranlagen,  des  Leintores,  Steintores  und 
Ägidientores,  erweist  sich  bis  zu  dem  hier  angenommenen  Zeitabschnitt 
durch  Einzelzüge  bereichert,  die  eine  eingehende  Würdigung  verdienen. 
Bei  der  Leintoranlage  vermitteln  uns  die  obengenannten  Abbildungen  im 
einzelnen  eine  deutliche  Vorstellung  nur  von  dem  mittelalterlichen  Torturm 
des  inneren  Leintores;  sie  kann  ergänzt  werden  durch  Redeckers  Mit- 
teilungen über  eine  Kunstuhr,  die  auf  halbvergoldeter  Kugel  Mondzuwachs- 
und -abnähme  aufzeigte.  Die  Uhrglocke  ertönte  hörbar  über  die  ganze 
Neustadt.  Das  kunstreiche  Uhrwerk  wurde  nach  dem  Schloßbrande  von 
1741  auf  das  neben  dem  Turme  1690-93  errichtete  städtische  Pförtnerhaus 
gebracht.  Der  Zwinger  neben  dem  Turm  trug  die  Inschrift:  MAJORVM 
LIBERTATEM  DIGNE  PROSEQVI  STVDEAT  POSTER1TAS.  Die  1570 
vor  dem  Leintore  erbaute  Brücke  war  1647  abgebrochen.  Die  Krieger- 
statue*), die  vor  dem  Tore  gestanden  hatte,  verwahrte  man  auf  dem 
Stadtbauhofe  (s.  H.  G.  1905,  S.  439).  Vom  äußeren  Leintor,  das  die 
Homeyde  mit  der  Zugbrücke  davor  und  den  beiden  Zwingern  zur  Seite 
umfaßte,  ist  eine  gleich  deutliche  Vorstellung  nicht  zu  gewinnen. 
Abb.  19.  Am  Steintor  war  an  der  westlichen  Seite  der  gewölbten  Walldurchfahrt 
schon  1492  ein  im  Grundriß  kreisrunder  Zwinger  zum  Schutze  der  Homeyde 
angelegt.  Erbaut  hatten  ihn  die  vom  Rathausbau  und  später  vom  Bau 
der  Sodenkapelle  an  der  Marktkirche  bekannten  Meister  v.  Hemmingen. 
Die  Außenfläche  des  Zwingers  war,  sofern  die  Darstellung  des  Gemäldes 
in  der  Nikolaikapelle  glaubwürdig  ist,  in  Blendnischen  aufgelöst,  in  die 
sich  spitzbogige  Fensteröffnungen  einfügten.  Die  Homeyde  selbst  wurde 
nach  Redecker  (H.  G.  1905,  S.  431)  um  1540  zu  einem  Torhause  mit 
Obergeschoß  ausgebaut.  Zu  dem  Zwecke  mußte  von  dem  1568  durch  einen 
Sturm  schon  schwer  beschädigten  Zwinger  die  östliche  Hälfte  abgebrochen 
werden.  1592  ist  dann  dem  Lohnregister  zufolge  der  Giebel  des  Torhauses 
dem  Meister  Hans  Nottelmann,  dem  Steinhauer,  „vor  50  Thaler  tho  hawen 
und  vorfertigende  vordinget".  Der  vorher  mit  dem  Werke  beauftragt 
gewesene  Meister  Dirick  Berndes  war  im  gleichen  Jahre  verstorben. 
Das  Gemälde  in  der  Nikolaikapelle  zeigt  einen  durch  Lisenen  und  waage- 
rechte Simse  aufgeteilten  Treppengiebel  mit  Voluten-  und  Halbrosetten- 
zierat  und  Obelisken.  Ein  von  Löwen  gehaltenes  Wappen  war  am  unteren 
Mittelfelde  des  Giebels  angebracht;  anscheinend  ist  es  das  im  Vater- 
ländischen Museum  aufbewahrte,  das  als  Werk  Nottelmanns  gesichert 
ist.  Außerdem  trug  der  Giebel  die  Inschrift:  NI  DEVS  INPORTIS  SIT 
TVTELARIBVS  ARMIS  NIL  PRO  SVNT  PORTAE  NIL  VIGILVM 
EXCVBIAE.     Am    Zwinger    war    das   Reliefbild   des    Cdiristophorus    ein- 


*)  Es  handelt  sich  um  den  Mann  mit  der  Feuerkugel,  den  Hedecker  abge- 
bildet hat.  Es  ist  offenbar  derselbe  Stein,  der  auf  dem  Bahren  an  der  Kajenmauer 
des  Altstadtgrabens  im  Zuge  der  späteren  Neuen  Straße  (bis  1681)  als  Bekrönung 
gesessen  hatte. 

60 


Befestigung 


Gl 


Befestigung 

gelassen,  das  1713  beim  Abbruch  des  Turmes  und  Zwingers  am  Armen- 
hause eingemauert  wurde.  Die  Inschriften  an  den  Toren  überliefert 
der  Sammelband  im  Stadtarchive,  Ms.  130,  unter:  Inscriptiones;  außer- 
dem Reiche. 

An  die  nordöstliche  Flanke  des  Torhauses  fügte  sich  ein  achteckiger 
Turm  mit  geschwungener  Haube  an,  dessen  Entstehungsjahr  nicht  bekannt 
ist;  er  hieß  die  „Utlucht"  oder  „die  Leuchte"  und  diente  als  Pförtner- 
wohnung. 

Der  etwa  30  m  breite  Graben  vor  der  Homeyde  war  von  einer  Brücke 
überspannt,  deren  erstes  Joch  zunächst  dem  Torhause  als  Zugbrücke 
aufklappbar  war. 

Den  Brückenaustritt  scheint  ein  Außenwerk  geschützt  zu  haben, 
da  die  Lohnregister  für  das  Jahr  1482  einen  neuen  Wall  vor  dem  Steintore 
erwähnen. 

Der  alte  Steintorturm  hatte  in  einer  Kunstuhr,  die  in  einer  Gaube 
des  Turmhelmes  stadtwärts  angebracht  war,  eine  besondere  Merkwürdig- 
keit: zwei  bewegliche  Ziegenböcke  über  dem  Zifferblatt  stießen  sich  beim 
Stundenschlag  mit  den  Hörnern.  Darunter  sah  man  den  Schnapphans, 
einen  menschlichen  Kopf,  der  bei  jedem  Stundenschlag  die  Zunge  heraus- 
streckte (Baring,  Beitr.  z.  Hann.  Kirchen-  und  Schulhistorie  1748,  S.  96). 
Die  hier  beschriebene  Anlage  des  Steintores  ist,  wie  Landersheimer  zu 
seinem  Plan  II  bemerkt,  1712  abgebrochen. 
Abb.  2o  Die  Ägidientoranlage  war  fast  von  gleicher  Großartigkeit  wie  die  des 
Steintores.  Auch  hier  stand  außerhalb  des  Walles  neben  der  Homeyde  ein 
mächtiger,  1501  erbauter  Zwinger,  für  den  ein  Muster  in  dunkelglasierten 
Ziegeln  kennzeichnend  war.  Die  Homeyde  war  schon  1521  mit  einem 
Obergeschoß  zum  Torhause  ausgebaut  und  wurde  nach  einem  1610  statt- 
gehabten Brande,  dem  das  Obergeschoß  des  Pforthauses  und  das  Dach 
des  Zwingers  zum  Opfer  fielen,  wiederhergestellt.  Die  Inschrift,  die  dieses 
vermeldet,   überliefert  Redecker  (s.  H.  G.  1905,   S.  437). 

Der  Kupferstich  Matheus  Merians  für  Werdenhagens  1641  erschienenes 
Taiei  5a  Werk  ,,De  Rebus  Publicis  Hanseaticis",  dessen  Platte  im  Stadtarchive 
aufbewahrt  wird,  scheint  das  Ägidientor  mit  Außentor  und  Zwinger  in 
einem  Zustande  vor  1610  wiederzugeben,  und  zwar  zeigt  er  den  Zwinger 
mit  Zinnenbekrönung  und  Kegeldach.  Nach  dem  Brande  wurde  der 
Zwinger  mit  Erdreich  angefüllt  und  mit  einer  Brustwehr  versehen;  so  diente 
er  als  Bastion.  Redecker  bringt  eine  Zeichnung  der  Gegend  am  Ägidientor 
in  seiner  Chronik  (S.  458;   H.  G.  1905,   S.  432). 

Den  Meister  des  nach  dem  Brande  neuerbauten,  mit  einem  Benaissance- 

giebel   ausgestatteten   Torhauses,    dessen   Pracht  einzig  die   mangelhafte 

Skizze  des  unbekannten  Verfassers  der  Chronologia  Hannoverana  (vorm. 

Abi..  15  Kgl.  u.  Prov.-Bibl.,  Handschr.  XXIII,  693a)   überliefert,   wird   man  unter 

den  Ratsmaurermeistern  der  Zeit  zu  suchen  haben.    Die  Annahme,  daß 

62 


Befestigung 

der  Erbauer  des  Hauses  der  Väter,  Joachim  Pap,  in  Frage  kommt,  liegt 
also  nicht  fern.  Am  Friese  des  Giebelfußes  grabenwärts  war  das  von 
Löwen  gehaltene  Kleeblattwappen  und  eine  Jahresinschrift  angebracht, 
die  leider  in  der  Zeichnung  nicht  ausgefüllt  ist.  Die  von  Redecker  ver- 
zeichnete Inschrift:  „JEHOVA  FOHTITUDO  NOSTRA"  soll  in  goldenen 
Buchstaben  daran  gestanden  haben. 

Eine  Brücke  mit  aufklappbarem  Joch  führte,  wie  beim  Steintore, 
über  den  Graben,  wie  auch  hier  der  Brückenaustritt  durch  ein  Außenwerk 
gesichert  gewesen  sein  wird.  Die  Ägidientoranlage  wurde  1748  abgebrochen. 

Die  Sicherung  des  Vorgeländes  der  Stadt  an  den  Grenzen  ihrer  Bann-  Landwehren 
meile  durch  eine  Landwehr  scheint  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts ins  Werk  gesetzt  zu  sein.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  hatte 
Hannover  vor  der  Zerstörung  der  Burg  Lauenrode  erst  eine  einzige  Land- 
wehr, nämlich  das  Bischofshol,  im  Jahre  1361  errichtet.  Nach  der  Zer- 
störung der  Burg  (1371)  entstanden  weitere,  die  sogleich  mit  Wahrtürmen 
ausgerüstet  wurden:  nämlich  1373  der  Kirchröder  Turm,  im  Jahre  1382 
(h'v  Döhrener  Turm,  1387  der  Lister  Turm  und  im  gleichen  Jahre  der 
Pferdeturm  und  die  „Neue  Landwehr"  auf  dem  Steintorfelde  beim  Stapel. 

Der  1392  ausgestellte  Satebrief  gab  den  Bürgern  das  Recht,  nach 
ihrem  Belieben  auf  Bannmeilen  und  Gütern  weitere  Landwehren  er- 
richten zu  dürfen.  Noch  im  gleichen  Jahre  entstand  der  Stürendeif  und 
wahrscheinlich  gleichzeitig  die  Warte  auf  dem  Lindener  Berge.  Die 
anderen  Warten  sind  größtenteils  erst  später  errichtet:  so  1460,  nach 
Redecker,  der  Turm  der  Landwehr  „zum  Bischofsholt",  der  Rote  Turm 
am  Calenberger   Stein wege  1141. 

Die  Lohnregister  von  1480  und  1489  kennen  nur  drei  Landwehren 
und  verstehen  unter  der  Bezeichnung  ,,uppe  de  dre  Lantwere"  den  Roder- 
torn  (Kirchröder  Turm),  Hardenbergstorn  --  den  heutigen  Pferdeturm  - 
und  de  Dornder  Lantwere  (Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1869, 
S.  201).  Grupen  führt  (Orig.  S.  175)  sieben  Landwehren  auf,  bei 
denen  aber  die  „Dornder  Landwere"  unter  der  Bezeichnung  Keller-Tom 
(nach  dem  Wächter  genannt)  doppelt  gezählt  ist.  Verschiedene  Bezeich- 
nungen für  dieselbe  Warte  kommen  auch  im  Lohnregister  vor.  Grupen 
nennt  außerdem  den  Bergfried  zu  Seelze  und  den  Bergfried  „zur  Mort- 
mühlen"  (die  Ricklinger  Landwehr),  wo  die  Stadt  einen  Wächter  hielt. 
Die  schon  1387  gebrochene  Pinkenburg  muß  ebenfalls  als  Landwehr 
angesehen  werden.  Ein  von  E.  Braun  1755  gezeichneter  Grundriß  der 
Eilenriede  (H.  G.  1905,  S.  391)  gibt  die  Lage  der  damals  noch  vor- 
handenen Landwehren  an. 

Die  Landwehren  waren  mehrfache,  mit  Buschwerk  bestandene  Wall- 
gräben. Die  Straßendurchlässe  sicherten  Warten  und  Schlagbäume.  Der 
Verlan!'  der  Landwehren  ist  streckenweise  noch  gegenwärtig  am  Zuge  der 

63 


Befestigung 

Gräben  in  der  Eilenriede  verfolgbar  (siehe  darüber  Mithoff  in  Zs.  d.  liist. 
Vereins  f.  Niedersachsen  l<X(i<),  S.  202  IT.).  Die  Anzahl  der  au!  unsere 
Zeit  überkommenen  Wahrtürme  ist  auf  zwei  zusammengeschmolzen:  den 
Döhrener  Turm  und  dvn  Pferdeturm. 

Der  Döhrener  Turm,   auf  der   Grenze  des  Kirchdorfes  Döhren   1382 
von  der  Stadt  erbaut,  hatte  nach  der  Eilenriede  hin,  wie  Redecker  schreibt, 


Abb.  21.       Hannover;  der  Döhrener  Turm   um   1890.     Druckstock  II.  G. 


Abb.  21 


sieben  Gräben  und  sieben  Brustwehren;  nach  der  Leine  hinunter  vier 
Gräben.  Zum  Gewese  der  Landwehr  gehörte  nach  den  Angaben  des 
Corpus  bonorum  von  1720  (H.  G.  1907,  S.  133)  außer  dem  Turm  ein 
Wohnhaus,  ein  Pferdestall,  Backhaus,  Wagenschauer,  Garten  und  Hof. 
Das  Wohnhaus  ist  um  1800  durch  ein  anderes  ersetzt,  dessen  Lage 
zum  Turm  etwas  verschoben  wurde. 

Der  heute  noch  an  der  Heerstraße  stehende  Turm  ist  nicht  der  ur- 
sprüngliche, sondern  scheint  auf  dem  kreisförmigen  Grundriß  des  alten 
zu  Ende  des  15.  Jahrhunderts  wieder  aufgebaut  zu  sein.  Ein  etwa 
in     halber     Höhe     eingesetzter     Inschriftstein     enthält     die     Jahreszahl 


04 


Befestigung 


65 


Befestigung 

MCCCCXXXVHI.  Der  Turm  hat  drei  Geschosse  in  Ziegeln;  1888  wurde 
ein  achteckiges  Fachwerkgeschoß  daraufgesetzt,  als  die  Wirtschafts- 
Abb.22gebau.de  durch  einen  hohen  Saal  vergrößert  wurden.  Die  Umfassungs- 
mauern auf  niedrigem  Quadersockel,  in  Ziegeln  aufgeführt,  zeigen  etwa 
bis  zur  Höhe  des  Inschriftsteines  ein  aus  dunkelglasierten  Ziegeln  gebil- 
detes Rautenmuster.  Weiter  hinauf,  wo  ein  Gurtsims  hervortritt,  sind 
die  glasierten  Ziegel  nicht  mehr  im  Muster  versetzt.  Die  beiden  unteren 
Geschosse  sind  gewölbt  und  durch  eine  Wendeltreppe  verbunden.  In 
beiden  sind  Schießscharten  in  Wandnischen  angeordnet.  Das  Gewölbe 
des  Obergeschosses  ist  sechsteilig.  Das  zweite  Obergeschoß  hatte  das 
Gebälk  des  kegelförmigen  Daches  zur  Decke.  Spuren  von  Kaminanlagen 
finden  sich  in  beiden  oberen  Geschossen  (Näheres  mit  Zeichnungen  von 
Mithoff  in  Zs.  d.  bist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1869,  S.  221).  Eine  Nische 
an  der  Nordseite  wurde  1888  durch  das  Reliefbild  eines  Wappenträgers 
aus  Mettlacher   Steingut  ausgefüllt  nach   Schapers  Zeichnung. 

Der  um  1460  erbaute  Turm  zum  Rischofshol  (1461  ,,by  dem  nigen 
Torne  geheten  des  Rischuppes  holt")  bestand  schon  zu  Redeckers  Zeit 
nicht  mehr;  es  war  damals  nur  ein  Warthaus  dort  vorhanden,  das  --  wie 
dem  Corpus  bonorum  von  1720  zu  entnehmen  ist  -  -  als  Holzwärter- 
wohnung diente.  Aus  den  Ausgaben  ist  zu  ersehen,  daß  der  Turm  einen 
heizbaren  Raum  für  die  Wache  hatte. 

Der  alte  Roder  Turm  unweit  Kirchrode  von  1373,  im  Lohnregister 
(1486)  auch  Rergewoldes  torn  bezeichnet,  mitsamt  dem  alten  Wohn- 
gewese ist  nicht  mehr  vorhanden.  Das  Corpus  bonorum  sagt  darüber: 
„Er  liegt  am  Holz  ohnweit  des  Ziegelhofes  bey  der  breiten  Wiesen;  es 
gehört  dazu:  das  Wohnhaus,  Scheuer,  Schweinkoven,  Fischteich  usw." 
Eine  sandsteinerne  Wappentafel  vom  Turm,  datiert  1572,  ist  am  heutigen 
Wirtshause  ,,Kirchröder  Turm"  wieder  eingesetzt. 

Der  Pferdeturm,  der  seinen  jetzigen  Namen  von  einem  dicht  dabei 
belegenen  städtischen  Fohlenstall  erhalten  hat,  wird  schon  1407  als 
Hardenbergstorn  nach  seinem  damaligen  Wächter,  später  nach  anderen 
Abb. 23  Wächtern,  benannt.  Er  ist  1889,  nachdem  die  daran  anstoßende  ein- 
geschossige Gastwirtschaft  abgebrannt  und  darauf  in  zwei  Geschossen 
neu  erbaut  war,  durch  Aufsatz  eines  Fachwerkgeschosses  mit  steilem 
Dach  erhöht  worden.  Sein  Grundriß  ist  viereckig;  das  gewölbte  Erdgeschoß 
besteht  aus  Rruchsteinen,  das  obere  aus  Ziegeln.  Das  Corpus  bonorum 
gibt  für  1720  an:  „Der  Thurm  liegt  linker  Hand  des  Fahrweges,  jenseits 
des  Holzgrabens,  ist  von  Steinen  aufgeführet  und  fast  ganz  wüste.  Das 
Wohnhaus  (eines  Holzwärters)  steht  rechter  Hand  desselben." 

Die  Landwehr  Stürdendeifen  —  heute  Steuerndieb  -  hatte  keinen 
Wahrturm;  an  Stelle  des  mittelalterlichen  Warthauses  war  schon  zu 
Redeckers  Zeit  ein  Forst-  und  Wirtshaus  getreten. 

66 


Befestigung 


Ü 


Abb.  23.    Hannover;  der  Pferdetwm  vor  der  Restaurierung  von  1889;  nach  Aquarell,  signiert  S. 

Der  Lister  Turm,  1387  zuerst  erwähnt  (Grupen,  Orig.  S.  176),  nach 
Redeekers  Skizze  ein  zweistöckiges  länglich  viereckiges  Bauwerk,  mit 
Walmdach  und  Dachgauben,  ist  kurz  vor  1831  (Brönnenberg  S.  86) 
gleichzeitig  mit  der  dazugehörenden  Schenke  abgebrochen,  die  -  -  wie 
die  Waldwirtschaften  alle  —  aus  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  stammte. 

Der  Rote  Turm  am  Steinwege  jenseits  der  Brücke  über  den  äußersten 
Mühlenstrang  war  vor  1441  erbaut,  1490  durch  Herzog  Heinrich  ,,vor- 
brandt"   (Archiv  des  Hist.  Vereins  1845,   S.  283),  dann  wiederhergestellt 

eine  gründliche  Wiederherstellung  besonders  des  Daches  liegt  1492/93  - 
und  1646  auf  fürstlichen  Befehl  abgebrochen,  weil  die  neu  angelegte  Be- 
festigung ihn  überflüssig  machte.    Eine  Abbildung  des  viereckigen  Turmes 
findet  sich  auf  dem  Holzschnitt  von  Elias  Holwein.    Die  Zugbrücke  bei  Abb.  i,  s.  45 
dem    Roten   Turm   wird    in    den    Zinsregistern    der   Kämmerei   erwähnt: 
„van  dem  toge  vor  deme  roden  torne". 

Die  Warte  auf  dem  Lindener  Berge,  die  wahrscheinlich  1392  erbaut 
worden  war,  ließ  Georg  Wilhelm  im  Jahre  1651  zur  Windmühle  umbauen; 
ein  Inschriftstein  über  der  Tür  nennt  diese  Jahreszahl.  1856  ging  die 
Mühle  aus  königlichem  in  privaten  Besitz  über. 


In  erster  Linie  galt  der  seit  der  Residenzwerdung  unter  den  Auspizien  die  Festung 
des  Landesherrn  unmittelbar  stehende  Ausbau  der  Befestigung  auf  Grund  rigen  kriegi 
der    Erfahrungen    des    Dreißigjährigen    Krieges,    der    Einbeziehung    der 


67 


Abb.   21 


Befestigung 

Neustadt  in  die  Fortifikationslinie.  Die  Vorarbeiten  des  riesenhaften 
Werkes  begannen  am  26.  Juni  1636;  noch  1645  befaßte  man  sich  mit 
Vorschlagen,  wie  zwei  Zeichnungen  aus  diesem  Jahre  im  Staatsarchive 
dartun.  Die  Erdarbeiten  wurden  vom  Brande  her  am  1.  April  1646 
aufgenommen;    weitere  zehn  Jahre  später  etwa  war  das  Werk  beendet. 


/O. 


ff,  fi>  fjfc- 


Abb.  21.    Hannover;   Plan  der  Befestigung  der  Neustadt  Hannover.    Nach  Kopie  aus  dem  Jahre  1862. 
Original  von  1045  im  Staatsarch.  Hnvr.J 


Gleichzeitig  wurden  aber  auch  Umbauten  und  Ausbauten  der  Befesti- 
gung der  Altstadt,  insbesondere  am  Ägidien-  und  Steintore,  betrieben, 
so  daß  1657  die  gesamte  Befestigung  in  einen  Zustand  gebracht  war, 
der  auf  längere  Zeit  den  Forderungen  der  Festungsbaukunst  genügte. 
Zum  Schutz  der  Neustadt  wurden  vier  Bastionen  im  Halbkreise  von 
Süden  nach  Norden  herum  angelegt:  die  Holzhofbastion  (Hügel  des  Leibniz- 
denkmals),    die    Windmühlenbastion    (zwischen    Dachenhausen-,    Brand- 

68 


Befestigung 

und  Adolfstraße),  diejenige  hinter  Molinus'  Hof  (am  Friederikenstift) 
und  die  hinter  v.  Windheims  Hof  (An  der  katholischen  Kirche).  Dazu 
kamen  eine  Anschlußbastion  im  Süden  am  Brückmühlenstrang  und  ent- 
gegengesetzt die  Clevertorbastion  (Simonsplatz)  vor  dem  1650  angelegten 
Clevertor,  die  an  sich  verhältnismäßig  schwach  ausgebildet  waren,  aber 
stärkere  Außenwerke  erhielten:  die  erstgenannte  durch  eine  Redoute 
in  der  Leinegabelung  an  der  Masch,  die  andere,  im  Norden,  durch  ein 
Hornwerk  mit  Brustwehr.  Dem  1648  von  Georg  Ludwig  vollendeten 
Calenberger  Tor,  das  von  der  Windmühlenbastion  und  der  Bastion  hinter 
Molinus'  Hof  flankiert  war,  wurde  ein  Ravelin  und  eine  Contregarde 
vorgelegt,  durch  welche  die  Straße  in  südwärts  gebrochener  Linie  hindurch- 
führte, nach  ihrem  Austritt  aus  der  Contregarde  nochmals  durch  eine 
Lunette  gesichert.  Eine  doppelseitige  Contregarde  mit  vorgelegtem 
Ravelin  deckte  den  Übergang  über  die  Leine  beim  Clevertor.  An  der 
Glocksee  und  an  der  Ohe  reichten  je  ein  weiteres  Außenwerk  von  einfacher 
Ravelinform  in  das  Vorfeld  hinein. 

Dem  äußersten  Brückmühlenstrang  der  Leine  war  1646  durch  Änderung 
des  Wehrs  am  Eylikenwerder  der  Zufluß  abgeschnitten.  Die  Zuleitung 
von  Wasser  zu  den  Gräben  um  die  Neustadt  erfolgte  durch  den  oben  er- 
wähnten Bähren  dicht  oberhalb  der  Brückmühle,  der  durch  eine  Traverse 
besonders  geschützt  war.  Die  älteren  Werke  des  äußeren  Leintores 
blieben  noch  einige  Jahre  bestehen. 

Die  Verbesserung  der  altstädtischen  Befestigung  setzte  schon  1632 
mit  dem  Ausbau  der  beiden  Torravelins  vor  dem  Stein-  und  Agidientore 


Abb.  25.  Hannover;  Toilstüek  der  neueren  Stadtbefestigung  mit  Bastionen  vor  Anlage  des  Niederwalles 
zwischen  dem  Grundstück  des  Loccumer  I  lofes  und  Georgstraße  .'55.  Nach  Aufnahmczeichnung  von  Gerster. 

ein.     1645    nahm   man    die    Modernisierung   der   vorhandenen    Bastionen  Abb.  25 
auf:  die  Norder-Bothfelder  Bastion  und  die   Süder-  oder  Eilerie-Bastion 


69 


Befestigung 

wurde  zur  modernen  Bastion  ausgebaut;  zwischen  beiden  schob  man 
vor  dem  alten  Pulverrondell  ein  Havelin  weiter  hinaus  (1645),  das  man 
1661  durch  Hinzufügen  von  Flanken  an  die  Courtine  hängte,  so  daß  es 
mit  den  Nachbarbastionen  gleich  stark  wurde;  es  erhielt  nach  dem 
Kommandanten   Sparrenberg  seinen  Namen. 

Die  beiden  Werke  beim  Ein-  und  Austritt  der  Leine  aus  dem  Stadt- 
bilde, nämlich  die  Himmelreich-Bastion  und  das  schon  1569  angelegte 
runde  Steinhaupt  neben  dem  Clevertor,  unterzog  man  ebenso  einer 
Modernisierung.  Das  Steinhaupt  wandelte  man  unter  mannigfachen 
Behinderungen  (H.  G.  1927,  S.  16<S  ff.)  allmählich,  seit  1624  zum  Cavalier 
um.  Am  Agidien-  und  Steintor  schob  man  die  Bastionen  mitsamt  dem 
Graben  weit  in  das  Vorfeld  hinaus  und  führte  die  Straße  in  ge- 
brochenem Zuge,  beim  erstgenannten  durch  eine  zweihäuptige  Contre- 
garde  (1645)  hindurch,  beim  andern  durch  eine  sehr  lange  Contregarde 
in  Fieschenform  mit  flankierendem  Ravelin. 

Innerhalb  der  Torbastionen  lagen  das  Torschreiberhaus,  wo  Passanten 
den  Wachthabenden  ihre  Pässe  vorzulegen  hatten,  und  das  Haus  des 
Toraufsehers,  eines  Steuerbeamten,  der  steuerpflichtige  Waren  zu  ver- 
zeichnen und  zu  melden  hatte.  Der  Lizent,  eine  1686  eingeführte  Ver- 
brauchssteuer, bildete  eine  wichtige  Staatseinnahme.  Gegenüber  dem 
Lizenteinnehmerhause  stand  die  Torwache  für  das  landesherrliche 
Militär. 

Als  letzte  Arbeit  wurde  ein  gedeckter  Weg  mit  freiem  Glacis  außerhalb 
des  Grabens  herumgeführt  vom  „Mauseöhrchen",  einer  Flesche  gegen- 
über der  Rösehof-  oder  Bähren-Bastion  im  Südosten  der  Stadt  an,  nördlich 
um  Alt-  und  Neustadt  herum  bis  dicht  an  den  Brückmühlenarm,  nur  die 
Agidienmasch  auslassend. 

Durch  die  Einbeziehung  der  Neustadt  in  den  Festungsgürtel  waren 
die  Anlagen  des  äußeren  Leintores  entbehrlich  geworden.  Der  Wall 
wurde  deshalb  „wieder  in  den  Graben  geworfen,  der  Rothe  Thurm  nebst 
dem  äußeren  Leinthore  und  die  am  Leinearm  liegende  Mühle  und  steinerne 
Brücke  über  den  Stadtgraben  bis  auf  den  Grund  aufgenommen  und  die 
ganze  Gegend  applaniert"  (Landersheimer,  PI.  IV).  Auf  dem  bebauungs- 
fähig gewordenen  Gelände  entstand  der  vordere  Teil  der  Neustadt,  ins- 
besondere im  Jahre  1681  durch  Verlegung  der  Häuser  ,,Up  den  Specken" 
die  zur  Altstadt  gehörende  Neue  Straße  (über  die  Lange  Straße  s.  H.  G. 
1927,   S.  174). 

Um  das  1650  etwa  vor  dem  heutigen  Eichamte  angelegte  Clevertor, 
über  dessen  Aussehen  wir  nur  wissen,  daß  es  außer  der  Jahreszahl  den 
Namenszug  Georg  Wilhelms  trug,  für  den  toten  Winkel  am  nördlichen 
Ende  der  Burgstraße  zugänglich  zu  machen,  durchbrach  man  1682  den 
mittelalterlichen  Eckturm  hinter  dem  städtischen  Holzhofe.  Dieses  neue 
Tor  wurde   durch  zwei  Wächterbuden  und  ein  Pforthaus  vervollständigt. 

70 


Befestigung 

Die  Befestigungen  als  solche  wurden  fortab  in  verteidigungsbereitem 
Zustande  erhalten,  obwohl  sie  mehr  und  mehr  veralteten;  einzelne  Ver- 
änderungen verzeichnet  Redecker  gewissenhaft  (s.  H.  G.  1905,  S.  441). 
1712  erfolgte  zwischen  Steintor  und  Clevertor  die  Hinausverlegung  des 
Walles  und  Grabens,  die  insbesondere  den  Anlagen  des  landesherrlichen 
Marstalles  zugute  kam.  Dieser  Veränderung  fiel  leider  das  giebel- 
geschmückte Torhaus  und  der  Zwinger  des  Steintores  zum  Opfer;  das 
landesherrliche  und  das  städtische  Torschreiberhaus  mußten  neu  erbaut 
werden.  Der  mittelalterliche  Torturm  fiel  erst  1741,  weil  er  den  Wagen- 
verkehr behinderte. 

Am  Clevertor  kam  durch  eine  gleichzeitige  Hinausschiebung  des  Walles 
das  1650  gebaute  Tor  „binnen  dem  Walle  zu  stehen".  Ein  neues  äußeres 
Torgebäude,  an  dem  der  Namenszug  des  Kurfürsten  angebracht  war, 
wurde  vor  der  Brücke  über  die  Leine  errichtet.  Die  beiden  neuen  Tore 
werden  wie  das  Calenberger  und  das  ältere  Clevertor  lediglich  in  gewölbten 
Walldurchfahrten  mit  einem  die  Durchsicht  hindernden  Knick  in  der 
Mitte  bestanden  haben. 

Gegen  1745  erwog  man  vom  städtebaulichen  und  festungstechnischen 
Gesichtspunkte  aus  eine  Erweiterung  und  zugleich  eine  Modernisierung  des 
Befestigungsgürtels  nach  Vaubanschem  System.  Drei  zwischen  1737  und 
1740  geschaffene  Entwürfe  dazu  befinden  sich  im  Stadtarchive  (Mappe  IV, 
Blatt  1,  2,  3);  sie  sehen  die  Einbeziehung  von  großen  Teilen  der  Ägidien- 
masch  und  der  Ohe  in  eine  ovale  oder  kreisrunde  Umgürtung  vor,  die  in 
12  bzw.  11  neu  anzulegenden  Bastionen  mit  entsprechenden  Außenwerken 
ganz  schematisch  ausgestaltet  werden  sollte.  Der  dann  1747  zur  Ausführung 
gekommene  Plan  des  Festungsbaumeisters  Dinglinger,  der  durch  Ausfüllen 
des  Hauptgrabens  zwischen  der  Bährenbastion  und  der  Süder-Bothfelder 
Bastion  eine  neue  Bebauungsfläche  schuf  und  kaum  mehr  festungsbauliche 
Ziele  hatte,  bezeichnet  deutlich  das  Ende  der  Zeiten,  da  Hannover  Festung 
war. 

Die  vorhandenen  Werke  wurden  während  des  Siebenjährigen  Krieges 
unterhalten  und  1761  noch  durch  Schanzen  außerhalb  der  Tore  vermehrt. 
Auf  dem  Lindener  Berge  wurde  die  sogenannte  Georgenschanze  angelegt, 
welche  die   1651  eingerichtete  Windmühle  in  sich  einbezog. 

Eine  Art  Demolierung  begann  schon  unmittelbar  nach  dem  Sieben-  entfestigung 
jährigen  Kriege  (1763),  wo  laut  Ausschreibung  in  den  „Hannoverschen 
Anzeigen"  die  „Palisaden,  welche  sich  im  bedeckten  Wege  und  den  nächsten 
Befestigungswerken  um  hiesige  Residenzstadt  gesetzet  befinden",  an  den 
Meistbietenden  verkauft  werden  sollten.  In  den  folgenden  Jahren  sind 
ähnliche  Ausschreibungen  ergangen,  die  sich  auf  den  Verkauf  von  anderen 
Baustoffen  beziehen. 

71 


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Abb.  26.    Hannover;  das  Steintor  um  1845  nach  Gemälde  von  W.  Dehn.   Stadtarchiv. 


Abb.    27.     Hannover;    das  Clevertor,    18:W.       Hechts  die  „Alte",     links    die    ..Neue 
im   Hintergrunde   das  Militärhospital  (1S5M  abgebrochen).      Nach    Handzeichnung 


Tierarzneischule; 
im     Stadtarchive. 


72 


Befestigung 

1767  wurde  der  Wall  und  die  Bastion  hinter  dem  Archive  abgetragen 
und  eine  Esplanade  angelegt.  Hier  richtete  man  an  der  Leine  den  könig- 
lichen Holzhof  ein,  dessen  Zugang  das  sogenannte  „Neue  Thor"  bildete. 
Dieses  Tor  ist  1833  abgebrochen  und  weiter  südwärts  neu  aufgebaut,  wo 
es  zu  einem  Teile  noch  heute  steht. 

Die  Contreescarpe  rings  um  die  Neustadt  wurde  1776  zum  Schutze 
gegen  das  Hochwasser  erhöht  mit  den  Erdmassen,  welche  die  Abtragung 
der  Außenwerke  an  der  Glockseeseite  ergeben  hatte. 

Seit  1780  setzte  eine  weitere  planmäßige  Demolierung  ein:  die  Gräben  „Demoiition"  nso 
wurden  durch  Abtragen  der  Wälle  bedeutend  verschmälert,  die  Außen- 
werke geschleift,  die  alten  Tore  abgebrochen.  Wie  weit  diese  Arbeiten  1790 
gediehen  waren,  gibt  ein  „Plan  der  Königlichen  Residenzstadt  Hannover 
nach  der  Demoiition  sämtlicher  Festungswerke  vom  Jahre  1780  bis  inkl. 
1790  entstanden"  an  (Stadtarch.,  Mappe  4).  Die  Altstädter  Anlagen  waren 
dabei  von  Magistrats  wegen  demoliert  worden,  diejenigen  der  Neustadt 
durch  das  Hofbauamt.    Lediglich    der    Leintorturm    bestand    bis    1798. 

Die  Bastion  am  Himmelreich  mit  dem  alten  Hauptwall  gegen  Osten  Promenaden 
war  bereits  in  den  Jahren  1781 — 83  eingeebnet  und  als  Friedrichstraße 
zu  einer  Promenade  mit  Fuß-  und  Fahrweg  zwischen  drei  Reihen  Platanen- 
bäumen umgewandelt  (1806  wurden  diese  Bäume  versteigert).  Ein  Plan 
von  1782  zeigt  bereits  die  Anlagen  auf  dem  abgetragenen  Walle  (Prov.- 
Bibl.,  Mappe  17,  XIXC,  Calenb.  66,  von  Ing.-Leutn.  J.  G.  G.  Bergmann). 
Am  Nothelfergraben  hinunter  gelangte  man  durch  eine  doppelreihige  Allee 
um  die  Ägidienneustadt  herum  zu  der  östlichen  Wallpromenade,  der  in 
den  Jahren  1787 — 89  durch  Schleifen  der  drei  Bastionen  und  des  Walles 
zwischen  Ägidien-  und  Steintor  eingerichteten  und  nach  Georg  III. 
benannten  Georgstraße. 

Westlich  des  Steintores  führte  der  allmählich  ansteigende  Reitwall 
zwischen  den  Anlagen  des  landesherrlichen  Marstalles  und  dem  Prinzen- 
garten über  den  Hügel  des  ehemaligen  Cavaliers,  auf  dem  die  „Weyhen- 
Löbe"  lag,  zur  Cavalierbrücke  hinab  und  jenseits  derselben  zur  Clevertor- 
wache. Der  „Kanonenwall"  reichte  von  da  bis  zur  Brücke  am  Calenberger 
Tore;  vor  ihm  blieb  als  Rest  eines  ehemaligen  Ravelins  die  „Marieninsel" 
erhalten. 

Der  Adolfswall  zog  sich  im  Süden  der  Neustadt  bis  zum  Hügel  des 
Leibnizdenkmals  an  der  Esplanade  und  dem  Neuen  Tore  am  Holzhofe  hin. 

Die  neuen  Toranlagen  sollten  einen  repräsentativen  Charakter  erhalten.  Abb.  2«,  2~v  28 
Ein  „Plan  der  Veränderungen  am  Steinthore  nebst  einem  genauen  Ent- 
würfe, welcher  Gestalt  die  Entree  dieses  Thores  durch  Verlegung  des 
Wachen -Thorschreiberhauses  wie  auch  durch  Vorbauung  schicklicher 
Gebäude  ansehnlich  verschönert  und  durch  Masquirung  der  jetzt  ins  Auge 
fallenden  alten  Hintergründe  allem  Übelstande  abgeholfen  werden  könnte", 

73 


Befestigung 

etwa  aus  dem  Jahre  17<S1,  liegt  vor.  Ein  anderer  Plan  ist  1 781  datiert  und 
belaßt  sieh  mit  den  entsprechenden  Veränderungen  am  Calenberger  Tore. 
Das  Material  des  Torschreiberhauses  am  Steintore,  das  neben  der  alten 
Wache  diesseits  des  Grabens  gelegen  war,  bestehend  aus  Ziegeln,  Mauer- 
steinen, Quadersteinen  und  Bauholz,  wurde  17<S8  öffentlich  in  den 
,, Hannoverschen  Anzeigen"  zum  Verkauf  ausgelobt. 


Abb.  28.     Hannover;  das  Ägidientor  am  Anfange  der  Marienstraße.     Abgebrochen  185!». 
Lithographie  18.'5<>,   Stadtarchiv. 


74 


Tafel  6 


Geistliche  Gebäude  und  Anlagen. 

KIRCHEN  UND   KAPELLEN. 

Marktkirche. 

Ägidienkirche. 

Kreuzkirche. 

Neustädter  St.  Johanniskirche. 

Reformierte  Kirche. 

Kathol.  St.  Clemenskirche. 

Gartenkirche. 

Synagogen. 

Christuskirche. 

Burgkapelle  St.  Galli  auf  der  Lauenrode. 

Marienkapelle  auf  der  Neustadt, 

St.  Gallenkapelle  auf  der  Altstadt. 

St.  Marienkapelle  vor  dem  Ägidientore. 

St.  Jacobikapelle  auf  dem  Rathause. 

Kapelle  auf  dem  Grundstück  Marktstraße  17. 

KLÖSTER  UND   ABLAGER    GEISTLICHER  ORDEN. 
Minoritenkloster. 
Loccumer  Hof. 
Marienröder  Hof. 
Marienseer  Hof. 

Barsinghäuser  Hof  und  Marienwerder  Hof. 
Augustiner-Hof. 
Carmeliter-Haus. 
Peveler  Hof. 
Beginenhaus. 

STIFTER*). 

Hl.  Geiststift  und  Kirche. 
St.  Nicolaistift  und  Kirche. 

FRIEDHÖFE. 

Nicolaifriedhof. 

Neustädter  St.  Andreasfriedhof. 

Kathol.  St.  Johannisfriedhof. 

Invalidenfriedhof. 

Judenfriedhof. 

Neuere  Friedhöfe**). 


*)  Ratskloster  und  Sodensches  Kloster  s.  S.  669. 
**)  Der  Gartenkirchhof  ist  auf  S.  194  ff.  behandelt. 


75 


Kirchen  und  Kapellen. 


Marktkirche. 

L)as  Bestehen  der  Kirche  St.  Georgii,  für  die  später  die  Bezeichnung 
Marktkirche  üblich  ist,  wird  urkundlich  bezeugt  erst  für  das  Jahr  1238 
(Urk.  Buch  der  Stadt  Hannover  1, 10;  Calenb.  Urk.Buch  VI,  19;  H.  G.1909, 
S.  311).  Daß  die  Marktkirche  die  älteste  der  drei  Altstädter  Kirchen  sei, 
scheint  -  abgesehen  von  ihrer  Lage  im  Stadtbilde  —  daraus  hervor- 
zugehen, daß  sie  immer  als  Haupt-Pfarrkirche  gegolten  hat.  Bedecker 
gibt,  ohne  seine  Quelle  zu  nennen,  an,  sie  sei  Haupt-Pfarrkirche  seit  1142 
gewesen. 

In  den  wenigen,  aus  der  Zeit  vor  1352  überkommenen,  die  Kirche 
betreffenden  Urkunden  wird  die  Vorläuferin  der  jetzigen  Marktkirche 
nach  ihrem  Schutzpatron,  dem  Hl.  Georg,  benannt.  Erst  1352  ist  in 
zwei  Urkunden  von  ,,der  Kerken  sünte  Jacobs  und  sünte  Jürgen"  die 
Bede  (Urk.  Buch  der  Stadt  Hannover,  307  und  308).  Die  Annahme 
des  Hl.  Jacobus  des  Älteren  zum  Patron  wird  zusammenhängen  mit 
dem  Neubau  der  Kirche,  der  in  diese  Zeit  fällt.  Als  weltlicher  Patron 
wird  in  der  Urkunde  von  1238  der  Graf  Conrad  von  Boden  bezeichnet. 

baugeschichte  Über  die  Gestalt  des  älteren  Gotteshauses  ist  aus  den  Urkunden 
nur  zu  entnehmen,  daß  es  einen  Turm  hatte.  Die  Kirche  scheint  seit  der 
zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  zu  ihrer  baulichen  Instandhaltung 
besondere  Aufwendungen  erfordert  zu  haben.  So  stiftete  der  in  den 
Urkunden  seit  1238  wiederholt  genannte  Pleban  Warmannus  die  Hälfte 
seiner  Güter  „in  Vorenwalde  ....  beato  Georgio,  ut  de  proventibus 
ejusdem  partes  ruinöse  ejusdem  ecclesie  restaurentur"  (Urk.  Buch  der 
Stadt  Hannover,  33  und  34).  Der  zu  Avignon  ausgestellte  Ablaßbrief 
für  die  Marktkirche  vom  Jahre  1319  gedenkt  derer,  die  ,,ad  fabricam  .  .  . 
manus   porrexerint    adjutrices"    (Urk.    Buch    der    Stadt    Hannover,  134). 

70 


Marktkirche 

Endlich  überliefern  zwei  1344  ausgestellte  Urkunden  (231  und  235) 
Schenkungen    ,,ad   aedificia   et   luminaria    ...    ecclesie   restauranda"..  .  . 

Bald  darauf  haben  sich  der  Rat  der  Stadt  und  der  Pfarrer  der  Kirche 
an  das  Stift  zu  Minden  mit  der  Bitte  um  Erlaubnis  zum  Neubau  des 
Gotteshauses  gewandt.  Sie  erhielten  am  7.  März  1349  (Urk.  269)  den 
Bescheid  des  Mindener  Offiziales:  turrim  antiquam  aliquantulum  vetustate 
ac  aeris  intemperie  dirutam  confringere  murosque  ecclesie  ejusdem  in 
terram  quantum  vobis  utile  videbitur,   prosternere  ipsamque   turrim  et 

ecclesiam     in     melius     reformare    et    reedificare    valeatis 

Das  römische  Jubel-  (Ablaß-)  Jahr,  zugleich  das  Jahr,  in  dem  die 
seit  Ende  1349  in  Niedersachsen  aufgetretene  dreitägige  Beulenpest 
ihren  Höhepunkt  in  Hannover  erreicht  hatte  (s.  H.  Deichert,  „Die  Pest 
in  Hannover",  H.  G.  1911,  S.  276)  -  -  das  Jahr  1350  -  -  wird  auf  einer 
inzwischen  verlorengegangenen  Messingtafel  als  Beginn  des  Turmbaues 
genannt.  Diese  Tafel  war  nach  Mag.  Ising  (s.  über  ihn  die  Anm.*) 
„unter  der  großen  Orgel  an  der  Wand  auffgehaenget"  gewesen,  und  ihre 
Inschrift  lautete:  Tunis  principium  tria  CCC  numerant  L  &  aevum  / 
Gratia  Romani  fuit  &  pestis  triduana  /  Functa  flens  polis  haec  tria  millia 
mensibus  in  sex  /  Tunc  Stimulus  stoicus  fuit  Ur  torquens  &.  Hebraeos**). 

Redecker,  der  die  Isingsche  Chronik  benutzt  hat,  berichtet  für  das 
Jahr  1347,  der  schöne  Turm  sei  begonnen,  nachdem  die  Kirche  St.  Jacobi 
et  St.  Georgii  fertig  geworden,  als  Robert  von  der  Nyenstad***)  Bürger- 
meister war. 

Eine  verschollene  Inschrift  der  Chorfenster:  Anno  mccc  xl  fenestre 
facte  sunt,  die  buchstabengetreu  in  Kotzebues  Handschrift  De  aedibus 
sacris  Hanoveranis  (Stadtarchiv)  nachgezeichnet  ist,  legt  allerdings  den 
Gedanken  nahe,  der  Baubeginn  der  Kirche  müsse  geraume  Zeit  vor  der 
bischöflichen  Erlaubniserteilung  von  1349  anzusetzen  sein  (s.  auch  Glas- 
gemälde). 


*)  Der  Verfasser  der  fälschlich  sogenannten  Kotzebueschen  Chronik,  die 
zwischen  1693  und  1699  entstand,  während  der  Drucklegung,  angeblich  auf  den 
Rat  Leibniz'  durch  die  Regierung  beschlagnahmt  wurde  und  erst  1740  unter 
einem  Nottitel  in  wenigen  Exemplaren  in  den  Buchhandel  gelangte,  ist  zweifellos 
der  Pfarrer  an  der  Markt kirche  Mag.  Helmar  Ising  (f  1708).  Die  echte  Kotzebue- 
sche Chronik,  die  aus  gleichen  Gründen  unveröffentlicht  blieb,  wurde  ohne 
Namensnennung  des  Verfassers  von  Moser  in  den  Diplomatischen  und  Historischen 
Belustigungen,  Band  IV,  1759;  V,  1760,  wieder  ans  Licht  gezogen. 

**i  Abb.  in  Mithoff,  Ns.  Archiv  I,  Tafel  III.  Vgl.  dazu:  Culemann,  Zweite 
Abtheilung  Mindischer  Geschichte,  Seite  26,  wo  die  Inschrift  über  der  Kirchentür 
zu  Lübbecke  in  Westfalen  gegeben  ist  „anno  Jubilaeo  MCCCL  quo  Pestis  erat 
flagelati  ibant,  judaei  occidebantur,  amplificata  est  haec  Ecclesia". 

***)  Robert  von  der  Nyenstad  wird  1350  (Urk.  292)  und  1358  (Urk.  372)  unter 
den  consules  genannt;  1363  (Urk.  419)  war  er  bereits  gestorben. 

77 


Kirchen  und  Kapellen 

Man  wird  für  die  Deutung  der  baugeschichtlichen  Vorgänge  in  Betracht 
ziehen  müssen,  daß  Grupen  (Hist.  Eccl.,  Stadtarchiv)  den  Altar  im 
nördlichen  Seitenschiffe  der  Marktkirche  als  Georgsaltar  bezeugt;  daß 
also  dieser  Altar  die  Stätte  des  Chores  der  ehemaligen  St.  Georgskirche 
bezeichnen  wird,  und  daß  mithin  die  alte  Kirche  da  gestanden  haben  wird, 
wo  heute  das  nördliche  Seitenschiff  der  Marktkirche  sich  erstreckt.  An 
der  Südseite  des  nach  der  formellen  Erlaubnis  von  1349  abzubrechenden 
Chores  der  alten  St.  Jürgenkirche  hat  man  dann  den  neuen  Hauptchor 
errichtet,  für  dessen  Hochaltar  die  Heranziehung  eines  anderen  Heiligen 
erforderlich  wurde.  Man  wählte  den  Schutzpatron  des  Hauptjahrmarktes 
in  Hannover,  St.  Jacobus  d.  Ae.,  und  so  ist  auch  dessen  Tag,  nicht  aber 
der  des  hl.  Georg  zum  Weihetag  der  neuen  Kirche  geworden.  Der  Abbruch 
der  alten  Kirche  konnte  erst  geschehen,  als  der  neue  Hauptchor  mit  seinem 
Altar  zum   Gottesdienste  benutzbar  war. 

Wer  der  Baumeister  war,  ist  nicht  überliefert.  Einflüsse  von  der 
nahen,  durch  die  Hanse  und  politische  Interessengemeinschaft  verbundenen 
zweiten  Landeshauptstadt  Lüneburg  sind  vermutet  worden*). 

Die  Bauzeit  von  Schiff  und  Chor  hat  sich  über  fast  ein  Jahrzehnt 
erstreckt.  Zwei  Urkunden  aus  dem  Jahre  1352  (Urk.  307  u.  308)  be- 
handeln Vermächtnisse  zum  Bau  der  Marktkirche.  Ebenfalls  1352  stiftete 
Arnoldus  Wiese  einen  jährlichen  Zins  ad  usum  structure  S.  Georgi,  löste 
indes  die  Stiftung  bald  wieder  ab  mit  einer  Summe  von  zehn  Bremischen 
Mark,  die  ad  testudines  novas  in  ecclesia  sancti  Georgii  verwandt  worden 
sind  (Urk.  310).  Es  ist  nicht  gesagt,  daß  die  testudines,  die  Wölbung,  schon 
1352  ausgeführt,  der  Bau  also  damals  schon  nahezu  vollendet  gewesen 
sein  müßte.  Vielmehr  scheint  aus  der  in  einer  Urkunde  des  Jahres  1354 
sich  findenden  Bezeichnung  eines  Altares  der  St.  Georgskirche  als 
„portatilis"  (Urk.  325)  hervorzugehen,  daß  auch  1354  die  Kirche  noch 
nicht  geweiht,  also  noch  nicht  vollendet  war  (s.  Anm.  5  zu  Urk.  325). 

Noch  1358  genehmigt  der  Magistrat  die  Flüssigmachung  von  Geldern 
behufs  des  l'urmbaues  der  Marktkirche.  Der  Vollendung  des  Turmes 
aber  wird  man  noch  eine  über  mehr  als  ein  Jahrzehnt  sich  hinschleppende 
Bauzeit  zugestehen  dürfen**).  Es  heißt  davon  bei  Ising  auf  S.  29:  die 
Bauleuthe   seind   müde   und   im    Säckel   kranck   worden   und   haben   den 


*)  Zur  Zeit  der  Erbauung  der  Marktkirche  erhielt  Jacob;  ein  Steinmetz  aus 
Aachen,  das  Bürgerrecht  :  A  1353  burgenses  :  Mester  Jacobus  de  Aquis,  latomus. 
(Liber  Burgensium;  s.  Mithoff,  Künstler  u.  Werkmstr.)  Er  wird  als  Ratsdiener, 
also  wohl  als  Ratsmaurermeister  angestellt. 

**)  Der  Turm  der  Lüneburger  St.  Johanniskirche,  der  Verwandtschaft  mit 
dem  der  Marktkirche  zeigt,  stand  um  die  gleiche  Zeit  noch  unvollendet  da.  Ein 
Sülzrentebrief  vom  Dezember  1384  deutet  auf  die  damals  nahe  Beendigung  des 
Baues.  (Siehe  d.  Band  dieses  Werkes:  Lüneburg,  S.  68).  Die  Lübecker  St.  Marien- 
türme waren  1350  fertig  geworden. 

78 


Marktkirche 

Thurm  an  seinen  vier  Giebeln  und  Archen,  best,  wie  sie  gekunt  zugedecket, 
diese  itzige  geringe  Spitze  hinauffgesetzet,  und  damit  das  Werck  in  den 

Schlitz   GOTTES  befohlen 

Wie  die  Marktkirche  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  dastand,  ist  sie 
ihrem  Aufbau  nach  in  allem  Wesentlichen  unverändert  auf  unsere  Tage 
überkommen.  An  der  Nordseite  hat  später  ein  kleiner  als  Gerkamer 
und  Sakristei  benutzter  Anbau  und  daran  westwärts  anschließend  ein 
größerer  und  etwas  jüngerer,  die  St.  Annen-  oder  Sodensche  Kapelle, 
1510  erbaut,  bestanden.  Am  Turme  südwärts,  zwischen  den  beiden 
dort  befindlichen  Streben,  zeigen  ältere  Abbildungen  ein  aus  dem  Anfange 
des  17.  Jahrhunderts  stammendes  Fachwerkgebäude,  das  ursprünglich 
wohl  als  Wohnung  für  den  ,, Kuhlengräber"  erbaut  war. 

Von  älteren  Restaurationen,  die  sich  aber  wohl  nur  auf  reine  Aus- 
besserungsarbeiten beschränkt  haben,  wird  für  die  Jahre  1661  und  1684 
berichtet  (H.  G.  1906,  S.  133,  Inschrift  am  Chorgewölbe).  Im  Jahre 
1664  „ist  die  gantze  Kirche  mit  hohen  Gewölben  durch  und  durch  reno- 
viret  und  mit  ansehnlichen  biblischen  Historien  und  Bildnissen  aus- 
geschmücket"  (Ising,  S.  78).  Einen  Teil  der  Kosten  wird  Johann  Duve 
getragen  haben  (vgl.  Bleibaum,  Bildschnitzerfamilien,  S.  157,  Anm.  2). 
Als  Maler  kommt  der  um  diese  Zeit  in  den  Fabrikregistern  mehrfach 
genannte  M.  Heinrich  Buchholtz  in  Betracht.  Offenbar  nach  vollendeter 
Restauration  im  Jahre  1684  hat  der  Bauschreiber  B.  E.  Weinberg  seinen 
„Bericht  von  den  Begräbnissen  auf  dem  großen  und  Limburgischen 
Chor  in  hiesiger  Marktkirche  de  a.  1684"  auf  höheren  Befehl  verfaßt 
samt  einem  Abriß  der  Kirche  (Kirchenarchiv). 

Die  Turmspitze  wird  ihre  jetzige  Gestalt  erst  in  den  Jahren  1704/05 
erhalten  haben,  als  sich  der  Rat  zu  einer  gründlichen  Erneuerung  entschloß. 
Nachdem  am  Weihnachtstage  1699  die  Turmspitze  unter  Beschädigung 
zahlreicher  Häuser  und  Wohnungen  herabgestürzt  war  (Baring,  Kirchen- 
historie, S.  8),  hatte  sich  herausgestellt,  daß  „die  großen,  gedoppelten 
Kardinal-  oder  Hauptständer  nach  der  Wetter-  und  Westseiten  ganz 
zunicht  verwettert  gewesen"  (Mag.  Ising,  S.  30).  Damals  wurde  „die 
Spitze  des  Thurms  auff  einen  mächtigen  starken  Fuess  gepflantzet  und 
befestiget".  „Also  ist  auch  ferners  der  gantze  Thurm  inwendig  von  oben 
herab  auffs  neue  reparieret"  (ebenda).  Der  Belag  wurde  mit  44  Centnern 
Kupfer  erneuert.  Die  Vergoldung  der  Rosen  und  Knäufe  wurde  durch 
M.  Johann  Heinrich  Müller  ausgeführt.  Die  eiserne  Stange  für  den 
Wetterhahn  wurde  „zum  Hartze  verfertiget";  sie  wog  5%  Zentner. 
Knauf,  Wetterhahn  und  vier  Rosen  fertigte  M.  Jürgen  Soltmann  (Stadt- 
archiv,   Quittungen  zum  Turmregister)*). 


*)  Ein  älterer  Knopf  und  Wetterhahn  der  Turmspitze  wurde  160(>  auf  Kosten 
des  Bürgermeisters  Hermann  Barteides  vergoldet.     Ising  a.  a.  O. 

79 


80 


Tafel 


Abb.  28 


Hannover;  Marktkirche,  Mittelschiff.    Phot,  1927 
Druckstock:  St.  Verk.-A. 


E.  Heuer. 


81 


Kirchen  und  Kapellen 

Der  frühere  Zustand  läßt  sicli  auf  den  älteren  Stadtansichten  einiger- 
maßen erkennen,  am  besten  auf  der  Merianschen  von  der  Ostseite. 

Die  Kirche  wurde  in  den  Jahren  1852 — 55  einer  durchgreifenden 
Stilbeieinigung  durch  den  Baurat  Droste  unterzogen,  der  im  Äußeren 
alle  Anbauten  zum  Opfer  gefallen  sind*). 
\i)i).  29  Die  Erneuerung  des  ganzen  inneren  Ausbaues  bezog  sich  damals 
auf  Altar,  Kanzel,  Orgelbühne,  Kirchenstühle;  die  Seitenchöre  richtete 
man  zu  Sakristeien  mit  Sitzplätzen  darüber  ein.  Auf  dem  Hauptchore, 
an  dessen  Seiten  zwei  Stühle  mit  Baldachinen  darüber  eingebaut  wurden, 
entfernte  man  die  Epitaphien,  wie  man  auch  die  sonst  in  der  Kirche 
an  den  Pfeilern  angebrachten  Epitaphien  wegzuräumen  für  richtig  fand. 
1<S93  wurde  die  Kirche  nach   Schapers  Angaben  farbig  ausgemalt. 

Beschreibung        Die  Marktkirche  ist  eine  dreischiffige  Hallenkirche  in  Ziegelbau  ohne 
Abb.  30.  Querschiff  mit  östlichem  Abschluß  in  einem  Haupt-  und  je  einem  Neben- 
chor für   die    Seitenschiffe,  jeder  in   Form  eines  halben  Zehneckes;   der 
Hauptchor  hinausgeschoben  über  die  Nebenchöre. 

Im  Westen  erhebt  sich  ein  massiger,  quadratisch  angelegter  Turm. 
Die  Bauausführung  ist  einheitlich  und  zeugt  von  hochstehender  hand- 
werklicher Fertigkeit. 
Langhaus  und  ciior  Auf  einem  mit  reich  ausgebildetem  Profil  abgesetzten  Sandstein- 
Taf- 6  sockel,  über  dem  noch  eine  Quaderschicht  ringsum  verläuft,  ist  das 
Ziegelmauerwerk  hochgeführt;  die  Streben  sind  im  Grundriß  mit  angelegt. 
Die  Mauerflächen  zeigen  Blockverband  mit  regelmäßig  verteilten  Ziegel- 
köpfen von  dunkelfarbiger  Glasur.  Ein  Kaffsims,  das  sich  in  Schräge 
und  Hohlkehle  gliedert,  umzieht  in  ziemlicher  Höhe  Langhaus  und 
Chor  unterhalb  der  hohen,  spitzbogigen  Lichtöffnungen,  die  Türen  in 
rechteckige  Kröpfungen  einfassend.  Das  den  Mauerkörper  oben  ab- 
schließende Hauptsims  besteht  aus  Formziegeln  in  Bollschichten.  Die 
Streben  sind  oberhalb  des  Kaffsimses  zweimal  zurückgesetzt  und  ab- 
gedeckt durch  eine  Schräge  aus  Sandstein,  an  der  frontwärts  jedesmal 
ein  steiles   Giebelchen  (nicht  ursprünglich)  herausgekehlt  ist. 

Die  Biesenflächen  des  Satteldaches  tragen  Mönch  und  Nonne  von 
ziegelroter  Färbung.  Dicht  unter  dem  First  ist  jederseits  eine  Bei  he 
von  je  sechs  Gauben  (1855)  angebracht.  Ein  Dachreiter,  der  sich  auf  dem 
Ostende  des  Firstes  erhob,  ist  1828  entfernt;  er  war  achtseitig,  mit  offene] 
Laterne  und  geradlinigem  spitzen  Helm,  der  in  eine  Wetterfahne  auslief. 

Zwei  Treppentürmchen,  die  zwischen  Choransatz  und  Langhaus 
beiderseits  sich  einschmiegen  und  in  fünf  Seiten  eines  Achteckes  hervor- 


*)  Eine  Inschrift  hinter  dem  Altar  besagt:  Der  Ausbau  dieser  Kirche  ist 
begonnen  am  19.  April  1852  und  vollendet  den  2.  Decbr.  1852"  -  -  folgen  die 
Namen  des  Stadtdirektors,  der  Prediger  und  Kirchen  Vorsteher  —  ,,von  dem  Stadt- 
baumeister   L.  Droste    und    dem    Bauführer   L.Frühling  "  usw. 

82 


83 


Kirchen  und  Kapellen 

treten,  waren  ehemals  durch  ein  flaches  Pyramidendach  abgeschlossen  und 
haben  durch  die  Restauration  unter  Droste  sandsteinerne  Helme 
erhalten.  Die  Galerie  am  Borde  des  Kirchendaches  entstammt  der 
gleichen  Restauration. 
Abb.  31  Das  Innere  des  Langhauses  wird  durch  die  Doppelstellung  der  vier 
Paar  kreisrund  angelegter  Ziegelpfeiler,  deren  Sockel  aus  glasierten, 
seit  Droste  überputzten  Ziegeln  besteht,  in  drei  Schiffe  geteilt.  Die 
Pfeiler  verjüngen  sich  nach  oben  hin  ein  wenig  und  sind  mit  Dreiviertel- 
kreis-Diensten ausgestattet,  je  zwei  in  Längs- und  Querachse.  Das  Pfeiler- 
kapitell wird  durch  eine  einfache,  flache  Kehle  gebildet,  die  zwischen 
schmalen,  profilierten  Bändern,  an  den  Diensten  verkröpft,  den  Pfeiler 
umzieht.  Den  Kapitellen  entsprechen  an  den  Seitenschiffswänden  Kon- 
solen, die  bei  der  Drosteschen  Restauration  durch  Stuckantrag  im  Sinne 
ihrer  Zeit  gotisiert  worden  sind  (Mithoff,  Kdm.  S.  66,  sagt:  „vier 
gegliederte   Gurtträger"). 

Die  Wölbungen,  in  Haupt-  und  Seitenschiffen  von  gleicher  Höhe, 
sind  in  Ziegeln  halbsteinig  ausgeführt.  Die  Längsgurten  von  Pfeiler 
zu  Pfeiler  haben  besonders  reiches  Profil  in  Formziegeln.  Die  Profile 
sind  bei  der  Drosteschen  Restauration  vergleichmäßigt. 

Die  hohen,  spitzbogigen  Fenster  waren  ursprünglich  durch  Ziegel- 
pfosten geteilt  und  mit  einfachem  Maßwerk  versehen.  Die  Restauration 
ersetzte  1853  Pfosten  und  Maßwerk  durch  Sandsteinarbeit.  Jedes  der 
beiden  Seitenschiffe  war  ursprünglich  außer  mit  fünf  Fenstern  mit 
zwei  Türen  versehen.  Dieser  Zustand  hatte  durch  den  Anbau  der  Sakristei 
und  der  Annenkapelle  (1511)  an  der  Nordseite  eine  Änderung  erfahren, 
ist  aber  durch  Droste  wiederhergestellt. 

Der  Fußbodenbelag  bestand,  soweit  nicht  Grabplatten  ihn  bildeten, 
aus  Ziegeln;  Wandflächen  und  Pfeiler  waren  gekalkt.  Die  Gewölbe- 
felder trugen  runde,  gemalte  Medaillons  mit  figürlichen  Szenen  in  Um- 
rahmungen nach  Rokokogeschmack.  Die  Bilder  selbst  scheinen  unfarbig 
(Grisaillen)  gewesen  zu  sein;   die   Gewölbeschlußsteine  tiefblau. 

Die  Scheidung  von  Chor  und  Schiff  ist  durch  Triumphbögen  bewirkt. 
Der  südliche  Nebenchor  hieß  der  Limburgische,  der  nördliche  der  Türcken- 
chor,  weil  sich  die  Erbbegräbnisse  der  beiden  Familien  dort  befanden. 
Die  Verbindung  der  drei  parallelen  Chorapsiden  miteinander  ist  so  be- 
werkstelligt, daß  zum  Hauptchor  die  anliegenden  Wände  der  Neben- 
chöre mit  benutzt  wurden,  von  denen  aus  der  Chorschluß  in  halbem 
Zehneck  sich  über  die  Apsiden  der  Seitenchöre  hinausschiebt.  Der  Haupt- 
chor gewinnt  durch  die  so  entstehende  Ausweitung  an  Raum.  In  Her- 
stellungsart und  Verzierung  entspricht  der  Chor  dem  Langhause. 
Turm  Die  Masse  des  Westturmes  steigt  in  vier  durch  Simse  unterschiedenen 
Stockwerken   empor.     Sandsteinsockel   und   Kaffsims  entsprechen   denen 

84 


Marktkirche 

des  übrigen  Bauwerkes.  Die  Kanten  des  Turmkörpers  werden  bis  oben 
hinauf  durch  ungleichmäßige,  verzahnte  Quadern  gebildet.  Das  Unter- 
geschoß ist  mit  je  zwei  Streben  jederseits  ausgestattet.  Das  sandsteinerne 
Portal  zur  Durchgangshalle  war  schon  im  17.  Jahrhundert  zugemauert 
(1705  repariert;  1734  über  dem  Turmportal  Fenster  gemacht,  auch  das 
Portal  über  der  Tür  außen  wegen  Baufälligkeit  entfernt  [Red.,  H.  G. 
1906,  S.  136  u.  138]).  Den  Zustand  vor  der  Restauration  durch 
Droste  gibt  Mithoff  (Archiv,  I.),  auch  Redecker  (s.  Sievertsche  Abb.  32 
Sammlung  im  Stadtarchive,  Kasten  VII,  Bl.  29).  Eine  feingegliederte 
Wimperge  --  ohne  Krabben,  in  einer  Kreuzblume  zusammengeschlossen. 


Abb.  32.    Hannover;  das  alte  Turm-Portal  der  Marktkirche.    Holzschnitt  nach  Zeichnung  von  Mithoff. 

Titelblatt  in  Mith.,  Aren.  I.,  1849. 


85 


Kirchen  und  Kapellen 

beiderseits  schmale,  hochstrebende  Nischen  mit  Fialbekrönung  --  ist  ein- 
gefügt zwischen  den  beiden  Streben  der  Westfront;  an  den  Kanten- 
abfasungen  oberhalb  des  Kaffsimses  waren  auf  Tragsäulen  die  Statuen 
des  Hl.  Georg  und  Jacobus  aufgestellt.  Die  Neuherstellung  1852 — 55 
von  Handel,  in  Zwischenzeiten  neben  seiner  Arbeit  am  Hermanns- 
denkmal ausgeführt,  entspricht  der  Zartheit  und  Leichtigkeit  des 
alten  Portales  nicht.  Die  hohen,  spitzbogigen  Lichtöffnungen  im 
ersten  und  zweiten  Obergeschoß  des  Turmes  sind  schmal  und  beein- 
trächtigen kaum  die  mächtige  Flächenwirkung  der  Wandungen.  Das 
dritte  Obergeschoß  enthält  jederseits  drei  spitzbogige  Schallöffnungen, 
auch  hier  mit  profilierten  Kantensteinen,  schichtweise  wechselnd,  glasierte 
und  nichtglasierte.  Die  Giebel,  mit  denen  die  Umfassungsmauern  des 
Turmes  schließen,  sind  ausgestattet  gen  Süden  und  Norden  je  mit  einem 
großen,  etwas  vertieften  Kreisfelde,  über  dem  ein  vertieft  gemauertes 
Kreuz  in  die  Giebelspitze  hineinreicht.  Die  Kreisflächen  enthalten  ein 
durch  vortretende  Profilziegel  gebildetes  Hexagramm;  die  Kreisfläche 
im  Ostgiebel  trägt  ein  Pentagramm;  der  Westgiebel  ist  schlicht  geblieben 
und  hat  nur  in  der  Spitze  ein  vertieftes  Kreuz.  Der  Turmhelm  war  nach 
dem  Plane,  wie  er  ursprünglich  wahrscheinlich  gedacht  war,  als  hohe 
achtseitig  pyramidale  Spitze  vorgesehen,  in  ähnlicher  Weise  wie  bei 
St.  Johannis  in  Lüneburg  oder  den  Marientürmen  in  Lübeck,  so  daß 
nach  dieser  Annahme  die  zur  Ausführung  gelangte  Abdeckung  als  Notdach 
gelten  muß.  Es  erhebt  sich  auf  der  Firstkreuzung  über  den  Giebeln  des 
Turmkörpers  ein  Dachreiter,  der  die  vermutlich  geplante  Gestalt  des 
Turmes  in  kleinem  Maßstabe  erhalten  hat.  Körper  und  Helm  dieses 
hölzernen  Dachreiters  sind  mit  Kupferplatten  belegt.  Die  Spitze  trägt 
Knauf  und  Wetterhahn.  Alle  Giebelendungen  an  Turm  und  Dach- 
reiter sind  ebenso  mit  kupfernen  Knäufen  ausgestattet,  Wasserspeier 
aus  Kupferblech  liegen  in  den  Dachkehlen. 

Die     Durchgangshalle     des    Turmes     ist     auf    Ziegelrippen    gewölbt. 
Redecker  (Chron.)  vermerkt  eine  Änderung   derselben   zum  .Jahre    1734. 

Abb.  33        Die  innere   Holzkonstruktion   des   Turmes   zeigt  eine   Aufnahme    aus 
dem    LS.   Jahrhundert   im   Stadtarchiv. 


anbauten  und        An    der   Nordseite    der   Kirche    bestanden    bis   zur   Drosteschen    Stil- 
einbäuten  bereinieung  zwei  Anbauten.    Der  kleinere  -  -  nach  Mithoffs  Urteil  etwas 

Sakristei  und  fc>        ö 

sodenkapciie  ältere  -  -  diente  als  Sakristei  und  fügte  sich  zwischen  die  Strebepfeiler 
des  vierten  Joches  von  Westen  ein.  Rechteckiger  Grundriß,  Ziegelbau, 
Streben,  aber  kein  Gewölbe.  Spitzbogige  Lichtöffnungen.  Zwei  Türen 
nach  dem  Kircheninnern.  Über  den  anderen  Anbau  findet  sich  im  Stadt- 
protokollbuch zum  Jahre   1510  die  Notiz: 

86 


Marktkirche 


„AmFriedageindenPingstenvorplichtedensick  Henrich  und  Hermann 
van  Hemmingen  nu  up  sünte  Johannisdag  to  midde  Sommer  mit  twen 
Knechten  to  arbeidende  ahn  derCapellen  vp  sünte  Jürgen  Kerckhove". 


Abb.  33.    Hannover;  Marktkirche.    Grundrisse  und  Schnitt  von  den  oberen 
Geschossen   des  Marktturmes.    Nach  Zeichnung  im  Stadtarchiv  um  1800. 

Für  das  nächste  Jahr  enthalt  zweifellos  über  dieselbe  Kapelle  das  über 
fundationis  die  Nachricht: 

„Anno  1511  den  Sundach  na  Philippi  Jacobi  do  warth  der  Almissen 

Kappelle   gewiget   vn   worth   angeheuen   de  Mysse   de   man   schal  jo 

ewyglicken  holden         —  usw." 

87 


Kirchen  und  Kapellen 

Der  Anbau  der  Kapelle  umfaßte,  an  die  Sakristei  westwärts  anschließend, 
den  Raum  zwischen  den  beiden  nächsten  .Streben  und  bestand  ausZiegeln. 
Das  Kirchendach  war  als  Schleppdach  darüber  herabgezogen.  Licht- 
öffnungen   waren    breit    und    spitzbogig.     Obwohl    Streben    vorgesehen 


Abb.  34.  ]  lannover;  die  Marktkirche,  Inneres.  Nach  Aquarell  von  Kretschmer,  im  Besitz  der  Kirche. 

waren,  war  der  Raum  ungewölbt.  Im  Oberstock  hatten  161 1  Gebhard 
und  Levin  von  Wintheim  den  Hohen  Schulchor  mit  der  steinernen 
Wendeltreppe  -  -  in  der  Nordostecke  -  anrichten  lassen  (Mag.  Ising, 
S.  31).  Rreite  Bogenöffnungen  verbanden  die  Sodenkapelle  mit  der 
Kirche. 
Priechen  Nach  einem  Aquarell  von  Kretschmer  war  das  nördliche  Seitenschiff 
\i>b.  34  mit  Priechen  auf  Holzst Litzen,  deren  Kopfbänder  nach  Barockgeschmack 
ornamentiert  erscheinen,  ausgestattet.  Über  der  unteren  Prieche,  der 
bis  an  die  Pfeiler  vorgezogenen  Ratsprieche*),  war  ebenfalls  auf  Holz- 
stützen  der  Schülerchor  -  -  nicht  ganz  so  weit  vorgezogen  —  aufgebaut. 
Die  Brüstungsfelder  trugen  in  fast  quadratischer  Teilung  Gemälde.    Fein 


*)  Die  Ralspriechc  war  1(>59  gebaut,   daran   setzte    man    die   Namen   Henning 
Lüdecke  und  Georg  Türcke  (H.  G.  1911,  S.  34(1). 

JS8 


Marktkirche 

vergoldete  Holzsäulchen  lagen  zwischen  den  Feldern,  die  in  weiße  Um- 
rahmungen eingebettet  waren.  Unter  dem  Brüstungssims  verlief  ein 
lichtblauer  Streifen;  die  Inschriften  unter  den  Bildern  traten  ebenso 
aus  lichtblauem  Grunde  hervor.  Die  Batssitze  waren  mit  dunkelgrünem 
Stoff  ausgeschlagen. 

Auf  dem  Bilde  erkennt  man  weitere  Priechen  vor  dem  nördlichen 
Nebenchor.  Andere,  auf  dem  Bilde  nicht  sichtbare  Priechen  bestanden 
noch  „unter  der  Orgel  gegen  Osten"  und  „an  der  Nordseite  unter  der 
alten  Orgel  in  die  Länge  stehend",  beide  1630  angelegt.  1689  wurden 
zwei  halbmondförmige  Priechen  zu  beiden  Seiten  der  Orgelprieche  ver- 
fertigt und  dahin  der  Schüler-  und  Musikantenchor  verlegt  (H.  G.  1906, 
s.  unter  den  betreffenden  Jahreszahlen).  Für  das  Jahr  1735  berichtet 
Bedecker,  daß  rechts  und  links  des  Chores  Priechen  eingebaut  seien 
(H.   G.  ebenda,    Mag.   Ising    schreibt    über  die    Priechen   auf  Seite  31). 

Die  Reformation  hat  die  Kirche  von  dem,  was  mit  den  ,, papistischen  liturgische 
Greueln"  zusammenhing,  gereinigt.    1825  wurden  Altargeräte,   Gemälde,  AUSSTATTl  NG 
Schnitzwerk,  alte  Glasfenster  aus  der  Marktkirche  meistbietend  verkauft 
(Bekanntmachung  in  den  Hann.  Anzeigen,  s.  Heiligers  Handschr.  Staats- 
archiv, C  38). 

Außer  dem  Hochaltar  waren  ursprünglich  noch  elf  andere,  nach  ihren  Altäre 
Heiligen    bezeichnete    Altäre    vorhanden:    Petri    und    Pauli,    St.    Crucis, 
St.  Mathaei,  Andreae,  Annen,  Olai,  Mauritii,  Katharinae,  Georgii  und  aller 
Apostel  (s.   Grupen,  Hist.  eccles.  Bd.  1,   Kap.  V,   §   12).    Auf  dem  Lim- 
burgischen Chore  stand  noch  1681  ein  Altar  (Weinbergs  Beschr.  v.  1681). 

Von  einem  spätgotischen  (um  1490)  Hochaltar  der  Marktkirche  wird 
der  Schrein  im  Provinzialmuseum  aufbewahrt  (Weifenmuseum,  Nr.  23,  Abb.  ;j5 
20,  erworben  1865).  Nach  Mithoff  (Arch.,  L,  S.  4  f.)  wurde  der  Altar  1663, 
als  Duve  einen  neuen  in  die  Marktkirche  stiftete,  der  Agidienkirche 
übergeben*).  Der  breit-rechteckige  Klappschrein  (12:9  Fuß)  steht  auf 
geschnitzter  Predella,  an  der  in  Medaillons  Prophetenbrustbilder  an- 
gebracht sind.  Die  Flügel  sind  außen  bemalt  mit  Szenen  aus  der  Legende 
der  Hl.  Georg  und  Jacob;  linker  Flügel:  Martyrium  des  hl.  Georg  | 
Einsturz  des  Apollotempels  auf  das  Gebet  des  Heiligen  Feuer  und 
Steine  fallen  vom  Himmel  und  zerstören  die  Foltergeräte  Enthauptung 
des  Heiligen;  rechter  Flügel:  Jacobus  als  Pilger  mit  sechs  Gefährten  zu 
Schiff  I  Jacobus  sendet  Pilatus  sein  Schweißtuch  |  Jacobus  tauft  Josias  | 
Enthauptung  des  Heiligen.  (Vgl.  Katalog  des  Prov.-Mus.,  Gemäldeband 
[1930]  Nr.  190.)  Der  geöffnete  Schrein  zeigt  eine  der  Breite  nach 
dreigeteilte  Tafel,  die  wie  die  Innenseiten  der  Flügel  mit  erhabener 
und  bemalter  figürlicher   Schnitzarbeit   ausgestattet  ist.     Das   Mittelfeld 

*)  Nach  Mag.  Ising  (S.  <S3)  wohl  richtiger  erst  1665. 

89 


Kirchen  und  Kapellen 

der  Tafel  enthüll  eine  figurenreiche  Kreuzigungszene;  in  den  Seitenfeldern, 
die  gleich  den  Flügeln  in  vier  weitete  Felder  unterteilt  sind,  sind  andere 
Szenen  ans  Christi  Lehen  zur  Darstellung  gebracht,  zurückgehend  auf 
Vorbilder  M.  Schongauers.  Die  Umrahmung  einer  jeden  Szene  bildet 
ein  geschnitztes  Baldachinwerk  (bemalt  und  vergoldet).  Den  Meister 
der  Plastiken  wie  der  Gemälde  vermutet  Habicht  in  der  Werkstatt 
Raphons  (H.   G.   1913,   S.  276). 

Der  von  Johann  Duve  1663  gestiftete  Altar  ist  bei  der  Drosteschen 
Kirchenrestaurierung  1850 — 53  durch  den  noch  jetzt  vorhandenen 
gotisierenden  ersetzt  und  verschollen.  Er  war  nach  Redecker  (H.  G. 
1906,  S.  133)  1665  vollendet  worden;  sein  Meistersoll  nach  Mag.  Ising 
(S.  7<S)  vorher  „seine  Kunst  in  der  Hamburger  Neustädter  Kirche 
(St.  Michaelis)  erwiesen"  haben.  Im  Hannoverschen  Magazin  von  1835 
beschreibt  Iffland  den  Bau  des  Duveschen  Altars;  auch  er  sagt,  Duve 
habe  sich  den  Künstler  aus  Hamburg  verschrieben.  Die  Höhe  des 
Altars  habe  60  Fuß,  die  Breite  34  Fuß  betragen  und  mit  Ausnahme  von 
zwei  Figuren  sei  alles  am  Altar  noch  vorhanden.  Diese  beiden  Figuren 
waren  der  bußfertige  Zöllner  mit  dem  Porträtkopf  Duves  und  eine  weib- 
liche Figur,  vermutlich  mit  dem  Porträtkopf  seiner  Frau.  Ising  (a.  a.  O.) 
spricht  von  ,, hohen,  gewundenen  und  geflammten  Säulen,  herrlichen  Statuen 
in  Lebensgröße  und  anderen  architektonischen  Fürtrefflichkeiten".  Nach 
dem  Aquarell  Kretschmers  füllte  die  Altarwand  die  volle  Breite  des  Chores 
aus.  Vielleicht  waren  neben  der  Mensa  Türen  zur  Umwandlung  des 
Altares  vorhanden.  Die  Wand  war  dreigeschossig  aufgebaut:  das  Haupt- 
geschoß oberhalb  der  Predella  mit  drei  Paar  gedrehter  Säulen,  das  Mittel- 
geschoß mit  zwei  Paar  kannelierter  und  das  Obergeschoß  mit  einem  Paar 
gedrehter  Säulen;  jedes  Geschoß  mit  Gebälk  versehen.  Die  Bildfolge 
war:  Kreuzigung,  Auferstehung  und  Himmelfahrt.  Meister  der  Figuren 
ist  nach  Bleibaum  (siehe  a.  a.  O.,  S.  156  f.,  159  f.,  160)  vielleicht  Conrad 
Heinrich  Bartel*).  Die  Farbgebung  des  alten  Altars  war  zuletzt  schwarz 
mit  reichlicher  Goldaufhöhung.  Der  1853  aufgesetzte  Altar  ist  in  Formen 
der  Neugotik  unter  Droste  ausgeführt, 
chorschranke  Nach  Weinbergs  Bericht  waren  der  Hauptchor  wie  die  beiden  Seiten- 
chöre gegen  das  Schiff  durch  (morschranken  getrennt,  ebenso  die  Seiten- 
chöre gegen  den  Hauptchor**).  Der  Türekenchor  war  „mit  schönem  Schnitz- 
werk und   Gitter"   schloßhaft   gemacht.     Die  auf  dem   Kretschmerschen 

*)  Über  die  Stifterfiguren  neben  dem  Altäre  s.  Altendoii  in  II.  G.  1911.  S.  63. 
Brönnenberg  S.  12.  Anm.:  sehenswert  ....  das  sonst  am  Hochaltäre  befindliche 
Bild  des  bußfertigen  Zöllners,  eine  Maske,  unter  welcher  sich  Job.  Duve  1663  dar- 
stellen ließ.     Die  Figuren  befinden  sich  jetzt  im  Vaterländischen  Museum. 

**)  „Die  schöne  perspectiv  für  dem  Mittel-Chor  ...  mit  Eysernen  Schranken, 
Schnitzwerk,  Polierung  und  Vergüldung"  hatte  die  1616  verstorbene  Witwe 
Dorothea  Völgerin  machen  lassen.     Mag.  Ising,  S.  32. 

90 


Marktkirchc 


91 


Kirchen  und  Kapellen 

Hilde  sichtbare  Chorschranke  war  erst  1834/35  hergestellt  (Akten  in  der 
Ratsregistratur.    Vgl.  Bleibaum,  a.  a.  0.,   S.   157,  Anm.   1). 

Gestühl        Auf   dem    Limburgischen   Chor   stand    nach   Weinbergs   Beschreibung 
von   1684  ein  Beichtstuhl. 

„Reste  früherer  Kirchenstühle  zeigen  im  Schnitzwerk  die  Schutz- 
heiligen der  Kirche",  schreibt  Mithoff  (Kdm.  S.  69;  s.  dazu  Habicht  in 
H.   G.   1913,   S.  266). 

Das  Gemeindegestühl,  wie  es  bis  1853  war,  erscheint  auf  dem  Bilde 
von  Kretschmer  in  bräunlicher  Tönung;  seinen  Formen  nach  stammt 
es  offenbar  aus  einer  nicht  lange  vor  1853  liegenden  Zeit.  Weitere,  über 
das  Gemeindegestühl  überhaupt  vorliegende  Nachrichten  sind  folgende: 
1594  wurden  die  Frauenstühle  neu  wieder  gebaut.  Die  Nachbarnge- 
sellschaft, „Der  Rosentopf"  genannt,  hatte  neun  bis  zehn  zum  Teil  mit 
Gitterwerk  versehene  Stühle  in  der  Mitte  der  Kirche,  die  „Der  Rosen- 
garten" hießen.  Außerdem  finden  sich  viele  Stühle  für  Standespersonen 
erwähnt.  Zum  Jahre  1589  bemerkt  Redecker  S.  259:  Ihrer  Fürsil.  Gnaden 
ward  der  Stand  bey  der  Sacristey  da  die  Prediger  stehen,  angerichtet. 
Die  Trabanten,  Diener,  Rähte  standen  vor  ihm  in  dem  Gange  und  den 
Stühlen. 
Glocken  Eine  Schlagglocke,  1).  =  0,99,  H.  =  0,78;  1498.  Meister  nicht  genannt. 
Kronenöhre  mit  Flechtband  belegt;  am  langen  Felde  unter  dem  Namen 
„maria"  ein  kleines  Reliefbild  der  Gottesmutter  auf  einer  Konsole. 
Inschrift   in    gotischen    Kleinbuchstaben    Anno    dni    mccccxcvill   maria. 

Eine  zweite  Glocke,  D.  =  0,90,  H.  =  0,56.  Magister  Joachim  Schrader 
nie  fecit  anno   1606  —  lateinische   Großbuchstaben. 

Eine  dritte,  1).  ==  1,40,  H.  ==0,98;  1706.  Meister:  Thomas  Riedeweg. 
Inschrift:  Thom.  Rideweg  feci  curavit  anno  Christi  MDCCVI.  Amplissim. 
Senat.  Hannover  consulibus  D.  Ant.  Jul.  Busmann  seren  ac  potentiss 
dni  Electoris  Br.  et  Lüneb.  Consil  et  Assessor  et  Job.  Christof  Danhauer 
nee  non  Camerarius  M.  L.  Volger  et  L.  .1.  Krumme  haue  campanam  per 
aerarium  Thom.  Rideweg  feci  curavit.     Stadtwappen. 

Über  früher  vorhanden  gewesene  Glocken  liegen  folgende  Nachrichten 
vor:  Die  größte  Glocke  war  1406  gegossen,  1690  umgegossen  und  1723  zum 
zweiten  Male  umgegossen  (Red.  H.  G.  1906,  S.  133).  Den  Umguß  von 
1723  besorgte  Meister  Thomas  Rideweg.  Die  Inschrift  teilt  Mithoff 
(Kdm.   S.  71)  mit: 

NUM  X.  Clangetis  TUBIS,  UT  SINT  VOBIS  IN  MEMORIALE  CORAM 
DKG  VESTBO,  unten  die  Nachricht:  A  NATO  CHRISTO,  QUI  MUNDI 
CRIM1NA  DEMIT  MILLE  QLADRINOENTIS  SEX  ANNIS  ELSA  EGO 
LAPSIS,  1406  MILLE  ET  SEXCENTIS  NOVIES  DENIESQUE  REFUSA  1690, 
AST  HING  CUM  RUERET  TRICESIMA  TERTIA  BRUMA  1723,  RESTAU- 
RANDA  FUI  LONGAEVIS  USIBUS  OPTO! 

92 


Marktkirche 

1689  wurden  zwei  Signierglocken  gegossen  (Red.,  ebenda)*).  1727 
geschah  ein  Umguß  der  dritten   Glocke. 

1905  sind  durch  Umschmelzen  zwei  ältere  Glocken  ersetzt:  die  eine, 
1727  durch  M.  Thomas  Riedeweg,  die  lindere  1715  gegossen  -  Meister 
nicht  genannt  war  1  <S<>.S  durch  A.  .1.  H.  Bartels   in    Hildesheim    um- 

gegossen. 

Die  Kanzel  hatte  auch  früher  ihren  Platz  am  zweiten  Pfeiler  der  Kanzel 
Südseite,  vom  Chor  aus  gerechnet.  Die  1<S53  beseitigte  Stuckkanzel 
hatte  achtseitigen  Stuhl;  ihren  Fuß  bildete  die  Figur  des  Moses  mit  den 
Gesetzestafeln  (eine  Lithographie  von  R.  Wiegmann  von  1831  zeigt 
die  Kanzeltreppe  mit  dem  torartigen  Eingang).  Der  Schalldeckel,  von 
zweigeschossigem,  figurenreichem  und  säulengetragenem,  baldachinartigem 
Aufbau  reichte  nahezu  bis  an  die  Kämpfer  des  Pfeilers.  Die  Farbgebung 
war  Weiß  mit  Gold.  Redecker  berichtet:  1614  ließen  einige  angesehene 
Leute**)  die  neue  Kanzel  von  Gips  bauen...  Der  Meister  dabei  war 
Bernhard  Klein,  dessen  Sohn  bei  der  Arbeit  zu  Tode  stürzte  (H.  G. 
1906,  S.  132;  daselbst  auch  die  Inschriften).  Nach  Mithoff,  Kdm. 
S.  68,  sagte  die  unter  dem  Kanzelboden  angebrachte  Inschrift, 
daß  Klein  „bürtig  von  Stuttgart"  war.  1692  wurde  der  Predigtstuhl 
renoviert. 

Die  älteren  Kronleuchter  und  Wandleuchter  sind  nach  1851  in  der  Kronleuchter 
Marktkirche  nicht  wieder  verwandt.  Nachrichten  über  diese  Gegenstände 
finden  sich  bei  Redecker  (Chronik,  S.  589,  H.  G.  1906,  S.  133): 
1619  wurde  die  messingene  Lichtkrone  der  Kaufmannsinnung  gestiftet; 
1675  die  Lichtkrone  des  Johann  Kleine.  (Über  Wandleuchter  s.  Mithoff, 
Kdm.  S.  68.) 

Eine  Orgel  wird  1328  (Urk.  161)  in  der  ursprünglichen  St.  Jürgens.-  Orgel 
kirche  erwähnt;  dann  wird  1403  gelegentlich  der  Bestallung  eines  neuen 
Küsters  zum  ersten  Male  von  einer  Orgel  in  der  wenige  Jahrzehnte  vorher 
vollendeten  neuen  Kirche  gesprochen  (vgl.  Uhlhorn,  Zwei  Bilder,  S.  63, 
Anm.  3).  1589,  den  23.  Juni,  ist  -  -  nach  Redecker  -  eine  neue  Orgel 
zu  bauen  angefangen  (H.  G.  1919);  vorher  habe  eine  Orgel  an  der 
Seite    der    Kapelle  gemeint    ist    die    Annenkapelle     —    gestanden; 

1591,  am  3.  Juni,  war  sie  fertig  geworden;  die  Meister  waren  Henning 
Severin  und  Andreas  de  More,  ein  Holländer  (s.  H.  G.  1906,  S.  130  11'.). 
1605  wurden  neue  Stimmen  durch  Conrad  Abt,  Orgelmacher  von  Minden, 
angebracht;  1630  sind  dann  durch  Adolph  Compenius,  einen  Schaumburger, 
damals  Organicum  und  Orgelmacher  zu  St.  Aegidii  et  Ottiliae  (Mag. 
Ising,    S.  31),   einige   neue   Stimmen  hinzugefügt.     1665  wurde   die   Orgel 


*)    Über  eine  Viertelstundenglocke  von  1606  s.  unter  Uhrwerk. 
**)    Mag.  Ising  führt  sie  namentlich  auf;    S.  33.    Verwandt   mit  dieser  Kanzel 
ist  die  1649  entstandene  Kanzel  in  der  Andreaskirche   zu   Hildesheim;  sie  ist  abge- 
bildet in  H.  Bergner,  Handbuch  der  kirchl.  Kunst  ....  Leipzig  1905.  auf  S.  2X2. 

9;] 


Taufe 


Kirchen  und  Kapellen 

durch  M.  Friedrich  Behme  von  Braunschweig  von  Grund  aus  renoviert, 
nachdem  er  ein  Jahr  vorher  ein  neues  Positiv  geliefert  hatte  (Stadtarch., 
Fabrikregister).  1692  wurde  zugleich  mit  dem  Predigtstuhl  auch  die 
Orgel  renoviert  und  vergoldet.  Die  Orgel  wurde  1733  vergrößert  (s.  Habicht 
in   II.  G.    1913). 

1684  stand  die  Taufe  auf  dem  Hauptchore  (Weinbergs  Beschr. ;  s.  auch 
II.  (i.  1901,   S.  254). 

Die  'laute,  Kelchform,  11.  =0,98,  Messingbronze,  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts, ähnlich  derjenigen  der  Ägidienkirche.  Meister  unbekannt 
(s.  die  Anm.  57  bei   Habicht,   St.  d.  Kult.,  Hannover). 


Abb.  36.    Taufe  der  Marktkirche,     l'hot.  M.  IS.  A.,  1928. 


Der  Fuß  breitet  sich  im  Zehnpaß,  gebildet  durch  aufgelegte  Rippen, 

aus;  der  Ständer  ist  durch  flachrunden  Knauf  gegürtet.    Vor  den  Flächen 

des    zehnseitig-prismatischen    Beckens    ist    spätgotisches    Baldachinwerk 

Abb.  :i?  und  u.x  angeordnet,  unter  dem  je  eine  hochreliefierte  Einzelfigur  in  Vorderansicht, 

auf  der  Fläche  vernietet,  angebracht  ist. 

Uhrwerk        Ältere   Uhrwerke    sind    nicht  mehr  vorhanden. 

1606  wurde  durch  den  Ratsherrn  und  Kleinschmied  M.  Carsten  Betke 
für  100  Taler  =  180  Gulden  eine  neue  Turmuhr  angefertigt,  deren 
Zifferblätter  (eines  nach  der  Nordseite,  das  andere  nach  Süden)  von 
M.  Dietrich  Wedemeyer  gemalt  wurden  (Stadtarch.,  Kämmereirechnungen). 
Die    damals    neu    hinzugefügte    Viertelstundenglocke    im    Gewicht    von 

94 


Marktkirclic 

6,5  Zentnern  und  4  Pfund  goß  M.  Joachim  Schroeder  (Schrader  s.  o.). 
Außerdem  besaß  die  Uhr  den  Mechanismus  eines  Glockenspieles,  „das 
für  der  gantzen  Stunde  Schlage  einen  Psalm  auf  Glocken  könnte  spielen, 
wenn  nur  die  Glocken  nach  den  clavibus  musicalibus  beigebracht  würden" 
(Mag.  Ising,    S.  30).     1700  wurde   „der  neue  künstliche   monatliche  Tag- 

und   Stundenzeiger  mit  der  Monatskugel  an  den  Turm   gesetzet" 

(Redecker,  a.  a.  0.).     Die  Mondkugel  der  Uhr  ist  1889  erneuert. 


Abb.  37.     Hannover;  Marktkirche,  Teilstück  der  Erztaufe  mit  St.  Johannes  und  Jacobus  d.  Alt. 


Eine  Sonnenuhr,  Südseite  der  Kirche,  an  der  vorletzten  Strebe  vor 
dem  Chor;  offenbar  gleichzeitig  mit  dem  Kirchenbau:  eingemauerte 
Sandsteinquader    mit    sechsteiligem    Halbkreis    in    eingeritzten    Linien. 

Eine  zweite  Sonnenuhr  von  1555,  unweit  der  vorigen  an  der  Eckstrebe. 
Als  Meister  signieren  sich  H.  Bünting  und  Arnd  Siemerding.  Mag.  Ising 
(S.  77)  teilt  mit,  daß  1555  der  Goldschmied  Hans  Bünting  eine  Sonnenuhr 
verfertigt  habe*).  Der  in  zwölf  Stunden  geteilte  Dreiviertelkreis,  Zahlen, 
Schrift  und  Meisterzeichen  sind  durch  Vertiefung  des  Grundes  heraus- 
gearbeitet. 


*)  Redecker  (H.  G.  1906,  S.  130  ff.)  macht  daraus  eine  Schenkung,  doch  ver- 
rechnet das  Fabrikregister  von  1555  (Stadtarch.)  15  „Güllen"  für  den  „Stunnen- 
segger"  an  Hans  Bünting  und  der  „Smede  vordenst",  während  für  die  Steinmetz- 
arbeit des  M.  Arnd  Siemerding  keine  Ausgabe  vermerkt  ist. 

95 


ä  P« 


L  TS 


Marktkirche 

Eine  Amphora,   Silber,  entspricht  bis  auf  geringe  Unterschiede  einer  gerate,  ge- 
solchen   in   der   Kreuzkirche   (s.  daselbst).  fasse,  stoffe«) 

Eine    Kanne,    Silber,    Höhe    mit    Deckel    und    Knopf  0,16;    Fuß-  Kanne 

durchmesse!-  =  0,20.  Die  Kanne  ist  1716  neu  hergestellt,  wahrscheinlich 
aus  dem  Erlös  einer  älteren,  über  die  es  in  der  Inschrift  an  der  jüngeren 
heißt:  ANNO  1592.  1).  22.  DECEMBER,  HAT  FRAU  LUCIA  PAWELS,  DFS 
WEYL.:  ILLSTJ  VON  WALDHAUSEN  COMITIS  PALATINI  DOCTORIS 
BEYDFR  RECHTE  UND  CANTZLER  ZU  BRAUNSCHWEIG  NACHGE- 
LASSENE WITTWE,  DIESE  KANNE  AUF  DIES  ALTAR  NEU  VEREHRET. 
Meisterzeichen:   C.  J.   (Carl   Junge),    Beschaustempel:  Kleeblatt. 

Ein  Kelch,  spätgotisch,   Kupfer  vergoldet,   H.  ==  0,20;  Fuß  in   Sechs-  Kelche 
paßform    mit    Zwickeln,    I).  -=  0,17.     Fuß-    und    Handhabe    mit    durch- 
brochenen  gotischen    Verzierungen;    Knauf   flach    und   scharfkantig;    die  Abb.  39 
Kuppe   gerundet   und   bis   zu    halber    Höhe    mit   Laubwerk   umsponnen. 
Kein  Meister-  und  Beschaustempel. 

Die  zugehörige  Patene,  Gold,  D.  =  0,24,  gestiftet  1555;  auf  dem  breiten 
Rande  zwei  gravierte  Wappen:  das  der  Herzogin  Elisabeth  und  ihres 
letzten  Gemahls,  des  Grafen  Poppo  von  Henneberg.  Vierzeilige,  von 
Wappen   unterbrochene    Inschrift.     Umschrift:   „Von    Godts   Gnaden  wir 

Elisabed   geborene   Marggrefin   zu    Brandenburgk    Heisen    Fürst 

Popen  Grafen  und  Herrn  zu  Hennenberch  elich  Gemahel  in  Ehrn  dissen 
Kelch  aus  Lieb  und  Werth  als  man  1500  und  55  schreb  der  Kirchgen  zu 
Sant  Jürgen  binen  Hanober  vorereth  als  wir  also  lange  alhir  im  Eilende 
bliben  darbei  unsser  zu  gedencken  Christus  Blut  dar  aus  zu  schenken  zu 
ewer  aller  Selicheit  Godt  wende  all  mein  Hertzleid.  Amen."  Kein  Zeichen. 
Meister  vielleicht  Hans  Bünting  (s.  Habicht,   St.  d.  K.,  S.  71). 

Zwei  untereinander  gleichartige  Kelche,  H.  =  0,29,  Silber  vergoldet, 
der  eine  1634  gestiftet,  der  andere  1687  jenem  nachgebildet.  Fuß  sechs- 
passig,  D.  =0,19,  Knauf  hochellipsoidisch ;  Kuppa  gerundet  und  gegen 
den  Rand  ausgebuchtet.  Der  ältere  Kelch  hat  am  Knauf  die  Inschrift: 
JESUS  FILIUS  DEL  Beschaustempel:  Kleeblatt.  Meisterzeichen: 
vielleicht  H.  R.  (H.  Rhaders?).  Der  jüngere  Kelch  hat  unter  dem  Fuße: 
Anno  1687  DEN  5.  MAJUS.    Meisterz.;  P.  Z.  (Peter  Zindel),  Besch.:  Kleebl. 

Drei    Leuchter   in   barocken    Formen,    untereinander   gleicher   Arbeit,  Leuchter 
von  unbekanntem,  III  signierendem  Meister**),  1690  oder  1696  angefertigt.  Abb.  10 
H.  =0,68.    Beschaustempel:    Kleeblatt. 

Eine  Oblatendose,  Silber,  Höhe  mit  Deckel  und  Knauf  0,13,  größter  obiatendose 
Durchmesser:   0,16.      Zwölfseitiger    Deckelkasten    mit    zwei     geflügelten 


*)  Vgl.  Dr.  C.  Küthmann,  Führer   durch  die  Ausstellung  Wienhäuser  Teppiche 
und    nieds.   Kirchenschätze  im  Leineschloß  zu   Hannover   vom    1. — 9.  Juni  1929. 

**)  Nach  Küthmann,  a.  a.  ()..   S.  13:    Jobst  Johann  Junge,  1670  hannoverscher 
Bürger. 

»7 


Kirchen  und  Kapellen 

Abb.  41  Engelsköpfen  als  Handhabe,  gravierten  Figuren  und  Wappen.  Beschau- 
zeichen:  Kleeblatt.  Meisterzeichen:  H.  R.  =  Hans  Rhaders,  (vgl.  Habicht, 
St.  d.  K.,  S.  74). 
Taufschale  Eine  Taufschale,  Silber,  runde  Form,  D.  =  23,7  cm,  H.  =  14,4  cm. 
Auf  dem  11,5  cm  im  Durchmesser  haltenden  Boden  ist  in  Treibearbeit 
dargestellt:  Christi  Taufe  durch  Johannes,  mit  der  Umschrift:  MARCI 
AM  3.  WEHR  •  GLEVBEN  •  THVT  •  VND  •  WIRT  •  GETAVFT  •  DER  •  IST  • 
DVRCHS  •  BLVET  •  CHRISTI  •  ERKAVFT.  Am  äußeren  Rande  der  Schale 
befinden  sich  zwei  Köpfe  mit  je  einem  Henkel  darunter.  Außerdem 
zwei  Engelsköpfe  und  vier  Inschriften  verschiedenen  Alters;  die  älteste 
von  1613.  Meistermonogramm:  B  H  C  (Beruh.  Heinr.  Cortnum).  Beschau- 
stempel: Kleeblatt. 


Abb.  41.     Hannover;  Marktkirche,  Taufschale  und  Hostiendose.     Phot.  M.  B.  A.,  1928. 

Vasen  Vier  Vasen  gleicher  Arbeit,  zwei  davon  H.  =  0,34,  die  beiden  anderen 
H.  =  0,22,  1703  von  Philipp  Huntemann  geschmiedet  (s.  Bleibaum, 
Bildschn.,   S.  23). 

Folgende  liturgischen  Geräte  der  Marktkirche  werden  als  zum 
Bestände  des  Weifenmuseums  gehörig  im  Provinzialmuseum  aufbewahrt: 

Zwei  Monstranzen  mit  gotischen  Hostienträgern;  die  eine  aus  Bronze, 
die  andere  aus  vergoldetem  Silber. 

Zwei  Salbhörner  mit  Messingbeschlag:  das  eine  mit  Deckel  und  Füßen; 
das  andere,  unvollständig,  hat  die  Inschrift  auf  dem  oberen  Ringe: 
Ave  Maria  gracia  plena  do 

Ein  Kruzifixus,  Silber,  mit  Reliquienbehälter,  zum  Aufhängen  an  einer 
Kette. 

Ein    Kruzifixus,    Messing,    mit    Reliquienbehälter,    zum    Hinstellen. 

Ein  Kruzifixus,   Silber  (?),  Korpus  graviert,  zum  Aufhängen. 

98 


Marktkirche 

Mithoff   (Kdm.    S.  68)    führt    noch    auf:     zwei    Amulette    mit    Kette; 
zwei    Schlösser  von   Rosenkränzen,   Silber;   zwei   Rosenkränze.    Korallen. 

Für  Altar,  Taufe  und  Kanzel  waren    1712   Decken   aus   grünem  Samt  Stoffe 
mit  Goldbesatz,  dazu  ein  entsprechendes  Meßgewand  angeschafft  (H.  G. 
1906,   S.  136).    1727    wurden    Decken    und    ein    Meßgewand    aus  blauem 
Samt  geschenkt  (verschollen). 


Abb.  12.  Hannover;  Marktkirche,  Sandsteinstatue 
des  hl.  Jacobus.    Phot.  M.B.  A.,  1928. 


Abb.  13.  Hannover;  Marktkirche,  Sandsteinstatue 
des  hl.  Georg.     Phot.  M.  15.  A.,  1928. 


Ein  Marienmäntelchen  von  rotem  Samt  mit  Resatz  von  echten 
Perlen  und  vergoldeten  Riechen;  darauf  die  Inschrift:  jhesus  •  maria  • 
anna   •   in  Minuskeln  (Weifenmuseum). 

Ein  kleiner  Kragen  für  ein  Marienbild;  roter  Samt  mit  Riechen 
und  Flitter  (Weifenmuseum). 


99 


Kirchen  und   Kapellen 

Alte  Meßgewänder  sind  angeblich  bis  ins  1<S.  Jahrhundert   hinein  bei 
festlichen  Gottesdiensten  verwandt  worden. 
sonstige  denk-        Johannesschüssel,   jetzt    innerhalb    des    Bestandes   ans   drin    Welfen- 
malsgegen-  museum   jm   Provinzialmuseum.     Polychrome   Reliefarbeit   in    Sandstein, 

STANDK 

Bildwerke  um  1190;  Durchmesser  der  halbkugeligen  Schüssel:  19,5  cm.  Anl  dem 
Schüsselrande  in  Minuskeln:  sanetus  •  Johannes  •  babtista.  Habicht 
(H.  (1.  1913,  S.  207)  weist  auf  verwandle  Stücke  in  Westfalen  hin. 
Abb.  i2u.  43  Zwei  Standbilder  aus  Kalksand- 
stein, die  Kirchenheiligen  derMarkt- 
kirche  St.  Georg  und  St.  Jacobus 
darstellend,  H.  =  etwa  1,80;  als 
Architekturplastiken  am  Turm- 
portal außen  verwendet .  1  )er  heilige 
Georg  mit  Schild  und  Lanze  auf 
dem  Drachen  stehend,  in  Panzer- 
hemd, Kapuze  und  Mantel,  zweite 
Hälfte  des  1  1.  Jahrhunderts.  St. 
Jacobus  in  Hemdrock  mit  überge- 
worfenem Mantel,  Pilgerhut  mit 
Muschel,  in  der  Rechten  den  Pilger- 
stab, ist  der  ersten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  zuzuweisen.  Ha- 
bicht (H.  G.  1913,  S.  211)  setzt 
beide  Standbilder  um  1420  und 
schreibt  sie  Hildesheimer  Her- 
kunft zu. 

Abb.  u  Ein  Kreuzigungsrelief  (Stations- 
bild?) mit  Maria  und  Johannes, 
Sandsteinplatte:  1,28 X  0,60,  ander 
Nordseite  der  Kirche  in  die  vierte 
Strebe  eingemauert,  entstammt 
dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
(s.  die  Beschreibung  bei  Habicht, 
H.  G.  1913,    S.  211). 

Abb.  ir>  Standfigur  eines  Chronos  und 
dreier  Engelsputten,  Alabaster, 
Provinzialmuseum.  Der  Überliefe- 
rung nach  Reste  eines  v.  d.  Bussche- 

schen   Epitaphes.      Meister    Job.    Fr.   Ziesenis   (s.  darüber   Schuchhardt, 
Bildh.  d.  Ren.,  Nr.  160,   Bleibaum.  Bildschnitzerfamilien,   S.  257). 
Grabmäier        Ein  handschriftliches  Verzeichnis  über  die  bemerkenswerten  Epitaphien 
in   der   Marktkirche    gibt    Mag.   Ising;     auch    Heiliger    hat    ein    solches 
aufgestellt     (Staatsarch.,    Handschr.    C   38).      Ergänzendes    dazu    bietet 


Abb.    11.  Hannover;  Marktkirche,  Kreuzigungsrelief. 


100 


Marktkirche 

B.    F.    Weinbergs    Baubeschreibung    de    anno    1684    mit    einem    Plane 
(Kirchenarch.).      Über    untergegangene     Grabmäler    ist    daraus    zu    ent- 
nehmen:     An    dem    Halbpfeiler    zwischen   Limburger  Chor    und    Schiff 
war     „des     hochl.     Herrn     Mag.    Deichman's     Contrafait     mit     einem 
darunter  geschriebenen   Epitaphio"   aufgehängt.     Links   des   Altares   be- 
fanden sich  der  Stein  des  M.  Erithrophilns  und  der  des  M.  Bünting  von 
1(515.    Davor  ein  Stein  mit  dem  Bilde  eines  Predigers  in  Ornat  und  andere 
Steine,   besonders   drei   mit   ,,dero  von  Änderten   Wappen".     Links  hing 
am  Pfeiler  das  Bildnis  mit  Epitaphinschrift  des  Scarabaeus,  das  Epitaph 
des    Doct.   Conr.   Bünting,    da- 
neben    das     noch    vorhandene 
des  Amtsmanns  Diric  von  Än- 
derten   (s.  Schuchhardt,   Bildh. 
d.  Ben.,  Nr.  161)    und    endlich 
auf     der     gleichen     Seite     des 
Mag.  Leidenfrosts  Contrafait  mit 
kurzem  Epitaphium.     Rechter- 
hand im  Hauptchor  waren   am 
Pfeiler   das   Epitaph    des  Vitus 
Buscher,  darüber  Helm,    Schild 
und  Fahnen  des  Generalmajors 
von      dem     Winkle      befestigt. 
Außerhalb      des      Chores       am 
gleichen    Pfeiler    die    Embleme 
des    Generalmajors    Görtz;    auf 
der  anderen  Seite  hingen  Helm, 
Schild  und  Fahnen  des  Generals 
Obentraut;    weiterhin   ein   Epi- 
taph des  Kanzlers  Engelbrecht. 
Über     den    Türekenchor,     den 
nördlichen     Seitenchor,     findet 
man  bei  Bedecker  (H.  G.  1906, 
S.   132)  einige  Angaben. 

Die  folgenden  Grabmäler 
sind  noch  vorhanden  und  zu- 
meist von  Schuchhardt  (Hann. 
Bildh.  d.   Ben.)    behandelt.     Nur  wenige    befinden    sich    am    alten  Orte. 

Grabplatte    des   Predigers    Serstede,    gest.  1483,    im    Kestnermuseum. 

Grabplatte    eines    Unbekannten,     Sandstein,    Anfang    des     16.  Jahr-  Abb.  ig 
hunderts,     H.  =  1,85,    Br.  =  1,16.      Meister    unbekannt;     Nordseite    der 
Kirche  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  5).    Bechteckige  Tafel  mit  Schriftrand. 
Aus    vertieftem    Grunde    herausgearbeitet:    Kruzifixus    mit    Maria    und 


Abb.  15. 
Hannover;    Marktkirche,    Chronos  von  Ziesenis. 
Angeblich  von  einem  v.  d.  Busscheschen  Epitaph. 


101 


Kirchen  und  Kapellen 

Johannes.  In  der  Tafelecke  rechts  unten:  no|n]  bene  ])ro  /  toto  Lib[e]rtas 
v[end]itur  auro. 
Abb.  i7  Grabstein  des  Eberhard  v.  Berckhusen,  f  1564.  Südseite.  H.  =  2,26, 
Br.  ==  1,50.  Der  untere  Rand  samt  Inschrift  abgehauen.  Näheres  s. 
Schuchhardt,  Nr.  10,  mit  Abb.  Aus  der  Inschrift:  ANNO  •  1564  •  DIE 
APRILI  26  •  EBERHABDYS  •  A  •  BERCKHVSEN  •  MAGISTER  •  CDRIVM- 
LINGVARVM  •  PERITVS  •  ET  •  OB  •  IVRIS  •  VTRIVSQ  □  SCIENTIAM  • 
EXIMIAM  •  ERICI  •  ILLVST  •  DVCIS  •  BRVNS  •  ET  •  LVNEB-  •  CONSILI- 

ARIVS  •  CREDITUS    etc •  OBIIT  •  iETATIS  •  SViE  •  39.      Der 

Meister  ist  wohl  noch  Amt  Siemerding. 


Abb.    16.     Hannover;  Marktkirche, 
Grabplatte  eines  Unbekannten. 


Abb.   17.     Hannover;  Marktkirche, 
Grabstein  des  Eberhard  von  Berckhusen,  f  1564. 


Abb.  is  Grabplatte  der  Schwestern  Catarina  Romeis,  f  1570,  und  Johanna 
Romeis.  Südseite.  H.  =  2,27,  Br.  =  1,57.  Meister  unbekannt.  Näheres 
s.  Schuchhardt,  Nr.  18,  mit  Abb.  Mit  dem  Romelsschen  Vermächtnis 
wurde  das  Alte  oder  Ratskloster  bereichert  (Ising,  S.  68).  Randschrift: 
[H]IER  LIGTBEG[RA]VEN  DE  EDELE  VND  VELDOGETSAME  EROVWE 
CATARINA    ROMELS   CRISTOFFS  VAN    SZEMERE  NAGELATE  WETWE 


102 


Marktkirche 

DE   IN  GODT  VORSCHRDEN   IS  •  DE  •  1  ■  JVL:   ANü  •  70.     Johanna  R., 
f   1578,  war  die  Witwe  des  Clauß  Friesen. 

Grabplatte    der    Dorothea    Garsen,    f  1575.      Südseite,    ursprünglich  Abb.  49 
„in  der  kleinen  Kapelle"  (Heiliger,  inscr.  S.  313).    H.  ==  1,82,  Rr.  =  1,03. 
Näheres    s.   Schuchhardt,    Nr.   19.      Aus   der   Inschrift:    HONEST7E  MA- 
TRON/E  DÜRTHE/E   GARSEN    •    IVSTI    •   A   •  WALTHVSEN    .    GOMITIS 


f  gg«  HAMM  wm  mm 


Abb.  48.     Hannover;  Marktkirche,  Grabplatte  der  Schwestern  Romeis. 

PALATINI    •    IVRIVM    •    ET   •    ARTIUM    •    DOCTORIS    •   VNORIS  •  EPI- 
TAPH IVM  • 

Grabstein   der  Catarina   Helmolts,  Witwe   des   Georg  Reiche,  f  1577. 
Südseite,  ursprünglich  „an  dem  ersten  Pfeiler  vom  Chor  ab  mitternächt- 

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Marktkirche 

lieber  Seits".  H.  =  2,09,  Br.  =  1,10.  Meister  Hans  Nottelmann  (vgl.  H.  G. 
1929,  S.  80  ff.).  Näheres  s.  Schuchhardt,  Nr.  20,  mit  Abb.  (Vgl.  Kdm. 
Westf.  I.  Taf.  2,  Epitaph  in  Hollwinkel).  Inschrift:  ANNO  •  77  •  DEN  •  20 
JANVARII  •  IST  •  DIE  •  E  □  ARE  •  VND  •  VELTVGETSAME  •  FRAWE  • 
CATARINA  •  HELMOLTS  •  WEILAND  GEORGEN  •  REICHEN  •  FVRSTL: 
RRAVNSCH  •  RATH  •  VND  •  AMPTMANS  •  ZV  •  WVLFFINGHAVSEN  • 
NACHGELASNE   •  WIDTWE  •  SELICHEN  ■  VORSCHEIDEN  '— 

Grabplatte  des  Melchior  Reichard,  f  1593.  Nordseite.  H.  ==2,05,  Abb.  so 
Br.  ==  1,33.  Meister  wahrscheinlich  H.  N.  Näheres  s.  Schuchhardt, 
Nr.  29.  Nischentyp  mit  Schriftumrandung  und  Wappen  in  den  Zwickeln 
und  im  Nischenscheitel.  Der  Verstorbene  kniet  rechts  gewandt  in 
Beterhaltung.  Aus  der  Umschrift  (Großbuchstaben):  Anno  1593  IIX 
d(ie)  Afprilis]  ....  M[elch]ior  Reichardus  tri[u]m  [illujstriss  fimorum] 
dueum  Brunsvic[ensiumJ  Henr(ici)  Jun[ioris|,  Jul(ii)  filii,  Henr(ici) 
Jul(ii)    nepot[is]    ad    annos   46    consil(iarius)    et   archiquaestor    .  .  .     etc. 

Grabplatte  des  Conrad  Wiedemeyer,  f  1598.   Nordseite,  ursprünglich  Abb.  :>i 
„bey   der   tauffe   nach   dem   Markte".     H.  =  2,05,    Br.  =  1,03.     Meister 
aus  der  Künstlerfamilie  Wulff  (Leonhardt,  mündlich).   Vgl.  Grabplatte  des 
Bodo  von  Rautenberge,  |  1597,  inRethmar.  Näheres  s.  Schuchhardt,  Nr.  63. 

Grabplatte  der  Catharina  von  der  Hoya,  Gemahlin  des  Bürger- 
meisters Erich  Reiche,  f  1617.  Nordseite.  H.  =  2,05,  Br.  =  1,15.  Meister 
möglicherweise  schon  Jeremias  Sutel.  Die  Adorantin  in  dreipassiger 
Nische  links  gewandt  knieend.  In  den  Zwickeln  Kreismedaillons  mit 
Wappen;  geflügelte  Engelsköpfe  in  den  Dreipasszwickeln;  umgebende 
Flächen  und  Band  mit  dekorativer  Majuskelschrift.  Näheres  s.  Schuch- 
hardt, Nr.  55,  mit  Abb. 

Grabplatte  des  Pastors  David  Meier,  f  1640.    Der  Stein  ist  früher  Abb.  52 
gearbeitet,  lag  ursprünglich  im  Chor  (n.  Heiliger,  inscr.  S.  91).    H.  =  2,12, 
Br.  =  1,12.     Meister  wohl  sicher  Ludolf  Witte.    Näheres  s.  Schuchhardt, 
Nr.  72. 

Grabplatte  des  Bürgermeisters  Herman  Bartels,  t  1635.    Nordseite,  Abb.  53 
ursprünglich    an    der    Ägidienkirche      (nach     Heiliger,     inscr.  et     epit.). 
H.  =2,02,  Br.  =1,02.   Meister  unbekannt.    Näheres  s.  Schuchhardt,  Nr.  77. 

Grabplatte    des   Pastors    Heise,    f  1613.     Nordseite,    an   seinem    ur- Abb.  :,i 
sprünglichen   Platze   (Heiliger,   inscr.   et   epit.   fol.   200).     Wahrscheinlich 
gleicher  Meister  wie  vorher.    Näheres  s.  Schuchhardt,   Nr.  79. 

Grabplatte  des  Pastors  Nikolaus  Baring,  f  1647.     Nordseite  (nach  Abb.  55 
Heiliger    ursprünglich    an    der   Ägidienkirche).      H.  =  2,26,    Br.  =  1,00. 
Wahrscheinlich    gleicher    Meister    wie   vorher.     Näheres    s.  Schuchhardt, 
Nr.  80. 

Grabplatte  der  Familie  Kleine  von  1662.  Turm,  Nordseite.  Meister 
nach  Schuchhardt  aus  Peter  Kösters  Kreise,  vielleicht  Johan  Arend  Hoyer. 
Näheres  s.  daselbst,  Nr.  114,  ohne  Abb. 

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Kirchen  und  Kapellen 


Abb.  56  Wandmal  des  Johan  Buchhagen,  f  1671.  Turm.  H.  etwa  3,20, 
Br.  =  1,30.  Meisler  vielleicht  IL  L.  Näheres  s.  Schuchhardt,  Nr.  120. 
\Ya  nd  mal  des  1  leinrieh  von  Änderten,  f  1682;  Nordseite.  H.  etwa  2,70, 
Br.  ==  2,10.  Meister  vielleicht  Hans  Jakob  Uhle.  Näheres  s.  Schuchhardt, 
Nr.  127,  mit  Abb.  Eingeschossiges,  die  Totenlegende  enthaltendes  Reta- 
bulum  mit  korinthischen  Saiden  und  verkröpftem  Gebälk.  Seitenstücke 
mit  Ohrmuschelwerk  und  Engelsköpfen.  Bekrönung  mit  rundbogigem 
Relief  des  Ölberggebetes,  drei  Wappen  und  Schnörkelwerk.  Im  Sockel- 
teile Engelsfigürchen  auf  Konsolen;   dazwischen   Schriftkartuschen. 

Wandmal  des  Justus  Limburg,  f  1646.  Wahrscheinlich  erst  um  1680 
gesetzt  von  der  Ehefrau.  H.  etwa  2,50,  Br.  =  1,63.  Meister  wahr- 
scheinlich Hans  Jakob  Uhle.    Näheres  s.  Schuchhardt,  Nr.  131,  mit  Abb. 

Abi».  57  Grabplatte  des  jungen  Josua  Wineker,  f  1652.  Nordseite.  Näheres 
s.  Schuchhardt,  Nr.  166.  Der  Meister  ist  wohl  unter  den  Steinmetzen 
des  Kreuzkirchturms  zu  suchen, 
An  (\cn  Stein  knüpft  sich  die 
auch  anderswo  verbreitete  Sage 
von  den  auf  dem  Turme  strei- 
tenden Knaben. 

Abi».  58        Wand  mal 

Kleine,     f    1672. 
H.    etwa    5,00, 
Meisterinschrift 

„JobstBleydorn",  rechts :,, Anno 
1672".  Näheres  s.  Schuchhardt, 
Nr.  167. 

Wand  mal  des  Eberhard  von 
Änderten,  f  1674,  früher  auf 
dem  Chor,  jetzt  innen,  West- 
seite. H.  etwa  3,50,  Br.  =  2,35. 
Meisterinschrift  am  Gebälk  in 
Mitte  der  Haupttafel:  „.Jobst 
Bleidorn,  Bilth.  a.  Hild.".  Nä- 
heres s.  Schuchhardt,  Nr.  168, 
mit  Abb.  Retabulum  mit  Säulen- 
architektur; gebrochener  Seg- 
mentgiebel, bekrönt  von  drei 
Figuren.  Als  Seitenstücke  beider- 
seits je  eine  freistehende  Figur. 
Sockelteil  mit  breit-rechteckiger 
Inschrifttafel.  Das  Retabulum 
ist  quer  geteilt:  oben  Relief 
der  Beweinung  Christi  in  einer 


des       Johann 

Am    Turm. 

Br.  2,53. 

unten     links: 


Abb.  58.    Hannover;  Marktkirche, 
Wandmal  des  Johann  Kleine,  t   Ui72. 


108 


Marktkirche 


5  P. 


109 


Kirchen  und  Kapellen 

Muschel,   unten    Inschriftkartusche.    Vor   dem  Friese  Wappen:  von  Än- 
derten und  Reiche. 
Ai.i..  vi        Wandmal    des    Dr.  Hektor   Mithoff,    f  101 1.     Turmhalle,    Südwand. 
H.   etwa   6,70,   Br.  =  2,25.     Unbekannter   auswärtiger   Meister.     Näheres 


Abb.  61.      Hannover;    Marktkirche, 
Epitaph  des  Joh.  Christoph  von  Wintheim,  t  1721.     Phot.  M.  H.A.,  1928. 

s.  Schuchhardt,  Nr.  162  (Ising,  S.  41  ff.).  Der  Sockelteil  weicht  in  der 
Wucht  der  Formen  ab  von  der  Architektur  en  miniature  des  übrigen 
Epitaphes.  Viersäuliger,  verkröpfter  Aufbau.  In  der  Mitteltafel  Auf- 
erstehungsrelief. Im  Giebelteil  Rundbogenbild.  Vor  der  Predella  knieen 
in  Vollplastik,  einem  in  der  Mitte  angebrachten  Kruzifixus  zugewandt, 
die  Hinterbliebenen. 


110 


Marktkirche 

Wandmal  des  Joachim  von  Änderten,  f  1619.  Orgelempore.   H.  =  2,10,  Abb.  60 
Br.  =  1,62.      Meisterinschrift    oben     unter    dem    Rundtempel:     „Adam 
Stenelt  bilthawer  1621"  (Ising,   S.  58  f.,  s.  das  folgende). 

Wandmal  des  Diedrich  von  Änderten.  Orgelempore.  H.  =2,40, 
Br.  =1,63.  Wahrscheinlich  ebenfalls  von  Stenelt.  Näheres  s.  Schuchhardt 
Nr.  163,  164,  mit  Abb.  Beide  in  der  für  Stenelt*)  charakteristischen 
Architektur  und  bildhauerischen  Behandlung.  Mehrgeschossiger  Aufbau 
(s.   Ising,   S.  60  f.). 

Wandmal  des  Johann  Christoph  von  Wintheim,  f  1721.    Orgelempore.  Abb.  ei 
H.  =  2,60.      Retabulum    zwischen     korinthischer    Säulenarchitektur    mit 
Baldachindraperie.    Zu  Seiten  Fides  und  Charitas. 

Wand  mal  der  Witwe  Brockmans,  Messingblech  auf  Holz,  1730. 
Turmhalle,   Südwand. 

Ein  Tafelgemälde,  Öl  auf  Kreidegrund  auf  2,5  cm  dickem  Eichenholz;  Meierei 
Hochformat:  99,8  :  86,5;  in  der  Sakristei.  Die  Darstellung  zeigt  den 
hl.  Georg  im  Kampfe  mit  dem  Drachen  und  gehört  vermutlich  zu  einem 
Altare,  von  dem  weitere  Tafeln  verschollen  sind.  Mithoff  berichtet  Abb.  62 
(Kdm.,  S.  69),  ein  Teil  der  alten  Umrahmung  habe  die  Datierung  ge- 
tragen: Anno  dni.m.cccc  1  xxx  i.  Eine  Beschreibung  gibt  Habicht 
(H.  G.  1913,  S.  279);  er  weist  auf  Verwandtschaft  mit  Raphonscher 
Malerei  und  auf  niederländische  Anregungen  hin. 

Über  ein  verschollenes  Gemälde  berichtet  Redecker  (Chron.)  zum 
Jahre  1596,  der  Syndicus  Doct.  Conrad  Bünting  habe  ein  großes  Bild 
des  Jüngsten  Gerichtes  malen  lassen.  Die  von  Bedecker  wiedergegebene 
Unterschrift  des  Bildes  überliefert  den  Auftraggeber  und  das  Datum; 
nicht  aber  den  Meister. 

Die  Kirchenfenster  gehören  in  der  Hauptsache  der  Bestauratioii 
von  1855  an.  Bei  Grupen**)  (Hist.  Eccl.  Ms.  im  Sladtarch.)  finden  sich 
folgende  Mitteilungen  über  Glasfenster,  die  nicht  mehr  vorhanden  sind: 
das  Limburger  Fenster,  auf  dem  Chor  zur  Rechten,  habe  die  Inschrift 
getragen  ,,1340  fenestrae  faetae  sunt";  das  Fenster  der  Kaufmanns- 
innung bei  dem  Altar  zur  Linken,  jedoch  mit   neuer   Schrift,   ,,A.  1340. 

Renov.  A ";  -  -  „in  der  Blohmen  Fenster  hinter  dem  Altar"  stand 

ganz  oben  ,,1386". 

Redecker  (Chron.  S.  451)  vermerkt:  1539  schenkte  das  Krameramt 
ein  Fenster  in  die  Markt-  oder  Jacobi-Kirche,  welches  an  der  Markt- 
seite das  dritte  vom  Turm  her  ist. 

In  den  drei  Mittelfenstern  des  Chores  sind  Reste  früherer  Glasmalereien 
wieder  angebracht:    dasjenige   links   des   Mittelfensters   enthält  in   zwölf 


*)    Werke    des  westfälischen    Meisters    in    Münster,    Minden,    Osnabrück,  Bad 
Essen,  Kr.  Wittlage. 

**)  Vgl.  auch  oben  S.  77. 

111 


Kirchen  und  Kapellen 

Szenen  Martyrien.  Die  Bilder  sind  bei  der  Restauration  von  1855  will- 
kürlich zusammengesetzt;  angeblich  wurden  sie  aus  der  Sodenkapelle 
übernommen,  sind  aber  früher  als  diese  zu  datieren,  nämlich  um  1370. 


Abb.  62.   Hannover;  Marktkirche,  Tafelgemälde.  Kampf  des  hl.  Georg  mit  dem  Drachen.  Phot.  1923. 

Das  Mittelfenster,  angeblich  ebenfalls  aus  der  Sodenkapelle  übernommen, 
ist  durch  rhombenartige  Streifen  gegliedert  und  enthält  in  drei  Haupt- 
feldern: Tod  der  Maria,  Drei  Könige,  hl.  Sippe;  und  zwölf  Szenen  aus 
der  Heiligenlegende.  Um  1400.  Das  Fenster  rechts  des  mittleren  zeigt 
in  fünf  übereinander  angeordneten  Streifen  je  drei  Heiligenfiguren. 
Um    1470.    (S.    Eingehenderes    bei    Habicht,    H.    G.    1913,    S.  281/82.) 


112 


Marktkirche 

Nach  der  Restauration  von  1855  ist  ein  Teil  der  aus  der  Kirche  von  Memorienschiider 
den   Pfeilern  entfernten   Memorienschiider  in   der  Turmhalle   aufgehängt 
worden;  es  sind  die  folgenden: 

Memorienschild  des  Barthold  von  Mandelsloh,  f  1553,  mit  Darstellung 
der  Auferstehung  und  vier  Totenschilden*). 

Memorienschild  für  Heinr.  von  Rode,  |   1578. 

Memorienschild  für  Catharina  Wiedemans,  f   1587. 

Memorienschild  des  Generals  Obentraut,  f   1625. 

Memorienschild  für  Gottfried  von   Sparr. 

Gedenktafel  des  Reformators  Corvinus  und  Urbanus  Rhegius.    1553. 

Gedenktafel   für   21    hannoversche   Bürger,   gefallen   bei    Hainholz. 
1632.  Turmhalle,  Westwand. 

Gedenktafel  auf  die  Türkenschlacht  bei  Levens  a.  d.   Gran.    1664. 
Turmhalle,  Nordwand. 

Gedenktafel  auf  die   Schlacht  bei  Minden   1759.    Turmhalle,   Süd- 
wand.   Stein. 

Zwei   Türklopfer,    Bronzeguß,    Ende    des    14.    Jahrhunderts,   jetzt   im  Türklopfer 

Provinzialmuseum  (Weifen- 
museum, Nr.  2190  und 
2191).  Der  erste,  H.  =  0,52, 
B.  =  0,38,  hat  die  Form 
eines  Fünf  passes  mit  einem 
Löwenkopf  in  der  Mitte. 
Als  bekrönender  Abschluß 
ist  darüber  ein  Baldachin, 
enthaltend  die  vollplastische 
Figur  des  hl.  Antonius,  an- 
gebracht. Das  andere  Stück,  Abb.  63 
H.  =  0,45,  B.  =  0,43,  ist  ein 
Vierpaß.  In  der  Mitte 
Frauenbüste  mit  Krone,  zu 
Seiten  kleine,  männliche  Ge- 
stalten und  Löwen;  darunter 
sitzender  Heiliger.  Der  Griff- 
ring ist  aus  dem  Gewände 
der  Frau  von  deren  Hüften 
aus  flechtenartig  entwickelt ; 
Habicht  (Stätten  der  Kultur 


Abb.  63.     Hannover;  Marktkirche,  Türklopfer.    Phot.  1905. 


darauf  sitzt  ein  kleines  vollplastisches  Tier, 


*)  Ising,  S.  68,  nennt  Jobst  von  Lühnde,  den  letzten  des  Geschlechtes,  Bart- 
hold von  Oldershausen,  Georg  von  Kastenbruch,  Erich  von  Grubenhagen,  die  mit 
Barthold  von  Mandelsloh  in  der  Schlacht  von  Sievershausen  fielen  und  in  der 
Marktkirche  beigesetzt  wurden. 


113 


Kirchen  und  Kapellen 

Hannover,   S.   19/21)    schreibt    beide   Stücke    der   gleichen  Werkstatt    zn 
und  datiert  sie  um  1390. 

Nachrichten  über  weitere,  jetzt  nicht  mehr  vorhandene  Kunstgegen- 
stände s.  H.   G.   1905,   S.   1—39. 

Kirchhof  Der  Kirchhof  von  St.  Jürgen  findet  sich  1257  (Urk.  20)  zuerst  genannt. 
Im  Mittelalter  war  er  der  Versammlungsplatz  der  Bürgerschaft  und 
umgab  die  Kirche  etwa  in  der  Form  eines  großen  Ovales.  Redecker 
spricht  davon,  daß  er  durch  eine  Ziegelmauer  umgrenzt  gewesen  sei, 
die  im  Jahre  1675  erhöht  wurde  (Chron.  z.  J.  1675).  Über  zwei  von  den 
drei  Pforten  war  eine  Jahreszahl  und  ein  Kreuz  in  Stein  eingehauen 
(H.  G.  1906,  S.  133;  s.  auch  Bertram,  Gesch.  d.  Ratsgymn., 
S.  415).  Die  Mauer,  1751  schon  verfallen,  ist  1752/53  neu  aufgeführt 
und  im  ersten  Viertel  des  19.  Jahrhunderts  abgebrochen.  Nach  Redeckers 
Abbildungen  sind  in  die  Ziegelmauer  Bildwerke  eingelassen  gewesen. 
Am  Durchgang  zur  nordwestlichen  Kirchentür  standen  zwei  Steine, 
anscheinend  ein  Doppelmal  (s.  Riemer  in  H.  G.  1915,  S.  546),  von 
1424  in  der  Art  des  Sieben-Männersteines  an  der  Ägidienkirche 
oder  des  Herzogsteines  bei  Schloß  Ricklingen,  mit  Bildnissen  der  Ver- 
storbenen. 


114 


Ägidienkirche*). 

Die  besondere  Worthzinspflicht,  die  auf  den  Grundstücken  an  der  oberen 
Osterstraße  lag  (s.  darüber  S.  25),  läßt  darauf  schließen,  daß  der  Anbau 
dieser  Stadtgegend,  als  deren  kirchengemeindlicher  Mittelpunkt  schon 
1241  die  Ägidienkirche  erscheint,  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkte  unter 
landesherrlicher  Einwirkung  stattgefunden  hat.  Für  eine  sichere  Da- 
tierung fehlen  unmittelbare  Nachrichten.  Dem  Anscheine  nach  hat 
die  1347  erbaute  Ägidienkirche  eine  Vorläuferin  gehabt  in  einer  roma- 
nischen Kirche  oder  Kapelle,  deren  Material  beim  Bau  von  1347  Wieder- 
verwendung gefunden  hat.  Einige  der  eingebauten  ornamentalen  Werk- 
stücke gestatten  eine  Zeitsetzung  in  das  12.  Jahrhundert.  Als  dasjenige 
Ereignis,  welches  dem  Landesherrn  Anlaß  hat  geben  können,  den  Anbau 
oder  Wiederanbau  der  Gegend  durch  Vergebung  von  worthzinspflichtigen 
Grundstücken  zu  fördern,  darf  vielleicht  die  Niederbrennung  von  1189 
angesehen  werden. 

Wie  eine  am  Chor  der  Ägidienkirche  außen  eingemauerte  Inschrift  baugeschichte 
mitteilt,  ist  das  Gotteshaus  im  Jahre  1347  „per  magistros  dictos  Witte- 
meyger"  erbaut**).  Schiff  und  Chor  sind  nach  einheitlichem  Plane  an- 
gelegt, Streben  im  Grundriß  vorgesehen.  Das  Schiff  war  ehemals  durch 
Pfeiler  von  paarweise  achteckiger  und  runder  Grundform  in  Haupt-  und 
Nebenschiffe  geteilt  (s.  den  Grundriß  in  Mithoffs  Archiv  I,  Tafel  VII). 
Dieser  Zustand  ist  in  den  Jahren  1825 — 27  nach  Vorschlägen  von  Laves 
geändert  worden:  man  brach  die  baufälligen  Gewölbe  und  die  Pfeiler 
heraus,  legte  auf  zweigeschossigen  Stützenstellungen  aus  gußeisernen 
Säulchen  Längspriechen  an  und  schloß  den  Raum  mit  einer  Holzdecke: 


*)  Die  Benennung  Aegidii  et  Ottilie  ist  irrig.  Sie  findet  sich  schon  bei  Mag. 
Ising. 

**)  Die  an  einem  Chorpfeiler  angebrachte  Inschrift  ist  in  Majuskeln  geschrieben: 
+  ANNO  •  DOMINI  .  M  •  CCG  •  XL  •  VII  •  INCHOATVM  •  EST  •  EDIFICIVM  • 
IN  •  ANNVNCIACIONE  •  BEATE  •  UIRGINIS  •  A  •  PROVISORIBUS  ■  ECCLE- 
SIE  •  IOHANNES  •  LVTBETI  •  ET  •  IOHANNIS  •  DE  •  STEMNE  •  PER  •  MA- 
GISTROS •  DICTOS  •  WITTEMEYGER  • 

115 


Kirchen  uu<\  Kapellen 


Abb.  64.    Hannover;  Ägidienkirche,  Gesamtansicht  von  Südosten,     l'hot.   1900. 


116 


Ägidicnkirche 


Abb.  65.     Hannover;  Ägidienkirche,    Innenansicht 

den    Chor  im  Zustande  von  1885. 


Ein  früherer  Zustand  des 
Ägidienturmes  wird  von  Mag. 
Ising  (a.  a.  0.,  S.  80)  beschrie- 
ben: „Der  Thurm  an  dieser 
Kirche  ist  mit  seinem  Funda- 
ment angefangen,  dass  es  solte 
ein  gedoppelt  Kirch  thurm 
seyn,  wie  dann  auff  solche 
manier  das  Fundament  aus 
der  Erde  auff  etzliche  wenig 
Klafftet- aussgeführet ist.  Man 
hat  aber  das  Werck  nicht  voll- 
führet, sondern  in  der  Mitte 
den  itzigen  Thurm  auffge- 
fiihrct  und  mit  einer  desto 
längeren  höheren  Spitze 
gezieret."  Nach  dieser  Schil- 
derung      liegt     der     Schluß 


im  Mittelschiff  durch  Tudor- 
bögen,  in  den  Seitenschiffen 
durch  spitzbogige  Kreuzge- 
wölbe nach  dem  Geschmack 
englischer  Gotik.  Die  Chor-  Abb.  65 
nische  wurde  als  Ersatz  für 
die  gleichzeitig  abgebrochene 
Sakristei  unter  demTriumph- 
bogen  durch  eine  Holzwand 
abgeschert, welche  denKanzel- 
altar  enthielt. 

Erneuerungsarbeiten  im 
.Iahte  1874  durch  C.  W.  Hase 
und  H.  Schmidt-Wien  ließen 
diesen  Zustand  unberührt. 
Erst  1886  öffnete  man  die  ■ 
Chornische  wieder  und  schuf 
nach  Hases  Entwurf  seitlich 
des  Chores  je  einen  niedrigen 
Anbau  als  Sakristei.  Abb.  66 

(ZurLavesschenUmwand- 
lung  vgl.  H.  Rambergs  „Be- 
merkungen über  schöne  Bau- 
kunst" im  Hann.  Magazin 
von  1827/28.) 


Abb.  66.     Hannover;  Ägidienkirche,  Aufriß  der  Chorseite 
mit  den  Sakristeien  von  Hase.     1886. 


117 


Kirchen  und  Kapellen 

auf  einen  im  Grundriß  rechteckigen,  romanischen  Turmkörper  nahe. 
Merian  stellt  1654  auf  seiner  Ansicht  der  Stadt  Hannover  den 
Turm  dar  mit  je  zwei  rundbogigen  Schallöffnungen  unter  dem  Trauf- 
sims in  Süd-  und  Ostseite;  der  Helm  bildet  eine  vierseitige  Pyramide 
mit  abgefasten  Kanten.  Redeckers  Skizze  zeigt  ihn  ebenso*),  doch 
kann  der  Chronist  den  Turm  nicht  aus  eigener  Anschauung,  gezeichnet 
haben,  weil  dieser  von  1671  ab  wegen  Einsturzgefahr  nach  und  nach 
abgenommen  war**). 

1693  stiftete  Hans  Barteides  ein  Legat  zu  einer  neuen  Turmspitze. 
Seit  1701  erwog  man  die  Anlage  eines  ganz  neuen  Turmes  (Redecker, 
Chron.,  S.  267),  schaffte  nach  gefaßtem  Entschluß  noch  im  gleichen 
Jahre  das  Material  zum  Neubau  herbei  und  begann  mit  der  Bearbeitung 
der  großen  Steine.  Am  3.  August  1703  ward  begonnen,  das  Schlingwerk 
zu  legen;  am  31.  August  fing  man  mit  dem  Mauerwerk  an.  1704  wurde 
das  erste,  1705  das  zweite  Geschoß  und  1707  (nach  Dürr,  Hann.  Magazin 
1825,  erst  1711)  der  Turmkörper  überhaupt  fertig.  Der  Stadtmaurer- 
meister Diederich  Balcke  war  mit  der  Ausführung  betraut;  er  starb  um 
1711.  Noch  1717  war  —  nach  Dürr  —  der  Helm  nicht  fertig.  Der  Rat 
schloß  deshalb  damals  mit  dem  Zimmermeister  Heinr.  Leseberg  (Schuster, 
K.  u.  K.,   S.  48,  nennt  ihn  Limburg)  einen  Vertrag. 

Den  künstlerischen  Urheber  des  Turmes  machte  der  Nachwelt  zuerst 
Iffland  im  Hann.  Magazin  (1833,  S.  777)  bekannt.  Der  Entwurf  stammt 
von  dem  Churf.  Br.-Lb.  Proviantverwalter  Sudfeld  Vick,  dem  auch  die 
„Direction"  des  Baues  übertragen  wurde.  Einwände  der  Bürgerschaft 
gegen  die  Architektur  des  Turmes  brachte  Vick  zum  Schweigen  durch 
Hinweise  auf  Vitruv,  Palladio,  Scamozzi  und  Philibert  de  Lorme.  (Vgl. 
im  Stadtarch.  XIV,  26:  „Nötige  Defension  wieder  die  Blasme,  als  hätte 
man  bey  dem  Thurmbau  der  Aegid.  Kirchen,  in  der  Ordonnance  etwas 
versehen  etc.    Psten.  den  6.  Maji  1704".) 

Beschreibung        Die  Ägidienkirche    ist    als    dreischiffige,    gewölbte    Hallenkirche   mit 
Langhaus  und  chor  p0jVp0najem    Chorabschluß    und    Westturm    in    Kalksandstein    erbaut. 

Abb.  64  und  67  r      J  & 

Das  Mauerwerk  zeigt  im  unteren  Teil  regelmäßige  kubische  Bruchstein- 
quadern nach  romanischer  Art;  höher  hinauf  wird  es  unregelmäßig  nach 
Form  und  Größe  der  Steine  sowie  nach  der  Schichtenführung.  Stücke 
eines  romanischen  Würfelfrieses  finden  sich  eingemauert  im  östlichen 
Joch  des  Nordschiffes  sowie  im  entsprechenden  Giebel  des  Südschiffes. 
Im  Jahre  1924  sollen  beim  Einsetzen  der  Kriegergedächtnistafel  romanische 


*)  An  der  Westseite,  dicht  unter  der  Spitze,  befand  sich  nach  den  Kirchen- 
rechnungen eine  Gaube  für  die  Schlagglocke. 

**)  In  diesem  Jahre  wurden  auf  das  Gutachten  einer  dazu  bestellten  Kom- 
mission, der  u.  a.  die  beiden  Maurermeister  Siemerding  angehörten,  64  Fuß  abge- 
nommen. 

118 


Ägidienkirche 


Kapitelle  gefunden  sein. 
Der  Fundamentabsatz  bil- 
det eine  einfache  Schräge; 
tief  unterschnittene  Kaff- 
simse, verkröpft  unter  den 
Fenstern,  umziehen  die 
Türen  spitzbogig  oder 
rechteckig  und  fassen  die 
Streben  ein.  Jedes  Joch 
des  Wölbesystems  wird 
außen  bezeichnet  durch 
einen  Giebel;  der  Chor 
hat  deren,  dem  Fünfach- 
telschluß entsprechend, 
fünf.  Die  Giebelschrägen 
sind  durch  schmale,  ge- 
kehlte Simse  gedeckt, 
welche  sich  in  Kreuzblu- 
men zusammenschließen. 
Gleichprofilierte  Simse  ver- 
laufen waagerecht  am  Gie- 
belfuß und  in  der  Mitte 
der  Dreiecksflächen.  Die 
Streben  sind  zweimal  ab- 
gesetzt und  schließen  in 
einfacher  Pultschräge;  nur 
diejenigen  seitlich  der  süd- 
lichen Mitteltür  haben  feine 
Kreuzblumengiebelchen. 
Am  Chor  sind  die  oberen 
Strebenabschlüsse  durch- 
weg mehrgiebelig  und  von 
Kreuzblumen  gekrönt. 

Wasserspeier  in  Form  von 
Tieren  und  Teufeln  ent- 
stammen zum  Teil  der 
Restauration  durch  Hase. 
Die  Dächer  haben  roten 
Pfannenbelag. 

Die  Fenster  setzen  tief 
an,  sind  hoch  hinaufgeführt  und  im  Spitzbogen  geschlossen:  diejenigen 
im  Schiff  sind  durch  je  zwei  Pfosten  geteilt  und  mit  Maßwerk  versehen; 
im  Chor   ist    nur   das  Ostfenster  dreiteilig.      Die  Leibungen  zeigen  ein- 


Abb.  67.     Hannover;  Ägidienkirche.  Grundriß. 
Die  1825  abgebrochene  Pfeilerstellung  ist  einpunktiert. 


119 


Kirchen  und  Kapellen 

lache  Schräge,  nur  das  Fensterpaar  im  dritten  westliehen  Joch  hat 
tiefe  Kehlung.  Unter  den  Türen,  die  paarweise  in  Nord-  und  Süd- 
wand angelegt  sind,  zeichnet  sich  die  südliche  Mitteltür  durch  eine 
Wimpergenanlage  aus  (,,porta,  quam  olim  vocarent  Paradysi",  nach 
David  Meier). 
Turm  Der  Turmkörper  ist  über  quadratischem  Grundriß  auf  hohem  und 
Abb.  68  mjj-  rUstizierten  Eckpilastern  versehenem  Sockelgeschoß  in  Sandstein- 
quadern dreigeschossig  hochgeführt.  Der  unvermittelt  dem  Viereck 
aufgesetzte  oktogonale  Helm  baut  sich  in  zwei  Geschossen,  je  mit  offener 
Laterne  auf  und  ist  mit  Kupfer  bekleidet.  Die  Spitze  endet  in  Kugel, 
Kreuz  und  Wetterfahne  mit  Kleeblatt. 

Die  einzelnen  Geschosse  des  massiven  Körpers  zeigen  an  jeder  Front 
eine  akademische  Pilasterarchitektur  mit  stark  ausladenden  Simsen, 
je  von  vier  Pilastern,  bei  denen  die  Mittelachsen  vom  ersten  bis  dritten 
Obergeschoß  geradlinig  durchgezogen  sind.  Der  Turmkörper  endet  frei 
in  einer  mit  Eckkugeln  versehenen  Balustrade.  Die  Obergeschosse  haben 
je  eine  rundbogige  Licht-  oder  Schallöffnung.  Am  Portal  der  Durch- 
gangshalle wird  die  rundbogige  Tür  umrahmt  von  Pilastervorlagen  mit 
einem  Gebälk,  das  durch  ein  attikaartiges  Halbgeschoß  ebenfalls  mit 
Gebälk  und  mit  Segmentgiebel  überhöht  ist. 

Ausstattung  Außer  dem  Hochaltar  finden  sich  aus  vorreformatorischer  Zeit  ge- 
Aitare  nannt .  em  Altar  Johannis  des  Evangelisten,  dem  Predigtstuhl  gegenüber; 
ein  Altar  Mariae  Magdalenae  auf  dem  Chor;  ein  Altar  St.  Dionysii,  ,,dat 
nedderste  Altar  na  der  Wedeme";  ein  Altar  St.  Annae  und  St.  Jacobi; 
ein  Altar  St.  Nicolai  und  Corporis  Christi;  ein  Altar  der  hl.  Katharina*). 
Als  Hochaltar  wurde  1663  ,,der  stark  vergüldete  hohe  Altar  der  Kirche 
St.  Jacobi  et  Georgii"  aufgesetzt  (Beschrbg.  s.  „Marktkirche"  S.  88). 
Dafür  wurde  1665  der  bisherige  Altaraufsatz  der  Ägidienkirche  in  die 
Nikolaikapelle  gebracht  (über  ihn  siehe  dortselbst).  Gelegentlich  der  Um- 
gestaltung der  Ägidienkirche  1825/27  entfernte  man  den  aus  der  Markt- 
kirche stammenden  Altar;  man  schloß  damals  die  Chornische  durch  eine 
Schalwand,  in  der  ein  Kanzelaltar  eingebaut  wurde.  Um  1849  stand  der 
ältere  Altarschrein  in  der  Durchgangshalle  des  Turmes.  Seit  1856  befindet 
er  sich  im  Weifenmuseum  und  ist  gegenwärtig  im  Provinzialmuseum 
aufgestellt.  1886  wurde  nach  Hases  Entwurf  ein  neuer  Altar  errichtet. 
Gestühl  Nach  Dürr  (Hann.  Magazin  1825,  S.  502)  wurde  1702  ein  großer  Fen- 
sterstuhl auf  dem  Chore,  der  kurz  vorher  erbaut  war,  angemalt  und  mit 
den  Bildnissen  der  ersten  Prediger  ausgestattet.     1708  wurden  die  Kir- 


*)  Der  Altar  St.  Katharinen  befand  sich  an  einem  Orte,  genannt  der  Back- 
ofen, und  ist  wohl  identisch  mit  dem  Altar  „außerhalb  der  Kirche'*  (Brönnenberg, 
S.  43)  in  dem  Beichthause.  In  beiden  Fällen  ist  wohl  der  kapellenartige  Vorbau 
an  der  Nordosttür  gemeint. 

120 


Ägidienkirchc 


121 


Abb.  68.    Hannover;  Ägulienkirche,  Aufriß  des  Turmes.    Aufn.  1VI24,  D.  u.  N.,  Reinzeichn.  D. 


Kirchen  und  Kapellen 

chenstühle  teilweise  erneuert.  Nach  der  Umwandlung  von  1825 — 27 
erhielt  die  Kirche  eine  neue  „Meublierung",  das  jetzt  noch  vorhandene 
Gemeindegestühl  (Akten  der  Ratsregistratur). 
Glocken  Über  früher  vorhandene  Glocken  liegen  folgende  Nachrichten  vor: 
1665  zersprang  eine  Glocke  und  wurde  durch  M.  Ludolf  Siegfriedt  neu 
gegossen  (Fabrikreg.  1667);  nach  Dürr  (Hann.  Magazin  1825,  S.  501) 
geschah  1712  der  Guß  einer  Glocke  aus  der  bisherigen  ersten  und  zweiten 
mit  Hinzunahme  von  zwei  metallenen  Stücken.  Die  Inschrift  war:  Mstr. 
Thomas  Riedeweg  me  fecit  etc.  fusa  1380,  refusa   1679,  recens  1712. 

Eine  kleine  Läuteglocke  war  1686  durch  M.  Nicolaus  Greve  gegossen 
und  trug  eine  Plakette  des  hl.  Ägidius.  Ihre  Inschrift  war  nach  Re- 
decker: Denuo  conflata  haec  campana  anno  christi  MDCLXXXVI  etc. 
Diese  Glocke,  1738  geborsten,  wurde  1741  von  Just.  Andreas  Meyfeldt 
in  Hannover  umgegossen  und  wiederum  umgegossen  von  F.  H.  Dreyer 
im  Jahre  1845. 

Vier  Glocken  sind  1897  durch  Schilling  in  Apolda  aus  dem  Material 
der  eben  genannten  beiden  gegossen. 

Erhalten  geblieben  sind  die  nachstehenden  Glocken:  Eine  Glocke, 
D.  =  0,58.  Inschrift:  Tohmas  Rideweg  in  Hannover  1701.  Campana 
haec  fusa  tempore  ministrorum  verbi  divini  Dn.  Mag.  Joh.  Did.  Loewen- 
sen,  Dn.  Bernh.  Frid.  Barfeldes. 

Eine  Glocke,  D.  =  0,68.  Inschrift:  Tohmas  Biedeweg  goss  mich 
Anno  1733. 

Eine  Uhrglocke,  Viertelglocke,  D.  =  0,62,  Öhre  mit  Flechtband 
belegt,  Inschrift  in  Großbuchstaben,  die  in  den  Mantellehm  eingeritzt 
worden  waren:  ME  RESONANTE  PIA  PLEBI  SVCCVRRE  MARIA. 
Vielleicht  Ende  des  13.  Jahrhunderts. 

Eine  Stundenglocke  von  niedriger  Form,  D.  =  1,09,  Meister  Thomas 
Biedeweg  1722.  Öhre  quadratisch,  Inschrift  einzeilig,  vcn  Ornament- 
bändern eingefaßt. 
Kanzel  Eine  frühere  Kanzel  war  1604  gestiftet  (Bedecker).  Bei  dem  1827 
von  Laves  erbauten  Kanzelaltar  sprang  die  Kanzel  in  halbem  Achteck 
aus  der  Schalwand  hervor  (Abb.  Samml.  Sievert,  Stadtarch.).  1886 
neue  Kanzel  nach  Entwurf  von  Hase. 
Kronleuchter  Drei  Kronleuchter  aus  Messingguß  im  Mittelschiff:  der  westliche 
von  1753;  Spindel  mit  Knäufen  und  Kugel;  zwei  Beinen  von  je  acht 
S-förmigen  Armen.  Unter  dem  Aufhängering  eine  Bischofsfigur  mit 
Adler  über  dem  Haupte.  Die  Inschrift  nennt  als  Meister:  Hinrich  Meier 
1753. 

Der  mittlere  Kronleuchter  von  1675;  Spindel  mit  Knäufen  und  großem, 
birnförmigen  Gewicht;  zwei  Beinen  von  je  acht  S-förmigen  Armen. 
Lichtteller    als    Muscheln    gebildet;    Hängering    mit    Engelsfigur.     Laut 

122 


Ägidienkirche 

Inschrift    wurde    der   Leuchter    1717    erneuert.      Schenkgeber  war   .loh. 
Kleine  senior. 

Der  östliche  Kronleuchter,  von  1688,  ist  dem  vorigen  ähnlich.  Unter 
dem  Hängering  ein  Engel  auf  einem  Adler  reitend.  Die  Inschrift  nennt 
als  Stifter  Burckhardt. 

Eine  Orgel  fertigte  der  Hildesheimer  Organist  M.  Severin  Krosche.  orgci 
Sie  kam  während  des  Ägidienmarktes  am  11.  September  1589  zur  Ab- 
lieferung, wurde  drei  Jahre  lang  durch  den  Hersteller  und  seinen  Vater 
nachgestimmt,  1599  durch  den  Orgelmacher  M.  Henny  Hencke  aus  Hil- 
desheim um  drei  Stimmen  erweitert  und  1646  durch  Compenius  repariert. 
(Fabrikrechnungen.  Für  eine  Renovierung  im  Jahre  1615,  Schuster, 
K.  u.  K.,  S.  9,  finden  sich  keine  Anhaltspunkte.)  Ebenfalls  im  Jahre 
1646  erhielt  Compenius  den  Auftrag  zur  Herstellung  einer  neuen,  größeren 
Orgel,  die  er  (f  im  Januar  1650)  nicht  vollendete.  Ihren  Bau,  bei  dem 
M.  Tönnies  Blume  als  Bildschnitzer  häufig  genannt  wird,  übernahm 
M.  Johan  Funcke,  der  bis  Ende  1660  daran  gearbeitet  hat.  Die  gegen- 
wärtig vorhandene  Orgel:   1886. 

Ein    Sakramentshäuschen,    1825   abgebrochen,   befand   sich   an   einem  Sakramentshäuschen 
Pfeiler  zunächst  dem  Chore:  speciosa  mole  et  altitudine  eminens  (Dav. 
Meier,  a.  a.  0.,   S.  694). 

Eine    Bronzetaufe    in    Kelchform,    H.  =  1,18,    oberer    D.  =  0,96;    zu- Taufe 

sammengesetzt     aus    ein- 
zelnen     Gußstücken      auf 


Abb.  69 


Abb.  69. 
Hannover;  Ägidienkirche,  Taufe.  Nach  Mithoff,  Arch.  I,  Seite  13. 


schmiedeeisernem  Gerippe 
unter  Verwendung  von  Nut 
und  Feder  oder  Nieten. 
Gleichzeitig  und  ähnlich 
der  Taufe  in  der  Markt- 
kirche. Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts. Meister  unbe- 
kannt (s.  dazu:  Habicht, 
Stätten  der  Kultur,  Anm. 
57).  Zehneckiges  Becken; 
jede  Seite  enthält  in  bal- 
dachinartiger Umrahmung 
aus  gotischen  Streben,  ge- 
wundenen Säulchen  und 
Laubwerk  eine  vollplasti- 
sche Figur:  darunter  St.  Abb. 
Georg  mit  dem  Lindwurm, 
St.  Johannes  d/r.  mit  dem 


Lamm,  St.  Katharina  mit  dem  Rade.   Der  Fuß,  ausBogenstücken  im  Zehn- 
paß zusammengesetzt,  ruht  auf  zehn  Löwen  (vgl.  Mithoff,  Arch.  I,  S.  13). 


123 


Kirchen  und  Kapellen 

1653  wurde  ein  Taufdecke]  ge- 
schenkt von  Melchior  und  Elisabeth 
Wedekind  t  (Hedecker).  Nicht  mehr 
vorhanden. 

ihren  1605  wurde  die  Uhr  durch  Karsten 
Betke  renoviert.  1658  lieferte  M.  Cord 
Bartram  ein  neues  Uhrwerk  mit  zwei 
Schlagglocken,  nachdem  1645  M.  Hanss 
Aldtorf,  der  Uhrmacher,  die  ältere  Uhr 
„gänzlich  repariert"  hatte  (Fabrikreg.). 
1721  „ein  neues  Turmuhrwerk"  (Be- 
decker). 

gerate,  ge-  Eine  einhenkelige  Kanne,  Silber, 
fasse,  stoffe*)  vergoldet.  Mitte  des  19.  Jahrhunderts, 
H.  =  35,0,  Fuß-D.  =  11,0;  Gefäßbauch 
von  Bankenfries  umgürtet;  breitgebil- 
dete Ausgußtülle. 
Keiche  Ein  Kelch,  Silber,  vergoldet,  neu- 
zeitliche Arbeit.  Gotische  Form, 
H>=17,8;  oberer  D.  =  11,8.  Fuß 
sechspassig,  Knauf  mit  Botulen: 
„JHESVS"  (verkehrt  herum);  Si- 
gnaculum:  Zwei  Engel  in  Flachrelief 
und  Wappen. 

Ein  zweiter  Kelch,  entsprechend 
dem  vorigen,  neuzeitlich;  H.  =  18,5; 
oberer  D.  =  11,6.  Signaculum:  Bischofs- 
figur.   Meisterstempel:   Schütz  12. 

Ein  Kelch,  Silber,  vergoldet.  Mitte  des  19.  Jahrhunderts.  H.  =  23,6; 
oberer  D.  =  12.  Fuß  rund;  Ständer  mit  ellipsoidem  Knauf;  am  Kuppa- 
anlauf  blattförmige  Buckeln. 

obiatendose  Eine  Oblatendose,  Silber,  vergoldet,  gestiftet  1706.  Ovale  Form; 
Längen-D.  =  13,5;  Quer-D.  =  10,8;  H.  =  6.  Deckel  gebuckelt,  Band  mit 
getriebenen  Lanzettblättchen.  Das  Mittelfeld  enthält  in  Gravierung 
einen  Kelch  mit  Hostie  zwischen  zwei  Engeln.  Inschrift:  F.  Babe. 
C.  M.  EBYTHBOPEL  AO  1706.  Meisterzeichen:  H.  Z.  (Hilmer  Zindel). 
Beschaustempel :  Kleeblatt. 

stoffe        Altar-,  Tauflaken,  Meßgewänder  erwähnt  Dürr  (a.  a.  O.)  gelegentlich 
des  Abbruches  des  Sakristeigewölbes  1728.    Nach  Bedecker  wurde  1730 


Abb.  70.     Hannover;  Ägidienkirche, 

Maria  Magdalena  mit  der  Salbbüchse, 

vom  Taufbecken. 


*)  Vgl.  Küthmann,  am  angegeb.  Orte  (S.  97.  Anm.). 


124 


Ägidienkirche 

ein     Kanzeltuch    von    violettfarbigem    Samt     und     mit     Gold    gestickt 
zum  ersten  Male  aufgelegt. 

Eine  Taufschale,  Silber,  1652  gestiftet.  Meister:  Andreas  Scheuen.  Taufschale 
Fuß-D.  =  0,16;  Gefäß-D.  =  0,24.  Runder  Fuß,  Schale  in  Halbkugelform 
mit  zwei  gegossenen,  als  Fischweibchen  gebildeten  Handgriffen.  Der 
Schalenboden  ist  einwärts  gebuckelt  und  enthält  eine  Darstellung  von 
Christi  Taufe  in  flacher  Treibearbeit.  Inschrift  am  Gefäßrande:  Es  sey 
denn,  das  iemand  gebohren  werde  aus  dem  Wasser  und  Geist,  so  kan 
er  nicht  in  das  Reich  Gottes  kommen.  Darunter  eine  ziselierte  Frucht- 
girlande. Inschrift  am  Fuß:  Anno  1652 ist  auff  Reforderung  der  Herren 
Pastorvm  vnd  Diaconorvm  der  Kirchen  S.  Aegidii  diese  Scale  zu  behuff 
der  heiligen  Tauffe  verfertiget  worden  von  Meister  Andreas  Scheuen*). 
Keine   Stempel  und  Zeichen. 

Ein  Kruzifixus  aus  Holz,  zwischen  den  Figuren  Marias  und  Johannes'  sonstigkdknk- 
in  Lebensgröße,  war  1510  wahrscheinlich  auf  dem  Trabes  des  Triumph-  ^l''^1'1^' 
bogens  am  Chore  aufgestellt  (Dav.  Meier,  a.  a.  0.,  S.  90).    An  der  Seite  Bildwerke 
des  Ralkens  stand  in  gotischen  Kleinbuchstaben:  Anno  mileno  quingen- 
teno  quoq;  deno  Ac  primo  numero  crux  hoc  situata  sacello  (Mag.   Ising, 
S.  <S1).    1591  wurde  durch  M.Ernst  Horneberch  der  Kruzifixus  renoviert 
und  die  Versus  mit   Gold  angelegt. 

Ein  bei  Redecker  erwähntes  Steinbild,  1728  in  der  Sakristei  gefunden, 
das  den  hl.  Agidius  mit  einer  Nonne  dargestellt  haben  soll,  ist  vermutlich 
ebendasselbe,  von  dem  auch  Dürr  berichtet,  nach  dessen  Reschreibung 
es  der  Schlußstein  des  1728  abgebrochenen  Sakristeigewölbes  gewesen 
zu  sein  scheint,  den  man  über  der  Tür  nach  dem  Chore  hin  wieder  eingefügt 
hatte.    Dargestellt  war  darauf  St.  Ägidius  mit  der  Hirschkuh. 

Eine   große,    nicht   mehr  vorhandene    Grabplatte   erwähnt   Hartmann  Grabmäier 
a.  a.  0.    Bildnis  eines  Geistlichen  mit  Kelch  und  Hostie  und  Resten  einer 
Inschrift.     Es  handelt  sich  um  die  aus  der  Sammlung  Laporte  in  das  Vater- 
ländische   Museum    übergegangene   Grabplatte    des   plebanus   Holthusen,  Abb.  71 
t  1543  (Schuchhardt,  Nr.  6).    Vgl.  die  Grabplatte   des  Propstes  Henrich 
Busmann,  f  1508,  in  der  Klosterkirche  zu  Mariensee,  Kr.  Neustadt  a.  R. 

„Grabstein  der  sieben  Männer",  f  1480,  Chor  außen,  H.  =  2,40,  Abb.  72 
Br.  =  0,56.  (Der  Stein  hatte  bis  1654  vor  dem  Ägidientore  am  Kirch- 
hofe St.  Marien  gestanden,  nach  handschriftlicher  Ergänzung  Brönnen- 
bergs  zu  S.  44  des  Handexemplars.  Näheres  bei  Schuchhardt,  Nr.  2, 
mit  Abb.)  Ursprünglich  freistehende  Stele  vom  Typ  der  Medaillon- 
Kreuzsteine.  An  der  sockelartigen  Verbreiterung  ausgetieftes  Relief 
der  sieben  Männer  in  Reterstellung.  Darüber  die  dreizeilige  Inschrift 
in     eingeritzten     Minuskeln:      gi     rikn  •  1111  •  arm  I  en  ■  lat  •  iu  •  dese  •  dot  I 


*)  Der  Meister,  auch  Andreas  Scheele  genannt,  ist  1638  hannov.  Bürger. 

125 


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126 


Ägidienkirche 

erbarme  .  mcccclxxx.  (   Am  Schaft  Kleeblattwappen;  im  Medaillon  Kreu- 
zigungsgruppe. 

Grabplatte  des  Bürgermeisters  Hermann  Bartels,  f  1635.  Ursprüng- 
lich an  der  Ägidienkirche,  jetzt  Marktkirche.  Meister  unbekannt. 
Abb.   Seite  106  (Schuchhardt,  Nr.  77). 

Grabplatte  der  Catharina  Türeken,  f. 1641.     Chor,  außen,  H.  =  2,05,  Abb.  73 
Br.  =  1,12     (Schuchhardt,     Nr.    78,      „Meister     des     Herrn.     Bartels"). 
Lebensgroße  Relieffigur  in  Tracht  mit  Buch  und  Rose;  en-face  gestellt 
auf   Kartuschensockel   in   einer   Bogennische.     Zu    Füßen   und   Häupten 
je  zwei  Wappen.    Inschriftumrandung.    (Ursprüngl.  Marktkirche?) 

Grabplatte  des  Pastors  Nicolaus  Baring,  f  1647,  ursprünglich  an  der 
Ägidienkirche,  jetzt  Marktkirche,  Abb.  Seite  107  (Schuchhardt,  Nr.  80). 

Wandmal  der  Anna  Aras,  |  1626  (s.  Wandmal  des  Alhard  Richter).  Abb.  74 

Wandmal  des  Kindes  Susanna  Magdalena  Oldekop,  f  1648,  Südseite, 
an  einer  Strebe;  H.  =  1,35,  Br.  =  0,62,  „Meister  des  Hermann  Bartels" 
(Schuchhardt,  Nr.  81).  En-face-Figur  in  Rundbogennische  auf  Kar- 
tuschensockel. Seitlich  zu  Häupten  des  Mädchens  tritt  der  Engel  hervor, 
der  es  führen  wird.    Vier  Wappen  an  der  Archivolte. 

Wandmal  der  Magdalena  Regina  Reichen,  f  1654;  außen,  Südseite; 
H.  etwa  3,20,  Br.  =  1,52.  Meister  vielleicht  aus  Küsters  Kreise  (Schuch- 
hardt, Nr.  107,  mit  Abb.).  Retabulumartige  Inschrifttafel,  unten  und 
oben  durch  Simse  begrenzt.  Seitenstücke  aus  Ohrmuschelwerk  mit  ge- 
flügelten Engelsköpfen.  Der  Schnörkelgiebel  enthält  ein  Rundmedaillon 
(Seifenblasen  machender  Putto).  Breitrechteckige  Predella  mit  In- 
schrift. Dem  Untergliede  aus  Ohrmuschelwerk  ist  ein  Wappenmedaillon 
aufgelegt. 

Wandmal  des  Alhard  Richter,  |  1674;  außen,  Südseite;  H.  etwa  4,60,  Abb.  75 
Br.  =  2,20.  Meister  vielleicht  aus  Kösters  Kreise  (Schuchhardt,  Nr.  108). 
Inschrifttafel  in  Architekturumrahmung:  gedrehte  Säulen,  Gebälk,  flach- 
dreieckiger, gebrochener  Giebel.  Seitenstücke  ähnlich  wie  beim  vorigen. 
Als  Giebelbekrönung  freistehende  Putten  und  ein  Wappenmedaillon. 
Unter  der  Predella  Schnörkelkartuschen  mit  Reliefbild:  schlafender  Genius. 

Wandmal  des  Knaben  Melchior  Jakob  Palladius,  f  1660,  Südseite; 
H.  etwa  2,20,  Br.  =  0,70.  Meister  vielleicht  aus  Kösters  Kreise  (Schuch- 
hardt, Nr.   111). 

Wandmal  des  Gerhard  Mensching,  f  1683.  Breitrechteckige  Ge- 
dächtnistafel. 

Wandmal  des  Berend  von  Seinde  1751;  außen,  Nordseite.  H.  etwa 
2,80,  Br.  =  1,52.    Meister  unbekannt  (Schuchhardt,   Nr.   157). 

Über  vorhanden  gewesene  Gemälde  bestehen     folgende  Nachrichten :  Maierei 

1591  malte  M.  Ernst  Horneberch  den  Chor  mit  schönen  Historien  aus. 

127 


Kirchen  und  Kapellen 


Links:  Abb.  74.   Hannover;  Ägidienkirche,  Grab- 
mal des  Kindes  Susanna  Magd.  Oldekop,  t  1648. 

Rechts:    Abb.   75.       Hannover;    Ägidienkirche, 
Wandmal  des  AJhard  Richter,  t  1674. 


128 


Ägidienkirche 

,,1592  hat  Johann  Fenger,  Abt  zu  Loccum,  ein  Gemälde  der  Kreu- 
zigung unseres  Heilandes  geschenkt"  (Redecker,  a.  a.  0.,  S.  141,  nach  Mag. 
Ising,   S.  80).    Darunter  stand: 

„Huc  quemcunq;  sui  sceleris  mens  conscia  tenet 

En,  ego  labe  carens  crimina  cuncta  fero. 

En,  ut   in  amplexus  Cupidos  tibi  brachia  tendo 

En,  ut  amata  petens  oscula  flecto  caput  -"  usw. 

„Anno  1702  .  .  .  ist  die  Egidienkirche  .  .  .  mit  kostbaren  Gemälden 
von  biblischen  Historien  unter  dem  Gewölbe  gezieret."  „Es  sind  18  Bilder 
auf  Leinwand."    (Dürr,  Hann.  Magazin  1825,  S.  501.) 

„1707.    Die  Kirche  ward  inwendig  schön  bemahlet"  (Redecker). 

1728  wurde  an  der  Sakristeidecke  ein  Bild  ovaler  Form  gemalt:  der 
Heiland  unter  den  sieben  Leuchtern  aus  Apoc,  1.  Kap.,  13.  Vers.  Inschrift: 
SIEHE  ICH  IESVS  BIN  HIEB  BEIJ  VND  MITTEN  VNTEB  EUCH 
Matth.   XI IX.  20   IT  Cap,   XXI IX.  20  (Redecker). 

Im  Schiff  hängen  gegenwärtig  zehn  Predigerbildnisse,  Öl  auf  Leinwand  Bildnisse 
in  einfachen  Rahmen  (s.  darüber  Dürr,  a.  a.  ().,   S.  502). 

1702  alle  Fenster  erneut.    Alte  Familienwappen  waren  in  den  Fenstern  oiasgemäide 
(Dürr,  a.  a.  O.,   S.  502). 

Glasgemälde  finden  sich  heute  nur  in  den  Chorfenstern,  1887  gefertigt: 
das  mittlere  mit  ornamentalem  Schmuck,  die  beiden  seitlichen  figural: 
links  Kindheit  Christi,  rechts  Leidenszeit  Christi  in  einzelnen  Bildern. 
Ein  Stadtwappen  mit  der  Jahreszahl  1503  in  einem  Südfenster  des 
Schiffes  ist   neuzeitliche   Kopie. 

Der  Kirchhof,  mit  einer  Mauer  umgeben,  enthielt  die  Pfarrhäuser;  Kirchhof 
„1582  ward  der  Pfarrthorweg  bey  der  Aegidii-Kirche  auf  der  Markt- 
straße gebauet"  (Bedecker,  H.  G.  1906,  S.  140).  Darüber  war  ein  Stein 
mit  dem  Stadtwappen  eingelassen  (s.  Bürgerhäuser:  Marktstraße  31). 
Die  Mauer  und  die  Lindenbäume  des  Kirchhofes  sind  im  Jahre  1800 
meistbietend  verkauft  (IL  Anz.,   1.   Sept.  1800,   Spalte  2092). 


129 


Kirchen  und  Kapellen 


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Abb.  76.    Hannover;  Kreuzkirche  von  der  Knochenhauerstraße  aus.    Bleistiftzeichnung 
aus  H.  Mithoffs  Skizzenbuch,  1815,  Kestnermuseum.    Phot.  E.Heuer. 


130 


Kreuzkirche. 
(St.  Spiritus  et  Crucis.) 

A/lit  dem  zunehmenden  Anbau  des  nördlichen  Weichbildteiles  zu 
Hannover  im  13.  Jahrhundert  ergab  sich  die  Notwendigkeit  einer  Teilung 
der  Marktkirchenparochic.  Das  Bestehen  einer  Kirche  in  Verbindung 
mit  dem  1258  erbauten  Hospitale  St.  Spiritus,  von  der  angenommen 
werden  muß,  daß  sie  ungefähr  gleichzeitig  mit  diesem  entstanden  war, 
leistete  der  Bildung  einer  neuen  kirchlichen  Gemeinde  Vorschub.  Der 
Bischof  Volquin  von  Minden,  ein  geborener  Graf  zu  Schwalenberg,  er- 
richtete auf  Ansuchen  des  Herzogs  Otto  und  der  Parochianen  der  Markt- 
kirche mittels  einer  Urkunde  vom  12.  Februar  1284  eine  neue  Pfarre 
zu  St.  Spiritus;  ihre  Grenzen  zog  er  längs  der  Roßmühle,  Juden-  und 
Kaiserstraße  bis  an  die  Kleine  Packhofstraße  —  a  porta,  que  ducit  ab  oppido 
(die  ummauerte  Altstadt)  usque  ad  urbem  (die  Burg  Lauenrode)  et  usque 
ad  parvum  Wlveshorn  --  wie  sie  heute  noch  besteht.  Außerdem  legte  er 
die  Bewohnerschaft  außerhalb  der  Stadtmauer  extra  muros  et  Bruy- 
lonem  und    das    Hospital    St.  Nicolai    der   neuen    Parochie   bei.     Das 

Patronat  sollte  in  der  Hand  des  Herzogs  und  seiner  Nachfahren  ver- 
bleiben (U.  B.  Nr.  19);  1296  aber  schenkte  Otto  der  Strenge  dieses  Recht 
an  den  Rat  der  Stadt  (U.  B.  Nr.  62). 

Die  Benutzung  der  Hospitalkirche  scheint  von  Anfang  an  als  Not- baugeschichte 
behelf  gedacht  gewesen  zu  sein,  der  indes  gut  ein  Menschenalter  an- 
dauerte. Aus  milden  Gaben  erbaut  (U.  B.  Nr.  185),  war  zu  Beginn  des 
Jahres  1333  eine  neue  Kirche  zwischen  Burgstraße  und  Steinweg  (Knochen- 
hauerstraße) vollendet  worden*).  Auf  sie  wurden  die  Pfarre  und  Parochie 
<Ut  Hospitalkirche  übertragen  (U.  B.  Nr.  182,  183);  auch  die  Altäre 
sollten,  soviel  dem  Rat  gutdünken  würde,  in  die  neue  Kirche  hinüber- 
genommen werden,  bis  auf  einen,  der  dem  Gottesdienst  der  Hospitanten 
verbleiben  sollte  (U.  B.  Nr.  185).    Die  Weihe  der  neuen  Kirche  geschah 


*)  Ising  schreibt  S.  84:  1333,  am  Sonntag  Misericordias  Domini  habe  der  Um- 
zug in  die  fertiggewordene  Kreuzkiiche  stattgefunden,  „darin  ein  schönes  neues 
Crucifix-Bild  auffgerichtet  gewesen  mit  reichem  Ablass  ..." 

131 


Abb. 


Kirchen  und  Kapellen 

in  honorem  St.  Spiritus  et  St.  Crucis  (Stiftungsurkunden),  doch  findet 
sich  schon  bald  nachher  (1336)  lediglich  die  Bezeichnung  ecclesia  St.  Crucis. 
In  ihrer  ursprünglichen  Planung  ist  die  Kreuzkirche  (1333)  ein  ein- 
laches Langhaus  mit  Chorschluß  in  Fünfachteln.  Die  eingebundenen 
Streben  zeigen,  daß  die  Eindeckung  durch  Gewölbe  im  Plane  lag;  sie  ist 
über  dem  Chore  sogleich  ausgeführt,  über  dem  Schiff  aber  erst  um  1560 


Abb. 


Hannover;  Kreuzkirche,  Grundriß.     1925. 


geschehen.  Bis  dahin  war  das 
Schiff  „combinatis  lignis  asteri- 
bus  clausuni"  (David  Meier, 
deliciae,  S.  (38).  Um  1560,  dein 
Befunde  nach*),  entstand  ein 
Abb.  78  Seitenschiff  an  der  Nordseite: 
man  durchbrach  die  nördliche 
Umfassungsmauer  des  alten 
Langhauses  für  jedes  Joch  nach 
Maßgabe  des  von  Ursprung  ge- 
plant gewesenen  Wölbesystems 
und  gestaltete  die  stehengeblie- 
benen Mauerstücke  durch  halb- 
kreisförmige Vorlagen  zu  Pfeilern 
um.  Die  Südwand  erhielt  drei- 
eckige Vorlagen.  Die  Gewölbe 
zog    man    auf   Sandsteingurten 


Abb. 78.  Hannover;  Kreuzkirche,  Querschnitt  durch 

Schiff  und   Seitenschiff.     1925. 


Ising,  S.  87,  bestätigt  die  Datierung  auf  das  Jahr  1560. 


132 


Kreuzkirche 

in  Ziegeln  in  beiden  Schiffen  ein.  Als  Verfertiger  der  Gewölbe  nennt 
David  Meier  den  Steinmetzen  Johan  Hennisen.  Der  Turm  hat  nicht 
mehr  die  alte,  von  Merian  wiedergegebene  Gestalt.  Nach  der  Zeichnung 
des  Chronisten  Redecker  schloß  ein  vierseitig-pyramidaler  Helm  mit  großen 
Dachgauben,  gekrönt  von  Kugel,  Kreuz  und  Hahn,  den  Turmkörper  ab. 
Die  Helmdeckung  bestand  aus  Blei,  wie  sich  aus  späteren  Verhandlungen 
zwischen  dem  Magistrat  und  Johann  Duve  ergibt.  Teilweise  hatte  der 
Helm  um  1560  eine  Kupferdeckung  (nach  David  Meier,  deliciae,  S.  70). 
Ein  Sturmwind  hatte  am  26.  November  1630  diesen  Helm  herabgeweht. 
Die  Mittel  zu  seinem  Wiederaufbau  konnten  nicht  sogleich  beschafft 
werden.  1651  trat  Johann  Duve  an  den  Magistrat  mit  Vorschlägen  über 
den  Wiederaufbau  heran,  den  er  selber  mit  einer  von  ihm  vorzustreckenden 
Summe  unternehmen  wollte.  Am  19.  Juli  1651  kam  ein  Vertrag  zwischen 
ihm  und  dem  Magistrat  zustande.  Die  Stadt  übernahm  die  Lieferung  des 
Bauholzes  aus  der  Eilenriede  und  stellte  die  Fuhren.  Duve  übertrug 
durch  einen  Vertrag  vom  9.  August  des  gleichen  Jahres  dem  Ratszimmer- 
meister Eggert  Holste  aus  Stade,  der  sich  beim  Bau  des  Kirchturmes  in 
Bremervörde  bewährt  und  für  den  Grafen  Königsmarck  gearbeitet  hatte,  die 
Ausführung  (Näheres  s.  H.  G.  1911,  S.  61).  Holstes  Name  findet  sich  in  der 
Form  Eggerdt  Holstein  am  Mittelpfosten  des  Glockenstuhles  eingemeißelt. 
Die  Verpflichtung  Duves  dem  Magistrat  gegenüber  ging  dahin,  daß  das 
Mauerwerk  dreißig  Fuß  höher  hinaufgeführt,  der  Verband  des  Turmes  durch 
gutes  Holz  gesichert,  der  Turmhelm,  100  Fuß  hoch,  mit  schwedischem 
Kupfer  gedeckt  und  die  Glocken  30  Fuß  höher  gebracht  werden  müßten. 
So  besagt  die  urkundliche  Einlage  im  Knopfe  des  Turmes  vom  30.  Sep- 
tember 1653  (a.  a.  O.,  S.  93),  die  auch  die  Maurermeister  Heinrich  Alverß 
und  Adrian  Simerding,  Bürger  in  Hannover,  als  beteiligt  am  Werke 
nennt.  Alle  drei  haben  ihre  Anfangsbuchstaben  und  Zunftzeichen  in 
einen  Stein  gehauen,  der  an  der  Ostseite  des  Turmes  unterhalb  des  Trauf- 
simses eingelassen  ist*)  (s.  H.  G.  1929,  S.  68,  Abb.  109). 


Zeichnung  1924.    N.    Neuere  Darstellung    II.  d.  1929,  S.  68. 

Die  Dachdeckung  des  Turmhelmes  zog  sich  bis  1654  hin.  Zur  Ab- 
tragung der  Baukosten  wandte  sich  im  gleichen  Jahre  Bürgermeister 
und  Rat  an  den  Herzog  Christian  Ludwig  um  Beihilfe  (Ratsakten). 

*)  Die  Turmhaube  der  Kreuzkircbe  ist  eine  der  frühesten  Laternenhauben 
Niedersachsens.  Über  den  Haubenturm  s.  Walter,  H.  Dammann:  Stadien  zur 
Entstehungsgesch.  des  zweiten  Michaeliskirchenbaues  in  Hamburg.  Straßburg, 
phil.  diss.  1908. 


133 


Kirchen  und  Kapellen 

Das  Satteldach  des  Hauptschiffes  war  1630  beim  Einstürze  des  Turm- 
helmes schwer  beschädigt  und  im  Jahre  darauf  ausgebessert  worden. 
Diese  Arbeit  scheint  ausgeführt  zu  sein  durch  den  Zimmermeister  Dirich 
Stunckel,  der  Namen  und  Zunftzeichen  am  ersten  Kehlbalken  zunächst 
des  Turmes  eingeschnitten  hat. 

Die  bereits  angeführte  Zeichnung  Redeckers  zeigt  auf  dem  Firstende 
des  Kirchendaches  einen  kleinen  Dachreiter  von  achteckiger  Grundform, 
der  heute  nicht  mehr  besteht. 

Eine  durchgreifende  Erneuerung  der  Kreuzkirche  fand  1822/23  statt. 
Über  diese  schreibt  B.  Hausmann  (Erinnerungen,  S.  119):  „Die  Kreuz- 
kirche war  ziemlich  verfallen  und  gewährte  in  ihrer  jetzigen  Einrichtung 
auch  nicht  die  erforderlichen  Plätze  für  diejenigen  Eingepfarrten,  welche 
vor  dem   Steinthor  wohnten  und  an  Zahl  jährlich  zunahmen." 

„Leider  verfuhr  man  bei  der  Restauration  ohne  alle  Pietät  gegen  das 
gute  Alte  und  ohne  jede  Berücksichtigung  der  darin  enthaltenen  Kunst- 
werke. Die  auf  Holz  gemalten  Bilder  wurden  zugleich  mit  dem  Holz- 
werk der  abgebrochenen  Kirchenstühle  auf  dem  freien  Kirchhofe  meist- 
bietend verkauft,  und  das  reiche  Gemälde  des  Hauptaltares  auf  Gold- 
grund mit  zwei  Thüren,  ein  historisch  sehr  merkwürdiges  Kunstwerk 
eines  geschickten  niedersächsischen  Meisters  des  15.  Jahrhunderts  wurde 
mir  für  15Thlr.  zugeschlagen.  Mit  genauer  Noth  gelang  es  mir,  das  sehr 
schöne  broncene  Taufbecken,  mit  vielen  Figuren  und  Inschriften,  aus 
dem  15.  Jahrhundert  der  Kirche  zu  erhalten,  obgleich  es  schon  einem 
Glockengießer  zum  Einschmelzen  zugesagt  war.  Dagegen  ließen  die 
Herren  Diaconen  für  den  Hauptaltar  von  dem  durch  seine  manierierten 
Zeichnungen  für  Kalender-Kupfer  berühmt  gewordenen  Hofmaler  Hein- 
rich Ramberg  ein  Gemälde  anfertigen,  welches  den  Erlöser  in  kolossaler 
Größe  auf  halbem  Leib  darstellte,  für  dessen  Antlitz  der  Künstler  aber 
die   Maske  eines  antiken   Jupiter-Kopfes  zum   Modell  genommen  hatte." 

Bald  nach  März   1823  wurde  die  Kirche  wieder  eröffnet. 

Beschreibung  Die   Kreuzkirche   ist  in   der  Anlage   ein  einfaches  vierjochiges   Lang- 

haus mit  Chorschluß  in  Fünfachtelform  und  Westturm,  erweitert  durch 
ein  Seitenschiff  (um  1560)  und  einen  Sakristeianbau  (1497).  Langhaus, 
Chor  und  Westturm  bestehen  aus  Bruchstein,  die  späteren  Bauteile  aus 
Ziegeln. 

Langhaus  und  chor  Das  Mauerwerk  des  alten  Langhauses  ähnelt  dem  der  Stadtmauer; 
Schichten  sind  nicht  durchgeführt.  Die  Absetzung  des  niedrigen  Sockels 
zeigt  eine  profillose  Schräge;  ein  unterkehltes  Kaffsims  verläuft  unter- 
halb der  Fensterbrüstungen  und  umfaßt  die  Streben.  Das  Hauptsims 
hat  kräftige  Kehlung.  Eine  Tür,  jetzt  zugesetzt,  aber  erkennbar  an  der 
Umkröpfung  des  Kaffsimses,  lag  im  dritten  Joch  der  Südseite.   Die  Fenster 


134 


Kreuzkirche 

sind  hoch,  schmal  und  spitzbogig  und  entbehren  heute  Pfosten  und  Maß- 
werk; nach  einer  Zeichnung  Redeckers,  die  den  Zustand  um  1630  gibt 
(H.  G.  1906,  S.  146),  waren  sie,  wie  die  im  Chore  jetzt  noch,  einfach  ge- 
teilt und  mit  Maßwerk  aus  Drei-  und  Vierpässen  ausgestattet. 

Der  Chor  zeigt  die  gleiche  Art  des  Mauerwerkes,  der  Streben  und 
Simse  wie  das  alte  Langhaus.  Im  Innern  ist  er  durch  höhere  Lage  und 
einen  kämpferlosen  Triumphbogen  vom  Langhause  gesondert.  Die  Wöl- 
bung ist  augenscheinlich  sogleich  bei  der  Erbauung  eingezogen,  und  zwar 
in  Ziegeln  auf  Konsolen  und  Ziegelrippen. 

Bei  dem  Seitenschiff  (um  1560)  finden  sich  über  einem  mit  flachem 
Wulstprofil  abgesetzten  Sandsteinsockel  großformatige  Ziegel  (8/12,  5/27) 
in  Blockverband  verwendet.  Sandsteinstreben  sind  im  Fundament  mit 
angelegt  und  zeigen  Verzahnungen  mit  durchbindenden,  langrechteckigen 
Quadern.  Die  breiten,  spitzbogigen  Fenster  haben  an  den  Leibungs- 
kanten Fasen  von  profilierten  Glasursteinen.  An  der  nordwestlichen 
Kopfwand  des  Seitenschiffes,  die  als  Widerlager  gegen  den  Gewölbe- 
druck bis  zu  halber  Höhe  verstärkt  worden  ist,  liegt  die  eine  der  beiden 
Haupteingangstüren  zur  Kirche;  sie  ist  spitzbogig,  mit  dreimal  abgesetztem 
Leibungsprofil  aus  grün  glasierten  Ziegeln.  Die  einzelnen  Seitenschiffs- 
joche sind  durch  Giebel  bezeichnet,  deren  Dächer  in  die  Schräge  des 
Satteldaches  über  dem  Hauptschiff  einschneiden.  Die  Wölbung  des 
Seitenschiffes  ist  auf  profillosen  Gurten  und  Bippen  von  Konsolen  aus 
ausgeführt,  welche  tiefer  als  die  Pfeilerkapitelle  liegen.  Die  Gewölbehöhe 
ist  niedriger  als  im  Hauptschiff.  Die  Schlußsteine  der  Gewölbe  sind  fast 
sämtlich  mit  Beliefs  verziert;  darunter  ein  Kruzifixus,  ein  Stadtwappen, 
im  übrigen  Zunftwappen  aus  den   Jahren   1631  und  1632. 

Wahrscheinlich  ist  eine  Prieche  im  Seitenschiff  der  Kirche  bei  dessen 
Errichtung  um  1560  angelegt,  und  zwar  dort,  weil,  wie  David  Meier 
(deliciae,  S.  73)  sagt,  doch  von  der  Nordseite  „parum  Iuris  in  templum 
infunditur".  Sie  diente  als  ,,statio  pro  virili  sexu"  und  wurde  „artistissime 
contabulata  et  artificiosissime  picta".  Wie  Ising  (S.  88)  schreibt,  war  der 
Maler  dieser  Bilder  Christoph  Baumgarten.  Nach  Mag.  Ising  (S.  98) 
wurde   1692  „die  neue  Ober-Prieche  erbaut  -       — ". 

Die  heute  an  gleicher  Stelle  vorhandene  Prieche  ruht  auf  breiten, 
unprofilierten  Gurten,  die  von  Vorlagen  an  der  Nordwand  zu  den  Pfeilern 
des  Schiffes  flachbogig  gespannt  sind. 

Über  eine  mittelalterliche  Ausmalung  der  Kirche  ist  nichts  über- 
liefert. Bei  den  Erneuerungsarbeiten  von  1821  wurden  unter  dem  grau 
getünchten  Wandputz  figürliche  und  ornamentale  Wandmalereien  ge- 
funden, die  etwa  aus  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  stammten. 

Der   quadratisch    angelegte    Turm    steigt    über    doppelt    abgesetztem  Turm 
und  profiliertem  Sockel  in  drei  Geschossen  bis  zur  Überführung  ins  Acht- 
eck empor.    Bis  dahin  ist  das  Mauerwerk  mittelalterlich  und  besteht  aus 

135 


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Abb.  80.  Hannover;  Kreuzkirche, 
NS-Schnitt  durch  den  Turm.  1923.  N. 


Abb.  79.     Hannover;  Kreuzkirche,  Aufriß  des  Turmes. 
Aufnahme  1923,   N.  Reinzeichnung  D. 


136 


Kreuzkirche 

Quadern  kalkhaltigen  Sandsteins  von  verschiedener  Lange,  aber  schichten-  Abb.  79  und  so 
weise  vo 
hier  vor 


weise  von  annähernd  gleicher  Höhe.    Folgende  Steinmetzzeichen  kommen 


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In   Wüstefelds    Sammlung  im   Stadtarchiv    sind   weitere    verzeichnet. 

Die  einzelnen  Geschosse,  bezeichnet  durch  geschrägte  und  mit  Wasser- 
schlag versehene  Simse,  setzen  außen  wie  innen  etwas  zurück.  Das  West- 
portal ist  eng  und  spitzbogig,  seine  Leibung  dreimal  mit  Kehle  und  Wulst 
abgesetzt.  Oberhalb  des  Bogenschlusses  ist  eine  rundbogige  Nische  in 
die  Portalumrahmung  einbezogen  und  enthält  die  Sandsteinstatue  des 
hl.  Petrus,  eine  Arbeit  um  1850.  Im  ersten  und  zweiten  Turmgeschoß 
befindet  sich  in  jeder  freien  Turmseite  nur  je  eine  schmale  spitzbogige 
Lichtöffnung  mit  Nasenwerk.  Das  dritte,  als  ehemaliges  Glockengeschoß, 
hat  breite  und  hohe  Schallöffnungen,  die  sämtlich  ebenfalls  mit  Nasen- 
werk ausgestattet  waren,  wie  es  an  der  Ostseite  noch  erhalten  ist.  Die 
Durchgangshalle  des  Turmes  ist  auf  tief  ansetzenden  Ziegelrippen  gewölbt. 
Die  Nordwand  birgt  eine  Treppe,  die  etwa  im  17.  Jahrhundert  von  außen 
zugänglich  gemacht  worden  ist,  zugleich  mit  der  Anlage  von  quadratischen 
Fenstern  in  der  Nord-  und   Südwand  der  Halle. 

Das  Mauerwerk  des  unter  Duve  entstandenen  achteckigen  Turm- 
aufbaues ist  nur  durch  ein  schmales  Sims  gegürtet  und  schließt  mit  hohem, 
wenig  ausladendem  Hauptsims.  Der  Helm  baut  sich  auf  aus  einer  acht- 
seitigen Haube  mit  offener  Laterne  und  geradlinig  ausgezogener,  über 
dem  Fuße  mit  leichter  Schwellung  versehener  Spitze.  Kugel  und  Kreuz 
schließen  ihn  ab.  Der  ganze  Helm  ist  mit  Kupferplatten  gedeckt.  Kleine, 
in  drei  Reihen  angeordnete  Gauben  springen  zu  je  vieren  aus  den  Seiten- 
flächen der  Spitze  heraus.  Die  Abstände  von  Reihe  zu  Reihe  und  bis 
zum  Knopfe  verjüngen  sich  und  vergrößern  die  Höhenwirkung. 

Die  an  der  Nordseite  des  Chores  errichtete  Sakristei  wurde  nach  Sakristei 
mehreren  Zeugnissen  1496,  nach  Redecker  1497,  „pridie  palmarum" 
geweiht.  Sie  ist  ein  Ziegelbau  mit  Zwischengebälk,  deren  Untergeschoß 
als  Sakristei  diente  und  noch  dient,  während  das  auf  Ziegelrippen  ge- 
wölbte Obergeschoß  eine  der  hl.  Anna  geweihte  Kapelle  mit  zwei  Altären 
enthielt.  Eine  Kapelle  dieser  Heiligen  „sita  in  ecclesia  S.  Crucis"  wird 
nach  Redecker  schon  1491  in  einem  Ablaßbriefe  genannt.  Mit  der  Re- 
formation wird  man  die  Altäre  beseitigt  und  die  Kapelle  als  solche  auf- 
gehoben haben.  1590  richtete  man  in  dem  Räume  den  Schülerchor  ein. 
Vermutlich  ist  damals  das  Zwischengebälk  eingefügt  worden.  Im  fol- 
genden Jahre  schuf  man  einen  besonderen  Zugang  durch  den  noch  be- 
stehenden runden  Turm  mit  Wendeltreppe.    Aus  dem  Jahre  1599  über- 

137 


Kirchen  und  Kapellen 

liefert  Redecker  eine  Renovierung  der  Sakristei,  die  damals  mit  neuen 
Fenstern  versehen  wurde.  1605  richtete  P.  David  Meier  eine  Bibliothek 
darin  ein.  Der  Raum  wurde  durch  Ausstattung  der  Fenster  mit  Glas- 
gemälden wohnlich  eingerichtet.  Für  einen  Umbau  der  Sakristei  im 
.Jahre  1757  liegt  ein  von  Nicol.  Stuhr  signierter  Abriß  vor  (Stadtarch. 
XIV  Z  1756).  Bei  einer  Renovierung  im  Jahre  1911  zog  man  das  Ober- 
geschoß zur  Prieche  des  Seitenschiffes  hinzu,  indem  man  seine  West- 
wand durchbrach. 

Das  Ziegelmauerwerk  des  Sakristeianbaues  ist  auf  schräg  abgesetztem 
Sandsteinsockel  hochgeführt  (Blockverband,  Ziegelformat:  8/12,5/27,5). 
Die  Ostwand  schließt  in  einem  Treppengiebel  mit  geputzten  Blendnischen: 
der  westliche  Giebel  ist  jetzt  ohne  Abtreppungen.  Das  Traufsims  wird 
aus  zwei  Rollschichten  profilierter  Ziegel  gebildet.  In  die  ursprünglich 
spitzbogige  Tür  der  Nordseite  ist  um  1700  eine  rechteckige  Tür  mit  Sand- 
steinumrahmung und  rechteckigem  Oberlicht  eingefügt.  In  der  Leibung 
des  spitzbogigen  Fensters  an  derselben  Seite  wechseln  glasierte  mit  un- 
glasierten  Formsteinen  ab.  An  der  Ostseite  sind  die  spitzbogigen  Fenster 
des  Sakristeigeschosses  ebenfalls  um  1700  zugemauert  und  durch  Fenster  mit 
rechteckiger  Sandsteinumrahmungersetzt.  Im  Obergeschoß  wird  dieOstwand 
durch  ein  breites,  in  Sandstein  gefaßtes  Spitzbogenfenster  durchbrochen. 
Treppenturm  Der  1590  angelegte  Treppenturm  an  der  Nordseite  der  Sakristei  ist 
von  Grundriß  rund,  hat  Sandsteinsockel  mit  gedrücktem  attischen  Basen- 
profil und  besteht  bis 
zum  Kaffsims  aus  Qua- 
dern, oberhalb  davon 
aus  großformatigen  Zie- 
geln. Ein  Hauptsims  in 
Sandstein,  das  von  einer 
späteren  Holzverscha- 
lung überkleidet  wird, 
schließt  den  5,45  m 
hohen  Mauerkörper  ab. 
Das  darauf  ruhende  Zelt- 
dach schneidet  mit  kur- 
zem First  in  das  Sattel- 
dach der  Sakristei  ein. 
Über  der  rechteckigen, 
in  Sandstein  umrahmten 
Abb.  8i  Tür  ist  das  von  Putten  („Kinderkens")  gehaltene  Kleeblattwappen  mit 
der  Jahreszahl  1591  eingelassen.    (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  33).    Daneben 

ein    Stein    mit    der  Meistermarke     ^>  Xl     und    den   Buchstaben   D.  B. 

des   Meisters   Dirik   Berndes   (s.  über  ihn  H.  G.  1926,   S.  5). 


Abb.  81.  Hannover;  Kreuzkirche,  Wappen  der  Stadt  Hannover  1591 
über  der  Tür  des  Treppenturmes. 


138 


Kreuzkirche 

Johann  Duve  ließ  1655  im  Anschluß  an  die  Fertigstellung  des  Kirch-  Duvekapeiie 
turmes  für  sich  und  seine  Familie  an  der  Südseite  der  Kreuzkirche  eine 


Abb.  S2.     Hannover;    Kreuzkirche,   die  Duvekapelle,   Außenansicht.    Fhot.  1012. 


Gruftkapelle   anlegen   durch   einen   der  beiden   am   Turmbau   beteiligten 
Steinmetzen,    Adrian    Siemerding.     Unter    Benutzung    der   an    der    Süd- Abb.  82 
einbuchtung  zwischen  Schiff  und  Chor  vorhandenen  Streben  schuf  dieser 

139 


Kirchen  und  Kapellen 


AllxL 


T~T,   l 


Abb.  83.     Hannover;  Kreuzkirche,  Duvekapelle.     Nach  Aufnahme  von  A.  Haupt,  1912. 


140 


Kreuzkirche 

den  im  Grundriß  nicht  ganz  winkelrechten,  kleinen  Sandsteinbau  über 
der  mit  einer  Tonne  in  Bruchstein  gewölbten  Familiengruft.  Die  Außen- 
flächen der  Kapelle  sind  in  einer  Blendarchitektur  von  Pilasterstellungen 
auf  hohem  Sockel  und  mit  korinthisierendem  Gebälk  ausgebildet.  Zwischen 
den  Pilastern  sind  perspektivische  Muschelnischen,  darüber  Bundfenster 
eingelassen.  Die  Mitte  der  südlichen  Hauptfront  nimmt  eine  Rundbogentür  Abb.  83 
ein.  Beide  Fronten  werden  von  Giebeln  in  verschnörkelten  Umrißlinien 
überhöht.  Die  Giebelfelder  enthalten  im  wesentlichen  je  ein  querovales 
Inschriftmedaillon,  das  von  stilisierten  Lorbeerkränzen  umzogen  wird. 
Das  Feld  der  Hauptfront  zeigt  außerdem  zu  seiten  des  Medaillons  rechts 
das  Wappen  von  Johann  Duves  Frau,  geb.  Kolvenrodt,  links  dasjenige 
von  Duve  selbst.  Die  Bekrönung  des  Giebels  an  dieser  Seite  enthält  einen 
geflügelten  Engelskopf,  darüber  einen  Obelisken  auf  nach  unten  aus- 
gerollten Voluten.  Hinter  den  Giebelecken  steht  je  ein  spitzer  Obelisk. 
Der  Schlußstein  des  Portalbogens  und  die  Pfeilerkapitelle  sind  als  ge- 
flügelte Engelsköpfe  gebildet.  Das  kupfergedeckte  Dach  hat  die  Form 
einer  unregelmäßig-achtseitigen  Pyramide  und  läuft  in  hoher  Spitze  mit 
Knauf  aus. 

Der  Kapellenraum  ist  durch  ein  Kreuzgewölbe  auf  gotisierenden 
Bippen  und  Konsolen  geschlossen.  Die  Wölbeflächen  enthalten  Spuren 
von  Bemalung:  Apollo  und  die  Sternbilder.  Das  Monogramm  des  Meisters 
Siemerding:  M.  A.  S.  mit  Zunftzeichen,  Bichtscheit  und  Kelle  findet  sich 
außen  rechts.  Die  Inschriften  gibt  Schuchhardt,  Bildh.  d.  B.,  Nr.  104.  Er 
sieht  in  der  Schrift  und  Ornamentik  eine  Verwandtschaft  mit  Peter 
Kösters  Art;  dagegen  nicht  in  den  Engelsköpfen. 

Der  Anbau  einer  zweiten  Duveschen  Grabkapelle  an  der  Südseite 
der  Kirche  gegenüber  dem  Landschaftlichen  Hause,  den  Berendt  Duve, 
Johann  Duves  Sohn,  hatte  beginnen  lassen,  mußte  auf  einen  Einspruch 
vom  30.  August  1(581   hin  beseitigt   werden.     (Stadtarch.  XIV  Y.) 

Von  den  Altären  aus  der  Zeit  vor  der  Beformation  besitzt  die  Kirche  Ausstattung 
keinen  mehr.     Genannt  werden:    Altare    summum   (Crucis);    Bernwardi Altare 
138ö;  Johannis  Ev.  1348;   Tri  um  Begum  1350;  Thomae  et  Andreae  1355; 
Gorgonii,  Petri  et  Pauli  1 107;  omnium  Apostulorum;   Sanguinis  Christi 
et  Barbare;  B.  Marie  virginis;   Corporis  Christi,  unter  dem  Turm;  Marie 
Magdalene;    Mathaei;  Bartholomaei;    Sebastiani;  Laurentii   (in  armeria). 
Die  Annenkapelle  enthielt  zwei  Altäre,  nämlich  außer  dem  für  St.  Anna 
einen  für   St.  Katharina.     Der  aus  Besitz   des  Weifenmuseums  im   Pro-  Abb.  84 
vinzialmuseum  aufgestellte  Altaraufsatz  besteht  aus  Mittelstück  und  zwei 
Flügeln  (s.  die  Bemerkung  auf  S.  135).    Malerei  auf  Leinwand,  die  auf 
Tannenholz   aufgeklebt   und  mit   Kreide   grundiert   ist.     Der  Meister  ist 
vermutlich    ein    einheimischer    niedersächsischer    Maler    um    1500.     Das 
figurenreiche    Mittelbild    stellt,    umgeben    von    einem    auf    dem    Kreide- 

141 


Kirchen  und  Kapellen 


142 


Kreuzkirche 

gründe  erhaben  aufgetragenen,  vergoldeten  Rosenzweige,  dessen  Knospen 
Gestalten  mit  Schriftrollen  bilden,  dar:  Maria  in  betender  Haltung  vor 
dem  Christuskinde,  das  auf  einem  Leinentuche  vor  ihr  liegt;  St.  Anna 
sitzend  aus  einem  Buche  betend,  hinter  ihr  ihre  drei  Männer;  ferner 
vermutlich  Joseph,  hinter  Maria  stehend;  dann  die  beiden  Töchter  der 
hl.  Anna  mit  ihren  Kindern  links,  hinter  denen  deren  Männer  erscheinen. 
Rechts  sind  die  Schwestern  der  hl.  Anna,  Elisabeth  mit  ihrem  Kinde, 
Johannes  der  Täufer,  hinter  ihr  Zacharias  und  ein  anderes  zur  hl.  Familie 
gehörendes    Ehepaar   abgebildet.  Der   linke    Altarflügel    enthält    Be- 

gebenheiten aus  dem  Leben  Joachims  und  der  hl.  Anna.  Das  rechte 
Flügelbild  hat  die  Geburt  der  Maria  zum  Gegenstande.  -  -  Auf  den  Rück- 
seiten tragen  die  Hügel  in  weniger  guter  Malerei  die  Verkündigung. 

Das  Mittelbild  ist  beschädigt,  die  Flügel  gut  erhalten  (Abb.  in  Mithoffs 
Arch.  I,  Tafel  VI).  Die  Malerei  schreibt  Habicht  (H.  G.  1913,  S.  276) 
dem  Hans  von   Geismar  zu. 

1756  wurde  ein  Altar  von  Jobst  Andreas  Dahlgrün  gestiftet;  er  ist 
1821  entfernt.  Ein  Teil  davon  wurde  im  Armenhause  als  Altar  benutzt. 
1823  ist  der  auf  Seite  131  erwähnte  Altar  mit  Gemälde  von  Ramberg 
aufgestellt  worden;  1858  der  jetzt  vorhandene  Altar  errichtet.  Sein 
Altarbild  ist  nach  einer  Skizze  von   Schnorr  durch   Gönne  gemalt. 

1675  ist   nach   Redecker  zugleich   mit  dem   Altar  eine   Chorschranke  chorschrankc 
neu     gesetzt     (H.  G.     1906,     S.  119).      Ising    (S.  93)    sagt,    die    „schöne 
Perspectiv  für  dem  Choro"  sei  eine  Stiftung  des  Henricus  Specht  gewesen. 

Das  alte,  braun  gehaltene,  schmucklose  Kastengestühl  ist  1911  durch  Gestühl 
ein  neues  ersetzt.    Die  Kirchenstühle  wareirl753  und  in  den  folgenden 
Jahren  erneuert. 

David  Meier  berichtet  (deliciae,  S.  74),  1441  sei  die  eine  der  beiden  Glocken 
größeren  Glocken  neu  aufgehängt  worden,  genannt  Maria  Magdalena, 
nachdem  sie  bereits  90  Jahre  gedient  hatte.  Sie  stammte  also  aus  1351 
und  wird  1111  umgegossen  sein.  Die  andere,  noch  größere  Glocke, 
1455  aufgehängt,  war,  nach  derselben  Quelle,  gegossen  zu  Ehren 
der  zwölf  Apostel,  deren  Bilder  sie  auch  getragen  hat.  Die  Inschrift 
soll  gelautet  haben:  Te  Deum  laudamus,  O  rex  gloriae  veni  cum  pace. 
Die  dritte  Glocke,  die  Brautglocke,  bezeichnet  der  Pastor  David  Meier 
als  zweifellos  gleichaltrig  mit  der  Kirche.  Redecker  nennt  (H.  G.  1906,  S.154, 
und  1909,  S.  186)  zwei  Brautglocken,  die  1689  gegossen  waren,  die  eine 
von  Nicolaus  Greven.  Beide  sind  später  umgegossen,  die  Grevensche 
1741  durch  Andreas  Meyhfeld.  Die  Inschriften  sind  a.  a.  0.  mitgeteilt. 
Zwei  weitere  kleinere  Glocken  von  1515  sind  nach  David  Meier  1605 
und    1609  umgegossen  von   ,,Henrico  Buschero   Chi  Hannoverensi". 

Die  der  Kriegsbeschlagnahme  anheimgefallenen  Glocken  waren:  eine 
Glocke,    1826   von    Friederich   Dreyer    in    Linden    gegossen;    D.  —  1,25; 

143 


Kirchen  und  Kapellen 


Inschrift  in  lateinischen  Großbuchstaben;  eine  Glocke,  1826,  von  Heinrich 
Dreyer  in  Linden,  1).  ==  0,65;  eine  Glocke,  1850,  von  E.  Dreyer  in  Linden. 

Die  nach  der  Kriegsbeschlagnahme  noch  vorhandenen  Glocken  sind: 

Die  größte  Glocke,  „Der 
große  David"  genannt,  1640 
durch  Umguß  der  Apostelglocke 
auf  Kosten  des  Mag.  David 
Meier  gegossen  von  M.  Johan 
Meier,  1650  abermals  umge- 
gossen durch  Ludolph  Siegfriedt, 
D.  =  1,83.  Kronenöhre  schlicht, 
an  der  Innenseite  gerundet.  Unter 
der  Haube  und  dem  Schlag- 
ringe ornamentaler  Schmuck; 
Abb.  85  am  langen  Felde  Reliefbild  Da- 
vids mit  der  Harfe.  Inschrift 
am  oberen  Rande  in  Großbuch- 
staben: PSAL:MISERICORDIAS 
DOM  INI  IN  AETERNUM  CAN- 
TARO  MAG.  DAVID  MEIERUS 
PASTOR  AT  DIVUM  OEORGII 
ET  JACORI.  Unter  dem  Bilde: 
PSAL  :  50.  LAUDATK  DOMI- 
NUM IN  PSALTER IO  ET  CI- 
THARA.  (Weitere  Inschrift  s. 
H.  G.  1906,  S.  626.  Werkver- 
trag im  Stadtarch.) 

Eine  Glocke  von  1653.  Meister:  Ludoph  Siegfriedt.  D.  =  1,48,  Kronen- 
öhre innen  gerundet,  vorn  Riefen  und  Wülste.  Unter  der  Haube  und  am 
Schlagringe  Ornamentstreifen.  Auf  dem  langen  Felde  Reliefbild:  Kreuzi- 
gungsgruppe. Inschrift  am  oberen  Rande:  PSAL :  VENITE  EXULTEMUS 
DOMINO  JUBILEMUS  DEO  SALUTARI  NOSTRO.  (Rechnung  und  Werk- 
vertrag  im    Stadtarch.) 

Eine  Uhrglocke,  1500  bis  1530;  Meister:  Gert  Klinge  oder  Heinrich 
Meute ('?);  D.  =  0,50.  Unter  der  Haube  ornamentaler  Schmuck.  Reliefbild 
am  langen  Felde:  Maria  mit  dem  Jesusknaben.  Inschrift  in  gotischen 
Kleinbuchstaben:    Franziscus  wil  yk  heten    ....    maria  Jesus   .... 

Eine  Uhrglocke,    1651,    ebenfalls    von    Ludoph  Siegfriedt.    D.  =  1,10. 
Unter  der  Haube  Ornamentstreifen.    Inschrift  in  lateinischen  Großbuch- 
staben.    (Rechnung  im  Stadtarch.) 
Kanzel        Eine   Steinkanzel,   159t  von  Claus  von  Münchhausen  für  die  Kreuz- 
kirche   gestiftet,    befindet    sich    seit    1656    in    der    Kirche    zu    Lauenau 


Abb.  S.">.     Hannover;  Kreuzkirche,  Glockenbild, 
David  mit  der  Harfe. 


144 


Kreuzkirche 


Abb.  8(3.     Hannover;  Kreuzkircho,  Kanzel.     Phot.  1912. 


10 


145 


Kirchen  und  Kapellen 

(Kr.  Springe),  ist  aber  seit  einem  Neubau  dieser  Kirche  (1879)  nicht  wieder 
aufgestellt.  Das  Fabrikregister  der  Kreuzkirche  teilt  zum  Jahre  1594 
mit,  daß  der  Meister  Andreas  für  den  Predigtstuhl  eine  Summe  erhalten 
hat.  Die  Kanzel  in  Lauenau  ist  nach  Mithoff  (Kdm.  S.  115)  fünfeckig 
und  enthält  an  den  Brüstungsfeldern  vorn  das  Allianzwappen  Münch- 
hausen-Quitzow,  an  den  übrigen  Seiten  die  vier  Evangelisten;  an  der 
steinernen  Treppe  drei  Figuren,  dabei  eine  als  Daniel  bezeichnet.  Der 
Meister  signiert  sich  A.  B.,  bisher  nur  bekannt   als    M.  Andreas. 


Abb.  K7.     Hannover;  Kreuzkirche,  Brüstungsrelief  der  Kanzel. 
Kreuztragung  von  Ziesenis.     Phot.  1912. 


Nach  Bedecker  (H.  G.  1906,  S.  151)  schenkte  im  Jahre  1659  der 
Bürgermeister  Dr.  Henning  Lüdeke  eine  neue  Kanzel,  anscheinend  ein 
Werk  des  älteren  Adrian  Siemerding. 

Die  heute  vorhandene  Kanzel  ist  1758  aufgestellt.  Architekt  war 
Abb.  86  Johann  Paul  Heumann,  Bildhauer  Fr.  Ziesenis  (s.  den  Vertrag,  den  Heu- 
mann mit  Ziesenis  verabredete,  bei  Bleibaum,  Bildschnitzerfamilien, 
S.  267).  Bleibaum  hält  Ziesenis  für  den  geistigen  Urheber  der  Kanzel. 
Bei  Benovierungsarbeiten  1911  fand  sich  unter  dem  Kanzelpult  eine 
Urkunde  (Abschrift  im  Pfarrarchiv;  die  Urkunde  selbst  ist  in  der  Kanzel 
wieder  niedergelegt);  sie  besagt:  ,, Diese  Kanzel  ist  im  Jahre  1758  auf- 
gerichtet   und    am    Johannisfest    desselben    Jahres    eingeweyht    worden, 

146 


Kreuzkirche 

nachdem  die  vorige  seit  1658,  also  eben  100  Jahre,  gestanden  hatte  ..", 
folgen  Namen  von  Schenkgebern,  Ratsgliedern,  des  Predigers,  der 
Diakonen  und  das  Datum:  „Hannover,  den  22.  Juny  1758".  ,,Die  diese 
Kanzel  verfertiget,  sind:  Friedrich  Christoph  Vahren,  Tischler.  Johann 
Friedrich  Ziesenis,  Bildhauer.    Johann  August  Bartels,  Vergolder." 

Die  Kanzel  ist  als  Hängekanzel  aus  der  südlichen  Vorlage  des  Tri- 
umphbogens herausgebaut;  die  Zugangsgalerie  mittels  Tür  und  Außen- 
treppe von  der  Duvekapelle  her  erschlossen.  Stuhl  und  Schalldeckel 
schmiegen  sich  der  Pfeilerform  an  und  springen  im  Kreisbogen  vor.  Der 
Brüstung  von  Stuhl  und  Galerie  sind  Vorlagen  vorgekröpft  mit  Hori- 
zontalgliederung eines  aufgelösten  Gebälkes.  Die  Zwischenfelder  enthalten 
in  Rokokoumrahmungen  flache  Reliefs:  Gethsemane,  Kreuztragung,  Abb.  87 
Kreuzigung,  und  an  der  Galerie  die  Auferstehung.  An  den  Stuhlvorlagen 
waren  in  nach  unten  ausgerollten  Volutenblättern  stehend  die  Figuren 
der  Tugenden  angebracht,  die  verschollen  sind.  Die  Restauration  von 
1911  hat  an  ihre  Stelle  die  vier  Evangelisten  treten  lassen.  Stuhlboden 
reich  ornamentiert;  Hängezapfen.  Der  Schalldeckel  mit  Verkröpf ungen, 
entsprechend  denen  des  Stuhles,  trägt  vier  Volutenbügel,  die  gegen  einen 
Knauf  mit  der  hohen  Gestalt  des  sieghaften  Christus  emporstreben. 
Farbgebung:  Weiß  mit  Gold;  Reliefs  mattiert  golden  (vgl.  über  die  Kanzel: 
Bleibaum,  a.  a.  0.,   S.  266  ff.). 

David  Meier  vermerkt  (deliciae,  S.  75):  Candelabrum  ex  puro  Electro  Kronleuchter 
eodem  anno  (1606)  donatum,   quod  viginti  candelas  portare  potest    .  .  . 
etc.  fabre  fieri  et  suspendi  curarunt  Hans  Meier,  Petrus  Rekheler  ....  etc. 
(Vgl.  Ising,   S.  93.) 

Bei  Redecker  (s.  H.  G.  1906,  S.  148)  findet  sich  die  Nachricht,  daß  orgei 
1576  die  Orgel  fertig  geworden  sei.  Inschrift  daselbst.  Sie  war  zwei 
Jahre  vorher  durch  einen  Blitzstrahl,  der  den  Turm  traf,  beschädigt 
worden:  die  Orgelpfeifen  waren  geschmolzen.  1601  mußte  diese  Orgel 
von  Grund  auf  instand  gesetzt  werden.  Das  geschah  durch  Henning 
Hencken  aus  Hildesheim,  wie  David  Meier  (deliciae,  S.  77)  erzählt. 
Mag.  Ising  (S.  93)  hat  die  Angaben,  es  sei  unter  dem  Geschworenen- 
hauptmann Henricus  Specht  die  Orgel  „unterschiedlichemahl  renoviret, 
mit  etlichen  Baß-Begistern  vermehret,  fast  das  gantze  rück  Positiv  von 
neuem  zugericht,  ein  gantz  neue  Geblase  mit  Sponbalgen  versehen 
worden".  Mit  der  Lieferung  einer  neuen  Orgel  war  auch  hier  Compenius 
beauftragt.  Sie  blieb  unvollendet,  bis  sie  M.  Martinus  Vater,  zufolge 
Kontraktes  im  Stadtarchiv  vom  18.  April  1673,  in  den  folgenden  Jahren 
fertigstellte.  1769  ist  nach  den  Akten  der  Stadtregistratur  abermals 
eine  neue  Orgel  gesetzt,  die  1821  einer  Wiederherstellung  unterzogen 
werden   mußte.     Die  jetzt  vorhandene  Orgel  ist  1888  neu  gebaut. 

147 


Kirchen  und  Kapellen 


Abb.  88.      Hannover;    Kreuzkirche,    Erztaufe. 

Der    Maßstab   der  Zeichnung   entspricht   dem 

der  Taufe  in  der  Ägidienkirche. 


Taufe  Einr  Kelchtaufe,  Erz,  um  1450  vermutlich  von  einem  Hildesheimer 
Meister  gegossen.  Habicht  (II.  ("..  1913,  S.  259  ff.)  schreibt  das  Werk 
dem  Hennyngus-Regnerus  zu  (s.  auch 
A.  Mundt,  Die  Erztaufen  Nord- 
deutschlands, S.  11  ff.).  Rundes, 
nach  oben  etwas  erweitertes  Becken, 
Abb.  88  getragen  von  drei  knienden  Männer- 
gestalten, ohne  Fußplatte.  Die  Außen- 
fläche des  Beckens  ist  in  acht  Felder 
geteilt  durch  Wimpergen  (Esels- 
rücken und  Fünfpaßmaßwerk),  die 
zwischen  strebenartigen,  lialenge- 
schmückten  Pfeilerchen  gespannt 
sind.  Die  so  entstandenen  Schein- 
nischen werden  gefüllt  durch  fast 
vollplastische  Figuren,  welche  mittels 
Nieten  am  Becken  befestigt  sind: 
der  hl.  Mattheus,  Andreas,  Thomas, 
Bernward,  Nikolaus,  St.  Katharina, 
Abb.  89  St.  Gertrud  und  die  Gruppe  des  Kruzifixus  zwischen  Maria  und  Johannes. 

Am  oberen  und  unteren 
Rande  des  Beckens  In- 
schriften in  Kleinbuch- 
staben und  Großbuchstaben 
am  Satzanfange.  Am  oberen 
Rande :  Asperge  nie  domine 
ysopo  et  mundabor,  lavabis 
me  et  super  nivem  deal- 
babor(Psalm51,9)— Vidi 
aquam  egredientem  de 
templo  a  latere  dextro 
altaris  et  omnes  ad  quos 
pervenit  aqua  ista  salvi 
facti  sunt  (Ezech.  47).  Die 
Inschrift  am  unteren  Rande 
nennt  die  Namen  der  in  den 
Schein  nischen  dargestellten 
Heiligen.  Die  drei  Becken- 
träger in  der  Tracht  der 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
werden  für  Bildnisdar- 
stellungen des  Meisters  und 

Abb.  Sit.    Hannover;  Kreuzkirche,  Taufe.  ° 

Baldachinfiguren  an  der  Beckenwandung.     Phot.   11)23.  Seiner      Gesellen     gehalten. 


148 


Kreuzkirche 

Zwei  Kannen,  gestiftet  1706.    Silberblech,  getrieben;  Amphorenf orm :  gerate 
H.  =  36,5.     Fuß   rund   und   sechzehnfach   gebuckelt;    Ständer   rund   und  GEFÄSSE 

Kannen 

sechzehnfach  kanneliert,  in  der  Mitte  etwas  eingezogen  und  durch  ein 
Band  gefaßt,  dann  unter  dem  Gefäßbauch  in  sechzehnfach  gebuckeltem, 
niedrigem  Knauf  auslaufend.  Der  Bauch  weit  ausladend  und  mit  zwei  Abb.  90 
geflügelten  Engelsköpfen  zwischen  Blumen  und  Banken  verziert.  Der 
Kannenhals  entspricht  in  der  Behandlung  dem  Ständer;  ebenso  der  ab- 
schließende obere  Band  der  des  Fußes.  Die  Henkel,  Guß,  sind  ausgebildet 
als    Engelshalbfiguren    mit    zurückgebogenen    Flügeln;    Unterkörper   und 


Abb.  90.     Hannover;  Kreuzkirche,  Amphora  und  Kelch 
(vgl.  Amphora  der  Marktkirche).    Phot.   1923. 

Flügel  in  Sehnörkelranken  an  das  Gefäß  heranlaufend.  Die  Inschrift 
am  Bauche  lautet  bei  beiden  Kannen  gleich:  ANNA  VOLANDTINN 
GEBOHRNE  SADLERINN  ANNO  1706.  D.  I.  JANUARY.  Die  eine 
der  Kannen  trägt  das  Meisterzeichen:  C  L  <S6*).  Beschauzeichen  bei  beiden 
anscheinend  Kleeblatt. 

Auf  einer  spätbarocken,  silbergetriebenen  Kanne  ist  die  Nachricht  ein- 
graviert: Anno  1599  hat  Ilse  von  Wintheim  eine  silberne  Kanne  von  84  Loth 
uffs  Altar  in  S.  Crucis  Kirche  ferehret,  so  anno  1726  verbessert  worden 
und  wigt  nun  177  Loth  etc.  David  Meier  erwähnt  diesen  ,,Cantharus": 
deliciae,  S.  73.  Meisterzeichen:  B  H  C  (Beruh.  Heinr.  Cortnum).  Beschau- 
stempel:   Kleeblatt. 


*)  G  L  =  Caspar  Lehnhardt,  nach  Küthmann,  Führer  1929. 


149 


Kirchen  und  Kapellen 

Kelche  Ein  Kelch,  gestiftet  1598,  Silber,  H.  -  28,  Kuppa-D.  =  13,5.  Fuß  in 
Sechspaßform,  Ständer  sechsseitig,  Knauf  von  flachgedrückter  Kugel- 
forni    und   an    über-   und    Unterseite   mit   Halbkreisfeldern   ausgestattet. 

Abb.  90  Kup pa  steilwandig  und  wenig  geweitet.  Unter  dem  Fuße  am  Rande: 
ICK  •  CATR1NA  •  VAN  •  WINTEM  •  BARTELT  •  BUSSEN  •  SELIGER  • 
NACHGELASSENE  •  WITWE  •  GEBE  •  DVSSEN  •  KELCH  •  IN  •  DE  • 
EHBE  •  CODES  •  VF  •  DAS  •  ALTAR  •  ZUM  •  HEILIGEN  •  CREUTZ  • 
VERGROSSERT  •  VND    •  VERBESSERT    •    1703    •  Meisterzeichen: 

G  N*)  und  Beschauzeichen:  Kleeblatt.  Nach  David  Meier  (deliciae, 
S.  73)  wurde  außer  diesem  Kelche  eine  silberne  Patene  im  Jahre  1598  gestiftet. 
Ein  kleiner  Kelch,  Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  Silber,  H.  =  23, 
Kuppa-D.  =  12.  Fuß  sechspassig,  Ständeranlauf  sechsseitig,  Knauf 
birnenförmig  in  sechs  Kanten;  Kuppa  geradlinig,  nach  oben  etwas  aus- 
wärts geschweift.  Auf  dem  Fuß  Signaculum  angeheftet  und  gelötet: 
Kruzifixus,  Maria  und  Johannes.  Meisterzeichen  am  Fußrande:  E 
Beschaustempel:    Kleeblatt   mit    den   Buchstaben   CR   in   den   Blättern. 

Leuchter  Die  Altarleuchter  aus  der  Kreuzkirche  befinden  sich  im  Vaterlän- 
dischen Museum,  Erdgeschoß. 

Rauchfaß  Mithoff  (Archiv  I,  S.  13)  bildet  ein  aus  der  Kreuzkirche  herrührendes, 
jetzt  nicht  mehr  nachzuweisendes  Rauchfaß  ab:  Messingguß,  spätgotisch; 
achtseitiges  Gefäß  auf  sechsseitigem  Fuß.  Das  in  Ketten  hängende  Gefäß 
hat  als  Deckel  eine  zweigeschossige  Architektur  mit  Maßwerkfenstern 
und  fialengeschmückten   Streben. 


Abb.  91.     Hannover;  Kreuzkirche,  Taufschale.     Fhot.  Kestnermuseum,  1H127. 

Taufschaie        Eine  Taufschale,  in   Silber  getrieben;  gestiftet  1664.    Die  Schale  hat 
die  Form  einer  Kugelkalotte  (D.  ^21,  H.  =  8),  auf  drei  ellipsoiden  Füßen 


*)  GN=  Georg  Naumann,  nach  Küthmann,  Führer  1929. 


150 


Kreuzkirche 

und  mit  zwei  Ohrhenkeln  in  Guß.  An  der  Gefäßfläche  naturalistische  Abb.  91 
Nelken  und  Rosen  in  getriebener  Arbeit.  Inschrift  unter  dem  Rande: 
ZU  EHREN  DER  HEILIGEN  TAUFE  HABEN  HANS  KUMME  UND 
ILSE  NORTMEYERS  DIS  GEFES  IN  DIE  KIRCHE  ZUM  HEILIGEN 
KREUTZ  IN  HANNOVER  GEBEN  ANNO  16G4.  Meisterzeichen:  A  S  (Andreas 
Scheele).     Beschaustempel:  Kleeblatt. 

Im  Anfange    des    15.   Jahrhunderts  war    ein     reliquiengeschmückter  sonstige  denk- 
Kruzifixus  vorhanden;   1418  wurde  den  das  Bild  verehrenden  Gläubigen  ";\LX^:GEN" 

0         STANDE 

ein  Ablaß  zugesichert.     (Vgl.   die  Anm.  auf  S.  130.)  Kruzifix 

Redecker    erwähnt    einen    jetzt    nicht    mehr    vorhandenen    Grabstein  Grabmaie 
des  Dieterich  von  Hoverde,  Plebanus  zu   St.  Crucis,  gestorben  141 1,  der 


Abb.  92.     Hannover;  Kreuzkirche,  Wandmal  des  Handelsmannes  Berendt  Uuve.     Phot.  1908. 


151 


Kirchen  und   Kapellen 


Abb.  93.    Hannover;  Kreuzkirche,  Wandmal 
des  Pastors  A.  II.  Cummius,  f  1672 


Rechts:    Abb.  94.    Hannover;    Kreuzkirche 
Grabmal  des   Hermann  Westenholts,  f  1054. 


in  betender  Haltung  dargestellt  war.  Ein  Spruchband  über  seinem  Haupte 
enthielt  die  Worte:  miserere  mei  deus.  Zu  seinen  Füßen  befand  sich 
ein  Wappen.  Die  Umschrift  des  Steines  war:  Anno  •  dni  •  m  •  cccc  •  xllll- 
des  midwekes  na  •  midfasten  •  do  •  starf  •  died  •  van  •  hovverden  •  biddet . 
vor  sine  •  zele  (Abb.  in  II.  G.   1906,   S.  146). 

Wandmal    zum    Gedächtnis    des    Burchhart    von    Bente,    geb.    1581, 
gest.  1642;  Westseite  des  Turmes,  außen. 


152 


Kreuzkirche 

Wandmal  für  den  Handelsmann  Berendt  Duve,  geb.  1634,  gest.  16.  .,  Abb.  92 
und  seine  Frau  Anna  Dorothea  Tiemendorffs  (s.  dar.  Schuchhardt,  Bildh. 
d.  Ren.,  Nr.  137).    Nordseite  des  Turmes.     Meister  H.  J.  Uhle  (?). 

Wandmal  des  Pastors  Cummius,  gest.  1672.    Chor,  außen  (s.  Schlich-  Abb.  93 
hardt,  a.  a.  0.,  Nr.  116). 

Wandmal  des  1632  erschossenen  Albert  Fromling.    Chor. 

Wandmal  zum  Gedächtnis  des  Geheimen  Rates  Carolus  Philippus 
liber  baro  Diede  zum  Fuerstenstein,  geb.  1695,  gest.  1769.  Ostwand  der 
Sakristei. 

Wandmal  des  Pastors  Nikolaus  Othonis  (Otto),  gest.  1649.  In  der 
Duvekapelle  (Abb.  u.  Beschr.  bei  Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  82). 

Wandmal  des  Hermann  Westenholts,  gest.  1654.    An  der  Südseite  der  Abb.  94 
Kirche  (s.  Schuchhardt,  a.a.O.,  Nr.  84,  auch  Nachtrag,  S.  171).    „Bartels- 
meister". 

Wandmal  der  Mintha  Paxmann,  gest.  1636.  Südseite  der  Kirche.  Als 
Meister  ist  durch  Leonhardt  der  Bildhauer  LuxlohNFine  festgestellt  (s. 
dagegen  Schuchhardt,  a.a.O.,  Nr.  70,  auch  Nachtrag,   S.  171). 

Einige  Predigerbilder,    Öl  auf  Leinwand  in    anspruchslosen  Rahmen,  Maierei 
hängen  in  der  Kirche. 

3,    ***- 


153 


Kirchen  und  Kapellen 


Abb.  95.   Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Chorfront  außen,  Teilbild.    Phot.  M.B.  A.,  1928. 


154 


Neustädter  St.  Johanniskirche. 

Oeit  der  Residenzwerdung,  mit  der  die  Erweiterung  und  Befestigung 
der  Neustadt  im  Zusammenhange  steht,  genügte  die  Marienkapelle  (s.  dar. 
S.  209)  den  gottesdienstlichen  Bedürfnissen  der  anwachsenden  Bevöl- 
kerung nicht  mehr,  so  daß  um  1650  der  Gedanke  erwogen  wurde,  eine 
neue  Kirche  neben  dem  Pfarrgrundstück  auf  dem  Türckeschen,  ehemals 
von  Holleschen  Hofe  zu  erbauen,  den  Johann  Duve  für  den  Zweck  er- 
worben hatte.  Durch  die  damals  im  Gange  befindliche  Zuschüttung 
des  Judenteiches  wurde  aber  ein  Bauplatz  gewonnen,  der  einen  Kirchen- 
bau städtebaulich  günstiger  zur  Geltung  bringen  konnte. 

1661  (12.  Sept.)  bereits  gab  Herzog  Georg  Wilhelm  außer  einer  persönlichen  baugeschichte 
Beisteuer  ein  Patent*)  zu  einer  allgemeinen  Kollekte  in  seinen  Landen 
für  den  Kirchenbau.  Seit  1665  der  katholische  Herzog  Johann  Friedrich 
seinem  Bruder  Georg  Wilhelm  in  der  Regierung  der  Fürstentümer  Calen- 
berg- Grubenhagen  nachgefolgt  war,  nahm  die  Calenbergische  Landschaft 
die  Förderung  der  Baupläne  mit  besonderem  Nachdruck  auf,  um  zu 
verhüten,  daß,  durch  den  Glaubenswechsel' des  Landesfürsten  veranlaßt, 
weitere  Teile  des  Landes  und  der  Hofbedientenschaft  vom  lutherischen 
Bekenntnisse  abfielen.  Herzog  Johann  Friedrich  selber,  ebenso  die  Witwe 
Georg  Wilhelms  von  Celle,  die  inländischen  Klöster,  die  Ritterschaft 
und  die  Wolfenbütteische  Landschaft  spendeten  Beiträge;  die  Calen- 
bergische Landschaft  brachte  allein  über  17000  Taler  auf. 

Den  größten  Teil  der  Baukosten  aber  hat  Johann  Duve  getragen 
(s.  über  ihn  Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1897,  S.  412);  in  seiner 
Hand  lag  auch  die  Direktion  des  Baues.  Nach  den  Akten  des  Pfarr- 
archives  (XlXb,  Nr.  1)  lag  aber  die  technische  Leitung  in  der  Hand 
des  Bauschreibers  „Brandani  Westermanns,  welcher  von  Anfang  biss 
zum  Ende  gemelten  Bauw  mit   dirigiret,  befordert  und  aufgeführet". 

Die  Zuschüttung  des  seit  1661  als  Bauplatz  ausersehenen  Juden- 
teiches zog  sich  bis  1666  hin.  Ende  Juni  begann  die  Anlieferung  des 
von  Brand  Westermann  angeforderten  Baumaterials  (Akten  des  O.-Hof- 


")  Im  Kirchenarchiv. 

155 


Kirchen  und  Kapellen 

Marsch.-Amtes,  XI.  bei  d.  Verm.-Verw.).     Die  Bauzeit  währte  bis  1670. 
Abb.  96  Der  erste   Turm,   ein  aus  dem  Westgiebel   heraus  entwickelter  Hauben- 
dachreiter, ist  nach   Grupen   1673  eingeweiht. 

Nach  den  Akten  von  1666  im  Staatsarchive  (s.  Kranold,  Aus  der 
Geschichte  der  Hol'-  und  Stadtkirche  St.  Johannis,  1920,  S.  6)  hat  die 
Landesherrschaft  ein  Modell  zu  der  Kirche  fertigen  lassen.  Auf  einen 
Bericht    Duves    ist    1067    die    Herstellung   eines   zweiten,    wahrscheinlich 


Abb.ttü.  Hannover;  „Aedes  Sacra  Novae  Vrbis"nach  .loh.  .Joch.Zeuner  ( Pro  v.-liibl.,  Hdsc.hr.  XX  111,703). 

Der  Turm  der  Kirche   ist   der  erste,  später  abgebrochene.     Im  Hintergrunde    die   Duveschen  Häuser 

der  Hoten  Reihe.     Davor  der  Parnaßbrunnen. 

den  Bau  vergrößert  vorsehenden  Modells  veranlaßt  worden.  Welcher 
Architekt  der  Urheber  des  Bauplanes  war,  ist  bisher  nicht  bekannt. 
Habicht  (Stätten  der  Kultur,  S.  68)  verweist  auf  den  1667  in  den  Dienst 
des  Herzogs  getretenen   Italiener  Sartorio. 

Die  St.  Johanniskirche  stellt  das  erste  Gotteshaus  in  Niedersachsen 
dar,  in  dem  ein  protestantisches  Baumideal  zum  Ausdruck  kommt.  Ihre 
Stellung  innerhalb  der  Geschichte  des  protestantischen  Kirchenbaues 
in  Norddeutschland  bleibt  noch  zu  untersuchen. 

Die  ursprüngliche  Fassung  der  Kirche  ist,  abgesehen  von  dem  gänz- 
lichen Neubau  des  Westturmes,  der  1691  bis  1700  geschah,  im  Äußeren 
und  Inneren  durch  Bestaurationen  --  namentlich  1870/72  und  1902/03  - 
nicht  unwesentlich  verändert.  Einer  zweigeschossigen  Priechenanlage 
hatten  im  Äußeren  Geschoßteilungen  durch  Kaffsimse  und  quadratische 
Lichtöffnungen  entsprochen,  wie  sie  an  Chor  und  Westfront  noch  erhalten 
Abb.  95  und  97  sind.  Die  Lichtzufuhr  war  infolge  davon  beschränkt;  man  hat  deshalb 
1870/72  zugleich  mit  der  Entfernung  der  oberen  Priechen  die  Fenster 
der  beiden  oberen  Geschoßteilungen  zu  je  einem  Fenster  mit  rundbogigem 


156 


Neustädter  St.  Johanniskirche 


Abb.  !)7.     Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,   Fensterbrüstungstafeln  mit 
Frucht-  und  Blumengehängen  von  der  Chorfront.    Aufnahme  it.  Zeichnung  1925,  D. 


157 


Kirchen  und  Kapellen 


158 


Neustädter  St.  Johanniskirche 

Abschluß  zusammengezogen.  Bei  der  Beurteilung  des  ursprünglichen 
Baumausdruckes  darf  das  nicht  unbeachtet  bleiben.  Eine  auf  plastische 
Wirkung  zielende  Deckenausmalung  ist  1902/03  hinzugekommen;  ihr 
Schöpfer  ist   0.  Wichtendahl. 


Abb.  99.     Hannover;  Neustädter  Markt  mit  Kirche  und  Brunnen.      Phot.  1905. 


Die  Hof-  und  Stadtkirche  St.  Johannis  ist  eine  Saalkirche  aus  Ziegeln  Beschreibung 
mit    Hausteinverwendung.     Das    Material    von    der    1660    eingestürzten Langhaus  und  Chor 
St.   Gallenkapelle  hat  hier  Wiederverwendung  gefunden.    Das  Langhaus 
stellt  ein  Bechteck  dar  (39,2:16,4  m),   an  das  ostwärts  die  gerade  ab-  Abb.  98-101 
schließende  Chornische  angefügt  ist.    Die  Umfassungsmauern  sind   über 
dem  Sockel  in  schmalem,  geschwungenem  Profil  abgesetzt  und  mit  Ge- 
schoßteilungen   durch    Kaffsimse   hochgeführt.     Das    Hauptsims   besteht 

159 


Kirchen  und  Kapellen 


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160 


Neustädter  St.  Johanniskirche 


aus  Holz.  Breite,  von  den  Kaffsimsen  umzogene  Streben  verstärken 
die  Wandungen.  Das  mit  Pfannen  gedeckte  Satteldach  hat  über  Lang- 
haus und  Chor  gleiche  Firsthöhe  und  ist  mit  langgeschifteten  Aufschieb- 


Abb.  102.  Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Südportal  dos  Schiffes,  1925.  Anfn.  u.  Zeichn.  D. 

lingen  versehen.  Dachgauben  sind  in  zwei  Reihen  auf  den  Dachflächen 
angeordnet  (nach  Zeuners  Bild  ehemals  in  drei  Reihen).  Das  östliche 
Firstende  trägt  einen  Dachreiter  von  acht  Seiten  mit  geschwungener, 
kupfergedeckter  Haube. 


11 


161 


Kirchen  und   Kapellen 

Die  beiden  Haupteingänge  in  der  Nord-  und  Südseile  des  Schiffes 
sind  korbbogig  geschlossen  und  durch  eine  Säulenstellung  und  plastischen 
Schmuck  hervorgehoben.     Sie  wurden   1902/03  von  ihrer  ursprünglichen 


Abb.  103.    Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Innenansicht  gegen  die  Orgel. 

Pliot.  M.  B.A.,  1928. 

Stelle  im  zweiten  westlichen  Joch  in  die  Mittel- Querachse  des  Schiffes 
Abb.  102  verlegt.  Das  südliche,  reicher  ausgebildet,  verrät  in  seiner  Ornamentik 
die  Hand  des  Meisters  der  Duvekapelle  (s.  dar.  Schuchhardt,  Bildh.  d. 
Ren.,  Nr.  106).  Zwei  rechteckig  umrahmte  Nebeneingänge  im  östlichen 
Langhausjoch  erschlossen  die  ehemals  dort  belegenen  Priechenaufgänge; 
bestehen  aber  seit  1902/03  nicht  mehr. 

162 


Neustädter  St.  Johanniskirche 

Der  Innenraum  von  Schiff  und  Chor  ist  durch  je  eine  am  Dachstuhle 
aufgehängte  Tonne  geschlossen:  über  dem  Schiff  in  Kreissegment-,  über 
dem  Chore  (von  jeher  etwas  niedriger;   1902  neu  eingewölbt)  in  Halb-  Abb.  101 
kreisform.    Das  Kämpfersims  tritt  nur  schwach  vor. 

Der  Chorfußboden  liegt  um  mehrere  Stufen  erhöht.  1777  wurde  der 
Chor  in  flachem  Bogen  gegen  das  Schiff  hinausgeschoben;  die  Restau- 
ration von  1870 — 72  gab  ihm  einen  rechteckigen  Mittelausbau  mit  Treppen 
zu  beiden  Seiten.  Seit  1902/03  besteht  die  heutige  geradlinige  Stufen- 
anlage quer  über  das  Schiff  von  Wand  zu  Wand. 

Der  Fußboden  des  Schiffes  war  vor  1902  mit  Grabplatten  belegt, 
da  der  Kirchengrund  in  ausgedehntem  Maße  von  ausgemauerten  Grab- 
kammern  eingenommen   war,   zu   deren   Abdeckung   die    Steine   dienten. 

Die  Gemeindeprieche  ist  eingeschossig  in  Hufeisenform  auf  Holz-  Abb.  103 
stützen  mit  profilierten  Kopfbändern  angeordnet.  Von  dem  ehemaligen 
oberen  Priechengeschoß  besteht  nur  noch  die  Orgelprieche  an  der  Turm- 
wand mit  neuem,  gegen  das  Schiff  herausgeschwungenem  Mittelteil. 
Die  Priechenbrüstungen  zeigen  die  Einteilung  in  Felder,  bewirkt  durch 
Verkröpfungen  von  Doppelsäulchen  gedrehter  Form.  Die  Verkröpfungen 
enden  unterwärts  in  Hängezapfen  und  sind  unterhalb  der  Felder  durch 
Tuchgehänge  in  Schnitzarbeit  verbunden.  Die  vorhandenen  vierund- 
vierzig Brüstungsfelder  enthalten  in  Goldrahmen  Ölgemälde  auf  Lein- 
wand, von  unbekannten  Kleinmeistern  gemalte  Begebenheiten  aus  der 
Leidens-  und  Herrlichkeitsgeschichte  Christi.  Die  obere  Prieche  hat 
vermutlich  entsprechenden  Schmuck  enthalten.  Die  Bilder  waren  von 
Duve  geschenkt. 

Die  ursprüngliche  helle  Farbgebung  des  Innern  war  1840  durch 
einen  braunen  Farbüberzug  an  allen  Holzteilen  und  Zieraten  verdeckt  und 
ist  1902/03  in  Weiß  und  Gold  wiederhergestellt.  Die  Decke  war  bis  dahin 
ohne  Ausmalung. 

Der  Vorläufer  des  jetzigen  Westturmes  war  nach  der  Abbildung  von  Turm 
Zeuner  (um  1675)  mit  quadratischem  Fachwerkkörper  aus  dem  West- 
giebel der  Kirche  heraus  nur  wenig  über  die  Firsthöhe  des  Kirchendaches 
hinaufgeführt.  Der  Helm  setzte  mit  schrägem  Anlauf  an,  wurde  in  niedri- 
gem Tambur  ins  Achteck  übergeleitet  und  öffnete  sich  über  einem  hauben- 
artigen Zwischenstück  zur  achtseitigen  Laterne.  Die  Spitze  war  in  ge- 
schwungener Linie  ausgezogen.  Die  „höltzeren  Pillaren",  auf  denen 
dieser  Turm  im  Dachstuhl  gegründet  war,  waren  kurz  nach  1669  morsch 
geworden,  so  daß  der  Turm  einzustürzen  drohte.  Man  legte  ihn  daher 
nieder  und  begann  1691  unter  der  Regierung  des  Kurfürsten  Ernst 
August  mit  dem  Neubau  des  jetzt  vorhandenen  Turmes  „unter  Zuziehung" 
Brand  Westermanns  (Akte  im  Pfarrarch.  XlXb,  Nr.   1).    Zu  der  Bau- 

163 


Kirchen  und  Kapellen 


Abb.  104.    Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Turmfront.    Aul'n.  1925,  D.U. N.,  Reinzeichn.  D, 


Neustädter  St.  Johanniskirche 

summe  soll  die  Gräflich  von  Platensche  Familie  den  Hauptteil  beige- 
steuert haben.  Dafür  soll  ihr  die  Durchgangshalle  des  Turmes  und  der 
Keller  darunter  als  Grabkammer  zugestanden  worden  sein  und  ist  als 
solche  auch  benutzt  bis  1926.  Der  neue  Turm  ist  im  Juni  1700  vollendet 
worden.    Der  Architekt  ist  wiederum  nicht  bekannt. 

Der  neue  Turm  ist  dem  Westgiebel  der  Kirche  vorgesetzt.     Sein  im  Abb.  104. 
Grundriß  quadratischer  Körper  aus  Sandsteinquadern  nicht  ganz  gleicher 
Schichtenhöhen    ist   über  dem  Fundament    in  gleichem  Profil  abgesetzt 
wie  die  übrige  Kirche.    Die  Gliederung  des  Turmes  läßt  in  großen  Maß- 


Abb.  105.  Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Portal  im  Westgiebel  der  Kirche,  1926  wieder  geöffnet. 
Nach  gleichzeitiger  Autnahmezeichnung  des  Archit.  Schädtler. 


165 


Kirchen  und  Kapollen 

Verhältnissen  das  auf  allen  vier  Seiten  mit  flachen  Dreiecksgiebeln 
schließende  und  jederseits  in  nur  einem  fast  7  m  hohen  Rundbogen- 
fenster geöffnete  Hauptgeschoß  hervortreten.  Sein  Unterbau  ist  in  zwei 
Sockelgeschossen  gestelzt,  von  denen  das  untere  die  volle  Höhe  bis  zum 
Hauptsims  des  Langhauses  einnimmt.  Es  enthält  die  gewölbte  Durch- 
\)>i).  105  gangshalle  mit  säulengeschmücktem,  antikisierendem  Portal  und  hohen 
Rundbogenfenstern;  an  den  Kanten  sind  Wandvorlagen  vorgekröpft. 
Das  obere  Sockelgeschoß  ist  niedrig  und  einfach.  Den  Abschluß  des 
Turmkörpers  bildet  ein  ins  Achteck  überführtes  Glockengeschoß,  das  durch 
Rundbogenöffnungen,  wechselnd  mit  Blendnischen,  Leichtigkeit  erhält 
und  in  vasenbekrönter  Balustrade  endet. 

Der  kupfergedeckte  Helm  hebt  in  einem  achtseitig -prismatischen 
Uhrgeschoß  an  und  geht  dann  in  konkav  geschwungenen  Flächen  zur 
offenen  Laterne  über.  Die  Haubenspitze  ist  durch  ein  trommelartiges 
Zwischenstück  gegürtet  und  schließt  in  Kugel,  Wetterfahne  (die  alte 
mit  dem  hannoverschen  Pferde  von  1702  ist  im  Leibnizhause)  und  Kreuz. 

Sakristei  Eine  Sakristei  hat  als  Anbau  bis  1840  bestanden,  den  Spuren  nach 
in  dem  Nordostwinkel  zwischen  Chor  und  Schiff.  Die  Abbildungen  des 
17.  und  18.   Jahrhunderts  zeigen  sie  noch  nicht. 

Treppenhäuser  Je  ein  zweigeschossiges  Treppenhaus  am  Westende  des  Langhauses, 
sowohl  nord-  wie  südwärts  hinausgebaut,  ist  wahrscheinlich  eine  Er- 
weiterung während  des  Baues.  Das  nördliche  ist  von  geringeren  Ausmaßen 
als  das  südliche.  Zeuners  Zeichnung  um  1675  stellt  die  Treppenhäuser  mit 
Dachreitern  auf  den  Firstenden  dar,  die  heute  fehlen. 

Ausstattung  Bariug  berichtet  (Zur  Hann.  Kirchenhistorie,  S.  85/86),  Altar  und 
Altäre  Kanze]  seien  aus  der  alten,  1382  erbauten  Kapelle  U.  L.  Frauen  (s.  das.) 
herübergenommen.  Nach  Schuster  (K.  u.  K.,  S.  22)  soll  in  der  Schloß- 
kirche 1667  ein  neuer  Altar  angefertigt  und  der  über  der  damals  angelegten 
herzoglichen  Gruft  stehende  wahrscheinlich  der  Neustädtcr  Kirche  über- 
wiesen worden  sein.    Beide  Altäre  sind  verschollen. 

Durch  eine  Verfügung  des  churfürstlichen  Konsistoriums  vom  30.  No- 
vember 1758  wurde  anerkannt,  daß  der  bisherige  Altar  in  der  St.  Johannis- 
kirche  von  gar  schlechter  Struktur  sei  und  der  Kirche  nicht  allein  zu  keiner 
Zier  gereiche,  sondern  auch  daneben  selbige  sehr  verdunkele;  auch  die 
Kanzel  sei  für  den  Prediger  unbequem.  Fromme  Stiftungen  der  Kramer- 
gilde und  Kollekten  brachten  die  Mittel  zu  einem  neuen  Altar  auf;  am 
21.  Sonntage  nach  Trinitatis  1759  wurde  dieser  geweiht.  Diesen  heute 
noch  vorhandenen  Altar  mit  eingebauter  Kanzel  hat  nach  Ausweis  der 
Kirchenakten  der  Hofarchitekt  Johann  Paul  Heumann  nach  seinem 
Entwürfe  auf  einen  Befehl  vom  19.  Februar  1759  anfertigen  lassen. 
Heumann    starb   im   gleichen    Jahre.     Die    Tischlerarbeiten    lieferte    der 

166 


Neustädter  St.  Johanniskirche 

Meister  Vahren,  die  Bildhauerarbeiten  der  Hofbildhauer  Friedrich  Zieseniß 
und  die  Maler-  und  Vergolderarbeiten  der  Vergolder  Bartels.  Das  Altarbild 
unter  der  Kanzel  wurde  gleichzeitig  gemalt.  Der  Name  des  Malers  geht 
aus  den  Akten  nicht  hervor. 


Abb.   106.     Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Kanzelaltar.    Phot.   Bleibaum,  1913. 


Der  Heumannsche  Kanzelaltar  ist  aus  einer  die  Chornische  abschlie-  Abb.  106 
ßenden    Schalwand    herausgebaut,    welche    die    dahinterliegenden    beiden 
Sakristeien  und  die  zur  Kanzel  führende  Treppe  verbirgt.   Die  Architektur 
der  Schalwand  ist  als  Pilasterstellung  korinthischer  Art  mit  hohem  Stylobat 
und  Gebälk  ausgebildet.    Dem  Stylobat  vorgekröpft  sind  Postamente  für 

167 


Kirchen  und  Kapellen 

Holzstatuen  (Glaube,  Liehe,  Geduld,  Hoffnung).  Im  Zustande  vor  1902 
reichten  die  äußersten  Enden  der  Schalwand  nur  mit  dem  Sockel  bis  an 
die  Seitenwände  des  Chores.  Darauf  standen  die  Figuren  frei  vor  einem 
Vorhang.  Das  Mittelstück  der  Schalwand  ist  als  Hinterbau  der  Mensa 
mittels  viertelkreisförmiger  Übermittlungen  beiderseits  vorgezogen,  in 
denen  je  eine  rundbogige  Tür  den  Umgang  um  den  Altar  ermöglicht. 
In  den  Feldern  oberhalb  der  Archivolten  sind  vergoldete,  breit-rechteckige 
Flachreliefs  von  Johann  Friedr.  Ziesenis  angebracht:  Taufe  Christi  und 
Ausgießung  des  heiligen  Geistes.  Beiderseits  des  Mittelstückes  angeordnete, 
den  erwähnten  entsprechende  Postamente  tragen  die  Figuren  des  Moses 
und  Johannes  des  Täufers.  Oberhalb  der  Mensa  tritt  zwischen  den  die 
Altarrückwand  beseitenden  Pilastern  der  Kanzelstuhl  mit  geschwungenen 
Brüstungsflächen,  reich  verschnörkelt  und  profiliert,  freischwebend  hervor. 
Der  Schalldeckel  ist  aus  dem  Hauptgesims  herausgebildet  mit  Verkröpfun- 
gen  und  Volutenbügeln,  auf  denen  Putten  in  bewegter  Haltung  und 
zwischen  denen  Kranzgehänge  und  Kartuschen  angebracht  sind.  Als 
Bekrönung  erhebt  sich  darüber  die  Figur  des  triumphierenden  Heilandes. 
Das  unterhalb  des  Kanzelbodens  über  der  Mensa  in  vergoldetem  Bokoko- 
rahmen  eingelassene  Altarbild  stellt  das  heilige  Abendmahl  dar  (über 
den  Kanzelaltar  s.  Bleibaum,  a.  a.  0.,  S.  276  ff.), 
chorschranke  Gelegentlich  der  1777  geschehenen  Veränderung  des  Chores  wurde 
dieser  in  flachem  Bogen  mit  einer  Balustrade  abgegrenzt.  1840  wurde  die 
Chorplattform  mit  einer  rechteckigen  Balustrade  umzogen.  Bei  der 
abermaligen  Veränderung  des  Chores  1902/03  ist  die  Balustrade  entfernt 
worden. 
Gestühl  Das  ältere  Kastengestühl  war  ohne  Mittelgang  angeordnet  und  hatte 
1870  braune  Farbgebung  erhalten.  Das  gegenwärtig  vorhandene  Gestühl 
ist  1902/03  eingebaut. 

Ein  herzoglicher  Stuhl  auf  der  untersten  Prieche,  von  der  Kanzel 
rechts,  war  ohne  besonderen  Aufwand. 
Glocken  Eine  Glocke,  D.=  1,03,  1672  von  Meister  Ludolf  Siegfriedt  gegossen. 
Blattornamente  am  oberen  Bande ;  Inschrift  in  lateinischen  Großbuchstaben : 
FUERSTLICHE  CALENB.  LANDSCHAFT  IN  ANNO  1672  VERBUM  DOM  INI 
MANET  IN  AETERNUM  M;  LUDOLE  SIEGFRIEDT  HAT  MICH  GEGOSSEN. 

Eine  kleinere  Glocke,  D.  =  0,73,  1672  von  L.  Siegfriedt  gegossen. 
Blattornamente  am  oberen  Rande;  Inschrift  in  lateinischenGroßbuchstaben. 
FUERSTL.  CALENBEROISCHE  LANDSCHAFT  IN  ANNO  1672  M.  LUDOLF 
SIEGFRIEDT  HAT  MICH   GEGOSSEN. 

Eine  Glocke,  D.=  1,55,  1871  von  J.  H.  Bartels  in  Hildesheim  gegossen. 

Bedecker  hat  zum  Jahre  1746  (Chrom,  S.  1053)  die  Notiz:  „Die  große 
Glocke,  welche  der  Bürger  Schulitz  im  Testamente  geschenkt  /  1730  /  ward 
umgegossen." 

168 


Neustädtcr  St.  Johanniskirche 


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169 


Kirchen  und  Kapellen 

orgoi  Nach  einer  Nebenbemerkung  in  den  Kirchenakten  (Kranold,  a.  a.  ()., 
S.  10)  hatte  die  erste  Orgel,  die  vielleicht  aus  der  früheren  Marienkapelle 
herübergenommen  war,  ihren  Platz  auf  der  Nordprieche.  Redecker  bringt 
die  nähere  Bezeichnung  „beim  Churfürstlichen  Stuhl"  (Chron.,  S.  753). 
Eine  neue  Orgel  wurde  gleichzeitig  mit  dem  Turmneubau  ausgeführt 
und  1702  vollendet.  Als  Meister  nennt  eine  in  der  Kirche  aufgehängte 
Tafel  den  Hoforgelbauer  H.  Willenbroch.  Der  Orgelprospekt  ist  laut  einer 
Widmungstafel  1700  entstanden.  Die  Ornamentik,  im  wesentlichen  Ohren- 
und  Kartuschenwerk,  steht  den  Arbeiten  des  Bildschnitzers  Conrad  Heinrich 
Bartels  nahe  (s.  Bleibaum,  a.a.O.,   S.  109/110). 

Taufe  Barocke,  holzgeschnitzte  Kelchtaufe,  datiert  1760;  H.  ==  1,55,  Becken- 
durchmesser =  0,32.    Meister  Fr.  Ziesenis;  jetzt  im  Provinzialmuseum. 

Abb.  io7a  und  io7b  Eine  Entwurfskizze  oder  Handzeichnung  von  Ziesenis,  datiert  17X7, 
nach  der  Hofkirchentaufe  liegt  in  den  Pfarrakten  zu  Neustadt  a.  Rbge.  Der 
dortigen  Kirche  gehört  eine  von  Ziesenis  nach  dem  Muster  der  Taufe  in 
der  Hofkirche  gefertigte  Taufe.  Eine  dritte,  gleiche  Taufe  befindet  sich 
in   der   Kirche   in   Niedernstöcken,    Kr.  Neustadt   a.  Rbge. 

gerate,  gk-  Ein  Ciborium,  Silber.    Rechteckiges,  auf  vier  Kugeln  gelagertes  Käst- 

l-Ässii,  stoiie  c]u,n  von  (|e,.  Grundfläche  10,5  :  5,  H.  =  4,5.    An  der  Vorderfläche  zwei 

Ciborium 

Wappen  in  Gravierung,  oberhalb  derselben  die  Buchstaben:  F.  M.  und 
A.  C.  L.  (Friedr.  Molinus  und  seine  Frau,  geb.  Limborch.)  Auf  dem 
Deckel  ein  Kruzifixus  in  Hochrelief  zwischen  anbetenden  Engeln.  Inschrift 
auf  der  Rückseite:  Zu  Eobe  Gottes  und  Ehren  yst  dye  Bundeslade  des 
Herrn.  Unter  dem  Boden:  1631. 
Reiche  Ein  Kelch,  Silber,  vergoldet,  IL  =20,6;  runder  Fuß,  I).  =  15;  Kuppa- 
durchmesser  =  12,1.  Der  Fuß  hat  auf  dem  Anlauf  vier  Reliefmedaillons: 
Maria  mit  dem  Kinde,  .Johannes  d.  T.  mit  Lamm  und  Buch,  die 
Auferstehung  Christi,  St.  Anna  Selbdritt.  Die  übrige  Fläche  ist  von 
Rankenwerk  nach  Aldegreverschen  Stichen  überzogen.  Der  Ständer  ist 
rund,  der  Knauf  flach  und  mit  sechs  Engelsköpfchen  besetzt.  Dazwischen 
Rosetten  -  ehemals  mit  Edelsteinen  -  und  blattförmige  Felderteilung 
mit  Rankenwerk.  Die  Kuppa  ist  niedrig,  unten  gerundet,  dann  leicht 
trichterförmig  ansteigend.  An  ihrem  Anlauf  ziseliertes  Rankenwerk. 
Abb.  ins  Inschrift  auf  dem  Fußrande:  FECIT  ME  FIER1  VIRGO  ANNA  KA 
+  REISEN  ABATISSA  HVIVS  MONASTKRII  +  ANNO  DOMINI  1536 
Beschaustempel  (Löwe?)  undeutlich.  Meisterzeichen  in  den  Beliel- 
medaillons  zweimal  vorkommend:   G.  IL 

Die  zum  Kelch  von  1536  gehörende  Palene,  Silber,  vergoldet,  hat 
auf  dem  sehr  breiten  Bande  das  in  einem  Kreise  eingravierte  Bild  des 
Lammes  und  zu  dessen  Seiten  die  Widmung:  Georg  Hoyer  Rittmester 
Anna  Christine  Hengestmann  haben  diesen  Kelch  hierher  verehrt  1649. 

170 


Neustädter  St.  Johanniskirche 

Ein  Kelch,  Silber,  vergoldet,  H.=  21,  Fußdurchmesser  =  15,75, 
Kuppadurchmesser  =  10,<S,  Arbeit  um  1710.  Fuß  sechspassig;  Knauf 
birnförmig;  Kuppa  flach  gerundet  und  steilwandig.  Meisterzeichen:  G.  H. 
Beschaustempel:  Löwe.  Inschrift  unter  dem  Fuße:  CLARA  COCKS 
MEISTER  HENNIGE  WULFFES  EFRAVE  BUERGER  VND  SENCKELER  ( ?). 


Abb.  108.  Hannover; Neustädter  St.  Johanniskirche. Kelch.  Phot.  E.Heuer,1929. 
Druckstock :  Verkehrs-Amt, 

Ein  Kelch,  Silber,  vergoldet,  H.  =  19;  15.  Jahrhundert.  Leihgabe  aus 
dem  kgl.  Silberschatz.  Fuß  sechspassig;  Knauf  flach,  mit  sechs  rhom- 
bischen Rotuli,  auf  denen  die  gotischen  Kleinbuchstaben  m-a-r-i-a 
(verkehrt  herum)  stehen.  Auf  dem  runden  Schaftstück  unter-  und  oberhalb 
des  Nodus:  cristvs  und  ihesvs,  je  mit  Blattornament.    Die  Kuppa  ist 

171 


Kirchen  und   Kapellen 


Kl'U/lfl\ll- 


steilwandig  und  trichterförmig.  Inschrift  am  Fuß:  barbare  §  dorothee  § 
sancte  ^  nicolai  §  eterasmi  egidii  et  §  gev  §  ro  §  malecri  (?)  inhonor  § 
dei  §  et  beate  marie  §  kathere.  Unter  dem  Fuße:  Engel  +  Dams  Hans  + 
I  linrieh  Weherling  +  Kaptein     -  1631  (eingeritzt). 

Ein  Kruzifixus,  Silber,  getrieben,  II.  =  90,5,  ist  Leihgabe  des  herzog- 
lichen Hauses.  In  Kartuschen  am  Fuß  zweimal  das  Monogramm 
Christian  Ludwigs  (geb.  1622,  gest.  1665).     Kein  Meisterzeichen. 


Links: 

Abb.  lim.     Hannover;  Neustädter  St.  Johannis- 

kirche,  Leuchter. 

Unten : 

Abb.   IIb.     Hannover;  Neustädter  St.  Johannis- 

kirche,  Vase. 


i.euchter  Zwei  gleichartige  Altarleuchter,  Silber.  Der  eine,  77  cm  hoch,  ist  eine 
Nachbildung  des  zweiten,  78  cm  hohen.  Fuß  kreisrund,  D.=  31,  auf  drei 
Kugeln    ruhend    und    mit    Engelsköpfchen   zwischen    Blumenkörben   und 

Abb.  io9  Rankenwerk  in  getriebener  Arbeit  verziert:  der  sich  verjüngende  Schaft 
ist  von  drei  Knäufen  unterbrochen.  Lichtteller:  1).=  20.  Inschrift  des 
kleineren:  üonum  I.  A.  H.  Ao.  1734.  Meisterzeichen:  SELLE.  Der  zweite 
Leuchter  ist  reicher  und  von  Philipp  Huntemann  ausgeführt.  Inschrift: 
ANNA  MAGDALENA  ANDREN  WITWE  LUETHERLOEN  ANNO  1711 
DEN  31.  OCTOBER  (vgl.  Bleibaum,  a.  a.  O.,  S.  23).  Beschaustempel:  Löwe. 


172 


Neustädter  St.  Johanniskirehe 

Aus  einem  weiteren  silbernen  Leuchter  sind,  wie  die  Inschrift  sagt, 
zwei  Blumenvasen  hergestellt,  je  42  cm  hoch.  Inschrift:  E.  A.  Boettger 
geben  diesen  Leuchter  zu  Gottes  Ehren  wegen  ihrer  seligen  tochter  Anna 
Augusta  1741.  Dieser  Leuchter  ist  mit  Bewilligung  der  Erben  1777  in 
zwo  Blumentöpfe  umgearbeitet  worden. 

Eine  Taufschale,  Silber;  Fuß  rund,  D.=  16;  Becken  rund,  ü.  —  24;  Taufschaie 
ganze  Höhe  15  cm.  Im  Grund  der  Schale  eine  Darstellung  der  Taufe 
Christi  durch  Johannes  in  getriebener  Arbeit  (vgl.  die  Taufschaie  der 
Ägidienkirche).  Umschrift  um  das  Reliefbild:  Wer  glaubt  und  wird 
getauft,  der  ist  durch  Christi  Blut  erkauft.  Am  Rande  des  Gefäßes  außen: 
Anno  1752  haben  Herr  .Johann  Ludolf  Pape  und  Anna  Margareta  Papen 
gebohrne  Mensingen  gegeben  dieses  Gefas  zu  Ehren  der  Heilegen  Taufte 
in  St.  Johannis  Kirche  zu  Hannover  (in  Großbuchstaben).  Am  Rande  und 
unter  dem  Fuße  Beschaustempel:  Kleeblatt  mit  12;  Meisterzeichen:  BHC 
(Cortnum),  s.  M.  Rosenberg    II,  Nr.  2199. 

Zwei  Vasen,  Silber,  Höhe  je  60  cm.  Weihgaben  zum  Friedensfeste  1814  Vasen 
von  Bürgern  der  Neustadt.  Arbeit  des  Goldschmiedes  Gottlieb  Matthias. 
Empire.  Inschrift  auf  der  einen  innerhalb  eines  Lorbeerkranzes  deutsch;  Abb.  no 
auf  der  anderen,  umgeben  von  Eichenzweigen,  gleichen  Sinnes  in  lateinischer 
Sprache :  Exoptatissimae  pacis  post  immensas  crudelissimi  belli  vexationes 
Manifesto  Summi  Numinis  Auxilio  Gentium  Pietate  Patriaeque  Amore 
conjunetarum  constantia  Impetralae  1).  30.  Maji  Sancitae  D.  24.  Julii 
Celebratae   Memoriae.  Dejicitur  solio  avo  vult    deus  esse  tyrannus. 

Exsolvas  Hannoverane,  vota  tua. 

Grati  animi  Signum  vasa  haec  esse  voluit.civium  quorundam  Hanno- 
veranorum  juneta   pietas  (vgl.  Spilcker,  a.  a.  0.,   S.  481). 

Nach  Redecker  (Chron.,  S.  842)  wurden  am  ersten  Advent  1742  blaue,  Stoffe 
mit  Silber  besetzte  Altar-  und  Kanzeltücher  zum  ersten  Male  aufgelegt. 
Das  Provinzialmuseum  bewahrt  Stoffe  gleichen  Zweckes  auf. 

Statue  des  Evangelisten  Johannes,  Sandstein,  H.  —  1,60,  in  der  Konche  sonstige 
über  dem  Turmportale  außen.    Meister  vielleicht  der  der  Figuren  an  der  J^J.^tändf 

DllVekapelle.  Bildwerk 

Standmal  des  Cord  Holling  und  seiner  Familie,  f  1650.  Kirche  außen,  Grabmäier 
Südseite,  H.  =  2,98,  Br.  =  0,72.  Meister  wahrscheinlich  Peter  Köster 
(s.  Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  94).  Schmale  Stele  von  viergeschossiger  Ein- 
teilung mit  Abschluß  durch  einen  Schnörkelgiebel.  In  Reliefbildern  (Grab- 
legung Christi  und  Auferstehung)  sowie  in  umrahmenden  Hermenkaryatiden 
bestehen  Parallelen  zu  solchen  am  Erker  des  Leibnizhauses. 

Die  außerdem  an  der  Kirche  außen  angebrachten  Grabplatten  und 
Standmale  umfassen  die  Zeitspanne  von  1693  bis  1710.  Es  sind  rechteckige 
Steine  mit  Aufschrift  und  Wappen,   meist  ohne  Zierat.     Folgende  Namen 

173 


Kirchen  und  Kapellen 

kommen  vor:  Nicolaus  Gert  Uden,  Fürstl.  Lakei  (der  Siegeskurier  von 
Wien)  1683;  Clara  Elisabeth  von  Koppenstein,  f  1721 ;  Fürstl.  Stallmeister 
Honrichs,  t  1704;  Witwe  des  Dr.  Lutterloh,  errichtet  1707;  Hofrat  Anton 
Lucius,  •(•  1704;  Marquise  de  Laforest,  geb.  v.  Schütz,  f  1710;  Cämmerer 
Sinold,  gen.  v.  Schütz,  f  1710;  Fr.  Luthenius,  f  1735;  Christian  Ludwig 
Kotzebue,  f  1704;  Oberstallmeister  Isaac  Anton  Dupuy,  f  1700;  Simeon 
de  la  Chevalerie,  f  1693;  Carolus  Mauritius  Raugravius  Palatinus  Rheni, 
f  1702;  Anna  Catharina  Schubs,  Herrn  Brand  Westermanns  Eheliche 
Hausfrau,  f  1714;  Brand  Westermann,  Fürstl.  Br.  Lb.  Hofbauschreiber, 
geb.  1646,  t  1716,  den  20.  August;  Generalleutnant  v.  Ohr,  f  1703;  Herrn. 
Billerbeck,  f  1701. 

i.eibniz'  Grabplatte  Grabplatte,  rechteckige  Form,  ohne  Schmuck,  lediglich  mit  der 
Aufschrift  in  Messingbuchstaben:  OSSA  LEIBNITII.  Nach  Brönnenberg 
(a.  a.  O.,  S.  51)  lag  der  Stein  ursprünglich  in  dem  von  dem  Gestühl  ge- 
bildeten Gange  linker  Hand  vom  Altar.  Sein  jetziger  Platz  ist  vor  den 
Altarstufen  südlich  der  Mitte.  Die  Gruft  Leibnizens  ist  verschüttet 
(über    Leibnizens    Grabstätte    s.  H.  Graeven    in    H.  G.  1902,    S.  375  ff.). 

Maierei  Die  vorn  erwähnten  24  Ölgemälde  in  den  Emporenbrüstungen  mit 
Darstellungen  aus  der  Leidens-  und  Herrlichkeitsgeschichte  des  Heilands 
erheben  sich  über  das  gewöhnliche  künstlerische  Maß.  Ihre  Urheber  sind 
unbekannt.  Ein  Ölbild,  Kreuzigung  Jesu,  auf  Leinwand,  einfacher 
Goldrahmen,  Hochform.  0,80 v  1,40,  um  1700,  in  der  Sakristei. 

Die  alte  Fensterverglasung  bestand  vermutlich  nur  in  einzelnen 
Wappenscheiben  der  Calenbergischen  Rittergeschlechter.  In  den  land- 
ständischen Akten  von  1669  wird  die  Ritterschaft  ersucht,  „mit  einem 
Beitrage  zu  coneurrieren".  Die  großen  Städte  steuerten  nur  5  Taler  bei. 
Bei  der  Zusetzung  der  Giebelfenster  im  Chor  erhielten  die  dort  befindlichen 
Glasfenster  andere  Plätze:  ein  Glasfenster  mit  Blumenkranz  und  der 
Jahreszahl  1670  südlich  der  Orgelprieche  an  der  Westwand;  ein  Wappen 
Johann  Friederichs  im  Ostteil  des  Schiffes  an  der  Südwand;  ein  Alliance- 
wappen  Braunschweig-Lüneburg  und  Bayern  im  Ostteil  des  Schiffes  an 
der  Nordwand. 

Memorienschiwier  Zwölf  Memorienschilder  zum  Gedächtnis  von  Predigern  des  18.  Jahr- 
hunderts. Ovale  Bildnisse  auf  Holz  in  reichgeschnitzten  Umrahmungen. 
H.=  etwa  2,50;    Bi\  =  etwa  1,75.     Hervorzuheben    sind    die    folgenden: 

Memorienschild  des  Superintendenten  Anton  Steding.  Bleibaum 
(Bildschnitzerfamilien,  S.  143)  setzt  es  nicht  vor  1710.  Es  schließt  sich 
an  das  dem  Meister  Conrad  Heinrich  Bartel  nahestehende  Billerbecksche 
Memorienschild  an  (s.  darüber  a.  a.  O.,   S.  110). 

Abb.  in        Memorienschild   des  Anton  Friedrich   Steding,   des   Sohnes  des  Oben- 
genannten;  zeitlich   dem  vorigen  nahestehend  (s.  darüber  a.a.  0.,  S.  144). 

174 


Neustädter  St.  Johanniskirche 

Die  Memorienschilder  des  Levin  Burchardt  Langschmid  und  des  David 
Ruppert  Erythropel  sind  Gegenstücke  der  vorigen  und  haben  gleiche  Form 
und    Größe. 


Abb.  111.    Hannover;  Neustädter  St.  Johanniskirche,  Memorienschild  des  jüngeren 
Steding.     Aufnahme  und  Zeichnung  1(.I25,  D. 

Die  Memorienschilder  des  H.  E.  König  und  des  Superintendenten 
Balthasar  Menzer  sind  ebenfalls  Gegenstücke.  Ihre  Widmung  ist  auf 
Veranlassung  des  Dav.  Willi.  Erythropel  erfolgt.  Vielleicht  kommt  (nach 
Bleibaum,  a.  a.  0.,  S.  147)  für  sie  der  Hofbildhauer  Ackermann  in  Frage. 

Bleibaum  (a.  a.  0.,  S.  197)  bezeichnet  als  möglich,  daß  die  dem  Ernst 
Dietrich  Bartel  als  nahestehend  bezeichneten  Memorienschilder  von 
Ackermann  herrühren. 


175 


Kirchen  und  Kapellen 

Memorienschild  der  Kath.  Dorolh.  Altroggen,  1687.     Holz,  Westwand. 

Memorienschild  der  Anna  Witzenhausen,  1689.  Holz,  Westwand. 
Beide  von   gleicher  Größe  (H.  =  1,95),  und   Schnitzarbeit. 

Memorienschild  der  Familie  Lotterloh,  1721.  Kupfer  auf  Holz 
getrieben;   signiert:  ,,fecit  P.  J.  Hornnng".      Südwand. 

Memorienschild  der  Anna  Elisab.  Reiche,  1714.  Messing  auf  Holz 
getrieben;  signiert:  „P.  J.  Hornnng".     Nordwand. 

sarge  Die  über  der  Platenschen  Gruft  (in  der  1927  wieder  geöffneten  Turm- 
halle) aufgestellt  gewesenen  Särge  der  Gräfin  Elisabeth  v.  Platen  und 
ihres  Gatten,  des  Hofmarschalls  v.  Platen,  bewahrt  jetzt  das  Vaterländische 
Museum  auf.  Der  Sarg  und  das  Castrum  doloris  der  Elisabeth  v.  Platen 
ist  in  deren,  von  Giusti  illustrierten  Leichenpredigt  abgebildet  (ein 
Exemplar  im  v.  Altenschen  Archiv  zu  Linden,  eines  in  der  vormals  Königl. 
Bibliothek;  Memoriae  nobil.  Br.-Luneb.). 

Wappen        Im    Giebelfelde    des  Turmportales,    außen,    Wappen  des  Kurfürsten 
Ernst  August.     Vor  1692. 

Kirchhof  Nach  Grupen  und  Redecker  ist  ,,1675  die  Mauer  rings  um  den  ganzen 
Kirchhof  zu  legen  angefangen".  Sie  war  mannshoch  und  ist  1800  ab- 
gebrochen. Als  Gemeindefriedhof  diente  aber  für  gewöhnliche  Begräbnisse 
der  bereits  1646  angelegte  Friedhof  an  der  Langen  Laube  (s.  das.). 


176 


Reformierte  Kirche. 

Der  Ausbreitung  des  reformierten  Bekenntnisses,  gegen  das  der  Rat 
im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  wiederholt  durch  Verordnungen  schroffe 
Stellung  genommen  hatte,  standen  seit  der  Residenzwerdung  Hannovers 
nicht  mehr  so  starke  Hindernisse  entgegen.  Die  Einführung  des  Gesenius- 
schen  Katechismus  1638  und  die  Unterdrückung  des  Widerspruches 
dagegen  sind  für  die  Lage  in  Braunschweig-Lüneburg  bezeichnende 
Hauptereignisse.  Die  oberen  Schichten  der  Bevölkerung  und  der  Hof 
verhielten  sich  in  ihrem  religiösen  Denken  durchaus  nicht  lau,  aber  duldsam. 
Der  Kurfürst  Ernst  August  war  lutherisch,  seine  Gemahlin  Sophie 
reformiert. 

Als  infolge  der  Aufhebung  des  Ediktes  von  Nantes  1685  sich  ein  Strom 
französischer  Flüchtlinge  nach  Deutschland  hinein  ergoß,  öffnete  auch  das 
Kurfürstentum  Hannover  ihm  seine  Tore.  Wie  in  Celle,  Lüneburg  und 
Hameln,  so  bildete  sich  auch  in  Hannover  eine  französische  reformierte 
Gemeinde  unter  der  Fürsorge  der  Kurfürstin  selbst.    Sie  verschaffte  der 


Abb.  112.    Hannover;  Reformierte  Kirche,  abgebrochen  1896.     Phot.  1894. 


12 


177 


Kirchen  und  Kapellen 

Gemeinde  ihren  ersten  Prediger,  Etienne  de  Maxuel.  Der  Gottesdienst 
wurde  so  berichtet  Redecker,  Chron.,  S.  732  -  in  einem  dem  Kur- 
fürsten gehörenden  und  von  einem  Kammerdiener  bewohnten  Hause  auf 
der  Neustadt,  gegenüber  der  Andreaeschen  Apotheke  abgehalten,  bis  1696 
ein  eigenes  Haus  als  Kirche  und  ein  anderes  als  Pfarrhaus  an  der  Gabelung 
der  Brand-  und  Wagenerstraße  angekauft  wurde. 

Die  deutsche  reformierte  Gemeinde  sammelte  sich  in  Hannover  erst 
zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts.  1702  erbat  sie  vom  Kurfürsten  Georg 
Ludewig  einen  eigenen  Prediger  und  die  Erlaubnis  zur  Mitbenutzung  der 
französischen  Kirche  zu  ihrem  Gottesdienst.  Auf  die  Fürsprache  der 
Kurfürstin-Witwe  Sophie  wurde  die  erbetene  Genehmigung  am  30.  Ok- 
tober 1702  zu  Jagdschloß  Linsburg  erteilt.  Sophie  verschrieb  sogleich 
durch  Vermittlung  der  Raugräfin  Luise  von  der  Pfalz  einen  geeigneten 
Prediger.  Der  Präsentierte  war  Johann  Georg  Rhode  aus  Sontra  in 
Hessen;  er  siedelte  im  November  1702  nach  Hannover  über. 

Als  oberster  Behörde  unterstellte  sich  die  Gemeinde  der  1703  in  Hameln 
gegründeten  Konföderation  reformierter  Kirchen  in  Niedersachsen.  Heute 
gilt  die  Kirchenordnung  von  1839. 

Die  französischen  Reformierten  wollten  sehr  bald  die  Abhaltung  des 
deutschen  Gottesdienstes  in  ihrer  Kirche  nicht  mehr  dulden.  Deshalb 
überwies  Sophie  den  Deutschen  ein  gemietetes  Haus  auf  der  Neustadt,  bis 
eine  eigene  Kirche  beschafft  sein  würde.  Zum  Bau  dieser  Kirche  stiftete 
sie  selber  „andern  zum  exempel"  eine  Summe  und  ließ  eine  Sammlung 
veranstalten.  (E.  Bodemann,  Briefe  der  Kurfürstin  Sophie;  Publikationen 
aus  den  Kgl.  Preuß.  Staatsarchiven,  37.  Band.)  So  war  schon  1704  die 
Gemeinde  in  der  Lage,  das  Gewese  der  Oberhofmeisterin  de  la  Chevallerie 
an  der  Brandstraße  und  am  Walle  anzukaufen.  Das  Grundstück  Archiv- 
straße 1  bestimmte  man  zur  Pfarre,  Brandstraße  30  zur  Schule  und  das 
eine  Orangerie  enthaltende  Grundstück  Brandstraße  31  zur  Kirche. 
Sophie  übernahm  gemeinsam  mit  ihrem  Schwiegersohn  Friedrich  I., 
König  von  Preußen,  die  Protektion  über  die  neu  gegründete  Kirche,  deren 
Einweihung  am  20.  November  1705  stattfand. 

Nach  dem  Tode  des  letzten  französischen  Predigers  Armand  im  Jahre 
1819  löste  sich  die  französisch-reformierte  Gemeinde  auf  und  vereinigte  sich 
mit  der  deutsch-reformierten  Schwestergemeinde.  Das  Gotteshaus  samt 
Pfarrei  und  Küsterei  ist  1896  wegen  seiner  Baufälligkeit  abgebrochen. 
An  seiner  Stelle  erbaute  man  nach  Plänen  von  Hubert  Stier  die  jetzt  dort 
stehende  Kirche. 

(Als  Literatur  siehe:  Die  reformierte  Kirche  in  Hannover;  Verlag  des 
Vereins  der  Reformierten  in  Hannover,  1892.  A.  Wendland,  Ihrer  Kur- 
fürstl.  Gnaden  Schutzkirchlein.  H.  G.  1898,  S.  276  ff.  Die  Reformierte 
Kirche  in  Hannover;  ,,Ev.-ref.  Gemeindeblatt",  Nr.  14,  Dezember  1910.) 

178 


Reformierte  Kirche 

Die  alte  Kirche  der  Reformierten  bildete  mit  der  Pfarre  und  Küsterei  Beschreibung 
eine  einheitliche  Gebäudegruppe.  Das  Gotteshaus  war  als  solches  den 
Vorschriften  gemäß  im  Äußeren  nicht  erkennbar  und  hob  sich  nur  durch 
sein  höheres  Dach  von  den  beiden  anderen,  mit  ihm  vereinten  Gebäuden  ab. 
Mit  einer  Langseite  an  der  Brandstraße  belegen,  war  die  Kirche  zwei-  Abb.  112 
geschossig  aus  Fachwerk  errichtet  und  zeichnete  sich  durch  ein  breites 
Portal  in  der  Frontmitte  aus,  das  durch  eine  dreieckige  Giebelverdachung 
betont  war.    Die  Fenster  im  Ober-  und  Untergeschoß  waren  rechteckig. 

Das  Innere  dieser  einfachen  Saalkirche  entbehrte  nicht  einer  vornehmen 
Raumwirkung:  an  drei  Seiten  waren  Priechen  auf  Holzstützen  herumge- 
führt, welche  sich  als  Deckenstützen  fortsetzten  und  den  stukkierten 
Plafond  trugen. 

Die  Kanzel,  in  der  Mitte  der  östlichen  Schmalseite,  war  aus  Holz, 
5/8-Typ   auf  Fuß,  mit  Schalldeckel. 

Fürstenstuhl  und  Orgel  waren  ein  zweigeschossiger  Aufbau  aus  Holz 
in  Weiß  mit  Gold,  an  der  der  Kanzel  gegenüberliegenden  Wand.  Drei- 
achsige Gebälkarchitektur  mit  Pilastervorlagen;  Mittelrisalit  durch  beide 
Geschosse  schwach  vorgezogen.  Der  Fürstenstuhl  öffnete  sich  in  drei 
Rundbogen  gegen  das  Schiff;  dem  mittleren  als  Portal  war  eine  Freitreppe 
vorgelegt;  das  Gebälk  trug  eine  Rustika  mit  Wappenaufsatz  (Pfalz  und 
Kur-Braunschweig).  Dieser  Wappenaufsatz,  der  die  beiden  Wappen, 
umgeben  von  Füllhörnern  und  Ranken  in  Regenceschnitzwerk,  enthält, 
wird  in  der  neuen  Kirche  aufbewahrt. 

Das  Obergeschoß  als  Orgelgehäuse  enthielt  in  Rundbogennischen  die 
Pfeifen.  Die  Mittelnische  war  höher  hinaufgeführt  und  schloß  in  einem 
Dreiecksgiebel. 

Vorhanden  bzw.  in  die  neue  Kirche  übernommen  sind  folgende 
Gegenstände: 

Drei  Glocken,  1898  von  Radler  in  Hildesheim  gegossen.    Geschenk  der  Glocken 
Königin  Victoria  von  England  und  der  Prinzessin  Friderike  von  Hannover. 
Zwei    der    Glocken    mit    den    Bildnisplaketten    der    Schenkerinnen;    die 
dritte  mit  dem  Bildnis  der  gemeinsamen  Ahnfrau,  der  Kurfürstin  Sophie. 

Zwei    Kelche,    wahrscheinlich    1705   gestiftet,    Silber,    vergoldet,    von  uturg.  Gefäße 
gleicher    Arbeit,    H.  =  25,5;    Fuß    in    Sechspaßform,    D.  =  16,3.     Nodus 
sechskantig,    flach,    mit    einfachen    erhöhten    Schnörkelornamenten    und 
Engelsköpfchen.    Kuppa  steilwandig,  unten  gerundet,   oberer  D.=  12,5. 
Goldschmiedezeichen  unter  dem  Fuß  0.(?)  N.   Beschaustempel:  Kleeblatt. 

Zwei  Deckelkannen,  wohl  ebenfalls  1705  gestiftet,  Silber,  vergoldet, 
von  gleicher  Arbeit.  H.=  36,  Fuß  in  Sechspaßform,  D.  =  19,2.  Plumpe, 
bauchige  Form,  mit  Tülle  und  Henkel.  Deckel  mit  Knauf.  Unter  der 
Tülle  am  Bauche  ziseliertes  Wappen:  Braunschweig-Pfalz.  Goldschmiede- 
zeichen auf  dem  Rande  des  Fußes:  C.  H.    Beschaustempel:  Löwe. 

179 


Kirchen  und  Kapellen 


Abb.  113.     Hannover;  Clemenskirche,  Ostfront  und  Gittertor.     I'hot.  M.  B.  A.,  1U28. 


180 


Propsteikirche  zu  St.  Clemens. 

Die  katholische  Gemeinde  zu  Hannover,  welche  nach  der  Reformation 
zur  Diasporagemeinde  geworden  war,  hatte  infolge  des  Übertrittes  des 
Herzogs  Johann  Friedrich  (1655 — 79)  zum  katholischen  Glauben  in 
der  für  den  katholischen  Ritus  hergerichteten  Schloßkirche  (s.  daselbst) 
eine  Stätte  zum  Gottesdienst  gefunden.  Mit  dem  Tode  des  Herzogs  aber 
war  ihr  diese  wieder  entzogen  worden;  die  Katholiken  —  großenteils 
Hofbedienstete  oder  ausländische  Hofleute  —  bedienten  sich  getrennt 
einiger  in  Privathäusern  auf  der  Neustadt  zur  Verfügung  gestellter  großer 
Räume  zum  französischen,  italienischen  oder  deutschen  Gottesdienste 
(s.  a.  Woker,  Die  Geschichte  der  katholischen  Kirche  und  Gemeinde  in 
Hannover,  Paderborn  1898). 

Um  das  Zustandekommen  eines  eigenen  katholischen  Kirchenbaues  baugeschichte 
bemühte  sich  der  seit  1688  in  Hannover  als  Hofkapellmeister  und  Kom- 
ponist vom  Herzoge  Ernst  August  bestellte  Abbate  Steffani.  Dieser  war 
1655  in  Castelfranco  in  Venezien  geboren,  von  Leibniz  in  deutschem 
Staatsrecht  unterwiesen  und  hatte  sich  staatsmännische  Verdienste 
erworben  um  die  Erlangung  der  Kurwürde  für  Ernst  August.  In  einem 
Separatartikel  des  Kurkontraktes  von  1692  hatte  er  sich  dessen  Ver- 
sprechen dem  Papste  und  Kaiser  gegenüber  geben  lassen,  daß  zum  Rau 
einer  katholischen  Kirche  in  Hannover  ein  geeigneter  Platz  zur  Verfügung 
gestellt  werden  sollte.  Nach  langem  Hinziehen  wurde  dieses  Versprechen 
1709  durch  Anweisung  eines  Rauplatzes  in  der  äußersten  Nordwestecke 
des  Festungsbereiches  der  Neustadt  auf  dem  v.  Windheimschen  Hofe 
eingelöst.  Der  Platz  wurde  mit  Kollektengeldern  angekauft,  und  Steffani, 
welcher  1709  Apostolischer  Vikar  für  Norddeutschland  geworden  war, 
ließ  durch  Architekten  aus  Düsseldorf,  Hannover  und  Celle  je  einen 
Bauplan  anfertigen.  Wahrscheinlich  waren  diese  Architekten:  in  Hannover 
Remy  de  la  Fosse,  in  Celle  Johann  Caspar  Rorchmann  und  in  Düsseldorf 
der  Graf  Mattheo  Alberti.  Die  Pläne  sind  in  Wien,  wohin  sie  zur  Begut- 
achtung gesandt  waren,  verlorengegangen.  Nachdem  1711  weitere  Gelder 
durch  Kollekte  eingekommen  waren,  ließ  man  den  Bau  beginnen  nach 
einem  neuen  Plane,  der  von  dem  Architekten  des  Kurfürsten  von  Mainz 

181 


Kirclu'ii  und   KaiH'll 


pellen 


«| h- 


Abb.  114.    Hannover;  Clemenskirche,  Grundriß.    Aufn.  1!>2.">,  O.  u.  N.,  Reinzeichn.  I). 


182 


Propsteikirche  zu  St.  Clemens 


-t- 


Abb.  115.    Hannover;  Clemenskirche,  Aufriß  der  Ostfront.     Aufn.  1925,  D.  u,  N.,  Reinzeichn.  1). 


183 


Kirchen  und  Kapellen 

herrührte.  Auch  dieser  Plan  ist  nicht  erhalten.  (Eingehend  ist  die  Bau- 
geschichte behandelt  von  Hans  Haug  in  H.  G.  1918,  S.  404  ff.,  auf  dessen 
Forschungen  die  hier  gegebene  Darstellung  fußt.)  Im  Jahre  1712  zeigte 
sich  die  Notwendigkeit  der  Fundamentierung  auf  Pfählen,  außerdem 
stellten  sich  Fehler  in  der  Anlage  der  Grundmauern  heraus.  Thomaso 
Giusti  (seit  1693  in  Hannover)  deckte  die  falsche  Verlegung  der  Fundamente 
auf.  Er  wirkte  seit  1711  als  Bauführer  an  dem  Kirchenbau  und  lieferte 
1713  den  endgültigen  Entwurf,  nach  dem  die  Ausführung  geschehen  ist. 
Giusti,  der  wahrscheinlich  aus  Venedig  stammte,  hatte,  wie  er  selber  von 
sich  angibt,  die  Kirchen  San  Bocho  und  San  Philippo  Neri  in  Parma 
gebaut.  Er  starb  85j  ährig  am  24.  September  1729  und  ist  in  der  Unterkirche 
zu  St.  Clemens  beigesetzt. 

Giusti  verfertigte,  nachdem  ihm  der  Auftrag  zur  Weiterführung  des 
Baues  erteilt  war,  ein  hölzernes  Modell  (jetzt  im  Vaterländischen  Museum 
zu  Hannover).  Wieviel  er  dabei  von  den  früheren  Plänen  übernommen  hat, 
bleibt  ungewiß.  Sicher  scheint,  daß  die  Kreuzkuppelform  mit  den  die 
Apsis  flankierenden  Türmen  von  Anfang  an  geplant  war.  Die  Bau- 
ausführung erlitt  öfter  Verzögerungen  aus  Mangel  an  Geld  oder  an  Material. 
1717  wurde  das  Dach  errichtet;  doch  war  nun  für  den  Ausbau  der  Kuppel 
und  Türme  kein  Geld  mehr  vorhanden.  Im  Herbst  1718  weihte  Steffani 
die  Kirche  ein;  bei  der  Konsekration  am  4.  November  erhielt  sie  den  Titel 
des  Hl.  Clemens  Romanus.  Nebenpatrone  sind  St.  Maria,  die  Mutter 
Gottes,  und  St.  Caecilia.  Während  des  Baues  bestand  eine  Interims- 
kapelle an  der  Ecke  der  Kl.  Duven-  und  Bäckerstraße.  Das  Grund- 
stück Calenberger  Straße  180  heißt  von  1709 — 22  „katholische  Kapelle", 
es  handelt  sich   wahrscheinlich   um  eine   ad  hoc  gebaute  Kapelle. 

Beschreibung        Die  unvollendet  gebliebene  katholische  Clemenskirche  ist  ein  Zentralbau 

oberitalischer   Art,    über   einer    Unterkirche    ausgeführt    in    Ziegeln    mit 

Abb.  114  Putz     und     Hausteinverwendung.     Die    Orientierung    ist    der    üblichen 

entgegengesetzt  aus  Gründen,  die  mit  der  Lage  des  Bauplatzes  innerhalb 

der  Fortifikation  der  Neustadt  zusammenhängen. 

An  einen  quadratischen  Mittelraum  schließen  sich  nord-  und  südwärts 
je  ein  kurzer  Kreuzarm,  westwärts  die  Chorapsis  mit  Fünfzwölftelschluß 
und  ostwärts  ein  Vorraum  mit  Fünfachtelschluß  an,  dem  eine  monumentale 
Abb.  ii5  Sandsteinfassade  mit  Hauptportal  und  Freitreppe  vorgesetzt  ist.  Zwei 
quadratische  Türme  schmiegen  sich  beiderseits  der  Chorapsis  in  den  Winkel 
zwischen  dieser  und  den  Kreuzarmen  ein.  Strebepfeiler  nach  gotischer  Art 
sind  fast  ganz  ringsum  außen  vorgelegt.  Die  Außenmauern,  abgesehen 
von  der  Hauptfront,  haben  bei  geputzten  Flächen  Verzahnungen  aus 
langrechteckigen  Hausteinquadern;  Fenstersolbänke  und  die  waagerechten 
Arme  der  Fensterkreuze  sind  leicht  vortretend  wie  die  Verzahnungen 
als  Bänder  rings  um  die  Umfassungsmauern  fortgeführt.    Fenster  in  zwei 

184 


Propsteikirche  zu  St.  Clemens 

Geschossen  übereinander  angeordnet,  rundbogig  geschlossen;  Gewände 
unprofiliert.  Ein  hohes  Walmdach  als  Notdach  deckt  den  Bau.  Die  beiden 
Türme  gehen  oberhalb  des  verschalten  Hauptsimses  ins  Achteck  über: 
Eckquaderung  und  rundbogige  Lichtöffnungen;  Pyramidendach  als 
Notdach    vielleicht   von    1760,     welche   Zahl    in    der   Wetterfahne   steht. 


Abb.  116.    Hannover;  Clemenskirche,  Querschnitt  mit  Choransicht.    Aufn.  1925,  D.  u.  N.,  Reinzeichn.  D. 

Die    Schauseite   an    der   Bäckerstraße   ist   ausgebildet   als  gequaderte  Abb.  113 
dorische  Pilasterstellung  mit  Attikageschoß.    Das  Gebälk  mit  kräftig  aus- 
ladendem Hauptsims  hat  mächtig  wirkenden  Triglyphenfries;  die  Metopen 
zeigen  auf  die  Spitze  gestellte  quadratische  Rahmen.    Am  Mittelteile  der 
Fassade,  deren  Dreiecksgiebel  (dreifach  geteilte  Lünette  im  Giebelfelde) 

185 


Kirchen  und  Kapellen 

das  Attikageschoß  überschneidet,  ist  beiderseits  des  um  sieben  Stufen 
erhöht  liegenden  Portales  der  innere  der  doppelt  gestellten  Pilaster  der 
Fassade  vorgekröpft.  Das  Portal  selbst  hat  gequaderte  Gewände.  Zwi- 
schen seiner  Supraporte  und  dem  Triglyphenfries  ist  eine  breitrechteckige 
Marmortafel  eingelassen  mit  der  Inschrift:  APOC.  21.  C.  V.  3  ECCE 
TABERNACULUM  DEI  CUM  HOMINIBUS  /  ET  HAKITABIT  CUM  EIS  / 
ET  IPS1  POPULUS  EIUS  ERUNT  /  ET  IPSE  DEUS  CUM  EIS  ERIT 
EORUM  DEUS  /  A.  DNI.  MDCCXVIII.  In  den  im  stumpfen  Winkel 
zurücktretenden  beiden  Seitenflügeln  der  Fassade  entsprechen  dem 
Portale  des  Mittelteiles  Rundbogennischen,  in  denen  Apostelfiguren 
stehen,  links  Paulus,  rechts  Petrus  (die  übrigen  zehn  sind  im  Kirchen- 
inneren aufgestellt). 
Abb.  116  Die  Raumwirkung  der  Kirche  ist  bedeutend,  obwohl  von  der  geplanten 
Kuppel  nur  die  Überführung  ins  Achteck  zustande  gekommen  ist;  die 
natürliche  Releuchtung  indes  reicht  nicht  hin,  da  die  Lichtzufuhr  durch 
den  Tambur  fehlt.  Das  üktogon  ist  mit  flacher  Holzdecke  geschlossen. 
Die  Wandgliederung  wird  gebildet  durch  jonische,  kannelierte  Pilaster  auf 
hohen  Postamenten.  Das  Gebälk  ist  in  Holzverschalung  hergestellt  und 
zeigt  Verkröpfungen  oberhalb  der  Pilaster.  Zwischen  den  Pilastern, 
welche  die  Gurten  der  Vierungstonnen  tragen,  und  an  den  Schrägwänden 
Abb.  indes  Vorraumes  im  Osten  sind  Rundbogennischen  eingelassen,  oberhalb 
und  unterhalb  deren  das  freibleibende  Wandfeld  durch  rechteckige  Rahmen 
barocker  Profilierung  belebt  wird.  In  den  Nischen  stehen  die  übrigen 
Apostelfiguren.  Die  Gewölbe  (in  Ziegeln)  über  der  Chorapsis  und  dem 
Eingangsraum  im  Osten  haben  pilasterartig  gebildete,  sich  verjüngende 
Rippen.  Die  Chorapsis  ist  um  sechs,  jeder  der  Kreuzarme  um  zwei  Stufen 
über  dem  Kirchenfußboden  erhöht.  Wie  der  Chor  heute  noch,  so  waren 
die  Kreuzarme  mit  Balustraden  abgeschlossen. 

Die  ockertonigen  Wände  und  ihre  Gliederung  haben  die  Farbgebung 
verschiedenfarbigen  Marmors  erhalten :  Pilaster  Caput  mortuum,  Kapitelle 
mit   Goldhöhung.     Die  ursprüngliche  Bemalung  war  weiß*). 

Der  südliche   der  beiden   Türme   dient   im   Erdgeschoß   als   Sakristei. 

Im  östlichen  Vorräume,  oberhalb  des  Hauptportales,  ist  die  Orgel- 
empore auf  vier  von  Korbbögen  überspannten  Pfeilern  mit  in  der  Mitte 
ausgeschwungener  Sängertribüne  eingebaut.  Brüstung  mit  teilweise  ver- 
goldetem Bandwerk.  Bleibaum  (a.  a.  0.,  S.  173),  vermutet  die  Hand  des 
Schnitzers  Madonetto. 

Ausstattung         Giusti  soll  anfangs  einen  frei  unter  der  Kuppel   stehenden  Altar  mit 

Altärc  Baldachin  geplant  haben.     Die  Stiftung  des  Wandbildes  1714  durch  den 

Kurfürsten  Johann  Wilhelm  von  der  Pfalz  veranlaßte  ihn,   sich  für  einen 


*)  Diese  Farbgebung  isl   1931  wiederhergestellt. 
186 


Propsteikirche  zu  St.  Clemens 

Wandaltar  zu  entscheiden.     (Die   Belege  finden   sich  angegeben  in  dem 
erwähnten  Aufsatze  von  H.  Haug,  H.  G.  1918,   S.  423.) 

Der  heute  vorhandene  Hochaltar  ist  ausweislich  einer  Akte  im  Kirchen- 
archiv   1823    vom    Hofbildhauer    Ludolf    Moltan    geschaffen    (s.  darüber 


Abb.  117.    Hannover;  Clemenskirche,  Innenansicht,  nordwestlicher  Kuppelpfeiler  am  Chor.    I'hot.  1929. 


Bleibaum,  a.  a.  0.,  S.  295/96).  Bis  1857  stand  der  Altar  mit  seitlichen 
Anschlußwänden  in  der  Mitte  des  Chores  Nach  älteren  Inventarien  waren 
„hinter  dem  großen  Altar"  verschiedene  Statuen  aufgestellt.  1857  ist  der 
Altar  an  seine  jetzige  Stelle  versetzt:    Hölzerne  Mensa,  Tabernakelaufsatz 

187 


Kirchen  und  Kapellen 

mit  Säulchen,  Palmettenfriese,  zwei  vergoldete  Reliefs,  Auferweckung 
des  Lazarus  und  Grablegung  Christi.  Die  Aufsatzecken  tragen  kleine 
Holzstatuen  der  Heiligen  Clemens  und  Johann  von  Nepomuk.  Diese 
schreibt  Bleibaum  (S.  297)  dem  Johann  Friedr.  Zieseniß  zu,  als  einzige 
Überreste  eines  1744  entstandenen  Tabernakels.  Der  Mittelteil  trägt  drei 
vergoldete  Engelsfiguren.  Auf  besonderen  Postamenten  an  den  Wand- 
pilastern  zu  seiten  des  Altares  stehen  zwei  lebensgroße  Apostelfiguren: 
Petrus  und  Andreas.  Als  Meister  soll  ein  Quirinus  Ulrich  um  1725  in 
Betracht  kommen  (s.  Bleibaum,   S.  325). 

Das  Wandbild  hinter  dem  Tabernakelaufsatz,  Leinwand,  hochrecht- 
eckig, 2,85  :  5,20,  ist  ein  Blatt  in  Goldrahmen  von  dem  kurpfälzischen 
Hofmaler  Antonio  Pellegrini,  das  ihm  1716  in  Auftrag  gegeben  wurde. 
Es  stellt  die  Auferstehung  Christi  dar  (s.  über  den  Rahmen  Bleibaum,  S.  173). 

Caecilienaltar  im  nördlichen  Kreuzarm:  Das  Altarbild,  Leinwand, 
in  hochrechteckigem  vergoldeten  Rahmen  mit  rundbogigem  Abschluß, 
1,75:3,50,  signiert  unten  links  „Pellegrini  f.".  Dargestellt  ist  die  hl. 
Caecilie,  wahrscheinlich  mit  Beziehung  auf  Steff anis  Eigenschaft  als  Musiker. 

Marienaltar  im  südlichen  Kreuzarm.  Das  Altarbild,  Leinwand, 
in  gleicher  Umrahmung  und  Größe,  ist  unten  links  signiert:  ,,ANT. 
PESNE  PINXIT  1725.  Dargestellt  ist  Maria  im  Profil  von  links,  kniend; 
ein  Engel  mit  Lilie  schwebt  herab.  (Über  die  zu  diesem  Altare  gehörende 
Madonna  mit  zwei  Engelsputten  s.   Bleibaum,  a.  a.  0.,   S.  299  ff.) 


Abb.  118.     Hannover;  Clemenskirche,  Petrusrelief  vom  Beichtstuhl.     Phot.  Bleibaum,  1911. 


188 


Propsteikirche  zu  St.  Clemens 

In   der  Bekrönung   des   Beichtstuhles   enthält   eine   Bokokokartusche  Beichtstuhl 
(H.=  0,60,    Br.  =  1,50)    einen    knienden   Petrus    in   vergoldetem   Flach- Abb.  ns 


Abb.  11!).    Hannover;  Clemenskirche,  Kanzel.     Phot.  1929. 


relief;   Holzschnitzwerk,   wohl  von    der  Hand    des   Joh.   Friedr.   Ziesenis 
(s.  Bleibaum,   S.  298). 

189 


Kirchen  und   Kapellen 

Glocke  Eine  Glocke,  u.  D.  =  61,5;  Meister  H.  C.  Weidemann  1743.  Unter- 
halb der  Haube  zwischen  zwei  Zierbändern  (Engel  in  Laubwerk  und 
Rankenband)  die  Stifterinschrift:  MARIA  THERESIA  LEOPOLDINA. 
Am  unleren  Rande:  JOH.  HENNR.  CHRIST.  WEIDEMANN  GOSS  MICH 
IN  HANNOVER  Aö  1743. 

Kanzel  Die  Kanzel,  etwa  1718  entstanden,  am  südwestlichen  Vierungs- 
pfeiler, zugänglich  mittels  eines  durch  den  Pfeiler  gebrochenen  Ganges 
Abb.  int  von  der  Sakristei  aus.  Fünfsechsteltyp  mit  Schalldeckel  in  Holz. 
Volutenpilaster  an  den  Stuhlkanten  durchdringen  das  obere  und  untere 
Brüstungssims,  unter  dem  Kanzelboden  in  einem  Hängezapfen  zusammen- 
gefaßt. Brüstungsfelder,  aufgeteilt  in  Rauten  und  Zwickeln,  mit  Laub- 
werk gefüllt.  Simse  und  Verkröpfungen  reich  profiliert.  Schalldeckel 
mit  Lambrequins,  reichem  Sims  und  Aufsatz  von  Volutenbügeln,  die 
in  einer  sternbesäten  Kugel  zusammentreffen,  auf  welcher  ein  Strahlen- 
kreuz aufgesetzt  ist.  Farbgebung:  verschiedenfarbiger  Marmor  mit 
rosa   Grundton. 

Kronleuchter  Hängeleuchter  in  der  Vierungsmitte,  Gelbguß,  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts. Spindel  mit  Kugel  und  Knäufen;  zwei  Reihen  von  je  acht 
s-förmig  geschwungenen  Armen.     Unter  dem  Ringe  Figur  des  hl.  Clemens. 

Taute  Südlich  des  Hauptportales,  der  Wandschrägung  in  halbem  Achteck 
vorgebaut,  ist  ein  hölzernes  Taufgehäuse  venezianischer  Art  in  zwei 
Geschossen  mit  Zeltdach,  welches  das  zinnerne  Taufbecken  enthält. 
Es  ist  abgeschränkt  durch  eine  hölzerne  Balustrade.  Farbgebung  in 
rosafarbenem  Marmor  mit  Goldhöhung  der  Ornamentik.  Balustrade 
schwarz. 
gerätk.gefässi.  Ewige  Lampe,  Silber,  österreichische  Arbeit.  Stifter  Graf  Starhem- 
berg  (?). 

Zwei  Meßkännchen  mit  ovalem  Tablett,  Silber,  H.=14.  Stempel 
Kleeblatt  und  I.  Z.  (?);  Beistempel  D  und  langrechteckiger  Beistempel 
mit  undeutlicher  Schrift. 

Strahlenmonstranz,  Silber,  teilweise  vergoldet,  1766  gefertigt,  H.=  68, 
Fuß  vierpassig  oval,  D.=  27.  Knauf  flach;  Umrahmung  der  Hostien- 
kapsel mit  Smaragden  und  Kristallen  besetzt.  Alliancewappen  der 
Stifter  am  Fuße,  Beischrift:   17  M:A:  S:0:   1766. 

Meisterstempel:   I.  M.     Beschaustempel:  Viergeteilter  Kreis  mit  1766. 

sonstige        Zwölf  überlebensgroße  Apostelfiguren,   H.  =  etwa  2,60,   Holz,  in  den 

denkmals- zenn  Nischen  des   Innenraumes  und  in  den  beiden  Außennischen  neben 

dem  Portal;   wohl   nicht  ursprünglich  für  die   Clemenskirche  geschaffen 

Abb.  i2o  (s.  Bleibaum,   S.  325).     Die   Schnitzer  stehen  dem  Job.  Friedr.  Ziesenis 

nahe.    St.  Jacob  der  Jüngere  datiert  1760. 

190 


Propsteikirche  zu  St.  Clemens 

Gittertor  des  Einganges,  Schmiedeeisen,  Arbeit  eines  Hildesheimer 
Meisters  um  1760  (Kollektenliste  im  Kirchenarchiv). 

Holzgeschnitzter,  überlebensgroßer  Kruzifixus,  16.  Jahrh.  Nordseite 
der  Kirche,  außen.  Unter  dem  Kreuze  drei  Gewandfiguren,  sämtlich 
verschiedener  Herkunft;  Ende  16.  Jahrh. 


Abb.  120.    Hannover;   Clemenskirche,   Apostelfigur  Judas 
THaddaeus,    Phot.  Bleibaum,  1912. 


191 


Kirchen  und   Kapellen 


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Abb.  121.     Hannover;  Alte  Gartenkirche.     Phot.  1885.     Drnckstock:    H.  G. 


192 


Alte  Gartenkirche 
(abgebrochen    1886). 

JL)ie  sehr  zerstreut  wohnenden  Gartenleute  vor  dem  Ägidientore  hielten 
sich  bis  um  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  zur  Ägidienkirche,  ohne  indes 
zu  gewissen  Lasten  der  Kirche  beizutragen.  In  einer  Schulgemeinschaft 
hatten  sie  sich  seit  Ende  des  17.  Jahrhunderts  zusammengeschlossen. 
Redecker  gibt  zum  Jahre  1690  an,  die  Gartenschule  vor  dem  Ägidientore 
sei  damals  erbaut.  Der  „Gartenschulmeister"  wurde  von  den  Predigern 
der  Ägidienkirche  ernannt  und  beaufsichtigt  und  war  ohne  feste  Einnahme. 

Als  1746  die  Bildung  der  Ägidien- Gartengemeinde  erfolgte,  betrug  baugkschichte 
deren  Seelenzahl  etwa  700.  Der  Anstoß  dazu  wie  der  Plan,  eine  eigene 
Gemeindekirche  zu  errichten,  ging  von  dem  Konsistorialdirektor  Joh. 
Peter  Tappe  aus,  der,  wie  viele  wohlhabende  Bürger,  vor  dem  Ägidien- 
tore einen  Garten  hatte.  Von  den  Kosten  des  Baues  und  der  Unterhaltung 
der  bald  darauf  erbauten  Kirche  ließen  sich  die  Gartenleute  nichts  auf- 
bürden. Tappe  wußte  den  Bürgermeister  Chr.  U.  Grupen  zu  gewinnen 
und  stiftete  ein  bestimmtes  Kapital  zur  Besoldung  eines  Predigers  für  den 
Fall,  daß  die  Altstadt  den  Kirchen-  und  Pfarrhausbau  vor  dem  Ägidientore 
übernehmen  würde.  Der  Rat  beschloß  daraufhin,  bei  der  Königlichen 
Landesregierung  Vorstellung  zu  erheben.  Auf  diese  hin  erteilte  Georg  II. 
einen  landesherrlichen  Befehl  zur  Stiftung  einer  neuen  Pfarre,  dem  im 
Juli  1746  ein  Ausführungsbefehl  folgte.  Das  Konsistorium  erhielt  dann 
am  23.  Juli  von  der  Regierung  den  Auftrag,  die  Angelegenheit  ferner 
einzurichten.  (Staats-Archiv.  Des.  8.  Städte-Sachen  des  Fürstenthums 
Calenberg-Göttingen.  Briefsch.  Archiv.  Gartengemeinde  Hannover  3.  Er- 
bauung einer  Kirche  1746/47.) 

Der  Plan  der  zu  erbauenden  Kirche  wurde  nun  durch  den  Bauherrn 
der  Altstadt,  Peter  Carl  von  Lüde,  unter  Aufsicht  des  Königlichen  Ober- 
baumeisters Johann  Paul  Heumann  hergestellt  und  erhielt  am  17.  März 
1747  die  königliche  Genehmigung.  Das  Gebäude  sollte  100  Fuß  lang 
und  55  Fuß  breit  sein;  innerhalb  sollten  zwei  Reihen  Grabgewölbe  ange- 
legt werden,  um  der  Kirche  durch  deren  Verkauf  Einkünfte  zu  verschaffen. 
Zum  Bauplatz  schenkte  der  Magistrat  ein  Teilstück  des  1741  angelegten 
Friedhofes  vor  dem  Ägidientor.  Grundriß,  Schnitt  und  Ansichtzeich- 
nungen  nach   Heumanns   Plänen   bringt   Redecker,   Chronik  S.  1039. 

13  193 


Kirchen  und  Kapellen 


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Abb.  122.     Hannover;  Alte  Gartenkirche,  Innenansicht.     Phot.  1885. 


Am  10.  Juni 
1747  wurden  die 
ersten  Steine  vom 
Abbruch  des  alten 
Turmes  über  dem 
Agidientore  auf 
dem  Bauplatz 

angefahren;  der 
eigentliche  Bau- 
beginn erfolgte  am 
16. August.  ZuBau- 
direktoren  waren 
zwei  Ratsherren  er- 
nannt; die  Maurer- 
arbeiten wurden 
dem    Ratsmaurer- 


meister Schilling, 
die  Zimmerarbeiten  dem  Zimmermeister  Lutz  übertragen.  Der  Bau 
gedieh  bis  zum  Reibst  1748  so  weit,  daß  Ende  November  das  Dach 
gerichtet  und  der  Dachreiter  aufgesetzt  werden  konnte.  Die  Beschaffung 
der  Innenausstattung  verzögerte  indes  die  Einweihung  der  Kirche  noch  bis 
zum  30.  November  1749  (Eingehenderes  s.  bei  H.  Ahrens  „Die  Garten- 
kirche zu  Hannover").  Der  Dachreiter  ist  1786  erneuert  durch  den 
Zimmermeister  Weißhauer  und  den  Dachdecker-Amts-Meister  Johann 
Christoph  Brinck. 

Der  fortschreitende  Anbau  der  Marienstadt  hat  bewirkt,  daß  das 
bescheidene  Gotteshaus  für  die  Gemeinde  zu  eng  wurde.  So  ist  es  1886 
niedergerissen,  um  der  jetzt  an  seiner  Stelle  stehenden  gotischen  Hallen- 
kirche (von  Hillebrandt)  Platz  zu  machen. 

Beschreibung  Die  sogenannte  Gartenkirche  war  eine  Saalkirche  aus  über- 
putztem     Bruchstein;     Eckverzahnungen     und     Rahmungen     in     Hau- 

Abb.  121  stein,  hölzernes  Hauptsims.  Über  der  Firstmitte  des  Walmdaches 
erhob  sich  ein  achtseitiger,  offener  Dachreiter.  Türen  und  Fenster  hatten 
Segmentbögen.  Das  Innere  war  dreischiffig  geteilt  durch  die  Stützen- 
stellung   der    Längspriechen.     Zwischen    den    Stützen    spannte    sich    die 

Abb.  122  korbbogige   Holzdecke;    über   den   Priechen   war   die   Decke   waagerecht. 

Ausstattung        [1749]    „Der   königliche  Architekt    Herr   Heumann   liess   sich    gleich 

Aitar  bereitwillig  finden,   den  Abriss  von  dem  Altar,   in  welchem  die   Canzel 

nebst  dem  Taufstein  und  Armenstock  mit  angebracht,  vorzuschreiben, 

so  wie  es  sich  zu  dem  Gebäude  der  Kirche  schickte  .  . . ."  (Carstens,  Die 

Stiftung  und   Einweihung  der  neuen   Kirche  vor  Hannover.     Hannover 


194 


Alte  Gartenkirche 


1750).  Nach  Spilcker  (a.  a.  0.,  S.  509)  war  das  Altarblatt  vom  Hofmaler 
Lüders  gemalt:  Kampf  des  Erlösers  in  Gethsemane;  ein  Engel  berührt 
den  betenden  Christus  und  weist  auf  die  in  der  Höhe  zu  lesenden  Worte 
Esaias,  Kap.  53,  Vers  10,  hin.  Vor  dem  Betenden  ein  Kelch,  auf  dem  dieser 
eine  Abbildung  seiner  Leiden  erblickt. 

Das  alte  Geläut  ist  1890  aufgegeben  und  umgegossen.  Glocken 

An    der    neuen    Gartenkirche    (außen,     Südwand)    wieder    eingesetzt  Grabmäier  an  der 
zwei   Sandsteinepitaphe  (Inschriften  auszugsweise):  Kirche 

Epitaph:  DEM  WEIL  :  HOCHWOLGEB  :  HEBBN  MAXIMILIAN 
IOHANN  CHBISTIAN  VON  BBEIDENBACH  SEINEB  KÖNIGL  :  MAJE- 
STAET    ....  WÖLBE  STALTEN    GENEBAL-MAJOB  VON   ÜEB   CAVAL- 

LEBIE D  :   13.  SEPT  :  1759  HIEB BEEBDIGET 

AUFGEBICHTET.  Hochrechteckige  Tafel,  Höhe  etwa  2,50,  oben  abge- 
schlossen durch  verkröpftes  Segmentsims  mit  Wappenbekrönung.  Der 
Sockelteil,  ebenfalls  mit  verkröpftem  und  in  Segment  geschwungenem 
Sims  abgesetzt,  enthält  die  Inschriftkartusche  und  trägt  soldatische 
Embleme  in  Halbplastik:  Brustharnisch  und  Helm  zwischen  symme- 
trischer Draperie  von   Feldzeichen,  Spießen,  Trommeln.    Ohne  Signatur. 

Epitaph:   DEM  WEIL  :   HOCHWOLGEB   :  HEBBN  CABL  DETTLEFF 

FBEYHEBBN  MABSCHALCK   SEINEB  KÖNIGL    :   MAIESTAET 

WOLBESTALTEN  OBEBSTEN  VBEB  EIN  INFANTEBI  :  BEGIMENT  .  .  . 
D  :  24.  OCTOB  :  1760  IN  HANNOVEB  GESTOBBEN  .  .  .  AVFGEBICHTET. 
In  Aufbau,  Höhe  und  Anordnung  der  Embleme  dem  vorigen  entsprechend.  Der 
Kontur  setzt  sich  ganz  aus  geschwungenen  Linien  zusammen.  Ohne  Signatur. 


Abb.  123.     Hannover;    Gartenkirchliof,    Grabmal  der  Friderike  Hedw.  Chr.  von  Spörcken,  f  1798. 
Aufnahme  und  Zeichnung  1915  von  Heubach. 


195 


Kirchen  und  Kapellen 

Kirchhof  Der  zur  Gartenkirche  gehörende  Kirchhof,  1741  angelegt,  1856  ge- 
schlossen (vgl.  S.  260),  erhält  seinen  Denkmalswert  im  besonderen  durch 
eine  Anzahl  von  Grabmälern,  welche  in  mannigfaltigen  Lösungen  des 
Problems  als  Dokumente  der  klassizistischen  und  romantischen  Jahr- 
zehnte der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  dastehen.  Einige  be- 
deutende Grabmäler  gehen  auch  auf  das  Ende  des  vorhergehenden  Jahr- 


Abb.  124. 

Hannover;  Gartenkirchhof,   Grabmal  des  Max  Friedr.  Schüsler, 

um  1800.     Phot.  1904. 


hunderts  zurück.    Aus  dem  erhaltenen  Bestände  seien  die  nachstehenden 

hervorgehoben: 
Abb.  123         Grabmal    der    Friderike    Hedw.  Christiane  von   Spörcken,  gest.  1798; 

Sandstein,  rechteckiger  Grundriß. 

Mehrere  ähnliche  Grabmäler,  eines  mit  umgekehrten  Fackeln  an  den 

Kanten,  kommen  vor. 
Abb.  124        Grabmal    des   M.    F.    Schüsler,    vor    1800.      Sandstein,    kreisförmiger 

Grundriß.    Auf  Stufen  gelagertes  trommelartiges  Postament  mit  Vasen- 

bekrönung. 

196 


Alte  Gartenkirche 


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Kirchen  und  Kapellen 

Grabmal  des  Heinr.  Jac.  Lutz,  gest.  1794.  Signiert:  „Hencke.  Bild, 
fee."  Sandstein;  auf  kubischem  Sockel,  trommelartiges  Postament  als 
Träger  eines  dreiseitigen,  mit  Gehängen  von  Emblemen  geschmückten 
Obelisken. 
Abb.  12.')  Grabmal  der  Johanna  Dorette  Mithoff,  geb.  Holst,  gest.  1819.  Sand- 
stein. Quadratischer  Grundriß.  Geböschtes  Postament  auf  Stufen- 
unterbau als  Träger  einer  drapierten  Vase. 

Ähnliche  Grabmäler:  das  von  Amalie  Holst,  gest.  1836,  von  Georgine 
Margarete  von  Linsingen,  gest.  1821,  und  vom  Hofmedicus  Muhry, 
gest.   18  10. 


Abb.  128.    Hannover;  Gartenkirchhof, 
Grabmal  der  Charlotte  Kestner,  geb.  Hüll,  f  1828.     Phot.  1901. 

Abb.  126  Grabmal  des  Hofrates  Job.  Daniel  Ramberg,  gest.  1820.  Sandstein; 
quadratischer  Sockel  mit  vierseitigem  Obeliskenstumpf.  Oberer  Ab- 
schluß durch  einen  mit  Kannelüren,  Sims,  Akroterien  ausgebildeten, 
in    flacher     Pyramide     schließenden     Architekturteil    (Aschenbehälter). 

Abb.  127  Grabmal  des  Remy  Anton  Sonderegger,  um  1825.  Sandstein;  Stele 
in  Form  eines  kannelierten  Säulenstumpfes  mit  attischer  Basis  als  Träger 
einer  Vase. 


198 


Alte  Gartenkirche 

Ähnliche  Grabmäler  sind:  das  des  Joh.  Conr.  Wedemeyer,  gest.  1791,  und 
seiner  Gattin,  gest.  1792,  sowie  das  des  Dr.  Joh.  A.  Lammersdorf,  gest.  1822. 

Grabmal  der  Charlotte  Kestner,  geb.  Buff  (Werthers  Lotte),  gest.  1828,  Abb.  127 
und  ihres  Gatten.  Sandstein;  auf  der  Deckplatte  der  Gräber  aufge- 
setztes, im  Grundriß  quadratisches  Sema,  dessen  Körper,  auf  niedrigem 
Sockel  profiliert  abgesetzt,  leichte  Verjüngung  und  vertiefte  Inschrift- 
flächen hat  und  durch  Sims  mit  Eierstabkyma  abgeschlossen  ist.  Be- 
krönung  durch  reiche  Akanthusakroterien   und   Palmetten. 


Abb.  129.    Hannover;   Gartenkirchhof, 
Grabmal  des  W.  Chr.  von  Dachenhausen,   t   1855.     Phot.  1905. 


Grabmal  der  Henriette  Juliane  Charlotte  von  Rüling,  gest.  1782, 
gesetzt  um  1830.  Auf  Stufe  gelagerter,  unprofilierter  Sandsteinblock 
mit  darübergeworfenem  Bahrtuch. 

Grabmäler  des  Karl  Friedr.  Alex,  von  Arnswaldt,  gest.  1845,  und 
seiner  Gattin,  gest.  1828.  Je  ein  mastabenartiger  Unterbau  mit  darauf- 
gelagertem Kenotaph  in   Sandstein. 

Grabmal  des  Generals  Friedr.  Otto  Gotthard  Graf  von  Kielmannsegge, 
gest.  1851,  und  seiner  Gattin,  gest.  1830.  Gruftunterbau,  zwei  Sarko- 
phage, auf  je  vier  Sphinxen  ruhend,   Sandstein. 

Grabmal  des  Friedr.  Wilh.  Chr.  von  Dachenhausen,  gest.   1855,  und  Abb.  129 
seiner   Gemahlin,  gest.    1829.     Sandstein.    Auf    Stufen  gelagerter   Sockel 

199 


Kirchen  und  Kapellen 

von  waagerechter  Gliederung  und  mit  Verknüpfungen  an  den  Ecken. 
Darauf  ein  Prunkkenotaph  aus  Sandstein,  freistehend  auf  triglyphen- 
artig  ausgebildeten  Füßen.  Ein  reiches  Bahrtuch  fällt  in  Falten  über 
den  Sockel  herab     (vgl.  das  von  Malortiesche  Grabmal  in  Herrenhausen). 

Grabmal  des  Georg  Wilding,  Fürsten  von  Butera  Badoli,  gest.  1841. 
Auf  eine  Sandsteinstufe  gestellter  Sarkophag  aus  weißem  Marmor  in 
klassizistischer  Ausbildung:  korinthische  Pilaster,  Langseiten  mit  flachen 
üreiecksgiebeln,  Eck-Akroterien.  Die  Wandflächen  der  Schauseite 
zwischen   den   Pilastern   tragen   eine    Inschrifttafel   und  dieser  zuge- 

wandt —  je  einen  betenden  Engel  in  Flachrelief. 

Grabmal  eines  englischen  Adeligen,  gest.  1842.  Ein  im  Querschnitt 
halbkreisförmiger  Sandsteinblock  mit  anthropomorpher  Andeutung  stellt 
den  Grabhügel  dar;  zu  Kopf  und  Füßen  je  eine  spitzbogige  Plattenstele 
mit  gotisierendem  Maßwerk  und  Inschrift. 


200 


Synagogen. 

L)aß  Juden  ihren  festen  Wohnsitz  in  Hannover  gehabt  haben,  wird 
frühestens  für  das  Jahr  1294  durch  das  älteste  Stadtbuch  bezeugt.  Im 
Hannoverschen  Stadtrecht  von  1303  wird  verordnet,  daß  niemand  die 
Juden  durch  Wort  oder  Tat  verletzen  solle;  1340  erhielten  sie  die  Erlaub- 
nis, ihr  eigenes  Vieh  zu  schlachten.  Die  Duldung,  die  man  ihnen  zuteil 
werden  ließ,  war  indes  äußerst  unstet.  1350  schob  man  den  Juden  die 
Schuld  an  dem  damals  die  Stadt  verheerenden  schwarzen  Tode  zu  und 
vertrieb  sie.  Zwei  Jahrzehnte  darauf  gab  die  erneute  Niederlassung  eines 
Juden  in  Hannover  den  Anlaß  zu  einem  herzoglichen  Aufenthaltsverbot 
für  Juden  überhaupt.  Schon  1375  aber  wiederum  zugelassen,  erhielten 
sie  herzoglichen  Schutz.  Weitere  Urkunden  aus  der  ersten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  erweisen  den  Aufenthalt  von  Juden;  1445  sollen  sie 
ausgewiesen  werden  ,,wan  Öhre  tydt  umme  wehre"*).  Nach  einem  Er- 
lasse des  Bischofs  von  Minden  von  1451  hatten  Juden  bestimmte  Kenn- 
zeichen  am   Gewände  zu   tragen,   Frauen  blaue  Streifen,   Männer  gelbe. 

In  der  Zulassung  und  Ausschließung  der  Juden  verhielten  sich  der 
Rat  und  die  Herzöge  auch  in  Zukunft  sehr  wechselnd  und  ohne  rechte 
Übereinstimmung,  so  daß  es  immer  einige  unter  besonderem  Schutze 
stehende  Juden  in  der  Stadt  gegeben  hat. 

Zur  Förderung  der  Neustadt  scheinen  besonders  unter  Johann  Fried- 
rich und  Ernst  August  bevorrechtete  Juden  herangezogen  worden  zu 
sein.  Der  bei  Hofe  in  hohem  Ansehen  stehende  Leffmann  Cohen  erreichte 
die  Anstellungserlaubnis  für  einen  Distriktsrabbiner,  dem  die  Bezirke 
Lüneburg-Hoya-Diepholz  unterstellt  wurden;  1673  erwirkte  er  ein  Schutz- 
edikt für  den  1671  angelegten  jüdischen  Friedhof  auf  dem  Sandberge 
unweit  Monbrillant.  Vollkommenen  Schutz  erlangten  die  Juden  erst 
1787.  Nach  der  Vereinigung  von  Alt-  und  Neustadt  trat  der  Wunsch 
der  Juden  auf,  in  der  Altstadt  ebenso  berechtigt  zu  sein  wie  in  der  Neu- 
stadt. Im  Jahre  1831  reichte  die  Gemeinde  eine  Eingabe  um  volle  Gleich- 
berechtigung mit  anderen  Bekenntnissen  an  den  Rat  der  Neustadt  ein. 
1842  und  1844  folgten  darauf  Gesetze,  die  die  Rechte  der  Gemeinde 
regeln  sollten. 


*)  Jürgens,  Hannoversche  Chronik,  S.  86. 

201 


Kirchen  und  Kapellen 

baugeschichte  Als  1608  auf  Einladung  des  Voigtes  der  Neustadt,  Fritz  Molinus, 
Juden  in  der  Neustadt  zugelassen  waren,  wo  dieser  ihnen  Häuser  errichtet 
hatte,  richteten  sie  eines  davon  „Am  Berge"  als  Synagoge  ein.  Allein 
auf  Befehl   des  Fürsten  selber  mußte   das   Gebäude   1613  niedergerissen 


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Abb.  130.     Hannover;  Alte  Synagoge,  Grundriß.     1925. 

werden.  Zu  Zeiten  des  Hofpredigers  Urbanus  Bhegius  erst  bestand 
wieder  eine  Synagoge  in  der  Jüdenstraße  —  der  späteren  Ballhofstraße  — 
wo  Bhegius  predigte,  um  die  Juden  zu  bekehren. 

Im  Hause  des  Levin  Goldschmidt  (Lob,  Hannover)  war  seit  1688 
eine  kleine  Synagoge  eingerichtet;  ein  neuer  Synagogenbau  auf  dem 
Platze  des  bisherigen  Vogteikruges  entstand  1703/04.  Diese  neue 
Synagoge  kam  beim  Bankrott  der  Brüder  Behrends  (Liepmann  Cohens 
Nachfahren)  1743  unter  den  Hammer,  sie  wurde  aber  aufgekauft  durch 


202 


Synagogen 

Michael,  David  und  Salomon  Gottschalk  und  der  jüdischen  Gemeinde 
zur  Verfügung  gestellt;  um  1830  wurde  sie  niedergerissen.  Die  jetzt 
noch  auf  dem  Hintergrundstück  „Am  Berge"  Nr.  8  vorhandene,  aber 
ueuerdings  geräumte  Synagoge  ist  Mitte  Dezember  1826  nach  Erweiterung 
eingeweiht.  Weil  sie  dem  bald  sich  steigernden  Raumbedürfnis  nicht 
mehr  genügte,  begann  man  1864  mit  einem  Neubau  nach  Opplers  Plänen, 


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Abb.  131.    Hannover;  Alte  Synagoge,  Längsschnitt.     1925. 

der  1870  vollendet  worden  ist,  auf  dem  erst  später  völlig  freigelegten 
Platze  des  alten  Postgebäudes  „Am  Berge".  Die  Entwurfzeichnungen 
befinden  sich  im  Opplerschen  Nachlasse. 


Der  auf  dem  Hintergrundstücke  „Am  Berge  Nr.  8"  im  Jahre  1826  alte  synagoge 
errichtete   Bau  wird  (südwärts)    durch   das  verschiedene    der   Gemeinde BESCHREIBUNG 
dienende  Räumlichkeiten  enthaltende  Vorderhaus  der  Sicht  von  der  Straße 
her  entzogen;  nordwärts  ist  er  verdeckt  durch  den  hohen  mittelalterlichen 
Mauerrest,  den  man  als  zur  Burg  Lauenrode  gehörig  ansieht. 

Die    Rückseite    des    wahrscheinlich    1704    erbauten    Vorderhauses    ist  Abb.  130 
zur  Zeit  des  Synagogenbaues  im  Erdgeschoß  mittels  einer  Säulenstellung 

203 


Kirchen  und  Kapellen 

von  sechs  dorischen  Säulen  eröffnet,  so  daß  für  den  Blick  von  dessen  Diele 
aus  dem  jenseits  des  kaum  2  m  breiten,  offenen  Hofes  sich  erhebenden 
Synagogengebäude  eine  Schauseite  im  beschränkten  Sinne  abgewonnen 
worden  ist. 

Die     Umfassungsmauern     sind    in    Ziegeln    mit     Quaderverblendung 
hochgeführt:    Gliederung  durch  senkrechte  Lisenenvorlage.    Rechteckige 


Abb.  132. 
Hannover;  Alte  Synagoge,  Querschnitt  mit  Lade  und  Predigtstuhl.     1925. 


Lichtöffnungen,    zweigeschossig  angeordnet.     Das    Hauptsims    aus   Holz- 
verschalung kragt  weit  aus. 

Der  Grundriß  des  ungefähr  westöstlich  orientierten  Tempels  ist  fast 
quadratisch;  an  der  Westseite  entlang  verläuft,  um  einige  Stufen  erhöht, 
Abb.  130  und  131  ein  Gang;  der  entsprechende  Raum  im  Obergeschoß  ist  als  Frauenempore 
in  den  Synagogenraum  einbezogen.  Vom  Gange  im  Erdgeschosse  aus 
eröffnet  eine  pilasterumrahmte  Tür  mit  vorgelegter  Treppe  den  Zutritt 
zu  dem  um  drei  Stufen  tieferliegenden  Tempel.  Gegenüber,  an  der  Ost- 
wand, ist  in  tiefer  rechteckiger  Nische  der  Schrein  für  das  Allerheiligste, 
um  einige  Stufen  erhöht,  eingebaut;  linksseits  der  Nische  eine  Kanzel. 
Durch  die  an  beiden  Längsseiten  angeordneten,  die  Frauenemporen 
tragenden  Säulen  (dorisch)  wird    der  Raum  dreischiffig  geteilt  und  erhält 

204 


Synagogen 

so  angenehme  architektonische   Verhältnisse.     Das  ringsum  fortgeführte 

Gebälk   dieser    Säulen,    denen   an    den   Kopfwänden   schwach   vorgelegte 

Pilaster  entsprechen,  trägt  im  Obergeschoß  eine  jonische  Pilasterstellung 

mit    Gebälk,    über   dessen   weit   ausladendem    Kranzsims   die    Holztonne  Abb.  132  und  133. 

des  Raumschlusses  angesetzt  ist. 

Die  somit  an  drei   Seiten  sich  herumziehenden  Frauenemporen  sind 
dem   Einblick  von   unten  entzogen   durch  Maschrebijengitter  und   Glas- 


Abb.  133.     Hannover;  Alte  Synagoge.  Inneres.     Phot.  1923.     Stadtarch. 

fenster,   welche   die  zwischen   den   Pilastern   sich  spannenden   Halbkreis- 
bögen verschließen. 

Der  Tempelraum  erhält  sein  Licht  in  der  Hauptsache  von  oben  durch 
einen  Lichtschacht  in  der  Mitte  der  Tonne. 

Die  zur  Ausstattung  gehörenden  Gegenstände  sind  bis  auf  nachstehend  Ausstattung 
aufgeführte  entfernt: 

Die  in  die  Allerheiligstennische  eingebaute  Lade  aus  Mahagoniholz 
hat  vorgekröpfte  Säulenstellung  mit  korinthischen  Kapitellen  und  Ver- 
goldung. Das  Gebälk  mit  vergoldetem  Palmettenfries  trägt  zwischen 
zwei  Henkelvasen  ein  Tempelchen  mit  Dreiecksgiebel. 

Einfacher,  achtseitiger  Predigtstuhl  aus  Holz  mit  ebensolchem  Fuß. 
Kein  Schalldeckel. 


205 


Kirchen  und  Kapellen 

Eine  lesepultartige  Holzestrade  von  drei  Stufen  Höhe,  mit  Treppen 
in  den  Seitenmitten.  Hölzernes  Geländer:  jonische  Ecksäulchen  und 
Gitter  von  gekreuzten  und  durch  Ringe  gefaßten  Lanzen  nach  Empire- 
geschmack. 


Abb.  134.    Hannover;  Neue  Synagoge,  Außenansicht  von  Osten. 
Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


neue  synagoge        Die  1864 — 70  an  der  Bergstraße  von  Oppler  erbaute  neue   Synagoge 
ist  ein  dreischiffiger  Zentralbau  mit  achteckiger  Kuppel  aus  gelben  Ziegeln 
Abb.  134  u.  135  mit  rotem   Sollinger  und  weißem  Deistersandstein  in   Stilformen  der  ro- 
manisch-gotischen   Übergangszeit.     In    der    Gruppierung   sind    Anklänge 
an  Kuppelmoscheen  des  vorderen  Orientes  gesucht. 


206 


Synagogen 


Abb.  135.     Hannover;  Neue  Synagoge,  Innenansicht.     Phot.  1895. 


207 


Kirchen  und  Kapellen 


Christuskirche. 

Uni  der  Gemeinde  außerhalb  des  Steintores,  die  bislang  ihren  Gottes- 
dienst in  der  Nicolaikapelle  zu  halten  pflegte,  eine  eigene,  geräumige 
Kirche  zu  geben,  stiftete  Georg  V.  1859  eine  Kirche,  zu  deren  Bauplatz 
der  Nordteil  des  Klagesmarktes  beim  sogenannten  Ochsenpump  aus- 
ersehen wurde.  Den  Entwurf  lieferte  C.  W.  Hase,  der  mit  dem  Bau 
eines  der  für  seine  Archi- 
tekturschule bezeich- 
nendsten Werke  schuf. 
Die  Grundsteinlegung 
geschah  am  21.  Sep- 
tember 1859. 

Das  Gotteshaus  ist  in 
der  Art  einer  gotischen, 
dreischiffigen  Hallen- 
kathedrale mit  einem 
Kapellenkranz  um  den 
polygonalen  Chor  und 
Emporen  in  den  Quer- 
schiffen in  Ziegeln  bei 
Verwendung  von  weißem 
Deistersandstein  ausge- 
führt. Alle  Gewölbe- 
joche der  Seitenschiffe, 
Querschiffe,  des  Chores 
und  des  Kapellenkranzes 
kennzeichnen  sich  außen 
durch  Giebelarchitek- 
turen. Der  Turm  hat 
Abb.  i3G  eine  offene.  Vorhalle, 
darüber  ein  quadratisch 
eingefaßtes  Badfenster 
und  schließt  mit  mas- 
sivem Helm   aus  farbig 

glasierten  Ziegeln  zwischen  Sandsteinrippen.  Das  Innere  zeigt  die 
Ziegelverwendung  unverhüllt  an  Pfeilern  und  Bippen.  Die  Wand-  und 
Gewölbeflächen  sind  geputzt. 

Altar,  Marmor  mit  vergoldetem  Bronzeaufsatz;  Kanzel,  Holz;  Taufe, 
Bronze;  Wandmalereien  von  Welter,  Köln. 

(Näheres  s.  Ztschrft.  des  Arch.-  u.  Ing.-Vs.  1864,  S.  408;  1867.  S.  358, 
mit  Tafein.) 


Abb.   136.     Hannover;    Christuskirche,   Turmportal.      Phot.   1902. 


208 


Marienkapelle  auf  der  Neustadt 


Burgkapelle  St.  Galli  auf  der  Burg  Lauenrode 

(abgebrochen  nach  der  Zerstörung  der  Burg  1371). 

Über  die  Beschaffenheit  der  Kapelle  auf  der  Burg  Lauenrode  (vgl.  S.  44) 
fehlen  Nachrichten;  dem  Kapellan  der  Burgkapelle  waren  der  spätere 
St.  Gallenhof  und  seine  Güter  als  Dotation  des  Hauptaltars  beigegeben. 
Als  1446  oder  1447  auf  dem  St.  Gallenhofe  in  der  Altstadt  eine  neue 
Kapelle  errichtet  war,  ging  die  Ausstattung  der  ehemaligen  Burgkapelle 
an  diese  über.  Weiteres  siehe  unter  den  Titeln  „Marienkapelle  auf  der 
Neustadt"    und  ,,St.  Gallenkapelle  auf  der  Altstadt". 


Marienkapelle  auf  der  Neustadt 
(abgebrochen  1859). 

Den  bei  der  Burg  Lauenrode  sitzenden  Burgmannen  und  der  sonst 
dort  und  auf  dem  Brühl  ansässigen  Bevölkerung  hatte  bis  zur  Zerstörung 
der  Veste,  1371,  die  dem  hl.  Gallus  geweihte  Burgkapelle  zum  Gottes- 
dienste gedient,  bei  der  eine  Kalandsbrüderschaft  bestand  (H.  G.  1927, 
S.  214).  Nach  dem  Falle  der  Burg,  der  den  Abbruch  der  Kapelle  zur  Folge 
hatte,  wurde  deren  Pfarrei  der  Kirche  St.  Georgii  et  Jacobi  beigelegt; 
der  Kaland  hörte  vorläufig  auf  zu  bestehen. 

Zehn  Jahre  nach  der  Zerstörung  der  Lauenrode  stiftete  der  aus  Burg- 
mannengeschlecht  stammende  Cord  von  Alten  den  Grund  und  Boden 
zur  Errichtung  eines  neuen  Gotteshauses,  dessen  Bau  1382  zustande  kam, 
zu  Ehren  der  hl.  Jungfrau  Maria  und  des  hl.  Gallus.  Die  Kalandsbrüder- 
schaft war  inzwischen  wieder  aufgelebt  und  zu  einer  verbreiteten  Körper- 
schaft geworden.  Mit  den  Bittern  von  Alten  trafen  ihre  Vorsteher  im 
Jahre  1388  eine  Vereinbarung,  nach  der  die  Brüderschaft  mit  der  Kirche 

14  209 


Kirchen  und  Kapellen 

vereinigt  wurde  in  der  Weise,  daß  die  Priester  aus  der  Kalandsbrüderschaft 
den  Gottesdienst  gegen  eine  Vergütung  zu  verrichten  hatten  und  die 
Kirche  den  Versammlungen  der  Brüder  offenstehen  sollte.  Das  vereinigte 
Vermögen  blieb  der  Verwaltung  des  Kalands  überlassen,  und  das  lehns- 
rechtliche  dominium  directum  der  bei  der  Kirche  fundierten  Präbenden 
sollte  den  von  Altenschen  Erben  zustehen.  Die  Herzöge  Bernhard  und 
Heinrich  bestätigten  diese  Übereinkunft,  behielten  sich  aber  für  den  Fall 
des  Aussterbens  des  von  Altenschen  Geschlechtes  das  Verleihungsrecht 
der  Präbenden  vor.  Die  neue  Kapelle  beatissime  Marie  virginis  wurde 
am  12.  Mai  1389  von  dem  Bischof  Otto  von  Minden  zur  Collegiat-  und 
Pfarrkirche  für  die  Bewohner  der  Neustadt  mit  Lauenrode  und  Brühl 
erhoben  (Sudendorf,  Urk.  B.  VI,  S.  236  u.  254),  1415  wurde  auch  das 
Collegiatstift  zu  Mandelsloh  mit  ihr  vereinigt  (s.  darüber  Ztsch.  d.  hist. 
V.  f.  N.,   Jahrg.    1857,    S.  278;    H.  G.  1927,    S.  215). 

Nach  der  Beformation  blieb  die  Marienkirche  zwar  Pfarrkirche  der 
Neustadt,  aber  dem  Kaland  war  versagt,  die  gottesdienstlichen  und 
brüderschaftlichen  Verrichtungen  dort  vorzunehmen.  Er  verglich  sich  mit 
dem  Magistrat  dahin,  daß  nach  dem  Absterben  der  derzeitigen  Mitglieder 
der  Magistrat  in  die  Beeilte  der  Brüderschaft  eintreten  sollte.  Der  erste 
lutherische  Pastor  an  St.  Marienkirche  starb  1589.  Für  seinen  Nachfolger, 
der  gleichzeitig  Pastor  in  Hainholz  war,  wurde  um  diese  Zeit  ein  Pfarrhaus 
gebaut. 

Nach  der  Fertigstellung  der  Neustädter  St.  Johanniskirche,  seit  1670 
wurde  die  Marienkirche  zur  Lateinschule  und  zur  Wohnung  der  „Schul- 
Collegen"  (Bektor  und  Konrektor)  eingerichtet  und  blieb  in  diesem  Zu- 
stande bis  1801.  Sie  bestand  bis  1859,  in  welchem  Jahre  sie  abgebrochen 
wurde. 

Auf  dem  zur  Marienkirche  gehörenden  Kirchhofe,  der  zum  Teil  aus 
dem  Judenteiche  ausgedeicht  war  (1610),  wurde  die  Neustädter  Hof- 
predigerwohnung mit  dem  Pfarrgarten  angelegt,  nach  Bedecker  im 
Jahre  1689  (vgl.  den  Plan  bei  Bedecker,  S.  283.  Abbildungen  nach 
Bedecker  zu  den  verschiedenen  Entwicklungszuständen  der  Kapelle 
s.  H.  G.  1906,  S.  204). 

Taufe  Eine  für  St.  Marien  von  Benedict  Thiersch  1657  gefertigte  Taufe  ist 
1668  in  die  Kirche  zu  Lauenau  (Kr.  Springe)  gebracht*).  (In  Limmer 
bei     Hannover    befand     sich    ebenfalls    ein    von   Meister  Benedict   1655 


*)  Ein  1931  aufgefundenes  Reehnungsbuch  im  Kirchenarchive  der  Neustädter 
St.  Johanniskirche  gibt  an:  Anno  1657  haben  M.  Bened.  Tirsch  Steinhawer  und 
M.  Stephan  Bock,  und  dessen  Eheliebste  Lucia  Margreta  Hontzen  Gott  zu  ehren 
und  der  Kirche  allhie  auf  der  Neustadt  zum  besten  den  Taufstein  bawen  und  das 
Tauf-Becken  verehret  und  auch  vermählen  lassen;  Anno  1558  haben  M.  Stephan 
Bock  und  Jost  Groten  den  Taufdeckel  dazu  gegeben. 

210 


St.  Gallenkapelle  auf  der  Altstadt 

gefertigter  Taufstein,  der  jetzt  verschollen  ist.  In  den  Celler  Kammer- 
rechnungen kommt  vor:  1653— -57  Benedix  Dirsch.  Ebenda  1649 — 54 
Hans  Dirsch  Steinhawer.) 

Die  von  Mithoff  (Kdm.  S.  75)  beschriebenen  drei  Meßgewänder  befinden  Stoffe 
sich  im  Provinzialmuseum.  Orientalische  Stoffe  des  14.  Jahrhunderts  mit 
aufgenähten    Stickereien    figürlicher   und    ornamentaler   Art. 

Ein  Chorhemd  aus  weißem  Leinen  entstammt  der  zweiten  Hälfte 
des  14.  Jahrhunderts.  Stickereien  in  farbiger  Seide  sind  auf  einer  Borde 
von  grauem  Leinen  angebracht:  Banken  und  Vierpässe  mit  den  Wappen 
v.  Steinberg,  v.  Heimburg  u.  a.  in  Wiederholung. 

Das  von  Mithoff  (Kdm.  S.  74)  beschriebene  Wandmal  des  Jobst  wandmai 
v.  Alten  ist  auf  einem  Ölgemälde  von  Giesewell  (Provinzialmuseum)  zu 
erkennen,  welches  das  Innere  der  Neustädter  Schule  um  1830  darstellt. 
Der  Verstorbene  kniet  in  Rüstung  vor  einem  Kruzifixus.  Dreipassige 
Nischenumrahmung.  Inschriftkartusche  mit  Rollwerk  unterhalb,  Wappen 
in  den  Zwickeln  oberhalb  der  Nische.  Inschrift  mit  dem  Todesjahr  1568 
s.  Mithoff,  a.  a.  0. 


St.  Gallenkapelle  auf  der  Altstadt 
(1630  eingestürzt). 

Die  Stiftung  einer  Kapelle  auf  dem  St.  Gallenhofe  an  der  Burg-  und 
Bockstraße  im  Jahre  1445  (Grupen,  S.  369)  ging  aus  von  dem  hannover- 
schen Patrizier  Ludolph  Quirre  (Doct.  juris,  Archidiaconus  zu  Bam- 
stocken  und  Propst  zu  Halberstadt,  wie  Bedecker,  a.  a.  0.,  S.  338,  seine 
Titel  angibt),  einem  gebürtigen  Hannoveraner.  Mit  der  Kapelle  war 
ein  Collegium  canonicum  verbunden.  In  dieser  Kapelle  erstand  die  nach 
der  Zerstörung  der  Lauenrode  niedergelegte  Burgkapelle  St.  Galli  wieder: 
sie  wurde  dem  gleichen  Schutzheiligen  geweiht,  auch  wurden  ihr  die 
Dotationen  des  Hauptaltares  der  ehemaligen  Burgkapelle,  nämlich  der 
St.  Gallenhof  und  die  dazugehörenden  Güter,  ferner  alles  weitere  Zubehör 
der  alten  Kapelle  beigegeben.  Der  Bau  kam  erst  1446  nach  bischöflicher 
Bestätigung  zur  Ausführung;  im  folgenden  Jahre  wurde  das  Gotteshaus 
durch  den  Bischof  Heinrich  von  Minden  eingeweiht.  1447  erhielt  Meister 
Gerd  von  Dassel  die  Erlaubnis  des  Herzogs,  eine  Küsterei  nach  Anweisung 
des  Ludolph  Quirre  zu  bauen  (s.  H.  G.  1924,  S.  87).  Nach  der  Reformation 
-  seit  1533  —  stand  die  Kapelle  unbenutzt.  Die  Erben  des  Stifters  trafen 
1546  über  die  Vermächtnisse,  welche  die  Familie  Quirre  ehemals  der 
Kapelle  zugewandt  hatte,  mit  dem  Magistrat  ein  ähnliches  Abkommen, 
wie  es  der  Kaland  hinsichtlich  der  mit  der  Neustädter  Marienkapelle 
verbundenen  Vermächtnisse  und  Vermögen  vereinbart  hatte,  dahin,  daß 

211 


Kirchen  und  Kapellen 

ihnen  auf  Lebenszeit  der  Genuß  ihrer  Rechte  und  Einkünfte  verbleiben, 
nach  ihrem  Tode  aber  dem  Bürgermeister  und  Rat  zu  guten  Werken 
zufallen  sollte. 

Die  Landesherrschaft,  die  seit  der  Reformation  angesehene  Persön- 
lichkeiten auf  Lebenszeit  mit  den  der  Kapelle  zugeschriebenen  Gütern 
belehnt  hatte,  trat  1555  ihre  Rechte  an  den  Magistrat  ab  mit  der  Bedingung, 
daß  dieser  den  Ertrag  der  auf  diese  Weise  erworbenen  Vermögen  zur  Ehre 
Gottes  und  zur  Beförderung  der  Studien  verwenden  sollte  („Geistliches 
Lehnsregister",  s.  Näheres  darüber  H.  G.  1905,   S.  152). 

Die  1446  an  der  Ecke  der  Burg-  und  Ballhof straße  errichtete  neue 
St.  Gallenkapelle  war  ein  rechteckiger  Ziegelbau  mit  steilen  Giebeln  und 
einem  Dachreiter.  Redecker  bringt,  schwerlich  nach  seiner  eigenen  Kenntnis 
der  Überbleibsel  des  Bauwerkes,  einen  Grundriß  und  eine  Ansicht  von  ihr 
als  Ziegelbau  (s.  H.  G.  1906,  S.  156).  Die  Glocken  und  anderes  Gerät,  das 
aus  der  älteren  St.  Gallenkapelle  auf  der  Burg  noch  bestand,  waren  in  die 
neue  Kapelle  übernommen  worden.  Da  nach  der  Reformation  das  Gebäude 
nicht  mehr  benutzt  wurde,  so  verfiel  es;  das  Gewölbe  und  die  Giebel 
stürzten  1630  bei  dem  großen  Sturmwinde,  der  auch  den  Kreuzturm 
umwarf,  ein.  Die  Bautrümmer  fanden  dann  beim  Bau  der  Neustädter 
St.  Johanniskirche  Verwendung. 


Kapelle  St.  Marien  vor  dem  Ägidientore 
(1645  abgebrochen). 

Die  Grafen  Johann,  Ludolf  und  Ludwig  von  Roden  und  Wunstorf 
übergaben  am  22.  März  1349  an  den  Rat  zu  Hannover  zwei  Hufen  Landes 
zur  Dotation  einer  außerhalb  des  Ägidientores  zu  errichtenden  und  mit 
vier  Priestern  zu  besetzenden  Kapelle,  die  der  hannoversche  Bürger 
Johannes  von  Eddingerode  zu  bauen  plante.  Mit  dem  Stifter  verein- 
barte der  Rat  am  12.  April  des  gleichen  Jahres,  daß  er  vor  dem 
Ägidientore  einen  „Hilghen  Gheiyst",  das  heißt  ein  Hospital  nach  der 
Art  des  St.  Spiritushospitals  in  der  Stadt,  für  dreizehn  Personen 
erbauen  sollte  und  dazu  eine  Kapelle  für  vier  Altaristen.  Diese 
Baulichkeiten  sollten  vorläufig  in  Holz  —  d.  i.  in  Fachwerk  —  aus- 
geführt werden  und  danach  der  Erbauer  und  seine  Nachfahren 
weiterer  Verpflichtung  entbunden  sein.  Die  Altaristen  waren  vom  Rate 
auf  Vorschlag  des  Johann  von  Eddingerode  zu  belehnen,  in  gleicher  Weise 
die  Stellen  der  Hospitaliten  zu  vergeben. 

Die  Kapelle,  die  der  hl.  Jungfrau  Maria  zugedacht  war,  erhielt  am 
9.  September  1349  durch  den  Bischof  Heinrich  und  das  Kapitel  zu  Hildes- 

212 


Jakobskapelle  auf  dem  Rathause 

heim  und  wiederholt  am  2.  November  desselben  Jahres  durch  Bischof 
Erich  die  Billigung  ihrer  Errichtung  und  Dotierung;  ihre  Bechte  und 
die  der  Altaristen  wurden  festgesetzt,  auch  wurde  ihre  Ausnahme  von 
der  Parochie  Kirchrode  ausgesprochen  (H.  Urk.  B.  Nr.  272,  274,  275,  278). 
Später  scheint  der  um  die  Kapelle  zu  Hainholz  verdiente  Pleban  an  der 
Kreuzkirche,  Johannes  von  Eddingerode,  zwei  Kommenden  an  St.  Marien 
vor  dem  Ägidientore  gestiftet  zu  haben  (s.  Bedecker,  Bemerkung  zum 
Jahre  1411;  Chrom,   S.  312). 

Die  Bauausführung  ist  nicht  sogleich  nach  der  bischöflichen  Bestätigung 
begonnen  worden,  denn  noch  am  21.  Dezember  1359  spricht  eine  Urkunde 
von  der  zu  erbauenden  Kapelle  (U.  B.  Nr.  389).  Die  Errichtung  des 
Hospitales  ist  ganz  unterblieben.  Bedecker  gibt  (a.  a.  0.,  S.  253)  an: 
„also  ward  im  Jahr  1354  ein  zierliches  starkes  Gebäu  von  Steinen  auf- 
geführet  und  gewölbet,  auch,  weil  die  Gemeine  einen  eigenen  Kirchhof 
haben  wollte,  selbiger  dabei  angerichtet".  Diese  Angaben  sind  aber 
wenigstens  hinsichtlich  des  Datums  irrig.  Die  Stelle,  wo  der  Bau  geschah, 
bezeichnet  Bedecker  auf  einem  Plane,  in  welchem  er  die  Gegend  am 
Ägidientor  darstellt  (S.  254).  Weiter  berichtet  er,  das  Gotteshaus  sei  1490 
wegen  Erweiterung  der  Festungswerke  abgebrochen  und  der  Kirchhof  auf 
die  andere  Seite  des  Ägidientores  -  -  also  nordostwärts  davon  -  -  verlegt 
worden.  Doch  geht  aus  dem  Corpus  bonorum  (s.  H.  G.,  S.  413)  hervor, 
daß  erst  infolge  der  Beformation  das  Bauwerk  im  Jahre  1534  mit  Konsens 
des  Herzogs  Ernst  zu  Celle  abgebrochen  ist.  Die  Güter  und  Einkünfte  der 
Kapelle  fielen  damals  auf  Grund  eines  Bezesses  mit  den  Nachfahren  des 
Stifters  dem  Bat  anheim,  der  sie  der  Kirche  St.  Jacobi  et  Georgii  beilegte. 
Auf  dem  neuen  Kirchhofe  ist  1554  -  -  dies  Datum  war  nach  Bedecker 
über  der  Tür  in  Holz  eingehauen  -  -  eine  neue  Kapelle  gebaut  worden. 
Sie  wurde  1594  um  zwei  Fach  erweitert,  fiel  aber  1645  der  Anlage  des 
großen  Bavelins  vor  dem  Ägidientore  zum  Opfer.  Wohl  schon  1534  ist  der 
Siebenmännerstein,  jetzt  an  der  Ägidienkirche,  der  an  der  Marienkapelle 
gestanden  hatte,  in  die  Stadt  gebracht  und  an  den  Ägidienkirchhof  gesetzt 
(Grupen,  Hist.  eccl.  I,   II,  Capella  b.  Mariae  virg.  extra  muros). 


Jakobskapelle  auf  dem  Rathause. 

Nach  Bedecker  (Chron.,  S.  376)  stiftete  im  Jahre  1476  der  Hildesheimer 
Domkapitular  Arnold  von  Heysede  im  Bathause  zu  Hannover  auf  dem 
Neuen  Saal  eine  Kapelle  St.  Jacobi.  Sie  lag  im  Obergeschoß  des  Flügels 
am  Marktplatze  und  scheint  nach  der  Beformation  eingegangen  zu  sein; 
das  Corpus  bonorum  von  1720  nennt  sie  in  der  Aufzählung  der  Bäume 
im  Bathause  nicht  mehr. 

213 


Kirchen  und  Kapellen 

Kapelle  auf  dem  Grundstücke  Marktstraße  47. 

Urkundliche  Nachrichten  über  die  Kapelle  liegen  nicht  vor.  Wie  das 
Wäskenbook  (§  451)  überliefert,  hatte  Johann  Scheele,  der  1419  Bischof 
von  Lübeck  wurde,  auf  dem  Grundstücke  an  der  Marktstraße  sein  Haus 
erbaut.  Hartmann  (a.  a.  ().,  S.  88)  gibt  an,  er  habe  auch  eine  Kapelle  auf 
seinem  Grundstücke  gestiftet.  Da  dieses  Grundstück  rückseitig  von  dem 
Karmeliter-  und  dem  Augustinerhof  berührt  wurde,  so  könnte  die  dem 
Johann  Scheele  zugeschriebene  Kapelle  diesen  Mönchsorden  bestimmt 
gewesen  sein.  Redeckers  Mitteilung,  es  sei  1690  gelegentlich  eines  Neubaues 
der  Hofgebäude  auf  dem  Grundstücke  ein  Gewölbe  mit  schönen  Särgen 
gefunden,  unterstützt  die  Glaubhaftigkeit  der  Überlieferung,  daß  hier  eine 
Kapelle  bestanden  habe,  kaum. 

Vermutlich  besteht  der  Wahrheitskern  der  Überlieferung  im  Vor- 
handensein einer  Kemenate,  wie  das  auch  der  Fall  sein  dürfte  bei  Ge- 
wölben, die  sich  auf  dem  Grundstücke  des  Marienseer  Hofes  (s.  Seite  226) 
bis   1898  erhalten  haben. 


214 


Klöster  und  Ablager  Geistlicher  Orden. 


Minoritenkloster. 

L)er   1288    bereits   in  Hannover  nachweisbare    Barfüßer-Brüderkonvent 

war  ansässig  auf  einem  den  Mönchen  von  den  von  Alten  überlassenen 
Grundstück.  Das  Obereigentum  darüber  schenkte  ihnen  der  Bischof 
Siegfried  von  Hildesheim  am  5.  September  1291  (U.  B.  Nr.  54).  Im 
folgenden  Jahre  übergaben  die  von  Alten  ihnen  auch  das  Untereigentum 
(Begesten).     Das  Grundeigentum   war   Hildesheimisches  Lehen. 

Die  Mönche  kauften  vom  Bitter  Boldewin  von  Boden  einen  Platz  am 
Leineufer  hinzu.  Weil  sie  hier  eine  Kajenmauer  gebaut  hatten,  über  welche 
hinaus  die  darauf  errichteten  Gebäude  oberhalb  des  Wassers  vorgekragt 
waren,  und  weil  der  Fluß  durch  Abwässer  von  Kloake  und  Küche  ver- 
schmutzt wurde,  kamen  die  Mönche  mit  den  Söhnen  des  Bitters  in  Streit, 
die  als  Eigentümer  desOttenwerders  auch  die.Fischereigerechtsame  besaßen. 
In  dem  Vergleich  vom  19.  März  1310  (s.  d.  Urk.  102,  103,  104),  der  diesen 
Streit  beendete,  ist  ein  Lobium,  eine  Laube,  erwähnt  und  ein  Boot,  das  die 
Mönche  auf  der  Leine  hielten.  Sie  sicherten  den  Bittern  Begräbnis  und 
Seelenmessen  zu  für  verstorbene  Familienmitglieder  an  dem  primum 
altare,  quod  extra  chorum  in  ecclesia  nostra  fuerit  instaurandum. 

Der  Ausbau  der  Konventsniederlassung  scheint  allmählich  zu  festen  baugeschichte 
Gebäuden  übergegangen:  1340  werden  den  Brüdern  zwei  agri  prope 
Linden  ad  caedendos  lapides  ad  structuram  aedificiorum  sui  conventus 
zugestanden.  1399  am  14.  Mai  erhalten  sie  2000  kleine  und  große  Dach- 
ziegel zum  Bau  des  Klosters  (Begesten).  Die  Klosterkirche  war  zu  Ehren 
Gottes  und  der  Jungfrau  Maria  geweiht;  der  Marienaltar  wird  1401  zuerst 
genannt;  dazu  die   Sakristei. 

Wir  haben  es  aber  bisher  nicht  zu  tun  mit  der  Kirche,  deren  Teile 
noch  heute  in  das  Leineschloß  eingebaut  erhalten  sind.  Am  5.  Februar  1436 

215 


Klöster  und  Ablager  Geistlicher  Orden 

ist  eine  Urkunde  ausgestellt  „in  nova  capella  monasterii  fratrum  minorum 
in  Honovere";  erst  bei  dieser  handelt  es  sich  um  die  jetzige  Schloßkirche. 
Das  Klostergrundstück  wurde  1  152  erweitert  durch  die  Schenkung  des 
Ludolf  Grove,  Bischofs  von  Oesel,  der  die  domus  der  Groven  an  der 
Leinstraße  den  Minoriten  überließ  zum  Zwecke  des  Abbruches  des  darauf- 
stehenden Hauses  und  der  Anlage  eines  Friedhofes  auf  der  vorderen 
Hälfte  sowie  eines  Lustgartens  auf  dem  leinewärts  gelegenen  Teile.  Das 
Haus  lag  neben  dem  Krautgarten  (viridarium)  der  Mönche  (H.  G. 
1924,   S.  50). 

In  ihrer  Eigenschaft  als  Klosterkirche  hatte  die  Kirche  der  Barfüßer 
keine  Eingepfarrten.  Da  die  Brüder  über  diese  Einschränkung  durch 
Begräbnisse  und  Kommunizierungen  hinübergriffen,  so  gerieten  sie  mit 
den  Stadtgeistlichen  wegen  Beeinträchtigung  der  Parochialrechte  in 
Streitigkeiten.  Obwohl  1367  ein  Vergleich  das  künftige  Verhalten  der 
Barfüßer  regelte,  führten  immer  wieder  Verstöße  zur  Klage  bis  zur  Befor- 
mation  hin. 

1533  verließen  die  Minoriten  ihr  Kloster  und  wanderten  nach  Hildesheim 
ab.  Die  Gebäude  wurden  vom  Bäte  der  Altstadt  verschlossen  und  den 
Diakonen  der  Marktkirche  übergeben. 

Das  im  Kloster  vorgefundene  Silber  überantwortete  der  Bat  der 
Münze,  um  Geld  daraus  zu  schlagen  zur  Herstellung  der  an  der  Orgel  der 
Marktkirche  noch  fehlenden   Stimmen. 

Die  Klostergebäude  wurden  fortab  aus  dem  Fabrikregister  der  Markt- 
kirche erhalten.  Um  sie  nicht  ad  profanos  usus  gelangen  zu  lassen,  legte 
der  Bat  1551  ein  hospitium  für  19  Arme  hinein.  1587  brachte  er  auch  die 
von  Moritz  von  Sode  fundierte  Stiftung  in  den  Klostergebäuden  unter. 
Später  allerdings  wurden  die  Gebäude  auch  profanen  Zwecken  dienstbar 
gemacht:  die  Kirche  benutzte  man  als  Zeughaus,  sonstige  Bäume  als 
Münze,  Korn-  und  Salzmagazin,  ferner  als  Schreib-  und  Mädchenschule. 

Auf  einen  1630  unternommenen  Versuch  zur  Bestitution  des  Klosters 
an  den  Barfüßerorden  ließ  sich  der  Bat  auf  Weisung  des  Herzogs  nicht  ein. 
1637  wählte  bekanntlich  Herzog  Georg  von  Calenberg  den  Platz  des 
ehemaligen  Klosters  zu  seiner  Besidenz  und  bestimmte  die  Kirche  zur 
Hof-  und  Schloßkapelle.  Dem  Schloßbau  mußten  dann  die  vorhandenen 
Baulichkeiten  weichen  bis  auf  die  Klosterkirche. 

Beschreibung  Obschon  die  Urkunden  viele  Einzelheiten  der  Klosteranlage  erkennen 
lassen,  ist  es  schwer,  diese  zu  einem  wahrheitsgetreuen  Bilde  zusammenzu- 
stellen.   Bedecker  (Chron.,   S.  201,  H.  G.  1906,   S.  160)  hat  versucht,  den 

216 


Minoritenkloster 

Grundriß  des  Barfüßerklosters  vor  1637  zu  rekonstruieren  und  ist  dabei  in 
Irrtümer  verfallen  (s.  darüber  H.  G.  1924,  S.  51).  Die  Anlage,  wie  sie  1533 
von  den  Mönchen  verlassen  wurde,  umfaßte  als  Hauptsache  die  längs  der 
Leinstraße  gelegene  Kirche  und  --  rechtwinklig  dazu,  von  deren  Chor  bis 
zum    Wächtergange    der    Stadtmauer    hindurchreichend  das    Wohn- 

und   Schlafhaus  für  die  Mönche.    Genaueres  über  die  Lage  und  Art  der 


Abb.  137.     Hannover;  Minoritcnaltar,  geschlossen.     Weifenmuseum,  jetzt  Provinzialnmseum. 


übrigen  Gebäude,  die  rings  um  den  Klosterhof  zwischen  Wächtergang  und 
Kirche  sonst  noch  bestanden  haben,  und  die  später  als  Münze,  Magazin 
oder  Schule  benutzt  wurden,  ist  nicht  anzugeben.  Vermutlich  waren  es 
Fachwerkbauten  auf  Bruchsteinfundamenten.  Der  vorher  genannte 
Krautgarten  und  der  Kirchhof  erstreckten  sich  südöstlich  des  Wohn- 
und   Schlafhauses  bis  an  das   Quirresche   Grundstück. 

Von  der  frühesten  Kirche  der  Minoriten  wissen  wir  nichts. 

Die  1436  als  nova  capella  fratrum  minorum  bezeichnete  Klosterkirche 
ist  ein  Bruchsteinbau  von  drei  gleich  hohen  Schiffen.   Der  etwas  niedrigere 

217 


Klöster  und  Ablager  Geistlicher  Orden 

Choi-  hatte  die  Tiefe  von  zwei  Jochen  bei  Dreiachtelschluß.  Das  Schiff 
war  in  vier  Systemen  von  Kreuzgewölbe] ochen  auf  Birnstabrippen  mit 
Schlußsteinen  gewölbt;  drei  Paar  achteckige  Pfeiler  und  Wandkonsolen 
trugen  die  Gewölbe.  Streben  waren  außen  vorgelegt.  Die  breiten  und 
hohen  Spitzbogenfenster  hatten  profilierte  Leibungen  und  reiches  Maßwerk 
bei  vierfacher  Teilung  durch  Pfosten.    Die  Seitenschiffe  waren  außen  für 


Abb.  138.    Hannover;  Minoritenaltar,  Mittelstück,  jetzt  im  Provinzialmuseum.     Mit  Genehmigung  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Herzogs  von  Braunschweig  und  Lüneburg. 

jedes  Joch  mit  besonderem  Giebel  ausgestattet,  der  von  einer  Kreuzblume 
gekrönt  war.  Der  Dachfirst  trug  nach  Redeckers  Zeichnung  über  dem 
('.hör  einen  Dachreiter,  der  aber  nicht  der  ursprüngliche  sein  kann. 

Schuster  (K.  u.  K.,  S.  16)  gibt  an,  daß  „die  Thürme  an  der  Westseite" 
schon  früher  abgetragen  waren,  bevor  noch  Herzog  Christian  Ludwig  1642 
die  Kirche  verkleinern  ließ.      Tatsächlich  bestanden  Türme  nicht. 

Südlich  des  Chores  schloß  sich  eine  Sakristei  an.  Spätere  Abbildungen 
des  Äußeren  und   Inneren  der  Minoritenkirche  s.  Leineschloß. 


218 


Minoritenklostcr 


~C     r. 


o  a 


S  5 


219 


Klöster  und  Ablager  Geistlicher  Orden 


Ausstattung  Ein  Altaraufsatz  des  Marienaltars  des  Minoritenklosters  ist  nach 
Altar  (|er  Reformation  in  das  Sodensche  Stift  gekommen,  von  da  in  das  Welfen- 
Abb.  137 139  museum  (luv.  Nr.  23,  23)  und  jetzt  im  Provinzialmuseum  aufgestellt. 
Es  ist  ein  Klappaltar  aus  dem  ersten  Drittel  des  15.  Jahrhunderts.  Die 
Flügel  außen  bemalt.  Mittelbild:  Kreuzigung;  links  oben:  Geißelung; 
unten:  Dornenkrönung;  rechts  oben:  Grablegung;  unten:  Auferstehung. 
Innen  in  der  Mitte  unter  Wimpergenbaldachin  eine  Holzplastik  der 
Marienkrönung  und  beiderseits  davon  stehende  Heiligenfiguren;  H.=  60; 
alle  Figuren  sind  polychromiert.  Den  Fußfries  bilden  durchbrochene 
Rundmedaillons  mit  weiblichen  Heiligen  in  der  Mitte  und  mit  Propheten 
an  den  Seiten  (über  den  Altar  handelt  Habicht  in  H.  G.  1913,  S.  262  ff. 
Vgl.  ferner  Katalog  der  Kunstsammlungen  im  Provinzialmuseum  I, 
Nr.  174). 

docke        Eine    Klosterglocke    wird    von    Grupen    (Orig.  S.  376)    genannt    zum 
Jahre  1394. 

Geräte,  Stoffe        Ein  Verzeichnis  der  Geräte  und  Gewänder,  die  1534  in  der  Sakristei 
der  Minoritenkirche  sich  vorfanden,  ist  im  Stadtarchive  (Akten  14,  18a; 
im  Auszug  abgedruckt  bei  Habicht,  H.  G.  1913, 
S.  284).  ' 

Grabmäier  Die  Familien  v.  Roden  und  v.  Idensen 
hatten  ihre  Grabstätten  im  Kloster,  doch  sind 
ihre   Grabmale  nicht  erhalten. 

Abb.  iio  Grabplatte  des  Dietrich  v.  Rinteln,  f  1321, 
Sandstein,  in  der  Schloßkirche  aufgestellt, 
H.  =  180,  Br.  =  93.  Auf  der  rechteckigen 
Platte  ist  der  Verstorbene  in  Umrißzeichnung 
entblößten  Hauptes  mit  langem  Gewand, 
Mantel  und  Schild  dargestellt.  Umschrift  in 
Majuskeln:  +  ANNO  •  DNI  •  M  •  CCC  XXI  •  IN  • 
CATHEDRA  •  S[AN]C[T]I  -PETRI-AP[OSTO]LI  • 
THIDERICVS  •  DE  •  RINTELEN  •  ORATE  •  PRO  • 
EO  +  (Vgl.  Mith.,  Arch.    S.  11). 

Marienbild  Über  die  Stiftung  eines  goldenen  Szepters 
und  einer  goldenen  Spange  für  das  Marienbild 
im  Jahre  1395  s.  E.  Büttner,  Urk.  90;  Kultur- 
bilder aus  dem  mittelalterlichen  Hannover, 
Hnvr.   1926. 


Abb.   140.      Hannover;     Minoriten- 

kloster,  Grabplatte  des  Dietrich  von 

Rintelen,  f  1321.   Nach  Holzschnitt 

in  Mithoffs  Archiv,  S.  11. 


Siegel        Der  ebengenannten  Urkunde  ist  das  Siegel 
des  Guardians  und  das  des  Klosters  angehängt. 

Das  letzte,  abgebildet  bei  Habicht  (Stätten  d.  Kult.,   Abb.  13),  enthält 
eine  Darstellung  der  Flucht  nach  Ägypten.    Habicht  datiert  es  um  1310. 


220 


Loccumer  Hof 

Loccumer  Hof. 

Das  Loccumer  Zisterzienserkloster  hatte  bereits  1279  in  der  Stadt 
am  Hokenmarkte  Hausbesitz  in  Gestalt  von  zwei  Buden  erworben  und 
besaß  1293  einen  Hof  in  der  Osterstraße,  der  in  erster  Linie 
Wirtschaftszwecken,  dabei  vor  allem  dem  Absätze  der  Getreideernte 
dienen  sollte.  Diesen  Besitz  erweiterte  das  Kloster  1299  durch  den 
Ankauf  des  dem  angesehenen  Bürger  Hans  Bernhard  Haverbecker 
gehörigen  Grundstückes  an  der  Osterstraße.  Aus  der  früheren 
Geschichte  des  Klosterhofes  erfahren  wir  ferner,  daß  das  Kloster  sich 
1320  (U.  B.  Nr.  136)  verpflichtete,  die  Stadtmauer  an  seinem  Hofe  selbst  zu 
bauen;  es  ist  dieser  Verpflichtung  vor  1337  nachgekommen.  Im  15.  Jahr- 
hundert mußte  wegen  wirtschaftlicher  Nöte  des  Klosters  der  Hof  an  die 
Patrizierfamilie  der  Berkhusen  verpfändet  werden.  1563  gestanden  Abt 
und  Konvent  dem  Bäte  der  Stadt  Hannover  das  noch  heute  in  Anspruch 
genommene  Näherkaufsrecht  zu:  der  Hof  darf  ohne  Vorwissen  des  Bates 
nicht  verkauft  werden.  Im  30jährigen  Kriege  war  der  Hof  Zuflucht  für 
die  Loccumer  evangelischen  Konventualen,  als  das  Kloster  infolge  des 
Bestitutionsediktes  vorübergehend  mit  einem  katholischen  Zisterzien- 
serkonvent besetzt  war.  Unter  dem  Abte  Molanus  (geb.  1633,  f  1722) 
war  der  Hof  Sammelplatz  der  gelehrten  Welt;  Leibniz  ging  hier  ein  und 
aus,  und  Molanus  pflog  hier  die  Unionsverhandlungen  mit  Bossuet  und 
Spinola.  Über  der  Tür  seiner  Bibliothek  soll  gestanden  haben:  Fructus 
sanctus  coelibatus  (W.  Uhlhorn  in  Halbmonatsschr.  Niedersachsen, 
Jahrg.  1912/13,  S.  362;  Schultzen,  Gesch.  des  Klosters  Loccum,  Hanno- 
ver 1913,   S.  144  f.). 

Auf  die  in  der  genannten  Urkunde  von  1320  erteilte  Erlaubnis  hin  baugeschichte 
baute  der  Konvent  ein  60  Fuß  langes  Haus  auf  dem  Klosterhofe,  das 
mit  seiner  Bückseite  unten  an  den  Wächtergang  grenzte,  während  es 
oben  auf  die  Mauer  selbst  gelegt  war.  Dieses,  nach  dem  vorher  Gesagten 
vor  1337  entstandene  Gebäude  ist  bis  1832  äußerlich  unverändert  ge- 
blieben. Es  war  das  Absteigehaus  der  Mönche  und  diente  seit  unbekannter 
Zeit  als  Abtswohnung.  In  seinem  Kellergeschoß,  etwa  1  y»  m  unter  der 
Erdbodenhöhe,  befand  sich  ein  gewölbter  Baum,  angeblich  eine  Kapelle, 
wahrscheinlicher  die  Kemenate  des  Klosterhofes,  von  dessen  Gewölben 
noch  flachgekehlte  Bippenstücke  erhalten  sind.  Als  Kapelle  wurde  in 
spätgotischer  Zeit  ein  Anbau  hergestellt,  den  Bedecker  abbildet  (H.  G.  Abb.  ui 
1907,  S.  66);  der  ältere,  angebliche  Kapellenraum  ist  1735  als  Küche  ein- 
gerichtet worden.  Die  gleiche  Zeichnung  Bedeckers  zeigt  das  Abtshaus 
mit  einem  aus  der  südlichen  Giebelwand  in  halbem  Achteck  heraussprin- 
genden Erker;  die  Skizze  deutet  an  der  Hofseite  bleigefaßte  Glasfenster 
an.    Das  Innere  war  nach  der  im  Kloster  aufbewahrten  Chronik  (S.  172) 

221 


Klöster  und   Ablader  Geistlicher  Orden 


Abb.  141.    Hannover;  Loccumer  Hof,  die  erste  Kapelle  und  Abtshaus. 
Nach  Redeckers  lavierter  Zeichnung  in  Strichzeichnung  umgesetzt.     H.  G.  1907,  S.  66, 


toSihntte. 


Abb.  142.     Hannover;  Loccumer  Hof,  die  älteren  Gebäude  an  der  Ostseite. 

Nach  Redecker  umgezeichnet.    H.  G.  1907,  S.  07. 

(Druckstücke  zu  141  und  142  H.  G.) 


222 


Loccumer  Hof 

des  Abtes  Stracke  (1600  —  29)  schon  vielfach  verändert.  Im  Jahre 
1832  hat  dann  Laves  das  Abtshaus  innen  und  außen  völlig  umgebaut, 
die  südliche  Giebelwand  abgebrochen  und  das  Gebäude  an  dieser  Stelle 
um  etwa  6  in  verlängert.  Im  Obergeschoß  verschmälerte  er  die  Westwand 
von  1  m  auf  0,50  m.  Ein  Vestibül  und  die  Treppe  zum  Obergeschoß 
wurden  neu  angelegt  und  in  die  Stadtmauer  Tür  und  Fenster  gebrochen. 
Der  Wächtergang  war  bereits  früher  in  das  Gebäude  einbezogen.  Den 
aus  dem  15.  Jahrhundert  stammenden  Stadtmauerturm  an  der  Nordost- Abb.  14,  Seite  5i 
ecke  des  Abtshauses  paßte  Laves  durch  Putzüberzug  der  Außenarchi- 
tektur des  Hauses  an.  Eine  auf  dem  abschüssigen  Boden  zwischen  Mauer 
und  Stadtgraben  1735  geschaffenen  Gartenterrasse  von  17  Fuß  Breite 
und   170  Fuß  Länge  wurde  zum  Vorgarten  umgestaltet. 

Die  übrigen  Baulichkeiten  des  Klosterhofes  beschreibt  der  Abt  Ebel 
(geb.  1696,  t  1770)  in  seinem  Tagebuche  von  1732.  (Klosterarchiv  zu 
Loccum).  Dazu  läßt  sich  an  Hand  von  Bedeckers  etwa  gleichzeitigen 
Skizzen  (a.  a.  O.,  S.  67  ff.)  das  Bild  der  Anlage  verdeutlichen.  Nach  der  Abb.  142 
Osterstraße  hin  war  der  Hof  in  ganzer  Breite  durch  Bauten  abgeschlossen. 
Von  der  Südgrenze  des  Grundstückes  an  folgte  auf  ein  kleines,  15  Fuß 
breites  und  zweigeschossiges  Fachwerkhaus,  das  1611  als  Wohnung  des 
Kornschreibers  erbaut  war,  ein  langgestrecktes,  eingeschossiges  Gebäude 
von  85  Fuß  Länge  bei  36  Fuß  Breite,  von  dem  anscheinend  ein  Teil  aus 
Bruchsteinen,  ein  anderer  aus  Ziegeln  erbaut  war.  Es  hatte  drei  Türen 
nach  der  Osterstraße  und  an  Hof-  und  Straßenseite  viele  teils  zugemauerte, 
teils  später  durchgebrochene  Fenster  und  scheint  das  älteste  Haus  auf  dem 
Hofe  gewesen  zu  sein.  Der  Dachraum  enthielt  zwei  Kornböden.  Unmittel- 
bar daran  stieß  nordwärts  ein  zweigeschossiges  Fachwerkhaus,  das  die 
Hofdurchfahrt  hart  neben  dem  vorhergenannten  Speichergebäude  über- 
baute. Im  Obergeschoß  hatte  es  bleigefaßte  Fenster.  Diese  drei  Gebäude 
wurden  unter  dem  Abte  Ebel  abgebrochen. 

Auf  dem  Hofe  standen  Wagenremisen,  Stallungen  und  ein  offener 
Brunnen  mit  Winde.  Vom  Abtshause  erstreckte  sich  westlich  in  den 
Hof  hinein  ein  etwa  8  m  langer  zweigeschossiger  Flügelanbau,  der  1704 
vom  Abte  Molan  geschaffen  oder  durch  Umbau  der  obenerwähnten 
spätgotischen,  nur  eingeschossigen  Kapelle  hergerichtet  war.  Dieser 
Flügel  enthielt  im  ersten  Geschoß  einen  dreifensterigen  Saal  und  einen 
Gang  an  der  Südfront.  Einen  ebensolchen  Gang  an  der  Nordfront  des 
Erdgeschosses  verlegte  Laves  1832  an  die  Südfront.  Noch  zwei  niedrige 
Fachwerkbauten  stießen  an  die  Westseite  des  Molanschen  Flügels.  Abt 
Ebel  riß  1733  diese  kleinen  Anbauten  ab  und  baute  1734  einen  neuen 
zweigeschossigen  Flügel,  der  mit  dem  Molanschen  verbunden  wurde 
und  einen  eigenen  Hausflur  mit  breiter  Treppe  erhielt*). 

*)  Nach  Fr.  Schultzen,  a.  a.  O.,  S.  145,  hat  Ebel  die  Risse  und  Anschläge 
meist  selbst  gefertigt. 

223 


Klöster  und  Ablager  Geistlicher  Orden 

Abb.  143  Weitere  Abbruche  und  Neubauten  Ebels,  die  das  mittelalterliche  Ge- 
präge des  Klosterhofes  im  wesentlichen  ausgemerzt  haben,  folgten:  1736 
brach  er  das  Fachwerkgebäude  an  der  Osterstraße  mit  der  Durchfahrt 
ab,  1735  war  schon  die  kleine  Kornschreiberwohnung  ersetzt  durch  ein 
massives  Haus,  welches  Kutscher-  und  Zensitenstube  enthielt;  1736 
entstand  die  noch  erhaltene  Abschlußmauer  mit  Torweg.  1737  erbaute 
Ebel  symmetrisch  zu  diesem  Torweg  ein  dem  Kutscher-  und  Zensitenhause 
entsprechendes  Gebäude,  das  vom  Hofinneren  zugänglich  war:  es  enthielt 
einen  vierfensterigen  Gartensaal  mit  Flügeltür;  der  Tür  gegenüber  befand 
sich  ein  Rokokokamin,  der  Fußboden  war  mit  Steinplatten  belegt.  In 
zwei  weiteren  Erdgeschoßzimmern  nach  der  Osterstraße  hin  waren  Dehler 
Öfen  in  Blau  und  Weiß  aufgestellt.  1739  wurde  der  Hof  gepflastert  und 
Plattensteige  im  Garten  verlegt.  In  dem  steinernen,  teilweise  von  Mo- 
lanus stammenden  Hause  wurde  der  Saal  völlig  wiederhergestellt.  1746 
baute  Ebel  hart  an  der  Südgrenze  des  Hofes  ein  großes  Wirtschaftsgebäude 
aus  Fachwerk,  96  Fuß  lang,  10  Fuß  breit,  als  Pferdestall  für  die  Zen- 
siten*).  Dieses  Gebäude  ist  in  den  1890er  Jahren  zugleich  mit  dem 
Gartensaalhause  an  der  Osterstraße  abgebrochen. 

*)  Zensiten,  die  zur  Abgabe  eines  Zensus  Pflichtigen  Bauern  der  Umgegend. 


Abb.  113.     Hannover;  Loccuiihm-  Hof,  Hofansicht  mit  Abtswohnung.     Phot.  1895. 


224 


Marienröder  Hof 

Marienröder  Hof. 

Das  Zisterzienserkloster  zu  Betzingerode  hei  Hildesheim,  das  sich 
später  Marienrode  nannte,  erwarh  -  nach  Franziscus  Borsums  Chronik 
von  Hannover  schon  um  1250  -  -  ein  Grundstück  an  der  Köbelingerstraße 
beim  Knappenort  zur  Niederlassung,  über  das  1297  Vereinbarungen  mit 
der  Stadt  getroffen  wurden.  Diese  erweiterte  es  1308  um  das  Grund- 
stück des  Conrad  Tedweghinge  (U.  B.  Nr.  93),  wobei  es  für  den  zum 
Wächtergange  abgetretenen  Baum  von  gewissen  städtischen  Abgaben 
befreit  wurde. 

Auf  seinem  Grundbesitz  baute  das  Kloster  im  Jahre  1439  mit  Ge- 
nehmigung des  Bischofs  Albert  von  Minden  und  unter  Zustimmung 
des  Plebanus  von  St.  Ägidien  eine  dem  hl.  Philippus  und  Jakobus  geweihte 
Kapelle  unmittelbar  an  der  Köbelingerstraße.  Auf  Bedeckers  Abbildung 
des  Marienröder  Hofes  um  1720  (Chrom,  S.  222,  und  H.  G.  1907,  S.  73) 
ist  sie  das  Mittelstück.  Die  Gesamtanlage  der  Marienröder  Niederlassung 
versucht  Bedecker  auf  einer  zweiten  Zeichnung  darzustellen;  sie  entspricht 
nur  ungefähr  der  Wirklichkeit.  Eine  genaue  Beschreibung  des  Marienröder 
Hofes  enthält  das  Corpus  bonorum  von  1720  (H.  G.  1906,  S.  236  ff.). 
Es  wird  da  gesagt,  daß  der  Hof  im  Jahre  1610  durch  Kauf  Eigentum 
des  Bates  geworden  sei.  Die  Zubehörungen  bestanden  aus  Vordergebäude, 
Wohnhaus,  altem  Seitengebäude,  Zehntscheuer,  Stallgebäude,  Schweine- 
koven,  Hof  und  Garten.  Die  „aus  Stein"  erbaute  Kapelle,  durch  eine 
Seitentür  eines  gewölbten  Durchganges  von  der  Straße  aus  zugänglich, 
war  nach  der  Beformation  aufgegeben.  Der  Baum  diente  1720  zur  Auf- 
bewahrung von  städtischer  Artilleriemunition;  auch  standen  darin  einige 
der  Stadt  gehörige  Handmühlen.  Das  Obergeschoß  und  der  Dachboden 
dienten  als  Torf-  und  Kornlager. 

Das  Wohngebäude  schied  Hof  und  Garten  und  erstreckte  sich  längs 
der  nordwestlichen  Hofseite  bis  zum  Stadtmauerturm,  der  heute  auf 
dem  Grundstück  der  Kunstgewerbeschule  noch  besteht.  Es  enthielt  im 
Erdgeschoß  --  wie  es  scheint  --  eine  Längsdiele,  von  der  aus  verschiedene 
Gemächer  zu  beiden  Seiten  zugänglich  waren.  Unter  diesen  ist  gartenwärts 
ein  Audienzgemach  mit  Kamin  besonders  zu  nennen.  Am  nordwestlichen 
Kopfende  des  Wohngebäudes  lag  ein  Gemach,  dessen  Fenster  durch  die 
Stadtmauer  gebrochen  waren. 

Die  vorhergenannten  Wirtschaftsgebäude  umgaben  die  beiden  übrigen 
Seiten  des  Hofes.  Der  recht  große  Garten  war  nördlich  begrenzt  von 
mehreren  der  zum  Marienröder  Hof  gehörigen  Buden. 

Die  Baulichkeiten  der  eigentlichen  klösterlichen  Niederlassung  wurden 
schon  im  1<S.  Jahrhundert  abgebrochen.  Das  Grundstück  ist  1818  auf- 
geteilt worden. 

15  225 


Klöster  und  Ablagcr  Geistlicher  Orden 

Marienseer  Hof. 

Unter  den  großen  klösterlichen  Wirtschaftshöfen  in  Hannover  zählt 
als  dritter  der  Hof  des  Klosters  Mariensee,  zu  dem  ein  großes  Geländestück 
zwischen  der  Marstallstraße  und  der  Kreuzkirche  gehörte,  das  wahrschein- 
lich auch  die  nachmalige  Wedeme  dieser  Kirche  umfaßte.  Der  Hof  ist 
später  aufgeteilt  worden.  Das  Schoßregister  gibt  für  das  Grundstück  Nr.  32 
der  Marstallstraße  im  14.  Jahrhundert  an,  daß  es  mit  der  Domus  des 
Propstes  to  Mergenze  und  drei  Buden  bestanden  war.  (Über  einen  Rechts- 
streit um  rückständigen  Schoß  zwischen  dem  Rat  und  dem  Kloster 
s.  H.  G.  1918,   S.  338.) 

Von  der  Anlage  des  Klosterhofes  sind  nähere  Nachrichten  nicht  über- 
liefert. Es  bestand  auf  dem  Grundstück  ein  Gebäude  unbekannten  Zweckes, 
das  ein  einer  Kemenate  ähnliches  Erdgeschoß  enthielt  und  1898  ab- 
gebrochen worden  ist  (Abb.  Stadtarch.). 


Barsinghäuser  Hof  und  Marienwerder  Hof  an  der  Burgstraße. 

Die  beiden  Niederlassungen  der  Klöster  zu  Barsinghausen  und  zu 
Marienwerder  lagen  nebeneinander  auf  dem  später  als  Burgstraße  Nr.  23 
gezählten  Grundstück.  Daß  die  Barsinghäuser  Nonnen  schon  vor  1357 
ein  Haus  in  der  Burgstraße  besaßen,  geht  aus  einer  Urkunde  dieses  Jahres 
hervor  (U.  B.  Nr.  363),  nach  der  es  damals  auf  Rückkauf  in  andere  Hände 
verkauft  war.  Zu  nämlicher  Zeit  bestand  aber  auch  bereits  ein  Konvents- 
haus der  Marienwerder  Nonnen  nebenan.  Redecker  (Chron.,  S.  351)  setzt 
die   Bebauung   des   Marienwerder    Giundstückes   dagegen   erst   um    1450. 

Auf  dem  Marienwerder  Hofe  an  der  Burg-  und  Eckstraße  wurde, 
nachdem  --  wie  Sälfeld  schreibt  ---  die.  Klostergebäude  eingestürzt  waren, 
1620  für  den  Amtmann  des  Klosters,  Joachim  Schultz,  ein  Haus  durch  den 
Meister  Hans  Behnsen  gebaut,  das  1733  in  den  Besitz  des  Landesherrn 
überging  und  zuerst  als  Hofpredigerwohnung,  seit  1791  als  Hofschule 
diente.  Es  ist  1889  abgebrochen  (Beschreibung  s.  unter  Bürgerhäuser, 
Burgstraße  23).  Der  ehemalige  Barsinghäuser  Hof  gehörte  zu  diesem 
Hause  als   Garten. 

Augustiner- Hof. 

Die  Augustiner  von  Herford  erwarben  1331  oder  kurz  vorher  von  der 
Witwe  Ludolfs  von  Dornde  das  unter  Nr.  4  bezeichnete  Grundstück  an 
der  „Reselerstraße".  Das  heute  an  der  Straße  belegene  Wohnhaus  weist 
in  einem  Teile  des  Keller-  und  Erdgeschosses  Haustein-  und  Ziegelmauer- 

226 


Beginenhaus 

werk  auf,  das  dem  15.  Jahrhundert  angehören  könnte.    Im  Hofe  besteht 
ein  Brunnen,  angeblich  mit  unterirdischem   Gange. 

Infolge  der  Reformation  kam  das  Grundstück  in  den  Besitz  des  Rates, 
der  es  1539  an  Luleff  von  Klencke  verkaufte.  Im  17.  Jahrhundert  gehörte 
es  dem  Kammerherrn  von  Reden. 


Karmeliter- Haus,  Osterstraße  40. 

Wann  die  „Witten  Patres"  von  Marienau  ihr  Ablager  in  der  Osterstraße 
errichtet  haben,  ist  ungewiß.  Ihr  Haus  wird  urkundlich  schon  1328 
(U.  B.  Nr.  159)  erwähnt.  Als  die  Karmeliter  nach  der  Reformation  die  Stadt 
geräumt  hatten,  wurde  das  Haus  Eigentum  des  Rates,  der  es  1538  an 
Meister  Hans  Junge  verlieh. 


Peweler  Hof. 

Die  Hildesheimer  Paulini-Prediger-Mönche  besaßen  bereits  sehr  früh 
ein  Ablager  an  der  Köbelingerstraße.  Auf  einem  Hofraume,  von  dem  ein 
Teil  ihnen  überlassen  war,  hatten  sie  1302  ein  Dormitorium  erbaut  (U.B.83). 
Wahrscheinlich  ist  das  hier  in  Frage  kommende  Grundstück  eben  der 
spätere  Peweler  Hof.  Das  Haus  auf  diesem  Hofe  war  dem  Orden  vor  1318 
von  Ludolf  Ducus  geschenkt  worden.  In  jenem  Jahre  bekannten  sich  die 
Mönche  zu  allen  bürgerlichen  Hauslasten  und  verpflichteten  sich,  auf  dem 
Grundstücke  keine  Kapelle  zu  erbauen  (U.  B.  Nr.  133;  Grupen,  S.  328  ff.). 
Nach  der  Reformation  traten  die  Mönche  im  Jahre  1536  Hof  und  Haus 
an  den  Rat  ab,  der  es  1576  neu  bebaute.  Das  Grundstück  wurde  1720 
Physikatshof :  1740  war  das  daraufstehende  Haus  Syndikatshaus;  es 
wurde  dann  von  der  Gräfin  Yarmouth  und  später  von  der  Freimaurerloge 
Friedrich  Zum  Weißen  Pferde  erworben  und  ist   1871  abgebrochen. 


Beginenhaus. 

Die  halb  geistlichen  und  halb  weltlichen  Konvente  der  Beginen  können 
nicht  als  Klöster  im  eigentlichen  Sinne  bezeichnet  werden,  wie  auch  die 
Beginen  keine  Nonnen  waren.  Die  Gründung  des  Ordens  geht  angeblich 
zurück  auf  einen  Priester  Lambert  le  Begues  (=  der  Stotterer),  der  zu 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  lebte  und  in  seinem  Garten  bei  Lüttich  einzelne 
Häuser  errichtet  hatte,  welche  er  an  weibliche  Personen  abgab  unter  der 
Bedingung,  daß  sie  den  Umgang  mit  Männern  mieden.    Den  Frauen  und 

227 


Klöster  und  Ablager  Geistlicher  Orden 

Mädchen  war  neben  der  Pflege  geistlichen  Lebens  die  Aufgabe  gestellt, 
sich  der  Liebestätigkeit  zu  widmen  unter  Inanspruchnahme  kirchlicher 
milder  Gaben.  Zugleich  sollten  sie  streben,  durch  ihrer  Hände  Arbeit  die 
eigene  soziale  Lage  zu  verbessern.  Nach  ihrem  Stifter,  der  durch  den 
Papst  Urban  III.  Bestätigung  als  Patriarch  der  Beginen  gefunden  hatte, 
nannten  sie  sich  Beginen. 

Der  Lütticher  Beginenhof  wurde  auch  seiner  Anlage  nach  zum  Vorbilde 
für  die  schon  im  13.  Jahrhundert  zahlreich  in  Nordwestdeutschland  ent- 
standenen Höfe  des  Ordens.  In  Hannover  war  er  im  13.  Jahrhundert 
längst  heimisch.  Auch  hier  wohnten  anfangs  die  frommen  Schwestern  in 
verschiedenen  Häusern,  bezogen  dann  aber  ein  gemeinsames  Haus,  das 
sich  im  Jahre  1357  samt  einem  Baumgarten  zuerst  erwähnt  findet  (U.B.370). 

Das  Beginenhaus  lag,  durch  Hof  und  Garten  von  den  Häusern  der 
Schuhstraße  und  des  Holzmarktes  getrennt,  auf  einem  Grundstuck  an 
der  Pferdestraße,  das  im  Schoßregister  als  L.  206  bezeichnet  wird.  Die 
Westgrenze  des  Grundstückes  bildete  nach  einer  Übereinkunft  zwischen 
dem  Bat  und  den  Beginen  ein  Zaun  längs  des  Wächterganges  vor  der 
Stadtmauer  an  der  Leine,  also  längs  des  heutigen  Klosterganges  bis  zum 
Beginenturm,  der  wohl  die  Nordwestecke  des  Grundstückes  bezeichnete. 
Hartmann  bringt  verschiedenen  Ortes  über  die  Gebäude  auf  dem  Grund- 
stück nähere  Angaben,  deren   Quelle  nicht  nachzuprüfen  ist. 

Nach  der  Beformation  stellten  die  Beginen  1534  mit  der  Stadt  einen 
Bezeß  auf,  demgemäß  sie  das  Klostergewand  änderten,  die  dritte  Franzis- 
kanerregel fallen  ließen  und  ihr  Ordensgebäude  samt  dem  schuh- 
straßenwärts  dahintergelegenen  Hofe  dem  Bäte  einräumten.  Dieser 
verlegte  in  das  Haus  den  Batsmarstall,  der  bis  dahin  an  der  Kreuzstraße 
bestanden   hatte. 

Ein  anderes  Gebäude,  das  gegenüber  dem  Beginenturm  lag,  wahrschein- 
lich eben  das  alte  Beginenhaus,  wurde  1647  nach  dem  Eingehen  der  Schule 
auf  dem  Minoritengrundstück  als  Schreibschule  benutzt.  Bedecker  gibt 
(Chrom,  S.  623;  H.  G.  1906,  S.  112)  eine  Abbildung  des  teilweise  noch 
gotischen  Gebäudes  mit  dem  Durchweg  zum  Klostergange  und  einer 
spitzbogigen  Tür  an  der  einen  Giebelseite.  Wie  er  sagt,  war  aber  dieses 
Haus  1580  erbaut;  er  beschreibt  den  Zustand,  den  es  als  Schreib- 
schule  hatte. 


228 


Stifter. 

Die  Heilige-Geist-Spitäler  bedeuten  den  Höhepunkt  der  mittel- 
alterlichen Liebestätigkeit  und  ihr  Auftreten  bezeichnet  den  Übergang 
derselben  aus  der  Pflege  der  Klöster  in  die  von  Laien.  Das  älteste  Heilige- 
Geist-Hospital  ist  1216  zu  Soest  gestiftet  worden;  weitere  entstanden  im 
Verlauf  des  13.  Jahrhunderts  in  schneller  Folge  in  Nordwestdeutschland, 
darunter  1256  das  Heilige-Geist-Hospital  in  Hannover. 

Aus  den  Kreuzzügen  ging  die  Stiftung  der  sogenannten  Spitalorden 
hervor,  zu  denen  außer  den  Hospitalitern  des  hl.  Antonius  besonders 
die  geistlichen  Ritterorden,  namentlich  der  Johanniter-  und  Deutsch- 
orden, gehörten;  sie  nahmen  auch  Laien,  fratres  conversi,  zum  Dienst  an. 
Mit  jedem  Kloster  dieser  Orden  war  fortan  ein  Hospital  verbunden,  in 
dem  die  Pflege  geeigneten  Laienbrüdern  oblag.  Gegen  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts wurde  die  Pflege  auch  von  bürgerlichen  Spitalorden  aufgenommen, 
deren  Begründer  Papst  Innocenz  III.  war.  Dieser  bestätigte  1198  den 
von  Guido  von  Montpellier  um  1190  zu  Rom  in  dem  erneuerten  Hospitale 
St.  Spiritus  in  Sania  gestifteten  Orden  der  Hospitalbrüder,  nach  dessen 
Muster  bald  in  anderen  Städten  ähnliche  Vereine  unter  dem  Namen 
,, Hospitalbrüder  vom  Heiligen  Geist"  gestiftet  wurden.  Solche  Spitäler 
dienten  zur  Aufnahme  von  Schwachen  und  Siechen  jeder  Art.  Allmählich 
wurden  daraus  ,, Pfründenhäuser",  in  die  man  sich  aufnehmen  lassen 
oder  einkaufen  konnte  zur  Versorgung  im  Alter. 

Die  Bauart  derartiger  Häuser  war  so,  daß  alle  von  ihren  Zimmern, 
die  Kranken  von  ihren  Betten  aus,  dem  Gottesdienste  beiwohnen  konnten. 

Die  Verwaltungen  der  Städte  suchten  nun,  je  ausgedehnter  die  Wirk- 
samkeit der  Spitäler  wurde,  um  so  mehr  Einfluß  auf  sie  zu  gewinnen. 
Mit  dem  14.  Jahrhundert  gingen  die  meisten  Spitäler  an  die  Kommunen 
über.  An  Stelle  der  magistri  und  magistrae  aus  geistlichen  Orden  trat 
ein  Hofmeister  und  eine  Laienverwaltung. 

229 


Stifter 

Hospital  St.  Spiritus 

(abgebrochen   1894) 

und  Heilige-Geist-Kirche,  spätere  Garnisonkirche 

(abgebrochen   1 875). 

Hospital  Um  den  armen  Stadtfremden,  Blinden,  Tauben,  Siechen  und  Hilfs- 
Geschichte  bedürftigen  jeder  Art  eine  Stätte  zu  schaffen,  ein  Bedürfnis,  das  mit  dem 
Anwachsen  der  Städte  im  13.  Jahrhundert  und  dem  zunehmenden  Verkehr 
allenthalben  einherging,  forderte  im  Jahre  1256  der  Bischof  Wedekind 
von  Minden  zu  Spenden  für  die  Erbauung  eines  Hauses  auf  -  -  domum 
que  hospitalis  vocatur  — ,  wie  es  die  hannoverschen  Bürger  innerhalb 
ihrer  Mauern  zu  errichten  beabsichtigten.  Im  Frühjahr  1258  ist  das 
Hospital  bereits  im  Bau  begriffen  (U.  B.  Nr.  19,  20,  21)*).  Die  Vervoll- 
kommnung der  Anstalt  und  ihr  weiterer  Ausbau  scheint  erst  1302  einen 
gewissen  Abschluß  erreicht  zu  haben,  der  den  Rat  veranlaßte,  die  Be- 
dingungen zur  Aufnahme  in  das  Hospital  aufzustellen.  Das  Patronat 
an  dem  Stifte  war  kurz  vorher,  1296,  durch  Schenkung  aus  der  Hand 
des  Landesherrn,  Ottos  des  Strengen,  an  die   Stadt  übergegangen. 

Die  zahlreichen,  das  Heilige-Geist-Hospital  betreffenden  Urkunden  bis 
über  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  hinaus  lehren,  wie  der  Grundstock 
seines  Vermögens  durch  Ablässe,  Sammlungen  und  Schenkungen  sich 
bildete,  der  es  schließlich  zur  reichsten   Stiftung  der  Stadt  machte. 

Während  nach  dem  Beschluß  vom  Jahre  1302  insbesondere  Kranke 
und  Sieche,  die  „weder  gehen  noch  stehen"  konnten,  bis  zu  ihrer  Genesung 
Aufnahme  und  Pflege  im  Hospital  finden  sollten,  erweiterte  der  Rat  bald 
darauf  seine  Bestimmungen,  indem  er  gewisse  Proebenden  oder  „Pröven" 
für  arme  Menschen  auf  Lebenszeit  schuf.  1323  errichtete  der  Rat  ein  Statut, 
wonach  auch  verarmten  Ratsverwandten  freistehen  sollte,  sich  eine  Pröve 
im  Hl.  Geiste  auszubitten.  Dieselbe  Vergünstigung  wurde  1432  den  rei- 
tenden und  gehenden  Knechten  der  Stadt  bewilligt.  Die  Pröven  wurden 
gegen  Geld  oder  Vermächtnis  oder  auch  um  Gottes  willen  vergeben. 
Ihre  Zahl  konnte  1402  erweitert  werden.  Seit  1745,  in  welchem  Jahre  das 
Hauptgebäude  des  Hospitales  neu  errichtet  wurde,  betrug  sie  vier  Fürsten- 
prövener  und  elf  Ratsprövener.  Außer  diesen  hatten  48  Frauen  in  den 
beiden  großen  Stuben  Aufnahme  gefunden.  Ein  Hofmeister  übte  die 
Verwaltung  des  Hauses  und  Aufsicht  aus;  zur  Behandlung  der  kranken 
Hospitalitinnen  war  ein  Arzt  und  ein  Wundarzt  bestimmt. 


*)  Der  Platz  der  Neugründung  gehörte  nach  Leonhardt  (H.  G.  1926,  S.  39) 
ursprünglich  den  Edelherren  v.  Depenau  und  war  nicht  landesherrlicher  Grund 
und  Boden.  Die  v.  Depenau  beanspruchten  vom  Hospital  einen  an  den  Ritter 
v.  "Winninghausen  zu  Lehen  gegebenen  Zehnten,  Ochtmund,  auf  den  1257  (U.  B. 
Nr   20)  Verzicht  geleistet  wurde. 

230 


Hospital  St.  Spiritus 

Die  Gebäude  des  Hospitales  St.  Spiritus  mit  Kirche  und  Kirchhof  beschreibhng 
nahmen  ehemals  den  Platz  zwischen  der  Gabelung  der  Schmiede-  und 
Knochenhauerstraße  ein,  und  zwar  so,  daß  der  Kirchhof  als  langrechteckiger 
Streifen  zuäußerst  steintorwärts  belegen  war,  daneben  die  Kirche,  frei- 
stehend, östlich  orientiert,  mit  den  Giebelenden  von  Straße  zu  Straße 
reichend,  und  daran  südwärts  angeschlossen,  um  einen  Hof  herum,  das 
eigentliche  Hospital.  Die  Kirche  wurde  1875  abgebrochen;  das  Hospital 
1894,  nach  der  Verlegung  des  Stiftes  in  die  Nähe  des  Bischofsholer  Dammes 
auf  die  Bult. 

Über  die  Anlage  des  Stiftes  aus  allerfrühester  Zeit  erhalten  wir  keinerlei 
Nachricht.  Wohl  aber  ist  das  Aussehen  der  Gebäude  um  1730  durch  Abb.  144  und  145 
Redeckers  Zeichnungen  vermittelt.  Seine  schriftlichen  Bemerkungen 
geben  zudem  Anhalt  genug,  um  die  Gesamtanlage,  wie  sie  damals  war, 
zu  erkennen.  Die  von  Redecker  abgebildeten,  aus  der  Zeit  vor  1730 
stammenden  Hauptgebäude  sind  spätgotisch.  An  der  Knochenhauerstraße 
lag  ein  langgestreckter,  in  zwei  Geschossen  massiver  Putzbau  mit  auf- 
gesetztem Fachwerkgeschoß,  bei  dem  einzelne  Gefache  offen  waren. 
Das  Erdgeschoß  hatte  eine  breite  spitzbogige  Mitteldurchfahrt,  die 
Lichtöffnungen  waren  vielleicht  Kreuzpfostenfenster  (,,des  Hl.  Geistes 
Torweg",  wo  wohl  der  Hofmeister  wohnte).  Der  Zweck  dieses  Gebäudes 
ist  nicht  näher  bezeichnet.  Nach  der  Kirche  zu  stoßen  daran  drei  Rürger- 
häuser  aus  Fachwerk,  die  also  nicht  zu  den  frommen  Zwecken  des  Hospi- 
tales als  solchem  bestimmt  waren.  Auch  an  der  Südseite  des  Hofes  haben 
eine  ganze  Anzahl  von  Wohnungen  gelegen,  die  nicht  im  engeren  Sinne 
zum  Stifte  gehörten.  An  der  Schmiedestraße  endlich  lag  das  Haupt- 
wohngebäude, dessen  langrechteckiger  Grundriß  durch  zwei  sich  kreuzende 
Mittelgänge  aufgeteilt  war.  Es  war  ein  Ziegelbau  von  zwei  Stockwerken 
mit     spitzbogigen     Maßwerkfenstern     und     spitzbogigem     Mitteleingang. 


Abb.  144.     Hannover;  Kirche  und  Hospital  St.  Spiritus  an  der  Schmiedestraße. 
Nach  Uedecker,  Chron.  S.  150,  umgezeichnet. 


231 


Stifter 

über  das  Dachsims  hinaus  erhoben  sich  drei  Lisenenerker,  ähnlich  denen 
des  Rathauses.  Auf  dem  Hofe  befanden  sich  ein  Brauhaus,  ein  Stall  und 
der  Hofbrunnen. 

Das   Hauptgebäude   an   der    Schmiedestraße   ist   1745   neu   aufgebaut 

Abb.  i4t;  worden  und  hat  in  der  Fassung,  die  es  damals  erhielt,  bis  1894  bestanden. 

Es  war  ein  dreigeschossiger  Putzbau  von  insgesamt  elf  Achsen.    Mittel- 


Abb.  145.     Hannover;  Kirche  und  Hospital  St.  Spiritus  von  der  Knochenhauerstraße  aus. 
Nach  Rodecker,  Chron.  S.  163,  umgezeichnet. 

risalit  von   drei   Achsen.     Inmitten   lag  ein   rechteckiger  Lichthof.     Das 
Portal  (Gebälk  mit  Segmentabschluß)  trug  im  Bogenfelde  die  Inschrift: 

HOSPITALE   S.  SPIRITVS 

A.  R.  S.  MCCLVI  AEDIFICARI 

COEPTVM 

DE  NOVO  CONSTRVENDVM  CVRAVIT 

SENATVS 

COSS.  C.  V.  GRVPEN  ET  A.  I.  BVSMANN 

PROVISORE 

H.    E.    HANSING 

ANNO  MDCCXLV. 


heilige-        Die  vorhandenen  Urkunden  übergehen  die  Entstehung  der  mit  dem 
geist-kirche  Heilige-Geist-Hospital    verbundenen    Kirche.     Bei    der    Abzweigung    der 

Geschichte  . 

Heilige-Geist-Gemeinde  aus  der  Marktkirchenparochie  im  Jahre  1284 
(s.  darüber  die  Geschichte  der  Kreuzkirche)  bestand  die  Kirche  wahr- 
scheinlich schon;  sie  ist  schwerlich  erst  aus  diesem  besonderen  Anlaß 
erbaut.  Das  Patronatsrecht  ging,  wie  erwähnt,  1296  vom  Herzog  an  die 
Stadt  über.  Nachdem  1333  die  Kreuzkirche  vollendet  war,  wurde  die 
Heilige-Geist-Pfarre  auf  sie  übertragen,  so  daß  die  alte  Kirche  den  Hospi- 
tanten zur  Ausübung  des  Gottesdienstes  allein  verblieb,  für  den  nach  dem 

232 


Heilige-  Geist-Kirche 

Willen  des  Bischofs  von  Minden  ein  Altar  wenigstens  in  der  Kirche  belassen 
werden  sollte,  während  die  übrige  Ausstattung  zumeist  in  das  neue  Gottes- 
haus hinübergeschafft  werden  durfte.  Späterhin  scheinen  noch  zwei  Altäre 
hinzugestiftet  worden  zu  sein,  einer  für  den  hl.  .Johannes  den  Täufer  und 
einer  für  St.  Bartholomäus. 

Die  Erhebung  der  Stadt  zur  Herzoglichen  Residenz  und  damit  das 
Einrücken  einer  Garnison  in  Hannover  hatte  zur  Eolge,  daß  die  Kirche 
für  den  Gottesdienst  des  Militärs  in  Gebrauch  genommen  wurde,  wie 
Landersheimer  auf  Plan  IV  seines  Kartenwerkes  vermerkt,  seit  1656 
(s.  auch  Redecker,  S.  661).  Im  Jahre  1730  oder  1731,  nachdem  die  Kirche 
neu  ausgebaut  und  ausgestattet  war,  wurde  sie  förmlich  zur  Garnison- 
kirche eingeweiht,  doch  blieb  immer  das  Hospital  im  Mitbesitz  des  Gottes- 
hauses. 

Redeckers  Handzeichnungen  (a.  a.  0.)  stellen  die  alte  Kirche  als  lang-  Beschreibung 
rechteckiges  Gebäude  mit  Kalkputz  dar;  das  eine  Giebelende  reichte  bis 
hart  an  die  Knochenhauerstraße,  das  andere  an  der  Schmiedestraße  war 
überhöht  von  einem  vierseitigen  Dachreiter  mit  kupfergedecktem  Pyra- 
midendach. Die  Lichtöffnungen  zeichnet  Redecker  als  hohe,  einfach 
gebildete,  spitzbogige  und  mit  Maßwerk  versehene  Fenster.  Das  so 
beschaffene  Kirchengebäude  ist  um  1730/31  verändert  worden,  doch  offen- 
bar nicht  so  vollständig,  wie  Landersheimer  in  einer  Beischrift  zum  Plan  I 
seines  Kartenwerkes  (s.  darüber  Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen,  1897, 
S.  9)  angibt.  Es  heißt  dort,  die  Kirche  sei  infolge  der  Erhöhung  der  Straße 
um  fast  drei  Fuß  tiefer  zu  liegen  gekommen;  man  habe  deshalb,  und  weil 
der  Kirche  die  Lichtzufuhr  verbaut  gewesen  sei,  „solche  1731  bis  auf  das 
alte  Fundament  niedergerissen  und  auf  besagtem  alten  Grund  aufs  neue 
aufgemauert,  erhöhet  und  mit  mehreren  Fenstern,  neuem  Chor,  Kanzel, 
Borkirchen  (Emporen)  und  Stühlen  inwendig  versehen,  im  selbigen  Jahre 
noch  wieder  gebaut".  Mithoff  (Kdm.  S.  76)  wenigstens  hat  die  Südwand 
nach  dem  Hospitale  hin  noch  als  alt  feststellen  können  und  hier  ein  zu- 
gesetztes Maßwerkfenster  und  eine  Spitzbogentür  gesehen.  Bei  der 
Veränderung  von  1730  scheint  der  Dachreiter  nicht  wieder  aufgesetzt 
worden  zu  sein. 

Zur  Zeit  der  westfälischen  Regierung  stand  die  St.  Spirituskirche 
unbenutzt;  sie  wurde  erst  1819  ihrer  Bestimmung  zurückgegeben  und 
ausgeschmückt  mit  den  Fahnen  der  deutsch-englischen  Legion,  zu  denen 
die  der  Waterlookämpfer  noch  hinzukamen. 

Da  nach  1866  die  Schloßkirche  als  Garnisonkirche  in  Gebrauch  ge- 
nommen wurde,  so  verödete  die  alte  St.  Spirituskirche  als  gottesdienstliche 
Stätte  und  diente  schließlich  nur  noch  einigen  obdachlosen  Familien  als 
vorläufiger  Unterschlupf.  Die  städtischen  Kollegien  beschlossen  am 
16.  Juni  1869,  sie  auf  Abbruch  zu  verkaufen. 

233 


Stifter 


In  der  Gestalt,  die  dem  Gebäude  1730/31  gegeben  wurde,  ist  es  bis 
zum  Abbruch  im  Jahre  1875  erhalten  geblieben.  An  seiner  Stelle  und 
der  des  Kirchhofes  erbaute  man  dann  massive   Geschäftshäuser. 

Ausstattung        Der  bis  1870  vorhandene  Kanzelaltar  (Abb.  im  Stadtarch.,  Mappe  VI, 
Abb.  u,  ßj   3^  etwa  um  1730  zu  datieren,  trat  aus  einer  hölzernen  Schalwand  mit 


234 


Heilige- Geist-Kirche 


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235 


Stifter 

zwei  gleichhohen  Geschossen  hervor:  Häuptgeschoß  mit  übereckgestellten 

korinthischen  Doppelsäulen  beiderseits  der  Mensa  und  entsprechend  ver- 
knüpftem Gebälk  mit  Vasenbekrönung.  Das  Obergeschoß  hatte  korin- 
thische Pilaslervorlagen  und  eine  Schnörkelbekrönung  mit  Überhöhungen 
durch   einen   Baldachin   und  einen   Christus  mit  der   Siegesfahne  an- 

scheinend plastisch.  Die  Kanzel  war  in  Fünfachtelform  zwischen  den  Ge- 
schossen herausgebaut,  ohne  architektonischen  Zusammenhang.  Am 
Vorderfelde  der  Brüstung  das  königlich-kurfürstliche  Wappen.  Farb- 
gebung anscheinend  Weiß  mit  Gold. 

Von  einer  älteren  Kanzel  berichtet  Redecker  (Chron.,  S.  755):  sie  sei 
1651  gebaut;  „um  selbige  stund  geschrieben:  Märten  v.  Änderten,  Catha- 
rina  Bruns.    Johannes  Farver.    Anno  Christi   1651". 

Eine  hölzerne  Kelchtaufe  mit  Deckel  im  Louis  XVI. -Geschmack,  jetzt 
im  Vaterländischen  Museum,  Hannover. 

Die  Altargeräte:  Kelch,  Kanne,  Oblatendose  und  -teller,  alles  1786 
gestiftet,  befinden  sich  ebenfalls  im  Vaterländischen  Museum, 
c.rabmäier  Nach  Mithoff,  Kdm.  S.  76,  bezeichnete  ein  Stein  vor  dem  Altare  die 
seit  1740  erbliche  Ruhestätte  der  Familie  von  Uten.  An  der  nördlichen 
Seitenwand  des  Gotteshauses  hing  das  hölzerne,  durch  Wurmfraß  be- 
schädigte Epitaphium  des  Generals  von  Swaan,  gest.  1738.  Auch  seien 
daselbst  die  Marmordenkmale  des  Feldmarschalls  von  Spörken*)  (gest. 
1776)  und  des  Stadtkommandanten  .loh.  Georg  von  Uten  (gest.  1748) 
angebracht  gewesen. 
Abb.  148  Das  von  Mithoff  hier  erwähnte  Epitaph  des  Feldmarschalls  August 
Friedrich  v.  Spörken  ist  seit  dem  Abbruch  der  Garnisonkirche  in  die  Halle 
des  Engesohder  Friedhofes  übertragen  und  noch  erhalten.  Schuchhardt, 
a.  a.  0.,  Nr.  59,  nennt  es  als  zur  Gartenkirche  gehörig.  Vierseitiger 
Obelisk  auf  Inschriftsockel.  An  der  Basis  des  Obelisken  soldatische 
Embleme. 
Fahnen  Die  Fahnen  der  englisch-deutschen  Legion  (1803 — 16),  sodann  die- 
jenigen aus  dem  Kriege  1813 — 15  und  schließlich  britische  Standarten, 
im  ganzen  31  Feldzeichen,  wurden  beim  Abbruche  der  Garnisonkirche  in 
die  Marktkirche  gebracht  und  werden  heute  im  Vaterländischen  Museum 
aufbewahrt.    (Über  die  Fahnen  s.  Peßler  in  H.   G.   1923,   S.   17  ff.) 

Nicolaihospital  (abgebrochen  1893)  und  Nicolaikapelle. 

hospital  Das  in  einer  Urkunde  von  1325  (U.  B.  Nr.  151)  mit  dem  Heilige-Geist- 
Hospital  gleichgeordnet  genannte  St.  Nicolaihospital  hat  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  seinen  Ursprung  in  einem  Leprosenheim  vor  dem  Steintore 
bei  der  Kapelle,  die  zuerst  1284  als  capella  leprosorum  erwähnt,  1323  mit 
dem  Namen  des  Heiligen  verbunden  auftritt. 

*)  Als  Naniensschreibweise  gilt  heute  „von  Spörcken". 
236 


Nicolaihospital 

Derartige  Heime  sind  nach  Wüstefeldt  (vgl.  Veröfftl.  des  Vereins  f. 
Gesch.  der  Stadt  Hann.  1897,  S.  71)  als  Beobachtungssperren  und  Quaran- 
täne-Anstalten gegen  die  Einschleppung  von  Krankheiten,  insbesondere 
der  mit  den  Kreuzzügen  aus  dem  Orient  gekommenen  Lepra  aufzufassen. 
Erst  im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  hat  sich  die  Verwendung  der  Anstalt 
derjenigen  der  Hospitale  zum  Hl.  Geist  angeglichen;  die  Bezeichnung 
domus  und  hospitalis  wechselt  noch  in  den  Urkunden.    Wie  die  Sage  die 


Olim  rf»i  5*afen  Oraroni/m 
nunc    dir  Schutt* 


Olim  gräfliche*  OI'H>  omfiichen 
ItmtrmtisttrM     Oicnrri 
Wohnung    \wohnunq 


Wohnungen 


Wohn  ync,c>n. 


Abb.  149.    Hannover;  Grund-  und  Aufriß  des  Hospitals  St.  Nicolai  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts. 
H.  G.  1905,  S.  121.     Nach  Redecker,  Chron.  S.  61,  umgezeichnet. 

Stiftung  des  Hospitales  St.  Nicolai  darstellt,  ist  bei  Redecker  (s.  H.  G.  1905, 
S.  122  ff.)  nachzulesen.  Nach  den  Worten  des  Bischofs  Wedekind  von 
Minden  in  einem  Indulgenzbriefe  von  1371  ist  das  Hospital  vor  langen 
Jahren  vom  Magistrat  der  Stadt  Hannover  in  honorem  St.  Nicolai  erbaut 
und  bestimmt  für  leprosi,  infirmi,  debiles,  patientes  et  languentes.  Gleich 
wie  im  St.  Spiritushospitale  nahm  man  außerdem  auch  Prövener  auf.  Die 
Stiftung  wurde  mit  Grundstücken  und  Einkünften  dotiert,  wie  die  Ur- 
kunden dartun;  nach  der  Reformation  erhielt  das  Hospital  die  Güter  der 
Nicolaibrüderschaft. 

Etwa  seit  1732  hörte  das  Nicolaihospital  auf,  als  Krankenhaus  zu 
dienen  und  wurde  von  da  an  Versorgungsanstalt  für  gebrechliche  Frauen. 
Um  1819  waren  nach  Spilcker  (a.  a.  0.,  S.  385)  24  solcher  Frauen  in  einer 


237 


Stifter 

großen  Stube,  der  sogenannten  Elenden-Herberge,  untergebracht.  Dazu 
bewohnten  16  Prövener  je  eine  besondere  Stube  und  Kammer.  Über  die 
Hausordnung  war  auch  hier  wie  beim  Heilige-Geist-Stift  ein  Hofmeister 
gesetzt;  die  eigentliche  Verwaltung  lag  in  den  Händen  des  Magistrates. 

Beschreibung  Das  alte  Hospital  stand  am  Klagesmarkt,  westlich  der  Nicolaikapelle, 
mit  der  Front  nordwärts  gerichtet.  Die  zumeist  aus  später  gotischer  Zeit 
stammenden  Gebäude,  deren  Abbildung  wir  Redecker  (Chron.,  S.  61) 
verdanken,  sind  zugunsten  eines  größer  angelegten  Neubaues  abgebrochen, 
der  1728 — 30  südlich  davon  an  der  Goseriede  errichtet  wurde.  Auch  dieser 
ist  hinweggeräumt,    als  man  1893  das  Stift  in  die  Nordoststadt  verlegte. 

Über  die  Beschaffenheil  der  allerältesten  Anlage  aus  dem  14.  Jahr- 
hundert sind  wir  ohne  Nachrichten.  In  dem  Zustande  bis  1728,  wie 
Abb.  Mo  Redecker  ihn  aus  eigener  Anschauung  beschrieben  und  abgebildet  hat, 
war  am  Ostende  der  Anlage  —  offenbar  als  ältester  Bauteil  —  ein  Ziegelbau 
mit  Rundbogenfenstern  und  einem  spitzbogigen  Eingang,  der  aber  einer 
Erweiterung  angehörte,  vorhanden.  Er  hatte  hohe  Giebel  und  Satteldach 
und  enthielt  Küche,  Stube  und  Schulzimmer.  Westwärts  schloß  sich  ein 
langgestrecktes  Fachwerkgebäude  mit  Ausbau  an,  durch  dessen  ganze 
Länge  ein  Mittelgang  ging.  Hier  waren  die  Wohnungen  für  den  größten 
Teil  der  Hospitanten,  außerdem  andere  Wohngelasse  und  Viehställe. 
Rückwärts  dieser  Gebäude  befanden  sich  Gärten.  Die  Hofmeisterei  lag 
in  bezug  auf  das  Spital  in  südöstlicher  Richtung  und  ist  noch  erhalten:  ein 
zweistöckiges  Fachwerkgebäude  von  fünf  Achsen,  der  Inschrift  nach  161 1 
erbaut,    in    dem    die    alte    Kruggerechtsame    bis    heute     ausgeübt    wird. 

Abb.  löo  Der  Neubau  von  1728/30  an  der  Goseriede  war  hufeisenförmig  an- 
gelegt: das  zweigeschossige  Hauptgebäude  von  elf  Achsen  im  Hintergrunde, 
und  an  dieses  anstoßend  beiderseits  des  Hofes  eingeschossige  Flügelbauten. 
Die  vierte  Hofseite  war  umfriedet  durch  eine  Hausteinmauer  mit  schmiede- 
eisernem Gittertor.  So  bildet  es  Redecker  (Chr.,  S.  871,  auch  H.  G.  1905, 
S.  153)  ab.  Die  Seitenflügel  sind  in  jüngerer  Zeit  verändert  worden. 
Im  Giebeldreieck  des  Hauptgebäudes  befand  sich  ein  Stadtwappen.  Als 
Giebelbekrönung  diente  die  Figur  des  hl.  Nicolaus.  Die  Inschrift  über 
dem  Portal  lautete: 

antiquissimae  originis 

hospitale  s.  nicolai 

a.mcclxxxiv  eccles.  st.  spiritvs  hodie  s.  crvgis  adscriptvm 

qvod  post  a.  mcccliv  de  novo  constryxerat 

rvinae  proximvm  de   integro  instavravit 

sp:natvs  a.  mdccxxiix 

coss.  a.  i.  bvsman  •  c.  v.  grvpen 

prov.  i.  1.  schwake  •  n.  b.  wolken- 

haer  •  h.  c.  wühler  •  ii.  a.  kvmme. 

238 


Nicolaikapelle 


Abb.  150.    Hannover;  St.  Nicolaistift.    Phot.  1893. 

Die  Inschrifttafel  ist  am  Neubau  des  Hospitales  Edenstraße  53  wieder 
angebracht;  ebenso  die  Figur  des  hl.  Nicolaus  und  das  Stadtwappen. 

Grupen  spricht  zuerst  die  Meinung  aus  (Orig.  et  ant.,  S.  13),  daß  die  nicolaikapelle 
Begräbnisstätte  bei  der  Nicolaikapelle  sehr  alt  sei,  weil  sie  von  jeher  den 
Bewohnern  des  sehr  alten  Dorfes  Herrenhausen  zur  Beerdigung  ihrer 
Toten  gedient  habe.  Er  vermutet  weiter,  daß  die  Kapelle  selber  ihren 
Namen  trage  von  St.  Nicolaus  als  dem  Heiligen  der  Wasserfahrer,  deren 
Stapelplatz  sich  ja  nicht  weit  von  da  befand  und  will  -  -  da  die  Leine- 
schiffahrt  alt  bezeugt  ist  —  damit  sagen,  daß  auch  das  Gotteshaus  wohl 
sehr  früh  bestanden  habe.  Die  Nicolaikapelle  ist  —  unter  der  Bezeichnung 
,,capella  leprosorum"  -  1284  zuerst  urkundlich  bezeugt,  als  sie  aus  dem 
Verbände  der  Marktkirche  ausschied  und  der  neu  errichteten  Pfarre  zu 
St.  Spiritus  beigelegt  wurde  (U.  B.  Nr.  49).  Nach  Errichtung  der  neuen 
Heilige-Geist-  oder  Kreuzkirche  1333  ging  sie  an  deren  Parochie  über.  Als 
„capella  sancti  Nycolai"  wird  sie  zuerst  1323  genannt  (U.  B.  Nr.  147), 
in  welchem  Jahre  dem  Johann  von  Steinhaus  dem  Älteren  und  seinen 
Erben  das  Patronatsrecht  über  den  von  ihm  dotierten  Hochaltar  zu 
St.  Nicolai  zugesprochen  wird.  Kurze  Zeit  später  -  vermutlich  aber 
kaum  vor  der  Erbauung  der  Kreuzkirche  (1333)  -  wird  die  Kapelle 
neu  errichtet  sein,  von  der  der  Chor  unverändert  auf  unsere  Tage  ge- 
kommen ist.  Die  nächste,  die  Kapelle  betreffende  Urkunde  ist  ein 
Ablaßbrief  verschiedener  Bischöfe  und  stammt  aus  dem  Jahre  1355 
(U.  B.  Nr.  333).      Die    Urkunden    der  nun    folgenden    Jahre    bekunden 


239 


Stifter 

Dotierungen  oder  Schenkungen  an  Altäre  der  Kapelle  und  die  Stiftung 
eines  Altares  der  Zehntausend  Märtyrer.  Ein  einst  weitberühmtes,  wunder- 
tätiges Bild  des  Heilandes,  das  während  des  Dreißigjährigen  Krieges 
verschollen  zu  sein  scheint,  war  „in  oratorio  ante  ecclesiam  beati  Nycolai" 
aufgestellt;  seinen  Besuchen]  wird  1369  ein  Ablaß  zugesagt  (U.  B.  Nr.  460). 
Abb.  151  Dieses  Oratorium  war  auch  in  einer  Skizze  Redeckers  (Chronik,  S.  189) 
deutlich   erkennbar  --  dem  südlichen  Bortale   in  der  Kirchhofsmauer  zur 


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•    **■  --  -4.  -"^^M^LjS^ry,  ■  WJi ll'-MMKIBr-' •■  ■  -■'^-JBI 
Abb.  151,  Hannover;  Nicolaikapelle.  Steinzeichnung,  Stadtarch.,sign.  r.Ecke unten :  1 15]  „Wgnm.  1826 lec" 

rechten  Seite  angelehnt  und  ist  1824  zugleich  mit  dem  Bortal  abgebrochen 
(s.  Hausmanns  „Erinnerungen",  S.  123).  Außer  bei  Beerdigungsfeierlich- 
keiten hat  die  Kapelle  den  Hospitaliten  des  Nicolaistiftes  zum  Gottes- 
dienst gedient,  später  auch  der  1859  gegründeten  Christuskirchengemeinde 
(bis    1864)    und    seit    etwa    1880    der    englischen    Gemeinde   Hannovers. 

Wie  eine  Inschrift  an  der  Westwand  der  Kapelle  sagt,  sind  1742,  weil 
einige  Bauteile  schadhaft  geworden  waren,  auf  Anordnung  des  Senates 
Wiederherstellungsarbeiten  unternommen.  Der  Chor  ist  davon  jedoch 
nicht  berührt  worden.  Damals  wurde  auch  ein  Dachreiter  aufgesetzt.  Der 
Zustand  der  Kapelle  wurde  namentlich  hinsichtlich  des  Inneren  wesentlich 
geändert  im  Jahre  1883,  nachdem  sich  die  englische  Gemeinde  gegen 
Gewährleistung  der  Benutzung  auf  50  Jahre   dem  Magistrat   gegenüber 

240 


Nicolaikapelle 

erboten  hatte,  die  Kosten  für  Erweiterung  und  Ausbau  zu   tragen.    Die 
Ausführung  dieser  Arbeiten  besorgte  C.  W.  Hase. 


Abb.  152.    Hannover;  Nicolaikapelle,  Grundriß, 

Uie    heutige   Nicolaikapelle   ist    ein    saalartiges   Langhaus   (1742)   mit  Beschreibung 
gotischem   Chor  in   Fünfachtelform,  ans   Kalkbruchstein  erbaut.     In  die  Abb.  152  und  153 


Abb,  153.    Hannover;  Nicolaikapelle,  Chorseite.     Phot.  1!)05. 

Umfassungsmauern  des  Chores  sind  Streben  eingebunden,  die  von  einem 
unterhalb  der  Fensterbrüstungen  verlaufenden  Kaffsims  umzogen  werden. 


1(5 


241 


Stiller 


Abb.  154.     Hannover;  Altartafe)  der  Nicolaikapelle  im  Kestnermuseum.     l'hot.  1931. 


242 


Nicolaikapelle 

Die  spitzbogigen  Fenster  haben  glatte  Leibungsschrägen  und  sind  mit 
Maßwerk  bei  einfacher  Pfostenteilung  versehen.  Die  ältere  Daehdeckung 
des  Chores  in  Mönch  und  Nonne  ist  teilweise  noch  erhalten.  Im  Inneren 
ist  der  Chor  auf  gekehlten  Rippen  gewölbt;  gegen  das  Schiff  hin  öffnet  er 
sich  in  beiderseits  stark  eingezogenem  Triumphbogen. 

Das  Schiff  hat  geputzte  Umfassungsmauern;  die  segmentförmigen 
Fenster  zeigen  Sandsteinumrahmungen.  Die  einzige  Eingangstür  hat 
geraden  Sturz  und  liegt  in  der  westlichen  Schmalseite;  darüber  ein  Rund- 
fenster. Das  Dach  ist  gegen  Westen  gewalmt  und  trägt  über  der  Lang- 
hausmitte einen  vierseitigen,  offenen  Haubendachreiter  mit  Wetterfahne. 

Bei  der  Einführung  der  Reformation  in  Hannover  fiel  im  Jahre  1532  Ausstattung 
nachts  ein  Volkshaufe  in  die  Kapelle  ein,  zerbrach  die  Altäre  und  zerschlug 
die  Bilder  und  verwüstete  sogar  den  Kirchhof.  (Uhlhorn,  „Zwei  Bilder  aus 
dem  kirchlichen  Leben  der  Stadt  Hannover",  S.  53.)  Alte  Gegenstände 
der  liturgischen  Ausstattung  der  Kapelle  sind  heute  dort  nicht  mehr  vor- 
handen. Eine  Altartafel  der  Nicolaikapelle,  die  dem  Hauptaltar  der  Abb.  154 
Ägidienkirche  entnommen  und  1665  hier  aufgestellt  war  (Mag.  Ising  nennt 
in  seiner  Chronik  dafür  das  Jahr  1695),  wird  im  Kestnermuseum  auf- 
bewahrt; sie  enthält  neun  auf  Eichenholz  gemalte  Einzelbilder,  zu  je 
dreien  übereinander  angeordnet: 

Heimsuchung  Geburt 


Verkündigung 

Anbetung 

Einzug  in  Jerusalem 

Habicht  (H.   G.   1913,   S.  274/75)  datiert  die  Tafel  um  ] 


Darstellung  im  Tempel 
Abendmahl 


Taufe 
Gethsemane 


Eine  Glocke,  D.  =  0,38,  ohne  Inschrift  und  Schmuck.  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts. 

Ein  Gedächtnisbild,  Öl  auf  Leinwand,  jetzt  im  Windfang  der  Kapelle, 
stellt  einen  Leichenzug  aus  dem  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  innerhalb 
der  landschaftlichen  Szenerie  vor  dem  Steintore  dar.  Man  sieht  im 
Mittelgrunde  die  Steintorhomeyde  mit  der  „Leuchte". 

In   die  Außenwandungen   der  Nicolaikapelle   eingelassen,   finden   sich  Grabmäier 
folgende   Grabmäier: 

Grabstein  des  Jürgen  Idensen,  gest.  1557,  und  seiner  Frau  Anna 
von  Benthe,  gest.  1588.  H.  =  1,64,  Br.  =  0,83.  Der  Meister,  Arndt 
Siemerding,  hat  sich  durch  sein  Zeichen  signiert  (Schuchhardt,  a.  a.  0., 
Nr.  7).  Hochrechteckiger  Bildteil,  dessen  oberer  Teil  von  breitrechteckiger 
Rollwerkkartusche  mit  Inschrift  zugedeckt  ist,  auf  fünfzeiligem  In- 
schriftsockel. Die  Darstellung  zeigt  das  Ehepaar  kniend  in  Beterhaltung, 
symmetrisch  einem  Kruzifixus  zugewandt.  Beiderseits  auf  dem  Rande 
je  vier  Wappen. 

243 


Oben  links:  Abb.   155.     Hannover;  Nicolaikapelle, 
Grabplatte  des  Erich  von  Wintheim,  1561. 

Oben  rechts:  Abb.  156.   Hannover;  Nicolaikapelle, 
Grabstein  der  Anna  Hake,  1578. 

Unten  links:  Abb.  157.    Hannover;  Nicolaikapelle, 
Grabplatte  des  Gevert  van  der  Wisch,  f  1591. 

Unten  rechts:  Abb.  158.  Hannover ; Nicolaikapelle, 
Wandmal  des  Harthold  Busse,  t  1592. 


> 


Nicolaikapelle 

Grabplatte  des  Erich  Volckmer  von  Wintheim.  Angefertigt  1561.  Abb.  155 
II.  =  1,16,  Br.  =  1,02.  Meistersignatur  H.  F.  mit  dazwischenstehender 
Hausmarke  (Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  15).  Die  Bilddarstellung  —  Adorant 
rechts  gewandt  kniend  vor  einem  aus  der  Mittelachse  rechts  verschobenen 
Krnzifixus  -  -  steht  auf  einem  Schrifthintergründe.  In  den  vier  Ecken 
je  ein  Wappen. 

Grabstein  des  Tile  Huntemann,  gest.  1567,  H.  =  1,95,  Br.  =  1,00. 
Meisterzeichen  wie  beim  vorigen  (Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  11).  Bild- 
teil in  der  unteren  Hälfte  der  Platte  quadratisch  eingetieft.  Der  kniende 
Beter  rechtsgewandt  vor  einem  Krnzifixus.  In  der  oberen  Hälfte  ist  eine 
rechteckige  Spruchtafel  eingetieft:  in  den  vier  Ecken  Rundmedaillons 
mit  den  Evangelistensymbolen.  Die  Totenlegende  auf  dem  Rande  ringsum 
verlaufend  in  Majuskeln. 

Grabstein  der  Anna  Hake.     Angefertigt  1578.   II.  =  2,07,  Br.  =   1,1.  Abb.  156 
Meister  wahrscheinlich  wie  beim  vorigen  (Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  14). 
Das  Bild  zeigt  die  Adorantin  rechts  gewandt  vor  einem  Kruzifixus  kniend. 
Unter-  und  oberhalb  davon   Inschriftkartuschen,  beiderseits  je  vier  auf- 
gelegte Wappen. 

Wandmal  der  Anna  vom  Hagen,  gest.  1588.  H.  =  3,00,  Br.  =  1,77. 
Von  Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Nr.  25)  dem  Meister  H.  N.  (Hans  Nottelmann) 
zugeschrieben.  Tafel  auf  Stützsockel;  oberer  Abschluß  in  giebelartiger 
Volutenkartusche.  Eckobelisken  fehlen.  Der  Sockel  enthält  eine  recht- 
eckige Rollwerktafel  mit  der  Legende  in  Majuskeln.  Das  Bild,  von 
Karyatiden  umrahmt,  die  ein  Gebälk  mit  Wappenfries  tragen,  zeigt, 
einem  in  der  Mitte  stehenden  Kruzifixus  zugewandt,  die  weiblichen  (rechts) 
und  die  männlichen  (links)  Mitglieder  der  Familie  in  kniender  Beter- 
haltung. Die  Bekrönung  enthält  in  Bundmedaillon  einen  geflügelten 
Engelskopf. 

Grabplatte  des  Franz  von  Wintheim,  gest.  1570,  und  der  Anna  Stock- 
mann, gest.  1588.  Angefertigt  nach  1588.  II.  =  2,10,  Br.  =  1,10.  Von 
Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Nr.  26)  dem  Meister  H.  N.  zugeschrieben.  Das 
Ehepaar  in  Anbetung  kniend,  symmetrisch  unter  einem  Kruzifixus  inner- 
halb einer  Rundbogennische,  deren  Kontur  von  Roll-  und  Bandwerk 
umspielt  wird.  Die  vier  Ecken  des  Steines  enthalten  ovale  Medaillons 
mit  Wappen  und  Hausmarken.  Der  Band  ist  mit  ringsumlaufender 
Majuskelschrift  belegt. 

Grabplatte  des  Gevert  van  der  Wisch,  gest.  1591,  H.  =  2,00,  Br.  =  1,10.  Abb.  157 
Von  Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Nr.  27)  dem  H.  N.  zugeschrieben.  Das  Bild, 
oberhalb  eines  Inschriftsockels,  zeigt  in  rundbogiger  Nischenarchitektur 
das  Ehepaar,  dem  auferstehenden  Christus  kniend  im  Gebet  zugewandt. 
Unten  zwei  Medaillons  mit  Hausmarken;  auf  dem  Rande  umlaufende 
Schrift. 

245 


Stifter 

.vi»)..  158  Grabplatte  des  Barthold  Busse,  gest.  1592,  H.  =  2,15,  Br.  =  1,37. 
Von  Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Nr.  28)  dem  H.  N.  zugeschrieben.  Das  Bild 
innerhalb  einer  Rundbogenarchitektur.  Diese  rechteckig  umrahmt  durch 
umlaufende  Schrift  (Totenlegende).  Am  Sockelteil  rechteckige  Roll- 
werkkartusche mit  Inschrift  aus  Jesaias  63.  Oberer  Abschluß  durch  einen 
Gesimsfries  mit  Inschrift.  Das  Bild  stellt  das  Ehepaar  dar  in  kniender 
Beterhaltung  der  Szene  des  keltertretenden  Christus  zugewandt.  In 
Wolken  erscheint  Gottvater.    In  den  Architekturzwickeln  je  ein  Wappen. 

Wandmal  der  Anna  Meier,  datiert  1591,  H.  =  2,65,  Br.  =  1,48.  Von 
Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Nr.  34)  dem  Meister  H.  F.  zugeschrieben.  Inschrift- 
retabulum  auf  Stützsockel  und  mit  Segmentbekrönung.  Die  Seitenstücke 
enthalten  in  rundbogigen  Nischen:  Spes  und  Fides. 

Grabplatte  des  Gurt  Idensen,  gest.  1597,  und  seiner  Frau  Anna  Limburg, 
gest.  1598.  H.  ==  2,15,  Br.  =  1,14.  Meister  nach  Schuchhardt  (a.  a.  0., 
Nr.  35)  H.  F.  Das  Bild  ist  durch  umlaufende  Schrift  (aus  Matthäus  17) 
rechteckig  umrahmt.  Der  Sockelteil  enthält  auf  breitrechteckiger  Roll- 
werkkartusche die  Totenlegende.  Die  Bilddarstellung  zeigt  den  Vater 
mit  zwei  Söhnen  rechtsgewandt,  die  Mutter  linksgewandt  in  Beterhaltung 
kniend;  gleichhoch  mit  den  Köpfen  der  Eltern  vier  Wappen;  darüber 
Christi  Verklärung  mit  Gottvater  und  Moses  über  den  Wolken  und  drei 
Jünger  zu  Christi  Füßen. 

Wandmal  des  Caspar  Meier,  gest.  1598,  H.  =  2,85,  Br.  =  1,75.  Signiert 
M.  H.  F.  (Schuchhardt,  a,  a.  0.,  Nr.  37).  Die  Bildtafel  ist  umrahmt 
von  toskanischer  Pilasterarchitektur  mit  verkröpftem  Gebälk  und  Drei- 
ecksgiebel. Seitenstücke  mit  Volutenwerk.  Predellaartiger  Sockel  mit 
Inschrift,  Wappen  und   Hausmarke.     Stützglied  mit   Inschriftkartusche. 

Abb.  159  Wandmal  der  Ilse  von  Wintheim,  gest.  1599,  Gemahlin  Ludolfs  von 
Änderten,  gest.  1626.  H.  =  2,18,  Br.  =  1,55.  Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  38 
schreibt  es  dem  Meister  H.  F.  zu.  Die  Bildtafel,  auf  der  -  -  von  Rund- 
bogenarchitektur eingefaßt  —  die  Auferstehungsszene  mit  der  Familie 
von  Änderten  in  Beterhaltung  dargestellt  ist,  wird  umrahmt  von  vor- 
gekröpfter Pilasterarchitektur  mit  Gebälk  und  Dreiecksgiebel.  Als  Kon- 
solen dienen  Löwenköpfe,  Pilaster  je  mit  vier  Wappen  belegt.  Seiten- 
endigungen  in  Voluten-  und  Rollwerk.  Predella  mit  Inschrift;  Stütz- 
sockel mit  breitrechteckiger  Inschriftkartusche  belegt,  deren  Umrahmung 
mit  Rollwerk,  Tuch-  und  Fruchtgehängen  verziert  ist. 

Wandmal  dreier  Kinder  des  Erich  von  Wintheim,  gest.  1618.  Breit- 
rechteckiger Stein:  2,05x2,28,  mit  flachem  Schnörkelgiebel  (Schuch- 
hardt, a.  a.  0.,  Nr.  75).  Meister  unsicher.  Die  drei  Kinder,  mit  Toten- 
hemden angetan,  nebeneinanderstehend  je  in  perspektivischer  Rund- 
bogennische. Zu  seiten  des  Steines  je  vier  Wappen  übereinander  ange- 
ordnet. 

246 


Nicolaikapelle 

Wandmal   für    Gottschalk   Duve   und   seine   Frau   Catharina  Prekels; 
zwischen  1617  und  1660  gesetzt.    Schuchhardt  (a.  a.  ().,  Nr.  93)  nimmt 


Abb.  159.    Hannover;  Nicolaikapelle,  Wandmal  der    Ilse   von  Wintheira, 

f  1599. 

P.  Köster  als  Meister  an.  Breitrechteckige  Bildtafel,  umrahmt  von  einer 
Pilasterarchitektur  mit  Gebälk  und  gebrochenem  Giebel.  Predellaartiger 
Sockel   mit    Inschrift.     Das   Bild   zeigt   die   Familie   -   -  sechs   männliche 


247 


Stifter 

und  zwei  weibliche  Mitglieder  -  -  stellend  in  Anbetung  unter  einer  in 
Wolken  schwebenden  Dreifaltigkeitsgruppe.  Im  Giebelfelde  Allianz- 
wappen. 

Wandmal  zum  Gedächtnis  der  Christiane  Juliane  Wolckenhaer, 
geb.  Eggers.  Gesetzt  1737.  Hochrechteckige  Inschrift lafel  in  Pilaster- 
umrahmung  mit  segmentbogigem  Hauptsims.  Sockelteil  und  figürliche 
Plastiken  sind  nicht  einheitlich  mit  dem  übrigen  Werke. 

Die  in  der  Denkmalhalle  an  der  Nicolaikapelle  aufgestellten,  vom 
Friedhofe   stammenden   Grabmäler  sind  behandelt   auf  Seite  251  ff. 


248 


Friedhöfe. 

Hannover  pflegte  bis  zum  späten  Mittelalter  seine  Toten  in  den  drei 
Altstädter  Gemeindekirchen  oder  auf  deren  Kirchhöfen  zur  Erde  zu 
bestatten.  Außerdem  wurde  in  und  bei  der  Kirche  des  Hl. -Geist-Stiftes 
und  des  Minoritenklosters  beerdigt;  bei  beiden  bestanden  Kirchhöfe. 
Unter  den  außerhalb  der  Tore  und  auf  der  Neustadt  belegenen  Kapellen 
verfügte  die  Nicolaikapelle  über  den  ältesten  Kirchhof,  der  als  Begräbnis- 
stätte vielleicht  älter  als  die  Kapelle  selbst  ist. 

Seit  im  16.  Jahrhundert  die  Bestattungen  auf  den  Kirchhöfen  der 
Innenstadt  aufgehört  hatten,  wurden  nach  und  nach,  spätestens  bis  zum 
Beginn  des  19.  Jahrhunderts,  die  unbenutzten  Kirchhöfe  zu  öffentlichen 
Plätzen  umgewandelt.  Etwa  noch  vorhanden  gewesene  Grabmäler  sind 
dabei  verlorengegangen.  Für  die  gesamte  Altstadt  diente  nunmehr  der 
mit  Bewilligung  des  Herzogs  Heinrich  Julius  1 598  erweiterte  Nicolai- 
kirchhof als  Begräbnisort.  Die  Neustadt  richtete  1646  einen  eigenen 
Friedhof  ein;  die  katholische  Gemeinde  1669;  die  jüdische  1671.  Die 
hier  zu  erwähnenden  neueren  Friedhöfe  sind  der  Gartenfriedhof  1741, 
der  Engesohder  Friedhof  1864  und  der  gleichzeitige  Friedhof  an  der 
Strangriede. 

Die  Grabmäler,  welche  die  älteren  Friedhöfe  aufbewahrt  haben,  gehen 
also  kaum  bis  in  das  16.  Jahrhundert  zurück.  Die  durch  ihren  Werkstoff 
und  durch  bildnerische  Behandlung  monumentalisierte  Stele  erweist 
sich  als  das  Grabmal  des  Bürgertums  schlechthin,  in  dem  sich  von  der 
kulturellen  Artung  der  Zeit  mehr  offenbart  als  in  anderen  hinterlassenen 
Denkmälern.  Eine  ganze  Reihe  von  Bildhauern  hat  fortlaufend  in  der 
Herstellung  dieser  Grabdenkmäler  Arbeit  und  Brot  gefunden.  Von 
Hannover  aus  sind  selbst  entferntliegende  Dörfer  der  Umgegend  mit  Er- 
zeugnissen seiner  Grabmalskunst  oder  mit  Vorbildern  versehen.  Die 
Bezeichnung  als  Künstler  kommt  unter  den  Bildhauern  allerdings  nicht 
allen  zu.  Die  genaue  Herkunft  des  verwendeten  Werkstoffes  und  etwaige 
Beziehungen  zu  Obernkirchen*)  sind  bislang  unerforscht.    Einstige  Be- 


*)  Inzwischen  hat  Leonhardt  solche  Beziehungen  als  bestehend  nachweisen 
können  (H.  G.  1929,  S.  69  ff.). 

Ein  Abbildungswerk  über  die  Grabdenkmäler  auf  den  Friedhöfen  der  Stadt, 
bearbeitet  durch  Oberbaurat  Damm,  hat  der  Magistrat  1914  herausgegeben. 

249 


Friedhöfe 


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250 


Nicolaikirchhof 

malung  der  Denkmäler  steht  außer  Zweifel  (s.  Schuchhardt,  a.  a.  0., 
S.   17  f.). 

Die  Gestaltung  der  Standmale  knüpft  an  die  gotischen  Kreuzsteine 
an,  nimmt  aber  Motive  der  in  der  Renaissance  als  Wandmal  fortge- 
bildeten Grabplatte  auf.  Der  Aufbau  läßt  die  Dreiteilung  in  Sockel, 
Platte  und  Bekrönung  oft  erkennen.  Die  Reliefbilder  der  Platte  gehen 
nicht  selten  von  der  Darstellung  des  Kruzifixus  aus,  der  auch  der  Sil- 
houette des  Steines  gelegentlich  noch  die  Linie  gibt.  Unter  dem  Kreuze 
werden  der  Verstorbene  und  seine  Familie  in  Beterstellung,  in  Porträt 
und  Tracht  getreu,  gern  dargestellt;  manchmal  hat  das  Bildnis  des  Ver- 
storbenen Lebensgröße.  Statt  derartiger  Darstellungen  kommen  auch 
biblische  Bilder  vor.  Grablegende  und  Wappen  bilden  dekorative  Flächen 
unterhalb  der  Bilder.  Die  Schrift  pflegt  in  lateinischen  Großbuchstaben 
ausgeführt  zu  sein.  Die  ornamentalen  Umrahmungen  der  Bildflächen 
bedienen  sich  architektonischer  und  pflanzlicher  Motive  sowie  des  barocken 
Rollwerkes,  aus  dessen  Duktus,  da,  wo  die  Steine  nicht  signiert  sind,  oft 
auf  die  Hand  des  Meisters  geschlossen  werden  kann. 

Gegen  Ende  des  1<S.  Jahrhunderts  ist  die  Wiederverwendung  älterer 
Standmale  dieser  Art  häufig,  sie  deutet  einen  Stillstand  in  der  Grab- 
malskunst überhaupt  an,  die  im  breiten  Bürgertum  ihre  Wurzel  nicht  mehr 
zu  finden  vermag. 

Seit  der  Wende  des  Jahrhunderts  gehen  Adel  und  Beamtenpatriziat 
mit  neuen  Grabmalsformen  voran.  Von  Obelisk  und  Säule,  dem  antiken 
Altar,  Urne  und  Sarkophag  leiten  sich  die  Motive  her.  Die  Gestaltung 
spielt  sehr  bald  vom  Klassizistischen  ins  Romantische  hinüber;  goti- 
sierende Formen  treten  auf.  Reich  an  derartigen  Beispielen  ist  der  Garten- 
kirchhof (s.  Gartenkirche). 

Nicolaikirchhof. 

Die  Altstadt  begann  bald  nach  der  Reformation  sich  des  Nicolai- 
kirchhofes als  Begräbnisstätte  zu  bedienen.  Nach  der  erwähnten  ersten 
Erweiterung  vom  Jahre  1598  fand  eine  zweite  Vergrößerung  um  1650 
statt.  Redecker  hat  das  Größerwerden  der  Begräbnisstätte  in  einer 
Skizze  aufgezeichnet  (s.  H.  G.  1905,  S.  350).  Der  Kirchhof  zu  St.  Nicolai 
ist  1866  geschlossen. 

Eine  Anzahl  von  Denkmälern  sind,  um  sie  zu  schützen,  in  einem  1898 
nach  Entwurf  von  0.  Liier  errichteten  Denkmalhof  an  der  Nordseite 
der  Nicolaikapelle  gesammelt: 

Standmal   des   Hans  Nendorp,   gest.    1606.    H.  190,   Br.    =  0,55. 

Von  Schuchhardt  (a.a.O.,  Nr.  40)  dem  Meister  H.  F.  (1591—1609)  zu- 
geschrieben. 

251 


Friedhöfe 


Links:    Abb.  Hi.'S.      Hannover;    Nicolai -Denkmalhalle,    Standmal    dos 
Iliins  Hagen,  1684. 


Unten:    Abb.  164.     Hannover;   Nicolai -Denkmalhalle,  Wandmal    des 
Statins  Vasmer,  1631,  von  Jeremias  Sutel. 


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252 


Nicolaikirchhof 

Grabplatte  des  Hans  von  Wintheim,  gest.  1642.  Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Abb.  160 
Nr.  73)  schreibt  sie  dem  Lndoll'  Witte  zu. 

Standmal  „David  in  der  Halle",  um  1630—40.  II.  =  179,  Br.  =  0,56.  Abb.  igi 
Meister  unbestimmt  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  86). 

Standmal  des  Lorenz  Niemeyer  und  seiner  Frau,  gest.  1651.  II.  =  2,40, 
Br.  =  0,71.  Meister  vielleicht  Peter  Köster  (s.  Schuchhardt,  a.  a.  (_)., 
Nr.  92). 

Standmal  des  M.  Niklas  Schlotthawer,  gest.  166  1.  1 1.  -  2,3  1,  Br.  =  0,83.  Abb.  102 
Meister  vielleicht  Peter  Köster  (s.  Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  102). 

Standmal  des  Hans  Hagen.  H.  =  3,39,  Br.  —  0,87;  signiert  und  Abb.  163 
datiert  H.  J.  U.  (Uhle)  1689  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  128). 

Standmal  des  Cordt  Eylers.  II.  =  2,63,  Br.  =  0,90,  signiert  und 
datiert:  Hans  Jacob  Uhle,  1693  (Schuchhardt,  a.  a.  O.,  Nr.  133). 

Standmal  des  Justus  Goldermann.  H.  =  2,55,  Br.  =  0,56,  gest.  nach 
1731,  Meister  wie  der  des  folgenden  Steines  (Schuchhardt,  a.  a.  0., 
Nr.   150). 

Standmal  des  Conradt  Heinrich  Davidt  1753  (Schuchhardt,  a.  a.  0., 
Nr.   151). 

Standmal  der  Frau  A.  M.  C.  Groschen,  gest.  1741  (Schuchhardt,  a.a.O., 
Nr.   152). 

Standmal  des  J.  N.  Grosehe,  gest.  1718.  Vom  gleichen  Meister  wie 
das  vorige  (Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.   153). 

Standmal,  nach  der  darauf  angebrachten  Reliefdarstellung  „Lasset 
die  Kindlein  zu  mir  kommen",  von  Schuchhardt  (a.a.O.,  Nr.  62)  benannt. 
H.  =  2,15,  Br.  =  0,73.     Dem  Jeremias  Sutel  zugeschrieben. 

Standmal  mit  der  Auferweckung  des  Lazarus.  H.  —  2,27,  Br.  —  0,88. 
Dem  Jerernias  Sutel  zugeschrieben  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  63). 

Wandmal  des  Statius  Vasmer.    H.  =  3,60,  Br.  —  1,90;  datiert   1(531;  Abb.  im 
signiert  von  Sutel.    Das  Reliefbild  stellt  die  Grablegung  Jacobs  dar  mit 
Bildnissen  des  Vasmer,  des  Pastors  Dav.  Meier  und  Sutels  selbst  (Schuch- 
hardt, a.  a.  O.,  Nr.  65). 

Standmal  des  Jeremias  Sutel,  ermordet  1631.  H.  =2,20,  Br.  -0,69. 
Signiert  L.  W.  =  Ludolf  Witte  (Schuchhardt,  a.  a.  0.,  Nr.  66). 

Standmal  des  Malers  Johann  Wilhelm  Borges,  gest.  1788.  H.  =  2,13, 
Br.  =  0,87.  Schuchhardt  (a.  a.  ().,  Nr.  161)  schreibt  es  dem  Job.  Fr. 
Ziesenis  zu. 

Standmal  des  Knaben  Jochim  Schlothauer,  gest.  1658.  H.  =  1,29,  Abb.  Hi.-> 
Br.  =  0,55.    Schuchhardt  (a.  a.  O.,  Nr.  97)  schreibt  es  Peter  Köster  zu. 

Auf  dem  Nicolaifriedhofe  selbst  sind  die  nachgenannten  Grab- 
denkmaler bemerkenswert : 

253 


Friedhöfe 


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254 


St. -Andreas-Friedhof 

Standmal  der  Anna  Wedekind,  gest.  1598.  Oberteil  des  Males;  an 
einem  Rest  der  ehemaligen  nördlichen  Kirchhofsmauer  gelegen.  Br.  =  1,04. 
Von  Schuchhardt  (a.  a.  0.,  Nr.  30)  dem  Meister  H.  N.  -  1575 — 1610 
tätig  —  zugewiesen. 

Standmal    eines    Unbekannten    von    etwa    1660;    wiederbenutzt    für  Abb.  16ö 
Jon.    Jul.    Führmann.     Meister    vielleicht    Arend  Iloyer    (Schuchhardt, 
a.  a.  O.,  Nr.   113). 

Standmal  des  Christopher  Beyerot,  gest.  1671.    II.  =  2,31,  Br.  =  0,82.  Abb.  n>7 
Meister  vielleicht  II.  L.  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.   121). 

Wandmalartiges  Standmal  des  Lorenz  Niemeyer,  angefertigt  1663, 
signiert  F.  K.  =  Peter  Köster.  H.  =  1,00,  Br.  =  1,65.  Von  Schuchhardt, 
a.  a.  O.,  unter  Nr.   101   behandelt. 

Standmal  des  Anton  Johann  Hinüber  und  Frau,  gest.  1689.  II.  =  2,80, 
Br.  =  0,90  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.   130). 

Standmal  des  Georg  Ludwig  Milhoff,  1725 — 1804,  und  Gattin,  gest. 
LS07.     In  zweiter  Verwendung.    Meister  um   1720. 

Standmal  der  Elisabeth  Varen,  gest.  1723  (vgl.  Schuchhardt,  Nr.  58). 

Standmal  des  Heinrich  Ludwig  Schrader,  1782 — 1839,  und  dessen 
Frau.     In  zweiter  Verwendung.    Angefertigt  nach  1750. 


St.-  Andreas-Friedhof. 

Die  Neustadt  schuf  sich  vor  dem  Clevertor  einen  eigenen  neuen*)  Fried- 
hof im  Jahre  1616,  wie  ein  in  die  Friedhofsmauer  eingelassener  Inschriften- 
stein angibt  (s.  auch  Redecker,  Chronik,  S.  311).  Den  Namen  des  Kirch- 
hofs wählte  man  nach  dem  Heiligen  des  Stiftungstages,  St.  Andreas 
(vgl.  Hoppe,  a.  a.  O.,  S.  224).  Auch  dieser  Friedhof  hat  wiederholt  ver- 
größert werden  müssen;  er  wurde   1876  geschlossen. 

Standmal    eines    sechsjährigen    Mädchens,    gestorben    in    den    1690er  Abb.  168 
Jahren.     H.  =  2,25,   Br.  =  0,78.     Meister  vielleicht  Uhle.      Näheres  siehe 
Schuchhardt,  a.  a.  O.,  Nr.   132. 

Standmal,  wiederbenutzt  von  der  Familie  Uden  im  19.  Jahrhundert, 
bezeichnet  G.  S.  H.  =  3,00,  Br.  =  0,93.  Näheres  (ohne  Abbildung)  siehe 
Schuchhardt,  a.  a.  O.,  Nr.   143. 

Standmal    des    Johan    von    Haaren     1701.      H.  =3,27,    Br.  —  0,58.  Abb.  169 
Meister   laut    Inschrift    Jürgen    Gerhard    Schrader   Anno    1701.     Näheres 
bei  Schuchhardt,  Nr.   144. 

Standmal  des  Heinrich  Ties,  gest.  1725.  H.-==  2,06,  Br.  =  0,86. 
Meister  vielleicht  auch  J.  G.  Schrader.  Näheres  (ohne  Abbildung)  bei 
Schuchhardt,  Nr.   148. 


*)    Der   1610   angelegte   Michaelisfriedhof  (Grundstück   des   Handelsmuseums) 
war  der  Befestigungsanlagen  wegen  aufgegeben. 

255 


I*"ricdhöfe 


Rechts:     Abb.  169. 

Hannover;  St.-Andrcas-Friedhof, 

Standmal  des  Joh,  von  Haaren, 

1701. 


Unten:    Abb.  16X. 

Hannover;   St.-Andreas-Friedhof, 

Standmal  eines  Mädchens, 

t  um  1690. 


Abb.    170. 

I  [annover;   St.-Andreas-Friedhöf, 

Standmal  der  Margarete  Borcherding 

t   1710. 


256 


Invalidenfriedhof 

Standmal  der  Margarete  Borcherding,  gest.  1716.  H.  =  2,76,  Br.  =0,86.  Abb.  no 
Meister  unbekannt.      Näheres  bei  Schuchhardt,   Nr.   155. 

Standmal    des    Christian    Scharloock    1760    oder    1769.     H.  =  2,79,  Abb.  171 
Br.  =  0,87.    Wiederaufnahme  von  Motiven   Sutels.    Meister  unbekannt. 
Näheres  bei  Schuchhardt,  Nr.   158. 

Standmal  des  „Großen  Christoff",  gest.  1676.    H.  =  2,78,  Br.  =  0,90.  Abb.  172 
Meister  unbekannt.    Näheres  bei  Schuchhardt,  Nr.   169. 


St.-Johannis-Friedhof. 

Die  katholische  Gemeinde  begann,  wie  Bedecker  (Chronik,  S.  683) 
angibt,  im  Jahre  1669  mit  der  Anlage  eines  eigenen  Friedhofes  auf  einem 
Teile  des  „Patergarten"  benannten  Grundstückes  vor  dem  Ägidientore, 
wo  der  Herzog  Johann  Friederich  den  Kapuziner-Patres  ein  Absteigehaus 
(Abbildung  bei  Zeuner)  hatte  erbauen  lassen.  Erst  1673  soll  die  Be- 
gräbnisstätte geweiht  worden  sein.  Nach  ihrem  Stifter  wurde  sie  St.- 
Johannis-Friedhof  genannt.  1692  wurde  der  Friedhof  nach  der  Masch- 
straße hin  erweitert.  Bei  der  Anlage  der  neuen  Hildesheimer  Straße 
gab  man  den  bis  zur  heutigen  Höltystraße  reichenden  Teil  des  Friedhofes 
auf.    Der  verbleibende  Best  ist  1926  der  Bebauung  freigegeben. 

Unter  den  1926  noch  vorhandenen  Grabmalen  des  St.  -  Johannis- 
Friedhofes  sind  zu  nennen: 

Standmal  des  Simon  Tronen  (1686 — 1717).  Ähnlich  dem  bei  Schuch- 
hardt, a.  a.  O.,  Nr.   158  abgebildeten  Stein. 

Standmal  des  Edmund  Wilh.  Mihen,  1817,  ähnlich  dem  Vorigen. 
Wiederverwendet;  gefertigt  von  einem  Meister  des  ersten  Drittels  des 
18.  Jahrhunderts. 

Standmal  des  Jean  Joseph  La  Croix.  Wiederverwendet;  wahrschein- 
lich für  den  Großvater  Pierre  la  Croix,  gest.  1729,  gefertigt  (vgl.  Schuster, 
K.  u.  K.,   S.  199). 


Invalidenfriedhof. 

Unmittelbar  an  den  katholischen  Friedhof  angrenzend  bestand  der 
Invalidenfriedhof,  der  bis  1645  bei  dem  Kirchhofe  der  jüngeren  Marien- 
kapelle vor  dem  Ägidientore,  am  Eingange  der  heutigen  Prinzenstraße, 
sich  befunden  hatte.  Auch  dieser  Friedhof  ist  1926  der  Bebauung 
freigegeben. 

17  257 


Friedhöfe 


Abb.  171. 

Hannover;   St.-Andreas-Friedhof, 

Standmal     des    Chr.    Scharloock, 

1769. 


Abb.  172. 

Hannover;    St.  Andreas-Friedhof, 

Standmal  des  „Großen  Christoff", 

t  1676. 


258 


Judenfriedhof 

Judenfriedhof. 

Die  Juden  zu  Hannover  und  auf  der  Neustadt  erhielten  ihren  jetzt 
noch  bestehenden,  seit  1865  geschlossenen  Begräbnisplatz  auf  einer  der 
Maschranddünen  in  Nähe  der  Nienburger  Heerstraße  im  Jahre  1671  Abb.  173 
zugewiesen.  Neben  dem  Eingangstore  in  der  Mauer  dieses  Friedhofes 
wurde  der  herzogliche  Schutzbrief  für  diese  Stätte  in  doppelter  Aus- 
fertigung in   Stein  gehauen  eingelassen: 

DER   JUDEN   GRABSTADT 
UND   SCHUTZSTEIN 
MIT  VERWAHRUNG  WER   IN 
KÜNFTY  DIESELBE  FIOLIEREN 
ODER  MIT  ABFUHBUNG  DES   SAN- 
DES TUBBIBEN  WIBDT  DAS  DEB- 
SELBE  OHN  EINZIG  AN   SEHEN 
SEBMO  CETMO  HEBTZOGEN 
JOHANN  FBIEDEBICH  DEN   GNADIG- 
STEN  LANDE SFUBSTEN  IN   SCHARF- 
FEB   STRAFFE  VEBFALLEN   SEIN 
SOL   UHRKUNDLICH  LAN  GENHAGEN 
D.   II.   SEPTEMR.  Aö   1671   ADMANDAT 
UM   SEBMI  PBOPBIUM  MELCHIOB 
ALBRECHT  REICHARD 


Abb.  173.  Hannover;  der  Judenfriedhof  von  der  Ostseite,    l'hot.  zwischen  1859  und  18G3.    Stadtarchiv. 

259 


Friedhöfe 


Gartenkirchhof. 


Die  Ägidien-Gartengemeinde  endlich  legte  ihren  Friedhof  am  Wolfs- 
graben im  Jahre  1741  an,  bevor  noch  die  Gartenkirche  bestand.  Er  war 
im  19.  Jahrhundert  vom  Patriziat  bevorzugt  und  hat  bis  1865  seiner 
Bestimmung  gedient. 

Einzelne  Grabmäler  sind  behandelt  auf  Seite  194  ff.  (S.  Alfr.  Fuhrmann. 
Der  Gartenkirchhof  in  geschichtlicher  und  kunstgeschichtlicher  Hinsicht, 
Sonderdruck  der  „Garten-  und  Obstbau-Zeitung"  [Dez.  1917].) 


Neuere  Friedhöfe. 

Unter  den  neueren  Friedhöfen  sind  zu  nennen:  der  1864  eröffnete 
Engesohder  Friedhof,  der  an  dieser  Stelle  bemerkenswert  ist  wegen  seiner 
mit  Arkaden  versehenen  Eingangshalle  von  Droste;  der  gleichzeitige 
Abb.  174  Friedhof  an  der  Strangriede,  ebenfalls  mit  einer  Eingangshalle  von 
Droste,  und  der  israelitische  Friedhof  an  der  Strangriede  mit  einem 
Leichenhause  von  Oppler. 


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Abb.  174.     Hannover;  Eingangshalle  zum  Friedhof  an  der  Strangriede, 
1864  von  Droste  erbaut. 


260 


Höfische  Gebäude  und  Anlagen*), 


LEINESCHLOSS. 

RESIDENZPALAIS'  UND  ABLAGER. 
Altes  Palais  an  der  Leinstraße. 
Neues  Palais,  Friedrichstraße  17. 
Ernst-August-Palais. 
Der  Osnabrücker  Hof. 

Neustädter  Vogtei  oder  Kleiner  Fürstenhof. 
Der  (jüngere)  Fürstenhof. 

GESANDTENHAUS. 

HOFM  AR  STÄLLE  UND  ZUBEHÖRUNGEN. 

BALLHOF. 


*)  Das  Herzogl.  Zeughaus  ist  behandelt  auf  Seite  623  ff.  —  Die  Gebäude 
und  Anlagen  des  Hof-Jagdwesens  finden  sich  unter  „Herrenhausen",  „Linden" 
und  „Kirchrode". 

261 


Leineschloß 


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262 


Leineschloß. 

Oeit  der  Zerstörung  der  Burg  Lauenrode  unterhielten  die  weifischen 
Herzöge  in  Hannover  kein  ständiges  Absteigequartier.  Sie  pflegten,  wenn 
sie  in  Hannover  weilten,  bei  angesehenen  Bürgern  zu  wohnen.  Im  16.  Jahr- 
hundert bevorzugten  sie  das  Haus  der  blutsverwandten  Limborgs  Am 
Markt  Nr.  11  (s.  dar.  H.  G.  1910,  S.  42  f.).  Als  Ablager  für  den  Landesherrn 
bei  dessen  gelegentlichen  Besuchen  zu  Hannover  hatte  zuletzt,  1622,  der 
Herzog  Friedrich  Ulrich  auf  der  Neustädter  Vogtei  ein  angemessenes 
Wohnhaus  erbauen  lassen  (s.  „Kleiner  Fürstenhof"  auf  Seite  316). 

Der  zwischen  den  herzoglichen  Brüdern  August  dem  Älteren,  Friedrich  Vorgeschichte 
und  Georg  am  14.  Dezember  1635  abgeschlossene  Teilungsvertrag  gab  am  DES  BAUES 
27.  Januar  1636  das  Fürstentum  Calenberg  in  die  Hand  des  jüngsten  der 
Brüder,  Georg,  der  seit  seiner  Verheiratung  1617  auf  Schloß  Herzberg, 
später  zu  Hildesheim  residiert  hatte.  Nach  dem  Inkrafttreten  des  Teilungs- 
vertrages war  Herzog  Georg  sogleich  auf  die  Verlegung  seiner  Besidenz 
nach  Hannover  bedacht,  weil  es  unter  den  Städten  des  Calenberger  Landes 
sowohl  durch  seine  zentrale  Lage  wie  durch  die  Möglichkeit,  seine  Be- 
festigung zu  modernisieren,  eine  besondere  Eignung  besaß.  In  der  Absicht, 
seine  Besidenz  fortab  hier  zu  nehmen,  leitete  der  Herzog  im  Laufe  des 
Jahres  1636  zunächst  die  Befestigung  der  Neustadt  ein.  Im  Frühjahr  1637 
schickte  er  sachverständige  Abgesandte  aus,  um  in  Hannover  einen  ge- 
eigneten Platz  zu  Errichtung  eines  Palatiums  ausfindig  zu  machen.  Diese 
zogen  das  Grundstück  des  Barfüßerklosters,  das  des  St.  Gallenhofes,  des 
Saldern-Hofes  auf  der  Osterstraße  und  andere  in  Betracht.  Kurz  darauf, 
am  12.  April  1637,  ließ  der  Herzog  dem  Magistrat  eröffnen,  daß  er  auf  dem 
Grundstücke  des  ehemaligen  Barfüßerklosters  an  der  Leine  seine  Besidenz 
zu  nehmen  gedenke,  und  befahl,  sein  Zeughaus  in  der  alten  Klosterkirche 
einzurichten  und  die  auf  dem  Gelände  nach  der  Klosteraufhebung  (1533) 
eingerichteten  Gebäude,  die  städtische  Münze,  das  Korn- und  Salzmagazin, 
das  Batskloster  und  Sodensche  Kloster,  die  Schreib-  und  Mägdleinschule 
u.  a.,  anderweitig  zu  verlegen.  Der  Bat  fügte  sich  unter  starken  Be- 
denken gegen  die  herzoglichen  Absichten  (s.  Chronologia  Hannoverana 
von  Matheus  Gosewisch  z.  J.   1637,  Ms.  im  Stadtarch.). 

263 


Leineschloß 

Herzog  c.eorg  Am  19.  Mai  begann  schon  der  Abbruch  des  Klostergebäudes  durch  den 
von  caienberg  Bauverwalter  Meldau,  nachdem  die  Wohnhäuser  angekauft  waren,  die 
auf  dem  Klosterhofe  längs  der  Leine  bestanden.  Der  Schloßneubau*)  wurde 
in  Fachwerk  ausgeführt  und  so  rasch  gefördert,  daß  1638  „die  Seite  an  der 
Leine  (davon  in  verlittenem  Jahre  etzliche  Sparren  in  Dach  und  Fach 
gebracht)  ferner  ins  Dach  und  Fach  kommen,  dazu  auch  die  Seite  von  dem 
Kirchenchore  an  bis  herunter  an  die  Leine,  daß  also  der  innerste  Platz 
gantz  ins  gevierte  umher  bebauet  worden".  (Hann.  Chron.  z.  J.  1638); 
s.  dazu  die  von  E.  Schuster  zusammengestellten  vergleichenden  Plan- 
skizzen in  K.  u.  K.,  S.  12  u.  13).  In  nächster  Zeit  wurden  dazu  die  längs  der 
(Kloster-  und  späteren)  Schuhstraße,  heutigen  Schloßstraße,  belegenen 
Häuser  angekauft  und  niedergerissen.  Auch  dieser  alte  Häuserblock  hatte 
leinewärts  bis  an  den  Wächtergang  längs  der  Stadtmauer  gereicht.  Der 
neue  Schloßflügel  wurde  unmittelbar  an  die  Stadtmauer,  teilweise  auch 
wohl  auf  sie  aufgesetzt  und  reichte  bis  an  das  Leintor. 

Gegen  Ende  des  Jahres  1640  stieg  der  Herzog  zum  ersten  Male  in  dem 
neuen  Schlosse  ab  (12.  Dezember)  und  ließ  daselbst  „die  erste  Lutherische 
Predigt  thun  auf  dero  Hofstuben"  (Redecker,  Chronik,  H.  G.  1903,  S.  477 
z.  J.  1640).  Sein  Aufenthalt  währte  nur  einige  Tage.  Er  starb  bald  darauf 
zu  Hildesheim  am  2.  April  1641. 

Das  Palatium  umfaßte  demnach  damals  den  neu  umbauten  ehemaligen 
Klosterhof  und  den  nordwestlich  davon  belegenen  Hof,  der  ein  unregel- 
mäßiges Viereck  bildete  und  an  der  Leinstraßenseite  nur  eine  Mauer  mit 
Tor  besaß.  Es  waren  auch  bereits,  nach  Redeckers  Zeugnis  um  1638, 
zwei  der  an  dem  ehemaligen  Klosterkirchhof  leinstraßenwärts  belegenen 
Rürgerhäuser  angekauft.  Dieser  Hof  scheint  aber  zu  Georgs  Zeiten  noch 
nicht  ernstlich  in  den  Schloßbauplan  einbezogen  gewesen  zu  sein. 

Christian  Ludwig  Der  neue  Herzog,  Christian  Ludwig,  damals  21  Jahre  alt,  verlegte 
seinen  Wohnsitz  und  seine  Hofhaltung  im  Juli  1642  in  das  Schloß  zu 
Hannover.  Seine  Bautätigkeit  war  den  Kammerrechnungen  nach  nicht 
bedeutend.  Die  Minoritenkirche  wurde  verkleinert.  Von  ihren  angeblich 
20  Gewölben  blieben  nur  13  bestehen  und  der  Chorschluß,  indem  an  der 
Westseite  eine  Anzahl  der  Joche  abgebrochen  wurden.  Es  können  hier 
nur  sechs  weggefallen  sein,  von  denen  drei  in  den  Schloßbau  einbezogen 
sind.  Die  Einrichtung  zur  Schloßkirche  war  um  die  Zeit  des  Einzuges 
des  jungen  Herzogs  beendet,  so  daß  dieser  am  10.  Juli  1642  ihre  Ein- 
weihung durch  den  ersten  lutherischen  Gottesdienst  vornehmen  konnte. 
Der  Hofmarschall  von  Steding  erhielt  seine  Wohnung  in  dem  ange- 
kauften Eckhause  an  der  Schuhstraße. 


*)  Die  baugeschichtliche  Darstellung  bis  zum  Tode  Georg  Ludwigs  1727  fußt  auf 
Ed.  Schusters  „Kunst  und  Künstler  in  den  Fürstenthümern  Caienberg  und  Lüneburg, 
Hannover  1905".  Schuster  hat  die  Kammerrechnungen  von  1636—1727  durchgesehen. 

264 


Leineschloß 

Nachdem  im  Jahre  1648  der  jüngere  Bruder  Christian  Ludwigs,  der  Georg  wnheim 
damals  24  Jahre  alte  Georg  Wilhelm,  die  Regierung  in  Calenberg  über- 
nommen, geschah  --  wie  die  dafür  verausgabte  Summe  schließen  läßt  - 
für  die  Förderung  des  Schloßbaues  und  dessen  Unterhaltung  kaum  sehr 
Wesentliches.    Er  bezog  zur  Ausstattung  der  fertiggestellten  Räume  Möbel 
aus  Frankreich  und  gab  Geld  für  Silbergeschirr  aus. 

Bemerkenswert  ist  aber,  daß  in  seiner  Zeit  die  Keime  zur  künftigen 
Schloßoper  erstanden  sind  in  der  Hauskapelle,  die  sich  Georg  Wilhelm 
ebenso  wie  seine  Brüder  in  Osnabrück  und  Celle  hielt.  Eine  französische 
Schauspielergesellschaft  bezahlten  alle  drei  gemeinsam. 

Erst  unter  Johann  Friedrichs  Regierung  (1665 — 79)  beginnt  für  die  Johann  Friedrich 
Baugeschichte  des  Leineschlosses  eine  neue  Epoche.  Er  nahm  die  Be- 
bauung des  dritten  Hofes  in  Angriff,  so  daß  zunächst  die  Seite  am  Fluß  bis 
um  das  Jahr  1677  im  Rohbau  vollendet  gewesen  sein  wird.  In  diesem 
Jahre  wurde  der  Dachstuhl  auf  das  im  südöstlichen  Pavillon  eingerichtete 
„Theatrum  für  die  Comödien"  aufgebaut  und  mit  Pfannen  eingedeckt 
(Schuster,  a.  a.  0.,  S.  24).  Die  Leitung  des  Schloßbaues  lag  in  den  Händen 
des  Bauschreibers  Brand  Westermann,  während  als  Urheber  der  Pläne 
der  Architekt  Hieronymus  Sartorio  anzusehen  ist,  der  seit  1667  für  den 
Hof  wirkte.  Über  den  inneren  Ausbau  der  fertigen  Gebäudeteile  entnimmt 
Schuster  den  Rechnungen,  daß  unter  der  Leitung  eben  dieses  Sartorio  die 
Gemächer  ausgemalt  und  vom  Bauschreiber  Weinberg  mit  40000  Blatt 
Gold  „ausstaffiert"  worden  sind.  „Indianisches  Holz"  wurde  für  die 
Fußböden  verwandt. 

Der  Umwandlung  der  Schloßkirche  für  den  katholischen  Gottesdienst 
hatte  Johann  Friedrich  —  der  1652  zum  Katholizismus  übergetreten  war  - 
bald  nach  seinem  Regierungsantritt  seine  erste  Sorge  zugewandt.    Er  ließ 
sie    neu   dekorieren    (1667)    und    unter   dem    Chore   eine    Gruft   anlegen. 
(Näheres  über  die  Schloßkirche  siehe  weiter  unten.) 

Johann  Friedrich  wurde  1679  auf  seiner  fünften  Italienreise  vom  Tode  Ernst  August 
ereilt.  Sein  Nachfolger,  Herzog  Ernst  August  —  bis  dahin  Bischof  von 
Osnabrück  und  durch  die  Pracht  seiner  dortigen  Hofhaltung  weithin 
bekannt  — ,  nahm  sofort  die  Vollendung  der  von  seinem  Bruder  ange- 
fangenen Bauten  in  die  Hand.  -  -  Die  Schloßkirche  gab  er  am  7.  Mai  dem 
lutherischen  Gottesdienste   zurück.  In  den  Jahren   1680 — 85  ließ  er 

durch  Brand  Westermann  und  Sartorio  die  älteren,  von  Georg  Wilhelm 
erbauten,  wie  die  unter  Johann  Friedrich  hinzugekommenen  Schloßteile 
mit  einem  Aufwand  von  26700  Talern  umbauen.  1685 — 89  ist  dann 
der  große  Saal  --  der  Rittersaal  --  mit  Stuckarbeiten  durch  Dossa  Grana 
und  Perinetti  ausgeschmückt.  Die  Gemälde  entstanden  teils  außerhalb, 
teils  wurden  sie  in  Hannover  gemalt.  Die  Höhe  der  Ausgaben  für  die  mit 
„Flickarbeiten"  und  „sonstige  Arbeiten  bei  Hofe"  bezeichneten  Unter- 

265 


Leineschloß 

nehmungen  in  dieser  Zeit  läßt  darauf  schließen,  daß  die  alten  Fachwerk- 
bauten  teilweise  in  massiver  Ausführung  hergestellt  wurden.  Einzelne 
Gebäudeflügel,  welche  schon  in  Benutzung  genommen  waren,  scheinen 
erst  später  bei  Gelegenheit  „in  Putz  gesetzt"  zu  sein  (Schuster,  a.  a.  0., 


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Abb.  176.     Hannover;    Leineschloß,   Grundrißplan   z.  Z.   Johann  Friedrichs  mit   einem  Aufrißentwurf 
für  die  Leinstraßenfront.     Staatsarch.,  Karten  IV,  B.  4. 

Abb.  176  S.  34).  Ein  bisher  unbekannter  Grundriß  des  Schlosses  im  Staatsarchiv, 
der  in  diese  Zeit  datiert  werden  muß,  unterscheidet  die  in  Fachwerk  be- 
stehenden Schloßteile  von  der  massiv  zu  erbauenden  Front  an  der  Lein- 
straße. Er  gibt  im  Aufriß  einen  Vorschlag  zu  einer  Ausbildung  dieser 
Front  symmetrisch  in  bezug  auf  ein  Mittelrisalit,  in  dem  die  Schloßkirche 
unterzubringen  gedacht  war. 

Seit  Herzog  Johann  Friedrich  die  Bebauung  des  dritten  Schloßhofes 
unternommen  hatte,  trat  das  Problem  einer  ,,  Schloßfreiheit"  auf,  insofern 


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Leineschloß 

es  galt,  die  auf  dem  Werder  gegenüber  dem  neuen  Schloßflügel  be- 
stehende kleine  Kolonie  von  42  Häusern  ,,up  den  Specken",  die  zwei 
enge  Gassen  umfaßte,  zu  beseitigen.  Ernst  August  ließ  sie  auf  seine 
Kosten  abbrechen  und  durch  Brand  Westermann  1680 — 82  an  der 
durch  Zuschüttung  eines  Teiles  des  Stadtgrabens  gewonnenen  ,, Neuen 
Straße"  wieder  errichten. 

Wie  unter  Ernst  August  die  allmähliche  Ersetzung  der  älteren  Fach- 
werkteile des  Schlosses  ihren  Fortschritt  nahm,  ergibt  sich  daraus,  daß  er 
bald  nach  der  Freilegung  des  Platzes  vor  der  Südfront  des  Schlosses,  in 
den  Jahren  1685 — 87,  das  Mittelrisalit  mit  dem  Tordurchgang  und 
einen  Neubau  der  Brücke  über  die  Leine  herstellen  ließ.  Zur  Gründung 
dieser  Bauten  mußte  das  Leinebett  durch  Abdämmen  oberhalb  der  Mühlen 
trockengelegt  werden. 

Die  in  einem  Bogen  aus  Sandstein  gespannte  Brücke  ist  —  wahrschein- 
lich nach  Plänen  von  Sartorio  —  1686  von  Crotogino,  Heinsohn  und 
dem  Steinhauer  Fehr  ausgeführt  (Ms.  des  Gammersecret.  Meier  im  Stadt- 
archiv). Eine  Abbildung  etwa  aus  dem  Jahre  1810  im  Stadtarchive  zeigt 
einen  Teil  davon;  die  Eckpfosten  des  schmiedeeisernen  Geländers  trugen 
danach    je  einen   Pinienzapfen  als  Bekrönung. 

Auf  die  Ausstattung  der  Wohnräume  — ■  so  wie  sie  nach  und  nach 
fertiggestellt  wurden  -  -  verwandte  Ernst  August  erhebliche  Mittel,  die 
oft  der  Hofjude  Leffmann  Behrens  vorschießen  mußte.  Tapeten  und 
Gemälde  wurden  meist  aus  Holland  bezogen. 

Nach  dem  Ankauf  des  Melchior  v.  Wintheimschen  Hauses  und  Grund- 
stückes, das  längs  des  südöstlichen  Schloßhofes  von  der  Leinstraße  bis  zum 
Flusse  durchreichte,  mittels  Kaufvertrages  vom  23.  Dezember  1687,  ließ 
Ernst  August  die  Umbauung  des  dritten  Schloßhofes  vervollständigen. 
Der  neue  Schloßflügel  galt  der  Unterbringung  des  Schloßopernhauses.  Die 
Bauausführung  wurde  so  schnell  gefördert,  daß  zu  Ende  des  Jahres  1689 
das  Theater  mit  einer  Aufführung  der  Oper  „Henrico  Leone"  eröffnet 
werden  konnte.  Der  Zuschauerraum,  halbkreisförmig,  mit  fünf  überein- 
anderliegenden Logenreihen  faßte  etwa  1300  Personen  (s.  die  weiter  unten 
folgende  Baugeschichte  des  Opernhauses). 

Über  die  weitere  bauliche  Ausgestaltung  des  Schlosses  während  der 
letzten  zehn  Lebensjahre  Ernst  Augusts  sind  wesentliche  Einzelheiten 
nicht  überliefert.  Als  der  Kurfürst  starb  (1698),  war  das  Leineschloß  im 
ganzen  fertig,  in  seiner  Baugeschichte  ist  ein  Abschnitt  erreicht. 

Um  die  Vorstellung  vom   Schlosse,  wie  es  damals  war,    zu    verdeut-  Beschreibung 
liehen,   stehen   nur  wenige  Abbildungen  oder  Pläne  zur  Verfügung.     Die  desZustandesum1698 
dem   Herzoge   Johann   Friedrich    um    1675    gewidmete    Descriptio    Han- 
noverae  des  Joh.  Joch.  Zeuner  enthält  zwei  Sepiazeichnungen  von  Teil- 
stücken der  Leinstraßenfront.    Bedecker  hat  sich  bemüht,  eine  Ansicht 

267 


Leineschloü 


268 


Leineschloß 

der  gleichen  Front  im  Zustande  vor  1688  zu  rekonstruieren  (Chronik, 
S.  621).  Die  frühesten  geometrischen  Aufnahmen  des  Schlosses,  die  uns 
erhalten  sind,  scheinen  lediglich  die  von  Joh.  Fr.  Jungen  1740  gefertigten 
Grund-  und  Aufrisse  zu  sein  (Staatsarchiv,  Schloßbauakte  und  Gmundener  Abb.  175  u.  177 
Archiv).  Die  von  Schuster  (a.  a.  0.,  auf  Tafel  1  und  2)  gebotenen  Grund- 
risse geben  den  Zustand  nach  1746.  Spätere  Zeichnungen  bei  den  Schloß- 
bauakten, so  von  Weinbrenner  und  Laves,  geben  Gelegenheit,  Einzel- 
heiten nachzuprüfen. 

Das  Äußere  des  Residenzschlosses  an  der  Leine  ist  seit  dem  Tode  des 
Kurfürsten  Ernst  August  -  abgesehen  vom  Kammerflügel,  über  den 
später  Näheres  zu  berichten  sein  wird  -  -  unverändert  geblieben  bis  zum 
großen  Umbau  durch  Laves. 

Die  gesamte  Schloßanlage  war  fast  durchweg  dreigeschossig,  wobei  Abb.  178 
der  Höhenunterschied  zwischen  der  Uferseite  und  dem  Hofgebäude  zu 
beachten  ist.  Sie  gruppiert  sich  um  drei  geschlossene  Höfe.  Haupthof 
war  von  Ursprung  her  der  mittlere:  hier  lag  leinewärts  der  Wohnflügel, 
der  südöstlich  mit  dem  Küchenrisalit  endete,  wo  in  den  Obergeschossen 
das  „Kleine  Theater"  sich  befand;  in  Symmetrie  dazu  war  am  anderen 
Ende  das  Risalit  an  der  Leinebrücke  mit  dem  Tordurchgang  vorgezogen. 

Der  Hauptzugang  zum  Schlosse  führte  dem  eben  erwähnten  gegenüber 
von  der  Leinstraße  auf  den  nordwestlichen  Schloßhof,  der  zwischen 
Kammerflügel  und  Regierungsgebäude  noch  einen  dritten  Zugang  hatte. 
Der  Mittelhof  war  mit  den  beiden  anderen  Höfen  mittels  zweier  Durch- 
fahrten in  Verbindung  gebracht:  die  eine  im  sogenannten  Klosterflügel 
unter  dem  Rittersaal,  die  andere  im  gegenüberliegenden  Flügel.  Auf  drei 
Seiten  war  dieser  Hof  mit  einer  Arkadenhalle  umgeben,  an  die  vierte 
grenzte  der  Schloßkirchenflügel. 

Die  Architektur  der  Schloßfront  an  der  Leine  zeigt  auf  der  vorher 
angeführten  Zeichnung  geputzte  Flächen,  Ecklisenen  von  Quadern, 
Fensterumrahmungen  und  Simse  in  Sandstein.  Die  Außenwand  des  Erd- 
geschosses scheint  durch  Teile  der  alten,  mit  Streben  reichlich  versehenen 
Stadtmauer  gebildet  zu  sein.  Die  Obergeschosse  —  besonders  das  zweite  — 
sind  sehr  hoch,  die  rechteckigen  Fenster  darin  zu  zweien  oder  zu  vieren 
gekuppelt.    Ein  flaches  Satteldach  mit  Lukarnen  deckt  den  Rau. 

Die  Risalite  erheben  sich  auf  den  geböschten  Uferkajen;  ihre  Erd- 
geschosse sind  mit  Quaderlisenen,  weiter,  rundbogiger  Mittelöffnung  und 
seitlichen  Rundbogennischen  ausgestattet.  In  den  beiden  Obergeschossen 
rechteckige,  von  Sandsteingewänden  umrahmte  Fenster,  darüber  ein 
Attikageschoß  mit  quadratischen  Lichtöffnungen  und  Zeltdach  mit 
Spitzenpfahl.  In  den  nordwestlichen  Winkel  des  Brückenrisalits  schmiegt 
sich  ein  achteckiges  Treppentürmchen  mit  niedriger  Haube. 

Am  alten  Kammerflügel,  bei  dem  die  Leinefront  sich  knickte,  bestand 
neben  dem  Leinetorturm  ein  Vorbau  von  drei  Geschossen,  das  1690  bis 

269 


Leineschloß 

1693  erbaute  städtische  Torwächterhaus;  es  verblieb  unverändert  in 
Fachwerk  und  halte  ein  Mansardendach  mit  Uhr-  und  Glockentürmchen, 
Daneben  befand  sich  ein  eingeschossiger  kleiner  Vorbau  -  -  später  als 
„Königl.    Lust-Häusgen"    bezeichnet  mit    Treppe    zum    Kajen.     Die 

Fenster  des  Kammerflügels  sind  meist  zu  vieren  gekuppelt.  Soweit  die 
kurfürstlichen  Gemächer  in  den  Gebäudeteil  hineinreichen,  sind  Fenster- 
höhen und  Dachansatz  dem  Wohnflügel  völlig  entsprechend.  Zeuner 
scheint  auf  seiner  Abbildung  (um  1675)  dem  Kammerflügel  ein  flaches 
Dach  mit  Balustrade  und  Vasenbekrönung  hofwärts  zu  geben. 

Längs  der  ganzen  Leinefront  ist  das  Ufer  durch  einen  Kajen  abge- 
stützt, auf  dessen  Krone  zwischen  Pfeilerchen  ein  mit  Grün  beranktes 
Gitterwerk  erscheint. 

In  der  Architektur  der  Leinstraßenfront  war  eine  Einheitlichkeit 
weniger  leicht  zu  erzielen.  Dem  unter  Johann  Friedrich  entstandenen,  an 
den  Chor  der  Schloßkirche  anschließenden  Gebäudeteil  war  das  Schloß- 
opernhaus (1689)  in  seinem  Äußeren  angeglichen.  Nur  das  überragende, 
gewalmte  Satteldach  hebt  es  dagegen  ab.  Auch  dieser  gesamte  Flügel 
zeigte  geputzte  Mauerflächen;  er  hatte  im  Erdgeschoß  schmalrechteckige 


Abb.  178.     Hannover;  Leineschloß,  Leinstraßenseite,  nach  Lithographie  von  Kretschmer  um  1840.    Dar- 
gestellt ist  der  Zustand  vor  1826. 


270 


Leineschloß 


Abb.  179.     Hannover;   Leineschloß,   „Palaty  Ducalis  Introitus".    Nach   Zeuners   Descriptio,    um  1675. 

Fenster  mit  gequaderter  Umrahmung  und  zwei  rundbogige,  entsprechend 
behandelte  Eingänge  mit  waagerechter  Simsverdachung.  Von  den  beiden 
Obergeschossen  war  das  zweite  besonders  hoch.  Die  unprofilierten  Fenster- 
umrahmungen bestanden  auch  hier  aus  Sandstein.  Über  das  Hauptsims 
hinaus  erhoben  sich  vier  je  zweiachsige  Dacherker  mit  mittelflachen  Drei- 
ecksgiebeln, Volutenanläufen  und  Vasenbekrönungen.  Dazwischen  er- 
scheinen noch  je  zwei   Gauben. 

Die  alte  gotische  Schloßkirche  war  ebenfalls  in  Putz  gesetzt;  die  Tür 
und  die  Fenster  hatten  barocke  Umrahmungen  erhalten.  Der  Rücksprung 
des  Chores  war  schon  unter  Johann  Friedrich  ausgeglichen  durch  einen 
eingeschossigen  Zwischenbau  mit  Balustradenbekrönung. 

Das  Hofportal,  von  dem  Zeuner  die  älteste  Abbildung  bringt,  gehört  Abb.  179 
vielleicht  in  die  Zeit  Christian  Ludwigs:  es  ist  eine  rundbogige  Durch- 
fahrt zwischen  zwei  schwach  vortretenden  Pilastern  in  Quaderarchitektur. 
Darüber  ein  zweigeschossiger  Volutengiebel,  der  eine  nicht  ausgefüllte 
Wappentafel  mit  Löwen  als  Wappenhaltern  und  in  der  Bekrönung  ein 
Medaillon  —  vermutlich  mit  Inschrift  —  enthält.  Diese  Architekturformen 
sowohl  wie  die  des  älteren  Teiles  des  Opernhausflügels  können  schwerlich 
dem  Hieronymo  Sartorio  zugeschrieben  werden,  obwohl  dieser  seit  1667 
bereits   in   herzoglichen   Diensten  stand. 

Neben  dem  Tore  befindet  sich  rechts  eine  schmale  Auslucht  für  das 
innerhalb  des  Hofes  an  die  Mauer  angebaute,  eingeschossige  Wachgebäude. 
Die  Aufnahmen  von  1740  zeigen  links  symmetrisch  angeordnete  Räume 
und  in  der  Mauer  Lichtöffnungen  mit  den  Umrahmungen,  die  für  die  Zeit 
Sartorios  und  Brand  Westermanns  bezeichnend  sind. 


271 


Leineschloß 

Das  den  nordwestlichen  Abschluß  des  Hofes  bildende,  im  Grundriß 
unregelmäßige  Regierungsgebäude  war  allein  unter  den  Hofgebäuden 
zweigeschossig.  Es  bestand  aus  dem  1642  als  Wohnung  des  Hof- 
marschalls erworbenen  Eckhause  und  war  1668  erweitert  worden  durch 
Zukauf  der  beiden  letzten  Häuser  an  der  Schuhstraße.  Wahrscheinlich 
wurde  das  Ganze  zu  Ernst  Augusts  Zeiten  hinsichtlich  der  Außen- 
architektur in  Übereinstimmung  mit  dem  Kammerflügel  gebracht. 

Über  die  Grundrißaufteilung  des  Schlosses  und  die  Verwendung  der 
Räume,  die  seit  1714  bis  zur  französischen  Resetzung  wegen  der  Abwesen- 
heit des  Hofes  nur  unwesentlichen  Veränderungen  unterlegen  hat,  unter- 
richtet eine  bei  den  Schloßbauakten  sich  findende  „Allerunterthänigste 
Erläuterung  über  die  in  den  Grund-Rissen  vom  Königl.  Residentz-Schlosse 
in  Hannover  bemerckte  Nummern".  Sie  stammt  zwar  erst  aus  dem  Jahre 
1763:  ihre  Nummergebung  folgt  aber  mit  geringer  Verschiebung  dem 
Gange  der  Zählung  auf  dem  Jungenschen  Plane  von  1740,  so  daß  auch 
wohl  für  die  Zeit  unmittelbar  nach  Ernst  August  sich  die  gleiche  Ver- 
wendung der  Räume  annehmen  läßt.  Tabula  III  behandelt  die  hier  am 
meisten  erwähnenswerte  „Erste  Hauptetage",  beginnend  mit  der  Galerie 
bei  der  vom  Mittelhof  des  Leineflügels  emporführenden  Haupttreppe  und 
bezeichnet  Raum  für  Raum,  im  Sinne  des  Uhrzeigers  zählend:  nach  der 
Galerie  zwei  Räume  des  Corps  de  Garde,  vier  Räume  als  „erste  Vor- 
Cammer  Sr.  Kgl.  Majestät",  dann  „Sr.  Majestät  Schlaff-Cammer  und 
Cabinette".  Der  Theaterflügel  an  der  Leinstraße  beherbergt  die  Apparte- 
ments für  die  Prinzessinnen.  Der  Klosterflügel  —  abgesehen  vom  Ritter- 
saal —  und  die  noch  übrigen  Räume  leinewärts  waren  auswärtigen  Familien- 
mitgliedern bestimmt  („churländische  Cammern  und  Appartements  des 
Königs  und  der  Königin  von  Preußen").  Im  zweiten  Obergeschoß  lagen 
von  der  Treppe  rechts  die  Zimmer  der  Königin,  bis  in  den  Kammerflügel 
hinreichend.  Die  Mansarde  endlich  war  „bis  1714  zu  logierung  der  zum 
Chur-Printzlichen  Hofstaat  gehörigen  Hof-Dames,  Cammer-  und  Gar- 
derobe-Bedienten gebraucht". 

Weitere  Bau-  Ernst  Augusts  Sohn  Georg  Ludewig,  der  fürstliche  Prachtentfaltung 
geschichte  bis  Laves  njcht  minder  als  sein  Vater  liebte,  ließ  zur  Vervollständigung  der  Innen- 
dekoration weitere  große  Aufwendungen  machen:  Gobelins,  Gemälde  und 
Tapeten,  meist  nach  Entwürfen  von  Palletta  und  holländischen  Malern 
durch  die  Manufacturiers  in  Hameln  gefertigt,  wurden  angeschafft.  Nach 
Schusters  Vermutung  hat  Dossa  Grana,  obzwar  er  damals  aus  dem  Hof- 
dienste schon  ausgeschieden  war,  bei  Stukkaturen  im  Schlosse  mitgewirkt. 
Alle  rein  baulichen  Arbeiten  lagen  in  der  Hand  der  Bauschreiber  Brand 
Westermann  und  Hentze,  unter  denen  der  Maurermeister  Joseph  Crotogino 
arbeitete.  Die  Direktion  des  Bauwesens  hatte  seit  1708/09  der  Graf 
de   Quirini. 

272 


Leineschloß 

Abgesehen  von  der  fortschreitenden  inneren  Ausstattung  und  einer 
Ausbesserung  der  Schloßkirche  sind  bis  zum  Tode  Georg  Ludewigs  (1727) 
zur  Baugeschichte   des    Schlosses  wichtige   Daten   nicht   zu   verzeichnen. 

Das  ehemalige  Stadtpforthaus  neben  dem  Leintorturm  wurde  1739, 
dieser  selbst  1741  angekauft  (Verm.-Verw.,  Akt.  d.  O.  H.  M.  A.,  Repert.  2, 
Seite  255). 

Der  Kammerflüge]  brannte  1711  nieder,  und  mit  ihm  wurden  die  Akten  Kammerfitsgei 
und  Zeichnungen  vernichtet,  die  gerade  ihn  betrafen. 

Der  seit  1737  als  Architekt  an  Stelle  von  Reelz  angenommene  Hof- 
architekt Johann  Paul  Heumann  hat  sogleich  nach  der  Zerstörung  des 
Flügels  seine  Entwürfe  zum  massiven  Wiederaufbau  vorgelegt,  z.  B.  den 
in  Abb.  180  wiedergegebenen.  (Staatsarch.  Hnvr.,  Des.  92  VII.  IV.  Nr.  19.)  Abb.  iso 
1  )iese  Entwürfe  wurden  nach  Paris  zur  Begutachtung  geschickt.  Ein  Bericht 
darüber  vom  9.  März  1712,  von  dem  eine  Abschrift,  jedoch  ohne  Namens- 
unterschrift, bei  den  Akten  vorhanden  ist,  sagt  aus,  daß  die  Pläne  von 
„mehreren  berühmten  französischen  Architekten"  durchgesehen  seien.  Der 
Pariser  Gegenvorschlag,  derauf  einen  Schüler  Robert  de  Gottes  (gest.  1736) 
schließen  läßt  und  gegenüber  dem  Heumannschen  Fassaden-Entwurf  gleich 
hohe,  durch  Gurtsimse  bezeichnete  Geschosse,  Mansardendach  und  Gaupen- 
reihen, in  den  Risaliten  reichere  Ausbildung  vorsah,  wurde  vom  Könige  ange- 
nommen, obwohl  er  den  Höhenunterschieden  des  Geländes  an  der  Leine 
und  am  Schloßhofe  nicht  Rechnung  trug.  Dazu  wurde  der  Grundriß 
Henmanns  zur  Ausführung  befohlen.    Um  die  Höhenunterschiede  auszu- 


II  r  r  rrri 


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Abb.  ISO.     Hannover;  Leineschloß,  Entwurf  von  .1.  1'.  [-leumann,  „Face  des  neu  zu  erbauenden  Schloß- 
flügels an  der  waßer  Seile".    Staatsarch.,  Schloßbauakte, 


18 


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Leineschloß 

gleichen,  mußte  Heumann  nun  die  Hauptverhältnisse  des  Pariser  Ent- 
wurfes opfern,  so  daß  nur  seine  Einzelheiten  beibehalten  blieben*). 

Der  Neubau  war  1716  fertiggestellt  und  nahm  die  Geschäftsräume  des 
Kammer-Kollegiums  auf.  Seitdem  blieb  die  äußere  Gestalt  des  Schlosses 
unberührt  bis  zum  Auftreten  von  Laves  1816.  Nur  hat  1796/97  Ben- 
jamin Hase,  zweiter  Hofbaumeister  seit  17.S2,  die  Seitenfront  des  Kammer- 
gebäudes, wo  der  Leintorturm  seiner  Baufälligkeit  wegen  niedergerissen 
werden  sollte,  nach  Maßgabe  der  anderen  Fronten  hergerichtet. 

Zur  Zeit  der  französischen  Landesbesetzung  (1803 — 10)  bewohnten 
wechselnd  französische  Befehlshaber  und  Offiziere  das  Schloß.  Die  Be- 
gierung  Jeromes  machte  es  durch  ein  Dekret  vom  10.  September  1810  mit 
Ausnahme  des  Opernhauses  zur  Kaserne  für  3000  Mann  und  überwies  es 
der  Stadt  Hannover  als  vorgebliches  Geschenk.  Der  Magistrat  gab  es  1814 
dem  Oberhofmarschallamte  zurück.  Nach  1814  diente  das  Schloß  zunächst 
alliierten  Truppen  zur  Unterkunft.  Dann  erhielten  verschiedene  königliche 
Kollegien  und  einige  Hofdienststellen  darin  ihre   Geschäftsräume. 

Die  Verwendungsart  im  letzten  Jahrzehnt  bedeutete  für  die  meisten 
der  Bäume  die  Zerstörung,  und  jedenfalls  ist  das  gesamte  Mobiliar  dabei 
vernichtet  worden. 

Es  liegen  —  wahrscheinlich  in  das  Jahr  1802  zu  datieren  --  Pläne  von 
Fr.  Weinbrenner  zur  Ausgestaltung  der  Pforte  und  Wache  an  der  Lein- 
.\bb.  i8i  straße  vor  (Staatsarchiv,  Des.  92  VII.  IV.  19.  Weinbrenner  hielt  sich  1802 
vorübergehend  in  Hannover  auf).  Die  Wache  wurde  erst  1814  restauriert 
und  wieder  bezogen.  1815  erhielten  die  provisorisch  eingesetzten  Stände 
im  Schlosse  Geschäftsräume  zuerteilt.  1817  wies  man  den  Garderegi- 
mentern einige  Räumlichkeiten  als  Messe  zu. 

Laves  Inzwischen  hatten  seit  Anfang  1816  Untersuchungen  eingesetzt  über 
eine  Wiederherstellung  des  Schlosses  oder  einen  Neubau.  ,,Man  kam  darin 
überein"  --  so  schreibt  v.Malortie  (Beiträge,  3.  Heft,  S.  189  ff.)  — ,  ,, daß  der 
Flächeninhalt  hinreichend  sei,  um  allen  Erfordernissen  der  Besidenz  zu 
entsprechen;  nur  mußte  man  zugeben,  daß  die  Lage  an  sich  sehr  beschränkt 
sei,  indem  sie  Theils  durch  den  Leinefluß,  Theils  durch  enge  Straßen  und 
Häuser  begrenzt  werde".  Es  sei  also  zweifellos  gewesen,  daß  der  Neubau 
eines  Schlosses  in  allen  Beziehungen  vorzuziehen  gewesen  sein  würde,  doch 
habe  man  nicht  geglaubt,  die  Kosten  sowohl  anschaffen  als  verantworten 
zu  können. 

Da  auf  jeden  Fall  die  Bestaurierung  und  der  Ausbau  des  alten  Schlosses 
unumgänglich  war  und  an  sich  schon  bedeutende  Kosten  verursachen 
würde,  so  entschied  man  sich  1816  für  die  Wiederherstellung  und  ließ  den 
Plan  eines  Neubaues  fallen,   für  den   Laves  das    Gelände  zwischen  dem 


*)  Vgl.  Bleibaum,  Bildschnitzerfamilien,  S.  238. 
274 


Leineschlof.i 

Clevertore  und  dem  Anfange  der  Herrenhäuser  Allee  vorgesehlagen  halte. 
Ausschlaggebend   war  bei   diesem   Entschlüsse   das    Gutachten    des   kur- 


■    ■■ 


-P — P — c 


Abb.  181.     Hannover;    Leineschloß,    Entwurf    von    F.  Weinbrenner   zur   Um- 
gestaltung des  Schloßeinganges  an  der  Leinstraße.   Staatsarch.,  Schloßbauakte. 

Mappe   1. 


hessischen  Oberbaudirektors  Jussow  in  Kassel  gewesen,  des  Lehrers  und 
Oheims  von  Laves*). 


*)  lcSKi.  „Jussow  ist  sondiert,  ob  er  bereit  sei,  die  Anfertigung  eines  Planes  zur 
Wiederherstellung  zu  übernehmen";  hat  zugesagt.  Sein  Neveu,  der  Hofbauverwalter 
Laves,  ist  bei  Vorarbeiten  zur  Entwerfung  dieses  Planes  (4.  3.  l<Sl(i).  Jussow  bittet, 
seine  Beurlaubung  von  Kassel  zu  erwirken:  er  ist  dann  vierzehn  Tage  im  Mai  in 
Hannover  gewesen.     (Akt.   d.  O.-Hof-Bau-Dep.   1816.) 


k275 


Leincschloß 

Als  1816  die  Risse  zur  Restauration  des  Königlichen  Schlosses  ent- 
worfen wurden,  war  es  zu  besonderer  Bedingung  gemacht,  daß  neben 
Beibehaltung  vieler  Teile  des  Schlosses*)  „vorzüglich  die  Kirche,  der 
Cammerflügel  und  das  Theater  stehenbleiben"  sollten.  (Laves,  in  einem 
Schreiben  vom  21.  Januar  1826  an  den  Vizekönig;  Schloßbauakte,  Des. 
Hannover  118). 

Die  Wiederherstellungsarbeiten  begannen  unter  Laves  im  Jahre  1817 
mit  dem  Abbruch  und  Neuaufbau  des  zuletzt  als  Kaserne  für  die  Artillerie 
benutzten  Leineflügels  nach  dem  Vorbilde  des  Heumannschen  Kammer- 
Hügels.  Der  erste  Sockelquader,  der  einen  Bleikasten  mit  Urkunden  und 
Nachrichten  über  den  Schloßbau  enthält,  wurde  am  30.  September  1817 
gelegt.  Für  die  Gestaltung  der  Leinstraßenfront  scheinen  im  weiteren 
Verlaufe  der  Arbeiten  außer  Laves  auch  fremde  Architekten  herangezogen 
zu  sein.  (Schon  früher  hatten  Weinbrenner  und  Krähe  Gutachten  ab- 
gegeben; s.  v.  Alvensleben,  Herrenhausen,  S.  151,  Anm.  40.)  Die  Entwürfe 
hierzu  nehmen  den  Gedanken  einer  symmetrischen  Ausbildung  der  Front 
wieder  auf,  der  schon  unter  Johann  Friedrich  aufgetreten  war;  sie  wollen 
die  Schloßkirche  hinter  einem  Mittelbau  verbergen,  an  den  sich  symme- 
trisch ausgebildete  Flügelbauten  mit  Eckrisaliten  anschließen,  so  daß  also 
die  Leinstraßenfront  des  nordwestlichen  Schloßhofes  in  die  Bebauung 
einbezogen  zu  denken  ist.  Am  21.  Januar  1826  erst  reichte  Laves  einen 
Entwurf  ein,  der  die  Symmetrieachse  weiter  südostwärts  in  eine  besondere, 
Abb.  182  große  Portikusanlage  von  sechs  korinthischen  Säulen  verlegt  und  damit 
eine  Begradigung  der  Fluchtlinie  und  Ausdehnung  der  Front  gegen  die 
Mühlenstraße  über  das  Opernhaus  hinaus  vorsieht.  Diese  Planung  ergab 
sich  im  Zusammenhange  mit  dem  1825  unternommenen  Abbruch  der 
Schloßwache  und  des  alten  Regierungsgebäudes,  der  den  ersten  Schloßhof 
freilegte.  Gegen  die  Wiederbebauung  dieses  Hofes  macht  Laves  in  dem 
Begleitschreiben  zu  seinem  Entwürfe  die  Gründe  geltend**).  Im  Monat 
darauf  erbaten  übrigens  auch  die  Hausbesitzer  der  Nachbarschaft  in  einer 
Petition,  die  Wiederbebauung  zu  unterlassen. 

*)  In  einem  Schreiben  des  Prinzregenten  Georg  an  das  O.-Hof-Bau-Dep., 
Carlton-Housc,  3.  Dez.  1816  (Schloßbauakte)  heißt  es,  „Wir  haben  Uns  .  .  vor  der 
Hand  entschlossen,  das  vorhandene  Schloß  nicht  nur  wiederherstellen,  sondern  durch 
die  Zufügung  einiger  Flügel  und  Wegräumung  der  verfallenen  Theile,  demselben  so 
viel  es  das  loeale  gestattet,  eine  bessere  äußere  Gestalt  und  zweckmäßige  innere 
Einrichtung  geben  zu  lassen.  Wir  haben  daher  hierselbst  neue  Plane  durch  den  Hof- 
bau-Meister Laves  entwerfen  lassen,  von  welchen  euch  ein  Exemplar  von  Uns 
signiert  hiebey  zugeht  .  .  .  ." 

**)  In  der  Erläuterung,  die  Laves  seinen  Plänen  beifügte  (21.  1.  182o),  heißt  es: 
„damit  nun  die  neue  Schloß  Fa<;ade,  deren  Mitte  durch  sechs  Corinthische  Säulen 
ausgezeichnet  gehörig  hervortrete,  so  ist  ...  .  erforderlich,  daß  zur  Symmetrie  des 
durch  den  Abbruch  des  alten  Regierungsgebäudes  entstandenen  Platzes  ein  ähn- 
licher an  der  entgegengesetzten  Seite  bis  zur  Mühlenstraße  geschaffen  werde".    Es 

276 


Leineschloß 

Die  Lavesschc  Entwurf-Fassung  zur  Herstellung  einer  symmetrischen 
Fassade  an  der  Leinstraße  wurde  zwar  1826  genehmigt,  aber  die  Aus- 
führung verzögerte  sich,  weil  wiederum  die  Bedenken  hervortraten,  ob  der 
Raum  für  die  königlichen  Wohnappartements  und  für  die  Repräsentation 
hinreichen  werde.  Wegen  der  größeren  Zuständigkeit  in  diesen  Fragen 
unterstellte  man  den  Bau  im  Jahre  LS27  der  Leitung  des  Oberhof-Marschall- 
amtes, während  sie  bisher  vom  Hofbau-  und  Garten-Departement  wahr- 
genommen war. 

Die  empfindliche  Beengtheit  der  Lage  ließ  Laves  immer  wieder  auf 
Vorschläge  zur  besseren  städtebaulichen  Erschließung  des  Residenz- 
schlosses sinnen.  Er  plant  schon  1826,  nachdem  der  erste  Schloßhof  durch 
den  Abbruch  des  Regierungsgebäudes  ein  offener,  mit  „Grillen"  abge- 
grenzter Außenhof  (1827  ausgeführt)  geworden  war  --  als  Abschluß  waren 
zuerst  poteaux  und  Lindenbäume  gedacht  gewesen  — ,  nicht  nur  eine  gerade 
Straße  längs  des  Hohen  Ufers  bis  zum  Schnittpunkt  mit  der  Langen  Laube 
(bei  der  Südwestecke  des  Friedhofes),  sondern  dachte  auch,  mittels  einer 
geraden  Straße  die  Altstadt  längs  der  Nordseite  der  Marktkirche,  Seil- 
winder- und  Packhofstraße  zu  queren,  um  beim  alten  Fackhof  einen 
zweiten  Schnittpunkt  mit  dem  Straßenzuge  nach  Herrenhausen  zu  er- 
reichen, der  ebenso  wie  der  erste  als  kreisförmiger  Schmuckplatz  aus- 
gestaltet werden  sollte.  Dem  freigelegten  ersten  Schloßhofe  sollte  an  der 
Mühlenstraße  bei  den  Mühlen  ein  Schloßplatz  entsprechen  in  Form  eines 
Hufeisens,  dessen  Bogen  in  der  Mittelachse  südwärts  geöffnet  gedacht 
war.  Die  den  Schloßplatz  beiderseits  umschließenden  Gebäude  -  links 
ein  Kollegiengebäude,  rechts  ein  das  Opernhaus  verkleidender  Bau  mit 
säulengetragener  Unterfahrt  und  Eingang  zum  Opernhause  -  -  waren  mit 
symmetrischer    Fassadenausbildung    geplant.      Derartige    Entwürfe    be- 


folgt eine  Bemerkung  über  Haufälligkeit  und  Unansehnlichkeit  der  fünf  herrschaft- 
lichen Häuser  neben  dem  Schloßopernhause.  „Die  Aufmerksamkeit  des  Beschauers 
würde  nach  Ausführung  des  Vorschlages  auf  den  Porticus  gezogen.     -  Die  kleinen 

Häuser  an  der  Schloßstraße  können mit  neu  verbesserten  Faqaden  versehen 

werden".  Die  Wache  sei  angelegt  neben  der  Kirche  Zugang  mit  vier  dorischen 
Säulen.  In  Ansehung  der  inneren  Einrichtung  des  Schlosses  sei  zu  bemerken:  der 
Haupteingang  sei  unmittelbar  an  der  Straße.  „Man  gelangt  mittels  40  Fuß  breiter 
Treppe  zur  Belle  Etage  in  ein  geräumiges  Vestibüle.  Zugleich  liegt  neben  dem 
Porticus  auf  der  einen  Seite  die  Einfahrt  sowohl  zum  Hofe  als  zum  Bez  de  Chaussee. 
Auf  der  anderen  Seite  verhindert  die  Kirche  eine  solche  Zufahrt."  Die  Folge  der 
Zimmer  in  der  Beile-Etage  werde  nur  wenigen  Abänderungen  unterliegen.  Günstig 
sei  die  Lage  des  Thronzimmers  für  die  Erreichung  durch  den   Konig. 

Die  Kirche  werde  um  ein  Stück  vom  Fond  des  Chores  gekürzt.  Die  Faqade 
richte  sich  nach  dem  vorherrschenden  Style  der  Architektur,  wodurch  die  hohen 
Fenster  in  zwei  Beinen  zu  verfließen  annehmlicher  erscheine. 

Es  scheine  zur  Zeit  nicht  möglich,  eine  mehr  ausgezeichnete  Architektur  zur 
Hauptansicht  in  Vorschlag  zu  bringen.  Die  Lage  der  Kirche  auf  der  einen,  des 
Cammerflügels  auf  der  anderen   Seite  sei  ein  Hindernis  gewesen. 

277 


Leineschloß 


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Abb.  182.    Hannover;  Leineschloß,  Entwurf  von  Laves  für  die  Leinstraßenfront;  182fi. 


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Abb.   1H:{.    Hannover;   Leineschloß,   Entwurf  der  Leinstraßenfassade  mit  der  Überbrückung   zwischen 
Schloß  und  Altem  Palais  von  Laves  (Schloßbauakten).     Phot.  Prov.-Mus. 


278 


Leineschloß 

schäftigten  Laves  seit  1<S2(S  und  noch  1828.  Im  Jahre  1820  plante  er  auch 
die  Umgestaltung  der  Esplanade  südwärts  des  Schlosses  zu  einem  Platze, 
auf  dem  das  Waterloo-Monument  als  Sichtziel  sich  erheben  sollte.  Von 
allen  Plänen  ist  nur  dieser  in  voller  Großzügigkeit  zur  Ausführung  ge- 
kommen.   Zu  verzeichnen  sind  an  dieser  Stelle  auch  die  Lavesschen  Ent- 


Abb.  184.     Hannover;  Leineschloß,  Front  am  Flusse  mit  dem  Pavillon.     Phot.  M.  15.  A.,  1928. 


würfe  für  einen  Säulengang  als  Verbindung  zwischen  dem  Leineschloß  und  Abb.  is:5 
dem  Alten  Palais  an  der  Leinstraße. 

Am  1.  Mai  1830  legte  die  Schloßbaukommission  endgültige  Pläne  über 
die  Ausführung  aller  Schloßfassaden  vor,  die  gegenüber  den  Plänen  von  Abb.  185 
1820  kleine  Veränderungen  an  der  Leinstraße  und  für  die  Südfront  einige 
bemerkenswerte  Veränderungsvorschläge  bringen,  insofern  der  Südostteil 
mit  einer  auf  dem  Uferkajen  sich  erhebenden  Säulenhalle  und  einem  Mittcl- 
risalit,  für  das  verschiedene  Fassungen  vorliegen,  geplant  war.  Ausgeführt  Abb.  ist 
ist  nur  der  Pavillon  mit  dem  Wintergarten. 

279 


Leineschloß 


Die  Entscheidung  über  die  Lavesschen  Vorschlüge  legte  der  König 
Wilhelm  IV.  1<S,'3Ü  in  die  Hand  dos  Herzogs  von  Curaberland  und  seiner 
Gemahlin    Friederike.     Sic    entschieden    im    Grundsätzlichen,     daß    zur 


Abb.  is.">.    Hannover;  Leineschloß,  „Perspektivische  Ansicht  des  Königlichen  Schlosses  mit  einer  Unter- 
fahrt an  der  Lein-Straße  zu  Hannover",  signiert  von  Laves.     I'hot.  Prov.-Mus. 

Repräsentation  der  Schloßbau  fortzuführen  sei,  während  zur  Wohnung 
das  gegenüberliegende  vizekönigliche  Palais  an  der  Leinstraße,  und  als 
Sommerresidenz  das  Schloß  in  Herrenhausen  dienen  sollte. 


2S0 


Leineschloß 

Die  Bauausführung  ging  daraufhin  1831  mit  erhöhtem  Eifer  weiter. 
Die  Leinstraßenfront  bei  der  Wache  wurde  noch  im  gleichen  Jahre  fertig; 
der  Portikus  war  1833  vollendet.  Abb 

Das  Obergeschoß  diente  seit  1831  als  Kaserne  und  beherbergte  die 
Messen  der  Garderegimenter.  1834  konnte  das  zweite  Obergeschoß  zu 
Festlichkeiten  benutzt  werden;  auch  Kunstausstellungen  veranstaltete 
man  in  einigen  der  Räume. 


ISCi 


Abb.  186.    Hannover;  Leineschloß,  Portikus  an  der  Leinstraße.    Druckstock:  Stadt.  Verk.-Amt. 

Der   Innenausbau   der   Schloßkirche   erstreckte   sich   durch   die   Jahre 
1831  bis  1839. 

Für  die  Lavessche  Schloßrestauration  wurden,  wie  v.  Malortie  sagt 
(Btr.,  Heft  3,  S.  192),  nur  einheimische  ouvriers  herangezogen.  Bändel 
erhielt  Aufträge  für  plastischen  Schmuck.  Im  Tanzsaale  schuf  er  die  Abb,  i87/so 
Hochreliefs  mit  den  neun  überlebensgroßen  Musen,  Terpsichore  in  der 
Mitte;  in  der  Schloßkirche  die  Rundreliefs  aus  Christis  Lebensgeschichte. 
Von  auswärts  holte  Laves  den  Historienmaler  Jacobs  aus  Gotha  heran 
(s.  Hausmann,  Erinnerungen,   S.  140). 


281 


Leineschloß 

\i>i>.  igo  Die  Freilegung  des  nach  der  Königin  benannten  Platzes  südwärts  des 
Schlosses  lallt  in  das  letzte  Lebensjahr  Friederikes,  1841,  und  fand  1847 
ihren  Abschluß^ 

Abb.  i9i  1(S11  war  der  Hau  des  Schlosses  bis  zum  Theaterflügel  gediehen.  Der 
Weiterbau  des  symmetrisch  zum   Schloßkirchenflügel  auszugestaltenden 


Abb.    IST.      Hannover;    Leineschloß,     Schloßbrücke    mit 
Eisengußgeländer  und  Kandelaber  von  Laves,  l'hol.  l!)i:j. 


Gebäudeteiles  wurde  LS  11  eingestellt,  weil  die  Fortsetzung  desselben  den 
Abbruch  des  alten  Theaters  erforderlich  gemacht  haben  würde  und  vom 
Könige  beschlossen  war,  zuvor  ein  neues  Theater  zu  errichten. 

Inzwischen  wurde  der  Abbruch  der  auf  dem  Platze  stehenden  Privat- 
gebäude --  dabei  das  „Haus  der  Väter"  (1852)  —  bis  LS53  durchgeführt. 

Das  neue  Theater  auf  dem  Windmühlenberge  an  der  Georgstraße  ging 
zum  September  1852  seiner  Eröffnung  entgegen,  so  daß  aufs  neue  an  den 
Abbruch   des  Opernhausflügels  und   die  Weiterführung  des   Schloßbaues 

282 


Abb.  188.     Hannover;  Leineschloß,  Tanzsaal.     Pliot.  1005. 


Abb.  180.     Hannover;  Leineschloß,  Thronsaal.     Phot.  M.B.A.,  1028, 


283 


Leineschloß 

gedacht  werden  konnte.  Georg  V.  gab  auch  im  Juni  1852  Befehl,  einen 
Reservefonds  dafür  auf  das  Jahr  1853/54  bereitzustellen.  Nach  den  Ent- 
schließungen des  Königs  vom  .Jahre  1853  war  aber  der  Beginn  der  Bau- 
fortführung noch  in  längerer  Zeit  nicht  zu  erwarten.  (Schreiben  des  Ober- 
Hof-Marschalls  vom  22.  Juli  1853.)    Gleichwohl  wurde  1854  der  Abbruch 


Abb.  190.     Hannover;  der  Mühlen- (Friederiken-)  Platz.    Blick  zwischen  Leineschloß  und  Lyzeum  hin- 
durch um  1X30.    Nach  Aquarell  im  Stadtarchiv.     Druckstock:  IL  ('■. 


des  Opernhauses  vergeben  und  durchgeführt,  dann  die  „Aptierung"  des 
Platzes  bis   1 858  betrieben. 

Am  3.  November  1856  bekundet  der  König  die  Absicht,  das  Palais 
Monbrillant  abzubrechen  und  an  dessen  Stelle  ein  anderes  zu  erbauen.  Die 
Weiterführung  des  Schloßbaues  an  der  Leine  ist  damit  in  den  Hintergrund 
getreten. 

Das  Leineschloß  ging  nach  dem  Kriege  von  1866  in  die  Königlich 
Preußische  Verwaltung  über.  Den  Westflügel  pflegte  der  Prinz  Albrecht 
von  Preußen  zu  bewohnen. 


284 


Schloßkirche 

Der  junge  Herzog  Christian  Ludwig  weihte  am  10.  Juli  1642  die  ehe-  sciilosskirche 
nialige  Barfüßerklosterkirche  als  Schloßkirche  mit  dem  ersten  lutherischen 
Gottesdienst  ein.  Das  Gotteshaus,  das  zuletzt  als  Zeughaus  für  den  Rat 
gedient  hatte  und  durch  den  gottesdienstlichen  Akt  der  evangelischen 
Hofgemeinde  gewidmet  wurde  (Landersh.,  PI.  IV),  war,  wie  Redecker 
(Chron.,  S.  629)  angibt,  verkleinert  worden.  Man  hatte  vom  Schiffe  das 
äußerste   Jochsystem   im  Westen  zum  Palatium  hinzugezogen. 


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Abb.  191.     Hannover;   Leineschloß,    Grundriß   <U's  Brdgeschosses.    Aufnahme  von  litlo.     Stadtbauamt. 


Der  katholische  Herzog  Johann  Friedrich  zog  sogleich  bei  seinem 
Regierungsantritt  besonders  ausgezeichnete  Geistliche  für  die  Schloßkirche 
heran,  die  ihm  auf  seine  Bitte  beim  Papste  Clemens  IX.  aus  dem  Kapuziner- 
orden gestellt  wurden  und  auf  Befehl  des  Herzogs  eine  eigene  Kongregation 
zu  Hannover  bilden  sollten;  es  waren  je  zwei  Deutsche,  Engländer,  Fran- 
zosen und  Italiener,  dazu  zur  Bedienung  vier  Laienbrüder.  Sie  erhielten 
ein  Hospitium  an  der  Leinstraße  in  Verbindung  mit  dem  Chore  der  Kirche 
und  einen  Garten  mit  neuerbautem  Hause  (1667,  Abb.  bei  Zeuner)  vor 
dem  Agidientor  zugewiesen.  Die  Geistlichen  sollten  alle  Pfarrfunktionen 
versehen  und  unter  dem  1667  in  Hannover  errichteten  apostolischen 
Vikariate  stehen. 

Die  Schloßkirche  wurde  dem  katholischen  Gottesdienste  gewidmet 
und  demgemäß  umgebaut.  Unter  dem  Chore  ließ  Johann  Friedrich  eine 
Krypta  für  herrschaftliche  Begräbnisse  anlegen,  in  der  Anfang  1667  die 

28.") 


Leineschloß 

erste  Einweihungsmesse  zelebriert  werden  konnte.  Köcher  (Geschichte 
von  Hannover  und  Braunschweig,  Band  2,  Seite  39)  zitiert  einen  Brief 
Johann  Friedrichs  vom  12.  August  1666,  laut  dem  Bedogni  mit  dem  Umbau 
der  Schloßkirche  beauftragt  war*).  Ein  neuer  Altar  wurde  1669  geschaffen 
und  in  diesen  hinein  das  noch  jetzt  vorhandene  Gemälde  von  Lucas 
danach  eingelassen,  das  man  aus  der  Alexanderkirche  zu  Einbeck  ent- 
nommen hatte.  Der  ältere  Altar  soll  der  Neustädter  St.  Johanniskirche 
überwiesen  worden  sein  (so  Bedecker  und  Landersheimer,  PI.  IV).  Außer- 
dem stellte  man  zwei  Messealtäre  in  der  Schloßkirche  auf.  Die  Orgel  wurde 
ausgebessert**);  die  ersten  Aufführungen  von  Kirchenmusik  fanden  jetzt 
statt.  Um  den  Glanz  des  Gotteshauses  zu  erhöhen,  ließ  Johann  Friedrich 
den  1671  erworbenen  Reliquienschatz  des  Hauses  Braunschweig-Lüneburg 
der  Schloßkirche  überweisen;  ebenso  fand  das  wundertätige  Marienbild 
aus  Hainholz  hier  seinen  Platz. 

Der  Tod  des  Herzogs  am  28.  Dezember  1679  machte  dem  Bestehen 
der  Kapuziner-Kongregation  in  Hannover  ein  Ende;  die  Brüder  verließen 
am  7.  Mai  1680  die  Stadt.  Die  Trauerausstattung  der  Kirche  für  die 
Beisetzung  Johann  Friedrichs  ist  bemerkenswert;  bei  den  späteren  Bei- 
setzungen Ernst  Augusts  und  Georgs  I.  war  sie  ähnlich.  Die  Tumba  hatte 
der  Hofgoldschmied  Conrad  Hölling  verfertigt;  ein  Castrum  doloris  war 
in  der  Kirche  mit  kostbaren  Tapeten  und  kunstvollen  Gemälden,  welche 
die  Taten  des  Herzogs  verherrlichten,  darüber  errichtet,  in  dessen  Um- 
kreise 2000  Lichter  auf  kostbaren  Leuchtern  brannten.  Pater  Maternus 
hielt  die  zweistündige  Leichenpredigt  (s.  v.  Malortie,  „Der  Hannoversche 
Hof"). 

Der  evangelische  Gottesdienst  ist  durch  Ernst  August  am  27.  Juli  1680 
wieder  eingeführt  worden. 

Nach  einem  Brande  im  Jahre  1706,  bei  dem  besonders  die  Oigel 
gelitten  hatte,  ist  eine  umfassende  Ausbesserung  der  Kirche  durch  Brand 
Westermann  vorgenommen.  Thomas  Biedeweg  mußte  damals  32  durch 
den  Brand  beschädigte  Leuchter  ausbessern.  Ebenso  scheinen  1723/24 
Veränderungen  vorgekommen  zu  sein,  für  die  erhebliche  Summen  in  den 
Kammerrechnungen  verzeichnet  sind. 

Für  die  Veranschaulichung  des  Kircheninnern  um  die  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts  ist  eine  bei  den  Schloßbauakten  liegende  getönte  Feder- 


*)  Nach  neuen  Forschungen  von  J.  Studtmann  über  die  Geschichte  des  Kon- 
ventes (H.  G.  1929,  S.  111  ff.)  war  nach  Bedogni  auch  Sartorio  beauftragt  (a.  a.  O., 
S.   132). 

**)  Durch  den  Orgelbauer  Biermann  in  Springe.   Auch  ein  Spinett  für  die  Kirche 
wurde  angekauft.      (Studtmann,   a.   a.   O.,   S.   133.) 

286 


Schloßkirche 

und  Pinselzeichnung  von  Wert;  vermutlich  der  Entwurf  zu  einem  Gemälde,  Abb.  192 
das   die   Trauung  einer  zum   Hofe   gehörenden   Persönlichkeit   darstellen 
sollte.     Hier    sind    die    Seitenschiffe    großenteils    durch    zweigeschossige 
Priechen   gefüllt   angegeben,   davon   diejenigen   links   an    die   Pfeiler   des 


Abb.  1Ü2.    Hannover;    Schloßkirche   um  1750.    Nach   einer  getönten   Feder-    und  Pinselzeichnung 
auf  Papier,  Blatthöhe  75  cm,  im  Staatsarchiv,  Schloßhauakte,  Mappe  I.     Pliot.  1925. 


Mittelschiffes  nicht  heranreichend.  Die  Untergeschosse  der  Priechen  sind 
mit  Gobelins  verhangen.  Auch  auf  dem  Chor  sind  solche  verwandt. 
Die  Altarriickwand  schert  vom  Chor  den  hinteren  Teil  ab,  der  durch  zwei 
Türen  beiderseits  der  Mensa  zugänglich  ist.  Die  fürstliche  Kirchenloge 
erscheint  im  Hintergründe  rechts.  Die  1830  entfernte  barocke  Kanzel  ist 
links  der  breiten,  noch  ungeteilten  Chortreppe  am  Triumphbogen  an- 
gebracht. 


287 


Leineschloß 

Durch  die  französische  Besetzung  ist  der  Kirche  arg  mitgespielt  worden. 
Damals  abhanden  gekommene  Geräte  und  deren  Wiederbeschaffung 
betreffen  Akten  des  Oberhofmarschallamtes  aus  den  Jahren  1810 — 21 
(Staatsarch.,  Repert.  I,  S.  «SOI).  Die  Lavesschen  Pläne  von  1826  geben  im 
besonderen  die  äußere  Verkleidung  der  Kirche  hof-  und  straßeirwärts  an; 
sie  wurden  in  abgeänderter  Form  mit  sechs  Fenstern  an  der  Leinstraßen- 
front  am  15.  November  1830  vom  König  Georg  IV.  genehmigt.  Unter  die 
Genehmigung  fällt  auch  eine  Verkürzung  des  Chores  zur  Gewinnung  eines 
Zimmers  für  die  Leibwache. 

Am  19.  April  1835  legte  das  Oberhofmarschallamt  dem  Kabinetts- 
ministerium die  Lavesschen  Anschläge  und  Risse  zum  Ausbau  der  Schloß- 
kirche vor,  die  das  Innere  im  „Gothischen  Style"  herzurichten  vorsahen. 
Die  Vorschläge  bezogen  sich  auf  eine  Erweiterung  der  Fensteröffnung  des 
Königlichen  Stuhles  am  Chore,  auf  Verschmälerung  der  Minister-  und 
Kavalierpriechen  daneben,  schließlich  auf  die  Zurückziehung  der  oberen 
Priechen,  die  freitragend  werden  sollten.  Die  Sitzreihen  im  Schiff  sollten 
mit  zwei  Gängen  angeordnet  werden.  Dazu  kommt  die  Ausschmückung 
der  oberen  Wandfelder  durch  zwölf  Medaillons  mit  Basreliefs  in  Gips  aus 
der  Lebensgeschichte  Jesu.  Die  Grablegung  als  Basrelief  in  Stein  über 
dem  Zugange  zur  Gruft  sollte  erhalten  bleiben;  die  Kreuzigung  von  Lucas 
Cranach  wieder  auf  dem  Altar  angebracht  werden;  die  Kanzel  war  mit  den 
Evangelistenfiguren  zu  schmücken  und  der  Raum  des  Königlichen  Stuhles 
mit  der  Kolossalgruppe  ,,das  Alte  und  das  Neue  Testament"  auszustatten. 

Zur  Genehmigung  dieser  Vorschläge  am  6.  Juni  1835  kam  etwas  später 
die  Genehmigung  Wilhelms  IV.,  das  Orgelgehäuse  in  gotischem  Stile  zu 
erneuern.  Ende  des  Jahres  1836  wurde  Oesterley  mit  der  Anfertigung 
des  großen  Altarnischenbildes  der  Himmelfahrt  betraut,  einer  auf  zwei 
Jahre  geschätzten  Arbeit. 

Die  Eröffnung  der  Schloßkirche  nach  diesen  erheblichen  Umänderungen 
erfolgte  am  ersten  Pfingsttage   1839. 

Beschreibung  Die  Seitenwände  der  Kirche  waren  bereits  1831  durch  Mantelmauern 
verkleidet,  denen  Laves  eine  dreigeschossige  Architektur  bei  sechs  Achsen 
gab.     Das  Schiff  hat  seine  fast  quadratische   Grundfläche  behalten. 

Daran  schließt  sich  der  hochgelegene  Chor,  ebenfalls  von  quadratischer 
Grundform,  mit  einem  schmalen  Sakristeiraum  dahinter.  Das  alte  Wölb- 
system ist  beibehalten.  Durch  den  Einbau  von  Windfangwänden  in  den 
Seitenschiffen  und  unter  der  Orgel  sind  an  drei  Seiten  zugluftabschließende 
Umgänge  geschaffen,  die  gegen  den  Chor  hin  auch  geschlossene  Kirchen- 
stühle enthalten. 

Die  älteren  Bestandteile  der  Kirche  sind  durch  Stuckverkleidungen 
dem  Geschmack  englischer  Gotik  angepaßt:  so  die  Pfeiler,  Kapitelle  und 

288 


Schloßkirche 

Wandkonsolen.  Die  Wandflächen  wurden  in  Maßwerkblenden  aufgelöst; 
die  Gewölbefelder  erhielten  durch  Antragen  von  Stuckrippen  das  Aussehen 
von  reichen  Netzgewölben. 

Auch  an  den  hölzernen  Einbauten,  Windfängen  und  Priechen  sind  alle  Abb.  193 
Flächen    in    spitzbogigem    Maßwerk    aufgelöst    oder    durchbrochen.     Die 
zweigeschossigen  Priechen  in  den   Seitenschiffen  sind  zurückliegend  und 


Abb.  193.     Hannover:  Schloßkirche,  Inneres.     Phot.  M.B.A.,  1<)28. 

freitragend  angeordnet  auf  fächerförmig  aus  der  Wand  entwickelten 
Hängegewölben.  Unterseiten  und  Brüstung  sind  maßwerkartig  gegliedert. 
Die  weit  vorgezogene  Orgelprieche  mit  Sängerbühne  zeigt  entsprechende 
Behandlung. 

Die  Farbgebung  ist  stumpfweiß  mit  Gold. 

Herzog  Johann  Friedrich  übersandte  1669  an  seine  Schwester  Sophie  Aitar 
Amalia  von   Dänemark    ein   von   Hieronimo   Sartorio    gefertigtes  Modell 

19  289 


Leineschloß 


290 


Schloßkirche 

zu  einem  neuen  Altar.  Der  ältere  Altar*)  soll  der  Neustädter  St.  Johannis- 
kirche  überwiesen  worden  sein.  Der  auf  der  obengenannten  Zeichnung 
abgebildete  Altar  stand  vor  einer  niedrigen  Scherwand,  in  der  sich  zwei 
Türen  mit  Giebelverdachung  befanden.  Der  Altaraufsatz  enthielt  das  Bild 
von  Lucas  Cranach.  Durch  Laves  ist  die  Scherwand  mit  gotischem 
Maßwerk  in  teilweise  durchbrochener  Arbeit  ausgestattet. 

Das  Triptychon  von  Lucas  Cranach  d.  Ä.,  von  den  Franzosen  geraubt 
und  später  ohne  die  Flügel,  die  heute  im  Provinzialmuseum  sind, 
zurückgegeben**),  hat  festen  Rahmen.  H.  =  1,45,  Br.  =  0,93.  Geöffnet:  Abb.  194 
Mitteltafel  figurenreiche  Kreuzigung;  linker  Flügel  :  geharnischter  Ritter 
(hl.  Alexander),  rechter  Flügel:  weibl.  Heilige  (S.  Felicitas).  Beide  ohne 
Attribute.  Außenseiten  :  auf  beiden  Feldern  das  Martyrium  der  sieben  Abb.  195 
Söhne  der  hl.  Felicitas. 

Über  die  Herkunft  des  Triptychons  aus  der  Alexanderkirche  zu  Ein- 
beck (1667)  s.  F.  Stuttmann,  Zschr.  f.  B.  Kunst  1928.  Februarheft,  S.  342. 

Die  ältere,  barocke  Fußkanzel  (Holz)  ist  um  1834  beseitigt.  Ihr  Standort  Kanzel 
war  an  der  nordöstlichen  Seite  des  Triumphbogens.  Achtseitiger  Stuhl 
mit  Treppe  und  Schalldeckel  (Skizze  bei  den  Schloßbauakten,  Mappe  II). 
Den  Fuß  bildete  eine  Figur  des  Moses  mit  den  Gesetzestafeln;  Treppen- 
und  Stuhlbrüstung  waren  durch  Ohrmuschel-  und  Volutenwerk  in  Felder 
aufgeteilt,  die  Unterkanten  mit  lambrequinartigem  Schnitzwerk  behängt. 
Der  achteckige   Schalldeckel  trug  Volutenbügel  und  Figuren. 

Eine  ältere  Orgel       vielleicht  die  vorn  schon  genannte  —  scheint  1707  orgei 
durch  eine  neue,  von  Silbermann  erbaute  Orgel  ersetzt  zu  sein.    Diese  war 
1835,  soweit  die  Holzpfeifen  in  Betracht  kommen,  vom  Wurme  zerfressen, 
so  daß  das  Oberhofmarschallamt  eine  Umarbeitung  empfahl.   Das  Gehäuse 
ist  dann  durch  Laves  erneuert. 

Bei  der  Einrichtung  der  Kirche  zum  katholischen  Gottesdienst  (1667)  docke 
wurde  eine   Glocke  beschafft,  die  heute  verschollen  ist. 

Die  vorhandene  Glocke,  D.=  0,44,  ist  1642  gegossen.  Meister  un- 
genannt. Inschrift  in  lateinischen  Großbuchstaben:  GLORIA  IN  EX- 
CELSIS  DEO.  ANNO  CHRISTI  1642. 

Nach  von  Malortie  waren  die  von  den  Franzosen  geraubten  und  ver-  Gerate 
schollenen  Gefäße  und  Geräte  durch  den  König  Ernst  August  ersetzt 
worden.  Zur  Franzosenzeit  hatte  man  sie  der  Garnisonkirche  geliehen. 
Es  waren:  ein  Kruzifixus  aus  Silber,  42  Mark  schwer;  zwei  Kandelaber, 
50  Mark  schwer;  ein  Taufbecken,  eine  Weinkanne,  mehrere  Kelche  mit 
Hostiendosen  und   Schalen. 

Grabplatte  des  Didericus  de  Rintelen,  s.  vorn   S.  220  m.  Abb.  Grabplatte 


*)  Über  die  während  der  Kapuzinerzeit  vorhanden  gewesenen  Altäre  s.  J.  Studt- 
mann,  a.  a.  O.,   S.   132  f. 

**)  Hausmann,  Erinnerungen  S.  77  u.  S.  98;  v.  Malortie,  Beitr.  z.  Gesch.  des 
Br. -Lünen.  Hofes,  Hannover  1862,  S.  187. 

291 


Leineschloß 


Abb.  195.     Hannover;  Schloßkirche,  Flügel  dos  Altarbildes  von  Lucas  Cranach  d.  Ä. 
Phot.  Provinzialmuseum  1931. 


292 


Schloßkirche 

Grabplatte  des  Valerio  Maccioni,  Titularbischofs  von  Marokko,  f  1676, 
des  geistlichen  Beistandes  und  Ratgebers  des  Herzogs  Johann  Friedrich, 
ehemals  vor  der  Krypta. 

Über  das  wundertätige  Bild  einer  thronenden  Madonna  s.  Kirche  zu  Madonna 
Hainholz. 

Der  Reliquienschatz  des  Hauses  Braunschweig -Lüneburg,  zum  ge-  Reliquienschatz 
ringsten  Teile  orientalischen,  meist  niedersächsischen  Ursprunges,  1671 
durch  Herzog  Johann  Friedrich  angekauft  und  in  der  Schloßkirche  auf- 
bewahrt, wurde  1866  nach  Wien,  später  nach  Gmunden  verbracht  und 
1930  dem  Kunsthandel  ausgeliefert.  Näheres  über  diesen  Schatz  s. 
Professor  Dr.  W.  A.  Neumann  o.  eist.,  „Der  Reliquienschatz  des  Hauses 
Braunschweig-Lüneburg",  Wien  1891,  bei  Holder*).  Der  Reliquienschatz 
umfaßte  insbesondere  11  Vortragskreuze,  11  Tragaltäre,  14  Reliquien- 
schreine, ferner  Bucheinbände,  Kopf-  und  Armreliquiare  und  Monstranzen. 

Das  sogenannte  Weifenkreuz,  11.  Jahrhundert,  Gold,  H.=  15  cm, 
emailliert  und  mit  Edelsteinen  und  Perlen  besetzt. 

Zwei  sogenannte  Gertrudenkreuze,  11.  Jahrhundert  oder  Anfang 
des  12.  Jahrhunderts,  Goldblech  auf  Holzkern,  H.  =  24,2  bzw.  24,5,  mit 
antiken   Gemmen  und  Perlen  besetzt. 

Hauptstück  des  Schatzes  war  ein  Kuppelreliquiar,  H.  =  150cm,  be- 
stehend aus  einem  Holzkörper,  mit  vergoldetem  Kupferblech  und  Emaille- 
platten belegt  und  mit  Schnitzwerk  aus  Walroßzahn  verziert.  Arbeit  eines 
rheinischen  Künstlers  aus  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts. 

Die  Gruft  unter  dem  Altar  enthält  sieben  Särge.    Hervorgehoben  seien:  sarge 
Sarg  des   Herzogs   Johann   Friedrich,   |  28.  Dezember   1679.    Meister: 
Hofgoldschmied  Conrad  Hölling. 

Sarg  der  Anna  Sophia,  ältesten  Tochter  Johann  Friedrichs,  |  24.  März 
1671.    Bildhauerarbeit  von  Friedrich   Grumbrecht,   1671. 

Sarg  des  Kurfürsten  Ernst  August,  f  24.  Januar  1698.  Kupfer  ver- 
goldet.    Näheres    s.  v.  Malortie,    Der    Hannoversche    Hof,    S.  199 — 211. 

Sarg  der  Kurfürstin  Sophie,  f  8.  Juni  1714.  Kupfer  versilbert  und 
vergoldet  (s.  v.  Malortie,  a.  a.  0.,   S.  225  ff.). 

Sarg  des  Königs  Georg  I.,  f  22.  Juni  1727.  Entwurf  dazu  von  Reetz. 
Seiten-  und  Kopfende  sind  so  ausgeführt  wie  entworfen.  Die  Reetzschen 
Entwürfe  finden  sich  in  einem  Sammelbande  in  der  Kgl.  Ingenieur-  und 
Artilleriebibliothek  zu  Hannover  (s.  Biblioth.-Katal.  der  Technischen  Hoch- 
schule,  Schlagwort:   Katalog). 


*)  Neuere  Publikation:  „Der  Weifenschatz"  von  O.  von  Falke.  Rob.  Schmidt, 
Georg  Swarzenski,  Frankfurt  a.  Main  1930.  Eine  unter  der  Leitung  von  Fr.  Gule- 
mann  vorbereitete  Publikation  farbiger  Tafeln  ist  infolge  der  Ereignisse  von  186ü 
nicht  zur  Ausgabe  gekommen. 

293 


Leineschloß 

Sarg  des  Herzogs  Ernst  August  IL,  Bischofs  von  Osnabrück,  f  1728; 
so  ausgeführt  wie  von  Reetz  entworfen. 

Photographien  der  Särge  sind  mit  besonderer  Erlaubnis  1928  von 
Johann  Fr.  Temming,  Hannover,  aufgenommen. 

kleines  Der  Herzog  Johann  Friedrich  hat  sich  um  die  Musikgeschichte 
rHEATER  Deutschlands  hervorragende  Verdienste  erworben,  einmal  durch  die 
Einführung  der  Kirchenmusik  in  Hannover,  besonders  aber  durch  die 
Begründung  der  Oper  zu  Hannover.  Er  ließ  wahrscheinlich  schon  1672 
im  Ballhofe  zum  ersten  Male  eine  Oper  spielen  und  war  der  Schöpfer  des 
Kleinen  Theaters  in  den  beiden  Obergeschossen  des  Leinepavillons  am 
dritten   Schloßhofe. 

Der  Schloßflügel,  in  dem  diese  auch  als  „Theatrum  für  die  Comoedien" 
bezeichnete  Kunststätte  sich  befand,  wurde,  wie  erwähnt,  1677  unter  Dach 
gebracht;  wahrscheinlich  folgte  der  innere  Ausbau  im  Jahre  darauf. 
Unter  Ernst  August  wurden  hier  Opern  und  französische  Komödien 
gegeben. 

Auf  der  1740  von  J.  F.  Jungen  hergestellten  Schloßaufnahmezeichnung 
erscheint  das  Kleine  Theater  mit  gestelzt-halbkreisförmigem  Parterre;  der 
Bühnenraum  ist  leinewärts  gelegt.  In  den  Zwickeln  der  Umgänge  finden 
sich  die  Treppen  zu  den  Rängen  und  zum  Boden,  wie  es  in  den  älteren 
italienischen  Beispielen,  dem  Teatro  olimpico  in  Vicenza  und  dem  Teatro 
Farnese  in  Parma,  der  Fall  ist.  Das  Kleine  Theater  hatte  „inVier  Wanderun- 
gen" 60  Logen  mit  je  vier  Plätzen;  unten  standen  sechs  Bänke  für  48 
Personen.  Erleuchtet  wurde  das  Haus  durch  vier  messingene  Kronleuchter, 
sogenannte  venetianische  Lampen,  welche  „des  Butzens  nicht  nöthig 
hatten"  (Fischer,  Musik  in  Hannover,   S.  10). 

Die  Urheberschaft  an  dem  Theater  dem  Hieronimo  Sartorio 
zuzuschreiben,  der  der  Palladioschule  entstammte,  liegt  um  so  näher,  als 
er  den  Schloßflügel  überhaupt  erbaut  hat.  Auch  als  Schöpfer  der  Maschinen 
und  Dekorationen  wird  Sartorio  genannt.  Er  ging  1685  ab  und  soll  in 
sächsischen  Diensten  Operndekorationen  geschaffen  haben  (s.  darüber 
Fischer,  a.  a.  0.,   S.  15  und  23). 

Das  Kleine  Theater  blieb  neben  dem  späteren  Schloßopernhause 
bestehen  und  wurde  sogar  zur  Zeit,  als  dieses  im  Bau  war,  1688/89, 
mit  neuen  Logen  versehen  und  neu  dekoriert.  Es  war  die  „Decke  perspekt. 
(ivisch)  mit  Col.(onnen)  mit  einer  Gall.(erie).  Darauf  wieder  eine  Gall.(erie) 
und  Luft  mit  Kindern"  (Pitzler,  Hdschr.,  S.  486.  Der  Hinweis  auf  Pitzler 
wird  dem  Privatgelehrten  Joh.  Fr.  Temming  verdankt).  Erst  die  fran- 
zösische Besetzung  lieferte  das  Kleine  Theater  durch  die  Belegung  mit 
Soldaten  der  Zerstörung  aus.    Es  scheint  dann  der  Gedanke  aufgetreten 

294 


Schloß-Opernhaus 

zu  sein,  es  zum  Speisesaal  umzubauen;  dahinzielende  Entwürfe  von 
Friedrich  Weinbrenner  finden  sich  bei  den  Schloßbauakten.  Der  Neubau 
des  Schloßflügels  durch  Laves  hat  auch  den  Raum  beseitigt. 

Das  Kleine  Theater  genügte  für  die  Aufführung  von  Opern  zwar  von  schloss- 
vornherein   nicht,    doch   ließ   nach    Johann    Friedrichs   Tode   der    Herzog  °1>ERNHAUS 
Ernst   August  es   dabei   bewenden.     Italien   bot   ihm   zur    Genüge   große 
Opernaufführungen. 

Um  den  Herzog  von  seinen  kostspieligen  Reisen  abzubringen,  schlugen 
ihm  1686  seine  Geheimen  Räte  den  Bau  eines  eigenen  Opernhauses  in 
Hannover  vor,  in  dem  er  den  italienischen  Karneval  im  kleinen  in  Szene 
setzen  konnte.  Zur  Beratung  des  Planes  reiste  der  Herzog  nach  Wolfen- 
büttel, wo  ein  großes  Theater  für  2500  Personen  und  mit  5500  Lichtern 
bestand. 

Der  Neubau  wurde  ins  Werk  gesetzt,  nachdem  das  den  dritten  Schloßhof 
südöstlich  begrenzende  Melchior  von  Wintheimsche  Grundstück  durch 
Kaufvertrag  vom  23.  Dezember  1687  erworben  war. 

Die  Frage  nach  dem  Architekten  des  Schloßopernhauses  macht 
folgende  Daten  wichtig:  die  erste  Baurechnung  ist  noch  in  der  Christwoche 
1687  aufgestellt;  die  erste  Aufführung  im  neu  erbauten  Theater  war  die 
Oper  ,,Henrico  Leone"  vom  Abbate  Steffani  im  Januar  1689  -  wie 
sichergestellt  ist  durch  Briefe  der  Herzogin  Sophie  an  Leibniz  vom  2.  und 
27.  Januar  1689  (alter  Rechnung).  Der  Bau,  in  welchen  die  im  Schlosse 
belegene,  von  Leibniz  verwaltete  Bibliothek  mit  einbezogen  wurde,  war 
im  Mai    1690  abgeschlossen. 

Einen  in  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Dresden  (Handzeichnungenv 
Theaterband)  befindlichen  skizzenhaften  Theatergrundriß,  der  dort  als 
der  des  hannoverschen  Opernhauses  bezeichnet  ist,  hat  C.  Gurlitt  abgebildet 
in  „Geschichte  des  Barockstils  in  Italien", I.,  Fig.  197;  „Plan  des  Theaters 
zu  Hannover,  1686  von  Thomaso  Giusti  erbaut".  (Das  Datum  stimmt 
nach  dem  Mitgeteilten  nicht.)  Hammitzsch  („Der  moderne  Theaterbau", 
Berlin  1906,  S.  133  f.)  sieht  Giusti  als  den  Schöpfer  an.  Den  Dresdener  Plan 
hat  er  als  den  des  Kleinen  Theaters  identifiziert. 

Giusti  als  Ausmaler  der  Innenräume  in  Anspruch  zu  nehmen,  ist  der 
Zeit  nach  angängig,  da  sein  erstes  Auftreten  in  Hannover  noch  in  den 
Anfang  des  Jahres  1689  fällt.  Seine  ersten  Arbeiten  waren  Dekorationen 
und  Maschinerien. 

Die  äußere  Architektur  des  Opernhauses  glich  sich  hinsichtlich  der 
Schauseite  an  der  Leinstraße  dem  von  Johann  Friedrich  erbauten  Flügel 
hinter  dem  Chor  der  Schloßkirche  an  und  erforderte  keine  besondere 
Leistung.  Um  die  Innenarchitektur  lediglich  hat  es  sich  handeln  können 
bei  der  Heranziehung  des  Wolfenbütteler  Theaterbauers  Santorini,  der  in 

295 


Leineschloß 

der  Kammerrechnung  von  168(S/(S9  genannt  wird  („dem  Theatro  bawern 
Santorini").  Auch  der  kurheidelbergische  Architekt  Wächter,  der  seit  1688 
an  Stelle  von  Sartorio  bei  Hofe  eingetreten  war,  1690  aber  schon  verstarb, 
wurde  hinzugezogen.  Vermutlich  stand  dieser  unter  dem  Einfluß  franzö- 
sischer Schulung.  Er  scheint  sich  durch  die  Fälligkeit,  große  Räume 
flach  zu  überdecken,  ausgezeichnet  zu  haben*). 

Zeitgenössische  Reisende  rühmen  die  Pracht  des  neuen  Theaters  zu 
Hannover.  „Das  Opernhaus  funkelt  vor  lauter  Golde",  schreibt  Blumen- 
bach in  seinen  Reiseberichten  vom  Jahre  1692  (Tentzels  „Monatliche 
Unterredungen  vom  Jahre  1692").  Der  Abbe  J.  Toland  (1702),  der 
Operndichter  B.  Feind  (1708)  stimmen  in  ihrem  Lobe  des  Theaters 
überein.  Auch  die  Herzogin  Sophie  und  die  Lady  Montague  finden  es 
schöner  als  das  in  Brüssel  und  in  Wien.  Lebendig  schildert  ein  Brief  der 
Gräfin  Aurora  v.  Königsmarck  vom  Jahre  1693  das  Bild  des  Opernhauses 
(Die  Mutter  der  Könige,  Langewiesche).  Als  Fachmann  äußert  sich  Sturm 
in  seinen  Architektonischen  Reiseanmerckungen  1719:  das  hannoversche 
Theater  gebe  dem  Opern  Hause  bei  den  Thuillerien,  das  doch  unstreitig 
das   herrlichste  in   Europa  sei,   „an   prächtigem   Aussehen   nichts   nach". 

Auf   Sturm  bezieht  sich   Joh.  Friedr.  Penther  im  vierten   Teil  seiner 

Anleitung  zur  Bürgerlichen   Baukunst  (Augsburg  1748),    S.  53.     Er  gibt 

dazu  vom  Hofopernhause  zu  Hannover  drei   Risse  in   Kupfer,   die  „auf 

Abb.  i9t;,  197.  198  Ordre   eines   hohen    Gönners"    der   mehrfach   genannte    J.  F.  Jungen   im 

Mai  1746  aufgenommen  habe  (Tafel  78,  79,  80). 

Nach  dem  hier  gegebenen  Grundriß  war  das  Parterre  halbkreisförmig. 
Der  Hauptzugang  öffnete  sich  vom  dritten  Schloßhofe  aus  durch  eine 
Vorhalle  in  Höhe  des  Proszeniums.  Das  Bühnenhaus  erstreckte  sich 
leinstraßenwärts.  Das  Parterre  war  zuerst  ohne  Steigung  und  ist  erst  1785 
gehoben  worden.  Der  Umgang  hinter  den  Logen  war  von  da  aus  durch 
eine  sechsstufige  Treppe  unterhalb  der  herzoglichen  Loge  zu  erreichen. 
Die  Treppen  zu  den  oberen  Umgängen  fanden  sich  in  den  Zwickeln  des 
Gebäudes. 

Außer  Parkett  und  Parterre  waren  vier  Ränge  da,  von  denen  die  drei 
unteren  je  15,  der  oberste  Rang  nur  17  Logen  enthielten.  Nach  oben  treten 
die  Ränge  mehr  und  mehr  zurück,  die  Logen  erhalten  geringere  Tiefe, 
die  Umgänge  geringere  Breite.  Die  Decke  ist  flach  und  am  Dachstuhl 
aufgehängt.  Für  den  großen  Kronleuchter  ist  eine  quadratische,  durch 
Balustraden  umfriedigte  Öffnung  vorhanden.  Das  Haus  war  in  rotem 
Maroquin  mit  vergoldeten  Blättern  tapeziert.  Die  Logen  des  Hofes  waren 
„von  goldglänzenden  Skulpturen  und  mit  Wandbekleidungen  aus  mit 
feuerrotem    Sammet   gestreiftem    Goldstoff   bedeckt".     Die    Beleuchtung 


''')  Über   J.   Peter  Wächter  s.   Mittheilungen  zur   Geschichte  des  Heidelberger 
Schlosses,  Heft  I,  Heidelberg  1885,  S.  189  f.  210,  Heft  III,  Heidelberg  1893,  S.  1  ff. 

296 


A 


S 


Tafel  8 


Schloß-Opernhaus 

geschah  durch  Wachslichter,  Hamburger  Talglichter  und  Fackeln,  von 
2x6  Figuren  gehalten,  die  auf  den  Postamenten  der  Parterrebalustrade 
standen.  Der  Zuschauerraum  bot  etwa  1300  Personen  Platz.  Als  Vorzug 
wurde  die  Akustik  gerühmt. 

Im  Bogen  der  Bühnenöffnung  war  eine  geraffte  Draperie  aufgehängt 
mit  der  gemalten  Inschrift:  „Ernestus  Augustus  D.  g.  Episcopus.  Dux 
Br.  et  Luneb.  MDCXC".  Darüber  in  Holz  oder  Stuck  das  herzogliche 
Wappen;  den  Fürstenhut  halten  zwei  schwebende  Putten,  die  Wappenzier 
wird  als  Draperie  von  anderen  Putten  gehalten. 

Der  Vorhang  wurde  gehoben,  nicht  gerollt.  Die  Bühne  teilte  sich  in 
ein  „vorderes"  und  ein  „hinteres  Theatrum".  Die  Teilung  beider  wurde 
durch  die  „großen  Schiebers"  bewirkt,  welche  wie  die  Kulissen  auf  in 
Binnen  laufenden  Wagen  vorziehbar  waren  und  in  der  Mitte  zusammen- 
stießen. 

An  der  Schaffung  der  Maschinen  und  Dekorationen  ist  außer  Thomaso 
Giusti    noch    der   Wolfenbütteler   Maler    Johann    Oswald    Hermes*),    der 
1688/89    in    Hannover    war,    beteiligt;     Sturm   (Arch.,  Anm.)    stellt   ihn 
überschwenglich   neben  den  großen   Italiener  Pozzo.    Der  von  Bamberg  -Tafel  s 
1789  gemalte  Vorhang,  der  anfangs  gerollt  wurde,  hatte  dadurch  gelitten;' 


*)  Harms,  geb.  zu  Hamburg  um  1642,  geschult  in  Rom,  gest.  1708  in  Hamburg. 


Abb.  196.      Hannover;    „Grundriß    des    Hanoverischen    Schloß -Opern -Hauses".      Nach   Penther,  III., 
Tafel  LXXVIII. 


297 


Leineschion 


Abb.  197.  Hannover;  Leineschloß,  „Durchschnitt  des  Hanoverischen  Schloß-Opern-Hause?  der  Quer  nach* 
Nach  Penther,  III.,  Tafel  LXXIX. 


298 


Schloß-Opernhaus 


C 


299 


Leineschloß 

er  wurde  17(.)f)  übermalt  und  zum  Heben  eingerichtet.  1<S51  ist  er  in  das 
neue  Hoftheater  auf  dem  Windmühlenberge  übernommen,  18%  aber  in 
das  Kestnermuseum  zur  Aufbewahrung  gebracht*).  Von  Giusti  war  nach 
Schuster  noch  1802  eine  Dekoration  vorhanden.  (Ausführlicheres  über 
die  Einrichtung  des  Theaters  s.  Hammitzsch,  „Der  moderne  Theaterbau", 
Berlin  1906,  S.  133  f.,  ferner  bei  Ebel,  „Denkmalpflege"  1914,  Nr.  8  und 
Nr.  9.)  Unter  den  die  Hofbausachen  betreffenden  Akten  des  Oberhof- 
marschallamtes (Vermögensverwaltung)  finden  sich  weitere  Nachrichten 
über  Dekorationen  und  Maschinerien  1742 — 85,  Veränderungen  und 
Reparaturen  1802 — 30.  Im  Staatsarchive  zu  Hannover  (Karten  I.  A. 
b.  72)  eine  Sepiazeichnung  des  Opernhauses  von  der  Seite  des  umgebauten 
Laboratoriums**)   1797  von   Flügge. 

Skizzen  von  der  Ausstattung  des  Hof  Opernhauses  hat  1802  Ramberg 
gezeichnet  (Vaterl.  Museum).  1820/21  war  das  Logenhaus  neu  in  Weiß 
und  Gold  dekoriert,  und  Ramberg  hatte  in  den  Plafond  fünf  allegorische 
Figuren  mit  kleinen  Genien  gemalt:  Trauerspiel,  Lustspiel,  Musik, 
Tanzkunst  und  eine  die  Kritik  besänftigende  Lenitas.  Das  Proszenium 
stellte  nach  Rambergs  schriftlichen  Erklärungen  Natur  und  Wahrheit 
mit  der  Statue  der  Isis  auf  der  einen  Seite  dar,  während  auf  der  anderen 
eine  Sylphide  mit  den  Attributen  der  Künste  gebildet  war.  Das  kur- 
fürstliche Wappen  über  der  Bühnenöffnung  war  durch  das  königliche 
ersetzt;  die  Mittellogen  des  ersten  und  zweiten  Ranges  wurden  in  eine 
einzige  Loge  für  den  König  Georg  IV.  umgewandelt,  dessen  Besuch  in 
Deutschland  1821  erwartet  wurde.  1838  erweiterte  man  die  Königsloge 
durch  Hinzuziehen  der  Nachbarlogen  nochmals  und  zog  sie  in  das  Parterre 
vor.  Die  sämtlichen  Logen  erhielten  damals  einen  neuen  weißen  Anstrich 
mit  himmelblauen  Arabesken  und  silbernem  Ornament.  Plafond,  Vorhang 
und  Proszenium  wurden  restauriert. 

Am  27.  Juni  1852  fand  die  letzte  Vorstellung  im  Schloßopernhause  statt, 
und  am  8.  Dezember  1852  befahl  Georg  V.,  den  Theaterflügel  abzubrechen. 
Der  Abbruch  selbst  geschah  aber  erst  nach  der  Vergebung  der  Arbeiten 
am  1.  März  1854. 

Rittersaal  Die  Zeit,  in  der  Herzog  Ernst  August  den  sogenannten  Klosterflügel 
in  Massivbau  neu  errichten  ließ,  liegt  zwischen  1685  und  1688.  Die  end- 
gültige Fertigstellung  des  in  diesem  Flügel  untergebrachten  großen  oder 
Abb.  i9<»  Rittersaales,  auf  den  ein  besonderes  Aufgebot  von  Prachtentfaltung  und 
Kunst  verwendet  wurde,  steht  vermutlich  im  Zusammenhange  mit  der 
Huldigung,   die   Ernst  August  als   Kurfürst  sich  in  großer  Cour  mit  nie 


*)  Er  ist  seit  1918  wieder  in  Gebrauch. 

**)  „woselbst  ehemalen  von  den  jungen  Herrschaften  Chymische  Experimente 
gemacht." 

300 


Rittersaal 


301 


LeinesclilolJ 


Abb. 


gesehenem  Pomp  vom  9.  bis  19.  Dezember  1692  darbringen  ließ  (Hedecker 
nennt  den  Rittersaal  schon  1680,  s.  II.  G.  1906,  S.  165).  In  seiner  Stuck- 
decke birgt  der  Rittersaal  die  beute  einzige  und  wertvollste  barocke 
Ausstattung,  die  im  Schlosse  erhalten  ist.  Sie  läßt  auf  die  Art  der  damaligen 
>oo  Ausstattung  anderer  Räume  einen   Schluß  zu.    Als  ausführende  Meister 


Abb.  2l)li.     Hannover;  Leineschloß,  Rittersaal,  Deckenausschnitt.     Phot.  11105. 


dieser  Arbeiten  müssen  Dossa  Grana  und  Jacopo  Perinetti  angesehen 
werden;  während  vielleicht  an  die  künstlerische  Urheberschaft  des  durch 
seine  Tätigkeit  in  Celle  am  Schloß  und  an  der  Stadtkirche  bekannten 
Tornielli  zu  denken  ist.  (Perinettis  und  Torniellis  Art  charakterisiert 
Bleibaum,  a.  a.  0.,  S.  16.)  Eine  „Delynyrung  vom  großen  Saale  im  Leine- 
schlosse zu  Hannover"  ist,  den  Kammerrechnungen  nach,  1685/86  durch 
den    hamburgischen    Kupferstecher   Lange   gefertigt    (Schuster,    K.  u.  K., 

302 


Rittersaal 

S.  215),  aber  anscheinend  verschollen.  Von  der  Ausstattung  des  Ritter- 
saales hatte  der  König  Jerome  den  kostbaren  Gobelin  entführen  lassen, 
der  zu  Hannover  auf  dem  Reithause  unter  dem  Meister  Manjac,  zur  Zeit 
Georg  Ludewigs,  verfertigt  war  und  zur  Wandbespannung  gedient  hatte. 
Ihn  wieder  herbeizuschaffen,  hat  man  sich  nach  den  Freiheitskriegen 
vergeblich  bemüht.  Spilcker  berichtet  (a.  a.  0.,  S.  440),  der  Gobelin  habe 
aus  zwei  Hauptstücken,  eines  mit  einer  Szene  aus  dem  Leben  Georg 
Ludewigs,  das  andere  mit  einer  solchen  aus  dem  Leben  seiner  Mutter, 
der  Kurfürstin   Sophie,  bestanden. 

Der  Erhaltungszustand  des  stukkierten  Schmuckes  hat  unter  Laves 
einige  Ergänzungen  gefordert.  Dieser  hat  auch  Rüder  aus  dem  Jagd- 
schlosse Göhrde  nach  dessen  Abbruch  im  Rittersaale  1827 — 41  angebracht, 
die  heute  nicht  mehr  dort  sind.  Nach  Abschluß  der  Arbeiten  wurde  am 
29.  Dezember  1836  ein  Bericht  über  den  Schloßbau  nach  St.  James  an 
Wilhelm  IV.  übersandt,  der  auch  eine  ausführliche  Beschreibung  des 
Rittersaales  enthielt.  Am  12.  August  1836  hatte  zum  ersten  Male  das 
Ordenskapitel  im  Saale  stattgefunden  (Staatsarch.,  Des.  Hannover  118). 
Eine  lithographierte  Zeichnung  des  Rittersaales  im  damaligen  Zustande 
von  Molthans  Hand  mit  einer  Beschreibung  dazu  wurde  im  Hann.  Magazin 
von  1837,  Nr.  24,  veröffentlicht.  (Ein  Exemplar  der  Lithographie  im 
Stadtarch.,  K.  S.  Mappe  6,  Bl.  15.) 

Unter  preußischer  Herrschaft  ist  eine  abermalige  Instandsetzung 
erfolgt,  bei  der  an  Stelle  der  weifischen  Ahnenbilder  die  Bilder  branden- 
burgischer Kurfürsten  und  Markgrafen  in  die  Medaillons  der  Deckenvoute 
eingefügt  wurden.  Nur  die  hannoverschen  Städte-  und  Ritterschafts- 
wappen blieben  an  ihrem  Platze.  Die  weifischen  Ahnenbilder  werden  in 
der  Gemäldegalerie  zu   Herrenhausen  aufbewahrt. 

Der  langrechteckige  Saal  reicht  vom  ersten  Obergeschoß  in  das  zweite 
mit  seiner  Decke  hinein,  die  in  Form  eines  hohen  Spiegelgewölbes  mit 
Stichkappen  über  einem  durch  Laves  erneuerten  Friese  angesetzt  ist. 
Die  Längswände  sind  nach  dem  Verluste  der  Gobelins  nach  Maßgabe  der 
rechteckigen  Lichtöffnungen  an  der  Hofseite  aufgeteilt  und  tragen  oberhalb 
eines  Paneels  von  dunklem  Marmorstuck  hochplastisch  modellierten  Felder- 
schmuck; die  den  Fenstern  entsprechenden  Nischen  haben  in  stukkierte 
Holzrahmen  gefaßte  Spiegel.  Die  Kopfwände  enthalten  je  einen  Kamin 
als  Mittelstück  zwischen  hochrechteckigen  Türen.  Die  Stuckarbeiten 
-  auch  die  einzig  alten  der  Decke  -  -  sind  ohne  Vergoldung. 


303 


Residenz-Palais'  und  Ablagen 

Die  Landesherrliche  Familie  fand  bis  zur  Übersiedlung  nach  England 
vollständig  Wohnung  im  Leineschloß  und  hielt  dort  sogar  für  den  Besuch 
auswärtiger  Familienangehöriger  dauernd  Räume  bereit.  Für  die  Sommer- 
zeit stand  daneben  das  Schloß  in  Herrenhausen  zur  Verfügung  (s.  unter 
diesem  Titel).  Als  Dependancen  dienten  der  Osnabrücker  Hof,  der  Kleine 
und  der  Große  Fürstenhof  (s.  darüber  w.  u.).  Zur  Unterbringung  fremder 
Gesandter  hielt  der  Kurfürst  Ernst  August  das  Gesandtenhaus  an  der 
Leinstraße  (s.  darüber  w.  u.).  Als  die  späteren  gelegentlichen  Besuche  der 
Landesherren  von  England  aus,  die  für  die  Residenz  Festeszeit  bedeuteten 
(s.  darüber  „Freudenbezeugungen"  1728),  den  Zustrom  höfischer  Gäste 
so  stark  machten,  daß  deren  Unterbringung  schwierig  wurde,  unterstützte 
Georg  II.  den  Bau  eines  vornehmen  Gasthofes  auf  der  Neustadt,  des  soge- 
nannten British  Hotel  (s.   Seite  644). 

Die  Frage  der  Residenz  eines  Königs  zu  Hannover,  für  die  im  Hinblick 
auf  die  bevorstehende  Auflösung  der  Personalunion  mit  England  Vorsorge 
zu  treffen  war,  wurde  1830  dahin  entschieden,  daß  als  Wohnung  des 
künftigen  Königs  das  bisherige  vizekönigliche  Palais  an  der  Leinstraße 
auszuersehen  sei.  Es  hat  bis  zum  Tode  des  Königs  Ernst  August  1851  als 
Residenz  gedient.  Nach  der  Vermählung  des  Kronprinzen  Georg  kamen 
als  Residenzpalais  andere  bereits  bestehende  Gebäude  hinzu,  die  wieder- 
holt gewechselt  haben:  der  Fürstenhof,  das  Wangenheimsche  Palais  und 
das  Palais  an  der  Adolfstraße.  Georg  V.  hat  als  König  das  väterliche 
Palais  an  der  Leinstraße  nicht  bezogen;  er  residierte  zu  Herrenhausen  und 
ließ  1859  den  Bau  eines  neuen  Residenzschlosses  an  Stelle  des  Schlößchens 
Monbrillant  ins  Werk  setzen  (s.  Herrenhausen). 


„Altes  Palais  an  der  Leinstraße",  Leinstraße  29. 

Das  Alte  Palais  an  der  Leinstraße  umfaßt  mehrere  Grundstücke  und 
besteht  in  der  Hauptsache  aus  dem  ehemaligen  von  dem  Busscheschen 
Palais,  das  selbst  wieder  drei  brauberechtigte  Grundstücke  einnimmt  (das 
Palais  ist  behandelt   unter   „Höfe   und   Häuser   des   Adels",    Seite   423). 

304 


Altes  Palais 


Nach  dem  1766  erfolgten  Tode  des  Staatsministers  von  dem  Bussche 
verkauften  seine  Erben  im  Jahre  1786  das  Palais  an  den  Herzog  Friedrich 
von  York,  zweiten  Sohn  Georgs  III.  In  der  Zeit  von  1 768  bis  dahin  hatte 
der  Herzog  Karl  von  Mecklenburg-Strelitz,  der  Vater  der  späteren  Königinnen 


Abb.  201.    Hannover;  „Plan  de<j  Palais  de  son  Altesse  Roiale  le  Prince  FREDERIK  Duc  de  York  etc. 
Gez.  1785  von  Hogreve.     Archiv  der  Verm.-Verw. 


Luise  und  Friederike,  die  in  diesem  Hause  geboren  sind,  mietweise  dort 
gewohnt. 

Das  vergrößerte   Haus    kam   1797    an    den    Oberkommissär  Eckhard  Abb.  202 
(späteren  v.  Eckhardstein),   1799  an  die  Königliche  Kammer;   der  König 
überwies  es  am    10.   September  1802   dem  Herzog  Adolf  von  Cambridge 
als  Geschenk. 


20 


305 


Residenz-Palais'  und  Ablager 

Herzog  Friedrich  von  York  erwarb  das  dammstraßenwärts  benachbarte 
Grundstück,  Leinstraße  294,  im  Jahre  1789  hinzu,  ließ  das  daraufstehende 
Haus  abbrechen  und  an  seiner  Stelle  den  Südflügel  an  das  Palais  anbauen, 
einschließlich  der  Gebäude  des  rückwärtigen  Hofes*).  (S.  den  Grundriß, 
Abb.  201,    1785.     Herzogl.  Verm.-Verw.) 

Das   Nachbargrundstück  an   der  anderen    Seite,   Leinstraße   Nr.   290, 
wurde  von  diesem  1818  hinzuerworben;    der  zweite    Flügelbau   entstand 
Abb.  203  erst    jetzt,    nachdem    das    Oberhof kommissär    Tielingsche    Haus    abge- 
brochen war. 


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Abb.  202.     Hannover;   Altes  Palais  an   der  Leinstraße.     Nach  Zeichnung  von  Flügge  1799,  Akten  der 
Verm.-Verw. 


Nach  Vollendung  dieses  zweiten  Flügels  ließ  der  Herzog  den  bis  dahin 
in  der  Mitte  des  Palais  belegenen  Eingang  schließen  und  auf  dem  Mittel- 
risalit das  große,  in  Stein  gehauene  Alliancewappen  in  halbkreisförmiger 
Umrahmung,  das  außer  dem  eigenen  das  Wappen  seiner  Gemahlin, 
Abb.  204  Auguste,  geb.  Prinzessin  von  Hessen-Kassel,  enthielt,  anbringen.  Darauf 
sind  die  Signaturen  eingemeißelt:  G.  L.  F  :  LAVES  DESS  :  JUNY  :  1820  / 
A.  HENGST  ET  E.TAENTZEL  SCULP  : 


*)  Spilcker,  a.  a.  O.,  Seite  501,  Anmerkung,   teilt  mit:    Verona  aus  Berlin   soll 
für  die  inneren  Verzierungen  30  000  Reichsthaler  erhalten  haben. 


306 


Altes  Palais 

Die  neue  Zweckbestimmung  bedingte  wiederum  einige  Veränderungen  Abb.  205 
im  Innern.    In  der  Ausstattung  der  Räume  ist  Laves'  Hand  zu  erkennen. 
Ebenso  in  der  Architektur  der  Hofgebäude. 

Der  Name  ,, Palais  an  der  Leinstraße"  tritt  nach  Abschluß  der  Restau- 
ration auf.  Es  wird  schon  1830  in  einem  Schreiben  Georgs  IV.  an  das 
Ministerium  zu  Hannover  (15.  Nov.)  die  Frage  bejaht,  ob  nicht  das  Palais 
des  Herzogs  zur  Wohnung  des  Regenten  herzurichten  sei.  Von  der  Ein- 
richtung „zur  Wohnung  für  einen  in  hiesiger  Stadt  künftig  residierenden 
König"  ist  1832  zuerst  die  Rede. 


Abb.  203.    Palais  an  der  Leinstraße.     Grundriß  des  Obergeschosses  nach  der  Lavesschen  Planung  von  1818. 


König  Wilhelm  IV.  schloß  mit  seinem  herzoglichen  Bruder  am  20.  Juni 
1830  einen  Kaufvertrag,  laut  dem  das  gesamte  Palais  einschließlich  des 
Ameublements  Eigentum  der  Krone  wurde.  Der  Vizekönig  blieb  indes 
gegen  einen  Zins  im  Palais  wohnen,  das  ihm  als  Winterresidenz  diente. 
Im  Jahre  1837  bezog  Ernst  August  als  König  das  Palais,  das  auch  er  zur 
dauernden  Winterresidenz  nahm. 

Im  gleichen  Jahre  wurde  das  Schreihagensche,  früher  v.  Arnswaldtsche 
Haus  am  Markte  (Nr.  13)  und  zwei  Hintergebäude  zur  Erweiterung  des 


307 


Residenz-Palais'  und  Ablager 

Grundstückes   und   zur    Gewinnung   eines   Ausganges   nach   dem   Markte 
hinzugekauft  (s.   über  dieses  Palais  S.    121). 

Im  Palais  an  der  Leinstraße  starb  1<811  die  Königin  Friederike  und 
zehn  Jahre  später  der  König  selbst.  Nach  des  Königs  Bestimmung  sollte 
es  fortab  als  Residenz  nicht  mehr  benutzt  werden.  In  den  oberen  Räumen 
wurde  1853  die  Kgl.  Privatbibliothek  samt  der  Kupferstichsammlung  auf- 


Abb.  201.     Hannover;  Altes  Palais  an  der  Leinstraße. 
Phot.  M.B.A.,  1928. 


gestellt;  in  den  folgenden  Jahren  auch  die  Waffensammlung  und  das 
Münzkabinett.  Der  Südflügel  nahm  von  1859 — 66  das  Ministerium  des 
Kgl.  Hauses  auf.  Bis  1866  benutzte  die  englische  Gemeinde  einen  Saal  zu 
ihren  Gottesdiensten.  Seit  1893  sind  die  Büros  der  Vermögensverwaltung 
des  Herzogs  von  Cumberland  hier  untergebracht. 


308 


Altes  Palais 


Abb.  205.    Hannover;  Palais  an  der  Leinstraße.     Querschnitt  um  1832  nach  der  Lavesschen  Instand- 
setzung.    Cumberl.  Verm.-Verw.     Phot.  1926. 


:;<)'.) 


Residenz-Palais'  und  Ablager 

Aus  einem  „Inventarium  des  sämtlichen  Meublements  im  Palais  usw., 
neu  aufgenommen  im  Juny  1832"  bei  den  Akten  (Staatsarchiv,  Des. 
Hannover  118.  4)  sei  auszugsweise  vermerkt:  „Belle  Etage:  alter  Marmor- 
saal (hofwärts)  Wände  von  gemischtem  Marmor  mit  Verzierung.  Fuß- 
boden getäfelt  und  kariert.  Plafond  decorations-Malerei.  —  Gelbes  Zimmer 
(straßenwärts):  Lambries;  Thüren  mit  weißer  Oehlfarbe;  Fußboden  ge- 
täfelt und  künstlich  ausgelegt;  Plafonds  decorations-Malerei,  harmo- 
nierend mit  dem  Fußboden.  Tapete  von  gelbgestreiftem  seidenen  Dam- 
mast mit  vergoldeten  Leisten  unten  und  oben  eingefaßt,  —  rothes  Zimmer 
(straßenwärts),  grünes  oder  Balcon-Zimmer  (straßenwärts):  Lambris  und 
Thüren  mit  weißer  Oehlfarbe  angestrichen;  Fußboden  getäfelt  und  mit 
verschiedenem  Holz  ausgelegt;  Plafond  vermalt,  Tapete  von  grün  seidenen 
Dammast  mit  gelbseidenen  Blumen  Körben,  die  Einfassung  mit  ver- 
goldeten Leisten  -  -  hellblaues  Zimmer  —  dunkelblaues  Zimmer  —  usw.". 
Zum  Marmorsaal  ist  bemerkt:  das  in  diesem  Saal  befindliche  Meublement 
ist  noch  alles  von  der  ersten  Einrichtung:  jedoch  bei  der  ersten  Restauration 
neu  vergoldet  und  mit  neuem  Dammast  überzogen." 

Das  Obergeschoß  des  mittleren  Gebäudeteiles,  das  heute  im  wesent- 
lichen die  Fideikommißbibliothek  beherbergt,  ist,  soweit  die  feste  Aus- 
stattung in  Betracht  kommt,  so  erhalten,  wie  aus  dem  Inventarium  zu 
ersehen  ist*).     (Pläne  s.  Staatsarch.,   Schloßbauakte  Mappe   III.) 

Neues  Palais,  Friedrichstraße  17. 

Bei  der  Thronbesteigung  Georgs  V.  erwarb  die  Krondotation  das 
v.  Wangenheimsche  Gewese  als  Residenz  für  die  Königliche  Familie  und 
arrondierte  das  Gründstück  durch  Austausch  mit  dem  ostwärts  benach- 
barten Grundstück  des  Kammerherrn  Baron  v.  Campe.  Das  so  ver- 
größerte Besitztum  der  Krone  erhielt  seitdem  die  amtliche  Benennung 
,, Residenz-Palais".  Am  Wohnhaus  wurde  lediglich  das  Wangenheimsche 
Abb.  206  Wappen  im  Giebeldreieck  durch  das  vom  Bildhauer  Dopmeyer  ange- 
fertigte Königliche  Wappen**)  ersetzt.  (Das  Wangenheimsche  Palais  ist 
behandelt  auf  S.  433.) 

Das  im  Jahre  1856  als  Wohnung  für  den  Kronprinzen  Ernst  August  hin- 
zuerworbene von  Campesche  Wohnhaus  (s.  unter  Friedrichstraße  16)  —ein 
Fachwerkbau  —  wurde  durch  denHofbaumeisterVogell  mittels  eines  Über- 
baues über  der  Durchfahrt  mit  dem  Palais  in  Verbindung  gesetzt.  Das  ehe- 
mals Hof  baurat  Wittingsche  Haus  am  Himmelreiche  diente  als  Kavalierhaus. 


*)  11  Bl.  Zeichnungen  in  Rollen  mit  Beschreibung  von  Molthan  a.  d.  J.  1871. 
Wertvoll  der  Schnitt,  1856.  Fassadenzeichnung  von  1833  ist  Kopie,  kann  aber 
zur  Ergänzung  des  Originales  in  derVerm.-Verw.,  cumberl.  Seite,  gebraucht  werden. 
Sonst  sind  es  Grundrisse. 

**)  Später  durch  das  jetzt  vorhandene,  städtische  Wappen. 

310 


Neues  Palais 


Als  Georg  V.  1862  seine  Residenz  dauernd  in  Herrenhausen  nahm,  ging 
das  gesamte  Besitztum  an  den  Magistrat  der  Stadt  Hannover  über,  der 
es  seit  1863  als  „Neues  Rathaus"  benutzt  hat. 


Abb.  20<).     Hannover;   Friedrichstr.  17,  ehem.  Neues  Palais,  Teilbild  der  Fassade.     Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


Das  ehemalige  v.  Wangenheimsche  Palais  ist  ein  dreigeschossiger  Beschreibung 
Massivbau  von  4  +  5  +  4  Achsen  bei  kaum  vortretendem  Mittelrisalit.  Das 
Erdgeschoß  hat  Quaderrustika  und  vor  dem  Risalit,  den  Mitteleingang 
monumentalisierend,  einen  Säulenvorbau  von  sechs  kannelierten,  toska- 
nischen  Säulen  auf  zweistufigem  Stylobat  mit  reichem  Gebälk,  das  einen 
durch  gußeiserne  Balustrade  umhegten  Balkon  bildet.  Mitteleingang  mit 
zweiflügeliger  Tür  in  Lavesscher  Ornamentik  s.  Abb.  207.   Die  Übergeschosse 

311 


Residenz-Palais'  und  Ablager 

haben  geputzte  Außen- 
flächen. Das  Hauptsims, 
weit  ausladend  mit  Zahn- 
schnitt und  Konsolen, 
wird  im  Mittelrisalit  durch 
einen  flachen  Dreiecks- 
giebel überhöht,  in  dem 
zwischen  klassizistischem 
Rankenwerk  ehemals  das 
Wangenheimsche  Wappen 
angebracht  war,  das  1852 
durch  das  königliche  ersetzt 
wurde.  Die  ursprünglich 
noch  flachere  Dachneigung 
ist  1897  durch  Ausfutterung 
der  Sparrenlage  verringert. 
Die  Hauptgeschosse  sind 
mit  hochrechteckigen  Licht- 
öffnungen  im    Risalit 

mit  Dreiecksverdachung,  im 
übrigen  mit  waagerechten 
Simsen  -  versehen.  Das 
zweite  Obergeschoß  hat 
mezzaninartige  niedrigere 
einfache  Fenster.  Das  Innere 
birgt  in  der  Mittelachse  eine 
säulengetragene  stukkierte 
Vorhalle  und  das  Treppen- 
haus   mit  dreiarmiger,   von 


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Abb.  207.     Hannover;  Friedrichstr.  17.    Eingangstür. 
Aufgenommen  und  gezeichnet  1912,  D. 


Abb.  208  gußeisernem  Geländer  geschützter  Treppe.      Der  Festsaal  seitlich  davon 
mit  flach  vortretenden  Wand  vorlagen  ist  1863  zum  Sitzungssaal  eingerichtet. 

Ernst-August-Palais. 

An  der  etwa  1833  zur  Bebauung  instand  gesetzten  Adolfstraße  hatte 
der  Hofmaurermeister  und  Senator  Täntzel  im  Jahre  1836  zwei  Wohn- 
häuser nebeneinander  errichtet.  Beide  suchte  1839  das  Oberhofmarschall- 
amt zu  erwerben,  doch  kam  vorläufig  nur  der  Kauf  des  dem  Leibniz- 
monumente  zunächst  belegenen  Hauses  zustande,  das  die  hofamtliche 
Abb.  209  Bezeichnung  Ernst-August-Palais  erhielt  und  von  dem  Kronprinzen 
Georg  in  den  Jahren  1841  bis  zu  seiner  Vermählung  1843  bewohnt  wurde. 

Nachdem  1845  der  Ankauf  auch  des  zweiten  Hauses  gelungen  war, 
erhielt  der  Hofbaumeister  Molthan  den  Auftrag,  einen  Vereinigungsplan 


312 


Ernst-August-Palais 

für  beide  Häuser  zu  entwerfen;  er  hat  danach  das  neu  angekaufte  Haus 
durch  ein  Saalgebäude  mit  dem  anderen  in  Verbindung  gebracht.  Nach 
der  Fertigstellung  und  Einrichtung  des  vergrößerten  Palais,  1847,  bezog 
es  das  kronprinzliche  Ehepaar,  dem  inzwischen  ein  Sohn  geboren  war,  und 
wohnte  hier  bis  zur  Thronbesteigung  1851. 


Abb.  208.     Hannover;  Neues  Palais,  Friedrichstraße  17,  Saal.     Phot.  1908. 


Ein  an  das  Palais  angrenzendes,  vom  Maurermeister  Gersting  1833 
erbautes  Wohnhaus  erstand  1850  der  Schwiegervater  des  Kronprinzen,  der 
Herzog  Joseph  von  Altenburg.  Es  wurde  1859,  nachdem  die  Königin  für 
ihn  ein  anderes  Haus  an  der  Langen  Laube  angekauft  hatte,  vom  Oberhof- 
marschallamt erworben  und  diente  wie  das  Ernst-August-Palais  nachmals  Abb.  210 

313 


Residenz-Palais'  und  Ablager 

zu  verschiedenen  Zwecken  des  Hofes,  z.  B.  zur  Aufnahme  der  Gemälde- 
sammlung aus  dem  Georgengartenpalais,  des  Weifenmuseums,  Familien- 
museums, des  Reliquienschatzes  usw.,  während  das  Ernst-August-Palais 
namentlich  für  Fremdenbesuch  eingerichtet  wurde. 


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Abb.  209.     Hannover;  Adolfstraße  2.     Zustand  1836.     Als  Ernst-August-Palais  später  mit  Nr.  3 

in  Verbindung  gebracht. 

Nach  1866  sind  diese  Gebäude  von  der  Preußischen  Regierung  au  die 
Militärverwaltung  überwiesen  und  Eigentum  des  Reichsmilitärfiskus 
geworden. 

Das  ursprüngliche  Aussehen  der  beiden  Wohngebäude,  aus  denen  das 

vergrößerte  Ernst-August-Palais  besteht,  ist  auf  den  beigegebenen  Zeich- 

Abb.  209  und  nungen  aus  dem  Jahre  1836  erkennbar.    Molthan  hat  den  gemeinsamen 

Abb.  292,  s.  454  Eingang  fur  beide  in  den  die  Häuser  vereinigenden  Zwischenbau  verlegt, 


314 


Der  Osnabrücker  Hof 

den  Fenstern  möglichst  die  gleiche  Fassung  über  die  ganze  Front  hin 
gegeben  und  das  Hauptsims  in  gleicher  Höhe  durchgezogen  sowie  das 
Palais  mit  einem  einheitlichen  Dache  versehen. 

Das  Haus  des  Herzogs  von  Altenburg  ist  durch  einen  eingeschossigen 
Flügelbau  dem  vorigen  angegliedert.  Es  stilistisch  anzugleichen,  ist  nicht 
erstrebt;  doch  ist  die  Front  1850  verändert.  Eine  Zeichnung  der  Fassade 
von   1833  liegt  den  Baupolizeiakten  bei. 


Abb.  210.     Hannover;  Ernst-August-Palais    an  der  Adolfstraße.     Stahlstich  nach  Kretschmer. 


Der  Osnabrücker  Hof. 

„Des  Bischofs  zu  Osnabrück  Hof"  nennt  das  Neustädter  Schoßregister 
das  heutige  Eckgrundstück  an  der  Ernst-August-  und  Archivstraße,  auf 
dem  während  des  Dreißigjährigen  Krieges  das  landesherrliche  Kommiß- 
haus (s.  das.)  erbaut  war.  Als  durch  die  Schleifung  des  Walles  zwischen  Alt- 
und  Neustadt  1680  dieser  Teil  des  Calenberger  Steinweges  der  Bebauung 
erschlossen  wurde,  erhielt  der  Kammerpräsident  von  Wietzendorf  das 
Kommißhaus  als  Dienstwohnung  zugewiesen.  Nach  ihm  wohnte  dort  der 
Herzog  Ernst  August,  seit  1714  Bischof  von  Osnabrück  (s.  Kielmansegg, 
Brief  87,  S.  210).  Das  Haus  wurde  1796  zum  danebenliegenden  Georgianum 
als  Dienstwohnung  des  Direktors,  des  Geh.  Justizrates  Feder,  hinzuge- 
zogen und  gehörte  von  1813  bis  zu  seinem  Abbruch  1862  zu  den  Ministerial- 
gebäuden (Wegebau-Kommission). 

Eine  Abbildung  des  zweigeschossigen  Fachwerkbaues  aus  dem  Jahre 
1862,  der  wohl  damals  nicht  mehr  in  seiner  ursprünglichen  Fassung  be- 
stand, findet  sich  im  Stadtarchiv  (s.   Abb.  243,   Seite  371). 

315 


Residenz-Palais'  und  Ablager 

Neustädter  Vogtei  oder  kleiner  Fürstenhof. 

Die  Neustädter  Vogtei  befand  sich  auf  dem  ehemaligen  Lauenroder 
Vorburggelände,  der  sogenannten  Kloppenburg,  rechtsseits  des  Ver- 
bindungsarmes, der  den  .Judenteich  mit  den  vereinigten  Ihmeläufen  ver- 
band, also  unmittelbar  südwestlich  der  heutigen  Synagoge.  Unter  dem 
Herzog  Friedrich  Ulrich  erhielt  der  Vogt  Molinus  um  1622  den  Auftrag,  hier 
einen  Wohnbau  zu  errichten,  der  als  Ablager  für  den  Landesherrn  ange- 
messen sein  sollte.  Das  Gebäude  ist  auf  einem  angeblich  von  Johann 
Duve  vor  1675  gemalten  Ölbilde  im  Familienmuseum  in  Herrenhausen 
dargestellt  (eine  Kopie  ist  im  Vaterländischen  Museum  und  eine  nach 
dieser  gefertigte  Federzeichnung  im  Stadtarchive). 

Nach  1650  diente  der  Kleine  Fürstenhof  dem  Kammerpräsidenten  als 
Dienstwohnung. 

Das  „Fürstenhof"  genannte  Gewese  bestand  außer  dem  Wohngebäude 
aus  Schuppen  und  Stallungen,  die  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts  zur 
Unterbringung  der  Hofbauschreiberei  benutzt  wurden.  Sie  sind  1800  bis 
1801  zur  Verwendung  als  königl.  kurfl.  Postetablissement  umgebaut 
(die  Pläne  darüber  im  Staatsarchive,  Karten  I.  A.  b.  67  u.  68).  Nach  der 
Verlegung  der  Post  an  den  Bahnhofsplatz  dienten  sie  als  Lager  für  land- 
wirtschaftliche Geräte  und  sind  1862  gelegentlich  des  Baues  der  neuen 
Synagoge  niedergerissen. 

Nachdem  der  umfangreiche,  als  Judenteich  bezeichnete  Leinekolk  in 
der  Neustadt  im  Jahre  1642  von  der  Leine  abgedämmt  und  eingeschränkt, 
später  (1668)  ganz  abgelassen  und  weiter  aufgefüllt  war,  nahm  der  Landes- 
herr das  gewonnene  Gelände  für  sich  in  Anspruch.  Johann  Friedrich 
privilegierte  1665  -  -  der  Neustädter  Chronik  (Stadtbücher  249)  zufolge, 
richtiger  nach  Bedecker  1675  --  den  Geh.  Sekretär  von  Bettberg,  darauf 
zu  bauen.  Das  dann  entstandene  Gewese  des  ,,Bettbergschen  Hofes"  an 
der  Langen  Straße  kaufte  der  Herzog  Ernst  August  im  Jahre  seiner  Wahl 
zum  Bischof  von  Osnabrück,  1714,  an.  Solange  Ernst  August  in  Osna- 
brück residierte  --  seit  1716  — ,  diente  der  Hof  ihm  als  Ablager  und  hieß 
davon  Osnabrücker  Hof.  Der  Name  Fürstenhof  ging  1822  von  dem  be- 
nachbarten kleinen  Fürstenhofe,  dem  damaligen  Posthofe,  auf  das  Grund- 
stück an  der  Langen  Straße  über.  Um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
scheint  hier  das  jetzt  noch  bestehende  Wohngebäude  erbaut  zu  sein  mit 
Abb.  2it  der  Bestimmung,  fürstlichen  Gästen  des  Hofes  zur  Unterkunft  zu  dienen. 
So  war  es  1763  durch  den  König  Georg  III.  dem  Prinzen  Karl  von  Meck- 
lenburg-Strelitz  als  Wohnung  zugewiesen;  zeitweilig  war  es  auch  von 
dem  Herzoge  Ernst  von  Mecklenburg- Strelitz  bewohnt,  nachdem  es  in- 
zwischen dem  ehemaligen  Premierminister  von  Münchhausen,  dann  bis  1787 
dessen  Witwe  überlassen  war. 

316 


Fürstenhof 


Als  Ablager  für  auswärtige  Mitglieder  der  engeren  landesherrlichen 
Familie  wurde  das  Wohngebäude  nach  einem  1816  stattgefundenen  Umbau 
weiter  benutzt.   Der  Herzog  von  Clarence,  der  spätere  König  Wilhelm  IV., 

furstenfjof  Srdgescjjoß 


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Späterer  Anbau 


Abb.  211.     Hannover;    Fürstenhof,   Grundriß  des  Erdgeschosses. 
Nach  Plan  im  Reichsarchive. 


Abb.  212.     Hannover;  Fürstenhof  an  der  Langen  Straße.     Phot.  li»05. 

residierte  dort  im  Jahre  1818/19.  Herzog  Ernst  August  von  Cumberland 
bevorzugte  stets  den  Fürstenhof  als  Absteigequartier  und  wohnte  daselbst 
bei  seinem  Einzüge  als  König  am  28.  Juni  1837.   Dann  hat  Georg  V.  1843, 


317 


Residenz-Palais*  und  Ablager 

nach  seiner  Vermählung,  den  Fürstenhof  bezogen;  der  Kronprinz  Ernst 
August  ist  1845  darin  geboren.  Nachdem  für  Georg  V.  1846  das  Ernst- 
Palais  an  der  Adolfstraße  eingerichtet  war,  wurde  der  Fürstenhof  1855 
an  die  Militärverwaltung  für  die  Geschäfte  der  General-Adjutantur  ver- 
kauft. Seit  1866  benutzte  ihn  der  preußische  Militärfiskus  als  Dienst- 
wohnung für  höhere  Offiziere. 

Beschreibung  Das  an  der  Langen  Straße  belegene,  1816  durch  den  damaligen  Be- 
wohner, den  Grafen  Münster,  umgebaute  Wohngebäude  des  Fürstenhofes 
(Mitte  des  18.  Jahrhunderts)  ist  ein  sehr  einfacher,  freistehender,  überputzter 
Fachwerkbau  von  drei  Geschossen  bei  neun  Achsen.  Geschoßteilungen 
Abb.  212  durch  Bandsimse,  Hauptsims  in  Holz;  einachsiger  Giebelerker  in  der 
Frontmitte.  Dach  über  den  Schmalseiten  gewalmt.  Die  beiden  Unter- 
geschosse sind  sehr  hoch,  Fenster  außenbündig.  Mitteleingang  mit  über- 
hängendem Baldachin  (um  1840).  Das  Innere  hat  vielfachen  Verände- 
rungen unterlegen.  Ein  Saal  enthielt  ehemals  Plafonds  von  F.  H.  Bamberg 
(s.  Brönnenberg,  a.  a.  0.,   S.   17). 

Die  steinernen  Pfosten  des  Gartengitters  (1816)  erinnern  an  Laves' 
Hand.  Über  einem  Bande  mit  Sphinxen  oder  antikisierenden  Banken  in 
Flachrelief  ist  das  Haupt  der  Pfeiler  in  kannelierten  Friesen  abgesetzt. 
Sima  mit  Kranzwerk. 


318 


Qesandtenhaus 

(1888  abgebrochen). 

Das  aus  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts  stammende  Haus  Lein- 
straße 19  ist  1710/11  von  der  Landesherrschaft  aus  bürgerlichem  Besitze 
erworben  und  zum  Zwecke  der  „Logirung"  fremder  Gesandter  einge- 
richtet worden.  Der  unter  Mitwirkung  des  Baudirektors  Obersten  de 
Quirini  zustande  gekommene  Kauf  schloß  das  im  Hause  vorhandene 
Mobiliar  ein.  Zur  Vervollständigung  der  Einrichtung  der  Gemächer 
lieferte  der  Contrefeiter  Andreas  Scheitz  (s.  über  ihn  Schuster,  K.  u.  K., 
S.210)  fünf  Landschaften,  die  über  den  Kaminen  eingelassen  werden  sollten. 

Der  König  Georg  II.  machte  das  Gesandtenhaus  der  Gattin  des  Ober- 
hauptmanns Adam  Gottlieb  v.  Wallmoden,  Amalie  Sophie,  geb.  von 
Wendt,  die  er  1739  zur  Gräfin  von  Yarmouth  erhoben  hatte,  im  Jahre  1740 
zum  Geschenk.  Diese  kaufte  an  der  Leinstraße  die  beiden  Nachbarhäuser 
hinzu  und  vereinigte  durch  einen  Neubau  die  Teilgrundstücke.  Für  den 
Ausbau  des  Hauses  hat  Joh.  Paul  Heumann  1742  den  Kostenanschlag 
aufgestellt. 

Der  Besitz  ist  nach  dem  Tode  der  Gräfin  Yarmouth  1765  aus  den 
Händen  der  Erben  an  den  Freiherrn  von  Scheele,  später  an  den  Gastwirt 
Böttger  übergegangen,  der  es  1814  käuflich  dem  russischen  General  Graf 
Bennigsen  überließ.  Von  dessen  Erben  kaufte  es  1838  die  Museumsgesell- 
schaft mit  allem,  was  niet-  und  nagelfest  war,  an,  bewohnte  selbst  aber 
nur  das  I.  Geschoß,  während  die  übrigen  Geschosse  vermietet  waren.  In 
den  Bäumen  der  Gesellschaft  blieb  die  feste  Ausstattung  unangetastet. 
(Über  den  Wunsch  des  Königs  Ernst  August,  die  Bilder  der  Königlichen 
Familie  an  sich  zu  bringen,  siehe  Mühry,  Geschichte  der  Museumsgesell- 
schaft zu  Hannover  von  1789  bis  1905.  Hnvr.  o.  J.  bei  Schrader.)  Im 
Jahre  1888  hat  das  Haus  dem  Bau  der  Markthalle  weichen  müssen.  Die 
Museumsgesellschaft  siedelte,  nachdem  sie  einige  Jahre  am  Thielenplatz 
gewohnt  hatte,  1901  nach  dem  Hause  der  Länge-Stiftung,  Theaterstraße  14, 
über  und  ließ  die  alte  Baumausstattung  dort  wieder  verwenden. 

319 


Gesandtenhaus 

Beschreibung        Das  langgestreckte,  jeden  Schmuckes  bare  Fachwerkgebäude  an  der 

Leinstraße  hatte  drei  Geschosse  bei  zwölf  Achsen.  Der  einzige  Eingang  mit 
vorliegenden  Stufen  befand  sich  am  alten  Teile  des  Hauses  links  und  war 
durch  eine  säulengetragene  Giebelverdachung  (vermutlich  um  1814)  aus- 
gezeichnet. Eine  Durchfahrt  lag  rechts.  Die  Fenster  im  ersten  Ober- 
geschoß des  alten  Teiles  waren  rundbogig.  -  -  Ein  Grundriß  ist  im  Stadt- 
archive, Kartenmappe  1,  Bl.  26  u.  27,  Pläne  im  Wallmodenschen  Familien- 
archive (XXVII   1),  Depos.  im  Staatsarchiv. 

Der  Festsaal  im  Obergeschoß  enthielt,  in  die  Wand  eingelassen,  die 
Königsbilder.  Die  Art  seiner  sonstigen  Dekoration  lassen  die  Reste  er- 
kennen, die  nach  dem  Abbruch  von  der  Museumsgesellschaft  in  deren 
Heim  an  der  Theaterstraße  übertragen  worden  sind.  Geschnitzte  Wand- 
täfelungen, gemalte  Supraporten  und  eine  Anzahl  von  Bilderrahmen  und 
Spiegeln  sind  noch  erhalten,  deren  Ornamentik  den  Einfluß  französischer 
Vorlagen  verrät.  Bleibaum  (a.  a.  O.,  S.  305)  vermutet  als  Meister  den 
Hofbildhauer  Christian  Ackermann.  Die  Königsbilder  im  Lesezimmer 
sind  einzeln  verzeichnet  bei  Mühry  a.  a.   0. 

Eine  Tapete,  darstellend  die  Sage  von  Amor  und  Psyche  nach  einem 
Entwurf  des  französischen  Malers  Jacques  Louis  David  (1748 — 1825),  ist 
im  Empirezimmer  der  Gesellschaft. 


320 


Hofmarställe  und  Zubehörungen. 

Bereits  vor  der  Erhebung  Hannovers  zur  Residenz  der  Herzöge  be- 
stand Auf  dem  Brande  ein  fürstliches  Wagenhaus,  nämlich  schon  1577,  wagenhaus  um  157 
wie  einer  Kartenbeilage  zu  den  Schmaleschen  Prozeßakten  (Stadtarchiv, 
Plankopie  von  Engelke  1824,  Mappe  V,  Blatt  17)  zu  entnehmen  ist.  Wenig 
westlich  davon  ist  auf  der  Zeichnung  eine  1666  erbaute  Zeugschmiede  und 
Rademacherei  angegeben*). 

Seit  dem  Bestehen  des  Herzoglichen  Zeughauses  am  Beginenturm  ist 
jedoch  der  Gegend  des  sogenannten  Dreckwalles  für  die  zur  Hofhaltung 
im  weiteren  Sinne  gehörenden  Anlagen  und  Bauten  der  Vorzug  gegeben 
worden.  Auf  dem  Dreckwalle  waren  unmittelbar  nördlich  des  Zeug- 
hauses schon  1650  weitere  landesherrliche  Gebäude  entstanden.  Fernerhin, 
längs  der  Stadtmauer,  wurde  1666  die  fürstliche  Renn-  oder  Reitbahn,  ein  Reitbahn  1666 
mit  Schranken  abgegrenzter  Platz,  angelegt,  der  sich  fast  bis  zum  Gieß- 
hause beim  späteren  Neuen  Tore  erstreckte.  Hinter  der  Ecke  der  Stadt- 
mauer, an  deren  Nordseite,  wo  1645  der  Graben  ausgefüllt  worden  war, 
stand,  dem  Plane  nach,  ein  Reit-  oder  Ballhaus.  Weiter  ostwärts  an  die  Reithaus  um  1645 
Stadtmauer  angelehnt  gab  es  schon  vor  1714  eine  Landesherrliche  Rade- 
macherei und  Schmiede. 

Auf  dem  Gelände  der  fürstlichen  Renn-  oder  Reitbahn  ließ  Herzog 
Ernst  August  1682  —  Schuster  schreibt  1687  --  den  Herrenstall  erbauen, 
der  später  als  „Alter  Marstall"  bezeichnet  wird.  Nach  v.  Malortie  (Btr.  6,  „Alter  Marstaii" 
S.  189)  soll  hier  vorher  ein  Reithaus  von  100  Fuß  Länge  und  50  Fuß  Breite, 
zum  Teil  auf  der  alten  Stadtmauer  erbaut,  bestanden  haben;  die  vorher 
genannte  Zeichnung  gibt  es  nicht  an.  (Vgl.  auch  die  Karte  im  Staats- 
archiv: Karten,  Abt.  IV.  --  Die  ältesten  Akten  der  Marstall-  und  Gestüts- 
verwaltung gehen  auf  das  Jahr  1693  zurück.  Cumberl.  Verm.-Verw., 
Marstallsachen  I.) 

An  das  1682  erbaute  Neue  Tor  hart  anstoßend,  wurde  im  Jahre  1712  Neue  Marstaiianiag 
nordwärts  über  die   Stadtmauerecke  hinaus  ein  Reitstall  errichtet,  auch  von  de  la  Fosse 


*)  Das  Original  von  J.  P.  Heumann  konnte  1931  vom  Stadtarch.  erworben 
werden.  Möglicherweise  ist  das  Wagenhaus  absichtlich  irreführend  eingetragen. 
Zeugschmiede  und  Rademacherei  waren  ein  Zubehör  der  Vogtei. 

321 


Hofmarställe  und  Zubehörungen 

„Neuer  Pferdestall"  genannt,  und  zwei  Jahre  später,  von  dessen  Nord- 
,\i)b.  213  ende  rechtwinkelig  abgebogen,  das  Reithaus.  Nach  Schuster  (K.  u.  K., 
S.  51)  hat  der  Bauschreiber  Westermann  wie  am  Archive  so  auch  hier 
die  Fundamente  angelegt.  Durch  eine  Bemerkung  in  Joh.  Fr.  Armand 
v.  Uffenbachs  Tagebuch  (S.  35)  aus  dem  Jahre  1728  wird  die  Urheber- 
schaft de  la  Fosses  am  Reithause  und  Königlichen  Stall  mitgeteilt.  Die 
Marstallanlage  war  hufeisenförmig  geplant;  die  Vervollständigung  der 
Anlage  in  diesem  Sinne  ist  aber  unterblieben.  Hier,  an  der  nördlichen 
Stadtmauer,  begann  sich  so  der  große  geschlossene  Gebäudebezirk  zu 
bilden,  der  von  dem  Oberhofmarstall-Departement  verwaltet  wurde 
(vgl.  oben:  Weichbildentwicklung,  S.  31).  Längs  des  Hauptwalles  an 
dieser  Seite  entstanden  1715  nach  Landersheimer  (Plan  IV)  die  lang- 
gestreckten Baulichkeiten,  welche  die  Stallmeisterwohnung,  eine  Wagen- 
remise, Inspektorwohnung,  Schmiede  und  Bademacherei  enthielten. 
Gegenüber,  in  knappem  Abstände  von  der  Stadtmauer,  lagen  weitere 
Remisen.  Die  Lücke  zwischen  diesen  und  dem  „Neuen  Stall"  füllten  die 
Wohnung  des  Pferdearztes  und  der  Krankenstall,  zwischen  sich  eine 
Zufahrt  offenlassend.  Der  ungefähr  quadratische,  von  Krankenstall, 
Marstall  und  Reithaus  umsäumte  Platz  diente  als  Reitbahn  und  war  mit 
lichter  Baumbepflanzung  bestanden.  Wie  es  heißt,  war  die  Bahn  nach  dem 
Plane  von  Leibniz  und  unter  seiner  Direktion  angelegt.  (Vaterl.  Arch.  1833, 
S.  BOB.) 


Abb.  213.     Hannover;   Marstallßebäude,  Am  hohen  Ufer.     Reitstall  von  1712.     l'hot.  1905. 


322 


Hofmarställe  und  Zubehörungen 

Der  Marstallbezirk  wurde  1783  durch  die  Anlage  einer  zweiten  offenen  Reitbahn  i?83 
Reitbahn  erweitert,   die  man   nordwärts  des  Reithauses  in   der  dortigen 
Rastion  vor  der  hoch  auf  dem  Walle  gelegenen  „Weyhen  Lobe"  schuf. 
(Abb.  im   Stadtarch.) 

Auf  dem  Gelände  dieser  Reitbahn  ist  1861  nach  Entwürfen  des  Hof-  wagenhaus  von 
baumeisters  Tramm  (Raugenehmigung  vom  Oktober  1858)  das  zwei-  rramm 
geschossige  Glas-Wagenhaus  erbaut,  das  durch  seine  Einrichtung  als 
einzigartig  in  Europa  galt.  Außer  einem  glasüberdeckten,  großen  Hof 
enthielt  es  den  Raum  für  hundert  Wagenstände  und  im  Obergeschoß  einen 
Saal  für  sechzig  Wagen,  die  mittels  eines  Aufzuges  hinaufgeschafft  wurden. 
Das  Gebäude  genoß  nachmals  als  Palmengarten  einen  Ruf.  Sein  Haupt- 
portal an  der  Goethestraße  trägt  noch  heute  den  Namenszug  Georgs  V. 
mit  Wappen  und  die  Jahresinschrift   1861. 

Das  Reithaus  von  1714  ist  im  Jahre  1877  zur  einen  Hälfte  als  Stadt- 
theater, zur  anderen  als  Konzerthaus  ausgebaut.  Die  Fachwerksschauer, 
Schmiede  und  Rademacherei  wurden  zwischen  1863  und  1878  nach- 
einander abgerissen.  Die  Räume  der  beiden  Marstallgebäude  am  Hohen 
Ufer  überließ  man  nach  1866  gewerblichen  Retrieben.  Der  Alte  Marstall 
ist  1906  durch  eine  Feuersbrunst  teilweise  zerstört  und  bei  der  Wieder- 
herstellung um  ein  Stockwerk  erhöht  worden.  Das  Obergeschoß  des 
Neuen  Marstalles  benutzte  zeitweilig  die  preußische  Militärverwaltung  als 
Kaserne.  Der  Reitbahn  bediente  sich  die  nach  Hannover  verlegte  Militär- 
reitschule (vgl.  die  Angaben  von  Sievert,  a.  a.  0.,  S.  90,  und  Rrönnenberg, 
a.  a.  ().,  S.  19.  Über  Wagenpark  und  Geschirre  siehe  den  Folioband  in 
der  Prov.-Ribl.:  „Johann  Friederich",  in  dem  eine  Schrift  enthalten  ist: 
„Eigentliche  Reschreibung  ....  des  Einzugs  in  ....  Hannover", 
Nr.  41,  46  und  50). 

Als  Zubehörung  zu  den  Marstollgebäuden  Am  Hohen  Ufer  waren  auf  Remisen  an  der 
dem  gegenüberliegenden  Leineufer  neben  der  Marstallbrücke  die  dort  noch  Neuen  Straße 
vorhandenen  Raulichkeilen  an  der  Neuen  Straße  Nr.  19 — 19a  als  Wagen- 
remisen und   Fouragespeicher  von  Seiten  der  Landesherrschaft  zu  Ende 
des   17.   Jahrhunderts  errichtet. 

Im  Jahre  1696  wurde  ein  Teil  dieser  Gebäude  den  Neustädter 
Schlachtern  als  Fleischscharren  vermietet.  Später  wurde  das  königliche 
Schlachthaus  und  die  Wohnung  des  Hof  schlachters  dort  eingerichtet, 
welche  bis  zur  Abtretung  der  Gebäude  an  den  Magistrat  1844  daselbst 
bestanden  haben.  Dieser  hat  die  neu  erworbenen  Raulichkeiten  zum 
Hauptspritzenhause  und  zur  Stadtwaage  umgebaut. 

Am  Hause  Neue  Straße  19  A  ist  in  Erdbodenhöhe  ein  Reliefstein  ein-  Reliefstein 
gelassen:   Brustbild  eines  bärtigen  Kriegers  (Gideon)  im  Profil,  mit  ver- 
ziertem Helm  und  Harnisch  innerhalb  einer  halbbogigen  Nische  (Mitte  des 
16.  Jahrhunderts).   Der  Stein  ist  hier  nicht  am  ursprünglichen  Ort,  sondern 

323 


Hofmarstüllc  und  Zubehörungen 

Ai.b.  21 1  stammt  von  der  Homeyde  des  Leintores  und  wurde  nach  deren  Abbruch 
an  seinen  jetzigen   Platz  versetzt. 


Abb.  214.    Hannover;  Neue  Straße  19.    Phot.  1929.     Siedentopf. 

An  der  Rückseite  des  Hauses  Nr.  19  ist  ein  Konsolstein  in  Form  einer 
weiblichen  Maske  eingelassen.  Er  stammt  vermutlich  ebenfalls  von  der 
Leintorhomeyde  und  gehört  der  gleichen  Zeit  wie  die  vorhergenannte 
Skulptur  an  (Abb.   Siedentopf,  Adreßbuch  1929,    S.  12). 

maultierstall  Dem  Oberhofmarstall-Departement  unterstand  außer  den  bisher 
genannten  Anlagen  der  am  Anfange  der  Herrenhäuser  Allee,  rechter  Hand 
im  Jahre  173b  erbaute  sogenannte  „  Trage  thierstall"  für  Maultiere  nebst 
Schmiede  und  Wagenschuppen.  Das  massive  Stallgebäude,  das  auf  einem 
Stadtplan  von  1745  als  hufeisenförmige  Anlage  angegeben  wird,  ist  --  wie 
v.Malortie(Beitr.,  Heft  6,  S.189)  den  Akten  des  Departements  entnommen 
hat  —  während  des  Siebenjährigen  Krieges  von  den  Franzosen  als  Kranken- 
haus benutzt  und  im  Jahre  1771  an  die  Militärverwaltung  überwiesen. 
Diese  hat  um  1780  weitere  Gebäude  hinzugefügt  als  Kaserne  der  Leibgarde 
zu  Pferde,  später  der  Garde  du  Corps  (s.   darüber  Seite  338  ff). 

Fouragemagazin        Zum  Ersatz  erwarb  die  Militärverwaltung  den  auf  der  anderen  Seite 
der  Allee  belegenen  v.  Wencksternschen  Garten  von  der  Landesherrschaft, 
Abb.  2iö  die  diesen  1796  angekauft  hatte,  und  erbaute  dort  ein  Magazin,  das  sie 
dem  Marstall-Departement   übergab. 

Dieses  Gebäude,  das  sogenannte  Fouragemagazin,  ist  erst  1800  vollendet 
worden  und  enthielt  einen  Raum  für  die  Gewehrkammer  des  Oberjagd- 
departements, weil  dieses  Departement  seine  bisherige  Rüstkammer  im 
Maultierstall  hatte  abtreten  müssen. 

324 


Hofmarställe  und  Zubehörungen 

Bis  18G6  wurde  das  Fouragemagazin  von  der  Hofhaltung  zur  Spei- 
cherung  des  Heues  für  den  Marstall  benutzt.  Es  ging  dann  an  die  preu- 
ßische Militärverwaltung  über  und  brannte  1874  ab,  worauf  das  Grund- 
stück verkauft  und  mit  Wohnungen  bebaut  wurde. 


Abb.  215.  Hannover;  Königsworther  Platz  und  Herrenhäuser  Allee  nach  Zeichnung  von  Kretschmer,  1840. 
An  der  Allee  links  das  Königl.  Fouragemagazin. 

Eine  um  1840  entstandene  Lithographie  (Stadtarch.,  Kart.  2,  Bl.  9) 
läßt  das  Aussehen  des  reizvollen  Bauwerkes  erkennen.  T-förmige  Anlage, 
eingeschossig,  mit  hohem  gewähnten  Dach,  Frontrisalit  von  zwei  Ge- 
schossen bei  fünf  Achsen  mit  Dreiecksgiebel.  Mitteleingang  rundbogig  in 
Rustikaumrahmung.  Die  Magazinräume  wurden  durch  hochsitzende 
Rundfenster  erhellt.    Der  Rückseitenflügel  hatte  Mansardendach. 


325 


Ballhof 


Abb.  210a.     Hannover;    Ballhof.     Querschnitt. 
Dachbinderkonstruktion;    Konsole.     Aufnahme  1930.  D. 


Abb.  210b.     Hannover;  Ballhof.    Längsschnitt  nach  einer  Skizze 
von  J.  P.  Heumann,    1740.     Staatsarchiv. 


326 


Ballhof. 

Auf  dem  landesherrlichen  St.  Gallenhof  stand  zur  Zeit  der  Erhebung 
Hannovers  zur  Residenz  außer  der  Ruine  der  einstigen  St.  Gallenkapelle 
wahrscheinlich  noch  ein  herrschaftliches  Gebäude,  in  dem  ein  Teil  der 
Hofdienerschaft    untergebracht   wurde.     Im    Jahre   1619*)  wie    über- 

einstimmend  angegeben   wird  hat   Herzog    Georg   Wilhelm   den   Rau 

eines  Ballhofes  auf  seine  Kosten  begonnen,  zu  dem  er  nach  Schuster 
(K.  u.  K.,  S.  1<S)  das  Bauholz  aus  den  Forsten  des  Amtes  Coldingen 
herbeischaffen  ließ.  Der  Zweck  des  Baues  war,  dem  Sport  des  Ballspieles 
zu  dienen.  Es  fanden  hier  aber  auch  Theatervorstellungen  und  Maskeraden 
statt,  und  1672  ließ  Herzog  Johann  Friedrich  daselbst  die  erste  Oper 
aufführen. 

Der  Ballhof  ist  samt  Nebengebäuden  unmittelbar  nach  seiner  Fertig- 
stellung, wie  es  in  einer  der  den  Ballhof  betreffenden  Akten  heißt  (Staats- 
archiv Hannover,  Des.  9,  Var.  B.,  Nr.  30),  dem  Kammerdiener  Francesco 
Capellini  Stechinelli  auf  dessen  Bitten  als  Schenkung  gegeben  (21.  No- 
vember 1664)  mit  dem  landesherrlichen  Vorbehalt  des  Näher-Kauf rechtes. 
Seitdem  ist  das  Gewese  in  privater  Hand  geblieben,  ohne  daß  von  dem 
Vorkaufsrechte  Gebrauch  gemacht  worden  wäre.  Doch  hat  der  Kurfürst 
Ernst  August  den  Vorbehalt  durch  die  Klausel  erweitert,  der  Ballhof 
dürfe  nicht  eingehen,  sondern  müsse  „beständig  unterhallen  und  con- 
servieret"  werden.  Noch  1823  stellt  die  Landesherrschaft  ihr  Recht  fest, 
jederzeit  verlangen  zu  können,  „daß  das  Rallhaus  nicht  anders  als  ein 
Ballhaus  gebraucht  und  zu  diesem  Zwecke  in  den  gehörigen  Stand  gesetzt 
und  in  selbigem  erhalten  werde". 

Eine  Erneuerung  des  Ballhofsaales  hat  1779  stattgefunden.  Damals 
wurde  ein  Entwurf  Joh.  Georg  Täntzels  (Prov.-Bibl.,  Mappe  XVII,  125a) 
ausgeführt  durch  den  Zimmermeister  G.  Etzel,  dessen  Kostenrechnung 
dem  Plane  beiliegt:  Anschlag  von  sämtlichen  Kosten  Behuf  Eines  neuen 
Plafons  nebst  Einer  neuen  Tribine  und  Verzirhung  der  Ständer  auf  der 
Galri  nach  dem  dazu  verfärtigtem  Biß.  (Abbildung  des  Risses  in  „Deutsche 
Bauzeitung",   1931,  3.  Juni,   S.  276.) 


*)  Die  Rechnung  des  Gallenregisters  im  Stadtarchiv  gibt  an:     29.  Mai  1649. 

327 


Hallhof 

Der  Ballhof  war  der  größte  Saal  der  Stadt  und  „machte,  gut  erleuchtet, 
vielen  Effect".  (W.  Lohmann,  Geschichtsabriß  der  Stadt  Hannover, 
Hann.  1818,  S.  159.)  Der  Hof  pflegte  sich  oftmals  des  großen  Raumes 
zu  bedienen:  so  bewirtete  1819  der  nachmalige  König  Wilhelm  IV.  hier 
eine  zahlreiche  „Assemblee''.  Bälle  und  Maskeraden,  auch  die  von  der 
Hoftheaterverwaltung  veranstalteten  Konzerte,  welche  der  König  Ernst 
August  gern  besuchte,  fanden  bis  1852  daselbst  statt. 

Beschreibung  Das  langrechteckige  einräumige  Ballhaus  mit  seinen  starken  fenster- 
losen Bruchsteinmauern,  über  die  sich  ein  offenes  Fachwerkgeschoß  weit 

Abb.  216a  hinauskragte,  war  —  wie  ein  von  Joh.  Paul  Heumann  gefertigter  Lageplan 
aus  dem  Jahre  1746  dartut  -  -  (Staatsarch.  Hannover,  Des.  9,  Varia  B, 
Nr.  30)  damals  schon  von  Nachbargebäuden  eng  umbaut  und  ist  auf 
eine  Außenarchitektur  nicht  berechnet  gewesen.  Von  der  Gestaltung  des 
einzigen  Einganges  in  der  Mitte  der  nördlichen  Langseite  ist  nichts  bekannt. 

Abb.  216b  Auf  einem  Längsschnitt,  den  Heumann  ebenfalls  skizzenhaft  bietet  (bei 
den  genannten  Akten),  ist  die  Decke  als  Spiegelgewölbe,  das  Dach  als 
gewalmtes  Satteldach  angedeutet,  und  angegeben,  daß  die  ringsherum 
sich  ziehende,  auf  das  Mauerwerk  gelagerte  Galerie  nach  außen  durch 
vorgehängte  Netze  geschlossen  wurde,  um  das  Licht  durchfallen  zu  lassen. 

Über  Ballhäuser  macht  Penther  (a.  a.  0.,  Teil  III,  S.  102)  kurze  An- 
gaben. Die  Schwierigkeit  der  baulichen  Aufgabe  sieht  er  in  der  Über- 
deckung eines  solchen  Saales,  von  dem  etwa  33:100  Fuß  lichte  Maße 
gefordert  wurden.  Beim  hannoverschen  Ballhofe  beträgt  die  Spann- 
weite 11,38  m. 

Dank  der  Verkaufsklausel  ist  der  Erhaltungszustand  des  Ballhofes  ein 
verhältnismäßig  günstiger. 


328 


Amtsgebäude: 


ARCHIV  UND  BIBLIOTHEK. 

(Staatsarchiv  und  vorm.  Königl. 

und  Provinzial-Bibliothek). 
GERICHTSGEBÄUDE : 

Justizkanzlei. 

Schwurgericht. 
KONSISTORIUM. 
MÜNZSTÄTTEN: 

Städtische  Münze. 

Landesherrliche  Münze. 
RATHÄUSER: 

Altstädter  Rathaus. 

Neustädter  Rathaus. 
REGIERUNGSGEBÄUDE : 

Stadtvogtei. 

Dikasteriengebäude. 
STÄNDEHÄUSER: 

Haus  der  Landstände. 

Haus  der  Ritterschaft. 
WAAGE. 


329 


Archiv  und  Bibliothek 

(Staatsarchiv  und   vorm.  Königliche  und   Provinzial-Bibliothek). 

baugeschichtf.  iVlit  dem  Tode  Georg  Wilhelms  in  Celle  und  der  Vereinigung  der 
Fürstentümer  Calenberg  und  Lüneburg  zu  einem  Staatsgebilde  im  Jahre 
1705  ging  die  Zusammenlegung  der  calenbergischen  und  cellischen  Landes- 
archive einher:  zunächst  örtlich,  1776  auch  der  Verwaltung  nach.  Der 
Bau  eines  besonderen  Archivgebäudes  wurde  sofort  vorgesehen;  aber 
erst  1712  beschloß  der  Kurfürst,  auf  dem  Platze  hinter  dem  damaligen 
landesherrlichen  Wagenhause  und  längs  des  Walles,  der  von  dem  Horn- 
werk  bei  der  aufgeflogenen  Pulvermühle  oder  Langen  Leine  in  südwest- 
licher Richtung  verlief,  das  Gebäude  zu  errichten  (vgl.  dazu  die  Be- 
zeichnung der  Örtlichkeit  auf  dem  Plane  von  Landersheimer,  Ztsch.  d. 
Hist.   Vereins  f.   Niedersachsen   1897). 

Daß  Leibniz  -  wie  er  zu  Wolfenbüttel  Angaben  für  den  Korbschen 
Bau  der  Herzoglichen  Bibliothek  gemacht  hat  -  auch  in  Hannover  die 
Anlage  beraten  hat,  ist  anzunehmen.  Unter  den  Leibnizhandschriften 
der  vorm.  Königlichen  Bibliothek  zu  Hannover  (XL  Fol.  26  ff.)  findet 
sich  ein  Manuskript:  „Idee  d'une  Bibliotheque".  Nach  v.  Alvensleben 
(Herrenhausen,  Seite  85)  hat  de  la  Fosse  die  Pläne  des  Archivs  ent- 
worfen; sein  Mitarbeiter  und  Nachfolger  Böhme  soll  den  Bau  vollendet 
haben  (1714—17). 

Im  Frühsommer  1712  begann  man  mit  der  Anlieferung  des  Bau- 
materials und  dessen  Lagerung  auf  dem  Platze  der  ehemaligen  Pulver- 
mühle. Die  Bruchsteine  wurden  aus  den  Brüchen  von  Barsinghausen 
und  den  Ämtern  Lauenstein  und  Springe  herangeführt,  die  Ziegel  aus  den 
Ziegeleien  bei  Herrenhausen.  Eine  Untersuchung  des  Baugrundes  durch 
den  mit  der  Bauleitung  beauftragten  Überbaumeister  Job.  Caspar  Borch- 
man  fand  gleichzeitig  statt.  Bei  der  Ausschachtung  seit  Juli  1713  stellte 
sich  die  Notwendigkeit  heraus,  den  ganzen  Bau  auf  Pfahlwerk  zu  gründen, 
und  zwar  waren  nicht  nur  10  Fuß  lange  Pfähle,  sondern  auch  solche  von 
20  bis  30  Fuß  Länge  erforderlich.  Erst  im  September  konnte  die  Legung 
des  Grundmauerwerkes  durch  den  Bauschreiber  Brand  Westermann 
beginnen.    Es  wurde  zuerst  das  Mauerwerk  längs  des  Walles  und  an  der 

330 


Archiv  und  Bibliothek 

Leineseite  ausgeführt,  um  das  in  die  Baugrube  eindringende  Wasser 
abzudämmen.  Nachdem  reichlicher  Steine  herangebracht  waren,  ließ 
sich  der  Bau  gleichmäßig  fördern,  doch  war  er  erst  1721  beendet. 

Das  Übergeschoß  hatte  man  gewölbt,  während  man  dem  Erdgeschoß 
nur  teilweise  eine  Balkendecke  gegeben  hatte,  derart,  daß  in  Fußboden- 
höhe des  Obergeschosses  ein  Umgang  verlief. 

Der  Innenausbau  und  die  Ausstattung  nahmen  noch  die  Jahre  1723 — 25 
in  Anspruch.  Die  Baukosten  betrugen  von  Juli  1713  bis  Ende  Mai  1725 
rund  54000  Taler. 

Bei  der  inneren  Einrichtung  wurde  der  nordöstliche  Flügel  dem  calen- 
bergischen,  der  gegenüberliegende  dem  cellischen  Archive  zugewiesen. 
Auf  der  calenbergischen  Seite  befand  sich  auch  ein  Benutzersaal.  Im 
Mansardengeschoß  erhielt  die  Königliche  Bibliothek  die  über  dem  calen- 
bergischen Archive  belegenen  Bäume  zugewiesen;  mit  dem  Anwachsen 
der  Büchersammlung  dehnte  sich  nach  und  nach  die  Bibliothek  über 
das  ganze  Mansardengeschoß  aus. 

Die  Benutzung  des  Gebäudes  stellte  einen  fortwährenden  Kampf 
mit  der  Feuchtigkeit  in  den  Bäumen  dar,  die  vom  Mauerwerk  ausging 
und  durch  die  Beschattung  vom  Wall  und  (\v\\  darauf  stehenden  Linden- 
bäumen festgehalten  wurde.  Sie  war  den  Archivalien  äußerst  unzuträg- 
lich. Von  vornherein  hatte  man  deshalb  die  Decken  des  Erdgeschosses 
offen  gelassen  und  den  Erdgeschoßfenstern  keine  Verglasung,  sondern 
nur  eine  Draht  Vergitterung  gegeben.  Nachdem  1767  der  Wall  abgetragen 
war,  nahm  die  Feuchtigkeit  ab,  so  daß  1772  die  Baubeamten  keine  Be- 
denken mehr  trugen  gegen  eine  Schließung  der  Decken  des  Erdgeschosses 
und  der  Fenster.  1807  drang  Hochwasser  ein;  der  Mangel  an  baulicher 
Pflege  während  der  französischen  Besetzung  verschlimmerte  die  Zu- 
stände wieder;   Fäulnis  und   Schwamm  ergriffen   Holz-  und   Mauerwerk. 

An  baulichen  Veränderungen  ist  wenig  zu  verzeichnen.  1858  er- 
hielten die  bisher  noch  offenen  sieben  Bäume  des  Erdgeschosses  voll- 
ständige Balkendecken,  so  daß  nicht  mehr  bloß  auf  den  Umgängen  Akten 
aufgestellt   werden   konnten. 

Den  Archivbeständen  war  durch  das  Hinzukommen  anderer  landes- 
herrlicher Archive,  wie  Bremen,  Verden,  Hildesheim,  und  der  Urkunden 
und  Akten  der  neueren  Zeit  sowie  durch  Veränderungen  in  der  Verwaltung 
ein  so  erheblicher  Zuwachs  zugeführt,  daß  1882  der  verfügbare  Baum 
ganz  belegt  war. 

Das  galt  auch  für  die  Zimmer  der  Königlichen  Bibliothek  im  Man- 
sardengeschoß. Diese  von  Johann  Friedrich  begründete  Bücherei  war 
anfangs  in  Herrenhausen,  später  in  drei  Zimmern  des  Schlosses  an  der 
Leine  aufgestellt.  1676 — 1716  hatte  Leibniz  daran  die  Stelle  als  erster 
Bibliothekar  inne;  durch  ihn  besonders  ist  die  Sammlung  zu  Bedeutung 
erhoben.     Unter    den    Drucksachen    finden    sich    wertvolle    und    seltene 

331 


Archiv  und   Bibliothek 


Inkunabeln,  darunter  verschiedene  einzig  vorkommende.  Die  Hand- 
schriftensammlung  enthält  nicht  nur  für  die  Geschichte  der  Braun- 
schweig-Lüneburgischen  Lande,  sondern  auch  für  die  allgemeine  und 
deutsche  Geschichte  wichtige  Dokumente,  dazu  alte,  zum  Teil  mit  Minia- 


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Abb.  217.     Hannover;  vorm.  Königl.  Archiv:  Grundriß  des  Erdgeschosses    1883. 


Abb.  218.     Hannover;  Archivgebäude,  Ansicht  von  der  Archivstraße  vor  der  Umänderung.     Phot.  1889. 


turen  geschmückte  Pergamente.  1719  kam  Leibniz'  umfangreicher  hand- 
schriftlicher Nachlaß  hinzu.  Wie  Lohmann  (a.  a.  O.,  1<S18,  S.  74)  über- 
liefert, waren  auch  technische  Merkwürdigkeiten  und  mehrere  Kunst- 
sachen, dabei  Kupferwerke,  zum  Teil  nach  Gemälden  von  Raphael,  in 
Rahmen  vorhanden. 


332 


Archiv  und  Bibliothek 

Die  Beschaffung  neuen  Raumes  für  Archiv  und  Bibliothek  wurde 
dringend  erforderlich.  1889  begann  man  deshalb  mit  einem  Umbau. 
Für  das  Archiv  erhöhte  man  das  Gebäude  um  ein  Stockwerk,  und  für  die 
Bibliothek  schuf  man  einen  in  der  Mitte  der  Südfront  rechtwinkelig 
angesetzten  Flügelbau,  so  daß  ein  T-förmiger  Grundriß  entstand.  Das 
umgeänderte  und  erweiterte  Gebäude  konnte  1893  der  Benutzung  über- 
geben werden.    Näheres  darüber  s.  ,,Centralbl.  d.  Bauverw."  1890,  S.  529  f. 


s.r- 


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Abb.  219.    Hannover;    Staatsarchiv,   Teilstück   des    Fassadenaufrisses   an   der  Straße    Am  Archive. 

Nach  Aufnahme  von  Pape,  188:5. 

(Zur  Darstellung  der  Baugeschichte  des  Archivgebäudes  waren  die  in  den 
Akten  der  Archivdirektion  vorhandenen  handschriftlichen  Aufzeich- 
nungen des  Archivrates  M.  Bär  dankenswert  zur  Verfügung  gestellt.) 

Das  1712 — 21  erbaute  landesherrliche  Archiv  ist  ein  ursprünglich  zwei-  beschbeibi  jng 
geschossiger  Massivbau  mit  gewähntem  Mansardendach  und  umfaßt  ein  desZustandesvori889 
Rechteck  von  81,93  m  Länge  bei  13,80  m  Breite.  Der  Sockel,  diegequaderten 


333 


Archiv  und  Bibliothek 

Ecklisenen,  die  Simse  und  Gewände  bestehen  aus  Sandstein;  die  Wand- 
Abb.  217/219  flächen    sind    geputzt.     Die    Langfronten    werden    durch    Lisenenumrah- 


Abb.  220.     Hannover,   Archivgebäude,    Mittelporta]  ;m  der  Straße  Am  Archive.    Zustand  vor  1889. 


mungen  in  elf  Felder  zergliedert,  die  Kopfseiten  in  zwei.    Die  Nordfront 

als  Hauptfassade  erhält  durch  die  Verteilung  von  drei  Portalen  stärkere 

Abb.  220  Cäsuren.    Die  Achsenzahl  ist  19.    Das  Mittelportal  hebt  sich  hervor  durch 

334 


Archiv  und  Bibliothek 

reichere  Ausbildung:  rundbogiger  Schluß  der  Tür;  gebrochene,  ver- 
kröpfte Segmentverdachung  auf  Konsolen;  die  Fensterumrahmung  ist 
mit  dieser  Architektur  zusammengezogen:  die  das  Wandfeld  beseitenden 
Lisenen  haben  Pilastervorlagen  erhalten,  auf  denen  ein  Dreiecksgiebel 
mit   dem    Königlichen    Wappen    im   Tympanon    vorgekröpft    ist.     Etwas 


Abb.  221.     Hannover;  vorm.   Königl.  Archiv,   Querschnitt,  IScS.'?. 


weniger  reich,  aber  der  Mitteltür  entsprechend,  sind  die  beiden  Neben- 
türen behandelt.  Die  Lichtöffnungen  haben  durchweg  segmentbogigen 
Schluß  mit  Schlußstein.  Auf  der  Mansarde,  deren  Oberdach  weit  aus- 
liegt, waren  auch  beim  alten  Bau  der  Achsenzahl  entsprechend  Gauben 
mit  Dreiecksgiebeln  verteilt.  Wie  Redecker  (a.  a.  O.,  S.  <S00)  zum  Jahre 
1716  angibt,  war  das  Dach  „mit  Schieferstein  gedeckt".  Besteigbare 
Kamine  ragten  über  den  First  empor. 

335 


Archiv  und  Bibliothek 

Das  Innere  war  so  geteilt,  daß  beiderseits  des  in  der  Mittelachse  ange- 
ordneten Vestibüls  und  Treppenhauses  je  fünf  Räume  den  Zwecken 
\i>b.  221  des  Archivs  dienten.  Wie  vorne  gesagt,  hat  man  das  Obergeschoß  ge- 
wölbt, und  zwar  dreischiffig  auf  Wandvorlagen  und  Konsolen.  Das 
System  wird  dargestellt  durch  eine  Langtonne  über  den  langrechteckigen 
Räumen,  die  sich  dreischiffig  mit  Quertonnen  -  einer  weitspannenden 
und  zwei  engeren,  gestelzten  —  durchdringt.  Die  Fenster  liegen  in  Stich- 
kappen. 


336 


Gerichtsgebäude. 


Justizkanzlei. 

IJie  Justizkanzlei,  der  erste  Gerichtshof  über  alle  Kriminal-,  Zivil- 
und  Lehenssachen  in  dvn  Fürstentümern  Calenberg,  Grubenhagen, 
hatte  ursprünglich  kein  eigenes  Amtsgebäude,  und  war  bis  zum  Jahre 
1741  in  dem  damals  durch  Brand  zerstörten  Kammerflügel  des  Schlosses 
untergebracht.  Nach  dem  jüngeren  Uffenbach  war  die  Kanzlei  zu  seiner 
Zeit,    1 728,    im   Archivgebäude.     Man   verlegte   die   gerichtliche    Behörde 


Abb.  222.    Hannover;  nicht  ausgeführter  Entwurf:  „Aufris  zu  einem  neuen  Gebäude  für  die  Königliche 
Justitz  Canzley  und  das  Consistorium  in  Hannover",  signiert  L.  C.  Ziegler.    (Original  im  Staatsarchiv, 

Kartensammlung.) 


in  das  Haus  Osterstraße  59,  für  das  der  Name  „Alte  Justizkanzlei"  bis 
heute  erhalten  ist,  obwohl  die  Unterbringung  daselbst  nur  zwei  Jahr- 
zehnte gedauert  hat.  (Beschreibung  des  Hauses  s.  Liste  der  Bürgerhäuser.) 
1760 — 82  hat  der  Marienröder  Hof  an  der  Köbelingerstraße  (Brönnenberg, 
S.  28),  anscheinend  mietweise,  das  Gericht  beherbergt. 

22  337 


Gerichtsgebäude 

Wahrscheinlich  gehört  in  das  .Jahr  1 77.S  ein  fünf  Blätter  umfassender 
Abb.  222  Entwurf  ,,zn  einem  neuen  Gebäude  für  die  Königliche  Justiz-Canzley 
und  das  Konsistorium  in  Hannover",  der  von  L.  C.  Ziegler  signiert  ist 
(Staatsarchiv,  Karten  I.  A.  b.  71).  Skizzen  zur  Fassadenlösung  des 
gleichen  Entwurfes,  anscheinend  von  der  Hand  des  Hofbaumeisters  Körtje, 
liegen  ebenfalls  vor.  Der  Ernst  der  Bauabsicht  bekundet  sich  in  der 
Anweisung  eines  Bauplatzes  am  26.  April  1778  „zwischen  dem  Königlichen 
Consistorium  und  der  Wohnung  des  Reformierten  Kantors".  (Akten 
des  Ober-Hofmarschallamtes,  Verm.-Verw.)  Bedauerlicherweise  ist  der  Bau 
nicht  zur  Ausführung  gekommen.  Vielmehr  entschloß  sich  die  Staats- 
regierung 1782,  das  v.  Redensche  Palais  auf  der  Osterstraße  33  anzukaufen, 
um  es  der  Justizkanzlei  als  Amtsgebäude  zuzuweisen.  Auch  nach  Um- 
wandlung der  richterlichen  Behörde  in  ein  Amtsgericht  1852  blieb  die 
Unterbringung  unverändert  bis  zum  Jahre  1882.  Seine  Sitzungen  hielt 
das  Tribunal  in  dem  großen,  durch  zwei  Geschosse  gehenden  Saale  ab, 
der  mit  Büsten  geschmückt  war.  In  dem  Gebäude  befand  sich  außerdem 
eine  juristische  Bücherei,  die  auch  geschichtliche  und  staatsrechtliche 
Werke  enthielt.  Die  Sammlung  pflegte  durch  Stiftungen  und  durch 
Ablieferung  von  jedem  bei  der  Justizkanzlei  zur  Zensur  kommenden 
juristischen  Werke  vermehrt  zu  werden.  Mit  der  Fertigstellung  des  Justiz- 
palastes am  Volgersweg  wurde  das  Haus  Osterstraße  33  für  die  Justiz 
entbehrlich  und  ist  1886  an  die  englische  Gasgesellschaft  verkauft  worden 
(über  das  Haus  Osterstraße  33  s.   S.  413). 


Schwurgericht 
(abgebrochen   189-1). 

Neben  dem  ehemals  v.  Platenschen  Palais  am  Georgsplatze,  das  1852 
zur  Unterbringung  des  neugeschaffenen  Obergerichtes  vom  Staate  er- 
worben war,  erbaute  man  1853  nach  den  Plänen  von  Hunaeus  das  Schwur- 
gericht. Das  Gebäude,  das  bis  1894  bestanden  hat,  war  in  romanischen 
Stilformen  aus  Ziegeln  mit  Hausteinverwendung  errichtet  (Abb.  im 
Stadtarchiv). 

Über  das  Obergericht  am  Georgsplatz  s.  Platensches  Palais,  S.  429. 
Näheres  bei  Sievert,  a.  a.  0.,   S.  21. 


338 


Konsistorium. 

L)as  vom  Herzoge  Georg  von  Calenberg  eingerichtete  Konsistorium 
besteht  in  Hannover  seit  dem  1.  Mai  1636;  nur  vorübergehend,  auf  die 
Dauer  von  einigen  Jahren  bis  um  1642,  hatte  es  seinen  Sitz  in  Hildesheim. 
Bevor  für  die  geistliche  Behörde  ein  eigenes  Gebäude  erbaut  war,  fanden 
ihre   Sitzungen  wahrscheinlich  im   Schlosse  selbst  statt. 


Abb.  22'A.    Hannover;    das  ehemalige  Konsistorium,  Brandstraße  23. 
Nach  einem  Aquarell  1868  von   A.  Albes,    Stadtarchiv. 


Erst  1723  erhielt  das  Konsistorium  sein  Offizialgebäude  vor  der 
Bastion  an  der  Esplanade,  an  der  späteren  Großen  Brandstraße.  Die 
Schwierigkeiten  in  der  Unterbringung  der  Staatsbehörden  hatten  um 
1778  zu  dem  ernstlich  erwogenen  Plane  geführt,  für  die  Justizkanzlei 
und  das  Konsistorium  einen  gemeinsamen  Neubau  an  der  Brandstraße 
zu  schaffen,  der  aber  nicht  verwirklicht  worden  ist.    (Über  die  Entwürfe 

339 


Konsistorium 

dazu  siehe  das  bei  der  Justizkanzlei  Gesagte  auf  S.  338.)  Das  Kon- 
sistorium behielt  so  bis  1872  sein  altes  Dienstgebäude  und  wurde  dann 
in  das  mietweise  vom  Staat  erworbene  Graf  Bremersche  Haus  an  der 
Friedrichstraße  im  Zuge  der  1886  durchgebrochenen  Ebhardtstraße 
verlegt.  1885  erhielt  das  Konsistorium  seinen  Sitz  in  dem  als  Gasthaus 
erbauten   Gebäude  am  Neustädter  Markte. 

Beschreibung         Das  1723  erbaute,  nachmals  umgestaltete  Amtshaus  des  Konsistoriums 

war  nach  einer  Abbildung  aus  dem  Jahre  1868  (Stadtarchiv,  Brüelsches 

Ai>i>.  22:!  Ehrenalbum)    ein    dreigeschossiger    Massivbau    von    fünf    Achsen    in    der 

Front,  bei  drei  Achsen  in  der  Tiefe.    Kcklisenen  und  Gewände  bestanden 

aus    Sandstein.     Vermutlich   ist   das  2.    Obergeschoß    nicht   ursprünglich. 

Das  Haus  ist  als  Amtsgebäude  für  das  Provinzialschulkollegium  um 
1895  erweitert    und  hat  dabei    ein    ganz  verändertes  Aussehen  erhalten. 

Über  den  heutigen  Amtssitz  des  Konsistoriums  s.   S.  644. 


340 


Münzstätten. 

Wach  einer  Vermutung  von  P.  J.  Meier-Braunschweig  (Archiv  für 
Brakteatenkunde,  Band  2,  S.  259  ff.)  hat  Heinrich  der  Löwe  gegen  Ende 
des  12.  Jahrhunderts  bereits  eine  Münze  in  Hannover  unterhalten.  Wahr- 
scheinlich ist  die  Stätte  der  ersten  Münzprägung,  die  Ortwin  Meier  (Berliner 
Münzblätter  1925,  Nr.  272/73,  S.  293)  als  gegen  das  Ende  der  70er  Jahre 
entstanden  annimmt,  auf  dem  landesherrlichen  Hofe,  dem  späteren 
St.  Gallenhofe,  zu  suchen.  Das  Münzhoheitsrecht  ist  dann  von  dem 
Pfalzgrafen  Heinrich  dem  Langen  und  daneben  auch  von  dem  Grafen- 
geschlecht derer  von  Boden  ausgeübt  worden.  Während  dieser  Zeit  und 
seit  1241,  nachdem  die  Stadt  Hannover  wieder  ihrem  eigentlichen 
Landesherrn  botmäßig  geworden  war,  lag  die  landesherrliche  Münze 
wahrscheinlich    auf    der   Burg  Lauenrode  oder  in  ihrer  Nähe. 

Städtische  Münze. 

Am  2.  Februar  1322  verkaufte  Otto  der  Strenge  die  Münzgerechtsame 
an  die  Geistlichkeit,  die  Bitterschaft,  die  Stadt  Hannover  und  das  ganze 
Land  zu  eigenem,  uneinlösbarem  Rechte  (Sudendorf,  Urk.  B.,  I.  Teil, 
Nr.  357  und  35<S)  und  bestimmte,  daß  nur  ,,to  Horiovere  in  der  olden 
stad"  Pfennige  geschlagen  werden  dürften.  Das  Gebäude,  in  dem  daraufhin 
die  Münzprägung  stattfand,  lag  entweder  auf  dem  St.  Gallenhof  oder 
auf  dem  Baschenhof  an  der  nördlichen  Stadtmauer  (Ortwin  Meier,  a.a.  ().). 
Der  Versuch  der  Herzöge  1438,  das  Münzhoheitsrecht  wiederzugewinnen, 
führte  zur  Übernahme  des  Prägerechtes  durch  die  Stadt  allein.  Der  Bat  zu 
Hannover  schlug  das  Geld  in  einem  auf  dem  Marienröder  Hofe  gelegenen 
gemieteten  Hause;  seit  1501,  nach  dem  Zustandekommen  des  Hildes- 
heimer  Münzvertrages,  im  Hause  am  Kreuzkirchhof  Nr.  4;  wenige  Jahr- 
zehnte darauf,  im  Jahre  1535,  in  dem  durch  die  Beformation  verfügbar 
gewordenen  Barfüßerkloster.  Hier  blieb  die  Münzschmiede  länger  als 
100  Jahre,  bis  Herzog  Georg  von  Calenberg  das  Klostergelände  für  die 
Erbauung  seines  Palatiums  in  Anspruch  nahm  und  die  Münze  1639  nach 
dem  im  Klostergange  wieder  aufgebauten  Gebäude  des  Batsklosters 
verlegt  wurde  (s.   H.    G.   1915,   S.   106/07).     1674  ließ  hier  der  Bat  zum 

341 


Münzstätten 

letzten  Male  Münzen  der  Stadt  Hannover  herstellen;  die  Münze  wurde 
am  27.  November  des  genannten  Jahres  geschlossen.  Von  1708 — 58 
hatte  die  Regierung  das  gleiche  Haus  pachtweise  inne  und  ließ  dort 
Medaillen,  seit   1719  auch  Goldgulden  prägen. 

Über  Einrichtung  und  Beirieb  der  Hannoverschen  Münze  s.  Engelke 
in  II.  G.  1915,   S.  109  ff. 


Landesherrliche  Münze. 


Unter  .Johann  Friedrich  wurde  auf  Anregung  des  Ober-Bergfaktors 
Johann  Duve  vom  Jahre  1670  an  die  herzogliche  Münzprägung  in  Hannover 
aufgenommen.  Zuerst  in  der  Münze  der  Stadt  bis  zum  Jahre  1674,  dann 
vielleicht    in   einer  eigenen,   auf  dem   Grundstück  des   Residenzschlosses 


Abb. 


Abb.  224.  Hannover;  Münzgebäude  am  Friederikenplatz.  Nach  einem  von  .(.  I'.  Ileumann 
signierten  Blatte  im  Staatsarchiv  (Des.  Hannover  120,  VI,  Nr.  2):  „Plan  von  der  neu  zu 
erbauenden    Münze".     Das  Blatt   enthält   außerdem    den    Grundriß   des    Obergeschosses    und 

den  Aufriß  (Abb.  225). 

eingerichteten  Münze,  bis  ein  Brand  1711  diese  Stätte  zerstörte  und 
die  Prägung  stillgelegt  wurde.  Die  Gerätschaften  verkaufte  man  1716 
zum  Teil  nach  Osnabrück.  Erst  1749  ließ  Georg  IL,  um  Goldmünzen 
prägen  zu  können,  aufs  neue  zwei  Schmelzöfen  und  einen  Glühofen  ein- 
richten sowie  den  vorhandenen  Probierofen  und  die  Maschinen  wieder 
instand  setzen.  Für  die  Münze  hatte  der  König  am  LS.  Mai  1755  den  Bau 
eines  eigenen  Hauses  am  Mühlenplatze  bewilligt,  in  dem  dann  bei  wieder- 
holten Stockungen  der  Prägebetrieb  fast  hundert  Jahre  hindurch  aus- 
geübt wurde.  Die  Kopie  des  Entwurfes  dazu  in  Grund-  und  Aufriß, 
von  J.  P.  Heumann  signiert,  findet  sich  bei  den  die  Münzsachen  be- 
22i  treffenden  Akten  im  Staatsarchive  (Des.  Ilannov.  120,  VI,  2).  Das 
Gebäude    erscheint  im  Schoßregister  17(il  zuerst  und  besteht  noch  heute. 


342 


Landesherrliche  Münze 

wenn  auch  in  veränderter  Fassung,   da  es   1888    aufgestockt  worden    ist 
gleichzeitig  mit  der  Anlage  eines  Erkers  und  Mittelrisalits  mit  Balkon. 

Ursprünglich  war  es  ein  zweigeschossiges  Massivhaus  von  sieben  Achsen  Abb.  225 
mit  abgeschrägten  Ecken  und  rustizierten  Lisenen;  Sockel,  Fenster- 
und  Türumrahmungen  waren  aus  Sandstein,  die  Flächen  geputzt.  Der 
Mitteleingang  mit  vorgelegter,  mehrstufiger  Treppe  hatte  Giebelver- 
dachung,  ein  überaus  steiles  Walmdach  deckte  das  Haus  (Abb.  um  1850 
auf  einer  Lithographie  im  Stadtarchiv,  ferner  auf  einem  Aquarell  von 
A.  Albes  vom  Jahre  1868  in  einer  Ehrengabe  an  den  Geh.  Rat  Dr.  A.  Brüel, 


ig  v . 


-    ..> 


II  lt-l.ll 


Abb.  225.    Hannover;  „Plan  von  der  neu  zu  erbauenden  .Münze",  von  .J.  P.  I  leumann  (1755),  Aufriß. 

ebenfalls  im  Stadtarchiv)-  Das  Gebäude  enthielt  im  Erdgeschoß  die 
Münze,  im  Obergeschoß  die  Dienstwohnung  des  Münzmeisters.  Der 
J.  P.  Heumannsche  Entwurf  sah  auch  ein  Nebengebäude  vor,  das  nicht 
ausgeführt  zu  sein  scheint. 

Wie  verschiedene,  bei  den  Akten  im  Staatsarchive  (Des.  Hannov.  9, 
Münzsachen)  liegende  Berichte  besagen,  war  die  maschinelle  Einrichtung 
des  Münzgebäudes  recht  unvollkommen.  Der  Raummangel  hinderte 
jeden  technischen  Fortschritt:  das  gebrechliche  Walzwerk  wurde  durch 
Pferde  in  Bewegung  gesetzt,  die  Glühöfen  mußten  wegen  ihrer  veralteten 
Konstruktion  noch  mit  Torf  geheizt  werden,  obwohl  bekannt  war, 
daß    der    Schwefelgehalt    des    Torfes    Metallverluste    herbeiführt*).     Im 


*)  „Ein  Durchschnittswerk  zeigte  das  Besondere,  daß  der  Drücker  nicht  durch 
eine  Kurbel,  sondern  durch  einen,  an  einem  Hebel  angebrachten  Steigbügel  mit 
dem  Fuße  herauf-  und  heruntergetrieben  wurde."     Spilcker,  a.  a.  O.,  S.  490. 

343 


Münzstätten 

Schmelzhause   behinderten   sich   die   Arbeiter  gegenseitig.     Die  Gesarat- 
zahl  der   Belegschaft  pflegte   in   den   letzten   Jahren   des   Betriebes   vor 

hShS  nie  weniger  als   11  zu   betragen. 

Nach  der  lange  geplanten  Vereinigung  der  zweiten  Landesmünzstätte 
zu  Clausthal  mit  der  in  der  Hauptstadt  auf  Befehl  des  Königs  vom 
10.  März  1848  wurden  die  Mängel  noch  fühlbarer.  Die  Notwendigkeit 
eines  Neubaues  legte  besonders  ein  Bericht  des  damaligen  Münzmeisters 
Theod.  Willi.  Briiel*)  dar.  Man  fand  indes,  ohne  größere  Neubauten 
ausführen  zu  müssen,  eine  geräumigere  Unterkunft  in  dem  v.  Medingschen 
Besitztum  vor  dem  Steintore.  Das  dort  seit  1817  bestehende  Wohn- 
haus wurde  Verwaltungsgebäude;  ein  eingeschossiges  Betriebsgebäude 
und  eine  damit  verbundene  Scheideanstalt  mußten  neu  erbaut  werden. 
Einige  vorhandene  Nebengebäude  machte  man  dem  veränderten  Zwecke 
dienstbar. 

Die  sogenannte  Neue  Münze  wurde  1.S78  geschlossen;  die  Gebäude 
sind   1886  abgebrochen. 

(Näheres  über  die  neue  Münze  s.  Ztschr.  d.  Arch.-  u.  Ing. -Vereins, 
S.  301,  mit  Zeichnungen  auf  Bl.  205  u.  206.  Über  das  v.  Medingsche 
Wohnhaus  s.  S.  431,  Abb.  um  1870  im  Stadtarchiv,  Mappe  VIII,  4.  Zum 
Ganzen  s.  den  Aufs.  v.  Dr.  Joh.  Kretzschmar  „Die  Königliche  Münze 
zu  Hannover"  in  Zs.  d.  bist.   Vereins  f.  Niedersachsen  1902,   S.  4  ff.) 


*)  Über  die  Person  Br's  s.  ürlwin  Meier,   Heinrich  Fr.  Brehmer,  Hildesheim, 
1927,  S.  1,  Anm.  2. 


344 


Rathäuser. 

Aus  dem  bei  Grupen  (Orig.,  S.  319)  abgedruckten  Statute-  de  Anno 
1303  gebt  hervor,  daß  damals  der  Rat  zu  Hannover  entweder  im  Theater 
oder  auf  dem  Marktkirchhofe  -  -  „sive  in  Theatro  sive  in  Cimeterio" 
zusammenkam;  daß  mithin  bereits  damals  ein  Gebäude  für  die  Versamm- 
lungen der  Ratsherren  vorhanden  war,  in  dem  wohl  auch  Festlichkeiten 
der  Rürgerschaft  stattfanden.  Einige  Jahrzehnte  später  wird  das  Rathaus 
einfach  „dat  Hus"  genannt  (vgl.  H.  G.  1906,  S.  116).  Im  Jahre  1355 
bestätigt  der  Herzog  Ludwig  von  Braunschweig  der  Stadt  ihre  Privilegien 
„uppe  der  Loven"  (U.  B.  340);  1367  geschieht  diese  Bestätigung  durch 
Herzog  Magnus  von  Braunschweig  ,,up  der  Cokene"  (U.  B.  442).  Die 
Laube*)  war  allenthalben  der  Ort,  wo  das  Halsgericht  gehalten  und  die 
Statuten  verkündet  zu  werden  pflegten  und  gehörte  zum  Ratshause,  wie 
die  Ratsküche  unter  den  Räumen  des  späteren  Rathauses  einen  Bestand- 
teil bildete. 

Altstädter  Rathaus. 

Das  Anwachsen  der  Stadt  im  14.  Jahrhundert  gab  den  Anlaß,  ein  baugeschichte 
größeres  Haus  zu  erbauen.  Die  Bezeichnung  „int  nige  Radhaus",  die 
1413**)  nach  Grupen  (Orig.  S.  331)  im  Kämmereiregister  auftritt,  kann  sich 
bereits  auf  den  ältesten  Teil  des  gegenwärtig  vorhandenen  Rathauses  be- 
ziehen. Dieser  an  der  Marktstraße  belegene  älteste  Teil  findet  sich  jeden- 
falls 1428  schon  in  Benutzung  (vgl.  H.  G.  1925,  S.  21).  Er  umfaßte  die 
mittleren  drei  Achsen  des  heutigen  Marktstraßenflügels  und  war  ein  mit 
acht  Kreuzgewölben  unterkellerter,  ursprünglich  freistehender  Ziegelbau. 
Das  Erdgeschoß  war  zugänglich  durch  das  noch  bestehende  spitzbogige 
Mittelportal.  Eine  Freitreppe  führte  zum  Obergeschoß  von  der  südlichen 
Giebelseite  her.  Der  berühmte  Fries  bildete  den  Schmuck  des  Gebäudes 
an  der  Marktstraße.  Die  innere  Einteilung  war  eine  sehr  einfache:  über 
dem  auf  Achteckspfeilern  in  acht   Jochen  gewölbten  Weinkeller  fanden 


*)  Love  =  Laube,  verwandt  mit  engl,  law  (=   Gericht,  Gesetz). 
**)  Vielleicht  Druckfehler  statt   1431. 


345 


Rathäuser 

sich  in  dem  ebenfalls  überwölbten  Erdgeschoß  einige  Schreib-  und  Sitzungs- 
zimmer des   Rates.     Das   Obergeschoß   hatte   nur  einen   Raum,   der  als 

theatrum  oder  Danzhus  diente  und  mittels  einer  Haikendecke  auf  Konsolen 
und  rohen  Stützen  mit  Kopfbändern  geschlossen  war.  Der  Raum  war 
durch  die  genannte  Freitreppe  von  außen  zugänglich.  Ein  Treppenturm 
(1578)  beim  Nordgiebel  verband  ihn  später  mit  dem  Weinkeller. 


Abb.  22(5.     Hannover;    Altstädter  Rathaus,  Grundriß  des  Kellergeschosses,  1878.     Stadtbauamt. 


An  der  nördlichen  Giebelseite  wurde  angeblich  um  1 135  ein  Weinkeller 
angebaut.  Er  umfaßte  die  beiden  Gewölbefelder  an  der  Nordostecke  des 
Rathauses,  innerhalb  deren  auch  die  Höhengleichheit  des  Fußbodens  die 
Zugehörigkeit  zum  älteren  Gebäudeteil  angibt.  Wahrscheinlich  lag  über 
dem  neuen  Weinkeller  der  Schoßturm,  der  mit  hohem,  spitzem  Helm 
verseilen  gewesen  sein  soll,  in  dem  die  Schoßglocke  hing,  mittels  deren 
die  Rürger  am  Lucientage  zur  Abgabe  des  Schosses  gerufen  wurden. 

346 


Altstädter  Rathaus 

Ein  weiterer  Bauabschnitt  für  die  mittelalterliche  Rathausbaulichkeit 

umfaßt  die  Jahre  1451  und  1155,  während  deren  dem  bisherigen  beschei- 
denen Gebäude  der  Hauptflügel  am  Marktplatze  hinzugefügt  wurde*). 
Die  Baurechnungen  darüber  liegen  noch  vor  und  sind  von  Mithoff  in 
Zs.   d.   bist.    Vereins   f.   Niedersachsen,    Jahrgang   1879,    S.   271   ff.,   zum 


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Abb.  227.     Hannover;    Altstädter  Rathaus,  Grundriß  des  Erdgeschosses,  1878.     Stadtbauamt. 

Abdruck  gebracht.  Sie  nennen  die  Vornamen  der  Baumeister,  denen 
samt  elf  Genossen  die  Ausführung  verdungen  war:  Ludecke  und  Cordt. 
Dazu  erfahren  wir  aus  den  Ratsprotokollen,  daß  die  Meister  Cordt  und 
Ludeke  Haverkoper  im  Jahre  1446  an  Meister  Dietrichs  Stelle  als  Rats- 
maurermeister angenommen  waren.   Auch  die  Verlassungsbücher  enthalten 

*)  Wo  wahrscheinlich  das  Wanthaus   der   Kaufmannsinnung   gestanden   hatte, 
die  dann  für  die  Benutzung  des  Neubaues  einen  jährlichen  Zins  zahlte  (Leonhardt). 


347 


Hat  hau  sei- 
den Namen  des  Meisters  Cordt  Stenewerten  (d.  i.  des  Steinmetzen)  „Haver- 
koper  geheten"  (s.  darüber  Leonhardt  in  IL  G.  1925,  S.  2)*). 

Abb.  226  u.  x>7  Der  Rathausflügel  am  Markt,  der  sich  rechtwinklig  an  den  älteren  Ge- 
bäudeteil anschließt,  indem  er  den  Weinkeller-  und  Laubenanbau  von 
1435  überbaut,  enthielt  im  Erdgeschoß  einen  in  zehn  Jochen  gewölbten 
Weinkeller,  dessen  Fußboden  aber  um  90  cm  höher  liegt  als  der  des  vo- 
rigen und  in  diesem  Umstände  ein  für  die  Archäologie  des  Bauteiles  zu 
beachtendes  Merkmal  aufweist.  Die  beiden  darüber  angeordneten  Ge- 
schosse enthielten  je  einen  einzigen  großen  Saal  mit  Holzdecken  auf 
Trägern  und  Stützen.  Nachdem  so  größere  Räume  für  das  Danzhus  ge- 
schaffen waren,  wird  das  Theatrum  des  älteren  Rathausflügels  Zwecken 
der  Verwaltung  dienstbar  gemacht  sein.  In  den  unteren  Saal  des  neuen 
Flügels  legte  man  später  eine  Küche,  im  oberen  fundierte  1476  Arnold 
von  Heysede,  Domkapitular  in  Hildesheim,  eine  kleine  Kapelle.  Das 
Erdgeschoß  war  durch  Eingänge  an  den  Giebelseiten,  das  Obergeschoß 
durch  eine  Freitreppe,  deren  Spuren  noch  sichtbar  sind,  von  der  Südost- 
ecke des  Hofes  aus  zugänglich. 

Die  Außenarchitektur  war  reicher  als  die  des  Marktstraßenflügels. 
Der  Fries  an  der  Marktseite  bietet  archäologische  Anhaltspunkte,  insofern 
er  sich  äußerlich  von  dem  älteren  durch  die  Rundform  der  Wappenschilde 
unterscheidet,  gedanklich  knüpft  er  an  die  Erweiterung  der  Landesherr- 
schaft über  die  Grafschaft  Hallermund  1435  an,  während  die  ältere  Wappen- 
folge nach  dem  Gedanken:  Reich,  Landesherrschaft  und  Gemeinde  ange- 
ordnet ist  (s.  H.  G.  1925,  S.  22).  Die  Giebel  im  Osten  und  Westen  erhielten 
die  noch  bestehende  zierliche  Durchbildung  in  Staffeln  mit  durchschießen- 
den Fialen.  Die  Dachfläche  an  der  Marktseite  wurde  belebt  durch  drei 
figurengeschmückte  Doppelerker.  Der  First  trägt  auf  dem  Holzschnitt 
nach  E.  Holwein  einen  Dachreiter,  doch  ist  ungewiß,  ob  der  Dargestellte 
der  Entstehungszeit  des  neuen  Flügels  angehört.    Beseitigt  ist  er  um  1830. 

Gegen  1490  sind  weitere  Anbauten  am  Rathausgebäude  entstanden. 
Vor  dem  Giebel  an  der  Köbelingerstraße  wurde  die  noch  vorhandene 
neue  Laube  mit  dem  Kaak  angefügt.  Sodann  verlängerte  man  den  Markt- 
straßenflügel südwärts  durch  einen  zweigeschossigen,  etwa  quadratischen 
Anbau,  dem  die  bis  dahin  freiliegende  Freitreppe  zum  Opfer  fiel.  Dieser 
neue  Gebäudeteil  war  im  Kellergeschoß  in  vier  Jochen  auf  einem  Mittel- 
pfeiler gewölbt  und  hatte  in  den  oberen  Geschossen  wie  das  übrige  Rathaus 
je  einen  Raum  mit  Balkendecke  auf  Stützen.  Der  Erkerschmuck  vor  der 
Dachschräge  des  Flügels  an  der  Marktstraßenseite  ist  erst  1503  durch 
den  Baumeister  Bartold  von  Hemmingen  (s.  Mithoff,  Ma.  Künstler,  S.  27) 


*)  Hans  Witzendorf  in  Lüneburg  erhielt  'A  P.  für  Glasur  zu  den  Steinen, 
Fuhrlöhn  inbegriffen.  Den  Fries  stellte  der  Maler  Claus  für  2  P.  her.  Für  die 
Glasfenster  erhielt  der  Glaser  Heinrich  Krege  21  P.  (Jürgens,  H.  G.  1929,  S.  58). 

348 


Altstädter  Rathaus 

geschaffen.  Ein  anderer  „Mester",  Cord  Ruter,  erhielt  1501  für  den  ihm 
verdungenen  Bau  des  ,,nigenhuses"  48  Pfd.  und  einige  Ellen  Stoff  (ebenda, 
S.  2<S0).  Ob  diese  Angabe  aber  sich  auf  das  Rathaus  bezieht,  kann 
bezweifelt  werden. 

Das  eigentliche  Rathaus  bildete  im  Grundriß  bisher  einen  nach  außen 
gekehrten  Winkelhaken.  Der  dahinein  sich  schmiegende  rechteckige 
Hof  war  im  übrigen  durch  die  Waage  und  den   Schuhhof  begrenzt. 

Hier  ließ  der  Rat  im  Jahre  1565  den  sogenannten  Apothekenflügel 
des  Rathauses  errichten. 

Dieser  Neubau  an  der  Köbelingerstraße  war  1567  beendet;  die  Apotheke  Abb.  2:« 
konnte.  156<S  eröffnet  werden. 

Der  Apothekenflügel  des  Rathauses,  den  die  Schmuckbehandlung 
seines  Fachwerkes  einer  in  Hannover  einzigartigen  Schulgruppe  von  nur 
wenigen  gleichzeitig  entstandenen  Beispielen  zugesellt,  fiel  im  Jahre 
1844  den  umfassenden  Plänen  für  den  Neubau  eines  Rathauses  zum 
Opfer,  die  der  Stadtdirektor  Rumann  mit  dem  von  ihm  bevorzugten  Stadt- 
baumeister Andreae  ins  Werk  setzte. 

Das  gesamte  Rathaus  war  durch  diese  Pläne  mit  der  Niederreißung 
bedroht.  Obwohl  die  Ansicht  der  Bürgerschaft  wie  des  Bürgervorsteher- 
kollegiums  dahin  ging,  daß  dieses  Denkmal  der  Vorzeit  nicht  ohne  drin- 
gendste Not  geopfert  werden  dürfte,  setzte  Rumann  vorerst  den  Abbruch 
des  Apothekenflügels  durch  und  erreichte  gegen  vielfachen  Einspruch 
die  Ausführung  eines  neuen  Rathausflügels,  des  sogenannten  Dogen- 
palastes, im  ravennatischen  Stil,  durch  die  dann  die  Notwendigkeit 
erzielt  werden  sollte,  das  ältere  Rathausgebäude  anzugreifen.  Die  Ab- 
bruchsgefahr für  dieses  trat  noch  im  Jahre  1849  bedrohlich  näher,  verebbte 
dann  aber,  als  die  städtischen  Kollegien  1862  vom  Könige  Georg  V.  das 
vormals  v.  Wangenheimsche  Palais  am  Friedrichswall  samt  dessen  beiden 
Nachbarhäusern  angekauft  und  1863  als  „Neues  Rathaus"  in  Benutzung 
genommen  hatten. 

Inzwischen  geriet  das  alte  Rathaus  mehr  und  mehr  in  Verwahrlosung 
und  schien  so  dennoch  dem  Untergange  verfallen.  Zur  Verhütung  des 
Verlustes  hatte  schon  Mithoff  seit  1849  wiederholt  seine  Stimme  erhoben. 
1856  legte  die  Deutsche  Archäologen-  und  Geschichtsforschertagung 
und  1862  der  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  zu  Hannover  Protest 
gegen  den  Abbruch  ein.  Der  letztgenannte  Verein  trat  nachdrücklich 
durch  eine  von  ihm  gewählte  Kommission  im  Jahre  1865  für  die  Erhaltung 
des  Rathauses  ein  und  legte  ein  bemerkenswertes  Gutachten  nieder, 
in  dem  es  u.  a.  heißt:  „Alte  Bauten,  welche  Jahrhunderte  überdauert 
haben,  verbinden  ein  Volk  mit  seiner  Vergangenheit,  sie  bilden  den  un- 
verrückbaren   Maßstab    für    die    wechselnden    Anschauungen.     Mit    dem 

349 


Rathäuser 


lw 


350 


Altstädter  Rathaus 

Falle  jeden  monumentalen  Bauwerkes  reißt  das  Volk  ein  Blatt  aus  dem 
Buche  seiner  Geschichte  und  begeht  ein  Unrecht,  über  dessen  Tragweite 
es  selbst,  belangen  in  den  Vorurteilen  seiner  Zeit,  nicht  urteilen  kann." 
1  «S77  endlich  wurde  auf  Beschluß  der  städtischen  Kollegien  ein  Restau- 
rationsentwurf C.  W.  Hases  angenommen,  der  in  den  Jahren  .1878  bis 
1(S<S2  zur  Ausführung  gelangte.  (Über  den  Entwurf  siehe  d^n  Vortrags- 
bericht Zt.  d.  Arch.-  u.    Ing.-Vereins   1877,   S.  547.) 

Die  Restauration  war  zugleich  eine  Stilbereinigung  im  Sinne  Hases. 
Bauteile,  welche  „schlechten  Bauperioden"  (Hase  in  seinem  Vortrag) 
entstammten,  wurden  dabei  entfernt;  so  die  Renaissancefenstergewände 
aus  Sandstein,  die  zum  Teil  Wiederverwendung  an  einem  Neubau  in 
der  Hinüberstraße  Nr.  20  gefunden  haben.  Die  Fensterpfosten  sind 
Arbeiten  vom  Meister  Hans  Nottelmann. 

Das  Rathaus  erhielt  das  einheitliche  Aussehen,  in  dem  wir  es  heule 
kennen;  auch  das   Innere  wurde  stark  verändert. 

Ein   Erweiterungsbau   ist    in    den    Jahren    1890/91    an    der    Seite    des  Abb.  228 
Grupenstraßendurchbruches    durch    C.   W.    Hase    in    völliger  Anpassung 
an  das  gotische  Rathaus  hinzugefügt,  so  daß  nunmehr  die  älteren  Flügel, 
der   sogenannte   Dogenpalast,    und    der   eben    genannte  Erweiterungsbau 
einen  viereckigen  Hof  vollständig  umschließen. 

Um  einzelne  Angaben  nachholen  zu  können,  welche  sich  auf  das 
Äußere  und  Innere  des  Bauwerkes  seit  dem  Bauabschluß,  insbesondere 
aber  auf  Zustände  erstrecken,  die  schon  vor  Hases  Restauration  be- 
seitigt waren,  sind  außer  den  älteren  Nachrichten  die  älteren  Abbildungen 
zu  Rate  zu  ziehen.  Solche  sind:  Zeichnungen  des  Schreibmeisters  der 
Stadt  Friedrich  Adolph  Hoffmann  in  der  Kartensammlung  der  vorm. 
Königl.  und  Provinzial-Bibliothek,  Mappe  17,  zu  denen  noch  die  Ab- Abi».  1220 
bildungen  der  Wappen  und  Figuren  am  alten  Rathause  gehören,  die 
ebenfalls  von  Hoffmanns  Hand  herrühren  und  im  Staatsarchive  (Hand- 
schriften C.  39)  aufbewahrt  werden.  .lugler  hat  (a.  a.  O.,  S.  324)  einen 
Teil  der  Bilder  nebst  der  dazugehörenden  Beschreibung  wiedergegeben. 
Die  Hoffmannschen  Zeichnungen  sind  durch  die  Kammerrechnungen 
von  1731,  Blatt  614/15  datiert.  Hoffmann  war  nicht  Architekt;  er  hat 
lediglich  als  „der  Architektur  Beflissener"  die  Risse  gefertigt,  die  der 
Magistrat  dann  anzukaufen  für  wert  gehalten  hat.  Zu  bemerken  ist 
dabei  die  Darstellung  des  Gebäudes  mit  geputzten  Wandflächen,  Rustika 
und   Quaderverzahnung. 

Die  von  Mithoff  (Archiv,  I.  Teil)  gegebenen  Blätter  21 — 24  entstammen 
den  Jahren  1 844 — 48.  Sie  werden  in  willkommener  Weise  ergänzt,  ins- 
besondere durch  Zeichnungen  von  Kretschmer  aus  der  gleichen  Zeit. 

Kurz  vor  der  Erneuerung  von  1877  sind  zwei  im  Stadtbauamte  auf- 
bewahrte   geometrische    Aufnahmen    gefertigt,    die    eine    von    Schmiede- 

351 


Rathäuser 

Abb.  230 u. 231  mann  aus  dem   .Jahn'   1864   und   die    andere    von   Hase  seihst    aus  dem 
Jahre   1<X7(>. 

Die    Zeit    der    Veränderungen    und    Wiederherstellungen    beginnt   für 
das  Rathaus  mit  dem  Jahre  1576.    Bei   Gelegenheit  der  bevorstehenden 

Huldigung  für  Herzog  Erich  d.  J.  und  seine  Gemahlin  ließ  der  Magistrat 
den  älteren  Rathausteil  instand  setzen  und  über  der  Hofeinfahrt  eine 
auf  Säulen  ruhende  eingeschossige  Auslucht  aus  Holz  vorbauen*).  Ebenso 
wurde  an  der  Seite  des  Marktplatzes  vor  dem  Großen  Saal  eine  Auslucht 


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Abb.  229.     Hannover;  Altstädter  Rathaus:  „Elevation  des  Rathhauses  nach  dem  Markte  zu" 
von  Fr.  Ad.  Hoffmann  um  1730. 

aufgeführt,  die  auf  zwölf  niedrigen  Säulen  aufgestützt  war  und  zwei  massive 
Geschosse  mit  plastischem  Schmuck  hatte.  Für  dieses  Werk  war  der 
Meister  Frederik  Meersman  von  Petershagen  bei  Minden  verschrieben 
worden,  der  mit  einer  Schar  von  mehr  als  einem  Dutzend  Gesellen,  zumeist 
ebenfalls  westfälischer  Herkunft,  die  Arbeit  in  kurzer  Zeit  vollendet  hat 
(s.  Leonhardt  in  H.  G.  1926,  S.  5;  über  die  Kosten  vgl.  Bernhard 
Homeisters  Rechnungsauszug,  Chronik,   S.  234  35). 


*)  Sie  hat  ihre  in  Abbildungen  überlieferte  Gestalt  aber  erst  1655  durch  den  Bild- 
schnitzer Jürgen  Blume  erhalten,  wie  die  Kämmereirechnung  ausweist  (Leonhardt). 


352 


Altstädter  Rathaus 


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Altstädter  Rathaus 

Die  Auslucht  am  Markte  hat  man  um  1789  beseitigt;  ihre  Statte 
war  bis  zur  Haseschen  Wiederherstellung  erkennbar  an  einer  Lücke 
im  Tonfriese  (s.  auch  Spilcker,  a.  a.  0.,  S.  484).  Wohl  gleichzeitig  ist  auch 
die  andere  Auslucht  abgebrochen,  ohne  daß  von  dem  kostbaren  Skulp- 
turenschmuck etwas  erhalten  wäre.  Die  Holzschnitzereien  des  Markt- 
straßenerkers stellten  die  vier  Evangelisten  sowie  Allegorien  des  Glaubens, 
der  Hoffnung,  der  Liebe,  Geduld,  Gerechtigkeit  und  Klugheit  dar;  die 
Skulpturen  des  anderen  Erkers  auf  zehn  Steinplatten:  die  Taten  des  Her- 
kules, das  fürstliche  und  das  städtische  Wappen.  Außerdem  waren  daran 
die  Statuen  der  Lucretia  und  Judith  in  Nischen  aufgestellt.  Den  Rech- 
nungen nach  waren  die  Skulpturen  bemalt,  auch  Gold  und  Silber  waren 
daran  gebraucht;  die  Fenster  trugen  gestiftete  Wappen  (vgl.  die  aus- 
führliche Beschreibung  Riemers,   H.   G.   1914,   S.   135  ff.). 

Ein  Umbau  (die  P2inrichtung  der  sogenannten  „Neuen  Schenke" 
im  Erdgeschoß  des  Marktflügels)  scheint  dann  im  Jahre  1603  die  Um- 
wandlung der  flachbogigen  Fenster  in  geradlinig  geschlossene  veranlaßt 
zu  haben.  Die  Lichtöffnungen  wurden  dabei  zumeist  gekuppelt,  die  im 
Erdgeschoß  mit  ornamentierten  Teilungssäulen  versehen,  die  Gewände 
-  aber  nur  teilweise  -  -  überaus  reich  figürlich  geschmückt.  Das  Werk 
stand  unter  Leitung  des  Ratsmaurermeisters  Hans  Bere.  Die  Steinmetz- 
arbeiten selbst  fertigte  laut  Kämmereirechnungen  Hans  Nottelmann 
mit  seinen  Gehilfen  (Redecker,  Chronik,  S.  357  gibt  Inschriften  unter 
den  einzelnen  Fenstern  an).  Die  Fassung  der  Lichtöffnungen  im  Ober- 
geschoß, wie  sie  übereinstimmend  auf  den  älteren  Darstellungen  sich 
findet,  war  einfacher,  mit  geradem,  vorgekröpftem  und  profiliertem 
Sturz  und  ebenso  behandelter  Solbank.  Wie  erwähnt,  sind  diese  Ge- 
wände  1877  entfernt  und  anderen   Ortes  wieder  verwandt. 

Kleine  Veränderungen,  wie  die  Verlegung  oder  Neuanlage  von  Türen, 
sind  wiederholt  in  der  Folgezeit  vorgekommen  und  pflegen  zusammen- 
zuhängen mit  Umgestaltungen  im  Innern.  So  ist  1658  an  der  Köbe- 
lingerstraße  das  Portal  mit  dem  Ratswappen  (Abb.  H.  G.  1931,  S.  217)  zum 
großen  Ratssaal  durch  P.  Köster  geschaffen;  an  der  entgegengesetzten 
Giebelseite  wurde  das  Mittelportal  im  17.  Jahrhundert  verschoben  und 
eine  zweiarmige  Freitreppe  davor  angelegt.  Die  Wendeltreppe  im  inneren 
Winkel  des  Hofes  ist  1578  laut  Inschrift  entstanden.  Die  Kellertreppe 
unter  der  Laube  an  der  Köbelingerstraße  entstammt  dem  Anfange  des 
19.  Jahrhunderts. 

Die  veränderte,  nachmittelalterliche  Raumverteilung  in  den  beiden 
Rathausflügeln  zu  ergründen,  gestatten  die  notdürftigen  Nachrichten 
darüber  kaum.  Im  wesentlichen  sind  die  der  Verwaltung  dienenden 
Räume  von  jeher  im  Marktstraßenflügel  untergebracht  gewesen,  während 
im  Flügel  am  Marktplatze  -  vielleicht  in  Erinnerung  an  das  hier  am 
Rande  des  Kirchhofes  einst  belegen  gewesene  44ieatrum      -  immer  die 

355 


Rathäuser 

Räume  der  Geselligkeit  und  Lustbarkeit  angeordnet  waren.  Die  Nach- 
richten, welche  das  corpus  bonorum  aus  dem  .Jahre  1720  und  Grupen 
(Orig.,  S.  322)  überliefern,  bestätigen  dies  noch  für  eine  verhältnismäßig 
späte  Zeit,  ohne  daß  es  gelingt,  die  genaue  Lage  und  Größe  einzelner 
Räume  zu  ermitteln.  Ein  Lageplan  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts ist  im  Stadtarchiv. 
Abb.  332  Der  Marktstraßenflügel  enthielt  im  Erdgeschoß  in  den  gewölbten 
Räumen   die    Schreiberei   und   das    Stadtarchiv,    darüber   die   Ratsstube, 


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Abb.  232.     Hannover;   Altes    Rathaus,    Schnitt   durch   den  Marktstraßenflügel.     Nach  Aufnahme   von 
C.  W.  Hase  aus  dem  Jahre  1871.    Stadtbauamt. 


wahrscheinlich  die  1504 — 06  nach  den  Lohnregistern  eingerichtete  Dörntze, 
welche  mit  einem  Fußboden  von  glasierten  Fliesen  und  einem  Kachel- 
ofen ausgestattet,  auch  mit  Malerei  und  Vergoldung  geschmückt  war. 
Für  die  Ratsstube  hatte  Dietrich  Wedemeyer  in  den  Jahren  1607  und 
1613  die  Historien  des  Sisamnes  und  Kambyses  gemalt,  die  nicht  mehr 
erhalten  sind;  den  Sisamnes  für  40  Thlr.  Münze  laut  Kämmerei- 
rechnungen. Der  im  corpus  bonorum  genannte  Gipssaal,  im  Obergeschoß 
des  Marktplatzflügels,  ist  wohl  der  große  Tanzsaal.  Der  ,,  Gipsboden" 
erhielt  1618  einen  großen  Ofen,  „daran  viele  biblische  Historien  abge- 
bildet und  auch  der  Stadtwapen"   zu  sehen  war. 


356 


Altstä titer  Rathaus 

Im  Marktflügel  war  um  1720  die  Raumverteilung  im  Erdgeschoß  Abb.  333 
zuletzt  geändert  worden;  die  an  der  Seite  des  Platzes  belegenen  kleinen 
Gemächer  enthielten  nach  dem  corpus  bonorum  damals  die  Herrenstube, 
Küche,  neue  Speisestube,  Schenke  und  einige  andere  Stuben.  Auch  im 
Obergeschoß  war  der  große  Saal  in  kleinere  Räume  aufgeteilt  worden; 
die  Kapelle  bestand  damals  nicht  mehr.  Am  Kamin  des  großen  Saales 
waren  -  -  wie   Redecker  mitteilt  die   Wappen   des   Herzogs  und   der 

Stadt  erhöht  eingehauen  und  farbig  bemalt. 


Abb.  233.     Hannover;    Altes  Rathaus,  Schnitt  durch  den  Flügel  am  Marktplatze.     Nach  Aufnahme 
von  ('..  W.  Hase  aus  dem  Jahre  1871.    Stadtbauamt. 


Seit  jener  Zeit  wurden  noch  mehrfach  bauliche  Veränderungen  im 
Rathause  vorgenommen,  um  Räume  für  die  anwachsenden  Verwaltungs- 
geschäfte zu  beschaffen.  Die  Vorplätze  und  Säle  des  Rathauses  wurden 
-  wie  1819  berichtet  wird  -  -  während  der  Jahrmärkte  zur  Ausstellung 
von  Kaufmannswaren  usw.  benutzt.  Folgende  städtische  Behörden, 
welche  ihre  Geschäftsräume  auf  dem  Rathause  hatten,  werden  1831 
genannt  (Brönnenberg,  S.  35):  das  allgemeine  Magistratskollegium,  das 
Stadtgericht,  der  verwaltende  Magistrat,  das  Bürgervorsteherkollegium, 
die  Stadthauptkasse,  das  Leihhaus,  Billettamt  und  das  Bierprobekollegium 
(Ausführlicheres  dazu  s.  H.   G.   1906,   S.   123). 

357 


Rathäuser 

Beschreibung  Abgesehen  von  der  Fensterarchitektur  erscheint  das  Rathausgebäude 
nach  der  Restauration  der  Jahre  1878—82  äußerlich  in  seiner  spätmittel- 
alterlichen Fassung.  Auf  winkelhakenförmigem  Grundriß  erhebt  sich 
zweigeschossig  der  bedeutende  mittelalterliche  Backsteinbau  in  einheit- 
licher Außenarchitektur,  deren  Hauptgewicht  auf  den  Giebeln  des  Markt- 
fliigels  und  den  Lukarnen  vor  der  riesigen  Fläche  der  Satteldächer  beruht. 
Das  hohe  Kellergeschoß  zeigt  keine  Absetzung  des  Sandsteinfundamentes; 
die  Geschoßteilung  wird  durch  den  unten  näher  zu  beschreibenden  Ton- 
fries bezeichnet;  das  Hauptsims  stellt  sich  dar  als  ein  aus  Vierpässen 
zusammengesetzter  Backsteinfries,  ist  aber  vollständig  nur  an  der  Markt- 
straßen- und  Köbelingerstraßenseite.    Die  beiden  Giebel,  die  den  Markt- 

Abb.  234  flügel  auszeichnen,  sind  fünfstaffelig  und  werden  senkrecht  gegliedert 
durch  übereck  auf  die  Schräge  des  Giebelfußes  gesetzte,  aufstrebende 
Bündelpfeilerchen,  die  fialenartig  über  die  Staffelenden  hinausschießen, 
gekrönt  durch  pyramidale  Ziegelhelme  mit  Eisenstangen  und  dem 
städtischen  Kleeblatt  als  Fähnchen  daran.  Die  Giebelstaffeln  werden 
durch  schmale  Simse  gegürtet  und  enthalten  je  in  ihrer  Wandfläche 
gekuppelte  dreipaßgeschlossene  Lichtöffnungen  oder  Blenden  außerhalb 
der  Giebelschräge.  Die  Felder  oberhalb  der  Fenster  sind  durch  einen 
senkrechten  Lisenenstreifen  geteilt,  jedes  von  einer  Rispe  mit  lilien- 
artigen Blättern  belebt;  die  Staffeln  endeten  bei  beiden  Giebeln  ursprüng- 
lich frei  wie  bei  den  Lukarnen,  nämlich  in  dreieckigen  Aufsätzen  aus 
durchbrochenem  Vierpaßwerk  (vgl.  Hoffmanns  Zeichnungen).  An  den 
Giebeln  sind  in  schichtweisem  Wechsel  dunkelbraun-  und  grünglasierte 
Ziegel  verwandt. 

Vor  der  Fläche  des  hohen  Satteldaches,  sowohl  an  der  Seite  des 
Marktes  wie  an  der  Marktstraße,  sind  den  Giebeln  ähnlich  ausgebildete 
Lukarnen  unmittelbar  auf  den  Simsbord  aufgesetzt;  den  drei  Lukarnen 
an  der  Marktseite  von  1455  sind  die  an  der  Marktstraße  von  1503  nach- 
gebildet. Zwischen  drei  gleich  hoch  emporstrebenden  Bündelpfeilern 
liegen  zweigeschossige  Wandfelder,  die  sich  von  denen  der  Giebel  durch 
die  Einfügung  von  flachbogigen  Blendnischen  unterscheiden;  in  ihnen  sind 
Abb.  2:i5u.23G  reliefierte  und  glasierte  Figuren  —  Ritterund  Heiligengestalten  — enthalten. 
Laube  Die  Laube  an  der  Köbelingerstraße  von  1490,  unmittelbar  an  der 
Nordwestecke  des  Marktflügels,  ist  ein  eingeschossiger  Vorbau  auf  Rund- 
pfeilern, die  durch  ein  spitzbogiges  Kreuzgewölbe  verbunden  sind.  Die 
Brüstung  des  Bauwerkes  ist  in  Felder  geteilt,  deren  Ornamentik  in  Ziegel- 
mustern besteht.    Der  Altan  des  Vorbaues  ist  nicht  zugänglich. 

Tonfiies        Das  geschoßteilende   Gurtsims,  welches  beide  Rathausflügel  umzieht, 
wird   durch   einen   Fries   aus  gebranntem   Ton   gebildet   und   besteht  am 

Abb.  237  älteren  Rathausflügel  aus  unglasierten,  bemalten  Platten,  während  am 
Marktflügel  die  Platten  glasiert  sind.  Die  Platten  sind  in  einem  Rahmen 
von   hohlkehlig   profilierten   Ziegeln   eingefaßt   und   zeigen   in   Teilfeldern 

358 


Altstädter  Ratliaus 


Abb.  2'.i-i.    Hannover;  Altstädter  Rathaus,  Fialengiebel  an  der  Köbelingerstraße.    Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


359 


Rathäuser 


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Altstädter  Rathaus 


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361 


Rathäuser 

eine  Folge  von  Bundmedaillons,  umspielt  von  gotischen  Weinranken. 
Die  Rundmedaillons  enthalten  Wappen  und  Köpfe.  Im  älteren  Friesteile 
sind  die  Wappensehilde  von  spitzer  Form,  während  sie  im  späteren  Fries- 
teile die  Rundform  aufweisen.  Gedanklich  ordnet  sich  die  ältere  Wappen- 
folge nach  den  Begriffen:  Reich,  Landesherrschaft  und  Gemeinde,  die 
jüngere  knüpft  an  die  Erweiterung  der  Landesherrschaft  üher  die  Graf- 
schaft Hallermund  1135  an.  Im  Friese  des  1490  erbauten  Gebäudeteiles 
an  der  Marktstraße  haben  die  Darstellungen  biblische  Themen.  Außer 
den  Hoffmannschen  Zeichnungen  sind  Mithoffs  Abbildungen  (Archiv  I, 
Bl.  23)  zu  vergleichen;  Gipsabgüsse  des  Frieses  befinden  sich  im  Vater- 
ländischen Museum  (s.  dazu  auch  die  Arbeit  von  Tack,  H.  G.  1920, 
S.  43  ff.,  und  Leonhardt  in  H.  G.  1926,  S,  22).  Die  früheren  Lücken  im 
Friese,  die  durch  die  Erkervorbauten  vom  Jahre  1570  verursacht  waren, 
sind  bei  der  Haseschen  Instandsetzung  ergänzt.  Als  Meister  des  Frieses 
glaubt  Habicht  (H.  G.  1913,  S.  250)  den  in  den  Rechnungsbüchern  1454 
genannten    Hans   Teygeler   ansehen   zu   dürfen. 

An  der  Marktstraße  von  links  nach  rechts  finden  sich:  Josef,  Maria 
mit  dem  Kinde  und  zwei  Weise,  dann  sechs  Ergänzungen  von  Hase. 
Weiter  folgen  am  alten  Flügel  abwechselnd  mit  sieben  Brustbildern  fürstlicher 
Personen,  wahrscheinlich  die  Kurfürsten  darstellend,  sieben  Wappenschilde: 
Deutsches  Reich,  Herzogtum  Braunschweig,  Herzogtum  Sachsen-Lauen- 
burg, Fürstentum  Lüneburg,  Grafschaft  Everstein,  Grafschaft  Homburg, 
Stadt  Hannover.  Zwischen  dem  vierten  und  fünften  Wappen  ist  über  dem 
Spitzbogen  der  Tür  das  Herzoglich  Braunschweig-Lüneburgische  Wappen 
in  besonderem  hochrechteckigen  Rahmen  eingefügt.  Das  Original,  Stein, 
ist  in  das  Vaterländische  Museum  verbracht.  Der  Stein  dürfte  eine 
spätere  Einschiebung  sein,  da  das  Wappen  in  dieser  Gestalt  vom 
Gesamthause  Braunschweig  und  Lüneburg  erst  seit  1482  geführt  wird, 
während  es  von  1414 — 46  nur  vom  Herzog  Otto  v.  d.  Heide  für 
seine  Person  geführt  wurde  (mündl.  Mitteilung  von  Dr.  Leonhardt, 
16.  März  1929).  Am  Ostgiebel  des  Marktflügels  folgen  die  Wappen  der 
Grafschaften  Hallermund,  Wunstorf,  Klettenberg,  Schauenburg;  an  der 
Nordfront  das  päpstliche  Wappen,  dann  drei  von  Hase  eingefügte  Brust- 
bilder und  Wappen  an  Stelle  der  durch  den  Abbruch  der  Auslucht  ent- 
standenen Lücke,  darauf  die  der  sieben  Kurfürsten,  insgesamt  19  Reliefs 
alten  Bestandes.  Die  durch  den  Laubenanbau  von  1490  vor  dem  Giebel 
der  Köbelingerstraße  verdeckten  Teile  sind  von  Hase  zum  Ausfüllen 
von  Lücken  oder  Ersatz  zerstörter  Teile  des  Frieses  verwandt;  sonst 
sind  noch  die  Wappen  der  Grafschaften  Wernigerode  und  Hoya  dem 
alten  Bestände  zuzuzählen. 
Neidkopf  An  der  Köbelingerstraße,  seitlich  des  Einganges,  ein  in  die  Wand 
eingelassenes  Steinbild,  Sandstein,  H  =43  cm,  zweite  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts,  fratzenhafte   Darstellung  eines    Gorgonenkopfes,   dessen   Mund 

362 


Altstädter  Rathaus 


363 


Rathäuser 

mit  beiden  Händen  seitwärts  aufgerissen,  die  Zunge  lang  heraushängen 
läßt.  Hinter  den  recht  großen  Ohren  kommen  die  Arme  zum  Vorschein, 
das  Haar  am  Kopf  und  Kinn  ist  spitzlockig.  Unterhalb  des  Kopfes  rechts 
und  links  je  ein  Kleeblatt,  das  Wappenzeichen  der  Stadt. 

Apothekenflügel  Am  Gründonnerstag  des  Jahres  1565  gibt  der  Rat  seinen  Entschluß 
bekannt,  dem  Rathause  einen  Erweiterungsbau  anzufügen,  der  eine  neu 
einzurichtende  Apotheke  enthalten  soll.  Jugler  führt  (a.  a.  O.,  S.  329) 
nach  dem  Stadtverlassungsbuch  aus  dem  Jahre  1565  den  Wortlaut  der 
Verkündung  an:  Dass  der  Rat,  vorhebbens  zy  de  eyne  halve  des  Radt- 
huses,  dar  de  Wage  steit,  und  den  Schohoff  to  buwende  und  an  den  ordt 
des  Schohoffes,  dar  de  Behuesunge  uppe  steit,  eine  Apotheken,  der  gantzen 
Gemeinen  Börgerschop  tho  fromen  vnd  tho  gute  enthorichtende.  Der 
Bau  wurde  mit  zwei  massiven  Geschossen  und  zwei  Fachwerkgeschossen 
als  Traufenhaus  ausgeführt.  Aus  den  Baurechnungen  über  den  Apo- 
thekenflügel des  Rathauses  geht  hervor,  daß  die  Bauleitung  in  Händen 
des  Ratsmaurermeisters  Dirik  Berndes  lag,  so  daß  dieser  wohl  auch  als 
der  Architekt  gelten  kann.  An  den  Fachwerkarbeiten  ist  der  Ratszimmer- 
meister Jürgen  Geringes  beteiligt  und  nach  dessen  schon  1566  erfolgten 
Tode  der  Zimmermeister  Hinrich  Holste,  den  der  Rat  sich  aus  Hildesheim 
verschrieben  hatte,  sowie  andere  hannoversche  Zimmerleute,  wie  Härmen 
Konning  mit  seinen  beiden  Söhnen,  Meister  Hans  Boe  und  endlich  Meister 
Hans  Cramer,  deren  Signaturen  an  bürgerlichen  Fachwerkbauten  jener 
Zeit  sich  wiederfinden. 

Mithoff  gibt  an,  daß  eine  Inschrift  an  der  Dachluke  des  Apotheken- 
flügels die  Jahreszahl  1566  enthalten  habe  (Archiv  I,  S.  18).  Die  Eröffnung 
der  Apotheke  ist  nach  Jugler,  a.  a.  0.,  S.  329,  1568  erfolgt;  offenbar  aber 
ist  ihre  Einrichtung  noch  längst  nicht  abgeschlossen  gewesen:  1568  wurde 
eine  Battstube,  1584  ein  Laboratorium,  später  ein  Destillatorium  und 
eine  Sirupkammer  in  Gebrauch  genommen.  Nach  dem  Register  von 
1620  sind  die  Räume  neu  eingerichtet  (Jugler,  S.  331).  Grupen  (Orig., 
S.  322)  berichtet,  daß  in  den  Räumen  über  der  Apotheke  ehedem  auch 
die  Ratssession  gehalten  worden  sei.  Der  Dachraum  diente  als  Korn- 
speicher (H.  G.  1906,  S.  229).  Grundrißpläne  des  1844  abgebrochenen 
Apothekenflügels  sind  nicht  überliefert.  Von  der  Außenarchitektur 
geben  die  Aufnahmen  Hoffmanns  und  Mithoffs  Zeugnis  (Arch.  I.,  Bl.  24). 
Malerisch  und  mit  künstlerischer  Freiheit  hat  Quaglio  (1786 — 1837) 
die  zum  Rathaus  gehörenden  Gebäude  an  der  Köbelingerstraße  wieder- 
gegeben (Original  im  Vaterländischen  Museum). 

Abb.  238        Der    Apothekenflügel    war    ein    mit    der    Traufseite    der    Köbelinger- 
straße  zugewandter   Mischbau   von   zwei   in   Ziegeln   hochgeführten    Ge 
Schossen  und  zwei   Geschossen  in  Fachwerk  bei  23   Gefachen.    Die  Auf- 
nahmezeichnungen   lassen    am    Unterbau    Veränderungen    erkennen,    die 

364 


Altstädter  Rathaus 


365 


Rathäuser 


um  1  (iOO  liegen  und  sich  auf  die  Anlage  von  rechteckij 
Öffnungen    beziehen. 


.g  umrahmten  Licht 
Von  den  vermutlich  sparsam  vorteilten  älteren 
Fenstern  lagen  einige  in  flachbogigen  Blendnischen.  Hoffmanns  Aufnahme 
zeigt  noch  eine  spitzbogige  Tür  links  der  Mittelachse.  Die  auf  beiden 
Aufnahmen  in  gleicher  Weise  dargestellten  Sandsteinportale  gehören 
noch  der  ausgehenden  Renaissance  an:  das  nördliche,  das  zum  Ratshofe 
führte,  hatte  1665  ein  großes,  von  Löwen  gehaltenes  Stadtwappen  im 
bekrönenden  Aufsatz  erhalten;  es  ist  von  Redecker  (H.  G.  1908,  S.  273) 
Abb.  239  abgebildet*).  Ein  Relief,  das  die  Justitia  mit  zwei  neben  ihr  knienden 
Gestalten  zeigte,  war  wohl  gleichzeitig  in  das  oberste  Halbrosettenfeld 
der  Bekrönung  eingefügt.  Beide  Portale  waren  im  übrigen  einander 
sehr  ähnlich  ausgebildet  mit  vorgekröpften  Halbsäulen  und  Renaissance- 
gebälk, in  dessen  Fries  vielzellige  Inschriften  zu  lesen  waren.    Das  staffel- 


Abb.  239.    Hannover;   Altstädter  Rathaus. 
Stadtwappen  vom  Portal  dos  Apothekenflügels  von  Amd  Siemerding,  1565.     Druckstock  II.  G. 


artige,  bekrönende  Stück  war  wohl  nur  bei  dem  südlichen  Portal,  das 
den  Zugang  zur  Apotheke  eröffnete,  unverändert  geblieben.  Es  trug 
flachreliefierten  Schmuck  in  seinen  von  Lisenenpilastern  und  zarten 
Horizontalsimsen  gebildeten  Feldern.  Als  Füllung  des  Staffelzwickels 
und  als  oberer  Abschluß  dienten  kugelbesetzte  Halbrosetten.  Über  die 
Inschriften  s.   H.   G.   191  1,   S.   123. 

Die  beiden  Fachwerkgeschosse  des  Apothekenflügels  waren  auf 
Trommelkonsolen  vorgekragt,  ebenso  das  Traufsims.  An  dem  reich  mit 
Flachschnitzarbeit  überzogenen  Ständerwerk  verkröpften  sich  die  Gurt- 
und    Brüstungssimse;    alle    Füllhölzer   waren    mit    Schnitzerei    nach    dem 


*)  Es  ist  19150  von  Siedentopf  wieder  aufgefunden,  jetzt  im  Leibnizhause.    Als 
Meister  signiert   sieh  Arnd   Siemerding. 

366 


Altstädter  Rathaus 


Girlandenmotiv  bedeckt;  das  Traufsims  wies  oberhalb  der  Fallhölzer 
eine  Wiederholung  dieser  Schmuckbehandlung  auf.  Die  Brüstungs- 
bretter  trugen  Halbrosetten  mit  Zwickelblättern;  jedes  Gefach  hatte  ein 
Fenster,  dessen   Sturzholz  in   Gardinenbogenform  ausgeschnitten  war. 

Ein  Windenerker  war  am  Dachbord  in  der  Mittelachse  errichtet  mit 
vorgekragtem,  gestaffeltem  Giebelaufsatz,  bei  dem  in  den  Zwickeln  und 
als  Bekrönung  Halbrosetten  angebracht  waren. 

Zum  Apothekenflügel  wird  seit  etwa  1569  ein  schmales  Gebäude 
hinzugerechnet,  das  sich  in  gleicher  Front  an  der  Köbelingerstraße  auf 
dem    Grundstücke   des  alten    Schuhhofes   südostwärts   daran    anschließt. 


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Abb.  240.  Hannover;  Rathausflügelan  der  Köbelingerstraße  („Dogenpalast").  Nach  Zeichnung  von  Andreae. 

Es  diente  als  Wohnung  des  Apothekers  und  war  durch  einen  prachtvollen 
Erker  ausgezeichnet,  der  wahrscheinlich  gleichzeitig  mit  den  beiden 
Bathauserkern  im  Jahre  1576  als  dritter  entstanden  ist,  da  in  den  Rech- 
nungsbelegen von  1575/76  drei  Auslagen  aufgeführt  sind  (s.  H.  G.  1914, 
S.  137).  Der  Erker  ist  zugleich  mit  dem  Apothekenflügel  im  Jahre  1844 
abgebrochen  worden.  Auf  seiner  Ansicht  der  Marktkirche  und  des  Bat- 
hauses von  1840  (Arch.,  Taf.  I)  hat  Mithoff  den  Erker  abgebildet;  ebenso 
findet  er  sich  auf  dem  Gemälde  von  Quaglio.  Die  Einzelskulpturen  des 
Erkers  überliefert  Hoffmanns  Aufnahme  (s.  auch  darüber  H.  G.  1911, 
S.  139  ff.,  und  Jugler,  S.  328  ff.).  Der  Erker  war  nach  den  Abbildungen 
zweigeschossig  bei  vier  Achsen  und  mit  Pultdach  abgedeckt.  Das  Ober- 
geschoß zeigte  besonders  reiche   Schmuckbehandlung. 

367 


Rathäuser 


Abb.  241.  Hannover;  Köbelingerstraße  mit  Blick  auf  den  Marktturm,  rechts  Rathausflügel  („Dogen- 
palast"), links  die  ehemalige  Ratsapotheke.     Phot.  1895. 


(Im  Staatsarchiv  finden  sich  jüngere  Akten  über  das  Rathaus:  Regi- 
stratur-Repert.  der  Kgl.  Landdrostei  Hannover,  39.  Rand  (XXXIX.  R.). 
Spezial-Acten  Stadt  Hannover  I.  Theil,  S.  249  ff.  1822  Bau-Reparaturen 
am  Altst.  Rathause;   1843  Apothekenflügel.) 


368 


Neustädter  Rathaus 

Der  auf  Betreiben  des  Stadtdirektors  Rumann  durch  Andreae  an  Rathausfiügei  von 
der  Stelle  des  Apothekenflügels  errichtete  Rathausflügel  entstand  in  1845  (D°senPaiast) 
den  Jahren  1845—50. 

Dreigeschossiger,  gemischter  Bau  in  venetianischem  Palaststil  von  Abb.  240  u.  241 
sieben  Achsen.  Oberhalb  des  Erdgeschosses  ist  ein  Zwischengeschoß 
eingefügt,  beide  mit  glatter  Sandsteinfassade,  hinter  der  die  Umrahmungen 
der  rundbogigen  Lichtöffnungen  zurückliegen.  Das  Zwischengeschoß 
ist  in  16,  auf  romanisierenden  Säulen  gekuppelten  Rundbogenfenstern  ge- 
öffnet. Die  beiden  Obergeschosse  haben  Ziegelfassade;  Fenster  rund- 
bogig  in  rechteckigen  Blendnischen.  Hauptsims:  Sandstein  mit  starker 
Kehlung;  am  Dachborde  venetianische  Zinnenbekrönung.  In  die  Gebäude- 
kanten sind,  zweigeschossig  angeordnet,  romanische  Dreiviertelsäulen 
eingelegt. 

Die   dem  alten   Rathause  zunächst  gelegene   Achse  ist  wieder  abge- 
brochen.   Im  Innern  ist  eine  offene  Halle  geplant  gewesen. 


Neustädter  Rathaus. 

Der  Magistrat  der  Neustadt  hatte  unmittelbar  nach  seiner  Konsti- 
tuierung und  Privilegierung  durch  den  König  im  Jahre  1718  ein  Privat- 
haus mietweise  als  Stadt-  und  Rathaus  in  Benutzung  genommen. 

Im  Jahre  1777  wurde  auf  der  Stätte  des  bisherigen  Spritzenhauses 
an  der  Bäckerstraße  nach  Rissen,  die  Dinglinger  angefertigt  hatte,  ein 
neues  Rathaus  aufgeführt  (Beilage  zum  Cämmereyregister,   Stadtarchiv). 

Das  Gebäude  ist  noch  vorhanden. 


24  369 


Regierungsgebäude. 


Stadtvogtei. 

L)ic  Statte,  wo  der  Stadtvogt  oder  Schultheiß  die  herzoglichen  Gefälle 
erhob,  lag  im  Mittelpunkte  der  Stadt  am  Hokenmarkte.  Als  ,,Tollen- 
bode"  wird  das  vermutlich  im  17.  Jahrhundert  verschwundene  Gebäude 
bezeichnet,  das  auf  dem  Grundstücke  Schmiedestraße  30  belegen  war. 
Über  die  Art  des  Hauses  ist  Näheres  nicht  bekannt;  von  ihm  stammt 
wahrscheinlich   das  Wappen    am    Limburgischen    Hause,    Am  Markt  11. 

Dikasteriengebäude 

(Staatsregierung). 

Als  erstes  Regierungsgebäude  in  Hannover  hat  die  ,,Fürstl.  Braun- 
schweigisch-Lüneburgische  Cantzeley"  zu  gelten,  die  in  einem  Hause  am 
Kreuzkirchhofe    1636   eingerichtet   wurde.     S.  darüber    S.  373. 


Abb.  242.    Hannover;    Ministerialgebäude  (Kultus),  Calenberger  Straße  30,  abgebrochen  1874. 
Nach  Aquarell  von  A.  Albes  1868,  Stadtarchiv.     Khrengabe  an  A.  Hrüel. 


370 


Dikasteriengebäude 

Das  auf  dem  ersten  Hofe  des  Leineschlosses  bereits  1641  erbaute 
Wohnhaus  des  Hofmarschalls  beherbergte  gegen  Ende  der  Regierungszeit 
des  Kurfürsten  Ernst-August  die  Geheime-Räthe-Stube,  während  Justiz- 
kanzlei und  Kammerkollegium  im  Kammerflügel  an  der  Leine  unter- 
gebracht waren.    Das  längs  der  Schloßstraße  sich  erstreckende  Gebäude, 


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Abb.  213.    Hannover;  Regierungsgebäude  auf  der  Ecke  der  Archiv-  und  Calenberger  Straße 
um  1830.    Zeichnung  von  Fischer,  Stadtarchiv.    Druckstock  H.  G. 


Abb.  244.  Hannover;  Regierungsgebäude,  Mittelbau  der  Archivstraßenfront.  Entwurfszeichnung  von  1837. 


371 


Regierungsgebäude 

das  später  den  eigentlichen  Sitz  der  Regierung  bildete,  war  von  unregel- 
mäßigem Grundriß  und  ist,  wie  die  Zeichnungen  dartun,  offenbar  nicht 
einheitlich  entstanden.  Sein  Äußeres  findet  sich  dargestellt  auf  der  in 
Abb.  177  wiedergegebenen,  vor  dem  Brande  des  Kammerflügels  ange- 
fertigten Aufrißzeichnung  von  J.  F.  Jungen  aus  dem  Jahre  1740 
(Gmundener  Archiv).  Das  Gebäude  wurde  1825  zur  Durchführung  des 
damals  gültigen  Lavesschen  Bebauungsplanes  für  den  ersten  Schloßhof 
hinweggeräumt  (s.    darüber  S.  276). 

Abb.  212  Schon  seit  1813  hatte  das  Georgianum  (s.  S.  703)  an  der  Calenberger 
Straße  als  hannoversches  Ministerialgebäude  gedient*).  Die  westwärts 
davon  und  rückwärts  bis  an  die  Straße  „Am  Archive"  gelegenen 
privaten  Wohngrundstücke  wurden  seit  1820  nach  und  nach  von  der 
Staatsregierung  erworben.  So  das  herrschaftliche  Haus  (der  Osnabrücker 
Hof),  das  zuletzt  der  Direktor  des  Georgianums,  der  Geh.  Justizrat 
Feder,  bewohnt  hatte,  auf  der  Ecke  zwischen  Calenberger  und  Archiv- 
straße für  die  Wegebaukommission;  die  beiden  daran  anstoßenden 
Nachbarhäuser  an  der  Archivstraße  für  die  Landdrostei,  das  zurück- 
liegende,   um    1730    erbaute,    ehemals    Patjesche    Wohnhaus,    für    das 

Abb.  2i3  Finanzministerium.  (Zeichnungen  dieser  Gebäude  im  Stadtarchiv, 
Mappe  3.) 

Diese  Baulichkeiten  blieben  zunächst  erhalten,  als  im  Jahre  1837 
der  Neubau  des  Dikasteriengebäudes  begonnen  wurde.  Dagegen  mußte 
das  sehr  reizvolle,  ehemals  v.  Iltensche,  zuletzt  v.  Wangenheimsche 
Wohnhaus,  das  1836  vom  Staate  angekauft  war,  dem  Neubau  des 
Südflügels  weichen,  der  zunächst  in  Angriff  genommen  und  1845  vollendet 
wurde.  Hier  fanden  die  hannoversche  Domanial-  und  Forstverwaltung 
sowie  die  Generaldirektion  des  Wasserbaues  und  ein  Teil  des  Finanz- 
ministeriums ihre  Unterkunft.  Der  einige  Jahre  später  fertig  gewordene 
südwestliche  Eckpavillon  wurde  dem  hannoverschen  Ministerium  der 
auswärtigen  Angelegenheiten  übergeben. 

Abb.  24i  Die  Fortführung  des  Baues  geschah  erst  in  den  Jahren  1862  bis  1867 
und  betraf  den  westlichen  Flügel  an  der  Archivstraße.  Der  nördliche 
Flügel  des  Regierungsgebäudes  an  der  Calenberger  Straße  ist  in  den 
Jahren  1876  bis  1879  erbaut;  ihm  fiel  1874  das  alte  Georgianum 
zum   Opfer. 


*)  In  dem  Saale,  in  dem  das  Ministerium  sich  zu  versammeln  pflegte,  fand 
sich  nach  Spilcker  ein  lebendgroßes  Bild  Georgs  III.  von  Ramberg  und  zwei  Tür- 
stücke von  ebendemselben  Künstler,  die  Weisheit  und  die  Gerechtigkeit  dar- 
stellend (Spilcker,  S.  495). 


372 


Ständehäuser. 


Haus  der  Ständeversammlung. 

IN  ach  der  Aufteilung  der  landesherrlichen  Kurie  um  1300  kam  ein 
zwischen  der  späteren  Kreuzkirche  und  der  Ballhofstraße  belegenes  Teil- 
stück in  den  Besitz  der  Stadt,  die  dort  den  städtischen  Marstall  errichtete. 
Nach  dessen  Verlegung  auf  das  Beginengelände  an  der  Pferdestraße,  1545, 
besaß  die  Familie  von  Beden  (Hinrich  von  Beden  seit  1552)  das  Grund- 
stück und  ein  Haus  darauf,  welches  ihr  der  Landesherr  1636  abkaufte, 
um  darin  dem  Hofgerichte  und  der  Landständeversammlung  Unterkunft 
zu  geben.  Das  Haus  wird  als  Fürstl.  Braunschweig-Lüneburgische  Cantzeley 
bezeichnet  und  ist  das  erste  Begierungsgebäude  in  Hannover. 

1646  wurde  das  Grundstück  von  einer  Feuersbrunst  heimgesucht. 
Wahrscheinlich  ist  nach  diesem  Ereignis  das  gegenwärtig  dort  stehende 
Gebäude  entstanden.  Wie  lange  es  für  die  Versammlungen  der  Land- 
stände gedient  haben  mag,  ist  unbekannt.  Der  Landesherr  verkaufte  es 
an  die  Familie  von  Lenthe,  und  die  Ständeversammlung  prozessierte 
gegen  den  Verkauf.  Das  Grundstück  galt  als  „der  von  Lenthe  Hof",  bis 
es  1827  von  der  Königlichen  Domänenkammer  erworben  wurde.  Zu 
hannoverschen  Zeiten  beherbergte  das  Haus  zuletzt  das  Finanzmini- 
sterium. Der  preußische  Fiskus  verkaufte  es  der  Kongregation  der 
Hildesheimer  Ursulinerinnen,   die   es   dann  einige    Jahre   besessen  haben. 

Langrechteckiger    Bruchsteinbau    von    zwei     Geschossen    mit    sand-  Beschreibung 
steinernen  Simsen  ohne  sonstige  Zierglieder.    Bechteckige  Fenster,  wahr- 
scheinlich ehemals  mit  Kreuzpfosten. 

Zeichnung  des  Zustandes  von  1869  im  Stadtarchiv. 

Das  Landschaftliche  Haus  an  der  Osterstraße 
(abgebrochen  1881). 

An  der  Osterstraße  wurden  um  1710  sechs  bürgerliche  Grundstücke 
durch  die  kurfürstliche  Staatsregierung  angekauft  und  zum  Neubau  des 
Hauses  für  die  landschaftlichen   Stände  freigelegt.    Der  Neubau  begann 

373 


Ständehäuser 


Abb.    245. 


Hannover;     Landständehaus   an   der   Osterstraße.     Nach    dem   Kupferstich    bei    Penther, 
Baukunst  III,  Tafel  XXXIX. 


im  August  1710  und  war  1712  fertig  (s.  Redecker,  Chron.,  S.  782).  Die 
Pläne  dazu  hatte  Remy  Rouge  de  la  Fosse  entworfen*);  sie  sind  durch 
Penther  in  seiner  „Anleitung  zur  Bürgerlichen  Baukunst"  (4.  Teil,  S.  52, 
Abb.  245  und  auf  den  Tafeln  39 — 43)  veröffentlicht  worden.  Die  Kosten  des  Baues 
sollen  die  veranschlagte  Bausumme  dreifach  überschritten  haben  (Woker, 
Gesch.  d.  kathol.  Kirchengemeinde  in  Hannover  und  Celle,  Paderborn 
1889,  S.  157).  Die  im  Grundstein  niedergelegte  Inschrift,  die  Penther 
wiedergibt,  enthalt  die  baugeschichtliche  Angabe,  das  landschaftliche 
Haus  sei  unter  dem  Kurfürsten  Georg  Ludwig  mit  Zustimmung  der 
calenbergischen  Regierung  von  den  Prälaten,  Rittern  und  kleinen  Städten 
für  ihre  und  des   Städterates  Zusammenkünfte   1710  gegründet  worden. 

Während  des  Siebenjährigen  Krieges  1757/58  residierten  im  Stände- 
hause die  Befehlshaber  der  französischen  Besatzung  sechs  Monate  lang. 
Das  Gebäude  wurde  1808  von  einem  Brande  betroffen,  der  das  ganze 
Innere  vernichtete,  so  daß  der  Hauptteil  nur  noch  zum  Packhof  benutzbar 
war,  während  in  den  Nebengebäuden  die  Gendarmerie    der  westfälischen 


*)  S.  Brief  90  vom  Jahre  1708  des  Herzogs  Ernst  August  an  v.  Wendt,  heraus- 
gegeben von  Graf  Kielmannsegg,  S.  214.    „Lafosse  travaille  dejä  au  desein"  usw. 

374 


Das  Landschaftliche  Haus  an  der  Osterstraße 

Landesherrschaft  untergebracht  wurde.  Nach  den  Freiheitskriegen,  im 
Jahre  1818,  wurde  das  Haus  wieder  ausgebaut  und  von  der  calenbergisch- 
grubenhagenschen  Landschaft  der  Allgemeinen  Ständeversammlung  des 
Königreichs  unter  gewissen  Bedingungen  zur  Mitbenutzung  überlassen. 
Dem  Schatzkollegium  stand  nach  den  ständischen  Beschlüssen  vom 
März /April  1820  die  Aufsicht  über  die  Instandsetzung  des  Gebäudes  zu. 
Die  Allgemeine  Ständeversammlung  erwarb  1844  das  Haus  käuflich. 
Über  den  Besitz  entstand  nach  1866  ein  Rechtsstreit,  der  dahin  ent- 
schieden wurde,  daß  der  Anspruch  des  preußischen  Fiskus  als  berechtigt 
anerkannt  wurde.  Das  Grundstück  erhielten  die  Provinzialstände  zu 
mäßigem  Preise.  Bei  der  Anlage  der  Karmarschstraße  1881  mußte  das 
Gebäude  fallen. 

Das   landschaftliche    Haus   umschloß    mit   seinen    Flügelbauten   einen  Beschreibung 
Hof,  der  nach  der  Osterstraße  zu  durch  Gitter  (Eisenguß,  wiederverwandt  Abb.  210. 
am    Schwesternhausgrundstück    Meterstraße/Sextrostraße)    und    Tor    ab- 
gegrenzt war.    Das  Hauptgebäude  im  Hintergrunde  des  Hofes  war  von 
rechteckiger     Grundform;     an    beiden    Breitenfronten  traten  dreiachsige 
Mittelrisalite  nur  schwach  vor.   Auf  dem  Rez  de  Chaussee,  das  mit  starkem 


Abb.  246.     Hannover;    Das  Ständehaus.     Nach  Phot.  1880. 


375 


Ständehäuser 


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Abb.  247.    Hannover;  „Das  Landschaftliche  Gebäude  zu  Hannover",  1846.  Nach  der  Entwurfszeichnung 
von  Ebelins  im  Stadtarchiv. 


Abb.  248     Hannover;  Haus   der  Calenberg-Grubenhagenschen  Landschaft,   1846  von  Ebeling  erbaut. 

Stich  nach  Kretschmer. 


376 


Haus  der  Landschaft 

Sims  abgesetzt  und  durch  Quaderung  unterschieden  war,  erhoben  sich 
zwei  Obergeschosse  mit  geputzten  Flächen,  im  Risalit  hofwärts  durch 
korinthische  Pilastervorlagen  mit  Gebälk  und  Giebel  vereinigt.  Das  hohe 
Gebälk  umzog  auch  die  Flügel,  soweit  sie  von  dreigeschossigem  Aufbau 
waren.  Mansardendächer  mit  Gauben  und  Ochsenaugen  bildeten  den 
Abschluß.  Die  Flügel  hatten  in  ihren  drei  Teilen  ungleiche  Höhe  und  ver- 
schiedene Architektur.  Eine  Freitreppenanlage  im  Grunde  des  Hofes 
eröffnete  den  Mitteleingang  des  Hauptgebäudes  und  die  Eingänge  zu  den 
Flügeln. 

Die  Konferenz-  und  Sitzungssäle  sowie  die  Räume  des  Obergerichtes 
lagen  im  Hauptgeschoß  des  Mittelbaues,  zu  dem  das  aus  der  Achse  rechts 
seitlich  verschobene  Treppenhaus  den  Zugang  verschaffte.  Nachrichten 
über  Einzelheiten  der  Raumausstattung  sind  nicht  überliefert. 


Haus   der  „Landschaft   für   die  Fürstentümer  Calenberg,   Göttingen 

und  Grubenhagen". 

Nach  der  Festlegung  des  Bebauungsplanes  für  den  östlich  des  Wind- 
mühlenberges belegenen  Teil    der  Ernst-August-Stadt  hatte    bereits  die 
Calenbergische  Ritterschaft  ein  Grundstück  an  dem  nachmaligen  Theater- 
platze erworben,  das  sie  1846  mit  dem  „Landschaftlichen  Hause"  nach  Abb.  217  u.  24s 
Entwurf  von   Ebeling  bebaute. 

Das  Ständehaus  ist  ein  Sandsteinquaderbau  auf  rechteckigem  Beschreibung 
Grundriß,  außen  wie  innen  im  Stil  englischer  Gotik  durchgebildet. 
Zwei  Geschosse  bei  sieben  Achsen;  Mitteleingang  mit  Tudorbogen; 
zurückliegende  Treppe;  rechteckige  Lichtöffnungen,  von  getrennten 
Kaffsimsen  umzogen.  Die  äußersten  beiden  Achsen  liegen  je  in  einem 
wenig  vorgezogenen,  zweigeschossigen  Erker.  Das  gewalmte  Schieferdach 
wird  durch  den  Zinnenabschluß  des  Gebäudekörpers  verborgen.  Schlanke, 
gefaste  Ziertürmchen,  zweigeschossig  geteilt,  schießen  an  den  Kanten 
über  die  Zinnenlinie  hinaus.  Entsprechende  Ausbildung  hat  ein  etwa 
quadratisches  Frontispiz  in  der  Mittelachse,  welches  das  Wappen  der 
Ritterschaft  enthält. 

Im  Obergeschoß   befindet  sich  ein    Sitzungssaal. 


377 


Waage. 

L)ie  Stadtwaage  hatte  seit  etwa  1460  bis  um  1565  auf  der  Stätte  des 
Apothekeuflügels  des  Rathauses  an  der  Köbelingerstraße  gestanden 
und  war  dann  mitten  auf  den  Hokenmarkt  verlegt,  wo  seit  1515  ein  neues 
Waagehaus  bestand.  Diese  Jahreszahl  war  über  der  Tür  steintorwärts 
eingehauen  (s.  Redecker,  Chron.,  S.  365  und  S.  400).  1737  ist  das  Gebäude 
erneuert  worden  und  bald  nach  1842  zur  Erweiterung  des  Marktplatzes 
abgebrochen.  Der  Magistrat  richtete  dann  die  Stadtwaage  auf  der  Neuen 
Straße  in  dem  von  ihm  erworbenen  herrschaftlichen  Fleischscharren, 
Neue  Straße  19,  ein.  Die  Waage  ging  1870  ein  (über  die  Waage  als  Ein- 
richtung s.  Spilcker,  S.  243,  und  Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen,  1871, 
S.  145.  Corpus  bonorum  von  1720,  in  H.  G.  1906,  S.  224).  Ein  Ersatz 
der  Waage  ist  zwischen  Konsistorium  und  Neustädter  Kirche  eingerichtet. 

Von  der  Stadtwaage  am  Hokenmarkte,  die  genau  dem  Hause  Schmiede- 
straße 22  gegenüber  lag,  besitzt  das  Stadtarchiv  neuerdings  eine  aqua- 
rellierte Handzeichnung.  Diese  zeigt  sie  als  zweigeschossiges  Fachwerk- 
gebäude auf  etwa  quadratischem  Grundriß.  Doppelpfosten  im  Ober- 
geschoß lassen  das  abgebildete  Haus  um  1720  datieren.  Der  Wiegeraum 
öffnet  sich  zur  Schmiedestraße,  nordwärts,  in  einer  großen  Dielentür. 
Fälschlich  wird  die  auf  einem  anderen  Aquarell  im  Stadtarchive  dar- 
gestellte, mehr  kirchenwärts  belegen  gewesene  Häusergruppe  als  Stadt- 
waage bezeichnet  (Abb.  H.   G.   1926,  Taf.   II). 


378 


Militärische  Gebäude  und  Anlagen. 


BEHÖRDEN: 

Kriegsministerium  und  Generalkommando. 
Militär-Bekleidungskommission. 

KASERNEN   UND  ZUBEHÖRUNGEN: 
Kaserne  am  Königsworther  Platz. 
Kasernen  am  Waterlooplatze. 
Kasernen  am  Welfenplatze  und  Möhringsberge. 
Offizier-Messegebäude. 
Artilleriekaserne  am  Steintore. 
Pionierkaserne  vor  dem  Clevertore. 
Militär-Hospitale. 

LEHRANSTALTEN: 

Garnisonschule. 

Kadettenschule. 

Militär-Akademie  und  Generalstabs-Akademie. 

Ratsmarstall. 

WACHGEBÄUDE: 

Markt  wache. 
Torwachen. 

ZEUGHÄUSER  UND  ZUBEHÖRUNGEN: 

Herzogliches  Zeughaus. 

Königl.  Hauptzeughaus. 

Städtische  und  landesherrliche  Gießhöfe. 


379 


Behörden, 


Kriegsministerium  und  Generalkommando. 

Das  hannoversche  Kriegsministerium  war  mitsamt  anderen  ihm 
unterstellten  Behörden  seit  1802  in  einem  Hause  an  der  Osterstraße  93 
untergebracht,  welches  der  Staat  von  den  Erben  des  Feldmarschalls 
Abb.  219  v.  Freitag  für  die  Kriegskanzlei  erworben  hatte.  Dieses  Haus  war  ein 
aus  dem  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  stammendes  Fachwerkhaus  von  drei 
Geschossen  mit  Mansardendach  (Abb.  250,  Stadtarch.,  Kasten  VII,  Bl.  45). 


Jtriecjs  -  Ministerium  1856.  Osterstr.  93. 
Srdgeschoss. 


Abb.  249.    Hannover;    Kriegsministerium  1856.     Grundriß.    Nach  Plan  im  Keichsarchive. 

Neben  ihm  lag  das  ehemals  Masebergsche  Haus,  in  dem  das  General- 
kommando Unterkunft  gefunden  hatte.  Es  war  beabsichtigt,  an  Stelle 
dieser  Gebäude  massive  Bauten  treten  zu  lassen,  so  daß  zwischen  Georg- 
und  Osterstraße  neben  dem  Landständehause  ein  geschlossenes  behörd- 
liches Viertel  erstanden  wäre.  Der  Anfang  dazu  war  1840  mit  dem 
Gebäude  der  Bekleidungskommission  gemacht.  Die  Häuser  Osterstraße 
93   und   94    sind    bei   Anlegung   der   Karmarschstraße    1879/80  gefallen. 


Militär-Bekleidungskommission. 

Die  Militär-Bekleidungskommission  war  bis  zur  Errichtung  eines 
eigenen  Gebäudes  für  sie  in  einem  der  „fünf  herrschaftlichen  Häuser" 
an  der  Leinstraße  untergebracht.    1840  wurde  nach  Plänen  von  Tramm 

380 


Militär-Bekleidungskommission 

dieses  besonders  für  die  Kommission  bestimmte  Gebäude  an  der  Georg- 
straße errichtet.  1855  wurde  es  zur  Polytechnischen  Schule,  neben  der 
es  lag,  hinzugezogen  und  ist  bei  deren  Umbau  zum  Hotel  durch  Wallbrecht 
niedergelegt.   Zum  Ersatz  war  an  der  Adolfstraße  gegenüber  dem  General- 


Abb.    250.     Hannover;    Hannoversches    Kriegsministerialgebäude    an    der 
Osterstraße  93.    Nach  Aquarell  im  Stadtarch. 


Militärlazarett     ein     neues     Dienstgebäude     der    Bekleidungskommission 
errichtet,  das  aber  seit  1867  als  Hilfslazarett  benutzt  wird. 

Das  erste  Gebäude  der  Bekleidungskommission  an  der  Georgstraße 
war  ein  dreigeschossiger  Putzbau  auf  stumpfwinkligem  Grundriß:  Geschoß- 
teilungen durch  Simse,  Hauptsims  mit  Konsolenfries,  Ecklisenen;  die 
Erdgeschoßfassade  war  in  rustizierten  Blendarkaden  aufgelöst.    Fassaden-  Abb.  251 

381 


Behörden 


Zeichnungen  und  Grundrisse,  zwei  Blatt  sign.  Hannov.  Kriegsminist.  Lit. 
G.  6  im  Reichsarchiv. 

Das  Militär-Bekleidungsgebäude  an  der  Adolfstraße   ist  1858/59  nach 
Plänen    von    Hunaeus    errichtet    und    hat    quadratischen    Grundriß    von 


Abb.  251.    Hannover;  Gebäude  der  Militär-Bekleidungskommission  an  der  Georgstraße: 
Grund-  und  Aufriß  nach  Zeichnung  von  Tramm.    (Reichsarch.). 

27  m  Seitenlänge:  massiver  Ziegelbau,  drei  Hauptgeschosse  und  ein 
Halbgeschoß.  Den  Kern  des  Gebäudes  bildet  ein  Oberlichttreppenhaus 
mit  Holztreppe  und  Galerien,  das  ehemals  den  Zweck  hatte,  mit  Hebe- 
zeugen die  in  der  Bekleidungsanstalt  aufzubewahrenden  Gegenstände  den 
einzelnen  Stockwerken  zuzuführen. 


382 


Kasernen  und  Zubehörungen. 

Als  älteste  Kaserne  Hannovers,  von  der  wir  wissen,  diente  das  sogenannte 
Kommißhaus  neben  dem  späteren  Georgianum  (Ecke  der  Archiv-  und 
Ernst-August-Straße).  Es  war  während  des  Dreißigjährigen  Krieges  erbaut 
und  scheint  das  nämliche  Gebäude  gewesen  zu  sein,  welches  später  als 
Osnabrücker  Hof  bezeichnet  wurde.  -  -  Die  ,,Bequartierung  der  Truppen"  Abb.  213,  Seite  371 
lastete  im  allgemeinen  auf  den  Untertanen,  diejenige  der  Kavallerie 
vorzugsweise  auf  dem  platten  Lande,  (v.  Sichart,  Gesch.  d.  Königl. 
Hannoverschen  Familie,  Bd.  I,  Seite  314.)  Eine  Verordnung  des  Herzogs 
Ernst  August  vom  15.  August  1681  traf  indes  schon  Bestimmungen  über 
Ablösungszahlungen,  falls  ein  Untertan  es  vorziehen  sollte,  Quartier  nicht 
in  natura  zu  liefern.  Eine  andere  Verordnung  vom  13.  November  1690 
bestimmte,  „daß  in  den  großen  Städten  das  ganze  Quartierwesen  hinfüro 
zu  Gelde  geschlagen  werden  sollte".  In  derartigen  Verordnungen  waren 
die  Keime  für  eine  Kasernensteuer  gegeben,  wie  sie  erst  geraume  Zeit 
später  nach  der  unglücklichen  Auflösung  der  hannoverschen  Armee  1803 
ungefähr  gleichzeitig  mit  der  Wiederaufstellung  von  kurstaatlichen  Truppen 
am  19.  Februar  1811  ausgeschrieben  wurde.  Ad  hoc  gebaute  Kasernen 
gibt  es  in  Hannover  erst  nach  dieser  Zeit.  Die  regelmäßige  Garnison  der 
Stadt  bestand  aus  einem  Garderegiment  zu  Fuß,  einem  Linieninfanterie- 
regiment, einer  Abteilung  Artillerie  und  einer  Eskadron  der  Garde  du  Corps. 
Die  Infanterie  lag  in  Bürgerquartieren;  kaserniert  waren  nur  die  beiden 
Abteilungen  der  Artillerie  und  der  Kavallerie. 

Kaserne  am  Königsworther  Platz. 

Der  Generalmajor  v.  Wallmoden  als  Chef  des  1770  neu  aufgestellten 
Leibgarderegimentes  suchte  zum  Zwecke  einer  näheren  Zusammen- 
ziehung und  besseren  Ausbildung  der  ihm  anvertrauten  Truppe  um  die 
Einräumung  eines  Teiles  des  königlichen  Maultierstalles  vor  der  Herren- 
häuser Allee  nach.  Dieser  landesherrliche  Maultier-  und  Tragetierstall 
(s.  Hofhaltung)  war  mit  Schmiede,  Wagenschuppen  und  Fouragemagazin 
1736  erbaut.  Ein  Teil  davon  wurde  nun  in  Genehmigung  des  v.  Wall- 
modenschen  Ansuchens  im  März  1771  auf  königlichen  Befehl  vom  Hof- 
baudepartement dem  Leibgarderegiment  überliefert  für  ein  Detachement 
von  40  bis  50  Mann  und  50  bis  60  Pferden.  Ein  bei  dieser  Gelegenheit 
aufgestelltes    Inventar    nennt    das    Hauptgebäude    mit    11     Gemächern, 

383 


Kasernen  und  Zubehör ungen 

das  Stallgebäude,  das  breite  Wagenhaus  und  den  Boden  des  langen 
Wagenschauers.  Im  Jahre  1771  führte  man  in  der  Kaserne  der  Königlichen 
Leibgarde  den  Brand  der  Steinkohle  auf  dem  Küchenherd  ein,  wie  Spilcker, 
S.  188,  erzählt.  1780  ließ  Wallmoden  ein  Reithaus  erbauen  und  ein  dabei 


Abb.  252.     Hannover;  Portal  der  ehemaligen  Garde-du-Corps-Kaserne  am 
Königsworther    Platz.     Aufgen.  u.  gez.  D.,  1912. 

im  Wege  stehendes  Gebäude,  das  bis  dahin  die  königlichen  Wagen  be- 
herbergt hatte,  abbrechen.  Seine  dienstlichen  Schreiben  pflegen  noch 
1780  datiert  zu  sein:  „Im  Tragethier- Stalle,  itzigen  Casernen  Gebäude 
außerhalb  Cleven  Thores".    In  die  Jahre  um  1780  fällt  die  Unternehmung, 


384 


Kasernen  am  Waterlooplatze 

die  den  Tragetierstall  erst  eigentlich  zur  Kaserne  ausgestaltete  und  die 
geleitet  wurde  von  dem  Ingenieur  Johann  Heinrich  Borchers.  Seit  Ende  Abb.  2.02  u.  2ö:\ 
1779  ist  schon  die  Erweiterung  des  vom  Regimente  erbauten  Reithauses 
im  Gange,  und  die  Anlage  einer  „sehr  räumlichen  Reitschule  und  einer 
größeren  offenen  Reitbahn"  wird  vorgeschlagen.  Durch  stockende  Be- 
lieferung mit  Ziegeln  aus  der  königlichen  Ziegelei  in  Herrenhausen  ver- 
zögerte sich  das  Fortschreiten  dieser  Bauten.  Ihr  Umfang  scheint  also 
beträchtlich  gewesen  zu  sein.     Aus   den   bisher  erreichbaren   Akten   läßt 


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Abb.  253.    Hannover;  Kaserne  der  Garde  du  Corps  am  Königsworther  Platz.   Aufriß.    Nach  Zeichnung 
um  1840  im  Reichsarchiv. 

sich  des  näheren  nicht  feststellen,  inwiefern  das  Hauptgebäude  am  Königs- 
worther Platz  damals  erweitert  wurde,  insbesondere  ob  damals  die  Flügel- 
bauten  und  die   Aufstockung  des  Mittelznges  entstanden  sind. 

1841  wurde  an  der  Seite  des  Johannisfriedhofes  ein  neues  Mannschafts- 
wohngebäude samt  einem  Stallgebäude  hinzugefügt;  symmetrisch  zu  ihm 
mit  geringerer  Frontausdehnung  entstand  1868 — 70  ein  drittes  Wohn- 
gebäude, ebenfalls  mit  einem  Stall.  Den  Zustand  um  1811  gibt  eine 
Lithographie  von  Kretschmer  wieder.  Ein  Situationsplan  von  1833  und  Abb.  215,  Seite  325 
Aufrißzeichnungen,  meist  undatiert,  sind  im  Reichsarchiv. 


Kasernen  am  Waterlooplatze. 

Außer  den  beiden  symmetrisch  zur  Längsmittelachse  des  Waterloo- 
platzes  angeordneten  Kasernen  liegt  eine  dritte,  etwas  ältere  an  der 
Nordwestseite  des  Platzes  zunächst  dem  Leibnizdenkmal.  Sie  ist  angeblich 
1828  als  Kommandanturgebäude  seitens  der  Stadt   erbaut*),    1838   aber 


*)  Nach  Laves'  Bericht    über  den  Bau  des  Waterloomonumentes    scheint    die 
Jägerkaserne  schon  seit  1826  im  Bau  begriffen  gewesen  zu  sein. 

25  385 


Kasernen  und  Zubehör ungen 

durch  die  Militärverwaltung  angekauft,  1<S39  durch  Anbau  eines  nordwest- 
lichen Flügels  erweitert  und  zur  Kaserne  für  die  Gardejäger  bestimmt. 
Abb.  25i  Dreigeschossiger,  schmuckloser  Massivbau  von  15  Achsen  nach  dem 
Platze  hin.  Fenster  des  1.  Obergeschosses  rundbogig;  flaches  Walmdach. 
Innenwände  Fachwerk.  Mittelkorridor  mit  beiderseits  angeordneten 
Stuben,  zwischen  denen  hin  und  wieder  Stichkorridore  Licht  hereinlassen. 


Abb.  254.     Hannover;    Kasernen  an  der  Nordwestseite  dos  Waterlooplalzes.     Phot.  1900. 

Die  südwestlich  danebenliegende  Kaserne  ist  1831  sogleich  fürihrenZ  weck 
erbaut.  Ihr  entspricht  in  Lage  und  Architektur  die  für  die  Gardegrenadiere 
bestimmt  gewesene,  1833  erbaute  Kaserne  auf  der  anderen  Seite  des  Platzes. 
W%  Dreigeschossige  geputzte  Bauten  von  hufeisenförmigem  Grundriß. 
Frontlänge  51,8  m;  7  +5  -f  7  Achsen.  Die  mittleren  5  Achsen  in  schwach 
vortretendem,  mit  Dreiecksgiebel  geschlossenem  Risalit.    Das  Erdgeschoß 

des  Risalites  in  5  Arka- 
clenbögen  über  Freitreppe 
geöffnet.  Gewalmte,  flach- 
geneigte Ziegeldächer. 
Mittelkorridore. 

Die  zu  den  Kasernen 
gehörenden  Exerzierhäu- 
ser sind   1833  erbaut. 

Pläne :  beim  Stadt- 
bauamt und  beim  Preuß. 
Hochbauamt   III. 

Das  Militärarresthaus 
ist  ein  1835  errichteter, 
1868    vergrößerter    massi- 

Abb.  255.    Hannover,  Kasernen  am  Wellenplatz.     Phot.   1865.  „.  ,         .     , 

ver  Ziegelputzbau  von 
drei  Geschossen  bei  zehn  Achsen  an  der  nördlichen  Langseite,  wo  sich 
auch   der  Haupteingang  findet,   und  sieben  Fenstern  an  der  Giebelseite. 


386 


Artillcrickasernc  am  Steintore 

Kasernen  am  Welfenplatze  und  Möhringsberge. 

Die  drei  am  Nordrande  des  Welfenplatzes  liegenden  Kasernen  sind 
1857 — 59  von  den  damaligen  Ingenieurhauptleuten  .Jüngst,  Meyer  und 
Andreae  erbaut,  und  zwar  die  Kaserne  an  der  Westecke  für  Artillerie,  die 
anderen  beiden  für  Infanterie.  Die  Kaserne  an  der  Ostseite  des  Platzes  Abb.  255 
für  reitende  Artillerie  ist  1867 — 69  von  Jüngst  erbaut:  Backsteinrohbauten, 
Sockel,  Sohlbänke,  Simse  und  Treppen  von  Sandstein;  Dachziegel  schwarz 
glasiert.  In  hannoverschen  Zeiten  hatten  die  Mannschaften  gesonderte 
Wohn-  und  Schlafräume,  hieraus  erklärt  sich  die  ungleiche  Größe  der 
Mannschaftszimmer.     Pläne:    Stadtbauamt,   Verwaltung:  Stadtmagistrat. 

Die  Kaserne  an  der  Sandstraße  ist  1865  als  Trainkaserne  durch  Jüngst 
erbaut:  Ziegelrohbau  von  drei  Geschossen.  Pläne:  Stadtbauamt;  Ver- 
waltung:  Stadtmagistrat. 

Offizier-Dienstwohngebäude  und  zwei  Wagenhäuser  1867 — 69  erbaut. 
Ersteres  zweigeschossiger  massiver  Backsteinrohbau,  19,3x11, 14  m;  die 
Wagenhäuser  dreigeschossig,  ebenso  ausgeführt,  121,16x12,5  m. 

Offizier-Messegebäude. 

Das  Offizier-Messegebäude  ist  1837 — 10  als  Messegebäude  für  die 
Garde  an  der  Ecke  der  Adolf-  und  Leibnizstraße  erbaut.  (Entwürfe  zu 
den  Fassaden  und  Grundrisse  im  Reichsarchiv.  Hann.  Kriegsmin.  Lit.  G. 
Nr.  1.)  Zwei  Bauplätze  waren  vorgesehen,  der  eine  am  Rande  des  Waterloo- 
platzes  symmetrisch  zur  Gardejägerkaserne- in  bezug  auf  das  Leibniz- 
monument,  der  andere  entspricht  dem  der  Ausführung.  Das  Haupt- 
gebäude mit  abgerundeter  Ecke  ist  ein  massiver  zweigeschossiger  Bau 
mit  Ziegeldach  von  insgesamt  17  Achsen.  Das  Erdgeschoß  enthält  Vor- 
halle, Wohnung  des  Ökonomen,  Kasinoräume;  das  Obergeschoß  Garde- 
robenzimmer, Speisesaal,  Anrichtezimmer  und  Vorplatz,  welcher  nach 
hinten  hinaus  durch  eine  Treppe  mit  der  Küche  verbunden  ist. 

Artilleriekaserne  am  Steintore 

(abgebrochen   1876). 

Die  Artilleriekaserne  am  Steintore  war  an  Stelle   der  älteren  Stück-  Abb.  272,  Seite  io5 
gießerei  (s.    Gießhöfe)  im   Jahre   1838  von  Vogell  erbaut. 

Nach  der  Wiedererrichtung  des  Artilleriekorps  1813  und  der  Verlegung 
des  Gießhofes  nach  Stade  bestimmte  man  das  Gebäude  der  Stückgießerei 
zum  Kasernement  für  Artillerie.  Nach  Lohmann,  S.  18,  war  es  ,,eine 
schöne,  große,  aus  Haupt-  und  zwei  Flügelgebäuden  nebst  einem  geräumigen 
Vorplatz  bestehende,  sehr  angenehm  verzierte  Anlage".  Eine  Abbildung 
aus  dem   Stadtarchiv  bringt   Siedentopf,   Adreßbuch   Hannover  1929.         Abb.  230 

387 


Kasernen  und  ZubehöTungen 

Die  Artilleriekaser'ne  von  1838  bestand  bis  187(5 ;  das  Gebäude,  dessen 
Front  der  Nikolaistraße  zugekehrt  war,  wurde  dann  bei  Anlage  der  Nord- 


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Abb.  256.  Hannover;  Artilleriekaserne  am  Steintor.  Phot.im  Stadtarch.  (Siedentopf). 

mannstraße  teilweise  abgebrochen,  teils  umgebaut.    Die  Anlage  umfaßte 
hufeisenförmig    einen    Hof.     Der   eingeschossige   Mittelflügel    war    durch 

ein  Risalit  ausge- 
zeichnet, das  ein 
hohes,  rundbogiges 
Portal  enthielt  und 
durch  ein  Wappen 
von  Bändel  mit 
artilleristischen  Em- 
blemen gekrönt 
war  (Abbild.  257. 
Stadtarchiv,  M.  V, 
Bl.  34).  Die  Seiten- 
flügel, die  in  einem 
hohen  Erdgeschoß 
und  einem  Oberge- 
schoß ausgebaut 
waren,  endeten  je 
in  einem  quadratischen  Pavillon  von  drei  Geschossen  mit  flachem  Pyra- 
midendach. Das  ganze  Gebäude  war  ein  gequaderter  Putzbau  im 
Rundbogenstil  der  Ernst-August-Epoche  (photogr.  Abb.  im  Stadtarch., 
Mappe  V,  Bl.  2). 


Abb.  257.     Hannover;    Artilleriekaserne  (abgebrochen  1X7(>). 
Frontispizäjisatz  von  Handel  183S.    Pliot.  1876. 


388 


Militär-Hospitale 

Pionierkaserne  vor  dem  Clevertore. 

Die  1(S13  erbaute  Pionierkaserne  stand  vor  dem  Clevertor  auf  dem 
linken  Leineufer  gegenüber  der  alten  Tierarzneischule  mit  der  Rückseite 
nach  dem  Flusse.  Es  gehörte  dazu  ein  Hof  und  ein  Exerzierplatz.  Das 
einfache,  schmucklose  Wohngebäude  ist  nach  Sievert,  S.  31,  Anm.,  „in 
alten  Zeiten"  die  Gardegrenadierkaserne  gewesen.  1876  kaufte  die 
Stadt  das  Gebäude,  das  1887  abgebrochen  wurde.  Es  war  ein  quadratischer 
Putzbau  von  zwei  Geschossen  mit  Walmdach;  das  Treppenhaus  lag  in 
einem  Vorbau  (Abb.  im   Stadtarchiv,  Mappe  V,   Bl.    10). 

Militär- Hospitale. 

Am  Clevertore  wurde  im  Jahre  1789/90  innerhalb  der  Wallpromenade  altes  militär- 
beim  Eingang  in  die  Bäckerstraße  ein  Militärhospital  nach  den  Bissen  HOSPITAL 
des  Obristen  Hogreve,  eines  --  wie  Brönnenberg  (a.  a.  ().,  S.  71)  hervor- 
hebt -  -  sehr  tüchtigen  Ingenieurs,  erbaut*).  Weil  dieses  Gebäude  den 
Bedürfnissen  der  Garnison  nicht  mehr  genügte,  wurde  unter  der  Re- 
gierung Ernst  Augusts  im  Jahre  1815  ein  größeres  Militärhospital  an  der 
Adolfstraße  in  Angriff  genommen  und  1856  zu  Ende  geführt.  Das  ältere 
Hospital  überließ  die  Regierung  danach  der  Stadt,  die  es  während  des 
Umbaues  des  städtischen  Lazaretts  in  Linden  bis  zum  Jahre  1858  belegte. 
1859  brach  man  das  alte  Hospital  am  Clevertore  ab.  An  seiner  Stelle 
entstand  ein  kleiner  Schmuckplatz,  den  man  nach  dem  Bankier  Simon 
benannte,  weil  dieser  die  Kosten  der  Anlage  im  wesentlichen  getragen  hatte. 

Das  Aussehen  des  alten  Militärhospitales  ist  durch  Salzenbergs  und 
andere  Stiche  überliefert.  Seine  Front  bildete  vom  neuen  Clevertor  bei- 
den Blickabschluß  der  Clevertorstraße.  Das  Gebäude  hatte  eine  Länge 
von  122  Fuß,  eine  Breite  von  48  Fuß;  dahinter  befand  sich  ein  Hof,  dessen 
Umfang  400  Fuß  maß,  davor  ein  eingefriedigter  Basenplatz.  Die  innere 
Einrichtung  des  Gebäudes  wird  durch  die  in  der  Provinzialbibliothek 
(Kartenmappe  XVII)  aufbewahrten  Grundrisse  angegeben.  Grundriß- 
zeichnungen vom  Jahre   1833  befinden  sich  auch  im  Reichsarchive. 

Das  Militärhospital  von  1789  war  ein  rechteckiger,  geputzter  Massiv- 
bau von  zwei  Geschossen  bei  3  +  5  +  3  Achsen;  die  mittleren  fünf  Achsen 
gehörten  zu  einem  zweigeschossigen,  wenig  vorgezogenen  Bisalit  mit 
Dreiecksgiebel.  Simse,  Fensterumrahmungen  und  Ecklisenen  waren  aus 
Sandstein.  Das  Mittelportal  scheint  durch  eine  Giebelverdachung  aus- 
gezeichnet gewesen  zu  sein.  Das  Gebäudeinnere  war  durch  einen  Mittel- 
gang der  Länge  nach  aufgeteilt  und  enthielt  außer  Krankenzimmern 
und   Bad   Bäume   für  Arzte,  Apotheke,   Verwaltung  und   Küche 

*)  Über  die  Anstalt  s.  Eingehenderes  bei  Spilcker,  a.  a.  O.,  S.  398  ff. 

389 


Kasernen  und  Zubehörungen 

generalmili-        I  )as   der   Vergrößerung   der    Garnison   mehr  entsprechende    General- 
tärhospital  militärhospita]    war    in    (k>n    jaj11Tn    1845/46    an    der    Adolfstraße    nach 

einem  von  Ebeling  entworfenen  Plane  begonnen  und  zunächst  bis  zum 
Kellergeschoß  ausgeführt.  Nach  einer  Ruhepause  wurde  1852,  als  größere 
Mittel  zur  Verfügung  standen,  der  Bau  wieder  aufgenommen  unter  gleich- 
zeitiger Revision  des  Planes  durch  Hunaeus  (s.  den  Aufsatz  von  Hunaeus, 
Jüngst  und  Stromeyer  in  Zs.  d.  Arch.-  u.  Ing. -Vereins  f.  d.  Kgr.  H.  1859. 
Aufrisse  und  Grundrisse  sind  ebenda  wiedergegeben).  Als  beratender 
Arzt  wirkte  der  Generalstabsarzt  Dr.  Stromeyer  mit,  welcher  für  den 
Ankauf  eines  großen  Gartens  und  die  Abtrennung  der  Küche  von  dem 
Innern  des  Gebäudes  sorgte  (s.  Stromeyer,  Erinnerungen  eines  deutschen 
Arztes,  Hannover  1875,  II).  Am  Gebäude  ist  Werkstein  und  gelbroter 
gepreßter  Mauerstein  verwendet.  Seiner  äußeren  Architektonik  nach 
gehört  das  Gebäude  zu  den  hervorragenderen  im  sogenannten  Ernst- 
August-Stil  aufgeführten  Bauten. 

Das  Hauptgebäude  mit  der  Rückfront  nach  Süden  gelegen,  besteht 
aus  einem  Mittelbau  und  zwei  vorspringenden,  gleichmäßig  gegliederten 
Seitenflügeln.  Hauptfront  und  Seitenfront  sind  bis  zum  Gurtgesimse  in 
Sandstein,  die  Flächen  darüber  in  Mauerstein  ausgeführt.  Das  große 
Bogenfenster  des  Portals,  die  Einfassung  der  Fenster  des  zweiten  sowie  - 
an  den  Flügeln  -  auch  des  dritten  Geschosses,  außerdem  die  Fenster- 
säulen und  die  Simse  bestehen  aus  Sandstein.  Das  Dach  ist  aus  Ziegeln 
hergestellt.    Das  Relief  am  Mittelbau  ist  von  Bändel  geschaffen. 

Das  1856  gebaute  Absonderungshaus,  als  Blatternhaus  erbaut,  ist 
ein  Ziegelrohbau  von  T-förmigem  Grundriß,  bestehend  aus  Erd-  und 
Obergeschoß. 


390 


Lehranstalten. 


Garnisonschule. 

Die  Garnisonschüle  war  im  Jahre  1800  in  Verbindung  mit  einer 
Arbeitsanstalt  für  die  Kinder  der  Unteroffiziere  und  Soldaten  der  Garnison 
gestiftet,  durch  königl.  Reskript  vom  20.  Januar  1802  der  Inspektion  des 
Superintendenten  der  Neustadt  entzogen  und  der  Kriegskanzlei  und  dem 
Generalkommando  unterstellt.  Für  ein  eigenes  Gebäude  wurde  am  19.  No- 
vember 1824  der  Antrag  an  die  Baukommission  eingereicht;  es  konnte 
Michaelis  1826  geweiht  werden.  Die  Anstalt  ging  1876  ein;  das  Gebäude 
diente  danach  als  Bezirkskommando  und  ist  1892  abgebrochen. 

Seine  Hauptfront  hatte  das  in  klassizistischen  Formen  ausgebildete, 
zweigeschossige  Schulgebäude  an  der  stumpfen  Ecke  zwischen  Georg- 
und  Schillerstraße.  -  -  Die  Urheberschaft  wird  Laves  zugeschrieben.  - 
An  dieser  Front  waren  drei  Achsen  als  Mittelrisalit  vorgezogen:  breite 
Freitreppe,  Eingang  in  rundbogiger  Blendnische  unter  dorischer  Säulen- 
stellung in  antis.  Das  Risalit  schloß  in  flachem  Dreiecksgiebel;  das  Erd- 
geschoß des  Gebäudes  war  flach  gequadert.    (Abb.   Stadtarchiv.) 

Kadettenschule. 

Die  Kadettenschule  auf  dem  südlichen  Teile  des  königl.  Holzhofes 
war  1812  begonnen  und  1843  vollendet.  Das  Hauptgebäude  ist  ein  huf- 
eisenförmiger Putzbau  aus  Ziegeln  von  drei  Geschossen.  Grundmauern 
und  Sockel  aus  Sandstein;  Straßenfront  15  Achsen.  In  der  Mittelachse 
des  vom  Hauptgebäude  und  seinen  Flügeln  gebildeten  Hofes  liegt  im 
Hintergründe  des  Grundstückes  in  einiger  Entfernung  als  selbständiges 
Gebäude  das  Direktorialhaus.  Zu  dieser  ursprünglichen  Anlage  sind 
Nebengebäude  infolge  der  Umwandlung  zur  preußischen  Kriegsschule  (1868) 
hinzugekommen.  Insbesondere  ist  in  der  südlichen  Verlängerung  der 
Straßenfront  1893/94  ein  dreigeschossiges  Lehrgebäude  erbaut,  das 
durch  einen  zweigeschossigen  Verbindungsbau  mit  dem  Hauptgebäude 
in  Zusammenhang  gebracht  ist.  Pläne  und  Verwaltung:  Staatliches 
Bauamt  III. 

391 


Lehranstalten 

Militärakademie  und  Generalstabsakademie. 

Auf  dem  Ravelin  am  Calenberger  Tore,  welches  nach  der  Demolierung 
Artilleriehof  wurde,  lag  außer  verschiedenen  der  Direktion  des  Armee- 
materials zugehörigen  Baulichkeiten  die  Militär-Akademie.  Das  Gebäude 
ist  nach  1866  abgebrochen  und  das  Gelände  zur  Verlängerung  der  Calen- 
berger Straße  hinzugezogen.  Die  Anstalt  selber  ging  gleichzeitig  ein. 
Sie  war  hervorgegangen  aus  der  1783  gestifteten  Artillerieschule,  die  nach- 
mals durch  eine  Ingenieurschule  erweitert  und  dann  der  Bildung  des 
Militärs  überhaupt  gewidmet  wurde.  Die  Bibliothek  dieser  Anstalt  wird 
jetzt  in  der  Offiziersreitschule  aufbewahrt. 

Die  Anregung  zur  Gründung  einer  Generalstabs-Lehranstalt  wurde 
am  23.  Juli  1822  vom  Könige  gegeben.  Der  Generalstabs-Akademie 
waren  1855  im  Obergeschoß  des  von  Andertenschen  Hauses,  eines  der 
„fünf  herrschaftlichen  Häuser"  an  der  Leinstraße,  die  bisher  von  der 
Oberzolldirektion  benutzten  Zimmer  überlassen.  1844  hatte  sie  noch 
dieselben  Zimmer  inne.  Pläne  zur  Umänderung  des  Gebäudes  der  Feld- 
apotheke*) und  Artilleriebrigadeschule  (Artilleriestraße  10)  zur  Unter- 
richtsanstalt für  den  Generalstab,  entworfen  von  C.  Saß  1832,  befinden 
sich  im  Reichsarchive,  sind  aber  nicht  ausgeführt.  Ebensowenig  ist  ein 
Entwurf  von  1850  verwirklicht,  der  einen  Neubau  an  der  Georgstraße 
vorsah  für  das  Generalkriegsgericht,  in  dessen  zweitem  Obergeschoß 
die  Akademie  Platz  finden  sollte.  Vielmehr  hat  die  Stabsakademie  in 
dem  v.  Freitagschen  Hause,  Osterstraße  93,  und  zuletzt  im  Hause  Kanal- 
straße 5  weiter  behelfsmäßige  Unterkunft  gefunden.  Das  erstgenannte 
Haus  ist   1879/80  abgebrochen  (Abb.  250). 


Ratsmarstall. 

Der  Ratsmarstall,  dessen  Bestehen  für  das  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
bezeugt  ist  (s.  Jugler,  S.  118),  gehörte  ursprünglich  zu  den  Einrichtungen 
des  städtischen  Kriegswesens,  verlor  diese  Bedeutung  aber  schon  vor  der 
Residenzwerdung  der  Stadt.  Längere  Zeit  benutzte  die  Stadtverwaltung 
ihn  dann  für  die  Fuhren  des  Stadtbauamtes,  die  Mühlen-  und  Kotfuhren, 
bis  man  ihn  im  .Jahre  1739  eingehen  ließ  (Näheres  s.  Jugler,  a.  a.  O., 
S.   117  ff.). 

Der  alte  Marstall  lag  auf  einem  der  Stadt  gehörigen  Gelände  zwischen 
Burgstraße  und  Knochenhauerstraße,  wurde  dann  an  das  Leintor  verlegt 
und  nach  dem  Verkaufe  des  Geländes  an  der  Leine  wieder  ausschließlich 


*)  Diese  war  vorher  einige  Zeit   in  der  alten  ,, Hohen  Schule"  am  Markt   ein- 
gerichtet gewesen. 

392 


Ratsmarstall 

an  seiner  alten  Stelle  eingerichtet,  bis  er  1534  im  Beginenkloster  an  der 
Pferdestraße  untergebracht  wurde  (II.  G.  1924,  S.  79).  Infolge  dieser  Ver- 
legung konnte  seit  1545  die  Aufteilung  des  alten  Marstallgrundstückes 
vor  sich  gehen,  so  daß  die  Kreuzstraße  dortselbst  entstand. 

Die  Baulichkeiten  des  Ratsmarstalls  an  der  Pferdestraße  waren  nach 
dem  Corpus  bonorum  von  1720  (H.  G.  1906,  S.  221)  der  Kutschstall,  der 
Lange  Stall  —  „stoßet  an  die  Schreibschule  gassenwärts"  -  für  vier  Pferde 
und  der  Reisige-Stall. 


393 


Wachgebäude. 


Marktwache. 

Die  ältere  landesherrliche  Marktwache  an  der  südlichen  Chorseite  der 
Marktkirche  war  ein  zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  entstandenes  Bau- 
werk, das  1842  auf  Abbruch  verkauft  worden  ist.  Sein  Äußeres  ist  durch 
einen  Stich  —  eine  Jugendarbeit  Heinrich  Busses  —  um  1827  überliefert 
(je  ein  Originalabzug  im  Kestnermuseum  und  Vaterl.  Museum,  luv. -Nr. 
Tafel  7  10749;  das  Bild  besteht  auch  als  Aquarell).  Die  Wache  war  ein  einge- 
schossiges Fachwerkgebäude  mit  Mansardendach  und  vasenbekröntem 
Giebelerker.  Die  Hauptfront  hatte,  eine  laubenartige  Säulenstellung  von 
vier  weitgestellten  Holzsäulen,  unter  der  der  Mitteleingang  lag. 


neue  Haupt-  Zum  Ersatz  für  die  alte 
WA(:HE  Hauptwache  wurde  1841/42 
nach  Andreaes  Plänen  auf  dem 
Grundstück  Marktstraße  59  eine 
Abb.  258  neue  Hauptwache  erbaut, 
welche  die  hannoversche  Infan- 
terie bezog.  Während  der  Zeit 
der  Bürgerwehr,  1848,  benutzte 
diese  das  Gebäude.  Nach  ihrer 
Auflösung  diente  es  bis  zum 
Jahre  1866  wieder  als  Militär- 
wache, dann  wurde  es  als  Ver- 
kaufsladen vermietet  und  1880 
durch  Wallbrecht  um  zwei 
Wohngeschosse  erhöht.  Im 
Erdgeschoß  öffnete  Wallbrecht 
einen  der  beiden  Bögen  als 
Passage  zur  Grupenstraße. 

Der  Bau  gehörte  zu  An- 
dreaes Projekt,  das  Bathaus 
im  einheitlichen  Stile  mit  dem 
Dogenpalast  neu  zu  errichten; 
es   wurden   Ziegel    und    Sand- 


Abb.    258. 


Hannover.;   Neue    Hauptwache 
v;i  der  Veränderung       Siedmtc 


von    Andiene 


394 


Torwachen 

stein  daran  verwandt.  Das  überhohe  Untergeschoß  öffneten  zwei 
romanische  Rundbogen  laubenartig.  Das  Obergeschoß  mit  sechs  schmalen 
rundbogigen  Fenstern  war  an  den  Gebäudekanten  mit  zinnengekrönten 
Scheint  ürmchen  ausgestattet,  die  auf  hohen  romanischen  Ecksaulen 
ruhten.  Statt  der  Türmchen  sind  1880  Putten  mit  Emblemen  der  Kriegs- 
kunst, und  zwar  der  artilleristischen,  darauf  gesetzt,  die  von  der  Artillerie- 
kaserne am  Steintore  übernommen  wurden.  Die  eine  der  beiden  Sand- 
steinskulpturen ist  signiert:  IOH.  FRID.  BL:  ZIESENIS.  BILDHAUER  1781. 
(S.  Siedentopf,  Adreßbuch   1929,    S.   16.) 


Torwachen. 

Vor  jedem  Tore  stand  im  18.  Jahrhundert  -  -  wahrscheinlich  schon 
seit  der  Residenzwerdung  —  ein  städtisches  und  ein  landesherrliches  Wach- 
gebäude.       Sie    sind    der   Durchführung    der   Andreae-Lavesschen   Wall- 


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Vacjye6äude  am  Stein/or 


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Urteile 


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2t\gmme)\  und  Sluöe 
für  den  Torstfretter 


Abb.  259.     Hannover;    Wachgebäude  am  Steintor. 
Nach  Zeichnung  im  Reichsarchiv. 


h/ach  gebäude  fordern  Calenbtrgerlör. 


Erhalle.. 

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Abb.    261).      Hannover;     Wachgebäude   vor 

dem    Calenberger  Tor.     Nach    Zeichnung   im 

Reichsarchiv. 


Wacl/gebäude  am   <2levertor 


Abb.  261.    Hannover;  Wachgebäude  am  Clevertor. 
Nach  Zeichnung  im  Reichsarchiv. 


bebauungspläne  inden30erund 
40er  Jahren  des  19.  Jahr- 
7)  hunderts  zum  Opfer  gefallen. 
Grundrisse  vom  landesherr- 
lichen Wach-  und  Torschreiber- 
gebäude am  Steintore,  von 
dem  Calenberger  Torwach- 
gebäude und  dem  am  Clevertor 
finden    sich    im  Reichsarchiv.  Abb. 

Auf  einen  Situationsplan 
zum  Pulvermagazin  =  Wachge- 
bäude auf  der  Bult  1833  (Reichs- 
archiv) sei  hierbei  hingewiesen. 


1M-2M 


395 


Zeughäuser  und  Zubehörungen. 

Die  Stadt  hat  ein  Gebäude,  das  eigens  für  die  Verwendung  als  Zeughaus 
erbaut  gewesen  wäre,  nicht  gehabt.  Die  Mauertürme  und  die  nach  der 
Reformation  verfügbar  gewordenen  klösterlichen  Gebäude,  wie  die  des 
Minoritenklosters,  wurden  zur  Unterbringung  von  Waffen  und  Munition 
benutzt.  Im  Marienröder  Hofe  bewahrte  man  noch  1720  die  städtische 
Artilleriemunition  auf.  Die  Bezeichnung  ,, Stadtzeughaus"  trägt  ein  auf 
der  Windmühlen-  oder  Sparrenbergbastion  belegenes  Kasemattengebäude, 
das  1787  abgetragen  wurde  und  dessen  Material  beim  Aufbau  desCollegium 
chirurgicum  anatomicum  beim  Königlichen  Gießhofe  verwendet  worden  ist. 


Herzogliches  Zeughaus. 

baugeschichte  Der  Rat  hatte  der  Hannoverschen  Chronik  zufolge  am  28.  Juli  1639  dem 
Herzoge  auf  sein  Ansuchen  um  einen  Platz  behufs  eines  fürstlichen  Zeug- 
hauses „ein  Ort  am  Walle  gegen  der  Roßmühle  beym  Baguinenthurm" 
überlassen,  also  unmittelbar  an  der  Stadtmauer  zwischen  Beginenturm 
und  dem  nächsten  nordwestwärts  belegenen  Turme  bis  etwas  über  die 
Stelle  hinaus,  wo  das  bereits  1284  erwähnte  Stadttor  (U.  B.,  Nr.  49)  im 
Zuge  der  Piperstrate  sich  befunden  hatte. 

Der  Baubeginn  des  Herzoglichen  Zeughauses  wird  übereinstimmend 
Abb.  262  erst  für  das  Jahr  1643  angegeben.  Ein  Plan  von  1644  (Staatsarchiv, 
Karten  I.  A.  b.  82),  der  von  Christian  Ludwig  mit  eigener  Hand  vollzogen 
ist  -  -  „Grundriss  und  Uffzugk  eines  Zeughauses,  so  in  Hannover  hinter 
dem  Beginentormb  uff  die  Stadtmauer  zwischen  den  Wall  zu  legen"  — , 
zeigt  den  Grundriß  als  gebrochenes  Rechteck  (der  Bau  wird  etwa  diagonal 
vom  Fundament  der  Stadtmauer  durchschnitten),  im  Innern  Stützen- 
stellungen. Der  Aufriß  der  Wallseite  sieht  zwei  massive  Geschosse  auf 
hohem  Sockel  vor  mit  gekuppelten  Fenstern;  ein  drittes  Geschoß  in  Fach- 
werk mit  Giebel  nordwärts.  Das  hohe  Satteldach  weist  zwei  Reihen  von 
Lukarnen  auf.  Der  Eingang  ist  an  der  Giebelseite  geplant;  im  Entwurf 
sind  andere  Tore  nicht  vermerkt,  ebenso  nicht  der  heute  an  der  Wall- 
seite vorhandene  Balkon. 

396 


Herzogliches?Zeughaus 

Über  die  Bauausführung  des  Zeughauses  meint  Redecker  (Chronik, 
S.  639),  daß  sie  im  Jahre  1645  wohl  „bis  an  die  Mitte  desselben  von  unten 
aufgebracht"  sei,  da 
sich  dort  im  Westen  ein 
rechteckiger  Stein  mit 
dieser  Jahreszahl  finde. 
Dieser  von  Redecker 
auch  abgebildete  Stein 
ist  noch  vorhanden;  die 
Jahreszahl  1645  kam 
an  den  Torbögen  des 
Gebäudes  nach  Auf- 
nahmen aus  dem  Jahre 
1<S(S7  wiederholt  vor.  Die 
alte  Wetterfahne  ent- 
hielt außer  dem  Mono- 
gramm Christian  Lud- 
wigs die  Zahl  1648.  Re- 
decker nennt  1649  als  das 
Jahr  der  Fertigstellung 
desganzenBaues,  die  da- 
nach schon  in  die  Re- 
gierungszeit Georg  Wil- 
helms fällt.  Das  Wappen 
mit  dem  Namen  dieses 
Herzogs  und  der  Jahres- 
zahl 1649  war  über 
dem  Torbogen  der  nörd- 
lichen Schmalfront  ein- 
gesetzt. 

Der  Entwurf  von  1644  ist  mit  unwesentlichen  Änderungen  zur  Aus- 
führung gelangt.  Die  hauptsächlichste  davon  ist  wohl  die  Gestaltung  des 
Daches,  das  schon  die  Zeunersche  Tuschzeichnung  vom  Armamentarium 
zur  Zeit  Johann  Friedrichs  so  wiedergibt,  wie  es  bis  1887  bestanden  hat; 
an  Stelle  des  geplanten  Giebels  ist  an  der  Nordseite  ein  Walm  mit  Winden- 
erker ausgeführt.  Auch  Merians  Kupfer  von  1654  läßt  ein  Walmdach 
erkennen.  Die  Borgstedtsche  „ General-Charte  der  Altstadt"  aus  den 
Jahren  1770 — 80  stellt  beim  Zeughause  etwa  in  der  Frontmitte  am  Walle 
einen  Vorbau  dar.  Dieser  ist  vielleicht  zu  erklären  als  eine  infolge  der 
Abtragung  des  Walles  freigelegte  Eingangskasematte  zu  den  Streichwehren 
in  der  Uferböschung.  Das  Tor  in  der  vierten  Achse  von  rechts  trägt  die 
Jahresinschrift  1654.  Es  ist  bei  derVeränderungdes  Gebäudes  im  Jahre  1887 
von  der  Roßmühlenseite  hierher  versetzt. 


Abb.  202.      Hannover;   Entwurf    zu   einem  Zeughaus    am  Beginen- 

turm,     1644,     Ausschnitt.       Original,    unterschrieben    von    Christian 

Ludwig,  in.  p.  im   Staatsarchiv,  Karten   I,  Ab,  82. 


397 


Zeughäuser  und  Zubehörungen 

Im  Innern  haben  die  verschiedenen  Zeiten  ebenfalls  Veränderungen 
erfordert,  obwohl  die  Verwenduno  des  Zeughauses  bis  in  die  Mitte  des 
19.  Jahrhunderts  die  gleiche  blieb.  Schuster  (K.  u.  K.,  S.  36)  weiß  zu 
berichten,  daß  die  innere  Einrichtung  des  Zeughauses  erst  um  1687  ge- 
schehen sei.  Der  nordwestliche  Winkel  des  Gebäudes  ist  vielleicht  damals 
unterkellert  worden;  er  enthielt  außer  einer  gewölbten  Küche  noch  zwei 
Stuben.  Die  Haupttreppe  zum  Obergeschoß  lag  im  nordöstlichen  Winkel; 
eine  zweite  Treppe  wurde  später  in  der  Ecke  beim  Beginenturm*)  eingebaut. 
Ein  aus  der  Zeit  um  1830  stammender  Grundriß  (Reichsarchiv)  verzeichnet 
die   Verwendung   des   Erdgeschosses   als   Lagerraum,   links   des   Westein- 


Abb.  263.    Hannover;  Herzogliches  Zeughaus.  Wetterfahne  von  1648. 


ganges  das  „office"  des  Offiziers  und  Zeugwärters  und  die  Schmiede.  Das 
Obergeschoß  enthielt  das  Waffenlager  und  am  Nordende  Werkstätten  für 
Büchsenschäfter  und  Rustmeister  sowie  ein  Modellzimmer.  Im  Dachboden 
waren  die  Ledersachen  gestapelt,  links  befand  sich  eine  Steindruckerei. 
Ein  Treppenhaus  ist  beim  Beginenturm  eingezeichnet.  Hausmann  (a.  a.  O., 
S.  31)  erzählt,  daß  vor  der  französischen  Besetzung  1803  noch  schöne  alte 
Rüstungen,  Lanzen,  Spieße,  alte  Schwerter  und  Gewehre  im  Zeughause 
aufbewahrt  wurden.  Ein  sehr  langes  Geschützrohr,  die  Schlange  genannt, 
-  nach  Brönnenberg  (a.  a.  O.,  S.  70)  war  es  19  Fuß  lang  und  in  Gittelde 
gegossen  —  lag  außen  vor  dem  Hause. 

Die    Errichtung   des    dem    Kriegsministerium   unterstellten    „Arsenal- 
Etablissements"  seit  1814  und  des  neuen  Zeughauses  am  Waterlooplatze 


*)  Ein  Schacht  innerhalb  der  Fensternische  ebenda  hat  bislang  keine  Erklärung 
gefunden. 

398 


Herzogliches  Zeughaus 

im  Jahre  1849  hatte  den  Übergang  des  alten  Gebäudes  in  städtisches 
Eigentum  zur  Folge.  Die  Stadt  hat  es  im  Jahre  1887,  um  die  Roßmühle 
nach  dem  Hohen  Ufer  hin  zu  öffnen,  um  etwa  16  m  verkürzen  und  in  der 
neuen  Schmalfront  die  alten  Architekturteile  wieder  verwenden  lassen. 
Auch  ist  dort  über  dem  Eingang  das  erwähnte  Wappen  von  1649  wieder 
eingesetzt.  Der  nördliche  Gebäudeteil  ist  als  städtisches  Pfandleihamt 
ausgebaut. 


Abi).  2C>4.     Hannover;  das  Herzogliche  Zeughaus,  Grundriß  des  Erdgeschosses  und  ersten  Obergeschosses, 
1887.    Stadtbauamt. 


Das  Zeughaus  gehört  unter  die  Mischbauten;  das  riesige  Rechteck  Beschreibung 
seiner  aus  rohen  Lindener  Kalksteinen  aufgeführten  Umfassungsmauern 
lehnt  sich  mit  der  südwestlichen  Ecke  an  den  Beginentnrm  und  hatte 
ursprünglich,  längs  des  Walles  gemessen,  eine  Längenausdehnung  von 
57  m,  die  1887  durch  Abbruch  des  Nordteiles  auf  etwa  36  m  vermindert  Abb.  2a i 
ist.  Als  Nutzbau  entbehrt  das  Gebäude  schmückender  Architektur.  Die 
Umfassungsmauern  sind  unverputzt  und  ohne  Absetzung  auf  hohem 
Quadersockel  emporgeführt.  Die  Gebäudekanten  haben  Quaderver- 
zahnung; abgesehen  von  dem  Mitteleingange  am  Walle  sind  auch  die 
Gewände  der  Tore  gequadert  gewesen.    Die  in  zwei  Stockwerken  bei  acht  Abi,.  2c;,  und  266 

399 


Zeughäuser  und  Zubehörungen 

(jetzt  fünf)  Achsen  angeordneten  gekuppelten  Lichtöffnungen  haben  an 
Teilungspfosten  und  Gewänden  ausgekehlte  Kanten.  Wie  der  Mittel- 
eingang,  ist  auch  der  darüber  aus  dem  Obergeschoß  herausgekragte 
Balkon   nicht  ursprünglich. 


Abb.  265.    Hannover;  das  Herzogliche  Zeughaus,  Wallseite.    Nach  Zenner. 

Die  massive  Umfassung  schließt  mit  einem  an  der  Unterkante  profi- 
lierten Quaderbande  ab,  auf  dem  ohne  Vorkragung  das  Fachwerkgeschoß 
aufgeständert  ist. 


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Abb.  266.    Hannover;  Herzogliches  Zeughaus,  Aulriß  der  Stadtseite,  1887.     Stadtbauamt. 

Abb.  267  Der  durch  den  Einbau  der  Leihanstalt  sehr  verkleinerte  Innenraum  ist 
in  seiner  in  allen  Geschossen  sich  wiederholenden  dreischiffigen  Aufteilung 
durch  Stützenstellungen  erhalten  geblieben.  Die  einzelnen  Stützen  tragen 
profilierte  Sattelhölzer.  Die  früher  vorhandenen  Galerieeinbauten  im 
Erdgeschoß  sind  beseitigt. 


400 


Herzogliches  Zeughaus 

Das  obenerwähnte  Wappen  Georg  Wilhelms  von  1649  ist  von  Schlich-  Wappen 
hardt  (a.  a.  O.,  S.  123)  gewürdigt  worden.    Sandstein,  H.  =  1,1  1  m,  Br.  =  Abb.  268 


"'  ! 


Abb.  267.     Hannover;  das  Herzogliche  Zeughaus,  Längsschnitt.     Zustand  vor  1887. 

1,62  m;    nach  dem  Abbruch   1887   an   der  seinem  früheren   Platze   ent- 
sprechenden Stelle  über  dem  Eingange  wieder  eingefügt.    Reiche  (Inscrip- 


Abb.  268.     Hannover;  Herzogliches  Zeughaus, 
Wappenstein  Georg  Wilhelms  von  1649. 


tiones,  S.  21)  sagt:  es  sei  „mit  feinen  Tincturen  völlig  ausgemalet"  ge- 
wesen. Redecker  (Chron.,  S.  645)  bildet  es  auch  farbig  ab.  Schuchhardt 
möchte  es  Peter  Köster  zuschreiben. 


26 


401 


Zeughäuser  und  Zubehörungen 

Zwölfgeteilter  Wappenschild  mit  fünf  gekrönten  Helmen  und  reicher 
Wappenzier.    Die  Tafel  seitlich  eingefaßt  von  zwei  Rankenstreifen  (vgl. 
Reliefs  am  Markt  Nr.   16).    Inschrift: 
(oben)  V.  G.  G.    GEORG  WILHELM  •  H. 

ZV  BRAUNS  V.  LVNEB 
(unten)  ANNO  1649 

Wetterfahne        Wetterfahne,  Eisenblech,  einen  Triton  darstellend,  ausgeschnitten  und 
Abb.  263  ziseliert.    Windzeiger  rechteckig  mit  Monogramm  C  L  und  Fürstenkrone 
(Christian  Ludwig). 


Abb.  269.     Hannover;     Hauptzeughaus  am  Waterlooplatz,  Grundriß.     Zustand  vor  1866. 

Königl.  Hauptzeughaus. 

Das  Hauptzeughaus  an  der  östlichen  Langseite  des  Waterlooplatzes 
ist  1849  nach  Plänen  von  Professor  Stremme  und  Kriegsbaumeister 
Abb.  269  Ebeling  erbaut.  Hufeisenförmige  Grundrißanlage;  die  Ausmaße  des 
Frontbaues  sind  85,5:18,1  m,  die  der  Flügel  40:18,1  m.  Sandstein-  und 
Putzbau  in  florentinischen  Architekturformen;  rustizierte  Flächen,  kastell- 
Abb.  270  u.  271  artige  Ecktürme  und  Zinnenbekrönung.  Der  Aufbau  (3+9+3  Achsen) 
gliedert  sich  in  Erdgeschoß,  zwei  Obergeschosse  und  Dachgeschoß.  Das 
Erdgeschoß  ist  mit  Holzklötzen  gepflastert  und  diente,  in  vier  Räume  und 


402 


Königl.  Hauptzeughaus 

fünf  Verschlage  geteilt,  zur  Unterbringung  von  Geschützen,  Fahrzeugen, 
Pulvertonnen  und  Geräten.  Das  erste  Obergeschoß  enthielt  drei  Waffensäle 
für  Gewehre  und  blanke  Waffen;  das  zweite  Obergeschoß  drei  Geschirrsäle. 


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Abb.  270.     Hannover;    Hauptzeughaus  am  Waterlooplatze.     Kopie  der  Entwurrszeichnung. 

Reichsbauamt.     Phot.  1927. 

In  der  Mitte  der  nordöstlichen  Front  im  ersten  Obergeschoß  wurden 
die  hannoverschen  Fahnen  und  Standarten  innerhalb  einer  schmiede- 
eisernen Umfriedigung  vor  dem  Modell  des  v.  Alten-Denkmals  aufbewahrt. 


Abb.  271.     Hannover;    das  Hauptzeughaus  am  Waterlooplatze,  nach  Kretschmer. 


403 


Zeughäuser  und  Zubehörungen 

Das  Artilleriedepot  am  Waterlooplatze  wurde  1845 — 49  erbaut. 
Die  Nebenzeughäuser  am  Waterlooplatze  sind  1858 — 61  nach  Plänen 
von  Hunaeus  erbaut. 

Gießhäuser. 

älterer  städt.  Auf  dem  städtischen  Holzhofe,  am  Ende  der  Burgstraße,  wegen  der 
giesshof  FeUersgefahr  außerhalb  der  Stadtmauer,  wurde  1581  aus  städtischen  Mitteln 
das  Gießhaus  der  Stadt  erbaut,  um  darin  Geschütze,  Glocken  und  der- 
gleichen zu  gießen  (Redecker,  Chronik,  S.  239).  Der  Rat  ließ  hier  durch 
eigens  bestellte  Rot-  und  Stückgießer  gießen.  Nach  dem  Corpus  bonorum 
von  1720  hat  der  Senat  im  Jahre  1709  dem  Gießmeister  Thomas  Riedeweg 
das  Gießhaus  verkauft,  der  dabei  ein  Wohnhaus  anlegte  (H.  G.  1906,  S.218). 
Den  Grund  und  Boden  des  Gießhofes  erwarb  1713  die  Landesherrschaft, 
die  hier  den  Bau  des  Marstalles  beginnen  ließ.  Das  Gießhaus  samt  Wohnung 
verlegte  die  Stadt  im  gleichen  Jahre  (1713)  auf  ihre  Kosten  weiter  östlich 
vor  das  Steintor;  das  Gewese  sollte  nach  Riedewegs  und  seiner.  Gattin 
Tode  an  die  Stadt  zurückfallen. 

Hüttenmeister  In  der  älteren  Gießhütte  goß  1583  Meister  Christopher  Horenbarch 
zwanzig  mittelgroße  Geschütze,  von  denen  die  letzten  noch  1628 — 30 
umgegossen  wurden  (Chron.,  S.  245).  Horenbarch  nennt  sich  in  der 
Glockeninschrift  zu  Colenfeld  von  1581,  zu  Leveste  1567  und  lebte  noch 
1599.  Hans  Horenbarch,  ein  Sohn  oder  Bruder  des  Christopher,  goß  1599 
drei  Geschütze  für  die  Stadt.  Neben  den  Horenbarchs  scheinen  an  der 
Gießhütte  noch  andere  Meister  tätig  gewesen  zu  sein :  so  Joachim  Schrader 
um  1590  und  Heinrich  Buscher,  der  1603 — 05  für  die  Kreuzkirche  den 
Umguß  der  beiden  älteren  Glocken  von  1515  leitete  (H.  G.  1914,  S.  270). 
Außer  den  hier  genannten  Namen  entnimmt  Mithoff  (Ma.  Künstler,  S.  193) 
den  Lohnregistern  noch  folgende: 

Andrees  von  Hontelsch  1521,  Henning  Kruse  1533,  Cord  Mente 
1536 — 47,  Jürgen  Kruse  1547,  Hinrieh  Meier  1610,  Johann  Meier  1636 
und  Ludolf  Siegfried  1643 — 65. 

neuer  giesshof  Das  neue  Gießhaus  am  Steintore  samt  Wohngebäude  war  nach  dem 
Corpus  bonorum  1715  erbaut.  Im  Untergeschoß  des  Gießhauses  befand 
sich  ein  großer  und  zwei  kleine  Gießöfen  und  eine  Schmiedeesse.  Oberhalb 
der  Öfen  waren  im  Obergeschosse  Hebezeuge  angebracht.  Das  Wohnhaus 
dicht  neben  dem  Gießhause  war  dreigeschossig  und  enthielt  außer  den 
Wohnräumen  eine  Werkstätte.  Wie  Jugler  (a.  a.  O.,  S.  19)  berichtet,  ist 
das  Stadtgießhaus  1740  an  den  Stück-  und  Glockengießer  Andreas  Meyen- 
feldt  verkauft.  Später  entstanden  mit  Erlaubnis  des  Rates  zwei  private 
Gießhäuser  am   Steintore. 

404 


Gießhäuser 

Die  beim  Ausbruch  des  Siebenjährigen  Krieges  noch  vorhandenen  Geschütze 
stadtischen  Geschütze  weist  eine  1757  aufgestellte  Liste  nach  (Magistrats- 
registratur). Der  Mehrzahl  nach  werden  diese  Geschütze  in  Hannover 
selbst  gegossen  sein.  Als  die  Franzosen  1759  die  Besetzung  Hannovers 
aufgaben,  wurden  die  Geschütze  samtlich  vernagelt  und  unbrauchbar 
gemacht  (s.  Jugler,  a.  a.  0.,  S.  31).  Redecker  nennt  noch  eine  Reihe  anderer 
stadthannoverscher  Geschütze;  er  bildet  von  denen,  die  zu  seinerzeit  vor- 
handen waren,  die  Reliefs  und  Wappen  ab  und  gibt  die  Inschriften  wieder. 
Später  haben  städtische  Geschütze  in  dem  österreichischen  Erbfolgekriege 
Verwendung  gefunden  und  sind  nicht  wieder  heimgebracht;  eine  weitere 
Anzahl  kam  durch  die  Eibkonvention  von  1803  in  die  Hand  der  Franzosen 
und  ist  verlorengegangen.  Außer  zwei  stadthannoverschen  Kanonen,  die 
nach  Jugler  sich  im  ehemals  kaiserlichen  Zeughause  in  Wien  befinden 
sollen,  ist  somit  kein  Stück  der  stadthannoverschen  Artillerie  erhalten 
(Näheres  s.  Jugler,  a.  a.  0.,   S.   19—33). 

Nach  der  Demolierung  der  Festungswerke  ließ  die  Landesregierung  im  landesherb- 
Jahre  1782/83  neben  dem  neuen  Steintore  einen  Gießhof  anlegen  nach  L1<I\"E,STÜICK~ 
einem  von  dem  Ingenieurkapitän  Müller  entworfenen  Plane.   Das  Gebäude 


Abb.  2712.     Hannover;    Landesherrliche    Stückgießerei.     Sepiazeichnung    im  Stadtarchiv. 

Phot.  Siedentopf. 

des  Gießhofes  war  nördlich  begrenzt  durch  den  alten  äußeren  Stadtgraben; 
wenig  westlich  davon  hatte  bislang  die  Prinz-Friedrich-Bastion  gelegen. 
Lohmann  schildert  (a.  a.  O.,  S.  85)  das  Gebäude  des  Gießhofes  als  eine 


405 


Zeughäuser  und  Zubehörungen 

schöne,  große,  aus  einem  Haupt-  und  zwei  Flügelgebäuden  nebst  einem 
geräumigen  Vorplätze  bestehende,  „sehr  angenehm  verzierte  Anlage". 
Abbildungen  aus  späterer  Zeit  befinden  sich  zahlreich  im  Stadtarchive; 
Abb.  272  eine  Federzeichnung  ist  hierneben  wiedergegeben.  Auf  den  Torpfeilern 
standen  wahrscheinlich  zwei  Paar  Putten  mit  Artillerieemblemen  von 
Ziesenis  aus  dem  Jahre  1783,  von  denen  eines  an  der  Andreaeschen 
Stadtwache  am  Markte  wieder  angebracht  ist  (s.  darüber  Siedentopf, 
a.  a.  0.).  Seit  1803  wurden  hier  Geschütze  nicht  mehr  gegossen.  Eine 
berühmte  Bohrmaschine,  welche  das  Gießhaus  barg,  hatten  die  Franzosen 
als  Siegestrophäe  nach  Straßburg  oder  Paris  entführt.  Zeichnungen  von 
dieser  oder  einer  ähnlichen  Maschine  finden  sich  im  Reichsarchive.  Nach 
Wiedererrichtung  des  Artilleriekorps  verlegte  die  Landesregierung  den 
Gießhof  nach  Stade.  Das  Gebäude  am  Steintor  wurde  in  eine  Kaserne 
für  Artillerie  umgewandelt  (s.  Artilleriekaserne). 


406 


Wohnbauten: 

HÖFE  UND  HÄUSER  DES  ADELS. 

von  Alten-Kielmannseggscher  Hof  an  der  Calenberger  Straße  40. 

von  Harlingsches  Haus,  Calenberger  Straße  29. 

,, Reden-Hof",  Osterstraße  33. 

Lusthaus  des  Generalleutnants  von  Weyhe. 

Haus  des  Obristen  von   Uten.     Am  Archive. 

von    Hardenbergsches    Haus,    Am    Markt    13.       Das    Gräflich 

von  Hardenbergsche  Haus  an  der  Osterstraße,  die  spätere 

Börse,  s.   Seite  659. 
Haus  des  Freiherrn  von  dem  Bussche,  Leinstraße. 
Freiherrlich  von   Steinbergsches  Haus,  Marktstraße  60/61. 
Haus  des  Grafen  von  der  Schulenburg-Wolfsburg,  Köbelinger- 

straße  5. 
Haus  des  Kammerherrn  von  Wallmoden,  Köbelingerstraße  (7a). 
Haus  des  Kammerherrn  von  Spörcken,  Schmiedestraße  31/32. 
Haus  des  Grafen  von  Platen-Hallermund  am    Georgsplatz. 
Palais  des  Friederiken-Gartens, 
von  Medingsches  Haus  vor  dem  Steintore. 
Bella  Vista. 
von  Wangenheimsches  Haus,   Friedrichstraße   17. 

BÜRGERHÄUSER. 

Bürgerhäuser   in    Fachwerk    von    etwa    1530   bis  in  die  Mitte 

des  17.  Jahrhunderts. 
Massiv-    und    Mischbauten    bis     in     die    zweite     Hälfte    des 

17.  Jahrhunderts. 
Wohnbauten    seit    der   zweiten   Hälfte   des    17.  Jahrhunderts. 
Liste  der  Bürgerhäuser. 


407 


Höfe  und  Häuser  des  Adels. 

t/inige  Grundstücke  an  der  Burgstraße  und  in  der  Neustadt,  die 
im  Mittelalter  unter  freier  Verfügung  der  Landesherrschaft  standen, 
pflegten  regelmäßig  an  bestimmte  Adelsfamilien  verliehen  zu  werden, 
so  daß  sie  schließlich  in  deren  erblichen  Besitz  erscheinen.  Unter  den- 
jenigen auf  der  Neustadt  sind  einige  Burgmannslehen  zur  Lauenrode. 
Diejenigen  an  der  Burgstraße  entstanden  vielleicht  nach  einer  teilweisen 
Auflösung  des  landesherrlichen  Wirtschaftshofes  auf  dessen  verfügbar 
gewordenem  Gelände.  Die  erstgenannten  Höfe  sind  als  Wirtschafts- 
besitz zu  denken;  sie  waren  so  gut  wie  unbebaut,  wurden  jedenfalls  vom 
Adel  selbst  nicht  bewohnt,  sondern  trugen  etwa  Obstgärten  und  not- 
dürftige Baulichkeiten.  Der  von  Altensche  Hof  auf  der  Neustadt  nimmt 
jedoch  eine  Sonderstellung  ein  (s.  das.). 

Von  den  mittelalterlichen  Adelshöfen  ist  keiner  erhalten  geblieben.  Nach 
der  Zerstörung  der  Lauenrode  gab  der  Adel  seinen  Lehnbesitz  hier 
zugunsten  des  Patriziates  zumeist  auf.  Der  von  Hollesche,  dann Türckensche 
Hof  beim  Judenteiche  und  zunächst  der  Kapelle  U.  1.  Frauen  wurde 
von  .Johann  Dave  angekauft,  der  darauf  die  Häuser  von  der  Roten  Reihe 
bis  zur  Kleinen  Duvenstraße  erbaute.  (Über  die  Höfe  s.  vorn  Seite  29. 
Ferner  H.  G.  1927,  S.  231  ff.  Über  die  lehnsadeligen  Grundstücke  an  der 
Burgstraße  s.  Voß,  H.   G.   1921,   S.   116.) 

Die  Residenzwerdung  und  die  Erhebung  Hannovers  zur  Landeshaupt- 
stadt hatte  eine  andere  Art  der  Bildung  adeligen  Grundbesitzes  innerhalb 
der  Stadt  zur  Folge.  Die  dem  landesherrlichen  Hofe  folgenden  Hof-  und 
Staatsbeamten  oder  Militärs  aus  dem  Adel  sowie  Angehörige  des  Land- 
adels schufen  sich  durch  Zusammenkauf  aus  bürgerlichem  Besitz  ihre 
Wohngrundstücke. 

Eine  Abspaltung  der  Adelshäuser  von  den  Bürgerhäusern  in  der 
Bauart  wird  alsbald  bemerkbar,  indem  sich  der  Adel  italienischen  und 
französischen  Vorbildern  anschließt. 

408 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 

Freilich  hatte  schon  um  1600  die  Bürgerschaft  begonnen,  kostbare 
Bauten  aufzuführen,  nicht,  um  sie  selber  zu  bewohnen,  sondern  um  sie 
an  wohlhabende  Nichtbürger  zu  vermieten.  Dahin  gehört  das  Haus 
Leinstraße  32  und  Schmiedestraße  5;  das  Rosenhagensche  Haus  am 
Potthof,  Osterstraße  68,  und  das  Leibnizhaus.  Das  Haus  Schmiedestraße  9 
hat  sich  die  Witwe  des  Kanzlers  Feuerschütz  gebaut;  auch  die  großen 
Häuser  Duves  an  der  Calenberger  Straße  sind  hier  zu  nennen.  Die  ent- 
scheidende Trennung  in  der  Bauart  ist  mit  dem  von  Redenschen  Hause 
an  der  Osterstraße  33  und  dem  von  Harlingschen  an  der  Calenberger  Straße 
gegeben. 

Diese  beiden  stattlichsten  derartiger  Bauten  sind  heute  längst  gefallen; 
ihre  äußere  Erscheinung  ist  aber  überliefert.  Von  der  Art  der  Innen- 
ausstattung jener  Wohngebäude  zeugen  die  Stukkaturen  des  Redenhofes, 
die  erhalten  geblieben  sind  und  im  Neuen  Rathause  aufbewahrt  werden. 

Im  Besitze  von  Maisons  de  plaisance  mit  Gärten  zum  Sommerauf- 
enthalt außerhalb  der  Stadt  findet  sich  der  eingesessene  Hofadel,  seitdem 
es  ein  Herrenhausen  gab.  Derartige  Anlagen  liegen  zumeist  außerhalb 
des  alten   Stadtgebietes  und  sind  ihren  Ortes  behandelt. 

Das  fortgesetzte  Fernbleiben  des  landesherrlichen  Hofes  in  England 
legte  die  fernere  Bildung  von  adeligem  Grund-  und  Hausbesitz  zunächst 
brach.  Doch  entstanden  in  der  kurzen  Zeitspanne  zwischen  1750  und  1770 
eine  Reihe  vornehmer  Wohnbauten  des  hohen  Beamten-  und  Militär- 
adels, deren  palaisartiger  Charakter  augenfällig  ist:  z.  B.  das  von  dem 
Busschesche,  von  Hardenbergsche,  von  Spörckensche  u.  a.,  die  im 
folgenden  näher  behandelt  sind.  Die  Architekten  dieser  Wohnbauten 
sind  bislang  unbekannt;  die  Forschung  danach  muß  an  die  Privatarchive 
der  betreffenden  Adelsfamilien  verwiesen  werden. 

Abermals  nach  einer  Lücke  von  Jahrzehnten  schuf  die  Wiedererrich- 
tung der  Dauerresidenz  in  Hannover  den  Boden,  auf  dem  künstlerisch 
aufwendige  Wohnbauten,  denen  die  Bezeichnung  als  Palais  zukommt, 
gedeihen  konnten.  Am  Friedrichswall  entstand  1829  das  von  Wangen- 
heimsche  Palais;  am  Georgenwall  etwa  zehn  Jahre  vorher  das  von 
Platensche,  ursprünglich  die  Spekulationsunternehmung  eines  Handwerks- 
meisters. Im  übrigen  aber  treffen  sich  die  an  Zahl  zunehmenden  Wohn- 
bauten, die  nun  sowohl  der  Adel  und  nicht  minder  die  wohlhabende 
Bürgerschaft  sich  an  den  seit  der  Schleifung  der  Wälle  entstandenen 
Promenaden  und  den  Straßen  nach  Herrenhausen  schufen,  auf  einer 
mittleren  Linie,  bei  der  nicht  mehr  die  Bezeichnung  als  Palais  zutreffend 
ist;  sie  sind  daher  zu  den  Wohnbauten  der  jüngeren  Zeit  schlechthin 
gestellt.  Teilweise  hatten  die  vor  den  Toren  entstandenen  adeligen  und 
bürgerlichen  Wohngebäude  Villencharakter.  Vornehmlich  sind  hier 
das  Palais  im  späteren  Friederikengarten  und  Bella  Vista  zu  nennen. 

409 


< 


Höfe  und    Häuser  des  Adels 


v.  Alten-Kielmannseggsche  Hof  an  der  Calenberger  Straße  40. 
(Die   Gebäude  abgebrochen  1902.) 

Der  von  Altensche  Hof  auf  der  Neustadt,  ursprünglich  der  größte 
Hof  der  Neustadt  und  Sitz  des  adeligen  Gerichtes  Linden,  nahm  das 
ganze  südwestliche  Drittel  des  späteien  Neustadtgebietes  ein,  ehe  er  durch 
die  Anlage  der  Neustadt  auf  das  kleine  Stück  zwischen  Bäckerstraße  und 
Steinweg  beschränkt  wurde.  (Vgl.  Grupen,  Orig.  S.  261,  der  berichtet, 
was  den  von  Alten  abgegangen  ist  durch  die  Anlage  der  Neustadt.) 

Der  Oberhofmarschall  und  Minister  Franz  Ernst  Reichsgraf  von 
Platen-Hallermund  erwarb  pfandweise  gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
mit  dem  gesamten  Lindener  Besitz  der  von  Alten  auch  diesen  Hof,  schied 
ihn  aber  als  Fideikommiß  zugunsten  seiner  Tochter  aus  und  ergänzte  das 
Pfandgut  durch  gleichwertige  Höfe  in  Linden.  1709  vererbte  sich  der  Hof 
demgemäß  auf  die   Gräfin  Kielmannsegg  und  deren  Gatten. 

Das  Gehöft  war  mit  einem  großen  Wohnhause,  zu  dem  zwei  Neben- 
gebäude gehörten  -  -  ausweislich  der  Grund-  und  Aufrisse  im  Besitz  des 
Grafen  Platen-Weißenhaus  um  1697  von  Brand  Westermann  —  bebaut. 
Um  den  geräumigen  Hof  lagen  außerdem  Stallungen  und  Wagenschuppen. 
Diese  Baulichkeiten  sind  1902  niedergerissen.  Das  Wohnhaus  bewohnte 
bis  1832  der  Kommandant  Hannovers,  Generalleutnant  und  Kammerherr 
Friedr.  Otto  Graf  von  Kielmannsegg,  mit  dem  Hauptmann  August  Friedr. 
Adolph  Grafen  v.  Kielmannsegg,  dem  späteren  diplomatischen  Geschäfts- 


. 

. 

II  1 

: 

Abb.  273.     Hannover;   Calenberger  Straße  40.     Haus   des  Grafen  v.  Kielmannsegg,   erbaut    um    1697 
Zustand  1828. 

410 


v.  Harlingsches  Haus 

träger  in  Paris  und  London.  Seit  dessen  Versetzung  bezogen  Angehörige 
anderer  Adelsfamilien  das  Haus:  so  der  Landdrost  von  Dachenhausen, 
später  der  Staats-  und  Kabinettsminister  Frhr.  v.  Scheele  sowie  der 
Kabinettsrat  Frhr.  v.  Scheele.  1855 — 73  diente  es  dem  Arbeiter- 
verein als  Heim,  zuletzt  verschiedenen  geschäftlichen  Betrieben.  —  Der 
Grundbesitz  gehörte  bis  1927  zum  Gräflich  Kielmannseggschen  Fideikommiß. 

Das  Wohnhaus,  hart  an  der  Calenberger  Straße,  war  1828  (Baupolizei-  Abb.  273 
akten)  neu  verputzt  und  mit  Simsen  versehen  worden.  Im  letzten 
Zustande  war  es  ein  zweigeschossiger  langgestreckter  Bau  aus  Fachwerk 
mit  zweiachsigen,  schwach  vortretenden  Eckrisaliten  von  drei  Geschossen. 
Der  Mittelteil  des  Gebäudes  von  sieben  Achsen  hatte  im  Erdgeschoß  eine 
flachbogige,  breite  Einfahrt,  darüber  einen  Balkon  mit  schmiedeeisernem 
Gitter  und  einen  Erkeraufbau  von  drei  Achsen,  der  wie  die  Risalite  mit 
Dreiecksgiebel  abschloß.  Ein  hohes  Walmdach  deckte  das  Haus.  Die 
Fenster  waren  überall  rechteckig  umrahmt.  Die  Rustika  des  Erdge- 
schosses und  die  Simse  sind  vermutlich  den  Besserungsarbeiten  des 
Maurermeisters  Täntzel  vom  Jahre  1828  zuzuschreiben. 

Die  Grundrißaufteilung  des  Wohnhauses  zeigte  in  der  Mittelachse 
Vestibül  und  breite  Treppenanlage. 

v.  Harlingsches  Haus,  Calenberger  Straße  29/30 
(1874  abgebrochen). 

Für  den  Oberstallmeister  Christian  Friedrich  von  Harling  wurde  vor 
dem  äußeren  Leintore,  am  Neustädter  Steinwege,  auf  dem  Gelände 
der  1679 — 82  abgetragenen  Außenbefestigung  linker  Hand  (südlich)  ein  Haus 
gebaut.    Nach  Redecker,  wie  übrigens  auch  nach  Inschriften  am  Hause 


Uo/i  ve/i  eöefano  der<-/l/h'>l'tadt.Mifi/i0ver  faj ZumJ?enU<>Jteui    , 


M         &s&*' 


Abb.  274.  Hannover;  das  v.  Harlingsche  Haus,  Calenberger  Straße  29,  später  Haus  des  Kaufmannes 
Schmahle  mit  den  durch  Schmante  hinzugefügten  Flügelanbauten.  Blatt  aus  den  Schmahle- 
schen  Prozeßakten  um  1750,  Bd.  II,  Stadtarchiv. 


411 


Höfe,  und  Häuser  des  Adels 

selber,  war  dieses  1684  vollendet  worden.  Von  dem  Oberstallmeister 
von  Harling  ererbte  es  1721  Sophie  Antoinette  von  Platen-Hallermund, 
die  Besitzerin  von  Monbrillant,  gab  es  aber  sogleich  für  kontrahierte 
Schulden  in  Zahlung  an  den  Hofkramer  Schmahle,  der  das  Haus  erweiterte 
und  darin  ein  Seiden-  und  Tuchlager  hielt,  verbunden  mit  einer  Fabrik 
von  Gold-  und  Silberwirkwaren.  Von  den  Schmahleschen  Erben  erwarb  es 
die  kurfürstliche  Regierung  im  Jahre  1800,  um  darin  das  Georgianum 
unterzubringen,  eine  Lehranstalt,  die  an  Stelle  des  kurfürstlichen  Pagen- 
institutes getreten  war.  Die  Anstalt  ging  während  der  französischen 
Besetzung  bereits  wieder  ein.  In  dem  Gebäude  wohnten  damals  der 
französische  Generalgouverneur,  Marschall  Bernadotte,  und  der  Präfekt 
des  Allerdepartements.  Die  Wache  der  Präfekturgarde  lag  damals  im 
linken   Seitenflügel. 

Nach  den  Freiheitskriegen  erhielt  die  oberste  Landesbehörde  im  ehe- 
maligen Georgianum  ihren  Sitz.  Das  Gebäude  wurde  damit  zum  Kern 
des  später  durch  weitere  Ankäufe  vergrößerten  Bezirkes  von  behördlichen 
Gebäuden,  die  teils  seit  1862,  teils  später  in  dem  jetzigen  Regierungsgebäude 
baulich  vereinigt  wurden.  Das  einstige  Georgianum  selbst  ist  1874  ab- 
gebrochen worden  (s.  Regierungsgebäude,   S.  370). 

Abb.  274  Das  eigentliche  v.  Harlingsche  Wohnhaus  von  1684  wird  auf  einer 
den  „Schmahleschen  Prozeßakten",  Band  II  (Stadtarchiv)  beiliegenden 
Zeichnung  dargestellt  als  zweigeschossiger  Massivbau,  rechteckigen  Grund- 
risses, von  neun  Achsen;  mit  doppelarmiger  Freitreppe,  Balkon  und  vasen- 
bekröntem Erkeraufbau  mit  geschwungenen  Giebelanläufen.  Fenster- 
verdachungen  des  Erdgeschosses  waren  segmentförmig,  des  Obergeschosses 
flachgiebelig.  Das  Dach  war  gewalmt.  Die  den  Zustand  um  1753 — 55 
bietende  Zeichnung  benennt  die  nach  der  Erwerbung  durch  den  Kaufmann 
Schmahle  vollzogenen  Erweiterungen  des  Hauses  durch  Flügelanbauten  als: 
„Schmahlen  neugebautes  1.  Haus",  worin  der  Laden  und  ein  Kabinett  sich 
befand,  und  an  der  Seite  der  Leine:  ,,Schmahlen  neugebautes  2tes  Haus". 
Durch  die  Flügel  war  eine  hufeisenförmige  Anlage*)  entstanden  mit  einem 
Hofe,  der  straßenwärts  durch  eine  vasenbekrönte  Mauer  mit  Durchfahrt 
abgeschlossen  wurde.  Die  Schmalenden  der  Flügel  waren  gleichmäßig  aus- 
gebildet: zwei  Geschosse,  drei  Achsen,  Eckverzahnungen,  Mittelportal  mit 
doppelarmiger  Freitreppe,  Mansardendach  mit  Segmenterker  und  Vase. 
Bei  der  Verlegung  der  Regierung  in  das  ehemalige  Georgianum  sind  die 
Portale  der  Flügel  zugemauert  worden;  der  Hof  erhielt  ein  Eisengitter  mit 
Einfahrten  als  Abschluß  (s.  die   Zeichnung  im  Stadtarch.). 

Redecker  (Chronik,  S.  713)  sagt:  Des  Herzogs,  der  Herzoginne,  der 
Prinzen,  des  Brandenburgischen  Churprinzen  und  Churprincessinne 


*)  Vielleicht  bedingt   durch   die  beim  Bau  des  Regierungsgeländes  beseitigten 
Fundamente  des  alten  Zwingers,  die  sie  umschließt. 

412 


„Reden-Hof" 

Namen,  so  über  der  Thür  und  denen  Fenstern  mit  vergüldeten    in   Stein 

erhöhet  gehauenen  Buchstäben  sich  finden,  weisen  aus,  daß  dieselben  die 

Kosten  dazu  hergegeben.     Unter    des    Herzogs    Namen    über    der   Thür 

stehet    die    Jahreszahl    1681    und    vor    der    doppelten    auf    das     Haus 

gehenden  Treppe    ist    folgendes    in   Stein    mit    schöner  Arbeit    gehauen: 

CHRISTIAN  FRIE  ANNA  CATARINA 

DERICH  VON  HARLING  VON  OFFEN 

STRUCTA  DOMUS  NOBIS  PARVA 

AT  SATIS  AMPLA  DUOBUS. 

GRATULOR  HUIC  POST  NOS    QUEM 

CAPERE   ILLA  NE  QU  IT. 


„Reden-Hof",  Osterstraße  33 
(1913  abgebrochen). 

Das  seit  1428  im  Besitze  der  Berkhusen  genannte  Haus  auf  dem 
geräumigen  Grundstück  an  der  Osterstraße  —  gelegentlich  mit  dem 
„Steinhause"  am  Steintor  verwechselt  —  wurde  mit  Hof  und  Garten 
kurz  vor  1686  von  den  Herren  von  Reden  käuflich  erworben.  Der  Drost 
Jobst  Friderich  von  Reden  erbaute  hier  ein  neues  Haus  und  brachte 
daran  das  Allianzwappen  Reden  und  v.  Estorff  an  mit  der  Unterschrift: 
JOBST  FRIDERICH  VON  REDEN  ELEONORA  ELISABETH  VON  ESTOBFE. 
Darüber:  ANNO  1686.  Dieses  Haus  ließ  im  Jahre  1693  Kurfürst  Ernst 
August  für  die  Witwe  Benedicta  seines  Bruders,  des  Herzogs  Johann 
Friedrich  (f  1679),  welche  mit  ihren  beiden  Töchtern  nach  dem  Tode  ihres 
Gatten  aus  Frankreich  zurückgekehrt  war,  mieten  und  durch  den  Bau- 
schreiber Brand  Westermann  standesgemäß  herrichten.  Auch  der  Stukka- 
teur Dossa  Grana  ist  nach  Schusters  Feststellung  (a.  a.  0.,  S.  36)  im 
Jahre  1693  im  Redenhofe  beschäftigt  gewesen.  Bleibaum  (a.  a.  O.,  S.  18) 
weist  darauf  hin,  daß  einige  untergeordnete  Räume  des  Redenhofes,  die 
er  vor  dem  Abbruch  gesehen  hat,  „mit  einer  Stuckdekoration  versehen 
waren,  deren  Bandwerkmotive  der  Dekorationsform  der  Orangerie  (in 
Herrenhausen)  entsprachen".  Er  vermutet,  daß  diese  unter  der  Hand 
Dossa  Granas  1693  entstanden  sind. 

Der  Staat  erwarb  1782  das  Haus  von  der  Familie  von  Reden  als 
Eigentum,  um  es  der  Justizkanzlei  als  Dienst  lokal  zuzuweisen.  Als  solches 
wurde  das  Gebäude  bis  1852  benutzt  und  ist  dann  Dienstgebäude  für  das 
Amtsgericht  bis  1882  gewesen.  1886  erfolgte  der  Ankauf  des  Gebäudes 
durch  die  englische  Gaskompagnie,  die  im  Erdgeschoß  fast  alle  Teilungs- 
wände beseitigen  und  das  Treppenhaus  verändern  ließ.  Beim  Neubau  des 
Gebäudes  1913  ist  die  Stukkatur  des  Festsaales  im  Obergeschoß  ab- 
genommen  und    dem    Stadtbauamt   zur   Aufbewahrung   übergeben. 

413 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 


Abb.  2 


75.     Hannover;  „Reden-Hof 


„     1.1    t   issii     Druckstock:  H.  G. 
.,  Osterstraße  33.    Phot.  188b. 


414 


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415 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 

vbb.275u.276        Das  hart   an   der  Straße  belegene  Gebäude  war  ein  dreigeschossiger, 

geputzter  Massivbau   mit  Eckquaderung   von  2  +  5+2  Achsen.    Mittel- 
risalil  leicht  vorgezogen  mit  flachem  Dreiecksgiebel  und  Vasenbekrönung. 


Abb.  277.   Hannover;  „Reden-Hof",  Osterstraße  33  (1913  abgebrochen), 
Grundriß.    Zustand  von  1886.    Nach  Zeichnung  in  den  Baupolizeiakten. 


Geschoßteilung  durch  unprofilierte  Bandsimse,  Hauptsims  wenig  ausladend 
und  niedrig.  Das  zweite  Obergeschoß  war  ein  Halbgeschoß.  Lichtöffnungen 
rechteckig  mit   Sandsteineinfassung.    Einarmige  Freitreppe,    Mittelportal 

416 


.,  Reden-Hof" 

rundbogig  mit  waagerechter  Simsverdachung;  eine  ebenso  ausgestattete 
Durchfahrt  lag  rechts.  Das  Mittelrisalit  hatte  einen  auf  Kragsteinen 
ruhenden  massiven  Balkon;  Brüstung  mit  Felderteilung.  Der  Austritt 
zum  Balkon  war  rundbogig  mit   Giebelverdachung 

Die  Aufteilung  des  verschoben-rechteckigen  Hausgrundrisses  wies   im  Abb.  277 
Erdgeschoß  Vestibül  und  Treppenhaus  in  der  Mittelachse  auf  (Pläne  im 
Wallmodensehen  Fam.-Areh.,  XXVII.,   1). 


Abb.  278.     Hannover;   „Heden-Hof",   Osterstraße  33,  I.  Festsaal   im  Obergeschoß,    Abgebrochen  1913. 


Im  Obergeschoß  des  Mittelrisalites  befand  sich  straßenwärts  der  in 
das  Mezzanin  hineinragende  Festsaal,  dessen  Deckenstukkatur  dem  Abb.  27s 
Dossa  Grana  zuzuschreiben  ist,  während  die  Wandausschmückung  etwa 
100  Jahre  später  vermutlich  an  Stelle  von  Gobelins  getreten  sein  wird. 
Die  Architektonik  der  Dekoration  war  eine  den  Fensterachsen  entsprechende 
Auflösung  der  Wandflächen  mittels  schwach  vorgelegter  Pilaster  —  kanne- 
liert, mit  jonischen  Kapitellen  und  verkröpf tem  Gebälk  -  aus  denen 
herausgebogene  Stützen  gegen  das  rechteckige  Mittelfeld  der  Decke  ent- 
wickelt waren.   Alle  so  sich  ergebenden  übrigen  Felder  der  Decke  wurden, 

27 

417 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 

wie  das  mittlere  Feld  selber,  durch  eingespannte  Ölgemälde,  mytholo- 
gische Allegorien  in  Wolken  mit  Untersichten  und  Verkürzungen  (vgl. 
die  Segalaschen  Bilder  im  v.  Altenschen  Palais)  ausgefüllt.  Die  Rahmen 
waren  in  reicher  Formenfülle  stukkiert  und  vergoldet.  An  den  geschweiften 
Vorderseiten  der  Konsolen  fanden  sich  vollplastisch  modellierte,  meist 
weihliche  Figuren,  die  karyatidenartig  die  Decke  stützten.  Auf  die  Wand- 
l'lächen  zwischen  den  Pilastervorlagen  waren  in  Stuck  Medaillons  mit  den 
Porträts  und  Initialen  fürstlicher  Personen  aufgetragen.  Ein  G  mit  der 
Krone,  das  sich  oberhalb  der  Balkontür  fand,  scheint  sich  auf  Georg  III. 
bezogen  zu  haben. 

Wappen       Das    obengenannte  Allianzwappen,  das  beim  Abbruch  des  Hauses  über 
der  Durchfahrt  saß,  ist  am  Neubau  wieder  angebracht. 


Lusthaus  des  Generalleutnants  von  Weyhe. 

Die  jüngere  Schwester  Maria  Catharina  (1655 — 1723)  der  bekannten 
Reichsgräfin  Platen  zu  Linden,  in  zweiter  Ehe  verheiratet  mit  dem  späteren 
Generalleutnant  von  Weyhe,  gehörte  zur  engeren  Hofgesellschaft  (s. 
Publikationen  aus  den  Kgl.  Preuß.  Staatsarchiven,  XXVI.  Bd.  Lpz., 
S.  214  und  223).  Für  sie  ließ  Kurfürst  Georg  Ludwig  mittels  Reskriptes 
vom  13.  April  1705  in  einem  Garten,  der  in  der  Bastion  hinter  dem  Reit- 
hause ostwärts  der  Kavalierbrücke  lag,  auf  seine  Kosten  ein  Lusthaus 
bauen.  Die  Baumaterialien  kaufte  1706  der  Bauschreiber  Brand  Wester- 
mann, der  vermutlich  dann  auch  den  1707  vollendeten  Bau  ausgeführt  hat. 
Als  Architekt  kommt  möglicherweise  Remy  de  la  Fosse  in  Frage,  der 
eben  damals  zuerst  in  Hannover  auftrat.  Im  Volksmunde  hieß  dieses 
Lusthaus  ,,Weyhenlöbe".  Frau  von  Weyhe  starb  1723;  Erbin  des  Hauses 
war  eine  Stiefenkelin  ihres  zweiten  Gatten;  seine  Bewohner  wechselten 
mehrfach.  Der  Generalleutnant  von  Uten,  die  Gräfin  von  Yarmouth, 
Feldmarschall  von  Spörcken  hatten  es  nacheinander  inne.  Später  erhielt 
es  die  Gemahlin  des  Prinzen  Carl  von  Mecklenburg-Strelitz;  nach  deren 
Tode  der  Prinz  selber  (1776 — 86)  und  (1794)  der  Prinz  Ernst  von 
Mecklenburg-Strelitz  als  Sommeraufenthalt  zugewiesen.  Die  Töchter  des 
späteren  Herzogs  Carl  von  Mecklenburg-Strelitz,  die  Prinzessinnen 
Friederike  und  Luise,  die  nachmaligen  Gemahlinnen  der  Könige  Ernst 
August  von  Hannover  und  Friedrich  Wilhelm  III.  von  Preußen,  haben 
in  den  Jahren  ihrer  Kindheit  an  Sommertagen  hier  mit  ihrem  Vater 
gewohnt  und  im  Garten  gespielt.  Seit  1802  diente  das  Haus  vei  abschiedeten 
Staatsdienern  zur  Wohnung  gegen  Miete.  Von  1847  an  stand  es  leer, 
wurde  dann  1850  vom  Könige  Ernst  August  dem  Naturhistorischen  Verein 
für  dessen  Bibliothek  und  Sammlungen  ohne  Entgelt  überlassen,  bis  dieser 
Verein  1852  sein  Heim  im  Museum  fand. 

418 


Haus  v.  Uten 

König  Georg  V.  ließ  das  Lusthaus  1861  abbrechen  und  zur  Erinnerung 
an  seine  Mutter  beim  Weifengarten  unverändert  wieder  errichten  (Be- 
schreibung s.  Weifenschloß  und  Weifengarten.  Handzeichnung  der  alten 
„Weyhenlöbe",  1810  von  Magdeburg  gefertigt,  im  Stadtarchive.  Siehe 
außerdem  den   Salzenbergschen   Stich).  Abb.  279 

Im  Brief  Nr.  90  von  1709  des  Herzogs  Ernst  August  an  von  Wendt 
(die  Briefe  herausgegeben  von  Graf  Kielmannsegg)  ist  von  der  chambre 
noire  der  Mme.  Wei,  die  mit  Gemälden  geschmückt  war,  die  Bede.    Brief 


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Abb.  279.      Hannover;    Lusthaus    des    Generalleutnants    von    Weyhe    (Wallseite). 

„Ansicht  in  der  Gontrefcharpe  zwischen  den  Clever  und  Stein  Thor". 

Salzenberg  del  &  fculpf. 

Nr.  92  von  1709  hat  als  Nachschrift  eine  Bemerkung  über  die  Erwerbung 
von  Bildern,  die  alle  für  ihren  Garten  bestimmt  seien.  Brief  Nr.  80  von  1709 
sagt,  daß  sie  zweimal  wöchentlich  auf  ihrem  Garten  Feste  veranstaltete. 


Haus  des  Obristen  v.  Uten,  Am  Archive 
(abgebrochen   1837). 

Auf  dem  landesherrlichen  Gelände  des  alten  Baustalles  und  Wagen- 
hauses zwischen  Stadtwall  und  Brückmühlenstrang  der  Leine,  das  heute 
teils  vom  Begierungsgebäude,  teils  auch  vom  Archive  eingenommen  wird, 
lagen  im  Bücken  des  v.  Harlingschen  Wohnhauses  namentlich  Wohnhaus 
und  Garten  des  Kammersekretärs  Patje  und  das  v.  Iltensche  Grundstück. 

Am  Archivplatze  hatte  der  König  Georg  IL  1734  dem  Obristen, 
späteren  Brigadier  Johann   Georg  v.  Uten  eine  Baustelle  geschenkt,  die 

419 


Hole  und   Häuser  des  Adels 


420 


v.  Hardenbergschcs  Haus 

dieser  im  Laufe  des  Jahres  1736  mit  einem  Wohn-,  Küchen-  und  Stall- 
gebäude in  symmetrischer  Anlage  bebaute.  Das  Wohnhaus  hatte  mit  dem 
Archive  die  gleiche  Mittelquerachse  und  bestand  aus  einem  massiven 
Geschoß  von  3  +  3  +  3  Achsen  mit  schwachem,  zweigeschossigem  Mittel- 
risalit und  Mansardendach;  dem  Eingange  in  der  Frontmitte  war  eine 
doppelarmige  Freitreppe  geschwungener  Form  vorgelegt.  Die  Gebäude 
sind  1837  beim  Neubau  der  Regierung  abgebrochen.  Ein  von  J.  P.  Heu- 
mann 1744  angefertigter  Situationsplan  bei  den  Akten  des  Oberhof- 
marschallamtes gibt  über  die  Anlage  Aufschluß.  Außerdem  aber  ist  ein 
Aquarell  von  Laves'  Hand  aus  dem  Jahre  1835  (Stadtarchiv,  Kasten  7,  Abb.  280 
Bl.  33)  vorhanden,  welches  das  v.  Iltensche,  inzwischen  in  v.  Wangenheim- 
schen  Besitz  übergegangene  und  1836  von  der  Regierung  erworbene  Wohn- 
und  Küchenhaus  darstellt.  Die  Nebengebäude  waren  damals  mit  dem 
Hauptgebäude  durch  schräge  Eingangshallen  in  Verbindung  gesetzt,  denen 
je  eine  Freitreppe  in  der  Art  der  alten  Mitteltreppe  vorgelegt  war;  diese 
selbst  bestand  nicht  mehr. 

v.  Hardenbergsches  Haus,  Am  Markt  13. 

Über  das  ehemals  auf  dem  Grundstück  belegen  gewesene  Haus  Johann 
Duves,  das  dieser  1645  umbauen  ließ  und  welches  vermutlich  erst  dem 
heute  dort  stehenden  Palais  hat  weichen  müssen,  fehlen  nähere  Nachrichten. 

Die  beiden  Hausgrundstücke  Köbelingerstraße  69  u.  70  sind  von  Duve*) 
zuerst  in  einer  Hand  vereinigt  und  1751  vom  Geheimen  Rat  Carl  Friedr. 
v.  Hardenberg  erworben  und  mit  dem  Palais  „in  eins"  neu  bebaut  worden. 
Eine  Inschrifttafel  in  der  Durchfahrt  enthält  zwischen  zwei  Engelsköpfchen 
die  Zahl  1755.  Der  Architekt  ist  unbekannt.  Auf  Grund  bautechnischer 
und  stilistischer  Ähnlichkeiten  mit  dem  Palais  an  der  Leinstraße  ist  die 
Urheberschaft  durch  den  Meister  des  ,, Alten  Palais"  an  der  Leinstraße 
wohl  denkbar.  Der  General  v.  Hardenberg  wohnte  in  dieseni  Hause  von 
1766 — 90.  Dann  kam  es  in  das  Eigentum  der  Frau  Geh.  Rätin  v,  Arns- 
waldt,  geb.  v.  Wenckstern,  und  wechselte  noch  wiederholt  den  Besitzer 
(Essigbrauer  Wedekind,  Schreihagen).  1837  erwarb  es  die  Krone  und 
überließ  es  dem  Prinzen  Solms  als  Wohnung.  1863/64  verkaufte  sie  es 
wieder  in  private  Hand. 

Das  Palais  ist  ein  Ziegelmassivbau  mit  verputzten  Flächen;  Ecklisenen  Abb. 28i 
und  Gewände  sind  aus  Haustein.  Die  Front  hat  sieben  Achsen,  die  drei 
mittleren  als  Risalit  schwach  vorgezogen  und  im  Dreiecksgiebel  ab- 
geschlossen. Geschoßgliederung:  Erdgeschoß,  Zwischengeschoß;  hohes 
Hauptgeschoß  und  Mezzanin.  Erdgeschoß  ist  stark  verändert:  korbbogige 
Durchfahrt  rechts.  Der  Haupteingang  mit  zwei  vorgelegten  Stufen  war 
ehemals  in   der  Mittelachse.     Im   Hauptgeschoß  segmentbogige   Fenster; 


5)  Baring,  Kirchenhistorie,  S.  42. 

421 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 

die  dos  Mittelrisalites  mit  reicheren  Umrahmungen,  Schlußsteinen  und 
Solhankkonsolen.  Hauptsims  und  Dreiecksgiebel  in  Holzverschalung. 
Das  Giebelfeld  mit  Kartusche  und  Palmwedeln  ist  dem  Besitzwechsel  1837 


Abb.  281.     Hannover;  v.  Hardcnbergschos  I'alais,  Am  Markt  13. 
Nach  Aufnahmezeichnung  von  1863.     Stadtarchiv. 


angepaßt  durch  Hinzufügen  von  Monogramm  (E.  A.  R.)  und  Königskrone. 
Satteldach  mit  Gauben  und  Ochsenaugen. 

Die  alte  Treppenanlage  von  der  Durchfahrt  her  ist  erhalten. 
422 


Haus  v.  d.  Bussche 

Haus  des  Ministers  v.  d.  Bussche  an  der  Leinstraße. 

Der  Staatsminister  und  Geheime  Rat  von  dem  Bussche  erwarb  die 
drei  im  Schoßregister  mit  den  Nr.  291,  292,  293  bezeichneten  Grundstücke 
an  der  Leinstraße  in  den  Jahren  1751  und  1752,  ließ  sogleich  die  darauf- 
stehenden Häuser  abbrechen  und  an  deren  Stelle  einen  Neubau  errichten. 
Als  Architekt  gilt  der  durch  seine  Planung  der  Ägidienneustadt  hervor- 
getretene Dinglinger  (s.  Habicht,  H.  G.  1915,  S.  460),  der  nach  der  Vollendung 
des  Palais  die  Pläne  dazu  in  einem  Kupferstichwerk  herausgegeben  hat: 
Plans  de  la  maison  de  son  Excellence  Monsieur  de  Bussch,  Minister  d'Etat 
de  sa  Majeste  le  Roi  usw.  1759  (je  ein  Exemplar  in  der  Bibl.  der  Techn. 
Hochsch.  u.  in  der  Prov.-Bibl.).  Aus  Dinglingers  Begleitwort  zu  dieser 
Veröffentlichung  läßt  sich  jedoch  nicht  zwingend  entnehmen,  daß  er  der 
Architekt  war.  Vielmehr  scheinen  ornamentale  und  technische  Eigentüm- 
lichkeiten des  Gebäudes  auf  J.  P.  Heumann  hinzudeuten.  Heumann  starb 
im  Jahre  der  Herausgabe  des  Dinglingerschen  Stichwerkes.  Im  Vorwort 
schreibt  Dinglinger:  ,,Den  mehresten  Theil  der  inneren  Verzierungen 
.  .  .  sowie  das  malerische  Deckstücke  über  der  Haupttreppe"  -  habe 
der  Bauherr  „durch  eine  obersächsische  Hand  entwerffen"  lassen. 

Die  Pläne  zeigen,  daß  das  ursprüngliche  von  dem  Busscheschen  Palais 
im  Äußeren  bis  auf  das  bekrönende  Wappen  nur  unwesentlich  verändert 
auf  die  Gegenwart  überkommen  ist,  während  es  im  Inneren  die  Rokoko- 
ausstattung seiner  Räume  ganz  eingebüßt  hat.  Die  einstige  Treppenhaus- 
anlage wird  auf  der  Kupfertafel  10  des  Dinglingerschen  Stichwerkes  ver- 


Ahb.  2S2.     Hannover;  Hans  v.  d.  Bussche:  Speisesaal.    Nach  Tafel  13  des  Dinglingerschen  Stichwerkes 
von  1759.     „Decoration  d'un  Cote  de  la  Säle  a  manger,  avec  de  Lambris  orne  de  Sculpture". 


423 


Höfe  und  Häuser  (k's  Adels 

anschaulicht,    Teile  des  Marmorsaales  auf  Tafel  11    und    12,   des  Speise- 
Abb.  282  saales  auf  Tafel   13. 

Die  Breite  des  Grundstückes  bei  geringer  Tiefenausdehnung  führte  zu 
einer  Fassadenbildung  mit  kaum  vortretendem  Mittelrisalit,  das  in  drei- 
Abb.  202  ii.2oi  achsiger  Ausgestaltung  die  Mitteleinfahrt  enthält.  Die  symmetrischen 
Seite 306 u.  308  Seitenflügel  haben  je  fünf  Achsen.  Der  Aufbau  ist  dreigeschossig.  Auf 
schlichtem  Sandsteinsockel  wenig  abgesetzt,  hat  das  Erdgeschoß  rechteckige 
Lichtöffnungen  mit  waagerechten  Simsverdachungen;  Mitteleinfahrt  seg- 
mentbogig;  in  den  äußersten  Achsen  flachbogige  Einfahrten.  Die  Fläche  des 
ersten  und  zweiten  Obergeschosses,  durch  ein  Bandsims  abgesetzt,  von 
Quaderlisenen  umrahmt  und  durch  Architrav,  Fries  und  weitausladendes 
Hauptsims  in  Sandstein  abgeschlossen,  ist  in  Putz  hergestellt;  doch  hat 
der  Architekt  (wie  an  den  Häusern  Breite  Straße  8  und  Schmiedestraße  37) 
zwischen  den  Lichtöffnungen  die  sandsteinernen  Brüstungs-  und  Sturz- 
platten, in  die  Fläche  eingebunden,  über  die  Fassade  fortgeführt.  Die 
Fensterumrahmungen  des  ersten  Obergeschosses  sind  mit  Konsolen  an  Sol- 
bänken und  Simsverdachungen  versehen:  in  reicheren  Formen  im  Mittel- 
risalit, das  auch  durch  Vorkragen  eines  Balkons  mit  schmiedeeisernem 
Geländer  ausgezeichnet  ist.  Die  Mezzaninfenster  des  zweiten  Obergeschosses 
segmentbogig  mit  Schlußsteinen  in  geschwungenen  Formen.  Das  Sattel- 
dach wird  verdeckt  durch  eine  vasenbekrönte  Balustrade,  die  über  dem 
Mittelrisalit  ursprünglich  durch  ein  Wappenmedaillon  mit  helmzier- 
tragenden  Putten  überhöht  wurde  (s.  Weiteres  unter  „Altes  Palais  an  der 
Leinstraße"  auf  S.  301  ff). 

Freiherrlich  v.  Steinbergsches  Haus,  Marktstraße  60  und  61. 

Die  beiden  Hausgrundstücke  Marktstraße  60  und  61  sind  um  1752 
vom  Geheimen  Kammerrat  und  Gesandten  zu  Wien  Georg  Friedrich 
Freiherrn  v.  Steinberg  durch  die  Bebauung  mit  einem  Wohngebäude 
vereinigt.  Das  Haus  erwarb  1772  der  General  Graf  Wallmoden;  es  kam 
1815  in  den  Besitz  des  Restaurateurs  und  Brauers  Bornemann  und  wurde 
1831 — 34  Heim  der  neugegründeten   Gewerbeschule. 

Die  Einheitlichkeit  der  Front  ist  neuerdings  zerstört.  Das  Gebäude 
war  im  alten  Zustande  ein  dreigeschossiger,  zehnachsiger  Putzbau  mit 
unprofilierten  Sandsteingewänden  und  gequaderten  Ecklisenen.  Ein 
zweiachsiger  Dacherker  in  der  Frontmitte  hatte  segmentförmigen  Giebel. 
Die  Türen  hatten  ebensolche  Verdachung.  Das  Haus  tritt  auf  einem  Stiche 
Tafel  7  der  Marktkirche  von  H.  Busse  um  1827  und  auf  Tafel  XXII  in  Mithoffs 
Archiv  in  die  Erscheinung.     H.  G.,  N.  F.  I.  Tafel  zu  Heft  1. 

Das  alte  Treppenhaus  ist  erhalten.  Über  die  Ausstattung  einzelner 
Räume  zur  Zeit  des  Grafen  Wallmoden  enthält  ein  Inventar  im  Wall- 
modenschen  Familienarchive  (XXVII,   I.)  auszugsweise  folgendes: 

424 


Haus  v.  d.   Schulenburg- Wolfsburg. 

„der   große    Speisesaal    mit    Schwefelgelb    und    Silbernem  Tafelwerk, 

auch  Bildhauerarbeit"  usw., 

„der  große  Visiten  Saal"  enthielt:  „Eine  feine  Haute  lice  de  Beauvais" 

usw., 

„das  Zimmer  mit  der  grünen  damastenen  Tapete", 

„das   kleine   Cabinett   mit   indianischem  Linnen   tapeziert"    enthielt: 

„Ein   Gemähide  über  der  Thür". 

„Der  große  Saal  in  der  ersten  Etage  im  ersten  Seitengebäude"  usw. 


Haus  des  Grafen  v.  d.  Schulenburg -Wolfsburg,  Köbelingerstraße  5  a 

(abgebrochen  1887). 

Das  Doppelgrundstück  Köbelingerstraße  34  und  35  kaufte  1737  der 
Kammerjunker,  spätere  Oberhofmarschall  v.  Werpup  von  dem  Kammer- 
herrn von  Lenthe  und  ließ  wahrscheinlich  1766  darauf  das  Palais  erbauen, 
das  1887  bei  der  Anlage  der  Markthalle  abgebrochen  worden  ist.  Von 
Werpup  starb  1768;  noch  1783  besaßen  seine  Erben  das  Haus.  1787  ver- 
zeichnen die  Schoßregister  als  Hauseigentümer  den  Oberhof marschall 
v.  Lichtenstein,  dann  einen  Georg  Fr.  Louis;  seit  1799  den  Schloßhaupt- 
mann Beichsgrafen  Aug.  W.  C.  von  Hardenberg;  1819  den  Kammerrat 
Fried.  Gebh.  Werner  Graf  v.  d.  Schulenburg-Wolfsburg.  Am  1.  April 
1829  wurde  das  Haus  Eigentum  der   Stadt,   die  es  als  Parochial-Schul- 


Abb.  283.     Hannover;    Köbelingerstraße  5,    Grundriß.     Nach    einem   Plan    in  der   Provinzialbibliothek, 
Mappe  XVII:  „von  Werpups  Gebäude". 


425 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 

gebäude  verwandte.    Im  Saale    des  einstigen  Palais  eröffnete  der  Kunst- 
verein   für   das   Königreich   Hannover   zu    Ehren    seines  Protektors,    des 


Abb.  281.     Hannover;  Köbelingerstraße  5a. 
Gräfl.  v.  d.  Schulenburs-Wolfsburgsch.es  Palais. 


Herzogs  von  Cambridge,    an  dessen  Geburtstage  (26.  Februar  1833)  seine 
erste  Kunstausstellung. 

Das  Palais  Köbelingerstraße  5  gehörte  unter  den  aus  der  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts  stammenden  Baudenkmälern  Hannovers  sicher  zu  den 


426 


Haus  F.  E.  v.  Wallmoden 

wertvollsten.  Der  Architekt  ist  bisher  nicht  bekannt.  Auf  dem  tiefen 
Doppelgrundstück  schloß  sich  an  das  massive  Hauptgebäude  ein  eben- 
solcher Seitenflügel  an,  der  Küche  und  Nebengelasse  aufnahm.  Der 
Grundriß  des  hart  an  der  Straße  sich  erhebenden  Hauptgebäudes  war 
denn  auch  nicht  der  regelmäßige  (Plan  in  der  Prov.-Bibl.,  Mappe  XVII).  Abb. 283 
Das  Treppenhaus  lag  in  dem  Winkel  zwischen  Haupt   und  Seitengebäude. 

Die  Straßenfront,  durch  ein  leicht  vorgezogenes  Mittelrisalit,  ur- Abb. 284 
sprünglich  wohl  mit  Dreiecksgiebel  gegliedert,  hatte  drei  Geschosse  bei 
3+3  +  3  Achsen.  Ecklisenen  gequadert,  geschoßteilende  Simse,  Fenster- 
umrahmungen aus  Sandstein.  In  den  beiden  Obergeschossen  -  -  abge- 
sehen vom  Mittelrisalit  --  hatten  die  Fenster  geschwungene  Verdachungen 
über  Muschelornamenten. 

Das  reicher  behandelte  Mittelrisalit  enthielt  das  korbbogige  Portal 
zwischen  Quaderlisenen.  Die  Flächen  der  Obergeschosse  waren  in  rund- 
bogige  Scheinarkaden  aufgelöst,  beim  unteren  die  Wandvorlagen  mit 
toskanischen  Schmuckformen,  beim  oberen  mit  korinthischen  Pilastern 
ausgestattet.  Das  Hauptsims  (Sandstein)  mit  einfachem  Architrav, 
Fries-  und  Kranzgesims  war  über  die  ganze  Front  hinweggezogen. 

Ein  viertes  Geschoß  hatte  man  um  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts 
hinzugefügt. 

Haus  des  Kammerherrn  Franz  Ernst  v.  Wallmoden,  Köbelingerstraße7a 

(abgebrochen   1<S(S7). 

Die  Gräfin  Yarmouth  hatte  1711  nach  der  Schenkung  des  Gesandt- 
schaftshauses außer  zwei  Häusern  an  der  Feinstraße  auch  das  rückwärts 


Abb.  285.  Hannover;  Köbelingerstraße  7  a.  Haus  des  Kammerherrn  v.  Wallmoden, 

abgebrochen   1887.     Nach  Holzschnitt   im   Stadtarchiv. 


427 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 

anstoßende,  zur  Köbelingerstraße  gehörende  Grundstück  (Köbelinger- 
straße  32)  hinzuerworben,  das  ehemals  den  Peweler  Hol'  gebildet  hatte. 
Die  Nachbargrundstücke,  Köbelingerstraße  30,  31  und  33,  kaufte  nach 
dem  Ableben  der  Gräfin  (1765)  deren  Sohn,  der  Kammerherr  Franz 
Ernst  v.  Wallmoden,  hinzu.  Er  errichtete  auf  Köbelingerstraße  30  das 
Wohnhaus,  dessen  Äußeres  nur  durch  einen  unbedeutenden  Holzschnitt 
überliefert  ist,  wahrscheinlich  um  1770.  Die  Wallmoden  verkauften 
das  Haus  1805  an  die  Freimaurerloge  Friedrich  zum  Weißen  Pferde, 
die  es  in  demselben  Jahre  an  den  Freiherrn  v.  Scheele  weiterveräußerte. 
1806  erwarben  es  die  Wallmoden  zurück  und  traten  es  1825  wiederum 
an  die  Loge  ab. 
Abb. 285  Nach  dem  im  Stadtarchive  (Kasten  VII,  Bl.  12)  vorhandenen  Holz- 
schnitt war  das  Haus  aus  Sandstein  erbaut  und  hatte  drei  Geschosse 
-  das  oberste  als  Mezzanin  -  Mansardendach  mit  geschwungenem  Fronti- 
spiz; die  Achsenzahl  war  fünf;  segmentbogige  Schlüsse.  Mitteltür  mit 
Oberlicht. 

Haus  des  Kammerherrn  Georg  Ludw.  v.  Spörcken, 
Schmiedestraße  31/32. 

Die  beiden  Hausgrundstücke  unter  M.  Nr.  150  und  151  im  Schoß- 
register sind  im  Jahre  1698/99  in  der  Hand  des  Henning  Anton  Schultze 
vereinigt,   aber  erst   später  einheitlich   bebaut.      Von  den    Schultzeschen 


Abb.  286.    Haus  des  Kammerherrn  v.  Spörcken,  Schmiedestraße  31/32,  Zustand  1841. 
Nach  Akten  des  Baupolizeiamtes. 


428 


Haus  v.  Platen-Hallermund 

Erben  kaufte  1764  die  Gräfin  Yarmouth  das  Haus  Nr.  151,  starb  aber 
schon  ein  Jahr  darauf.  Ihr  Sohn,  der  damalige  Generalmajor  v.  Wall- 
moden, besaß  es  noch  etwa  sechs  Jahre;  aus  dieser  Zeit  stammt  ein  Lage- 
plan des  Grundstückes  mit  Berücksichtigung  der  Gartenanlage  im  Hofe 
von  der  Hand  des  v.  Wallmodenschen  Gartenmeisters  Walter  (im  Wall- 
modenschen  Familienarchive).  1769  ging  das  Grundstück  Nr.  151, 
1776  auch  das  Grundstück  Nr.  150  aus  des  Kaufmanns  Sievers  Besitz 
an  den  Kämmerer  von   Spörcken  über. 

Die  beiden  Grundstücke  sind  1777  durch  den  neuen  Eigentümer 
mittels  eines  Neubaues  vereinigt  worden,  der  bis  auf  das  im  Jahre  1841 
entscheidend  veränderte  Erdgeschoß  äußerlich  im  übrigen  unberührt 
überkommen  ist.  Der  Architekt  ist  bislang  unbekannt.  Verträge  mit 
Handwerkern  und  Beschreibungen  der  inneren  Gliederung  finden  sich 
im  Archiv  der  Freiheniich  v.  Spörckenschen  Verwaltung  zu  Lüdersburg. 

Das  Haus  ist  dreigeschossig  bei  elf  Achsen.  Ein  Mittelrisalit  von  Abb.  28G 
drei  Achsen,  in  dessen  Erdgeschoß  Hauseingang  und  Durchfahrt  zu- 
sammengedrängt untergebracht  waren,  ist  wenig  vorgezogen  und  schließt 
mit  flachem  Dreiecksgiebel,  der  das  Wappen  der  von  Spörcken  in  ge- 
krönter Louis-seize-Kartusche  mit  zwei  Löwen  als  Schildhaltern  enthält. 
Quaderlisenen,  Simse  und  Umrahmungen  bestehen  aus  Sandstein,  die 
Flächen  sind  geputzt.  Nur  im  Bisalit  sind  die  Umrahmungen  reicher 
ausgestattet,  größtenteils  mit  waagerechten,  konsolengetragenen  Sims- 
verdachungen. 

Das  hohe  Satteldach  ist  beiderseits  des  Bisalitgiebels  mit  Gauben 
ausgestattet. 

Das  Innere  bietet,  abgesehen  von  den  Treppenhäusern,  nichts  Be- 
merkenswertes mehr. 


Haus  des  Grafen  v.  Platen-Hallermund  am  Georgsplatz 
(abgebrochen   1894). 

Während  der  französischen  Besetzung,  nach  1803,  hatte  ein  Privatmann 
den  Bau  des  nachmaligen  Gräflich  von  Platenschen  Palais  begonnen,  ihn 
aber  aus  Mangel  an  Mitteln  unvollendet  gelassen  (P.  Hammer,  Hannover, 
wie  es  seit  dem  Siebenjährigen  Kriege  gebauet  usw.,  S.  17).  Das  Gebäude 
wurde  1816  von  der  gräflichen  Familie  von  Platen-Hallermund  angekauft 
und  zum  Bewohnen  eingerichtet.  Es  war  ein  stilistisch  alleinstehender  Abb.  287 
vierstöckiger  Massivbau  in  Putz. 

Ein  Festsaal  soll  eine  bemerkenswerte  Stuckdekoration  enthalten 
haben,  die  vermutlich  aus  der  Zeit  um  1816  herrührte  (siehe  ,,Hann. 
Courier",  10.  Februar  1901,  Aufsatz  v.  Plinke).     Ebenso  sollen  Gemälde, 

429 


Hole  und   Häuser  des  Adels 


Abb.  287.    Hannover; 


Platensches  Haus  am  Georgsplatze,  späteres  Landgerichtsgebäude. 
Links  das  Schwurgericht.     Phot.  1868. 


vielleicht  von  Francesco  Paletta,  dagewesen  sein  (frdl.  Mitt.  von  0.  Wichten- 
dahl,  Hannover). 

Das  Platensche  Palais  erwarb  1852  der  Staat,  um  dorthin  die  Dienst- 
räume des  durch  die  damalige  Neuorganisation  des  Justizwesens  ge- 
bildeten Obergerichts  zu  verlegen. 


Palais  des  Friederiken-Gartens. 

Einen  Teil  des  ehemaligen  Vauxhallgartens  auf  dem  Werder  hatte 
der  in  kurfürstlich-hannoverschen  Diensten  gestandene  Prinz  Carl  von 
Schwarzburg- Sondershausen  im  Jahre  1802  vom  Magistrat  der  Residenz- 
stadt angekauft  (Akten  militärfiskalischer  Gebäude  im  Reichsarchiv). 
Das  Grundstück  erwarb  im  Jahre  1817  der  General  Graf  v.  Alten,  der 
dann,  wie  Lohmann  (a.  a.  0.,  S.  164)  berichtet,  das  heute  vorhandene 
Haus  sofort  erbaut  hat.'  Der  Garten,  der  dem  Publikum  geöffnet  war, 
genoß  Berühmtheit  wegen  seiner  schönen  alten  Bäume  und  weiten  Rasen- 
flächen. Vor  der  Terrasse  -  so  erzählt  Julie  v.  Albedyll-Alten  (Aus 
Hannover  und  Preußen,  Potsdam  191 1)  aus  der  Zeit  um  1835  --  standen 
alte  Orangenbäume  in  Holzkübeln  und  mattblaue  und  rosa  Hortensien. 
Der  Zugang  zum  Palais  war  alleemäßig  bepflanzt. 

Nach  dem  Tode  des  Generals  ließ  der  König  Ernst  August  den  Garten 
ankaufen    und    ihn    durch    gärtnerische    Anlagen    mit    dem    freigelegten 

430 


Haus  v.  Meding 

Mühlenplatz  in  Verbindung  bringen.    Das  Palais  wie  der  Platz  erhielten 
ihren  Namen  nach  der  Königin  Friederike. 

Das  Palais  des  Friederikengartens  hatte  1845 — 66  das  Gräflich 
v.  d.  Deckensche  Ehepaaar  pachtweise  inne.  Die  Gräfin  war  eine 
Schwester  der  Herzogin  von  Cambridge.  Nach  1866  diente  das  Haus 
preußischen  Offizieren  zur  Wohnung  und  wurde  1882  als  militärfiskalisch 
dem  jeweiligen  Stadtkommandanten  überwiesen  (Sievert,  a.  a.  0.,  S.  9). 
Ein  Brand  hat  am  7.  Mai  1870  das  Gebäude  beschädigt. 


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Abb.  28S.     Hannover;  Friederikenpalais,  1881.    Nach  Plan  im  Reichsarchiv. 

Das  1817  erbaute  Haupthaus  ist  durch  Flügelanbauten  erweitert  Abb.  288 
und  1856  und  1881  wiederholt  Veränderungen  unterworfen  gewesen. 
Die  zweigeschossigen  Gebäude  bestehen  aus  Fachwerk  mit  Verputz. 
Hauptfront  verschalt.  Der  risalitartige  Mittelteil  des  Hauptbaues  ent- 
hält Vestibül  mit  Treppenhaus  und  ein  Gartenzimmer;  der  Westflügel 
einen  Festsaal  mit  Nebengemächern,  der  Ostflügel  die  Kochküche. 

v.  Medingsches  Haus 
(abgebrochen  1878). 

Das  nach  Sieverts  Angabe  (a.  a.  0.,  S.  113)  im  Jahre  1817  erbaute 
v.  Medingsche  Wohnhaus  lag  vor  dem  Steintore  in  einem  rückwärts  an 
den  Stadtgraben  grenzenden  Garten,  gegenüber  der  Bastion  mit  dem 
Prinzenhause.  Das  Haus  wurde  1851  vom  Fiskus  angekauft  und  1854 
für  die  königliche  Münze  eingerichtet.  1878  bei  Anlage  der  Münzstraße 
wurde  es  abgebrochen. 

Freistehender,  zweigeschossiger  Putzbau  auf  rechteckigem  Grundriß. 
Die  Frontmitte  hatte  vor  flachem  Bisalit  einen  von  vier  Säulen  getragenen 


431 


Höfe  und   Häuser  des  Adels 

Balkon  als  Unterfahrt.  Das  Risalit  zeigte  im  Obergeschoß  Pilaster- 
stellungen  und  schloß  in  flachem  Dreiecksgiebel.  Alle  Fenster  waren 
nngerahint  in  die  Flache  geschnitten.  Aus  der  Dachmitte  ragte  ein  rundes 
Kuppelt ürmchen  als  überlicht  für  das  Treppenhaus  empor. 

Ein  Grundriß  in  seiner  späteren  Veränderung  als  Verwaltungsgebäude 
der  Münze  ist  in  „Ztschrft  d.  Aren.-  und  Ing.-Vereins"  von  1861,  Bl.  205 
gegeben. 

(Siehe  Rothert,   Im  alten  Königreich  Hannover,   S.  233.) 


Abb.  28!).     Hannover;    Bella  Vista,  Villa   dos   Ministers   von    Schulte.     Phot.  1900. 

Bella  Vista. 

Das  zu  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  noch  wüste  Gelände  an  der  Leine 
außerhalb  des  Neuen  Tores  ließ  1828  der  Minister  v.  Schulte  von  der 
Stadt  ankaufen  und  zu  Parkanlagen  durch  Schaumburg  umgestalten. 
Laves  errichtete  gleichzeitig  das  Lusthaus,  welches  noch  heute  besteht. 
Abb  289  Es  hat  zwei  Geschosse  bei  fünf  Achsen.  Die  Hauptfront  ist  durch  eine  auf 
vier  dorischen  Säulen  ruhende  Vorhalle  mit  vollem  Gebälk  und  Drei- 
ecksgiebel ausgezeichnet,  welche  durch  die  ganze  Haushöhe  hindurch- 
reicht. 

Die  Außenwände  deuten  eine  Quaderung  in  Holzverschalung  an.  Die 
Fenster  des  Erdgeschosses  zeigen  waagerechte  Verdachung;  bei  denen 
des  oberen  Geschosses  fehlt  heute  jede  Umrahmung.  Das  Walmdach 
wird  bekrönt  durch  einen  achtseitigen  verglasten  Aussichtspavillon,  von 
dem  der  Name  des  Geweses  sich  ableitet. 


432 


Haus  v.  Wangenheim 

Von  der  Witwe  des  Ministers  erwarb  die  Stadt  Park  und  Haus  zurück. 
Nach  1866  pachtete  der  Kommissionsrat  Röpke  den  Besitz,  vergrößerte 
und  veränderte  ihn  und  richtete  einen  Gastwirtschaftsbetrieb  daselbst  ein. 
Dazu  wurden  Ergänzungsbauten  geschaffen,  wie  eine  Tanzhalle  mit  kühner 
Deckenspannung  vom  Architekten  Otto  Goetze,  die  später  zum  Teil 
beseitigt  sind.  Die  Romantik  des  Parkes  von  Bella  Vista  veranlaßt 
Brönnenberg  zu  schwärmerischen  Lobeserhebungen  (s.  a.  a.  0.,  S.  82). 
Den  Mittelpunkt  des  Parkes  bildete  ein  Bassin  mit  zierlicher  Gondel, 
eine  Grotte  gewährte  Kühlung,  eine  blumenumkränzte  Anhöhe  den  Aus- 
blick in  die  Ferne;  eine  Kartaune,  ein  vom  Blitz  gespaltener  Baum,  eine 
Quelle  erhöhten  die   Stimmung. 

v.  Wangenheimsches  Haus,  Friedrichstraße  17. 

Der  Hofmarschall  Graf  Georg  v.  Wangenheim,  der  Besitzer  des 
Schlosses    und    Parkes    Monplaisir    beim    Königlichen  Jägerhofe,    erwarb 


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Abb.  290.     Hannover;    Palais  von  Wangenheim,   Friedrichstraße  17,    Grundriß.     Nach   einer   Zeichnung 
von  Laves  1830.     Stadtbauamt. 


28 


433 


Höfe  und  Häuser  des  Adels 


Abb 


Ostern  1828  das  an  der  Friedrichstraße  belegene,  sub.  Nr.  739  zur  Lein- 
straße  katastrierte  Grundstück,  auf  dem  das  Klubhaus  des  Alten  Billard- 
90  klubs  stand.  Der  auszuführende  Neubau  für  den  Grafen  stand  seit 
1829  unter  der  Beratung  von  Laves.  Der  Bau  des  Stallgebäudes,  das 
Laves  halbkreisförmig  an  die  Stadtmauer  heranschneidend  geplant  hat, 
wurde  durch  den  Einspruch  des  Magistrats  (1830)  verzögert;  das  Wohnhaus 
Abb.  291  befand  sich  im  Laufe  des  Jahres  1832  in  der  Bauausführung. 


Abb.  291.     Hannover;  v.  Wangenheimsches  Palais,    Friedrichstraße  17,    Fassade  an  der  Friedrichstraße. 
Nach  Zeichnung  von  Laves,   1830. 

Durch  Ankauf  des  am  Himmelreiche  belegenen  Hofbaurat  Witting- 
schen  Hauses,  Mühlenstraße  862,  das  1821  erbaut  war,  vergrößerte  Graf 
v.  Wangenheim  im  Jahre  1839  sein  Gewese;  1815  ließ  er  an  der  Seite  des 
Himmelreiches  den  halbkreisförmigen  Gewächshausanbau  schaffen, 
der  noch  besteht.  Im  übrigen  ist  das  Palais  äußerlich  unverändert 
geblieben.  (Die  weiteren  Schicksale  des  Palais  und  seine  Beschreibung 
s-  S.  310  ff.) 


434 


Bürgerhäuser. 


JDie  breite  Masse  der  denkmalwertigen  Bürgerhäuser,  die  bislang  noch 
dem  Straßenbilde  von  Hannovers  Altstadt  das  Gepräge  verleiht,  entstammt 
einer  über  das  zweite  und  dritte  Drittel  des  16.  Jahrhunderts  sich  er- 
streckenden Bauperiode  von  auffallender  Geschlossenheit.  Diese  älteste 
Bürgerhausgeneration,  mit  deren  überlebenden  Familien  wir  die  Gegenwart 
teilen,  steht  heute  angesichts  der  vermehrten  Untergänge  ihrer  Einzelwesen 
am  Ende  ihrer  Lebensdauer,  und  die  Zeit,  wo  sie  nicht  mehr  bestehen  wird, 
ist  absehbar  nahe. 

Für  die  niedersächsische  Hausforschung  stellt  Hannover  in  dieser 
Generation  die  frühesten  monumentalen  Belege.  Die  einzelnen  Haus- 
beispiele treten  sowohl  als  Traufen-  wie  auch  als  Giebelhaus  auf;  das 
Bürgerhaus  dieser  Zeit  ist  ein  zweischiffiges  Straßenfronthaus  mit  Durch- 
fahrt nach  dem  Hofe  und  stellt  sich  entweder  als  domus  oder  als  boda  dar. 
Seiner  konstruktiven  Artung  nach  ist  es  ein  Skelettbau  in  Holzfachwerk. 
Äußere  Eigentümlichkeiten,  wie  die  Vorkragungen  und  die  Schmuck- 
verwendung, können  als  spätmittelalterlicher,  aber  konservativ  bis  in  das 
17.  Jahrhundert  hinein  geübter  Brauch  aufgefaßt  werden.  Das  Ornament 
selbst  hat  sich  im  Geschmack  der  Benaissance  gewandelt.  Das  abge- 
schlossene Architekturgebilde  des  niedersächsischen  Bürgerhauses  über- 
haupt, wie  es  auch  hier  zufrühest  in  die  Erscheinung  tritt,  muß  immer  als 
das  Ergebnis  einer  längeren  vorhergegangenen  Entwicklung  eingeschätzt 
werden,  auf  deren  Einzelphasen  heute  die  Fragestellung  sich  zu  richten 
begonnen  hat.  Was  Hannover  zu  deren  Beantwortung  beizutragen  vermag, 
besteht  in  dem,  was  sein  urkundliches  Archiv  über  die  Vorgänge  der 
Grundstücksgeschichte  und  -bebauung  vermittelt. 

Die  hannoverschen  Verlassungsbücher  und  Schoßregister  zeigen,  daß 
seit  dem  Bestehen  des  ältesten  Verlassungsbuches  --  seit  1128  --  bisher 
die  Grundstücksgrößen  bis  auf  wenige,  in  besonderen  Verhältnissen 
begründete  Ausnahmen  sich  unverändert  erhalten  haben.  (Die  Forschungen 
gehen  auf  Dr.  Leonhardt  zurück;  s.  H.  G.  1921,  S.  23  ff.,  und  H.  G.  1927, 
S.  157  ff.)  Wahrscheinlich  hat  sich  nicht  durch  Aufteilung  umfangreicher, 
wenigen  bevorzugten  Geschlechtern  ursprünglich  eigener  Grundstücke 
diejenige    Grundstücksgliederung   ergeben,    welche    das   älteste   erhaltene 

435 


Bürgerhäuser 

Verlassungsbuch  zuerst  dartut.  Es  ist  vielmehr  anzunehmen,  daß  min- 
destens die  städtische  Verfassung  von  1241  schon  den  später  erkennbaren 
Zustand  begründet  hat.  Das  ist  des  weiteren  für  die  städtebaulichen 
Uranfänge  Hannovers  von  Bedeutung. 

Grundstücks-  1  liusichtlich  der  Grundstücksbebauung  wird  die  Forschung  ohne 
bebauung  Analogieschlüsse  nach  den  Verhältnissen  in  den  niedersächsischen  Nachbar- 
städten, die  gleich  Hannover  auf  marktsiedlerischer  Grundlage  erwachsen 
sind  -  vor  allem  Braunschweig,  -  -  nicht  auskommen.  Es  fehlen  für 
Hannover  die  tatsächlichen  und  urkundlichen  Nachweise  für  das  Vor- 
kommen von  Kemenaten.  Nur  eine  bürgerliche  Kemenate  in  der  Altstadt 
ist  urkundlich  bezeugt  (Marktstraße  1,  1 136;  H.  G.  1926,  S.  20).  Vor  der 
Burg  Lauenrode  lagen  einige  Kemenaten  der  Burgmannen  anscheinend 
noch  1360  (Urk.  396).  Ein  so  zahlreiches  Vorkommen,  wie  es  für  Braun- 
schweig belegt  ist,  ergeben  die  Urkunden  aber  nicht.  In  Hannover  ist 
vermutlich  die  durch  die  Kemenaten  charakterisierte  Entwicklungsphase 
des  städtischen  Wohnbaues  da  im  wesentlichen  vorüber,  wo  ratsseitige 
Beurkundungen  über  Haussachen  beginnen.  Der  Wiederaufbau  der  Stadt 
nach  der  gewaltsamen  Niederbrennung  von  1189  wird  die  Grundstücks- 
bebauung auf  neue   Grundlagen  gestellt  haben. 

(Daß  auch  die  Kemenaten  keineswegs  am  Anfange  der  Bürgerhaus- 
entwicklung stehen,  bemerkt  Steinacker  im  Jahrb.  d.  bist.  Vereins  f. 
Niedersachsen  1926,  S.  136  ff.) 
Die  „domus"  Die  ,,domus"  der  Veiiassungsbücher  entspricht  im  allgemeinen  noch 
heute  dem  Hause  mit  Braugerechtigkeit  mit  wenigen,  besonders  begrün- 
deten Ausnahmen.  Die  Zahl  der  Häuser  mit  Braugerechtsame  war  be- 
schränkt und  wurde  im  Jahre  1609  auf  317  verfassungsmäßig  festgelegt 
(Löhdefink,  H.  G.  1925,   S.  42). 

Das  hannoversche  Hausgrundstück  pflegt  als  von  der  Straße  aus  weit 
in  die  Tiefe  reichendes  Bechteck  sich  darzustellen.  Das  Wohnhaus  nimmt 
ursprünglich  nicht  die  volle  Grundstücksbreite  ein,  sondern  läßt  seitlich 
noch  Baum  für  eine  Einfahrt,  die  einen  Wirtschaftshof  hinter  dem  Hause 
und  von  etwa  gleicher  Tiefe  wie  dieses  erschließt.  Nach  rückwärts  wird 
der  Hof  begrenzt  durch  eine  Scheune.  Hinter  dieser  füllt  den  Best  des 
Grundstückes  ein  Garten  aus.  Als  Verbindung  zwischen  Wohnhaus  und 
Scheune  kommt  gewöhnlich  dann  noch  ein  Seitenflügel  hinzu. 

Daß  so  die  Bebauung  vor  sich  ging,  läßt  sich  aus  den  Verlassungs- 
büchern  an  zahlreichen  Beispielen  nachweisen,  wo  nicht  die  Wirklichkeit 
noch  selber  darüber  belehren  kann  (s.  darüber  Leonhardt  in  H.  G.  1921, 
S.  25  ff.).  Als  Beispiele  seien  genannt :  das  Grundstück  Köbelingerstraße27, 
Marktstraße  51,  Üsterstraße  65. 

Von  den  Häusern  und  Höfen,  an  welche  die  Braugerechtigkeit  gebun- 
den war,   wurden   nun  in   Hannover  Teilgrundstücke   oder  Wohnstätten 

436 


Bürgerhäuser 

abgezweigt,  denen  die  Braugerechtsame  nicht  zustand :  sie  hießen  bodae  = 
Buden. 

Die  Budenbildung  geschieht  zum  Zwecke  der  Schaffung  einer  Altenteiler-  Die  „boda" 
wohnung  gewöhnlich  durch  Überbauung  der  Hofeinfahrt;  die  Bude  pflegt 
daher  nicht  die  volle  Tiefe  des  Hauses  zu  haben  (Beispiel:  Osterstraße  59). 
Eckgrundstücke  an  einer  Querstraße  (lüttike  Strafe)  werden  meist  ihrer 
Tiefe  nach  in  Buden  aufgeteilt.  Die  zunächst  einem  Eckgrundstück  an  der 
Hauptstraße  liegenden  Grundstücke  erstreben  oft  eine  Zufahrt  von  der 
lüttiken  Strafe  her,  in  dem  sie  hakenförmig  umeinander  herumgreifen. 
Auf  den  Hofräumen  und  an  der  Nebenstraße  entstehen  dann  zumeist 
erst  im  15.  Jahrhundert  Buden,  die  nicht  ad  vitam,  sondern  hereditarie 
verlassen  werden  und  der  ärmeren  Bevölkerungsschicht  zur  Woh- 
nung  dienen. 

Da,  wo  im  15.  und  16.  Jahrhundert  städtischer  Grundbesitz  der 
Bebauung  erschlossen  worden  ist,  entstehen  ferner  ebenfalls  Wohngrund- 
stücke minderen  Bechtes  —  also  Buden:  so  ,,uppe  den  Specken",  auf  dem 
städtischen  Marstallgelände  am  Kreuzkirchhof  und  auf  dem  St.  Gallenhof. 

Die  ,,domus"  kommt  sowohl  als  Giebelhaus  wie  auch  als  Tiaufenhaus  Traufen-  und 
in  Hannover  vor.  Das  älteste  Hausbeispiel  überhaupt,  der  jetzt  entstellte  Glebelhaus 
Ziegelbau  Marktstraße  47,  ist  ein  Traufenhaus,  ebenso  das  frühe  Fachwerk- 
haus Marktstraße  37  vom  Jahre  1531.  Um  1550  scheint  in  Hannover  eine 
Vorherrschaft  des  Giebelhauses  zu  bestehen.  Die  Buden  pflegen  der  Straße 
die  Traufe  zuzukehren,  weil  sie  gewöhnlich  nur  so  zur  Entwicklung  eines 
hohen  Dachraumes  gelangen  können.  Diejenigen  Buden,  die  in  Anlehnung 
an  eine  domus  entstanden  sind,  konnten  ihr  eigenes  Traufen-  oder  Giebel- 
dach haben.  Das  Beispiel  eines  1827  abgebrochenen  Hauses  an  der  Lein- 
straße (im  Schoßregister  L  2/3;  Abb.  im  Stadtarchiv)  zeigt  bei  der  Bude  ein 
selbständig  ausgebildetes  Giebeldach.  In  den  heute  noch  erhaltenen  Haus- 
beispielen sind  die  Buden  in  den  Aufbau  des  Haupthauses  unter  gemein- 
samem Dache  stets  einbezogen  und  so  dem  flüchtigen  Blick  kaum  auffällig. 
Beispiele  mit  Giebeldächern  sind  die  Häuser  Am  Markte  14/15,  Kramerstraße 
22;  mit  gemeinsamem  Traufendache  das  Haus  Leinstraße  15.  Giebelhaus 
oder  Traufenhaus  erscheint  als  eine  Frage,  die  erst  mit  dem  Zwange  zu 
intensiverer  Grundstücksausnutzung  auftritt.  Denn  das  Giebelhaus  kann, 
weil  es  in  die  Grundstückstiefe  ausdehnbar  ist,  größere  Speicherräume 
entwickeln.     Die   konstruktive   Wesenheit   beider   ist    nicht   verschieden. 

Das  hannoversche  Wohnhaus  ist  zum  Unterschiede  gegenüber  dem  Gnmdrißbiidung 
Bauernhaus  zweischiffig  und  bereits  in  der  Unterkellerung  so  angelegt. 
Die  Diele  pflegt  ein  wenig  seitlich  aus  der  Mittelachse  verschoben  zu  sein: 
an  ihrer  einen  Seite  liegt  gewöhnlich  ein  Wohn-  oder  Geschäftsraum, 
oder  es  sind  mehrere  solcher  Bäume  hintereinander  aufgereiht.  Anderer- 
seits des  Dielentores  findet  sich  als  Einbau  in  die  Diele  fast  stets  eine 

437 


Bürgerhäuser 

einzelne  schmälere  Stube.  So  wird  eine  Vordiele  abgegrenzt  gegen  den 
Hauptraum  der  Diele.  Hinter  den  seitlichen  Wohn-  oder  Geschäftsräumen 
pflegt  die  Treppe  untergebracht  zu  werden.  Die  Durchfahrt  zum  Hofe 
liegt  derjenigen  an  der  Straßenfront  entsprechend.  Eine  Nebentür  kann 
vorhanden  sein,  die  von  der  Diele  aus  zum  Saal  im  Seitenflügel  führt. 
Beispiel:  Üsterstraße  65.  Der  Saal  ist  an  die  Stelle  der  Kemenate 
getreten. 

Aufbau  Bei  den  älteren  Hausbeispielen  ragt  die  Diele  in  das  Obergeschoß  hinein. 
Dabei  ist  dieses  nur  als  Halbgeschoß  ausgebildet  und  enthält  im  übrigen 
einige  anspruchslose  Wohnräume.  Über  dem  Halbgeschoß  setzt  unmittelbar 
das  Dach  an,  das  den  zuf ruhest  einräumigen  Speicher  birgt.  Eine  andere 
Gruppe  von  Beispielen  zeigt  statt  des  Halbgeschosses  ein  volles  Stock- 
werk, unmittelbar  über  die  Diele  gelagert,  welche  dann  niedriger  gehalten 
ist.  Diese  beiden  Aufbautypen  finden  sich  fortentwickelt  durch  Ein- 
schaltung weiterer  Wohngeschosse  als  Ausdruck  einer  in  ihren  Ansprüchen 
wachsenden  Lebenshaltung. 

Konstruktion  Das  bürgerliche  Wohnhaus  in  Hannover  ist  bis  in  die  Neuzeit  einer 
Baugesinnung  entsprossen,  die  in  der  Fachwerkbauweise  lebt  und  webt; 
die  etwa  vorgebauten  massiven  Fronten  dürfen  darüber  nicht  täuschen. 
Die  an  einer  Nachbarsseite,  gewöhnlich  der  rechten,  gezogenen  massiven 
Wände  dienen  dem  Brandschutz.  Der  Unterbau  pflegt  in  Bruchstein, 
seltener  in  Ziegeln  ausgeführt  zu  sein.  Die  Kellerwölbung  ist  meist  in 
zwei  nebeneinander  angeordneten  Tonnen  bewerkstelligt,  deren  ge- 
meinsame Stützwand  durch  Bögen  geöffnet  zu  sein  pflegt.  Die  in  Kreuz- 
gewölben hergestellten  Keller  des  Leibnizhauses  und  eines  1904  abge- 
brochenen Hinterhauses  des  Grundstückes  Marstallstraße  34  weisen 
gotische  Birnstabrippen  auf.  Balkenkeller  auf  Stützen  sind  nicht 
bekannt. 

Das  Konstruktionselement  des  Fachwerkaufbaues  ist  ein  System  von 
drei  Stützen,  in  ungleichen  Weiten  gestellt,  durch  deren  Reihung  eine 
ungleich-zweischiffige  Anlage  entsteht.  Das  Traufenhaus  reiht  die  Balken- 
lagen quer  zur  Hausfront;  das  Giebelhaus  muß  sie  nach  der  Grundstücks- 
tiefe hintereinander  aufgereiht  verwenden.  Während  so  hinsichtlich  der 
Obergeschosse  die  Balkenlage  beim  Traufenhause  des  Fachwerkbaues 
zum  Zweck  der  Raumgewinnung  die  Heraussetzung  von  Vorkragungen 
unmittelbar  begünstigte,  mußte  beim  Giebelhause  zum  gleichen  Zweck 
in  konstruktiv  weniger  günstiger  Weise  mit  Hilfe  von  Stichbalken 
verfahren  werden.  Die  Vermutung  liegt  nahe,  daß  die  Vorkragung  der 
Obergeschosse  ein  verhältnismäßig  später  Konstruktionsbrauch  sei,  der 
vom  Traufenhause  auf  das  Giebelhaus  übertragen  wurde.  Man  nahm  dabei 
für    den  Vorteil    der   Raumgewinnung    konstruktive   Nachteile   in   Kauf. 

438 


Bürgerhäuser 

Bürgerhäuser   in  Fachwerk   von   etwa   1530   bis   in   die  Mitte  des 

17.  Jahrhunderts. 

Bürgerhauser  in  Fachwerk,  deren  Erbauungsjahr  vor  1530  liegt, 
scheinen  in  Hannover  nicht  mehr  zu  bestehen.  Als  wenig  älter  könnten 
in  Frage  kommen  die  Häuser  mit  Treppenfries  und  Leistentrapez. 

Die  an  den  Pfosten  und  Schwellen  der  früheren  Fachwerkhäuser  sich  Die  Meister 
findenden  Meistersignaturen  beziehen  sich  offenbar  auf  die  Zimmer- <les  Fachwcrkbaues 
meister,  welche  die  Fachwerkkonstruktion  und  auch  den  Schwellen- 
schmuck lieferten.  Der  Brauch,  sich  zu  signieren,  scheint  aber  erst  um 
1540  einzusetzen;  die  Marken  pflegen  auf  den  geschnitzten  Schwellen 
selbst,  nicht  —  wie  das  später  der  Fall  ist  —  auf  unverzierten  Pfosten  zu 
stehen.  Die  Namen  des  Ratszimmermeisters  Beneke  Hagemann  und 
seines  Sohnes  und  Nachfolgers  seit  1543,  Arnd  Hagemann,  die  uns  seit 
1535  regelmäßig  begegnen,  finden  sich  nirgends  signiert.  Doch  ist  dem 
Beneke  Hagemann  ausweislich  der  Rechnungen  der  Fleischscharren  zuzu- 
schreiben. Arnd  Hagemann  bediente  sich  des  Tileke  Gering  als  Mit- 
arbeiters. Die  zufrühest  sich  findende  Signatur  T.  G.  ist  —  wie  die  Schoß- 
register ausweisen  und  das  Fabrikregister  der  Kreuzkirche  bestätigt  - 
auf  diesen  Tileke  Gering  zu  beziehen,  dessen  Sohn  J.  G.,  Jürgen  Gering, 
Ratszimmermeister  wurde.  Für  T.  G.  ist  kennzeichnend  der  Palmetten- 
fries als  Schwellenzier,  während  zu  des  jüngeren,  J.  G.,  Art  der  Inschrift- 
fries  in  Antiqua  gehört.  Jürgen  Gering  starb  im  ersten  Baujahr  des 
Apothekenflügels   1565  an  der  Pest  dieses  Jahres. 

Der  Palmetten-  oder  Muschelfries  kommt  auch  auf  Schwellen  mit  den 
Signaturen  B.  K.,  G.  K.  und  C.  K.  vor.  Die  Signaturen  B.  K.  und  G.  K. 
bezeichnen  Mitglieder  der  Zimmermannsfamilie  Konning,  die  in  der  Art 
Hagemanns  arbeitete.  Unter  der  Marke  H.  K.  nennt  sich  wohl  Härmen 
Konning,  der  Vater,  der  mit  seinen  Söhnen  auf  der  Ratssägemühle  und 
auf  dem  Bauhöfe  viel  beschäftigt  war.  CK.  kann  der  1552  und  1556  als 
in  städtischen  Diensten  stehend  genannte  Meister  Clages  Kock  sein; 
er  signiert  sich  an  einer  Inschriftschwelle  im  Hofe  Burgstraße  28  und  noch 
1565  an    einer  Schwelle  mit  Palmettenfries  im  Hofe  Osterstraße  0,226. 

Bis  auf  die  beiden  Hagemanns  und  den  älteren  Gering  sind  alle  diese 
Zimmermeister  beim  Bau  des  Apothekenflügels  tätig  gewesen.  Außer 
ihnen  war  noch  der  Meister  Hans  Boe,  der  sich  H.  B.  signiert,  dabei  be- 
schäftigt, und  Meister  Hans  Cramer  vollendete  die  Fachwerkkonstruktion. 
Seine  Namensmarke  ist  aber  nicht  nachzuweisen.  Der  Hildesheimer 
Meister  Hinrich  Holste  war  nur  zu  einer  bestimmten  Leistung  vom  Rate 
herangezogen  worden.    An  Bürgerhäusern  findet  sich  seine  Signatur  nicht. 

Diese  Meister  allesamt  waren  in  erster  Linie  die  Konstrukteure  des 
Fachwerkes  bei  den  Bauten  ihrer  Zeit  und  wurden,  je  mehr  die  Schmuck- 
behandlung   in    den    reicheren    Formen    der    Renaissance    Sonderkönnen 

439 


Bürgerhäuser 

erforderte,  auf  die  konstruktive  Tätigkeil  zurückgedrängt.  Seit  etwa 
1580  wird  das  Ornament  vollends  Sache  des  Schottilliers,  des  Bautischlers, 
und  die  Signaturen  der  Zimmerleute  finden  sich  nur  an  den  unverzierten 
Fach  werkteilen.  Daß  sich  das  so  verhält,  zeigt  am  besten  der  Bau  der 
Kirchenhäuser  an  der  Agidienkirche  von  1582,  bei  denen  Meister  Cort 
Meier  leitender  Zimmermeister  war.  Der  Eckständer  des  Hauses  Am 
Agidienkirchhof  Nr.  6  trägt  die  Marke  M.  H.  M.,  des  Sägemüllers  Hans 
Moller,  der  das  Fachwerk  gearbeitet  hatte.  Der  Zierat  des  Hauses  rührt 
vom  Tischlermeister  Ludeke  Prekels  her. 

Meister  Hans  Mollers  Nachfolger  als  Sägemüller  war  der  Meister 
Curt  Meier  (M.  C.  M.),  der  seit  1577  auftritt  und  1596  als  Batszimmermann 
den  Eid  ablegte. 

Eine  viel  reichere  Schmuckbehandlung,  als  bisher  üblich  war,  führt 
seit  1601  der  Meister  Hans  Beensen  herauf  (Osterstraße  50).  Er,  der  in 
dieser  Hinsicht  einen  besonderen  Fall  bildet,  wird  für  seine  Verdienste  um 
das  Bauwesen  1603  mit  dem  Bürgerrechte  beschenkt.  In  seiner  Hand 
vereinigt  sich  Fachwerkkonstruktion  und  Schmuckbehandlung;  neu  ist 
seine  Ausführung  der  horizontalen  Fachwerkglieder  mit  der  antiken 
Architekturornamentik    in    Eierstab,    Konsolenreihen    und    Zahnschnitt. 

Unter  den  nachfolgenden  Meistern  tritt  der  Sägemüller  Hinrich  Stünkel 
hervor,  der  sich  der  Art  Beensens  anschließt.  Dirik  Stünkel  —  wohl  des 
Vorigen  Sohn  — ,  der  seit  1633  Leiter  des  städtischen  Bauhofes  war,  zeigt 
die  gleiche  Formenwelt  und  dehnt  das  Beschlagwerk  auch  auf  die  Kon- 
solenflächen aus.  Das  Schwelgen  in  diesem  Ornamentreichtum  beginnt 
aber  schon  zu  seiner  Zeit  sich  in  Nüchternheit  zu  verkehren,  Ornamente 
und  Inschriften  werden  seltener  und  auch  die  Meistersignaturen  hören 
schließlich  ganz  auf.  Unter  den  letzten,  die  sich  signieren,  ist  M.  H.  DB., 
Meister  Hans  Deierberg,  der  Zimmermeister  des  Leibnizhauses,  zu  nennen, 
1639  als  Baumeistersknecht  vereidigt;  dann  die  Meister  M.  C.  L.,  Cort 
Levecke  (Knochenhauerstraße  26/27)  und  M.  H.  L.,  Hinrich  Lüssenhop 
(1661,  Kreuzstraße  3  und  4). 

Um  die  Menge  der  Fachwerkbauten  übersichtlich  zu  gestalten,  ist  im 
folgenden  versucht,  sie  in  stilistisch  zusammengehörige  und  entwicklungs- 
geschichtlich aufeinanderfolgende   Gruppen  einzuordnen. 
Gruppe  I: 

Um  1530  bis  um  1546.  Giebelhaus  und  Traufenhaus  sind  ungefähr 
in  gleicher  Zahl  vorhanden;  Zwischengeschosse  üblich;  Durchfahrten 
spitzbogig.  Vorkragungen  der  Obergeschosse  mit  konkaven  (Figuren- 
konsolen) und  Krallenkonsolen;  Balkenköpfe  ebenso  mit  Krallenver- 
zierung;   Schwellenzierat    in    Bänke,    Treppenmuster,    Leistentrapez*), 


*)  Haus  Mühlenstraße  3. 
440 


Bürgerhäuser 

Minuskelinschrift  --  niederdeutsche  Inschriften,  großenteils  ohne  Bibel- 
beziehung.   Brüstungsleisten  von  gotischer  Profilierung. 
Beispiele*): 

A.  Osterstraße  65,  Bückseite,  dat.   1530. 

(Schmiedestraße  26,  abgebrochen,  mit  Figurenkonsolen,  Treppen- 
fries,  1533); 

(Marktstraße  50,  abgebrochen); 

Burgstraße   29   und 

Marstallstraße  10,  Setzschwelle  mit  Treppenfries;  letzte  er- 
haltene Beispiele; 

Kl.  Packhof  Straße  8,  dat.   1533; 

Knochenhauerstraße  8,  dat.   1534; 

(Köbelingerstraße    1,   Fleischscharren,   von    1541,   abgebrochen); 

Köbelingerstraße  11; 

Ernst- August-Straße  2; 

Burgstraße  20. 

B.  Marktstraße  37,  Datierung  auf  der  Sturzschwelle  (jetzt  Vaterl. 

Museum)  ist  nachträglich  verändert; 
(Marktstraße  46,  abgebrochen). 

Gruppe   II: 

Um  1546  bis  um  1565.  Durchfahrten  rundbogig;  noch  Konkavkonsolen 
bei  Muschelfries  oder  Majuskelschrift;  noch  niederdeutsche  Inschriften; 
Fußstreben  oft  gebogen.  Meistersignaturen  M.  T.  G.,  M.  I.  G.,  M.  G.  K. 
und  B.  K. 

Beispiele  : 

Kreuzstraße  6,  erbaut  1546,  Meister  T.  G.; 

Kramerstraße  7,  dat.   1552; 

Kreuzstraße  9,  wohl   1555  erbaut,  Meister  T.  G.; 

(Knochenhauerstraße   1,  abgebrochen,  Meister  T.  G.); 

Knochenhauerstraße  21 ; 

Knochenhauerstraße  43; 

Knochenhauerstraße  54; 

Schloßstraße  4  und  5  (Nr.  4  ist  angeblich  signiert:  T.  G.); 

Marktstraße  9,  dat.   1556,  Meister  I.  G.; 

Knochenhauerstraße  23,  Meister  I.  G. ; 

Burgstraße  28,  Hths.,  Meister  G.  K.; 

Tiefental  2,  Meister  G.  K. ; 

Tiefental  3,  Meister  G.  K.; 

Marktstraße  7 — 8,  gebogene  Fußstreben; 

Marktstraße  44,  gebogene  Fußstreben; 


*)  Die  nicht  mehr  bestehenden  Häuser  sind  in  Klammern  gesetzt. 

441 


Bürgerhäuser 

Knochenhauerstraße  59,  Bogenfries; 
Osterstraße  50,   Seitenflügel,  von  1565. 
Seil  etwa   1560  treten  auch  anders  geformte   Konsolen  -  -  noch  ohne 
Renaissancecharakter  —  auf. 
Beispiele  : 

Kaiserstraße  2,  3  und  4; 
Osterstraße  3; 

Knochenhauerstraße  55,  Seite  der  Kaiserstraße  (Burgstraße  28; 
Vorderfront  hat  ebenfalls  hierher  gehörende  Konsolen,  gehört 
im  übrigen  aber  zur  folgenden   Gruppe). 

Gruppe  III: 
Von  etwa  1565  bis  etwa  1571.  Zeit  der  Trommelkonsole.  Die  Gruppe 
wird  beeinflußt  vom  Apothekenflügel,  erbaut  1565 — 67.  Füllhölzer  mit 
Rundstabgirlande;  Brüstungsbretter  mit  Halbrosetten;  Konsolen 
noch  verwandt  denen  voriger  Gruppe;  Trommelkonsolen,  S-Konsolen; 
Verknüpfungen;  flachgeschnitztes  Rankenwerk  auf  den  Pfosten;  Gar- 
dinenbogen.  Inschriften  in  lateinischen  Großbuchstaben,  niederdeutsche 
Bibelsprüche  und  lateinische  Sentenzen;  auch  Schwabacher  Schrift 
kommt  vor.  Bei  vielen  Hausern  sind  die  Gardinenbögen  wie  auch  die 
Andreaskreuze  durch  Veränderung  der  Fenster  entfernt.  Das  mittel- 
alterliche Fenster  ist  quadratisch  und  besteht  aus  vier  Buten. 

Beispiele: 

(Der Apothekenflügel,   1565 — 67,  abgebrochen); 

Burgstraße  2<S,  Vorderfront; 

Am  Markt  15,  dat.   1565/66  (Trommelkonsolen); 

Röselerstraße  19,  dat.  gewesen  1566  (s.  Mithoff,  Arch.  Tafel  XX); 

(Osterstraße  23,  Abb.   in  H.  G.  1916,   S.  216); 

Knochenhauerstraße  20,  Meister  M.  C.  M.,  schon  mit  S-Konsolen. 

Einfachere  Beispiele: 
Osterstraße  47; 
Ballhof  Straße  10; 
Dammstraße  18; 
Goldener  Winkel  2; 
Knochenhauerstraße   10; 
Knochenhauerstraße  60. 

Gruppe   IV: 

Von  etwa  1574  bis  zur  Wende  des  Jahrhunderts:  Keine  Bosetten  mehr: 
ausschließlich  S-Konsolen;  rein  niederdeutsche  Inschriften  kommen 
noch  bis  um  1600  vor.  Zahnschnitt  schon  1577;  seit  den  90er  Jahren 
fangen  Füllhölzer  an  zu  fehlen;  wo  sie  vorhanden  sind,  weisen  sie  den 
Schmuck    der    stilisierten    Fruchtgirlande   auf.      Brüstungsleisten   und 

442 


Bürgerhäuser 

Andreaskreuze.  Von  Verkröpfungen  sielit  man  meist  ab;  die  eigentliche 
hannoversche  Nüchternheit  im  Schmuck  tritt  wieder  hervor.  Meister: 
I.   M.;  M.  H.  M.  und  M.  C.  H.  und  M.  C.  M. 

Beispiele  : 

Kreuzstraße  5  (Hokenamtshaus),  dat.   1577; 

Dammstraße  2,  dat.  gewesen  1578; 

Am  Agidienkirchhof  2,  3,  1  und  6  und  einheitlich  damit,  1582 
erbaut,  Marktstraße  30,  32,  31,  38; 

Schuhstraße  11 — 15,  erbaut  1594  (das  als  Meistersignatur  ge- 
deutete C.  H.  =  „Corn-Hauß"); 

Osterstraße  73,   Seitenflügel,   1923  abgebrochen. 

Remerkenswert  sind  noch:  konvergierende  Giebelpfosten. 
Beispiele  : 

Dammstraße  5,    insbesondere    der    Hofseitenflügel,    sign.  C.  H., 

Cordt  Hoyer; 
Osterstraße  38; 
Knochenhauerstraße   16. 

Gruppe  V: 

Von  der  Wende  des  16.  Jahrhunderts  bis  zum  3.  Jahrzehnt  des  17.  Jahr- 
hunderts. Weitere  Schmuckelemente  der  Renaissance  setzen  sich 
durch;  Eierstab,  Zahnschnitt,  Konsolenreihen.  An  Mischbauten  wird 
der  Fachwerkaufbau  besonders  reichlich  damit  ausgestattet.  Meister: 
H.  R.  (Hans    Rehnsen),    später    Hinrich    Stünkel    und    Dirik    Stünkel. 

R  e  i  s  p  i  e  1  e  : 

Osterstraße  50,  dat.  1601,  sign.  H.  R.; 
Leinstraße   12,  dat.   1608,  sign.   H.  R.; 

beides  sind  Mischbauten; 
Osterstraße   12,  dat.   1608; 
Kramerstraße   16,  Meister  Hinrich  Stünkel; 
Ballhofstraße  6,  um  1608,  Mischbau; 
Knochenhauerstraße  61,  um   1610,  Mischbau; 
Roßmühle  8,  Mischbau; 
Knoehenhauerstraße  62,   Seitenflügel,   1614. 

Gruppe  VI: 

Vom  3.  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts  bis  Ende  des  6.  Jahrzehntes. 
Giebelhäuser  selten.  Vorkragungen  geringer;  Konsolen  beginnen  zu 
fehlen  seit  etwa  1645.  Ralkenköpfe  und  Füllhölzer  sind  einander  ähnlich 
oder  gleich  profiliert ;  das  Rahm  erhält  barock  profilierte  Verschalung. 
Schwelleninschriften  selten.  Meister:  noch  Hinrich  Stünkel  (gest.  1657) 
und  Dirick  Stünkel  (Werke  zwischen  1633  und  1645).  M.  C.  L.  (Gort 
Levecke).   M.  CH.  S.  (Carsten  Heinsohn,  Schwiegersohn  von  D.  Stünkel). 

443 


Bürgerhäuser 

Beispiele  : 

(Köbelingerstraße   32,   abgebrochen,   sign,   gewesen    H.    S.,   dat. 

162.S); 
Köbelingerstraße  27,   Hths.,  sign.   I).  S.,   1635; 
Kramerstraße  18,  sign.  M.  D.  S.; 

Knochenhauerstraße  5,  Hths.,  sign.  Dirick  Stünkel,  dat.  1645; 
Marktstraße  24,  dat.   1652  (Mischbau). 

Massiv-  und  Mischbauten  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts. 

Vereinzelte  massive  Wohnbauten,  die  in  Bruchstein  erbaut  zu  denken 
sein  würden,  mag  das  Straßenbild  Hannovers  schon  im  13.  und  14.  Jahr- 
hundert aufgewiesen  haben.  Die  Gründe,  die  man  zum  Beweise  ihres 
Bestehens  bislang  hat  in  Anspruch  nehmen  wollen,  so  die  urkundliche 
Nennung  der  Familie  „de  Stenhus",  von  der  ein  Zweig  ein  Wappen  mit 
Treppengiebelhaus  führt,  sind  jedoch  anfechtbar:  von  den  Stenhus 
wissen  wir  nicht,  ob  sich  ihr  Ursprung  von  der  Stadt  Hannover  her- 
schreibt. 
Baumeister  Über  die  Meister  der  bürgerlichen  Wohnbauten  aus  der  älteren  Zeit 
ist  naturgemäß  nicht  so  viel  bekannt,  wie  sich  über  diejenigen  der  älteren 
Batsbauten  aus  Lohnregistern,  Protokollen  und  Eidbüchern  ergibt. 
Es  läßt  sich  annehmen,  daß  die  am  Bathausbau  tätig  gewesenen  Maurer- 
meister Cort  und  Lüdeke  Haverkoper  oder  spätere  Mitglieder  dieser 
Familie  an  den  bürgerlichen  Ziegelbauten  der  gleichen  Zeit  beteiligt 
waren.  Auch  der  Meister  Bartold  v.  Hemmingen  —  seit  1480  erwähnt  - 
und  seine   Söhne  Hinrich  und  Hermann  bauten  in  Ziegeln. 

Steinmetzen  und  Maurer  gehörten  derselben  Zunft  an.  So  findet  sich 
auch  unter  den  Batsmaurermeistern,  deren  Beihenfolge  seit  1576  im 
Stadt-Ayde-Buche  vollständig  überliefert  ist,  eine  ganze  Anzahl  von 
Steinmetzen,  z.  B.  Joachim  Pap,  der  Erbauer  des  Hauses  der  Väter  u.  a. 
Die  Signaturen  der  Meister  bestehen  in  Monogrammen  und  gelegentlich 
in  Steinmetzzeiehen.  Das  hannoversche  Mutterzeichen  der  Steinhauer- 
brüderschaft scheint  dem  Quadrat  entnommen  zu  sein,  das  durch  Mittel- 
senkrechte und  Diagonalen  aufgeteilt  wurde,  es  ist  das  der  heraldischen 
Deichsel  vergleichbare  Zeichen:  lA  (Hannov.  Meisterzeichen  behandelt 
O.  Winkelmüller  in  H.  G.  1929,  S.  1—68). 
Gotische  Aus  der  ersten  Hälfte  und  der  Mitte  des  15.   Jahrhunderts  sind  die 

Ziegelhäuser  fruilesten  Wohnbauten  in  Ziegeln  überkommen.  Offenbar  war  damals 
die  Massivbauweise  bei  Bürgerhäusern  noch  wenig  geübt;  denn  ein  1458 
erlassenes  Statut  des  Bates  zielte  darauf,  durch  Unterstützung  der  Stein- 
bauweise die  feuergefährlichen  Holzbauten  zu  verdrängen.  Wer  einen 
Steingiebel  oder  ein  neues  Steinhaus  in  der  Stadt  erbauen  will,  dem  will 
der  Bat  das  sechste  Hundert  oder  das  sechste  Tausend  je  nach  Größe  des 

444 


Bürgerhäuser 

Baues  auf  Stadtkosten  geben.  1461  wurde  diese  Vergünstigung  auch  auf 
den  Bau  von  neuen  Steinmauern  hinter  den  Bürgerhäusern  und  Höfen 
ausgedehnt,  soweit  sie  an  die  Stadtmauer  stießen  und  nur  durch  den 
Wächtergang  von  ihr  getrennt  waren  (Stadtrecht  Seite  515/16,  H.  G.  1905). 

Seit  der  neue,  durch  die  Meister  Haverkoper  1455  geschaffene  Markt- 
platzflügel des  Rathauses  in  der  Eigenart  seiner  Giebel,  Lukarnen  und 
Schmuckformen  fertig  dastand,  ist  von  ihm  aus  die  Architektur  der 
hürgerlichen  Ziegelhäuser  befruchtet  und  angeregt.  Soweit  sich 
erkennen  läßt,  war  es  nicht  umgekehrt,  denn  die  bürgerlichen  Giebel- 
häuser, die  uns  im  Abbild  überliefert  sind  und  sehr  ähnliche  Giebel- 
fassungen zeigen,  sind  späterer  Entstehungszeit.  Auch  das  einzige  er- 
haltene Beispiel,  Knochenhauerstraße  28,  das  keine  Datierung  hat,  ver- 
weisen stilkritische  Gründe  in  jüngere  Zeit.  Die  Gruppe  dieser  Ziegel- 
häuser, bei  denen  in  Übereinstimmung  mit  den  Giebeln  des  Rathauses  der 
schichtweise  Wechsel  verschiedenfarbig  glasierter  Ziegel  wirksam  ist, 
während  übereck  gesetzte  Bündelpfeiler  vom  Giebelfuß  an  über  die  Ab- 
treppungen hinaus  fialenartig  aufstreben,  ist  nur  wenig  zahlreich  gewesen. 
Außer  dem  einzigen  erhaltenen  Beispiel  sind  noch  zwei  bekannt,  die  in  der 
zweiten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  abgebrochen  wurden:  Marktstraße  48 
und  Schmiedestraße  14. 

Wahrscheinlich  hat  die  Kunst  dieser  Fialengiebel  an  den  beiden 
Meistern  Haverkoper  gehangen.  Sie  ist  ungefähr  mit  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts an  Bürgerhäusern  nicht  mehr  geübt,  während  am  verlängerten 
Marktstraßenflügel  des  Rathauses  vom  Meister  Barthold  von  Hemmingen 
noch  im  Jahre  1503  die  zum  Haverkoperschen  Kunstkreise  gehörenden 
Lukarnen  geschaffen  worden  sind.  Ähnliche,  aber  nicht  näher  datierte 
Lukarnen  gab  es  am  Hospital  St.   Spiritus. 

Gegen  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  tritt  an  hannoverschen  Ziegel- 
bauten die  gotische  Flächenauflösung  in  Lisenen-Blendnischen  auf:  1492 
am  Steintorzwinger.  Die  wenig  jüngere  Sakristei  der  Kreuzkirche  (1497) 
weist  in  ihren  Giebeln  schon  die  auf  eine  abgetreppte  Wandfläche  über- 
tragene Konsequenz  dieser  Flächenauflösung  auf. 

Bürgerliche  Ziegelwohnhäuser  mit  dieser  Eigenart,  die  sich  bestimmt 
noch  der  Wende  des  Jahrhunderts  zuweisen  ließen,  fehlen  heute;  man 
darf  aber  annehmen,  daß  solche  bestanden  haben.  Die  Gruppe  der  hier- 
hergehörenden Hausbeispiele  ist  verhältnismäßig  noch  stärker  dezimiert 
als  die  andere:  es  ist  von  fünf  nachweisbaren  Häusern  der  Gruppe  heute 
nur  ein  Beispiel  erhalten,  das  1552  erbaute  hochragende  Haus  Osterstraße59. 
Die  späte  Zeitsetzung,  die  entgegen  der  bisherigen  Annahme  diesem 
Hause  zukommt,  hat  eine  kritische  Nachprüfung  der  Datierungen  der 
übrigen  Beispiele,  von  denen  wir  wissen,  veranlaßt.  Das  Treppengiebel- 
haus  am  Markt  Nr.  11,  dessen  Giebel  1855  abgebrochen  wurde,  während 

445 


Bürgerhäuser 

die  unteren  Geschosse  entstellt  und  verputzt  noch  vorhanden  sind,  gehört 
in  eben  das  Jahr,  welches  das  daran  angebrachte  v.  Limburgsche  Wappen 
angibt,  das  Jahr  1558.  Bei  dem  Hause  Köbelingerstraße  29,  das  1891 
abgebrochen,  aber  durch  Mithoffs  Zeichnung  überliefert  ist,  gab  Mithoff 
die  Wappenbeischrift  MDI,  während  sicher  MCCCCCL  zu  lesen  ist.  Die 
übrigen,  in  Abbildungen  überlieferten  Treppengiebelhäuser  der  jüngeren 
Gruppe:  Schuhstraße  9  und  das  Windheinische  Haus  an  der  Leinstraße 
L  106a/274,  sind  bisher  ihrem  Entstehungsjahr  nach  nicht  festzulegen. 
Das  v.  Sodensche  Haus,  das  an  der  Stelle  des  Leibnizhauses  gestanden 
hat,  trug  den  an  der  Fassade  dieses  Hauses  wieder  angebrachten  Tonfries 
mit  der  Jahreszahl  1499.  Zu  welcher  der  beiden  Gruppen  der  Ziegelhäuser 
das  Sodensche  Haus  selbst  gehört  haben  mag,  ist  nicht  zu  entscheiden. 
Renaissancehäuser  Die  Renaissance  hat  in  der  hannoverschen  Architektur  nur  spärlich 
und  äußerlich  Boden  gefunden  und  so  spät,  daß  sie  bereits  in  Formen  des 
Frühbarocks  gekleidet  erscheint.  Die  bürgerlichen  Wohnbauten  massiver 
Bauart  erweisen  sich  für  die  Betätigung  der  neuen  Formengesinnung  im 
Vergleich  zu  den  Fachwerkbauten  als  das  bei  weitem  geeignetere  Objekt. 
Die  Beziehungen  zur  Nachbarschaft,  insbesondere  zu  den  Steinmetz- 
zentren des  nahen  Wesergebietes,  aufzuhellen,  ist  für  Hannover  noch 
kaum  unternommen. 

Der  Ziegel  wird  nicht  mehr  gezeigt;  überputzte  Flächen  wollen  das 
Ansehen  von  Werksteinfassaden  hervorrufen;  konstruktiv  wirksame 
Bauglieder   und   alle    Schmuckteile   bestehen   aus   wirklichem    Sandstein. 

Dem  abgetreppten  Giebel  bleiben  die  Massivhäuser  treu  oder  sie  ver- 
wenden eine  andere,  vom  Wesergebiet  her  eingeführte  Giebelform,  die  in 
ihren  durch  die  Giebelschrägen  durchschießenden  Geschoßteilungssimsen 
den  Treppengiebel  wenigstens  rudimentär  enthält.  Beide  Formen  gehen 
nebeneinander  her:  die  Beispiele  der  ersten  Gruppe  der  frühbarocken 
Häuser  umfassen  in  Hannover  die  Zeitspanne  von  1583  bis  etwa  1619; 
die   Schräggiebelgruppe  die  Zeit  von  etwa  1590  bis  etwa   1610. 

Dem  hohen  Barock  gehört  eine  dritte,  wenig  zahlreiche  Gruppe  an, 
deren  Zeit  mit  dem  Leibnizhause  1648  anhebt  und  um  1663  zu  Ende  ist. 

Den  beiden  frühen  Gruppen  ist  gemeinsam  eine  Unterscheidung  des 
Giebels  vom  Unterbau  durch  verschiedene  Achsenteilung.  Eine  besondere 
Stellung  nimmt  das  Haus  Schmiedestraße  Nr.  9  ein.  Erst  die  dritte  Gruppe 
führt  die  Achsenteilung  von  unten  auf  über  den  Giebel  gleichmäßig  durch. 

Im  Ornamentalen  erweist  sich  die  Schräggiebelgruppe  als  die  ein- 
fachste: sie  verwendet  außer  geschoßteilenden  Profilsimsen  und  den 
gleich  profilierten  Simsen  der  Giebelschräge  noch  Konsolen  unter  dem 
seitlich  ausgekragten  Giebelfuß  und  eine  Giebelbekrönung  mit  Zirbelnuß. 
Die  Fenstergewände  pflegen  unprofiliert  zu  sein;  die  Einfassungen  der 
rundbogigen  l^oreinfahrten  bleiben  unverziert. 

446 


Bürgerhäuser 

Beispiele  dieser  Art  sind: 

Marktstraße  41,  um  1590; 
Köbelingerstraße  27,   1590  (—1600); 
Breite    Straße  16,   1590  (—1600); 
Marktstraße  50,   1590  (—1600); 
Leinstraße  24  (abgebrochen),  um  1605. 

Die  zweite  Gruppe  der  Massivhäuser  bedient  sich  einer  Scheinarchi- 
tektur mit  geschoßweise  wiederholten  Renaissancegebälken  auf  Lisenen- 
pilastern,  um  das  Giebelfeld  waagerecht  wie  axial  aufzuteilen.  Am 
ältesten  Beispiele,  dem  Hause  Leinstraße  32  vom  Jahre  1583,  sind  die 
Pilaster  und  Gebälke  verkröpft,  ein  Brüstungssims  fehlt;  die  jüngeren 
Beispiele  zeigen  die  Lisenen  durch  einen  Brüstungssims  lediglich  unter- 
brochen, also  ohne  Verkröpfung:  Osterstraße  73  (1600),  Köbelingerstraße  12 
(um  1600).  Die  Flächen  des  Frieses  und  der  Lisenen  fordern  alsbald  die 
Verzierung  mit  Rahmen-  und  Bandwerk  heraus;  die  Brüstungssimse 
können  durch  Zahnschnitt  bereichert  werden:  Marktstraße  49  (von  1606, 
abgebrochen);  Osterstraße  39  (1605 — 10);   Schiniedestraße  5   (um   1602). 

Die  Zwickel  der  Giebelabtreppungen  werden  durch  Volutenwerk 
mannigfaltiger  Form  gefüllt,  in  das  figürliches  Ornament  einkomponiert 
vorkommt:  Osterstraße  cSl  (von  1611),  Leinstraße  3  (um  1610),  Haus  der 
Väter  (1619 — 24);  die  Stufenenden  sind  mit  Obelisken  besetzt.  Die 
Giebelbekrönung  setzt  sich  gewöhnlich  aus  einem  von  Rollwerk  umrahmten 
Kartuschenmotiv  zusammen,  das  von  Fialen  beseitet  und  bekrönt  wird. 
Die  ältere  Form  des  Abschlusses  in  dreieckiger  Giebelverdachung  kommt 
nur  in  dem  Beispiel  Leinstraße  32  von   1583  vor. 

Die  Fensteröffnungen  pflegen  bis  zum  Anfange  des  17.  Jahrhunderts 
einfache,  höchstens  abgefaste  Sandsteingewände  zu  haben.  Nach  dieser 
Zeit  erst  tritt  verbreitet  die  Halb-  und  Viertelsäule  an  den  Gewändekanten 
auf  mit  toskanisch-dorischem  oder  ionischem  Kapitell  und  gestelztem 
ornamentierten  Fuß:  Osterstraße  39,  Schmiedestraße  5.  An  den  Rathans- 
erkern,  die  heute  nicht  mehr  bestehen,  ist  die  Verwendung  von  Ecksäulen 
in  Hannover  schon   1575  nachweisbar. 

Dem  Hause  Schmiedestraße  9,  einem  Massivhause  mit  ungestaffeltem 
Giebel,  kommt  eine  besondere  Stellung  unter  den  Gruppen  der  Massiv- 
häuser zu:  es  entlehnt  seine  Eigentümlichkeiten  sowohl  von  der  ersten 
wie  von  der  zweiten  Gruppe  und  zeigt  in  der  gleichmäßig  über  Unterbau 
und  Giebel  durchgeführten  axialen  Aufteilung  sowie  in  der  Verwendung 
von  Fenstersäulchen  überall  Merkmale,  die  der  dritten  Gruppe  angehören. 
Es  ist  1653  erbaut. 

Die  Zeitspanne  von  etwa  1620,  bis  der  1648  begonnene  Bau  des  Leibniz- 
hauses,  Schmiedestraße  10,  die  dritte  Gruppe  der  Massivhäuser  einleitet, 
weist  Beispiele   nicht   auf.     Sie   hat   für  die   Betrachtung   dieser    Gruppe 

447 


Bürgerhäuser 

gleichwohl  Bedeutung,  insofern  innerhalb  ihrer  sich  die  Monumentalplastik 
herausbildet,  deren  Formenwelt  insbesondere  am  Leibnizhause  in  die 
Erscheinung  tritt. 

Die  wenigen  Beispiele  der  dritten  Gruppe  sind  im  Gegensatz  zu  denen 
der  anderen  beiden  Gruppen  sämtlich  datiert  und  signiert,  während  sich 
die  Zeitsetzung  dort  oft  an  stilkritische   Gründe  halten  muß*). 

Außer  dem  Leibnizhause,  dessen  Meister  Hinrich  Alfers  ist,  gehören 
hierher:  Osterstraße  1  von  1658,  Am  Markt  16  von  1662  und  schließlich 
ein  Traufenhaus  von  1663,  Am  Markt  6,  das  1884  abgebrochen  und  von 
dem  die  Fassade  wieder  aufgestellt  wurde  am  Hause  Lavesstraße  83. 
Diese  drei  Beispiele  haben  den  aus  Hannover  stammenden  Adrian  Siemer- 
ding  zum  Architekten,  den  Erbauer  der  Duvekapelle,  der  auch  mit  Alfers 
(t  1658)  und  dem  Zimmermeister  Eggert  Holste  zusammen  den  ersten 
Haubenturin  Hannovers,  den  Kreuzkirchturm,  schuf. 

Welche  Beziehungen  diese  sowie  die  übrigen,  dem  Namen  nach  zum 
Teil  bekannten  Steinmetzmeister  der  Zeitspanne  von  etwa  1575  bis  1663 
mit  den  Steinmetzschulen  der  Nachbarschaft  verbanden,  ist  die  Forschung 
noch  schuldig,  aufzuklären. 

Die  Massivhäuser  der  Benaissance  stellen  sich  im  Anschluß  an  die 
gotischen  Massivhäuser  vor  den  gleichzeitigen  Mischbauten  heraus,  indem 
sie  bis  auf  das  letzte  Beispiel  innerhalb  der  Baugesinnung  der  Gotik  bleiben. 
Den  mit  den  gleichen  Benaissancezutaten  wie  die  Massivhäuser  aus- 
gestatteten Mischbauten  ist  von  vornherein  ein  minder  monumentaler 
Charakter  zugedacht.  Sie  treten  fast  durchgehend  auf  als  Traufenhäuser 
aus  zwei  massiven  Geschossen  und  einem  Geschoß  in  Fachwerk.  Die  hier- 
zu nennenden  Beispiele  umfassen  die  Zeitspanne  vom  Jahre  1601  bis  um 
1660;  dabei  liegen  die  jüngeren  (seit  etwa  1642)  durch  eine  Lücke  von  fast 
zwanzig  Jahren  von  den  älteren  getrennt  im  Formenkreise  des  hohen 
Barocks.  Eine  ganze  Anzahl  ist  datiert  und  signiert:  Meister  Hans  Behnsen 
erbaute  1601  das  erste,  im  massiven  Teile  heute  veränderte  Mischhaus 
Osterstraße  50.  Auch  das  Haus  Osterstraße  28  von  1608  läßt  auf  Behnsens 
Hand  schließen,  ist  aber  ebenfalls  in  den  massiven  Geschossen  verändert. 
Erst  Leinstraße  12  vom  gleichen  Jahre  zeigt  den  ganzen  Formenreichtum 
der  Behnsenschen  Kunst.  Einzelne  Fenstersäulchen  mit  figürlichem 
Schmuck  von  diesem  Hause  werden  im  Leibnizhause  aufbewahrt.  Um  1608 
ist  das  Haus  Ballhofstraße  6  und  die  nachmalige  Hofschule  Burgstraße  23 
in  der  Art  Behnsens  zu  datieren. 

Seit  dem  Anfange  des  dritten  Jahrzehntes  übt  der  Meister  Hinrich 
Stünkel    seine    Kunst:    das   abgebrochene    Haus   Köbelingerstraße    30/31 


*)  Die  Dissertation  von  K.  Stöckel,  Die  Steinfassaden  der  Bürgerhäuser  aus 
der  Renaissance  Alt-Hannovers,  Auszug  in  Die  Denkmalpflege  1923,  S.  124  ff., 
nimmt  oft  eine  andere,  z.  B.  für  die  Massivhäuser  mit  ungestaffeltem  Giebel  eine 
viel  spätere  Entstehungszeit  als  hier  geschehen,  an. 

448 


Bürgerhäuser 

war  von  ihm  signiert;  vielleicht  ist  ihm  auch  Knochenhauerstraße  61  zuzu- 
schreiben. Fast  gleichzeitig  schafft  der  Meister  Hinrich  Pape  die  Häuser 
Roßmühle  8  vom   Jahre   1624  und  Köbelingerstraße  39  von   1625. 

Diese  schmuckfreudige  Bauart  erfährt  nun  infolge  der  Wirkungen  des 
Dreißigjährigen  Krieges  eine  Unterbrechung,  welche  das  Jahr  1645  mit  dem 
noch  sehr  reichen  Beispiel  Köbelingerstraße  9  beendet.  Die  nachfolgenden 
Beispiele  halten  sich  demgegenüber  einfacher  in  den  Schmuckformen. 
Auf  die  Verwendung  von  Fenstersäulchen  wird  aber  fast  nie  verzichtet. 
Das  Haus  Osterstraße  88  hatte  ungezierte  Fensterumrahmungen,  dafür 
aber  ein  Portal  mit  Säulenstellungen  und  Konchen.  Die  letzten  Beispiele 
der  Zeit  sind  Marktstraße  24  von  1652  und  Osterstraße  104  von  1655,  die 
beide  vielleicht  derselben  Hand  angehören. 

Wohnbauten  seit  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts. 

Residenz,  Hofhaltung  und  die  Erhebung  Hannovers  zur  Landes- 
hauptstadt bewirkten  einen  Zuzug  von  Adeligen,  Beamten  und  Militärs, 
dazu  auch  von  solchen  Angehörigen  des  Landadels,  die  lediglich  die  Nähe 
des  Hofes  und  dessen  Annehmlichkeiten  suchten.  In  den  Wohnbauten 
derartiger  Persönlichkeiten  tritt  das  Streben  nach  einer  gewissen  Bedeutung 
zutage;  einige  entstanden  durch  die  Munifizenz  des  Landesherrn,  auch  wohl 
unter  Mitwirkung  der  bei  Hofe  angestellten  Baubeamten;  sie  sind  vorn 
bereits  behandelt.  Oft  fallen  sie  weniger  durch  architektonischen  Auf- 
wand im  Äußeren  als  durch  stattliche  Ausmaße  auf.  Die  Fachwerk- 
fassade wird  dabei  nicht  gescheut,  aber  im  Charakter  der  Steinarchitektur 
verkleidet.  Es  sind  mehrstöckige  Gebäude  von  großer  Achsenzahl, 
an  den  Kanten  durch  Quaderlisenen  begrenzt,  horizontal  meist  von 
Bandsimsen  durchzogen  und  mit  mäßig  starkem  Hauptsims  abgeschlossen. 
Risalite,  die  durch  reichere  Einfassung  hervorgehoben  und  durch  Dreiecks- 
giebel bekrönt  werden,  dienen  zur  Gliederung  der  Fassade. 

Das  Beispiel  dieser  höfischen  Bauweise  zerbrach  die  Überlieferung  im 
bürgerlichen  Wohnbau  vollends.  An  den  Fachwerkbauten  -  -  bürgerliche 
Massivbauten  treten  erst  wieder  1710  auf --bei  denen  seit  dem  zweiten 
Drittel  des  17.  Jahrhunderts  zunehmende  Nüchternheit  und  Sachlichkeit 
zu  beobachten  war,  hatte  man  die  Geschosse  erhöht  und  die  Straßen- 
fronten um  der  Lichtgewinnung  und  Lastenverminderung  willen  in  Fenster 
aufgelöst  (alle  Fenster  sind  außenbündig).  Die  Duvesiedlung  in  der 
Neustadt  weist  noch  den  Versuch  auf,  die  überlieferte  Knaggenkonsole  als 
Trägerin  prunkhafter  barocker  Zierformen  am  Leben  zu  erhalten.  Neben- 
her geht  aber  bereits  die  Einführung  des  Frontons  und  des  Giebelerkers, 
oft  in  geschwungener  Linie;  dazu  werden  Bekrönungen  in  Form  einer  Vase 
oder  einer  Figur,  wenigstens  aber  eines  Giebelpfahles  üblich.  Das 
Mansardendach  tritt  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  hinzu. 

29  449 


Bürgerhäuser 

Die  Grundrißformung  unterlag  anderen  Bedingungen  als  zuvor:  Klein- 
bürgerhaus  und  Hofbeamtenhaus  stellten  einen  wesentlichen  Teil  der  Bau- 
aufgaben  dar.  Das  geräumige  und  repräsentative  Wohnhaus  übernahm 
möglichst   viel  vom   Grundriß  des  Adelshotels. 

Daß  die  letzten  Meistersignaturen  und  die  letzten  Sinnspruchinschriften 
an  den  Fachwerkhäusern  in  eben  dieser  Zeit  zu  verzeichnen  sind,  verdient 
hervorgehoben  zu  werden. 

Beispiele: 

Kramerstraße  5,  signiert  C.  H.  S.*),  datiert  1664  /  Kramerstraße  22, 
signiert  M.  C.  H.  S.  /  Kreuzstraße  3  und  4,  datiert  1661,  signiert 
M.  11.  L.**)  (ehemals  2.  Pfarre  der  Kreuzkirche  /  Calenberger  Straße  20, 
datiert  1665,  signiert  M.H.M.***)  mit  gereimter  geistlicher  Inschrift  in 
lateinischen  Großbuchstaben  /  Calenberger  Straße  36  von  1661  und  37 
von  1665,  beide  mit  Prunkkonsolen  /  Calenberger  Straße  18,  Beispiel  der 
Verschalung  des  Rähms  bei  schwacher  Vorkragung  /  Calenberger  Straße  39 
gegen  Ende  des  Jahrhunderts,  mit  Mansardendach  /  Große  Duven- 
straße  18  von  1662—64  mit  Durchfahrt  /  Mittelstraße  2  um  1670  mit 
Rokokotür  /  Bäckerstraße  31  (katholisches  Gesellenhaus)  1660 — 70  / 
Lange  Straße  8,  1674,  Supraporte,  Treppenhausanlage  und  Hof  /  Neue 
Straße  4,  5  und  27  von  1681  /  Calenberger  Straße  23,  1660  70,  mit 
geschwungenem  Giebelerker  /  Calenberger  Straße  21,  1670 — 80  Erker- 
aufbau  /  Calenberger  Straße  31   und  32  von  1686. 

Dazu  beförderten  gewisse  baupolizeiliche  Bestimmungen  der  Landes- 
regierung die  Herausbildung  eines  neuen  Fassadentypus.  Ein  erster  Fall 
bauästhetischer  Überwachung  ist  schon  1680  zn  verzeichnen,  indem 
landesherrlicherseits  dem  Kammerdiener  Eversmann  für  den  Hausbau 
Lange  Straße  1,  an  der  Ecke  der  Calenberger  Straße,  aufgegeben  wurde, 
einen  Abriß  und  ein  Modell  zur  „approbation"  einzuliefern,  damit  er  „kein 
Hinder-  noch  Ungestaltnis  gebe"  (H.  G.  1927,  S.  128).  Ein  herzoglicher 
Erlaß  vom  22.  September  1692  betraf  Erker  und  vorgekragte  Ober- 
geschosse f);   eine  Verfügung   der  Geheimen  Ratsstube  an  Bürgermeister 


*)    =  Carsten  Heinsohn. 
**)  =  H.  Lüssenhop. 

***)  =  H.  Mensing. 

t)  Eine  landesherrliche  Verordnung  vom  18.  August  1712  betrifft  wiederum 
„Auslagen  oder  Ausluchten  sowohl  an  der  erden,  alß  an  das  andere,  dritte  und 
vierte  Stockwerk  gehänget",  die  als  —  „schädliches  zur  deformitet  Unserer 
Residenzstadt  gereichendes  werk"  niemand  mehr  bauen  solle,  „wie  denn  auch 
hiermit  verbothen  wird,  dass  niemand  sein  balken  und  darauf  ruhende  Stockwerke 
weiter  als  einen  halben  Fuß  über  das  darunter  stehende  Ständerwerk  in  die 
straßen  herauslegen  solle.  Alles  bey  Vermeidung  ohnausbleiblicher  herunter- 
reißung und  überdem  einer  willkührlichen  schärften  leibesstraffe".  Diese  Kgl. 
Kurfürstl.  Verordnung  erneut  der  Magistrat  am  3.  Oktober  1769. 

450 


Bürgerhäuser 

und  Rat  vom  25.  Oktober  1706  befaßt  sich  mit  den  Neubauten  und 
Reparaturen;  eine  andere  Verfügung  derselben  Stelle  weist  auf  ,,ohn- 
förmbliche  neue  Häuser,  guten  Theils  aus  ohnerfahrenheit  derer  Baumeister 
und  Handwerker"  entstanden,  hin  und  stellt  eine  unentgeltliche  Bauberatung 
in  Aussicht  (Hannoversche,  Zellische  Landes-Constitut-  und  Polizey- 
Verordnung.  Tom.  II.  pag.  47 — 50,  65 — 70,  71 — 75,  Stadtarchiv).  Ver- 
mutlich standen  derartige  Bauberatungen  unter  dem  Einfluß  der  landes- 
herrlicherseits  angestellten  Architekten,  was,  zunächst  für  die  kurze 
Wirksamkeit  Remy  de  la  Fosses  festzustellen,  erwünscht  wäre. 

Hannover  bleibt  auch  im  18.  Jahrhundert  und  darüber  hinaus  Fach- 
werkstadt. Seit  Beginn  des  Jahrhunderts  kann  die  Herausbildung  des  neuen 
Fassadentyps  im  Fachwerkbau  als  abgeschlossen  gelten:  er  zeigt  die  Ein- 
teilung in  Achsen  statt  in  Gefache  wie  der  Steinbau;  wo  noch  Vorkragungen 
vorhanden  sind  --  etwa  bis  1735  — ,  werden  Balkenköpfe  und  Füllhölzer 
mit  gleicher  Profilierung  versehen,  wo  nicht,  werden  Bandsimse  verwandt. 
Tür-  und  Fensteröffnungen  pflegen  segmentförmige  Sturzgebälke  zu  haben; 
Giebelerker  oder  Frontons  bleiben  ständige  Bestandteile  der  Fassade; 
Mansardendächer  mit  Gauben  oder  Ochsenaugen  sind  üblich.  In  der 
Fassadengliederung,  der  Anordnung  der  Fenster  und  deren  Abmessungen 
und  Sprossenteilungen  wird  oft  ein  Wohllaut  erreicht,  der  Ausdruck  einer 
bis  ins  Handwerk  reichenden  künstlerischen  Schulung  in  klassizistischem 
Sinne  ist.  Das  Schmuckbedürfnis  beginnt  sich  seit  dem  zweiten  Jahr- 
zehnt   an    den    Haustüren    und    Oberlichtern   auszuwirken. 

Beispiele  der  Zeit  finden  sich  in  der  Neustadt  in  großer  Zahl:  Berg- 
straße 13  um  1720  /  Lange  Straße  31  um  1730  /  Rote  Reihe  3  um  1740. 
In  der  Altstadt:  Schmiedestraße  17,  Hofflügel  von  1710  /  Breite  Straße  17 
um   1725  /  Schmiedestraße  4  von   1737. 

Die  Massivbauweise,  die  in  Hannover  immer  eine  stärkere  Abhängigkeit 
vom  Wohlstande  der  Bevölkerung  gezeigt  hat,  als  es  der  Fachwerkbau  tat, 
weist  Beispiele  nur  auf  bis  kurze  Zeit  nach  dem  Wegzuge  des  Hofes. 
Dann  tritt  eine  Unterbrechung  ein  bis  zur  Mitte  des  Jahrhunderts.  Ful- 
das Jahr  1710  ist  das  Haus  Burgstraße  6  zu  verzeichnen,  zu  dessen  Kreise 
das  abgebrochene,  in  Abbildungen  überlieferte  Haus  Marktstraße  5  zu 
zählen  ist.  Das  gleiche  Baujahr  weist  Schmiedestraße  17  auf.  Außer- 
ordentlich ist  für  Hannover  die  Fassade  des  Hauses  Breite  Straße  18,  die 
eine  gewisse  Veiwandtschaft  mit  der  Art  Remy  de  la  Fosses  erkennen  läßt. 
Die  Giebelbildung  wiederholt  sich  am  Hause  Marktstraße  43.  Vor  der 
Mitte  des  Jahrhunderts  ist  sonst  lediglich  das  Wohnhaus  des  Obrist- 
Lieutenants  von  Uten  am  Archive  bemerkenswert,  das  1734  unter  könig- 
licher Gnadenbeihilfe  entstand,  s.   darüber  S.  419. 

Der  damaligen  wirtschaftlichen  Bedrängnis  des  Bürgertums,  die  zu- 
sammen mit  dem  Mangel  an  Bauraum  die  Bautätigkeit  lähmte,  suchte 

451 


Bürgerhäuser 

bekanntlich  Grupen  durch  die  Schaffung  des  Ägidienanbaues  entgegenzu- 
wirken. Hier  entstanden  nun  seit  1718  unter  Dinglingers  Leitung  außer  einer 
beträchtlichen  Anzahl  von  Fachwerkhäusern  einfacher  Art  Grupens  eigenes 
Wohnhaus  Breite  Straße  25  und  dasjenige  Dinglingers:  Große  Ägidien- 
straße  32  als  Massivbau.  Aus  dieser  Zeit  sind  ferner  zu  nennen  das  Haus 
üsterstraße  63  und  das  Haus  Breite  Straße  8,  dessen  Architekt  offenbar 
auch  der  Urheber  des  Hauses  Schmiedestraße  37  und  des  von  dem  Bussche- 
schen  Palais  an  der  Leinstraße  29  ist. 

Soweit  das  geringe  Baubedürfnis  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  nach 
Befriedigung  drängte,  stand  außer  dem  am  Steintore  und  im  Ägidienanbau 
verfügbar  gewordenen  Grund  und  Boden  noch  das  Gartengelände  vor  den 
Toren  zu  Gebote,  wo  denn  auch  verstreute  Wohngebäude  aufgeführt  wurden, 
von  deren  Art  einzelne  bildliche  Darstellungen  teils  im  Vaterländischen 
Museum,  teils  im  Stadtarchiv  Zeugnis  ablegen.  In  der  Stadt  half  man  sich 
durch  Aufstocken  der  Häuser. 

Nach  den  Freiheitskriegen  gewann  die  private  Bautätigkeit  in  der  nun- 
mehrigen Königlichen  Residenzstadt  nur  sehr  allmählich  an  Umfang,  ob- 
wohl bereits  1822  die  erwähnte  „Baukommission  zur  Beförderung  der  Baue" 
ins  Leben  getreten  war.  Die  ministerielle  Verfügung  vom  24.  April  1822 
„Die  Errichtung  einer  Bau-Commission  betreffend"  und  die  im  Anschluß 
daran  erlassenen  Bekanntmachungen  des  Magistrats  seien  hier  im  Auszuge 
wiedergegeben : 

Um  eine  Verschönerung  der  Stadt  durch  eine  geschmackvollere  Bauart 
zu  bewirken,  als  auch  durch  Wegräumung  der  bisher  dem  Bauen  entgegen- 
gestandenen Hindernisse,  die  Hausbaue  zu  befördern,  haben  Wir  für  dien- 
sam  erachtet,  eine  Baukommission  anzuordnen.  Bekanntmachung  des 
Magistrats  der  hiesigen  königl.  Residenzstadt  vom  28.  Mai  1822: 
zur  Beförderung  der  Baue  und  der  Ver- 
schönerung derselben   wird  von  jetzt  an   

1.  allen  denjenigen  Privatpersonen,  welche  künftig  von  Grund  auf  neu 
bauen,  oder  auch  nur  eine  ganz  neue  Facade  aufführen,  bis  auf  eine 
Fagade  von  20  Fuß  Breite  an  der  Straße  die  Anzahl  von  1000  Stück 
Mauersteinen,  und  zwar  500  Stück  rothe  und  500  Stück  weiße  Steine 
von  den  städtischen  Ziegeleien  unentgeltlich  verabfolgt  —  bei  einer 
größeren  Breite  verhältnismäßig  vermehrt   

2.  denjenigen  Bürgern,  welche  künftighin  ihre  jetzigen  baufälligen  Häuser 
ganz  abbrechen  sollten,  um  neue  Wohngebäude  an  der  Straße  von  Grund 
aus  wieder  aufzuführen,  gleich  den  Neubauenden  an  der  Georgstraße 
eine  Befreiung  von  den  gewöhnlichen  städtischen  Abgaben  auf  zehn  Jahre 
angedeihen. 

Auszug  aus  der  Bekanntmachung  vom  13.  März  1833,  verschiedene 
Polizeivorschriften,   das   Bauwesen  in   hiesiger  Residenzstadt  betreffend: 

452 


Bürgerhäuser 

Es   werden    Anordnungen   von   sogenannten    Schaufenstern,   von 

Treppen,  Thüren  und  Thorwegen,  welche  auf  die  Straße  führen,  sowie  über 
die  an  den  Häusern  hiesiger  Stadt  befindlichen  Ausbaue  und  Ruhebänke 
hiermit  zur  allgemeinen  Nachachtung  bekanntgemacht 

Zur  Charakterisierung  der  neuen  Zeit  seien  einige  kennzeichnende  Bau- 
beispiele namhaft  gemacht,  wie  sie  der  Zeit  und  Stilrichtung  nach  aufein- 
ander folgen.  Als  Architekt  beherrscht  bis  1830  Laves  das  Feld  auch  im 
bürgerlichen  Bauwesen.  Hinter  dem  seinigen  folgt  der  Name  Hellners  und 
Schusters;  alle  drei  repräsentieren  die  klassizistische  Richtung.  Beispiele 
sind:  Friedrichstraße  15,  1822  von  Laves  /  Königsworther  Platz  2,  1823 
von  Hellner  /  Georgstraße  27  (abgebrochen),  1823  von  Laves  /  Georgstraße 
26,  1825  von  Laves  /  Georgstraße  28,  1825  von  Hellner  mit  Über- 
arbeitung von  Laves  /  Dachenhausenstraße  2,  1825  von  Laves  /  Brühl- 
straße  4,  1829  von  Hellner  /  Georgstraße  23  und  24,  1829  von  Schuster  / 
Friedrichstraße  7/8,  vor  1833  von  Hellner. 

Die  private  Neubaubetätigung  des  ganzen  dritten  Jahrzehntes  ist  mit 
diesen  Beispielen  im  wesentlichen  umrissen.  Aus  den  beiden  nächsten 
Jahrzehnten  sind  die  Wohnbauten  an  der  Adolfstraße  von  Täntzel  und 
Gersting  zwischen  1833  und  1836,  dann  ein  Haus  Molthans,  Maschstraße  6, 
von  1846,  und  Ebelings  Bauten  um  den  Georgsplatz  etwa  1847  zu  nennen. 
Die  Anlehnung  an  florentinische  Palastarchitekturen  der  Renaissance,  die 
sich  herschreibt  von  dem  gerade  1837  in  Paris  erschienenen  Stichwerke  von 
Grandjean  de  Montigny  ist  damit  beendet;  man  geht  über  zu  einem 
Kompromiß  mit  romanischen  Formen:  Tramm  baut  1851  das  Haus 
Georgsplatz  20  (abgebrochen),  Schiffgraben  16  (1853),  Brühlstraße  1 
(1857/59).  Hunaeus,  Debo  und  Rasch  sind  vertreten  mit  den  Beispielen 
Adolfstraße  7  (1856),  Schillerstraße  33  (1855),  Königstraße  50  A  und  51 
(1858/59).  Droste  komponiert  neuartig  Sandstein-  und  Ziegelbau  an  den 
Wohnhäusern  Leinstraße  27  (1858),  Georgstraße  29  (1861),  am  Hause 
Georgstraße  13  mit  Terrakotten.  Hase  wendet  sich  mit  seinem  Eigenhause 
dem  Ziegelbau  zu  und  führt  die  Formenwelt  gotischer  Ziegelarchitektur 
im  Wohnhausbau  ein;  Josefstraße  8  (1858).  Seiner  Art  folgen  dann  Hotzen: 
Haarstraße  5  (1860),  Liier:  Hindenburgstraße,  früher  Tiergartenstraße  1 
(1864),  und  Oppler:  von  Grotesches  Palais,  Sophienstraße  7  (1865),  Villa 
Solms:  Jägerstraße  14  (1865),  von  Wedelsches  Palais:  Parkstraße  1  (1865). 
Zum  Näheren  über  die  Hannoversche  Architektenschule  darf  auf  Th. 
Ungers  Festschrift  zur  5.  Generalversammlung  des  Verbandes  Deutscher 
Architekten-  und  Ingenieurvereine  in  Hannover  1882  (Führer  durch  die 
Stadt  und  ihre  Bauten)  verwiesen  werden. 


453 


Liste  der  Bürgerhäuser. 


Adolfstraße  2: 

Massivhaus,   1836  von  den  Maurermeistern  Täntzel  und  Striehl  erbaut; 
1815  vom  Hofe  erworben  (s.  Ernst-August-Palais). 

Adolfstraße  3: 
Abb.  292      Massivhaus,  1836  von  Täntzel;   zum  Ernst-August-Palais  hinzugezogen. 


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Abb.  292.    Hannover;  Adolfstraße  3,  1836. 

Adolfstraße  4: 

Massivhaus,  3  Geschosse,  7  Achsen,   1833  von   Gersting  erbaut. 

Adolfstraße  5: 

Wie  vor.     1835  von   Gersting. 


454 


Ägidienkirchhof 

Adolfstraße  7: 

Ursprünglich  freistehendes  Massivhaus,   1856  von  Hunaeus  als  Eigen-  Abb.  293 
haus  in  romanischen  Formen  erbaut. 
(Abbildungen  im  Denkm.-Arch.) 


■ 


1 

1 

Abb.  203.     Hannover;  Adolfstraße  7.     Nach  Entwürfszeichnung  von  Hunaeus,  18f>(>. 

Ägidienkirchhof  2,  3,  4: 

Mit  den  Häusern  Marktstraße  30 — 34  (s.  daselbst)  zur  Gruppe  der 
Ägidienkirchhäuser  gehörend,  gleichzeitig  damit  (1582)  und  von  den 
gleichen  Meistern  erbaut.  Es  sind  Traufenhäuser,  jenen  entsprechend 
ausgebildet.  Konsolen  fehlen  jetzt,  Vorkragungen  teilweise  verschalt. 
Andreaskreuze  sind  durchweg  verwandt. 

Ägidienkirchhof  6: 

Als  Eckhaus  zur  Gruppe  der  Kirchhäuser  von  1582  an  Marktstraße  Abb.  294 
und  Ägidienkirchhof  (hier  ursprünglich  freistehend)  gehörig,  Giebel 
nach  dem  Turm  der  Kirche  hin.  Die  konstruktive  Ausbildung  ent- 
spricht derjenigen  der  übrigen  Häuser  der  Gruppe.  Unterhalb  des 
Fachwerkgeschosses  sind  S-Konsolen  und  Füllhölzer  erhalten.  Am 
Eckpfosten  die  Signatur  M.  H.  M.  mit  Sägemülleremblemen  (s.  darüber 
das  unter  Marktstraße  30 — 34  Gesagte).  An  der  Giebelseite,  auf  Setz- 
schwellen, 2.  Obergeschoß  und  Giebelfuß,  die  schwer  leserliche  Inschrift: 


455 


Liste  der  Bürgerhäuser 


VITA  •  DEO  •  CARA  •  EST  •  QVAM  •  CONO 

TANTILLIS  •  FLORE  •  PERENNI  • 

CREDE  •  DEO  •  ET  •  TV  •  CREDE  •  DEO  •  ET  •  SPEca 

FALLI(T)  •  TIMOREN  •  FINE  •  RONÜ  •  MALA  •  LONGA 

DEVS  •  PRORRA  •  VERTIT  •  HONOREO 


Abb.  291.    Hannover;  Ägidienkirchhof  6. 

Die  Inschrift  an  der  Marktstraßenseite  s.  bei  der  Häusergcuppe  Markt- 
straße 30-34. 
Große  Ägidienstraße  4: 

Fachwerkhaus  aus  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts;  vielfach  verändert 
durch  Aufstocken  und  Ladenausbau;  1914  Vorblendung  einer  massiven 
Front. 


456 


Große  Ägidienstraße 

Gedenktafel:  „Hier  lebte  und  starb  Charlotte  Kestner,  geb.  Buff, 
geboren  am  11.  Januar  1753,  gestorben  am  16.  Januar  1828,  durch 
Goethe  verherrlicht  als  Werthers  Lotte." 


Abb.  295.     Hannover;  Große  Ägidienstraße  32. 


Große  Ägidienstraße  32: 
Massivhaus,  Ziegel  geputzt,  mit  Verwendung  von  Sandstein;  von  Ding- Abb.  295 
linger  1751 — 53  als  eigenes  Wohnhaus  erbaut.    2  Geschosse,  5  Achsen. 
Erkeraufbau    mit    Dreiecksgiebel.     Sandsteinsockel    mit    ehemals    vor- 


457 


Liste  der  Bürgerhäuser 

liegender  Freitreppe.  Eckquadern.  Breites  Gurtsims,  lebhaft  profi- 
liertes Hauptsims.  Fensteröffnungen  mit  Segmentbögen;  am  Mittel- 
portal verkröpfte  Pilaster  mit  Konsolen  statt  Kapitellen;  Segment- 
verdachung.  Haustür  ehemals  nur  um  die  Gewändestärke  zurück- 
liegend, jetzt  weiter  zurückverlegt.  Mansardendach  mit  profiliertem 
Bruchsims,  das  sich  um  den  Giebelfuß  des  Erkers  herumkröpft.  Lu- 
karnen:  Seitengewände  unten  in  Voluten  ausgerollt.  Fensteröffnungen 
mit  Dachsimsen  und  keilförmigen   Schlußsteinen. 

Im  Familienbuche  Dinglingers  finden  sich  über  den  Hausbau  eingehen- 
dere Nachrichten.  Dinglinger  wohnte  in  seinem  Hause  von  1753  bis 
zu  seinem  Tode,  1785.  Das  erste  Dinglingersche  Wohnhaus,  1748 — 50 
von   ihm   erbaut,   lag   Braunschweiger  Straße  35,  jetzt  Nr.  3. 

Archivplatz. 

Auf  dem  heutigen  Regierungsgrundstück  am  Archivplatz  lag  bereits 
1734,  als  das  von  Iltensche  Haus  (s.  Seite  419)  gebaut  werden  sollte, 
das  Haus  des  Kammersekretärs  Patje.  Es  beherbergte  unter  König 
Ernst  August  das  Finanzministerium  und  ist  1862  abgebrochen  (Abb. 
Stadtarchiv,  Mappe  3). 

Zur  Beförderung  der  Bebauung  des  Geländes  des  1767  abgetragenen 
Walles  neben  der  Loh-  und  Bohrmühle  gelobte  der  Magistrat  1771  ein 
Douceur.  Erst  1781/82  baute  der  Hof  rat  Alemann  dort  sein  Wohnhaus, 
Leinstraße  113a  und  b,  das  sich  1822  im  Besitze  des  Kabinettsrats  Georg 
von  Hinüber  befindet.  Als  von  Hinübersches  Haus  spielt  es  in  den 
Akten  des  Oberhofmarschallamtes  (XI.  Conv.  XIX)  eine  Rolle,  ist  1828 
in  den  Besitz  der  Krone  übergegangen  und  bei  Freilegung  des  Mühlen- 
platzes 1841  auf  Abbruch  versteigert  (Abbildung  anscheinend  nicht 
überliefert). 

Bäckerstraße  4: 

Fachwerkhaus  auf  stumpfer  Ecke,  vor  Mitte  des  18.  Jahrhunderts,  Haupt- 
front von  2  Geschossen,  4  Achsen.  Dacherker  eingeschossig  mit  vor- 
kragendem Giebelfuß.  Haustür  mit  Oberlicht,  Perlstab  und  Maske 
am  Losholz.  -  -  Der  andere  -  rechte  Frontteil  -  -  von  3  Gefachen  hat 
korbbogige  Durchfahrt.  Rechte  Ecke  des  Obergeschosses  auf  orna- 
mentierter Konsole  abgestützt. 

Bäckerstraße   11: 

Fachwerkhaus  um  1750.  3  Geschosse,  5  Gefache,  Haustür  zweiflügelig, 
in  der  Mittelachse,  abgebildet  bei  Ebel*),  Tafel  3. 

Bäckerstraße   12—21: 

Fachwerkhäuser  aus  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts.    Nr.  17  —  viel- 


*)  Zeitschrift  für  Bauwesen,  1920,  S.  33  ff. 
458 


Bäckerstraße 

leicht    1710  hat    vorspringende    zweiarmige    Freitreppe.      Haustür 

Barock.  Abb.  296 


B 


-|~*M- 


Abb.  296.  Hannover;  Bäckerstraße  12,  einflügelige  Haustür. 
Aufgen.  u.  gez.  I).,  1912. 


Bäckerstraße  31 : 

Wiederaufgebautes  Wohnhaus  des  1710  zum  Bau  der  Clemenskirche 
angekauften  v.  Windheimschen  Hofes,  das  die  Grundstücke  Nr.  27 — 31 
umfaßte.  Wohnung  des  Abbate  Steffani,  später  von  ausländischen 
Gesandten  benutzt,  heute  katholisches  Vereinshaus. 
Mischbau,  Erdgeschoß  massiv,  Eckverzahnung  und  Gewände  in  Sand- 
stein, Mittelportal  rundbogig,  Haustür  einflügelig,  in  Rahmeneinsatz 
eingelassen,  ist  vielleicht  jünger.  Abbildung  bei  Ebel,  Tafel  3. 
Zwei  Obergeschosse  in  Fachwerk;  12  Gefache,  geringe  Vorkragungen. 
Erker  mit  flachem   Giebel  von  4   Gefachen  in  der  Mitte. 


459 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Bäckerstraße  37: 
Fachwerkhaus  1730;  Eckhaus  am  Töge,  3  Geschosse,  4  Achsen,  Fenster 
des  Obergeschosses  flachbogig,  Mansardendach  mit  Gauben  und  einem 
Ochsenauge. 

Bäckerstraße  40: 

Fachwerkhaus,  Eckhaus  am  Töge,  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  3  Geschosse, 
8  Gefache;  Vorkragung  2.  Übergeschoß  verschalt;  Mansardendach. 
Setzschwelle  1.  Obergeschoß: 

WANN  EINER  SCHON  EIN  HAVS  AVFBAWT  •  VND  GOTT  NICHT 
HILFFT  MIT  SEINER  HAND  •  SO  IST  DIE  ARBEITT  NICH  BEWANT. 
WANN  GOTT  NICHT  HVTET  VND  ZVSfCHAVT  •  SO  WI]RDT  EIN 
STADT  •  VMBSONST  BEWACHT  ALL  FLEISS  VND  MVH  IST  NICHTS 
GEACHT  •  M.  CORDT  WEHLERN  GISELA   DE  (Balkenende). 

Bäcker straße  43: 

Fachwerkhaus  von  4  Geschossen  bei  4  Achsen,  zweite  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts. Zwerggiebel  aus  dem  Hauptsims  entwickelt.  Haustür  ab- 
gebildet bei  Ebel  im  Text,   S.  50. 

Bäckerstraße  51 : 

Tür  abgebildet  bei  Ebel,  a.  a.   0.,   S.  36. 

Bäckerstraße   52 : 

Fachwerkhaus  um  1750.  3  Geschosse,  4  Achsen,  Mittelerker  mit  Giebel 
von  2  Achsen  Breite.  Doppelpfosten  mit  Querriegeln.  Architravartige 
Bandsimse.  Haustür  zweiflügelig,  mit  Oberlicht.  Abbildung  bei  Ebel, 
S.  40. 

Bäckerstraße  53: 

Fachwerkhaus,  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  3  Geschosse,  4  Gefache, 
Vorkragung  mit  sichtbaren  Balkenköpfen.  Tür  abgebildet  bei  Ebel, 
S.  36.  ' 

Bäckerstraße  54: 

Ähnlich  dem  vorigen,  Vorkragungen  später  verschalt.  Flächen  nach- 
träglich geputzt.    Tür  mit  Oberlicht. 

Bäckerstraße  56: 

Fachwerkhaus,  um  1665,  2  Geschosse,  4  Gefache.  Hauptsims  mit  sicht- 
baren Balkenköpfen,  Füllhölzer  mit  besonderem  Profil.  Setzschwelle 
des  Obergeschosses: 

I  I   KANNICHT  •  SCHADEN    WAS    GOT    WIL    DAS    MVS    WOL 

GERATEN 

460 


Ballhofstraße 

Bäckerstraße  62: 

Fachwerkhaus,  etwa  1660 — 70.    3  Geschosse,  8  Gefache,  Vorkragungen 
teilweise  mit  Konsolen.     Setzschwelle   1.  Obergeschoß: 
WER    GOT  VERTRAWET    HAT   WOE    GEBAWET    IM    HIMMEL    VND 
AVF  ERDEN  —       -  IVSTVS  HEIDERVS  SOPHIA  ELISABETH  ENGEL 

Bäckerstraße  67: 

Fachwerkhaus,  kurz  vor  1700,  4  Geschosse,  3  Achsen.  Hohe  Geschosse, 
Doppelpfosten,  Querriegel,  architravartige  Bandsimse.  üacherker  mit 
Segmentverdachung. 

Ballhofstraße  2: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  nach  1608.  4  Geschosse,  4  Gefache,  Erdgeschoß 
verändert.  2.  Obergeschoß  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  Füllhölzer  nicht 
erhalten.     Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses  mit  Inschrift:  Abb.  297 

WOLLEVEN  WIL  VNDGVDE  DAGESEEN  •  DE  STILLE  SINETVNGEN  • 


DATSENICHTROSESBEDE  •  VND  I  i 


mmmms 


Abb.  297.    Hannover;  liallhofstraße  2.  S-Konsolen  und  Setzschwelle  des  1.  Obergeschosses  mit  Inschrift. 
Phot.  1904. 

Ballhofstraße  6: 

Traufenhaus,  Mischbau;  Ecke  Kreuzstraße;  um  1608.  Erdgeschoß 
massiv,  mit  Sandsteinsimsen;  ursprünglich  ein  Obergeschoß  in  Fach- 
werk; dieses  und  Traufe  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  Das  2.  Obergeschoß 
1853  aufgesetzt.  Erdgeschoß  vielfach  umgebaut.  (Das  mit  Zahnschnitt 
versehene  Sims  ist  das  ehemalige  Brüstungssims  für  die  Zwischen- 
geschoßfenster.) 

Am  1.  Fachwerkgeschoß  sind  die  Füllhölzer  mit  Eierstab  und  Kon- 
solenfries versehen;  die  Kreuzstraßenseite  hat  geschnitzte  Füllhölzer. 
An  dieser  Seite  besteht  auch  ein  Anbau.  Inschrift  auf  der  Setzschwelle 
des  ersten  Fachwerkgeschosses  beginnt  am  Anbau  und  setzt  sich  um 
die  Ecke  herum  fort.  Lateinische  Großbuchstaben  gemischt  hochdeutsch 
und  niederdeutsch: 

461 


Liste  der  Bürgerhäuser 

PSALM  XXV  SEHEwANJDATJ\lINRRJVIENDEwSOJVELEwIS  •  UN_ 
DE  HATEN  MIWUTH  WREVELE  BEWABE  JVHNE_SEELEwUNDE_ 
REDEJMl  JLATHJKI  •  NICHTjrHÜ^SCHANDENJWEBDEN  •  WENTEw 
ICH  •  VORTRUWwUPwDI  •  SCHLICHT-  UND  •  RECHT-  DAT^BEHODE 
MI  (Ecke)  BLEIRET  •  BEIwUNS  •  HERE^IESU  CHRIST  •  DE  WILE_ 
FS_AVENT_GEWOBDENwIST  •  DIN  WORDT  DE  HOLDT  EWIGLICH*) 
An  der  oberen  Schwelle  Spuren  weiterer  Inschrift.  Ballhofstraßenseite 
(nach  Riemer  H.  G.   1914,   S.  227): 

ACHwGOT  •  WI  •   GERN  •   ICH  •  WISSEN  •  WOLT  •  WEM  •  ICH  •  AUF 
ERDEN  •  GETRVWEN  •  SOLT  •  ICH  •  SEE  •  MEC  •  UMME  •  ZV  •  ALLER  • 
FRIST  •  ICH  •  WEISS  •  NICHT  •  WER  •  MEIN  •  FRUNDT  •  IST  • 
(Vgl.  Leonhardt,  H.  G.   1924,   S.  85.) 

Ballhofstraße  10: 
Traufenhaus,   Fachwerk,   1565 — 70.    4   Geschosse,   5   Gefache,  vielfach 
verändert.    2.  Obergeschoß  auf  Trommelkonsolen  vorgekragt.    Inschrift 
Abb.  298      auf  der  Setzschwelle  des  vorgekragten  Geschosses  in  lateinischen  Groß- 
buchstaben : 

ROM:  6  •  DER  •  TODT  •  IST  •  DER  •  SUNDEN  •  SOLT  •  ARER  •  DIE 
GABE  •  GOTTES  •  IST  •  DAS  •  EWIGE  •  LEBEN  ■  IN  •  CHBISTO  •  .IHESV 
VNSERN • HERN • 


Abb.  298.    Hannover;    liallhofstraUe    10,    Trommelkonsolen    und    Setzschwelle    des    1.   Obergeschosses 
mit  Inschrift. 


Ballhofstraße  14: 

Traufenhaus,    Fachwerk,    um    1580.     3  Geschosse,    3    breite    Gefache. 
Vorkragung   des   2.    Obergeschosses   und    der   Traufe   auf    S-Konsolen. 


*)  Die  Verbindungsbogen  bedeuten,  daß  in  der  Inschrift  die  Wörter  ungetrennt 
fortlaufen. 

462 


Bergstraße 

Füllhölzer  fehlen;  Andreaskreuze.  Späterer  Giebelerker  von  2  Gefachen. 
(Vgl.  Kreuzstraße  11.  Leonhardt,  H.  G.  1924,  S.  88,  setzt  das  Haus 
kurz  nach  1609.) 


Abb.  299.     Hannover;  Bergstraße,  Häuser  Nr.  G— 13.     Phot.  M.  B.  A.,  1928. 

Bergstraße   8—12: 

Die  gesamte  Häusergruppe,  Fachwerk,  entstammt  dem  ersten  Drittel 
des  18.  Jahrhunderts. 

Nr.  8  und  9:  Gleich  ausgebildete  Häuser  von  ursprünglich  3  Geschossen, 
9  Gefachen.  Vorkragungen  in  allen  Obergeschossen.  Balkenköpfe  und 
Füllhölzer  gleich  profiliert.  Große  Durchfahrten  mit  Oberlicht.  Nr.  8 
hat    Giebelerker   und    Winde,    ist    Eigentum    der    Synagogengemeinde, 

463 


Liste  der  Bürgerhäuser 

vielleicht  1703/01  erbaut  (s.  Geschichte  der  Synagoge).  Bei  Nr.  9  ist 
ein  Stockwerk  später  aufgesetzt. 

Bergstraße   13: 

Fachwerkhaus  von  3  Geschossen,  5  Achsen;  gebrochene  Front  mit  drei- 
geschossigem Erkerausbau  links;  Mansardendach  mit  eingeschossigem 
Giebelerker  rechts.  Der  Ausbau  schließt  mit  Mansardengiebel.  Haustür 
mit  vorgelegter  Treppe,  Oberlicht  und  geschwungener,  auf  Konsolen 
gestützter  Verdachung.  Tür  dreiteilig,  mit  Klopfer  und  Griff,  Fenster 
segmentbogig  (Abbildung  bei  Ebel,  Tafel  3). 

Bockstraße  3: 

Fachwerkhaus  um  1700.    Haustür  zweiflügelig,  mit  überlicht,  um  1700. 

Bock straße  6: 

Fachwerkhaus  1690 — 1700;  Setzschwelle  1.  Obergeschoß  älter,  mit 
Inschrift;  unleserlich.    Haustür  einflügelig,  mit   Oberlicht. 

Bockstraße  22: 

Fachwerkhaus  um  1700.    Haustür  einflügelig,  mit  Oberlicht. 

Brand  straße  6:  abgebrochen. 

Fachwerkhaus,  erste  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts.  In  der  Wohnstube 
des  Erdgeschosses  links  soll  sich  ein  Kachelbild:  aufgehende  Sonne, 
Bäume  und  segelnde  Schiffe,  als  Wandbekleidung  befunden  haben. 

Brandstraße   12: 

Überputztes  Fachwerkhaus  1730 — 40.  Haustür  mit  Oberlicht.  Tür 
dreiteilig  (Abbildung  bei  Ebel  im  Text   S.   10). 

Brandstraße  15: 

Fachwerkhaus,  2  Geschosse,-  5  Gefache,  Windenerker  um  1660.  Setz- 
schwelle mit  unleserlicher  Inschrift.  Mitteltür,  Sturzbalken  mit  größten- 
teils verdeckter  Inschrift:   HREcu 

Brandstraße  18: 

Empiretür,  dreiteilig,  mit  Oberlicht. 

Brandstraße  21: 

Fachwerkhaus,  2  Geschosse,  ursprünglich  4  Gefache,  etwa  1660,  später 

verändert. 

Setzschwelle : 

DWOLSSODM    HANS    FHILIP    •    ANNA     PHILIPS     SEIN     EHELICH 

HAVSFRAV  HABEN  •  WE  •  Sa 

Braun  Schweiger  Straße  3: 

Fachwerkhaus  von  2  Hauptgeschossen,  Mansardendach  mit  Giebelerker. 
Hauseingang  in  der  Mittelachse,  mit  vorgelegter  Treppe;  Dinglingers 
Wohnhaus,  1748  begonnen,  1750  bezogen,  1751  verkauft.  Gedenktafel 
an  Caroline  Herschel,  welche  hier  am  9.  Januar  1848,  97  Jahre  alt,  starb. 

464 


Breite  Straße 


H H 


Abb.    300.      Hannover;     Braunschweiger 
zweiflügelige   I  [austür. 
Aufgen.  u.  gez.  1).  1912. 


Straße   7, 


Braunschweiger  Straße  7: 

Zweiflügelige  Haustür.  Abb.  300 

Braunschweiger  Straße  10. 
Ehemals  Schmahlesches  Haus; 
hier  wurden  1811/12  die 
Sitzungen  des  Friedensgeriehtes 
abgehalten.  (Hausmann,  Er- 
innerungen,  S.  78.) 


Breite  Straße  8: 

Massivhaus  in  Ziegeln  mit  Abb.  301  a  u.  301  b 
Sandsteinverblendung,  angeb- 
lieh 1719  begonnen.  Die  künst- 
lerische Urheberschaft  darf 
vielleicht  dem  Architekten  des 
von  dem  Bnsscheschen  Palais 
und  des  Hauses  Schmiede- 
straße 37  (J.  P.  Heumann?) 
zugeschrieben  werden. 
3  Geschosse,  5  Achsen.  Über 
dem  Hauptsims  ein  über  drei 
Achsen  reichender  Dreiecks- 
giebel mit  Vasenbekrönung. 
Mansardendach  mit  je  einer 
Gaube  beiderseits  des  Giebels. 
Die  Erdgeschoßfassade  ist  durch 
Ladeneinbau  ganz  verändert. 
Im  Zustande  von  1891  (B.  P.A.) 
war  ein  Mittelportal  mit  vor- 
gelegter Freitreppe  vorhanden. 
Geschoßteilung  durch  Sims  nur 


über  dem  Erdgeschoß.  Fenster  segmentbogig;  diejenigen  in  der  Mittel- 
achse durch  ornamentale  Ausstattung  der  Brüstungsplatte  unterhalb 
der  Solbank  und  Schlußsteine  bereichert.  Sonst  sind  Solbänke  nicht 
vorhanden;  die  Fenstergewände  liegen  hinter  der  Fassadenfläche  zurück. 
Das  Mittelportal  erschloß  einen  langen  Flur,  an  dem  beiderseits  die 
Bäume  aufgereiht  waren  (vgl.  H.  G.  1910,   S.  279). 

Breite   Straße  14: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  angeblich  von  1577.  S-Konsolen  (Spätbarock) 
und  Zahnsch nitt. 

Abbildung  des  Hauses  bei  Galland,  Benaissancestudien  II,  Taf.  22a 
(„Allgem.  Bauzeitung",  Heft    1,   1887). 

30  AQ- 

4oo 


Liste  der  Bürgerhäuser 


466 


Breite  Straße 

Nach  H.  G.  1924,  S.  36,  stammt  der  jetzige  Bau  aus  dem  Jahre  1637 
sicher  vom  Meister  Dietr.  Stünkel. 

Breite   Straße  16: 

Giebelhaus,  um  1590,  Ziegelbau,  verputzt,  Hausteinverweuduug  (vgl. 
Marktstraße  41  und  Köbelingerstraße  27).  3  Hauptgeschosse,  Giebel 
in  3  Geschossen,  Achsenverschiebung,  Erdgeschoß  ganz  verändert. 
Nach  Zeichnung  von  1843  in  den  Baupolizeiakten  hatte  das  Erdgeschoß 
rnndbogige  Mitteleinfahrt  mit  je  einem  fast  quadratischen  Fenster  zur 
Seite.  Auch  im  1.  und  2.  Übergeschoß  sind  die  Fenster  so  breit  angegeben, 
daß  an  ehemalige  Teilung  durch  Pfosten  zu  denken  ist.  1846  sind  die 
Fenster  mit  Bogen  geschlossen. 

Geschoßteilungen  durch  schmale  Hausteinsimse,  im  Giebel  durch- 
schießend durch  die  Schräge.  Giebelfuß  seitlich  auf  Konsolen  aus- 
kragend.   Bekrönung  durch  Zirbelnuß. 

Breite  Straße  18: 

Geputztes  Massivhaus  in  Ziegeln,  mit  reichlicher  Hausteinverwendung. 
Begence.  In  der  Architektur  besteht  anscheinend  eine  Beeinflussung 
durch  Bemy  de  la  Fosse.  Die  Fassade  ist  ein  genaues  Abbild  des  Mittel- 
risalites  von  dessen  Landschaftlichen  Hause,  auf  das  ein  geschwungener 
Barockgiebel  aufgesetzt  wurde.  Das  hohe  Sockelgeschoß  war  ehemals  Abb.  302-304 
rustiziert;  Lichtöffnungen  und  Durchfahrt  (rechts)  schlössen  segment- 
förmig.  Die  beiden  Wohngeschosse  (dreiachsig)  sind  durch  eine  gestelzte 
Pilasterstellung  jonischer  Ordnung  mit  Gebälk  zusammengefaßt.  Der 
Giebel  läuft  konkav  geschwungen  an  und  schließt  in  dreieckigem  Aufbau. 
Vasenbekrönungen.  In  den  Bäumen  des  Hauptgeschosses  getäfelte 
Paneele  (H.  =  70  cm)  von  weißer  Lackierung. 

Breite  Straße  19: 

Fachwerkhaus,  um  1750,  4  Geschosse,  4  Achsen,  Zwerggiebel,  architrav- 

artige  Bandsimse,  Doppelpfosten  mit    Querriegeln. 

Am  Hinterhause  (Scheune),  Fachwerk,  3  Geschosse,  über  der  Durchfahrt 

zwei  Wappen  in   Stein: 

ANNO  1635  HANS  LENEKER*)  ANNA  RAVEN. 

Am   Sturzbalken  der  rundbogigen  Durchfahrt: 

DER  HER  REHUTE  MEINEN  EINGANG     AN  GOTTES  SEGEN  — 

Breite  Straße  20: 

Scheune  auf  Friedrichstraße  6.     Meisterzeichen:   GP 

Breite   Straße  23  (Hof): 

Von  der  1592  neuerbauten  Scheune  ist  ein  Sturzbalken  im  Hof  ein- 
gemauert. Darauf  Wappen  des  Georg  Betke  und  seiner  Frau  mit  der 
Jahreszahl  1592. 


*)  Färber  Hanss  Lenhardt,  gen.  Leneker,  nach  Leonhardt  in  H.  G.  1924,  S.  36. 

467 


468 


Breite  Straße 


Abb.  305.    Hannover;  Breite  Straße  25,  Grupens  Haus.     Phot.  1914. 

Breite  Straße  25: 

Putzbau    mil    gequaderten    Kantenlisenen;    Sockel    und    Gewände    in  Abb.  305 
Sandstein;  1748  begonnen.   Architekt  angeblich  Di  nglinger.  3  Geschosse, 
2+3  +  2  Achsen,  Mittelrisalit  wenig  vorgezogen  und  in  einem  Erker- 


469 


Liste  der  Bürgerhäuser 

geschoß  über  das  Hauptsims  hinaufgeführt;  Satteldach  und  Gauben. 
Lichtöffnungen  nur  im  2.  Obergeschoß  segmentförmig.  Vorliegende 
Freitreppe  mit  Kandelabern  (um  1840)  auf  den  Seitenwangen.  Portal 
rechteckig,  mit  waagerechter  Verdachung. 

Das  Haus  ließ  Grupen  bei  Anlage  der  Ägidienneustadt  für  sich  errichten. 
Zum  Bau  scheint  Material  des  damals  abgebrochenen  Ägidientorturmes 
verwandt  zu  sein,  der  vor  dem  Grundstück  stand.  Das  Innere,  vielfach 
umgeändert,  hat  noch  eine  dreiarmige  Freitreppe  mit  gußeisernem 
Gitterwerk.  Das  Obergeschoß  rechts  hat  im  Hofflügel  einen  kleinen  Saal 
mit  Apsis:  vergoldete  Ornamentik  in  Formen  ähnlich  der  des  Wangen- 
heimschen  Palais.  Diese  Ausstattung  entstand  infolge  der  Erwerbung 
des  Hauses  durch  den  Grafen  Schwiecheldt.  1923  als  Bankhaus  umgebaut. 
1927  Ausbau  des  Erdgeschosses  mit  Schaufenstern. 


Brühlstraße  1: 
Abb.  306      Als  Wohnhaus  des  Oberkommerzienrates  Ezechiel  Simon  durch  Tramm 


inDeistersandstein  und  Putz  1857 
Heute  Handelsmuseum. 


-59  in  romanisierenden  Formen  erbaut. 


Abb.  306.     Hannover;   Brühlstraße    1,   Haus   des   Oberkommerzienrates  Simon,   jetzt    Handelsmuseum. 
erbaut  1857  von  Tramm. 


470 


Brühlstraße 

Brühlstraße  2: 

Als  Wohnhaus  des  Kaufmannes  Anton  Bahlsen  182 1  erbaut:  2  Geschosse,  Abb.  :s<i7 
7  Achsen,  davon  drei  in  flachgiebelig  geschlossenem  Risalit.    Erdgeschoß 
rustiziert,  Fenster  ungerahmt.    Im  glatt  geputzten  Obergeschoß  jonische 
Flachpilaster  am  Risalit.    Walmdach.    Zeichnung  im   Stadtarchiv. 


r 


Abb.  :S()7.     Hannover;  Brühlstraße 


1S21. 


Brühlstraße  4: 

Als  Wohnhaus  des  Kaufmannes  Meyer- Vezin  1829  durch  Hellner  Abb.  308 
aufgeführt.  Erhöht  freistehender  zweigeschossiger  Putzbau  von  drei 
Achsen  auf  quadratischem  Grundriß.  Die  Mittelachse  mit  Eingang  und 
vorgelegter  Freitreppe  liegt  zurück  und  hat  im  Obergeschoß  einen  auf 
Konsolen  vorgekragteu  Balkon,  hinter  dem  der  Wohnraum  zwischen 
jonischen  Pilasterstützen  geöffnet  ist.  Seitenrisalite  rustiziert.  Haupt- 
sims mitZahnschnitt.  Attika.  Erkeraufbauten  in  den  Mittelachsen;  davon 
derjenige  der  Schauseite  mit  Flachdach  und  Geländer,  in Lu nette  geöffnet. 
Die  Garteneinfriedigung  mit  Altan  und  Brüstung  von  Balustern  in 
Form  jonischer  Säulen.     Zeichnungen  im  Stadtarchiv. 

471 


Liste  der  Bürgerhäuser 

An  der  Rückseite  des  Grundstückes  an  der  Langen  Laube  älteres  Garten- 
portal,   um    1720,    Sandsteinpfosten    mit    Blumengirlanden    in    Relief. 


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Abb.  308.     Hannover;  Brühlstraße  4.     182!>. 

Brühlstraße   15: 

Verschaltes  Fachwerkhaus  von  2  Geschossen,  Ende  des  1<S.  Jahrhunderts. 
Älteres  v.  Malortiesches  Haus. 

Burgstraße  6: 
Abb.  309-312  Putzbau,  1710.  Das  Haus  hat  der  Senator  Hermann  Dohme,  der  das 
Grundstück  seit  1701  besaß,  erbauen  lassen.  Der  Architekt  ist  unbekannt. 
Zum  Portal  und  anderen  Einzelheiten  vgl.  Davilers,  Cours  d'Architecture, 
PI.  43  B,  Nr.  7.  Auf  die  Fassade  des  Hauses  in  Braunschweig,  Breite 
Straße  18,  Hotel  d'Angleterre,  von  1713,  sei  hingewiesen  (Meier  und 
Steinacker,   S.  109). 

472 


Burgstraße 

3  Geschosse,  1  +  3+3  Achsen;  Mitfelrisalit  wenig  vorgezogen,  über 
dem  Hauptsims  um  ein  Geschoß  erhöht  und  mit  Segmentgiebel,  ge- 
kröntvon  einer  Vase,  abgeschlossen. 
Das  durch  Schaufenstereinbau  ver- 
änderte Erdgeschoß  mit  Rustika. 
Links  rundbogige  Durchfahrt  mit 
Oberlicht;  im  rechten  Teile  des 
Risalites  Portal  mit  Oberlicht  und 
Supraporte;  Treppe  jetzt  zurück- 
liegend. Simse  und  Fenstergewände 
der  Obergeschosse  in  Sandstein. 
Hauptsims  in  Verschalung  mit 
Konsolen.  Die  Jahresinschrift 
„ANNO  1710"  findet  sich  an  der 
Supraporte.  Teilweise  sind  alte 
Fensterrahmen  erhalten.  Das  alte 
Treppenhaus  besteht  fast  unver- 
ändert. 

Burgstraße  9: 

Auf  dem  Grundstück  stand  das 
eigentliche  Wohnhaus  des  St. Gallen- 
hofes. Heute  Massivhaus,  um  1815. 
Erdgeschoß    gequadert    und    wohl 

verändert.  Im  1.  und  2.  Obergeschoß  dreimal  je  zwei  dicht  zusammen- 
stehende Rundbogenfenster.  Unter  dem  Hauptsims  Rundbogenfries  in 
gleicher  Ebene  mit  den  Ecklisenen.  Darüber  Scheinmetopen  und  aus- 
ladendes Hauptsims. 

Burgstraße  10: 

Fachwerkhaus,  ursprünglich  freistehendes  Giebelhaus,  an  der  Stelle 
der  1630  eingestürzten  St.  Gallenkapelle  durch  Adrian  Siemerding  für 
Joh.  Duve  1669  erbaut.  Wohnung  des  Dichters  Philipp  Spitta  (Gedenk- 
tafel). 4  Geschosse,  8  Gefache,  Erdgeschoß  verändert  um  1845.  1.  Ober- 
geschoß mit  Doppelständern,  2.  und  3.  Obergeschoß  —  dieses  nicht 
ursprünglich  —  auf   barocken   Konsolen   vorgekragt.     Giebelerker. 

Burgstraße  11: 

Zweigeschossiges  Fachwerkhaus,  Ecke  der  Ballhofstraße.  Ende  des 
17.  Jahrhunderts.  Erdgeschoß  Ziegel,  verputzt;  flachbogige  Durchfahrt 
links.  Obergeschoß  Fachwerk,  8  Achsen,  vorgekragt  bei  sichtbaren 
Balkenköpfen  und  gleich  profilierten  Füllhölzern.  Genäherte  Pfosten. 
Brüstungsfelder  mit  Fußstreben.  Hauptsims  verschalt;  Mansardendach 
mit  Giebelerker  links  und   Gauben. 


Abl>.  309.    Hannover;  Burgstraße  6,  Grundriß. 


473 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  310.     Hannover;  Burgstraße  6,    Aufgen.  D.  u.  N.,  1925,  gez.  N. 


474    . 


Burgstraße 


Abb.  311.     Hannover;  Burgstralic  6.     M.  B.  A.,  1928. 


475 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  312.    Hannover;  Burgstraße  6,  Treppenhaus.    Phot.  M.B.A.,  1928. 

Burgstraße  13: 

Fachwerkhaus,  1822  „mit  massivem  Anwurf"  aufgebaut*),  3  Geschosse, 
5  Achsen,  Mansardendach  mit  Giebelerker  von  3  Achsen,  Hauptsims 
weit  ausladend  auf  Konsolenfries. 


*)  Der  Architekt  hieß  Kellner.  Laves  als  Mitglied  der  Baukommission  rügte,  daß 
nicht  Schaft  auf  .Schaft  und  Fenster  über  Fenster  angeordnet  seien.  (Bau-Pol.- 
Akt.) 


476 


Ringstraße 


Abb.  313.    Hannover;  Burgstraße  20  bis  12,  Straßenbild.      Phot.  M.  B.  A.,  1928. 

Burgstraßc  15: 

Traufenhaus,  Mischbau,  vielleicht  um  1620,  3  Geschosse.  Erdgeschoß 
und  1.  Obergeschoß  massiv,  2.  und  3.  Obergeschoß  vorgekragt  in  Fach- 
werk, verputzt.  Vorkragung  verschalt.  Erdgeschoß  ist  ganz  verändert. 
1.  Obergeschoß  zwischengeschoßartig.  Unter  den  Fenstern  feine 
Renaissancesimse.  Denkmalswert  ist  heute  gering,  da  alles  verschalt, 
verputzt,  beseitigt. 

Burgstraße  20: 

Giebelhaus,    Eckhaus   Tiefenthal,    Fachwerk,    1540—50,    2    Geschosse,  Abb.  313,  links 


477 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Erdgeschoß  verändert,  5  Gefache,  Obergeschoß  etwas  vorgekragt. 
Giebel  im  2.  Geschoß  vorgekragt,  Konsolen  mit  Krallenverzierung. 
Füllbretter  (neuere  Zutat?).  Brüstungsleisten.  Fußstreben.  Auf  allen 
drei  Setzschwellen  Inschrift  in  gotischen  Kleinbuchstaben  mit  Groß- 
buchstaben (restauriert  1921). 
Obere   Schwelle : 

.ftobe  •  bneb  •  vov  •  ben  ....(?)  nefen  •  unbe  •  achte.  .  . 
Mittlere   Schwelle: 

borch  •  bone  •  grote     roolbat  •  f)cft  •  bu  ■  oorbroctet  •  alte  •  emabe  •  5)ar  • 
»mmc  ■  griff  •  vn&  •  oertrouwen  •  93nbc  •  t>i)  •  ctvncb  •  befebouoenn  • 
Untere   Schwelle; 

2Bc  •  tont  •  ftraffen  •  nmtf  •  onbc  ■  bc  •  mnnen  •  $)efe  •  erftett  •  oppc  •  fnet  • 
onbe  •  op  •  bc  •  fnnen  • 

1540 — 50.  Nach  den  Baupolizeiakten  1 858  war  links  ein  eingeschossiger 
Erker  von  2  Gefachen.  Die  Haustür  rechts  davon  schmalrechteckig, 
das  Eckfach  rechts  hatte  ein  Fenster. 

Burgstraße  21 : 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1580,  doch  um  1700  stark  verändert; 
rechts  ein  2  Gefache  breiter  Erker,  um  1610.  Alle  Vorkragung  des 
2.  Obergeschosses  mit  einzelnen  S-Konsolen  und  Füllhölzern  nach 
Fruchtgirlandenmotiv.  Zweizeilige  Inschrift  auf  der  Setzschwelle  in 
lateinischen  Großbuchstaben,  unleserlich.  Die  Obergeschosse  haben 
genäherte  Pfosten.    Mansardendach  mit  flachgiebeligem  Erker. 

Burgstraße  22:  abgebrochen   1889. 
Abb.  314      Ehemalige  Stadtdirektorwohnung  (s.  „Ztschr.  d.  hist.  Vereins  f.  Nieder- 
sachsen" 1886,  S.  343).  Wappen  der  Stadt,  0,5:0,9  m  (s.  Schuchh.Nr.21). 


Abb.  :!l  I.  Hannover;  Wappen  der  Stadt  vom  Grundstück  Burgstraße  22, 
jetzt  an  der  Bürgerschule,  Burgstraße. 

Burgstraße  23:    Abgebrochen   1889. 

Traufenhaus,   Mischbau,   um    1600,   in   der  Art   des  Meisters   Beensen. 
Abb.  315      2  Geschosse  massiv,    davon  das  untere  mit  Hausteinverblendung,  das 


478 


Burgstraße 

obere  in  Ziegel,  geputzt.  2.  Obergeschoß  war  in  Fachwerk  auf  S-Konsolen 
vorgekragt.  Rundbogige  Durchfahrt  rechts.  1620  war  links  ein  Sand- 
steinerker (2  Geschosse,  4  Achsen;  Fenstersäulchen  und  Karyatiden, 
Dreiecksgiebel    mit    Delphinen    und    Bekrönung    durch    eine    Fortuna) 


■Süi  ■  ■ 

Abb.  .315.     Hannover;  Burgstraße  23,  abgebrochen  1X.X9. 


angebaut.  Die  vier  Inschriftentafeln  zwischen  den  Sockelpfeilern 
des  Obergeschosses  s.  Mithoff,  Kdm.,  S.  94.  Nach  dem  Abbruch  1889 
wurden  die  ornamentierten  Teile  in  das  Leibnizhaus  gebracht.  Auf- 
nahme von  A.  Haupt  im  Leibnizhause  (vgl.  den  von  Schmiedestraße  29 
stammenden,  jetzt  dem  Hause  der  Väter  angefügten  Erker  von  1621). 
Gleichzeitig   war   eine    Wappentafel    über    der    Durchfahrt    eingesetzt: 

479 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Allianzwappen      (des     Amtsmannes     von      Marienwerder)     JOACHIM 
SCHVLTZEN  (und  seiner  Frau)   MARGARETA  SCHVTS  1620. 
Das  Maus  stand  auf  dem  Marienwerderschen  Hof.    1791  wurde  die  1787 
gegründete  ,, Hof-Söhne-  und  Töchterschule  darin  eingerichtet  und  das 
Haus  zu  diesem  Zweck  umgestaltet".    Später  Stadtleihamt. 

Burgstraße  25: 

Hofgebäude  (1624)  in  der  Art  des  Meisters  Hinrich  Stunkel,  mit  der 
Inschrift:  AN  GOTTES  SEGEN  IST  ALLES  GELEGEN.  Ferner  Rest 
einer   Sandsteinplatte  mit  dem  Reliefbild  des   Königs  David   und    der 

Unterschrift  M.  D.  M.  1624 TATIO  MEA.    Magister  David  Meier, 

t  1640  (sein  Grabmal  an  der  Marktkirche  von  Lud.  Witte  ist  behandelt 
auf  Seite  105),  Prediger  an  der  Kreuzkirche  und  später  der  Markt- 
kirche, war  Eigentümer  des  Hauses  gewesen. 

Burgstraße  27: 

Geputzter  Ziegelbau,  Eckquaderung  und  Fenstergewände  von  Sandstein, 
1741  erbaut;  3  Geschosse,  9  Achsen,  Mittelrisalit  von  3  Achsen  vorgezogen 
und  mit  Dreiecksgiebel  gekrönt.  Keine  geschoßteilenden  Simse;  nur  ein 
stark  ausladendes,  verschaltes  Hauptsims.  Haustür  mit  ursprünglicher 
Freitreppe  (?). 

Das  Grundstück  hat  sich  seit  Anlegung  des  Hausbuches  (1428)  und 
wohl  schon  seit  Auflösung  des  landesherrlichen  Wirtschaftshofes  bis 
jüngsthin    ununterbrochen    im  Besitz  der  Familie  v.  Alten  befunden. 

Burgstraße  28: 
Abb.  316-318  Traufenhaus,  Fach  werk,  wahrscheinlich  1566,  4  Geschosse,  9  Gefache, 
rechts  späterer  Erker  von  3  Geschossen  bei  3  Gefachen.  Erdgeschoß 
verändert,  2.  und  3.  Obergeschoß  und  Traufe  vorgekragt.  Konsolen 
-  erhalten  unter  3.  Obergeschoß  und  Traufe  —  zeigen  besondere  Form. 
Setzschwellen  mit  breiten  Schiffskehlen,  deren  Tauornament  dem  der 
Füllhölzer  entgegengesetzte  Drehrichtung  hat.  Teilweise  ist  dieses 
Ornament  nach  dem  Motiv  der  Fruchtgirlanden  ausgebildet.  Pfosten 
der  vorgekragten  Geschosse  mit  Flachschnitzwerk  überzogen.  Brüstungs- 
leisten mit  Taustab.  Brüstungsgefache  mit  Platten  ausgesetzt,  auf  denen 
Halbkreisrosetten  verschiedener  Gestaltung  eingeschnitzt  sind. 
Als  Meister  vermutet  Leonhardt,  H.  G.  1924,  S.  72,  Hinrich  Holste,  den 
der  Rat  aus  Hildesheim  kommen  ließ,  als  der  Ratszimmermeister  Jürgen 
Gering  während  der  Arbeit  am  Apothekenflügel  plötzlich  verstarb. 
Die  Rauweise  dieses  Meisters  hat  in  Hannover  keine  Schule  gemacht. 
Abb.  bei  Eicke,  „Bürgerliche  Baukunst  Niedersachsens",  S.  259,  Nr.  194. 

Burgstraße  28,  Hinterhaus  und  Seitenflügel: 

Fachwerk,  Hinterhaus  1564,  Seitenflügel  wenig  später,  Meister  G.  K. 
Beide  von  3  Geschossen,  die  2.  Obergeschosse  auf  Krallenkonsolen  vor- 

480 


Burgstraßc 


Abb.  316.      Hannover;    Burgstraße   2S 
Grundriß. 


Hechts:    Abb.    :il7.      Hannover;    Burg- 
straße  28.    Phot.M.B.A.,  1!il>x. 


gekragt.    Am   Hinterhause   auf  der  unteren   Setzschwelle    Inschrift  in 

lateinischen   Großbuchstaben 

ANNO  SALUTIS  156-1  HINRICUS  GRUBE  STRUXIT  HOC  AEDIFICJUM 

BROI IS: 

sie  nennt  den  Bauherrn  -  -  nicht  den  Meister,  wie  Riemer  angenommen 
hat.     Seitenflügel,   unlere   Setzschwelle: 

[IN]DNO  •  MEA  •  CERTA  •  SALVS  •  MEA  •  GLORIA  •  CERTA  •  EST  -PETRA- 


I  I   INVICTA  •  VALNS  (sie!)   SPES  •  MEA  •  SOLA  •  DEVS    G  K| 

Obere   Setzschwelle: 

jNISI  •  DOMINVS  •  E]DIFICET  •  FRVSTRA  •  DOMVS  •  ILLA  •  PARATUR 

QVAM  •  VOLET  •  HVMANVS  •  CONSTITVISSE  •  LABOR. 

31 


481 


482 


Burgstraße 

Beim  Seitenflügel  Brüstungsleiste  mit  gotischem  Tauornament,  auf- 
genagelt. Im  2.  Obergeschoß  Andreaskreuze.  Obere  Setzschwelle  mit 
Inschrift  und  Meisterzeichen  G.  K.  (vgl.  Inschrift  Kreuzstraße  5, 
Hokenzunfthaus  von  1577). 

Bei  Hinterhaus  und  Seitenflügel  sind  gotische  Bauteile  eines  älteren 
Baues  wieder  verwandt  (s.  Leonhardt,  H.  G.  1924,  S.  73).  Das  Erd- 
geschoß  ist    1817    mit   ministerieller  Beihilfe   von    100  Thlr.  geändert. 

Burgstraße  29: 

Entspricht  dem  Hause  Nr.  30,  hat  7  Gefache  und  einen  Erker.  An  der 
Hofseite  Setzschwelle  des  1.  Obergeschosses  mit  Treppenmotiv  als  jetzt 
letztes  Beispiel  in  situ. 

Burgstraße  30: 

Fachwerkhaus,  um  1660,  3  Geschosse,  25  Gefache,  2  Eingänge.    Vor- 
kragungen des  1.  und  2.  Obergeschosses  mit  gleich  profilierten  Füllhölzern 
und    Balkenköpfen.     Ein    Erker   vor    dem    1.  und    2.  Obergeschoß    hat 
3  Gefache.    Sein  Giebelaufbau  wie  die  Aufklappgauben  sind  laut  Bau 
polizeiakte  modern. 

Burgstraße  31: 

Fachwerkhaus,  verputzt  und  verschalt,  vielleicht  aus  der  Mitte  des 
17.  Jahrhunderts,  2  Geschosse,  9  Achsen.  Erdgeschoß  verändert. 
Mitteltür.  Obergeschoß  auf  kräftig  profiliertem  Sims  vorgekragt. 
Pfosten  durch  pilasterartige  Verschalung  verkleidet  -  -  nach  den  Bau- 
polizeiakten 1841,  wahrscheinlich  unter  Beratung  durch  Laves. 
1428  Domus  der  von  Alten.  Das  Braurecht  hat  dieses  Haus  1692  von 
Nr.  30  erworben;  bis  dahin  war  es  ein  adeliges  Freihaus  (s.  Leonhardt, 
II.  G.  1924,   S.  71). 

Burgstraße  32: 
Fachwerkhaus,  geputzt,  um  1820 — 30,  3  Geschosse,  Achsen  zu  2,  3,  2 
zusammengefaßt.  Erdgeschoß  als  Sockelgeschoß  ausgebildet,  jetzt  stark 
verändert,  alte  Durchfahrt  links.  Die  beiden  Obergeschosse  zurückliegend 
in  Lisenenumrahmung.  Starkes  Hauptsims  und  Abschluß  durch 
Dreiecksgiebel  in  ganzer  Frontbreite.  Im  Giebelfeld  liegt  die  Fläche  der 
3  Achsen  zurück  in  korbbogiger  Lünette.  An  der  Setzschwelle  des 
Obergeschosses  ist  1930  die  einzeilige  Reiminschrift  nach  dem  1.  Petri- 
brief,   Kap.  2 — 6,  freigelegt: 

t  •  pe  •  t)  •  ©ob  •  bcfft  •  gelegt  •  nit  •  fon  •  gemene  •  Sbnn  •  tbom  •  fostltfcn  • 
eggestene  •  2Ulc  •  be  •  bar  •  op  •  botoen  •  werben  •  tragen  •  bc  •  ewige  • 
rootDC  •  n>ol  •  fit  •  an  •  obm  •  ergern  •  fnn  •  be  •  ftorten  •  tbor  •  belle  •  pmt. 

Burgstraße  38: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  erste  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts,  5  Geschosse, 

483 


Liste  der  Bürgerhäuser 

3  Gefache,  alle  Obergeschosse  vorgekragt,  Konsolen  nicht  mehr  vorhanden 

infolge  Veränderungen.    Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

ALL  •  MEIN  •  ANLANGE  •  UNDT  •  ENDE  •  BEFIHEL  •  ICH  •  GOT  •  IN  • 

DEINE-  HENDE. 

Im  Hof:  ANNO  1605. 

Burgstraße  40: 

Massivhaus,   um    1820   ('?),   3    Geschosse,   8  Achsen,   Mitteldurchfahrt, 
Geschoßteilung  durch  Bandsimse. 

Burgstraße  41: 

Redensches  Familienhaus  (s.  Hausmann,  Erinnerungen,   S.  31). 
Burgstraße  42: 
Abb.  319      Eckhaus  zum  Holzmarkt,  geputzter  Massivbau    von  ursprünglich  zwei 

Geschossen   aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrhunderts.     1827  mit  einem 


".../,  .< . 


'*"*} 


■4 


Abb.  319.     Hannover;  Burgstraße 42,  Zustand  1827. 

2.  Obergeschoß  und  Eckaufbauten  versehen.  7  Achsen  an  der  Burg- 
straße. Nach  B.  Hausmann  (Lebenserinnerungen,  S.  7)  war  das  Haus 
vor  1721  Eigentum  der  der  Kaufmannsinnung  angehörenden  Patrizier- 
familie von  Änderten  und  zuletzt  im  Besitze  eines  Arztes.  Nach  Ankauf 
durch  Werner  Bernhard  Hausmann  wurde  durch  den  Baumeister 
Sudfeld  Vick  ein  sehr  großes  Verkaufsgewölbe  im  Erdgeschoß  eingerichtet, 


484 


Galenberger  Straße 

welches  mit  einem  Bogeneingange  an  der  Ecke  die  ganze  an  der  Burg- 
straße belegene  Seite  des  Hauses  und  am  Holzmarkt  den  Teil  bis  zur 
Haustür  einnahm.  Die  Abb.  A  in  „Freudenbezeugungen"  gibt  bereits 
drei   Geschosse  an. 


i  '  ■'..  ' — — — i — ■ — ■ ' — rz. 

Abb.  320. 

Hannover;  CalenbergerStraße  3,  zweiflügelige  Haustür. 

Aufgen.  u.  gez.  ü.,  1912. 


Calenberger  Straße  3: 

Fachwerkhaus,    um     1730,     Eckhaus    an    der    Kommandanturstraße. 
Haustür    mit    Oberlicht    und    Laterne;    geschwungenes    Losholz;    Tür  Abb.  320 
zweiteilig.    Alte  Treppenanlage. 

Calenberger  Straße  16:   Schloßapotheke. 

Fachwerkhaus,   angeblich   1665  erbaut.    Eckhaus.    3  hohe   Geschosse, 

485 


Liste  der  Bürgerhäuser 

7  Achsen.  Vorkragungen  mit  gleich  profilierten  Balkenköpfen  und  Fall- 
hölzern.   Fensterstürze  segmentförmig. 

Calenberger  Straße   17  und   1<S: 

Fachwerkhäuser  um  1660 — 70.  Verschalle  Vorkragungen  von  kyma- 
artigem  Profil,  Rühm  mit   Hohlkehle. 

Calenberger  Straße   19: 

Fachwerkhaus,  um  1670,  4  Geschosse,  1  Achsen.  Verschalte  Vorkragun- 
gen.   Zwergerker  mit  geschwungenem  Giebel  und  figuraler  Bekrönung. 

Calenberger  Straße  20: 

Fachwerkhaus,   1665,  Meister  M.  H.  M.     1   Geschosse,  6   Gefache. 
Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

ALLEIN  AVF  GOTT  SETZ  DEIN  VERTRAWEN  AVE  MENSCHEN  HVLF 
SOLTV  NICHT  BAWN  GOTT  IST  ALLEIN  DER  GLAVBEN  HELT  SONST 
IST  KEIN  GLAVB  MEHR  IN  DER  WELT  — -  VND  WEN  DIE  WELT  VOL 
TEVFFEL  WER  VND  WOLTEN  VNS  GAR  VERSCHLINGEN  SO  FURCH- 
TEN WIR  VNS  NICHT  SO   SEHR. 

Calenberger  Straße  21: 

Fachwerkhaus,  1680 — 1700,  4  Geschosse,  4  Achsen.  Segmentförmige 
Fensterstürze.  In  der  Mitte  Zwergerker  von  2  Achsen  mit  geschwun- 
genen Giebelchen  und  Seitenanläufen.    Vasenbekrönung. 

Calenberger   Straße   22:    Geburtshaus  von  Leisewitz   (1752 — 1806). 
Fachwerkhaus,  um  1670,  4  Geschosse,  8  Gefache,  Windenerker  vielleicht 
jünger.     Im    Hinterzimmer    des    Erdgeschosses    Wandbekleidung    mit 
kleinen  Kacheln  holländischer  Herkunft. 

Calenberger  Straße  23: 

Fachwerkhaus,  1660 — 70,  4  Geschosse,  7  Gefache.  In  den  Vorkra- 
gungen Balkenköpfe  und  Füllhölzer  verschieden  profiliert.  Fußstreben 
überall.  Alle  Gefache  mit  Fenstern.  Hauptsims  zu  segmentartigem 
Giebel  ausgeschwungen.    Am   Giebelfeld  breitovales  Ochsenauge. 

Calenberger  Straße  21: 

Fachwerkhaus,  1660 — 70,  4  Geschosse,  5  Gefache  (3.  Obergeschoß  mit 
Zwerggiebel  ist  jünger).  In  den  Vorkragungen  sind  Balkenköpfe  und 
Füllhölzer  verschieden  profiliert.  Ursprünglich  alle  Gefache  mit  Fen- 
stern. 

Calenberger  Straße  28:  Neustädter  Apotheke. 

Fachwerkhaus,  Eckhaus,  um  1665,  4  Geschosse,  Giebel  an  der  Archiv- 
straße. Obergeschosse  vorgekragt,  keine  Konsolen,  Balkenköpfe,  Füll- 
hölzer und  Rahm  profiliert.  Im  1.  Obergeschoß  alle  Gefache  mit  Fen- 
stern, außenbündig, 

Calenberger  Straße  32:  s.  S.  617. 

486 


Galenberger  Straße 


sc 

.a 


487 


Liste  der  Bürgerhäuser 


488 


Calenberger  Straße 

Calenberger  Straße  36: 

Fachwerkhaus,  1661.  Eckhaus  zur  Großen  Duvenstraße,  von  Joh.  Duve  Abb.  32 
für  die  Familie  v.  Wallmoden  erbaut.  Vollständig  dem  folgenden  ent- 
sprechend. Erdgeschoß  heute  zu  Läden  ausgebaut.  Im  Traufsims 
sind  noch  die  Balkenköpfe  verziert.  Füllhölzer  mit  Zahnschnitt.  Beides 
fehlt  bei  Nr.  37.  Wetterfahne  mit  Meerjungfer  und  ,,1661".  An  einer 
Konsole  in  der  Frontmitte  Wappenschild  Joh.  Duves  mit  der  Taube. 
Als  Wappenbekrönung  ein  Antlitz  in  Eisenhaube.  Masken  an  allen 
Konsolen  mit  Gehängen  von  quellenden  Früchten,  Schildchen  in 
Ohrmuschelstil. 

Nach  Verfügung  des  Herzogs  vom  11.  November  1660  wurde  Joh- 
Duve  genötigt,  „die  beiden  Hausplätze  (36  und  37)  an  der  Calenberger 
Straße  mit  zweien  Wohnhäusern  fordersamst  zu  bebauen"  (vgl.  auch 
Altendorf,   Joh.  Duve,  in  H.  G.  1911,   S.  62  11). 


Calenberger  Straße  37  (städtisches  Eigentum): 

Fachwerkhaus,  Eckhaus  an  der  Gr.  Duvenstraße.  1665  von  Joh.  Duve  Abb.  323  u.  324 
für  die  Familie  v.  Knigge-Leveste  erbaut;  1779  durch  den  Kaufmann 
Carl  Ludwig  Vezin  angekauft  und  zum  Kolonial-  und 
Materialwarengeschäft,  auch  mit  Ladenverkauf,  einge- 
richtet. Firmenschild  über  dem  früheren  Eingange  an  der 
Gr.  Duvenstraße  von  1769  mit  Tabakrollen,  Zigarren, 
Fässern,  Zuckerhüten.  Das  Haus  hat  4  Geschosse,  Rück- 
seite nur  3.  2.  und  3.  Obergeschoß  auf  reichen  Konsolen 
vorgekragt.  An  der  Calenberger  Straße  14  Gefache,  an  der 
Gr.  Duvenstraße  8  Gefache.  Das  Dach  straßenwärts  in 
zwei  gestaffelten  Dachgeschossen  aufgeklappt.  Im  massiv 
ausgebauten  Oberteil  des  Giebels  eine  Windenluke  mit 
Glockenhaube  und  Wetterfahne.  Das  Mittelportal  an  der 
Calenberger  Straße  ist  erneuert.  In  den  vorgeklagten  Ge- 
schossen Balkenköpfe  mit  Fassettenbuckeln;  Kopfbänder 
in  Volutenwulste    zusammengedrückt,    deren   Oberflächen 

0  Abb.  323. 

mit  Schuppen,  Blättern  und  anderen  Mustern  belegt  sind.  Hannover; caien- 
Darunter  hängen  an  aufgerollten  kartuschenartigen  Schil-  bQr^n'  Straße  37, 
den  Masken,    Engels-  und  Kinderköpfe,   bärtige  Häupter 
und  Fratzen  herab.     Die  beiden  vorgekragten  Geschosse  haben  durch- 
weg Fußstreben. 

Die  Grundrißanordnung  zeigt  großes  Vestibül  und  (hölzerne)  Treppen- 
anlage im  Hintergrunde.  Die  Räume  noch  vielfach  mit  hohen  Holz- 
paneelen. Im  Erdgeschoß  bestand  ein  mit  Fliesen  ausgestattetes  Kaffee- 
zimmer. Der  Hof  mit  flachbogiger  Durchfahrt  an  der  Gr.  Duvenstraße 
(Maske  im  Schlußstein)  war  auch  von  der  Kl.  Duvenstraße  zugänglich. 


489 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  321.     Hannover;  Calenberger  Straße  :S7,  Vorderfront,  Teilansicht. 
IU.  15.  A..  1928. 


490 


Dachenhausenstraße 

Calenbergcr  Straße  39: 

Fachwerkhaus,  kurz  vor  1700,  Eckhaus  der  Kl.  Duvenstraße.  2  Ge- 
schosse, 5  Achsen,  Geschosse  sehr  hoch,  Mansardendach.  Die  hohen 
Fenster  mit  segmentförmig  geschnittenem  Sturzholz;  Fensterläden  mit 
Jalousien,  alt. 

Anschließendes  Nebenhaus;  Mansardendach  mit  weit  übergreifendem 
Oberdach. 

Calenberger  Straße  43: 

Massivhaus  um  1830,  2  Geschosse,  2  +  5  +  2  Achsen.  In  der  Mitte 
Scheinrisalit  mit  Dreiecksgiebel.  Doppelarmige  Freitreppe.  Im  Ober- 
geschoß hat  das  Scheinrisalit  Rundbogenfenster  und  Mitteltür  mit 
Balkon. 

Dachenhausenstraße  2 : 

Wohnhaus  des  Hofbauschmiedes  Knoke,  1825  durch  Laves  als  zwei-  Abb.  *>:-, 
geschossiger  Putzbau  erbaut,  als  die  Planierungsarbeiten  am  Festungs- 
walle die  Höhenlage  des  Erdgeschosses  noch  nicht  feststellen  ließen; 
daher  hohes  Doppelgeschoß  und  spätere,  zweiläufige  Freitreppe.  Das 
Erdgeschoß  hat  flach  vorgelegte  Scheinarkaden,  in  deren  Blenden 
die  Fenster  rechteckig  eingeschnitten  sind.  Im  Obergeschoß  haben 
die  Fenster  einfache  Rahmen  mit  Verdachungen.  Das  Haus  wurde 
später  aufgestockt. 
Lavessche  Zeichnung  von   1825  im   Stadtarchiv. 


Abb.  325.      Hannover;    Haus   Dachenhausenstraße   2,    ehemals   Böttcherscher   Hof. 
Kopie  nach  einer  Zchng.  von  Laves,  1825.     Dreistöckig  ausgeführt,  1879  verändert. 


491 


Liste  der  Bürgerhäuser 


I )  a  m  in  s  t  r  a  ß  e : 

Nach  Red.  Chr.,  S.  700  sind  1677  durch  Brand  „in  der  Barnstorfischen 
Hause  etliche  Brauhäuser  mit  vielen  Hintergebäuden  zwischen  Damm- 
und Kramerstraße  ruiniert". 

Dammstraße  2: 
Abb.  327  Traufenhaus,  Fachwerk,  etwa  1591;  1  Geschosse;  4  Gefache;  Erd- 
geschoß verändert.  2.  und  3.  Obergeschoß  auf  S-Konsolen  vorgekragt. 
Keine  Füllhölzer  und  Rahme.  1.  Obergeschoß  mit  Andreaskreuzen. 
Das  oberste  Geschoß  ist  wohl  nicht  ursprünglich.  Setzschwelle  des 
2.  Obergeschosses  mit  Inschriften  niederdeutsch  in  lateinischen  Groß- 
buchstaben (vgl.  Knochenhauerstraße  49). 

PSALM  78  HEBBE  •  DINE  •  I.VST  •  AM  •  HEBEN  •  DE  •  WERTT  •  DI  • 
GEVEN  •  WAT  •  DIN  •  HEBTTE  •  WVNSCHET  • 

Wüstefeld  hat  die  an  sich  unrichtige  Stellenangabe  des  Spruches  irrig 
gelesen:   15   I.  M.  78  (s.  auch  H.  G.   1914,    S.  215  und  252). 

Dammstraße  3: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1540.  Meisterzeichen  zurzeit  unleserlich 
(H.  K.  ?);  4  Geschosse,  7  Gefache;  2.  und  3.  Obergeschoß  vorgekragt 
auf  Krallenkonsolen  (3.  Obergeschoß  vermutlich  jünger).  Im  2.  Ober- 
geschoß kommen  einwärts  geschwungene  Fußstreben  vor.  Setzschwelle 
des  2.  Obergeschosses  mit  Inschrift  in  Kleinbuchstaben: 
2Bol  bar  oele  fraget  na  nnen  meren.  5)c  bar  feebt  na  onbc  locht  od! 
gerne  •  Sulctc  lubc  fcbaltu  mnben  •  2Dultu  nnebt  fallen  nn  grotb  loben. 

Dammstraße  5: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1590,  Meister  C.  H.;  4  Geschosse,  7  Gefache; 
Giebel  in  2  Geschossen.   Vorkragungen  aller  Obergeschosse  vom  2.  Ober- 
geschoß an  auf  S-Konsolen.    Keine  Füllhölzer,   aber 
Rahme.    Andreaskreuze.      Inschriften    niederdeutsch 
in    lateinischen     Großbuchstaben     auf     allen     Setz- 
schwellen.  Ein  Pfosten  im  2.  Obergeschoß  mit  Flach- 
schnitzwerk um   1570  in  zweiter  Verwendung. 
Kellergewölbe  mit  „plumpen   Graten". 
Straßenfront  : 

IOH  •  I  •  DAT  BLODT  •  1ESV  •  CHBISTI  •  MAKET  • 
VNS • FREI  •  VAN •  ALLEN •  SVNDEN. 
SALOMON  •  PBOVEB  •  16  •  BEVELE  DEM  •  HEBEN  • 
DINE  WEBCKE-  SO  -WEBDEN  •  DINE  -ANSCHLEGE  • 
VORT  •  GHAN. 

PSAL  •  CHI  •  WIE  SICH  EIN  •  VADER  •  VBEB  SINE  • 
KINDER  •  EBBABMET  •  SO  •  EBBABMET  •   SICH  •     „        *bb-  **•  .    , 

Hannover;  Dammstr. 5, 

DEB  •  HEBB  •  VBEB  •  DIE  SO  IN  FVRCHTEN.  Hof,  Konsole. 


492 


Dammstraße 

ROM  •  AM  •  4  •  CHRISTUS  •  IS  •  VMB  •  VNSER  SVNDE  •  WILLEN  • 
DARHEN  GEGEVEN  VND  VMB  •  VNSER  •  GERECHTICHEIT  •  WILLEN  • 
VPGEWECKET. 


Abb.  327.     Hannover;   Dammstraße  2—0.     Phot.  M.  li   A.,  1928. 

Hofseite  : 

Fachwerk  um  1590.    4  Geschosse.    2.,  3.  Obergeschoß  und  Traufe  auf 
S-Konsolen  vorgekragt.    Keine  Füllhölzer,  Andreaskreuze.    Inschriften  Abb.  32c 
auf   den  Setzschwellen   niederdeutsch  in  lateinischen   Großbuchstaben. 


493 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Im  Hofe: 

JOHANNES  •  3  •  ALSO  •  HEFT  •  GODT  •  DE  •  WELDT  •  GELEVET  . 
DAT  •  HE  •  SINEN  •  ENI  GEN  •  SON  •  GAEE  •  VP  •  DAT  ■  ALLE  •  DE  . 
AN  •  EN  •  GELOVEN  •  NICHT  •  VORLAREN  .  WERDEN  .  SONDERN  • 
DAT   ■   EWIGE  •  LEVENDT  •   HERRN. 

IESAIAS  •  WEISSAGET  •  ALSO  •  VOM  •  LEDEN  ■  CHRISTI  •  IM  .  LIII  • 
CAP  •  CHRISTUS  •  IST  •  VMME  •  VNSER  •  SVNDE  •  WILLEN  •  THO  • 
SCHLAGEN  •  DE  STRAFFE  LICHT  •  VP  •  EM  •  VP  •  DAT  •  WI  •  FREDE  • 
HEDDEN  •  VND  •  DORCH  •  SINE  •  WVNDEN  •  SINDT  •  WI  •  GEHEILET. 

Dammstraße  18: 

Traufenhaus,  Fachwerk  um  1565.  4  Geschosse,  5  Gefache.  Erdgeschoß 
verändert.  2.  Obergeschoß  auf  Trommelkonsolen  vorgekragt;  Fall- 
hölzer nach  Fruchtgirlandenmotiv. 

Mithoff,  Kdm.  S.  91,  überliefert  die  nicht  mehr  vorhandene  Inschrift: 
KIRCHEN    GEHEN    SEVMET    NICHT    •    ALMOSEN    GEREN    ARMET 
NICHT  •  VNRECHT   GVDT  GEDEIET  NICHT. 
S.  auch  Nr.  19. 

Dammstraße  19:  abgebrochen. 
Fachwerkhaus  von  1581. 

Die  Inschrift,  die  Mithoff  für  das  Haus  Nr.  18  (s.  Kdm.  S.  91)  angibt: 
DEVS  DAT  CVI  VVLT  •  1581  • 

stand    vielleicht    am    Hause    Nr.  19.     Ebenso    wohl    die    von   Riemer 
(H.  G.   1914,   S.  119)  mitgeteilte   Inschrift: 
DEO  DANTE  NIHIL  VALET  INVIDIA 
DEO  NON  DANTE  NIHIL  VALET 

Gr.  Du ven straße: 

Die  Häuser  13 — 18  sind  gleichzeitig  und  gleichartig  erbaut  durch 
.loh.  Duve  1662—64  (s.  die  Abb.  96,  Seite  156  nach  Zeuner). 
Nr.  18:  3  Geschosse,  12  Gefache.  Vorkragungen  mit  sichtbaren  Balken- 
köpfen. In  den  Obergeschossen  ein  um  das  andere  Gefach  mit  Fen- 
stern. Erdgeschoß  hat  Fußstreben  überall.  Mitteldurchfahrt  korb- 
bogig  mit  Oberlicht.  Umrahmung  mit  geschwungener  Verdachung 
und  Kartusche.  Tür  zweiflügelig,  Füllungen  mit  geschnitzten  Rahmen. 
Alte  Treppenanlage  erhalten;   runde  Doggen. 

Gr.  Duvenstraße    13: 

Eckhaus  zur  Rosmarinstraße.  Haustür  mit  Sandsteingewände,  segment- 
bogiges  Oberlicht,  dreiteilige  Tür. 

Gr.  Duvenstraße   15: 
Mitteldurchfahrt     mit     Sandsteingewände,    segmentbogiges    Oberlicht. 
Tür  dreiteilig. 

494 


Kl.  Duvenstraße 

Kl.  Duvenstraße: 
Ärmere  Fachwerkhäuser  der  Duvezeit,  gewöhnlich  3  Geschosse,  3  Ge- 


Abb.  :$28.     Hannover;  Kleine  Duvenstraße,  Häusergruppe.     Phot.  1905. 


fache,  Vorkragungen   ohne  Profilierung.    Verschalungen   meist  später.  Abb.  328 
Hier    und   da   Mansardendächer.     Haustüren    bei   den   Nummern    6,  9, 
10,   11,   14,   15,   19  bemerkenswert. 


495 


Liste  der  Bürgerhäuser 

E rnst-  Au gu s t-  S t  r  a  ß e  2 : 

Giebelhaus,  Eckhaus  Rademacherstraße,  Fachwerk,  um  1540.  Die 
modern  aufgemalte  Jahreszahl  1543  ist  willkürlich,  aber  ungefähr 
zutreffend.  Die  ganze  obere  Fron!  ist  1846  zurückgesetzt;  ein  Erker, 
links,  1840  beseitigt  worden.  Rademacherstraßenseite  von  2  Geschossen, 
8  Gefachen,  hat  Vorkragung  des  Obergeschosses  und  der  Traufe,  letztere 
mit  Krallenkonsolen,  Brüstungsleisten;  Fußstreben  in  jedem  Brüstungs- 
fach. Die  Inschrift  auf  der  Setzschwelle  in  Kleinbuchstaben  mit  Groß- 
buchstaben am   Satzanfange: 

fyov&tu  narvc  u>nl  bn  boef)  febemen.    2htbc  labt  boeb  bcö  buucls   proceffte 
betetnen.    93olgc  ebrteto  bmtent  gobe  uitbc  bereit.     53nbcr   fnn   bannerc 
ronl  bn  Heren.    Sat  ts  fmt  crutjc  ottbc  fnn  bntter  bobt  93nbc  fmt  Inbettt 
ottbc  | finte  unutbett  robh] 
(vgl.  die   Inschrift,  Köbelingerstraße   11). 

Ernst-August-Straße  3:  abgebrochen  1903. 

Eckhaus  zur  Rademacherstraße,  Wüstefeld  überliefert  die  Jahreszahl 
,,1567",  die  als  Baujahr  inschriftlich  angegeben  war.  Die  beim  Abbruch 
am  Hause  zu  lesende  Inschrift  und  Jahreszahl,  die  in  gleichzeitigen 
Zeitungsnotizen  sich  findet,  stammle  von  einer  1901  geschehenen 
Instandsetzung  des  Hauses.    Abb.  im   Stadtarchiv. 

Ernst-August-Straße  8: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  angeblich  1598;  nur  die  linke  Hälfte  im  alten 
Zustande.  Das  Haus  war  an  den  1682  abgebrochenen  Torbau  des 
äußeren  Leintores  angebaut.  2  Geschosse,  4  Gefache  alt.  Giebel- 
fnß  und  ein  Giebelgeschoß  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  An  der  Giebel- 
schräge liegt  die  Konsole  schräg.  Brüstungsleiste  von  Renaissance- 
profil. 

Ernst-August-Straße  10: 

Das  alte  Haus  war  dreigeschossig,  Fachwerk,  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts, mit  Mansarde  und  Erker.  Bei  Erbreiterung  der  Ernst-August- 
Straße  nach  1845  ist  die  alte  Fassade  gefallen  und  die  jetzige,  weiter 
zurückliegende  erbaut.  Im  1.  Geschoß  nach  der  Bückseite  (Blick  auf 
die  Leine  hinter  der  Brückmühle)  gut  erhaltene  Bäume  mit  Paneelen, 
Holztüren,  eine  davon  mit  geschnitztem  Monogramm  (,,A  G")  und 
Schnörkelwerk  im  Oberlicht.  Eingebautes  Eckschränkchen,  Ofennischen. 
Ornamentierte   Stuckdecke,  um  1750. 

Friedrichstraße  6:  s.  Breite   Straße  20. 
Fried  rieh  straße  7 — 8 : 

Wohnhaus,    vor  1833  erbaut,   stark  verändert.  Zeichnung  von  Hellner 

im   Stadtarchiv. 

496 


Friedrichstraße 

Friedrichstraße   15: 

Dreigeschossiges  Massivhaus  von  1+3  +  1  Achsen,  1822,  von  Laves.  Abb.  329 
Mittelrisalit  wenig  vorgezogen.  Erdgeschoß  mit  Rustika,  rundbogige 
Fenster,  im  Risalit  (rundbogige  Blenden  bei  rechteckigen,  jetzt  rund- 
bogigen  Lichtöffnungen.  Die  Brüstungen  der  Übergeschosse  mit  Balustern 
in  Gestalt  dorischer  Säulchen.  Hauptsims  mit  Zahn-  und  Konsolenschnitt. 
Auf  das  Giebeldreieck  über  dem  Risalit  bezieht  sich  ein  Veränderungs- 
vorschlag  von  1827.     Innenausstattung  ehemals  mit  gemalten  Tapeten. 


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Abb.  329.     Hannover;  Friedrichstraße  15,  erbaut  1822  von  Laves.     Phot.  M.  B.A.,  1928. 


Der  Ran  des  Hauses  1822  genehmigt.  Es  gehörte  Laves  als  Bauherrn. 
Zeichnungen  von  Laves  im  Stadtarchiv.  Rewohnt  wurde  das  Haus 
vom  General  Sir  Hugh  Halkett,  f  1863.    Seit  1908  Eigentum  der  Stadt. 

Friedrichstraße   16: 

Haus  des  Barons  von  Campe,   erbaut  um  1830,    später  Wohnung   des  Abb.  330 
Gesandten  des  kaiserlich  französischen  Hofes,  bis  1866. 

32  497 


Liste  der  Bürgerhäuser 


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Abb.  330.    Hannover;  Friedrichstraße  16  um  1830.    Stadtarch. 

Georgsplatz  19: 

Abb.  331  Wohnhaus,  Eckhaus  zur  Landschaftsstraße.  Putzhau,  1847  durch 
Eheling  erbaut.  Antikisierender  Aufbau  mit  romanischen  und  gotischen 
Einzelformen. 

Georgs  platz  20:  abgebrochen   1891. 
Abb.  332      Putzbau,   1851   durch  Tramm  erbaut. 


Georgstraße  23:  abgebrochen   1912. 

Haus  des  Generals  v.  d.  Bussche:  später  Dienstwohnung  des  Regierungs- 
präsidenten, 1829  von  Schuster  erbaut.    Freistehender  dreigeschossiger 
Putzbau  von   7  Achsen,   deren   3  im  Mittelrisalit  lagen.     Dieses  hatte 
im  Obergeschoß  3  Rundbogenfenster  und   Balkon  auf  Konsolen. 
Zeichnung  im  Stadtarchiv. 

498 


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Abb.  331.     Hannover;  Georgsplatz  19.    Nach  Entwurfszeichnung  von  Ebeling,  1847.    Stadtarch. 


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Abb.  332.    Hannover;  Georgsplatz  20,  abgebrochen  1891.    Nach  Entwurfszeichnung  von  Tranim,  1851. 

Stadtarch. 

499 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Georgstraße    24:  abgebrochen  um   1  <S<S  1 

Abb.  333  Haus  des  Kabinettsrates  Falcke,  1829  von  Schuster  erbaut.  Zwei- 
geschossiger Putzbau  von  5  Achsen.  Eingangstür  mit  Freitreppe  in 
der  Mittelachse,  die  außerdem  durch  einen  Balkon  auf  Pilastern  aus- 
gezeichnet war.    Rustiziertes  Keller-  und  Erdgeschoß;  gestelzte Pilaster- 


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Abb.  '.Y.i'.i.    Hannover;  Georgstraße  24.    Nach  Entwurfszeichnung  von  Schuster,  1829.    Stadtarch. 


an  den  Kanten.  Rechteckige  Fensteröffnungen  überall; 
diejenigen  im  Obergeschoß  mit  Rahmen  und  Verdachung.  Walmdach. 
Abb.  im  Stadtarchiv. 

Georgstraße  26: 

Abb.  334  Durch  Aufstocken  und  Anbau  links  im  Jahre  1899  veränderter  Putzbau; 
das  Erdgeschoß  war  schon  früher  zu  Läden  eingerichtet.  Als  Wohn- 
haus des  Hauptmanns  Jasper  1825  von  Laves  erbaut:  ursprünglich 
2   Geschosse  bei  5  Achsen,  von  denen   drei   in  schwach  vortretendem 


500 


Georgstraße 

Mittelrisalit  unter  Dreiecksgiebel  zusammengefaßt  waren.  Das  Ober- 
geschoß des  Risalites  ist  durch  vier  ionische  Pilastervorlagen  gegliedert; 
dazwischen  gerahmte  rechteckige  Fenster,  über  denen  in  breitrecht- 
eckigen, vertieften  Feldern  kleine  Festons  angebracht  sind.   Die  Haustür 


Abi).  334.     Hannover;    Georgstraße  2fi.     Phot.  1913. 


reicher  umrahmt  und  mit  konsolengetragener  Verdachung  versehen; 
alle  übrigen  Öffnungen  ohne  Einfassungen  in  die  rustizierten  Wand- 
flächen eingeschnitten. 

Georgstraße    27:    Nordostecke    der    Windmühlenstraße,     abgebrochen 
1905. 
Als   Wohnhaus   des   Fräul.   v.  Bremer   durch  Laves   um    1823   erbaut;  Abb.  335 
1849  zum  Hotel  erweitert  und  umgebaut.    Im  ursprünglichen  Zustande 
zweigeschossig  bei  7  Achsen,  deren  mittlere  drei  in  schwach  vorgezogenem, 
dreigeschossigem  Risalit  lagen.    Das  Erdgeschoß  war  gequadert  und  mit 

501 


Liste  der  Bürgerhäuser 


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Abb.  335.    Hannover;  Georgstraße  27,  Zustand  184<).    Stacltarch. 

rundbogigen  Öffnungen  versehen.  Das  Hauptgeschoß  des  Risalites 
zeigte  vier  Paar  flacher  jonischer  Piiastervorlagen,  dazwischen  drei 
rechteckige  Fenster  in  Rundbogenblenden,  deren  Bogenfeld  mit  einem 


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Abb.  336.    Hannover;    Georgstraße  28,  1S25.    Stadtarch. 


502 


Georgstraße 

Muschelornament  gefüllt  war.  Das  3.  Geschoß  des  Risalites  mit  glatt 
eingeschnittenen  Öffnungen  schloß  in  flachem  Dreiecksgiebel.  Sämt- 
liche   Fenster   des    Obergeschosses    hatten    Balustradenbrüstung.     Die 


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Abb.  337.     Hannover;  Georgstraßo  29.     Phot.  1910. 

Front  wurde  beiderseits  durch  eingeschossige  Durchfahrten  mit  Altanen 
—  rechts  deren  zwei  —  verlängert. 
Aufnahmezeichnung  von  1849  im   Stadtarchiv. 

Georgstraße  28:   Südostecke  der  Windmühlenstraße. 

Massivhaus,    als    Wohnhaus    des     General-Pay-Masters    Taylor,    1825  Abb.  336 
von  Hellner  erbaut,  doch  später  durch  Oppler  verändert  (Zeichnungen 
in  dessen  Nachlaß).    In  der  Hellnerschen  Fassung  fünfachsiger  Putzbau 


503 


Liste  der  Bürgerhäuser 


von  2  Geschossen  mit  eingeschossigem  Anbau  an  der  Windmühlenstraße 
(Remise).    Die  mittleren  3  Achsen  waren  als  Risalit  wenig  vorgezogen, 

das  durch  einen  auf  dorisch«  n   Säulen  ruhenden  Balkon  ausgezeichnet 
war.    Eine  Attika   bekrönte   das   Risalit.    Die   spätere  Fassung  baute 
den  Balkon  voll  aus  unter  Verwendung  jonischer  Wandvorlagen  und 
eines  jonischen  Palmettenfrieses. 
Die  Hellnersche  Zeichnung  im  Stadtarchiv. 

Georgs  t  r  a  13  e  29 : 
Abb.  337      Massivhaus,    4    Geschosse,    Ziegel    ohne    Putz,    Sandsteinverwendung, 
Gußeisenbalkon,  18(51  von  Droste  als  Brauergildehaus  erbaut;  Brauer- 
gildewappen. 

Goldener  Winkel  1 : 
Traufenhaus,  Fachwerk,  1570-  80,   3  Geschosse,  2  Ge- 
fache,    Vorkragung     des    2.    Obergeschosses    und     der 
Traufe   auf   S-Konsolen. 
Setzschwelle   1.  Obergeschoß: 

WOL  GODT  VORTRVWET  DE  HEFDT  WOL  GEBVWET 
GODT  Sl  MIT  VNS 

Goldener  Winkel  2: 
Abb.  338  Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1565,  3  Geschosse,  4  Ge- 
fache, Erdgeschoß  verändert.  2.  Obergeschoß  und  Traufe 
auf  Trommelkonsolen  vorgekragt.  Auf  der  Trauf- 
schwelle ein  Fries  von  Vorhängebögen  (s.  H.  G.  1914, 
S.  129  Anm.).   Bei  den  Konsolen  ist  die  untere  Trommel  Abb-338-  Hannover; 

Goldener  Winkel  2, 

besonders  eingesetzt.  Trommelkonsole. 


Haarstraße  5: 

Backsteinwohnhaus  |mit  Turm.  1860  durch  Hotzen  erbaut.  Gotische 
Formen.     Sogenannte  „Hotzenburg". 

Hindenburg-(Tiergarten-)straße   1 : 

Wohnhaus,  Sandsteinbau  von  Euer,  1864  erbaut.  Mit  Erkerturm, 
Blumenhaus,  Veranden,   Sternwarte. 

Am  Holzmarkt  3: 

Fachwerkhaus,  Eckhaus,  um  1660;  4  Geschosse,  Holzmarktseite  mit 
Giebelerker.  Vorgekragte  Geschosse.  Balkenköpfe  sichtbar,  Füll- 
hölzer gleich  profiliert.    Fußknaggen  abwechselnd. 

Zum  Grundstück  gehörte  ursprünglich  das  Nachbargrundstück  auf  der 
Kramerstraße. 
Innenausstattung  des  Ladens  teilweise  um  1830. 

Holzmarkt  8: 

Nach  einem  Stich  von  1727  (Freudenbezeugungen)  scheint  das  damals 
hierstehende  Haus  von  der  Art  des  Apothekenflügels  gewesen  zu  sein. 


504 


Knochenhauerstraße 

Das  heulige  Haus  Nr.  <S  ist  ein  Fachwerkhaus  aus  dem  Anfange  fies 
18.  Jahrhunderts,  1  Geschosse,  4  Achsen.  Dreiecksgiebel  über  2  Achsen, 
Doppelpfosten,  Geschosse  vorgekragt,  aber  mit  architravartig  profilierten 
Schalsimsen. 

Joseph  Straße  9: 

Eigenhaus  des  Erbauers,  C.  W.  Hase,  1858  in  Ziegeln  erbaut.  Ein- 
geschossig; Grundriß  mittelalterlich.  Kleine  Giebelfassade  von  farbigen 
Ziegeln.   Erstes  gotisches  Backsteinwohnhaus  der  hannoverschen  Schule 

Kaiser straße  3: 

Traufenhaus,    Fachwerk,    an- 
geblich  1556,    wahrscheinlich 
später  (H.  G.  1914,    S.   192). 
4  Geschosse,  4  weite  Gefache, 
2.   und    3.  Obergeschoß     und 
Traufe    auf   Konkavkonsolen 
besonderer    Form     (s.   H.   G. 
1921,  S.  127). 
Kaiserstraße  2  und  Kaiser- 
straße 4: 
Vorkragungen       mit      Kon- 
solen  besonderer  Form.    Vgl. 
Knochenhsuerstraße  55,   Sei- 
tenflügel. 
Knochenhauerstraße   1:  abgebrochen   1898. 

Giebelhaus,  Eckhaus  Marstallstraße,  Fachwerk,  1540 — 50;  4  Geschosse 
einschließlich  Zwischengeschoß;  8  Gefache,  Giebel  (Knochenhauer- 
straße) gewalmt.  2.,  3.  Obergeschoß  und  Giebelfuß  bzw.  Traufe  mit 
Krallenkonsolen.  Fußstreben  auswärts  geschwungen  wie  bei  Markt- 
straße 7/8.  Setzschwellen  mit  Halbrosettenfriesen.  Erdgeschoß  war 
zur  Zeit  des  Abbruches  verändert.  Meisterzeichen  T.  G.  Abb.  Stadt- 
archiv (s.  H.  G.  1914,  S.  112). 
Knochenhauerstraße  5:  Hinterhaus. 

Fachwerkhaus,  1645.  Dirck  Stunkel.  Konsolen  sind  nicht  verwandt. 
Setzschwelle   1.  Obergeschoß: 

GORT  RIKEN  CATHARINA  HVRLEBVSCH  •  ME  •  FIERI  •  FECIT  •  ANNO  • 
CHRISTI -1645.  DmCK 

Am  Pfosten,  Mitte  2.  Obergeschoß  über  Emblemen  (Scheit 

,     .  S  I  INLKliL 

und  Axt). 

Knochenhauerstraße  7 : 

Mischbau  1594,  Art  der  Marktkirchenhäuser  in  der  Schuhstraße.  Erd- 
geschoß und  1.  Obergeschoß  in  Ziegeln  mit  Eckverzahnungen  in  Sand- 


Abb.  339.  Kaiserstraße  2.  Abb.  340.   Kaiserstraße3. 

Konsolen. 


505 


Liste  der  Bürgerhäuser 

stein.    Fenster  mit  profilloser  Sandsteinumrahmung.     Erdgeschoß  ver- 
ändert.    Alte   Einfahrt,  wahrscheinlich  rechts,  besteht  nicht  mehr. 
2.  und  3.  Obergeschoß  (in  Fachwerk  von  0  Gefachen)  und  Traufe  auf 
S-Konsolen    vorgekragt.     Füllhölzer   nach  dem    Fruchtgirlandenmotiv. 
2.  Obergeschoß   iiberputzt. 

Am  Erdgeschoß  zwei  Wappenschilde  mit  M.  H.  G.  (Magister  Henrich 
Garber,  Pastor  der  Marktkirche,  f  1609,  als  Bauherr)  und  M.  W. 
(Margareta  Wolders).     Darüber: 

MORTALI  SATIS  EST  •  IESUS  SERAATOR  MEUS  •  SOLI  DEO  OLORIA. 
Obere   Schwelle: 

DAS  •  EWIGE  •  GVDT  •  MACHT  •  HKCHTEN  •  MATH  •  DABEIBK  •  WAGE  • 
GVDT  •  AND  •  LEIB  •  GODT  •  HILF  •  MIB  •  AEBWINNEN. 
Untere   Schwelle: 

PSAL  •  XC  •  HEBB  •  GODT  •  SEY  ■  ANS  •  FBEANDTLICH  •  AND  • 
EABDEBE  •  DAS  •  WEBCK  •  ANSEB  ■  HENDE. 

K  n  o  c  h  e  n  h  a  u  e  r  s  t  r  a  ß  e  8 : 

Eckhaus,  in  Fachwerk,  1534;  Giebel  an  der  Knochenhauerstraße. 
3  Geschosse,  8  Gefache,  Erdgeschoß  und  1.  Obergeschoß  glatt;  2.  Ober- 
geschoß weit  vorgekragt,  links  in  2  Gefachen  durch  die  erkerartig 
vorgezogenen  Untergeschosse  gestützt.  Giebelfuß  auf  Konsolen  vor- 
Abb.  34i  u.  342      gekragt   (Schwelle   mit   flacher   Weinranke).     2.  Giebelgeschoß   ebenso. 


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SZ22 


Abb.  341.     Hannover;  Knochcnhaucrstral3e  8  (1534).    D.,  1925. 

Andreaskreuze;  Spitzbogen;  Einfahrt  1873  verbaut:  Zwickel  mit 
Hausmarken  (aufgemalt,  die  geschnitzten  sind  gelöscht),  Flachranken- 
werk und  Datierung:  ANNO  •  DNI  •  MD-  XXX  IUI  (Großbuchstaben). 
Seitenfront  am  Goldenen  Winkel:  10  Gefache,  Vorkragungen  2.  Ober- 
geschoß und  Traufe  mit  Krallenkonsolen;  Setzschwelle  2.  Obergeschoß 
mit  Inschrift  (Kleinbuchstaben  mit  Großbuchstaben),  deren  Fort- 
setzung  auf   der    Giebelfront   des    Hauses   weitergeht: 


506 


Knochenhaut' ist  nilk' 


Abb.  342.    Hannover;  Knochenhauerstraße  8,  Eckhaus  zum  Goldenen  Winkel. 
Phot.  M.  B.  A.,  1928. 

<Pscil:  33  fein  foenunge  t>elpct  fr»nc  grote  maetyt  niebt.  <Snn  ■  refe  •  wert  • 
niebt  •  gevebbet  •  boreb  •  finc  •  grote  •  traft.  9?offe  •  bclpet  •  od!  •  nid)t  ■  on 
(Hausecke)  cre  •  grote  •  ftetrefbeit  •  bclpct  ■  oä  ■  nicht.  611  •  bes  •  bere  • 
ogc  •  ^nbt  •  op  •  fo  •  bc  •  onc  •  fruebte  •  on  •  op  •  finc  •  gubtbcit  •  bopen.  Qat  ■ 
bc  •  orc  •  jelc  •  9*cbbc  •  oä  ■  bobe  •  on  •  erner  •  fc  •  i)n  •  ber  •  buren  •  tt)bt. 


507 


Liste  der  Bürgerhäuser 

An  der  Seile  des  Goldenen  Winkels  sind  die  Fußstreben  einwärts 
geschwungen.  Setzschwelle  1.  Obergeschoß  mit  gotischer  Wellenranke, 
die  nach  links  hin  in  Wolfskopf  ausläuft.  (Abb.  bei  Mithoff,  Archiv, 
Tafel  XX  f.  -  die  Schwellenverzierung  setzt  Mithoff  irrig  um  1580.) 
Abb.  auch  bei   Galland,  a.  a.  O.  1886,  Tafel  26. 

Hofseite:  Vorkragung  mit  gotischen  Knaggen.  Setzschwelle  mit  Haus- 
marke  und   Inschrift:  ANNO  •  DOMINI  ■  1564    (Blattornament). 

Knoc h e  n h a u  e r s  t  r  a  ß  e   10: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1565(  ?),  stark  verändert,  in  der  Vorkragung 

des  3.  Obergeschosses  zwei  Trommelkonsolen  erhalten. 

Mithoff,    Kdm.    S.  94,   gibt   die  jetzt   unter   Putz   verdeckte    Inschrift: 

TRACHTET  AM  ERSTEN  NACH  DEM  REICHE  GODTES  VNDE  NACH 

SINER    GERECHTIGKEIT-    SO   WIRD    SOLCKES  ALLES   ZVFALLEN 

WENN  GODT  WILL. 

Meisterzeichen  ebenfalls  überputzt:  HM(?). 

Knochenhauerstraße  16: 
Abb.  343  Giebelhaus,  Eckhaus,  Fachwerk,  1590 — 1600;  3  Geschosse,  Giebel 
ebenfalls  in  3  Geschossen  ausgebaut;  5  Gefache,  Erdgeschoß  verändert. 
2.  Obergeschoß,  Giebelfuß  und  alle  Giebelgeschosse  auf  S-Konsolen 
vorgekragt.  Keine  Füllhölzer.  Die  Konsolen  der  Giebelschräge 
sind  schräggestellt.  Andreaskreuze  überall,  Brüstungsleisten  im  Giebel 
mit  Zahnschnitt. 

Die  Seitenfront  (Ballhofstraße)  von  9  Gefachen  hat  alte  Einfahrt  in 
der  Frontmitte  gehabt. 

K  n  o  c  h  e  n  h  a  u  e  r  s  t  r  a  ß  e  20 : 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1580.  Meister:  C  M.  4  Geschosse,  4  Gefache; 
unverändert  bis  auf  die  Fenster  ist  nur  2.  Obergeschoß  mit  den  Vor- 
kragungen darunter  und  darüber  (ehemalige  Traufe),  3.  Obergeschoß 
ist  später.  Vorkragungen  auf  S-Konsolen  (neben  Hokenamtshaus 
frühestes  erhaltenes  Beispiel  mit  S-Konsolen);  Füllhölzer  nach  dem 
Motiv  der  Fruchtgirlande.  Pfosten  mit  postamentartiger  Ausbildung 
und  Verkröpfungen.  Brüstungsfüllungen  in  Holz  durch  zwei  gekuppelte 
Renaissancenischen  belebt.  Inschrift  Setzschwelle  2.  Obergeschoß  in 
Großbuchstaben. 

GOT  •  IST  •  MEIN  •  SCEPPER  •  CRISTVS  •  MEIN  •  ERLÖSER  •  DE  • 
HILLIGE  •  GEIST  •  MIN  •  TRÖSTER. 

Meisterbezeichnung  am  Mittelpfosten  2.  Obergeschoß:  M.  CM.    =  Cort 
Meyer  (Meister  CM  auch  am  Hause  Osterstraße  66,   1586). 
(S.  auch  H.  G.  1924,   S.  113,  und  H.  G.  1914,   S.  252.) 

508 


Knochenhauerstraße 


Abb.    343.     Hannover;    Knochenhauerstraße    l(i,    Eckhaus    zur    Ballhofstraße. 
Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


509 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Knochenhauerstraße  21: 

Abi).  344  Giebelhaus,  Fachwerk,  1550 — 60,  Art  des  TG.;  4  Geschosse  einschließlich 
Zwischengeschoß.  9  Gefache,  2.  und  3.  Obergeschoß,  Giebelfuß  und 
ein    Giebelgeschoß   auf   Krallenkonsolen   vorgekragt.     Brüstungsleisten 


Abb.  344.    Hannover;  Knochenhauerstraße  21.     Phot.  1028. 


mit  Tauornament.    Andreaskreuze.    Halbrosettenfriese  auf  allen   Setz- 
schwellen   mit    Zwickelblatt.     Im    Erdgeschoß    bestand    bis    um    1850 
rundbogige  Einfahrt,  links  der  Mitte. 
An  der  Hofseite  ist  das  Zwischengeschoß  deutlicher. 


510 


Knochenhaucrstraüc 


Abb.  345.     Hannover;  Knochenhauerstraße,  Straßenbild,  Ilauser  22—28,  rechts.     Phot.  M.B.A.,  1928. 


511 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Abb.  345  Knochenhauer straße  23: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  lf).~)f),  Meister  I.  G.;  1  Geschosse,  1  Gefache, 
2.,  3.  Obergeschoß  und  Traufe  auf  Krallenkonsolen,  keine  Füllhölzer. 
Im  3.  Obergeschoß  Andreaskreuze.  Einfahrt  links,  verändert.  Sturz- 
schwelle  mit  Hausmarken  und  Datierung  verstümmelt.  Meister- 
nennung auf  dem  rechten  Ende  der  Setzschwelle  3.  Obergeschosses  mit 
Emblemen.  Inschriften  niederdeutsch  in  lateinischen  Großbuchstaben: 
Setzschwelle  3.  Obergeschoß: 

MINSCHE  •  BEDENCKE  •  DEN  •  ENDE  •  DE  •  DODT  •  IS  •  SCHNL  •  VNDE  • 
BEHENDE  ■  AMEN  •  |_'~1  I  •  G. 
Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

ICK  •  BIN  •  DE  •  VPSTANDIGE  •  VNDE  •  DAT  •  LEVENDT  •  WOLL  •  AN  • 
MI  •  LOVET  •  DE  •  WEBT  •  LEVEN  •  IOAN:   I. 
Das  Hinterhaus,  Fachwerk,   1612.    Inschriften: 
Setzschwelle  3.  Obergeschoß: 

WAS  •  D[V  •  WILT  •  DAS  •  MAN]  •  DIB  •  THVE  •  DAS  •  SOLTV    EINEM 
ANDEBN  THVN  AVCH. 
Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

SIGH  •  HINTER  [DICH  •  VND  •]  VOR    DICH  •  DIE  •  WELT    IST 
BETR  IE  GLICH. 
Setzschwelle   1.  Obergeschoß: 

ACHEN  ANNO  DOM  INI   1612. 


M 


Auf  dem  verdeckten   Schlußstein  der  Durchfahrt    soll    stehen  ,,1615". 

K n o c h e n h a u e rs tr a ße  2(S : 

Fialengiebelhaus  in   Ziegeln,   um   1450;   der  letzte   Vertreter  seiner  Art 
im    Wohnhausbau.     Erdgeschoß   schon    im    1<S.  Jahrhundert    verändert 

aw,  346  (s.  Mithoffs  Aufnahme  von  1845  im  Archiv  Abt.  1,  Tafel  XIV  und  XVI); 
dann  durch  Schaufenstereinbau  um  1880  erneut  umgestaltet,  wobei 
Erd-  und  Zwischengeschoß  vereinigt  worden  sind.  Erdgeschoß  hatte 
rechts  eine  durch  das  Zwischengeschoß  reichende  Auslucht,  etwa  1570 
vorgebaut.  Die  ehemalige  Hofeinfahrt  ist  vom  Nachbar  überbaut. 
Der  fünfgeschossige  Fialengiebel  hebt  über  einem  Friese  aus  gebranntem 
und  glasiertem  Tone  an,  der  nach  Mithoff  1848  hergestellt,  jetzt  aber 
beseitigt  ist:  aneinandergereihte,  durch  Laubstab  getrennte  Rund- 
medaillons mit  fünfpassigen  Rosetten,  deren  inneren  Kreis  je  ein  Löwe 
und  ein  Greif  wechselnd  schmücken.  Der  Dachansatz  liegt  oberhalb 
des  ersten  Fialengiebelgeschosses. 
Auf   der    Hauptgesimsschräge    sind    in   gleicher    Konstruktion    wie    bei 

Abb.  347  den  abgebrochenen  Häusern  Marktstraße  1<S  (Isern  Porte)  oder 
Schmiedestraße  11  und  wie  bei  den  Rathausgiebeln  selbst  hier  acht 
übereckgestellte  Bündelpfeiler  als  Fialen  hinaufgeführt,  belebt  durch 
wechselnd    unglasierte    und    glasierte    Ziegelschichten.       Geschoßweise 

512 


Knochenhauers  traße 


' 


Abb.  34(i.    Hannover;  Knochenhauerstraße  28. 
Nach  Mithoffs  Aufnahme  von  1845. 


33 


513 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.   347.     Hannover;   Knochenhauerstraße  28,  Treppengiebel  mit   Fialen.     Phot.  1905 


514 


Knochenhauerstraße 


spannen  sich  zwischen  die  Fialen  spitzbogige  Blendnischen,  welche 
von  gekuppelten  kleeblattbogigen  Licht  Öffnungen  durchbrochen  werden. 
Nur  in  den  äußersten  Blenden  jedes  Geschosses  sind  auch  diese  blind. 
Die  Bogenfelder  der  Blenden  tragen  an  Stelle  der  Lilienornamente 
jener  genannten  Giebelbeispiele  hier  Rosetten  der  gleichen  Art,  wie 
sie  der  Fries  aufweist.  Die  Giebelstufen  sind  im  Gegensatz  zu  jenen 
Beispielen  ohne  oberen  Abschluß.  Die  Fialen  tragen  Kugelaufsätze 
aus  der  Renaissance  und  schmiedeeiserne  Stangen  mit  Zierat. 
Das  Innere  des  Hauses  ist  ganz  umgestaltet  als  Warenlager  oder  zu 
Wohnungen. 

Knoche n h a u e r s t r a ß e  30 : 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1580 — 90,  vielleicht  gleicher  Meister  wie  bei 
Nr.  31.  Ursprünglich  3  Geschosse,  5  Gefache;  2.  Obergeschoß  und 
ehemalige  Traufe  auf  S-Konsolen.  Im  1.  Obergeschoß  teilweise  Andreas- 
kreuze erhalten.  Inschrift  an  der  rechten  Hälfte  des  2.  Obergeschosses: 
LAT- TROTZEN  •  IVMMER  •  WEB  •  DA  •  WIL  •  GOT  •  IST  •  ALLEIN 
MIN-  ZEIL- 

K  n  o  c  h  e  n  h  a  u  e  r  s  t  r  a  ß  e  3 1 : 

Traufenhaus,   Fachwerk,    n.    Inschrift    1608.     3    Geschosse,   4   Gefache; 

ein    4.  Geschoß     mit    weitausladendem    klassizistischen    Hauptsims   ist 

später.     2.   Obergeschoß    und   ehemalige   Traufe   auf    S-Konsolen.      Im 

2.  Obergeschoß   Andreaskreuze.     Füllhölzer  fehlen.      Schwelleninschrift 

des   3.  Obergeschosses   aufgemalt : 

SIE  •  HINTEB  •  VND  •  VGL  •  DICH  •  DIE  •  WELT  •  IST  ■  BETBIEGLICH  • 

GEBAWET  •  ANNO  •  DOM  INI  •  1608. 

Setzschwelle  2.   Obergeschoß: 

HABE  •  GOT  •  VOR  •  AVGEN  ■  VND  •  TBVE  •  INE  •   IN 

ALLEN   •    DINGEN   •    SO  •   KAN  •  ES   •    DIB   •    NICHT 

MISGELINGEN. 

K  n  o  c  h  e  n  h  a  u  er  st  r  a  ß  e  32 : 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1590.  Ursprünglich:  3  Ge- 
schosse, 4.  Geschoß  um  1660  aufgesetzt;  5  Gefache; 
2.  Obergeschoß  und  ehemaliges  Traufsims  auf  S-Kon- 
solen. Pfosten  und  Füllhölzer  von  Flachschnitlranken 
überdeckt;  vordere  Konsolenflächen  mit  Beschlag- 
ornament. Inschrift  hochdeutsch  in  Schwabacher  Groß- 
und  Kleinschrift : 
6ci  nicht  ein  2Bcinfenffer  ben  ber  SBcin  bringt  Diel  Seilte  Ha»n°^r;  Knochen- 

a  hauerStraße  32, 

limb   ©Ut.  S-Konsole. 

Veränderung  der  Fassade   1825  baupolizeiamtlich  genehmigt. 


515 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Knochenhauerstraße  36:  abgebrochen  1884. 

Tutel-  den  1881  zur  Erweiterung  des  Platzes  nördlich  der  Marktkirche 
abgebrochenen  Häusern  war  bemerkenswert  Nr.  36.  Fachwerkbau 
von  1657,  vielleicht  von  Meister  CH.  S.,  mit  reichgeschnitzten  Hänge- 
erkern. Abb.  H.  G.  1914,  S.  288.  Die  Erker  mit  bauchartig  geschwun- 
genem Ansätze,  wie  bei  Dammstraße  1.  In  den  Brüstungsfeldern 
waren  Reliefs:  hastendes  Wild,  jagende  Hunde,  geschwänzte  Meer- 
jungfrauen. Ähnlich  wie  Am  Markt  6  von  1663,  ebenfalls  1884  abge- 
brochen, jetzt  Lavesstraße  82  wieder  errichtet. 

Knochenhauerstraße  41   und  42: 

Fachwerkhaus,  um  1800,  4  Geschosse  je  5  Achsen,  beide  ungefähr 
gleichzeitig.  Keine  Vorkragungen,  Schalsimse.  Im  weitausladenden 
Hauptsimse   ein   Zahnschnitt,    Doppelpfosten   mit   kurzen    Querriegeln. 

Knoc h e n hauerstraß e  43 : 

Giebelhaus,  Eckhaus  Schuhstraße,   Fachwerk,    1550 — 60,   Art  des  TG., 

3  Geschosse,  8  Gefache,  Giebel  (Knochenhauerstraße)  gewalmt.  2.  Ober- 
geschoß und  Giebelfuß  bzw.  Traufe  mit  Krallenkonsolen.  Gefache 
vielfach  verändert,  im  Giebel  Andreaskreuze.  Auf  den  Setzschwellen 
Halbrosettenfriese.  Links  späterer  Erker  von  2  Gefachen  durch  2  Ge- 
schosse. 

An  der  Schuhstraßenseite  11  Gefache;  Erdgeschoß  auch  hier  ver- 
ändert. Im  2.  Obergeschoß  hier  und  da  Andreaskreuze  erhalten.  Balken- 
köpfe wie  an  Vorderfront  mit  Diamantbuckel.  Inschrift  auf  der  Setz- 
schwelle des  2.  Obergeschosses  lateinische  Großbuchstaben: 
ICK  •  WET  •  DAT  •  MIN  •  VORLOSER  •  LEVET  •  VNDE  •  HE  •  WERT  • 
DARNA  •  MIT  •  DVSSER  •  MINER  •  HVDT  •  VMME  •  GEVEN  •  WERDE  • 
VNDE  •  WERT  •  IN  •  MINE  •  FLESCH  •  GODT  •  SEN  •  VNDE  •  MIN  •  OGEN  • 
WERDEN  •  ENE  •  SCHAWEN  •  VNDE  •  NENE  •  ANDER  •  AMEN:  JOB:  19. 

Knochenhauerstraße  49: 

Traufenhaus    in    Fachwerk,    vielleicht    1574,    Meistersignatur:    M.  H., 

4  Geschosse,  6  Gefache,  Erdgeschoß  verändert.  2.,  3.  Obergeschoß 
und  Traufe  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  Füllhölzer  nach  Girlanden- 
motiv. Im  3.  Obergeschoß  einwärts  geschwungene  Fußknaggen  und 
aufgenagelte    Brüstungsleiste.      Giebelerker    von    2    Gefachen    in    der 

Abb.  350      Frontmitte.  Meisterzeichen  am  zweiten  Pfosten  von  links  im  3.  Ober- 
geschoß.    Inschriften:     Setzschwelle  3.  Obergeschoß: 
EL  •   SO  •  HEFT  •   GOT  •  DEWELT  •   GELEVET  •  DAT  •  HE  •  SINEN  • 
ENI  GEN  •  SONE  •  GAF  •  VP  •  DAT  •  AL  •  DE  •  AN  •  EM  •  GELOVEN  • 
NICHT  •  VORLOREN  •  WOEREN.     Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

516 


Knochenhauerstraße 

NA  •  DI  •  HERE  •  VORLANGET  •  MI  •  MIN  •  GODT  •  ICK  •  HOPE  •  VP  • 

DI  ■  LAT  •  MI  •  NICHT  •  TO  •  SCHANDEN  •  WERDEN  •  PSALMO  •  25. 

Die  dann  folgende   Jahreszahl   ist   aufgemalt   und 

bezieht  sich  auf  die  Rückfront   (s.  daselbst).    Die 

von    Mithoff    des    weiteren    mitgeteilte    Inschrift: 

Anno  Domini   1574  woll   Godt  vortruwet  De  lieft 

woll   gebuwet.     Help   uns   Godt    alle  Tidt    Amen. 

Ein  Levendt,  idt  sie  so  gudt,  alse  idt  wil,  so  w , 

gehört  vielleicht  zum  Hause  Nr.  47,  das  bis  185S 
mit  der  Nummer  49  bezeichnet  war. 

(Knochenhauerstraße  -19,   Hofseite): 

Hofseite,  datiert  15(55.  Erdgeschoß  und  Zwischen- 
geschoß verändert.  2.  Obergeschoß  und  Traufe 
auf  Konsolen  vorgekragt,  ähnlich  Kaiserstraße  2. 
Setzschwelle  2.  Obergeschoß  mit  flachgeschnitztem 
Rankenwerk  und: 
ANNO  •  DOM  INI  •  ffi  •  CCCCC  •  L  •  XV. 


Abb.  349. 

Hannover; 

Knochenhauerstraße  49, 

Hol,  Konsole. 


Knoc h e n h a u e r s t r a ß e  51 : 

Giebelhaus,  Fachwerk,  1550 — 60;  3  Geschosse,  6  Gefache,  2.  Ober- 
geschoß und  Giebelfuß  mit  Krallenkonsolen.  Rriistungsfächer  mit 
Andreaskreuzen.  Setzschwellen  mit  Halbrosettenfriesen.  Art  des 
Meisters  TG. 

Knochenhauers traße  55:   Seite  der  Kaiserstraße. 

Fachwerk,  um  1560,  Art  des  T.  G. ;  Erdgeschoß  und  Zwischengeschoß 
verändert.  Obergeschoß  und  Traufe  mit  besonders  geformten  Krallen- 
konsolen, wie  sie  an  der  Kaiserstraße  mehrfach  vorkommen. 

Knochenhauerstraße  56: 

Giebelhaus,  Eckhaus  Kaiserstraße,  ganz  überputzt  seit  1888.  3  Geschosse 
mit  Halbgeschoß.  Vorkragungen  des  2.  Obergeschosses  und  Giebel- 
fußes.    Gotisches  Haus,  um   1550 — 60. 

Knoche n hauerstraß e  58 : 

Soll  unter  Putzschicht  Fachwerkfassade  um  1560  verbergen. 

Knochenhauerstraße  59 : 

Traufenhaus,    Fachwerk,    Art    des    T.  G.,    1550 — 60,    4  Geschosse  mit 
Zwischengeschoß,    6    Gefache,    2.  und   3.  Obergeschoß   und   Traufe   auf 
Krallenkonsolen    vorgekragt.      Setzschwelle    3.  Obergeschoß    mit    Ver-  Abb.  351  u.  352 
zierung  aus  verbundenen   konzentrischen   Halbkreisen;   2.  Obergeschoß 
mit  unverbunden  nebeneinandergesetzten  Halbrosetten. 


517 


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Knochenhauerstraße 

Am  Hinterhause  Steintafel  mit  zwei  Hausmarken,  dazwischen  H.  (enni) 

W.    (isseis)    und    C.  B.  1611.     Obere   Schwelle: 

MATHEVS  •  AM  •  6  •  TRACHTET  •  AM  •  ERSTEN  •  NACH  •  DEM  •  REICH  • 

GOT[TES.] 

Untere   Schwelle  unleserlich. 


Abb.  352.     Hannover;  Knochenhauerstraße  59,  Teilbild,     l'hot.  1905. 

Knochenhauerstraße  60: 

Traufenhaus,    Fachwerk,    um  1565 — 70,    4   Geschosse    (mit    Zwischen- 
geschoß), 6  breite   Gefache,    2.  und    3.  Obergeschoß    auf   Trommelkon- 


519 


Liste  der  Bürgerhäuser 

solen    vorgekragt.      Füllhölzer    mit    Fruchtgirlandenmotiv    nur    unter 
2.  Obergeschoß    erhalten.      Fächerfries    und     Gardinenbogen.    2    Ge- 
schosse  um   1700  hinzugefügt. 
Am  Hinterhause  über  steinerner  Tür : 
1624    ■    FRANS    •    BARINCK    •   MAR- 
GRETA  •  SCH 

K  nochenhauerstraße  61 : 
Abb.  353      Traufenhaus,     Mischbau,     um    1620, 
von  ursprünglich 3  Geschossen.  Meister 

wahrscheinlich  Hinrich  Stunkel.  Das 
vierte  Geschoß  ist  unter  Beibehaltung 
der  alten  Firsthöhe 
aufgestockt.  Die 
beiden  unteren  Ge- 
schosse sind  massiv. 
Abi).  334  Erdgeschoß  stark 
verändert ;  nur  von 
der  rechteckigen 
Tür  ist  dereine  Lei- 
bungspfosten mit 
Eierstab  und  Zahn- 
schnitt in  der  Fa- 
sung erhalten.  Das 
1.  Obergeschoß  ist 
fast  ganz  in  schmale 
Fenster  mit  toska- 
nischen  Teilungs- 
säulchen  aufgelöst 
und  durch  Friese, 
Brüstungssims  und 
Lisenen  gegliedert. 
Das  ursprünglich 
einzige  Fachwerk- 
geschoß auf  S-Konsolen  vorgekragt,  deren  Stirn  und  Seitenflächen  mit 
Beschlagornament  verziert  sind.  Füllhölzer  mit  Zahnschnitt  und  Perl- 
stäben. Entsprechend  ist  die  Vorkragung  der  ehemaligen  Traufschwelle 
behandelt.  Zeichen  des  Zimmermeisters  an  einem  Pfosten  des  gleichen 
Geschosses  in  Kartusche,  zurzeit  unleserlich.  Typischer  Grundriß. 
Treppe  mit  spindelförmigen  Docken. 

Inschrift  an  der  Setzschwelle  des  alten  Fachwerkgeschosses: 
ES  TRETEN  FREVELZEVGEN  AVF  •  Dil-:  ZLIHEN  MICH  •  DAS  ICH 
NICHT  SCHVLDICH  BIN  •  PSALM  35  • 


Abb.  354. 
Hannover;  Knochen- 
hauerstraße 61. 
Grundriß. 


Abb.  353. 
Hannover;  Knochenbauerstr.  61. 


X.,  1925. 


520 


Köbelingerstraße 

Knochenhauerstraße  62: 

Mischbau,  vermutlich  um  1560.  Ursprünglich  3,  später  4  Geschosse, 
6  Gefache,  Erdgeschoß  und  Zwischengeschoß  massiv,  2.  Obergeschoß 
und  ehemalige  Traufe  mit  später  verschalten  Vorkragungen.  Keine 
Andreaskreuze. 

Hinterhaus  (Scheune),  datiert   1542. 

Seitenflügel  von  1614  mit  besonders  schönem  Renaissancefachwerk 
nach  Art  des  H.  Beensen.  4  Geschosse,  sichtbar  5  Gefache.  Alle  Ober- 
geschosse auf  Konsolen  vorgekragt,  Füllhölzer  mit  Eierstab  und  Zahn- 
schnitt. Kanten  der  Schwellen  mit  gegürteten  Rundstaben  in  den 
Fasungen,  Brüstungsleisten,  Andreaskreuze. 
Schwelle  des  2.  Obergeschosses: 

JESAIAE  •  28  •  DES  •  HERN  •  RAHT  ■  IST  •  WVNDERBARLICH  •  VND 
FVHRET  •  ES  •  HER  (lieh  hinaus). 
Schwelle  des  1.  Obergeschosses: 

II-THIM  •  6  •  ES  •   IST  •  EIN  •  GROSSER  •  GEWIN  •  WEHR  •  GODT- 
SELICH  •  IST  •  VND  •  LESSET  •  IHM  •  GENVGEN  • 
Rehm  des  Erdgeschosses: 

PSALM  •  37  •  HOFFE  •  AWF  •  DEN  •  HERN  •  VND  ■  TIDE  •  GVTES  • 
BLEIB  •  IM  •  LANDE  • 
Zweite  Zeile: 

UND  •  NEHRE  •  DICH  •  REDLICH  l  I  DER  •  ICH  •    P.  W. 

folgen  Namen  der  Erbauer;  rechts: 
ANNO  DOM  INI  1614. 

Köbelingerstraße,    s.    Schiller-Lübben,   mnd.   Wörterbuch:    Kavelinge 
=  Abteilung.    Hier  wohl  als  „Abzweigung"  zu  deuten. 

Köbelingerstraße  4:  abgebrochen. 

Ursprünglich  Stadtkommandantenhaus,  laut  Inschrift  1645  erbaut 
(Hartmann,  S.  263).  Das  aus  2  massiven  Geschossen  mit  Mitteleinfahrt 
und  einem  Fachwerkgeschosse  bestehende  Haus  erhielt  1<S29  eine  neue 
Fassade  durch  Andreae  und  nahm  beim  Abbruch  des  Apothekenflügels 
am   Rathause   die   Batsapotheke   auf  (s.   die   Andreaesche   Zeichnung). 

Köbelingerstraße  9 : 

Traufenhaus,  Mischbau,  angeblich  1645.  2  massive  Geschosse,  Ziegel 
geputzt.  Eckverzahnung  usw.  in  Sandstein;  ein  Fachwerkgeschoß 
von  7  Gefachen  ohne  Konsolen  vorgekragt;  4Taufsims  mit  reichen 
S-Konsolen.  Erdgeschoß  zuerst  1855,  später  wiederholt  verändert. 
Durchfahrt  in  der  Frontmitte,  rundbogige  Umrahmung  in  Sandstein  Abb.  355 
mit    Flachornament,    Fasenverzierung    in    Eierstab    und    Zahnschnitt. 

521 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Tür  mit  Oberlicht  und  barock  geschwungenem  Losholz  ist  großenteils 
;ilt.  Geschoßteilung  durch  friesartige  Bänder,  auf  denen  abwechselnd 
Rosetten,  Löwenköpfe,  Engelsköpfe  angebracht  sind.    Fenster:  in  der 


-k_ 


Abb.  355.    Hannover;  Köbelingerstraße  9,  dreiteilige  Dielentür.   Aufgen.  u.  gez.  D.,  1912. 

Mitte  zwei  einzelne,  seitlich  je  ein  gekuppeltes,   mit   Fenstersäulchen. 
Abb.  356      Der    Fries    oberhalb    der    Fenster    enthält    Engelsköpfchen,    Rosetten, 
Diamanten. 


522 


Köbelingerstraße 

Am  Fachwerkgeschoß  ist  das  Traufsims  und  seine  Konsolen  und  Füll- 
hölzer reich  geschmückt  (Verkröpfungen,  Zahnschnitte,  Eierstäbe). 
Dach  mit  zwei  die  ganze  I  lausbreite  einnehmenden,  übereinander 
angeordneten  Aufklappgauben. 


Abb.  356.     Hannover;  Köbelingerstraße  9.    Phot.  1904. 


Treppenanlage  alt. 

Abb.  Denkmalpflege  1923,  Heft   7—9,   S.  130. 

Köbelingerstraße   10:  (s.   Grundriß  Abb  357). 


523 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Köbelingersl  ra  ße  1 1 : 

Abb.  358      Giebelhaus,    Fachwerk,     erbaut     1536*),    3    Ge- 
schosse  (einschließlich  Zwischengeschoß),    7   Ge- 
lache, 2.  Obergeschoß  und  Giebelfuß  auf  Krallen- 
konsolen vorgekragt ;  Giebel 
in  drei  Geschossen,  glattes 
Erdgeschoß  wiederholt  ver- 
ändert.       Inschriften     auf 
Setzschwelle,    Obergeschoß 
und     Giebelfuß;     gotische 
Kleinbuchstaben  und  Groß- 
buchstaben: 

fyov  ftu  wi)l  bn  bocb  fcbcmc  • 
23n  lat  ue  5>iihc1ö  profcffic 
bctemc  •  2Dolgccrifto  •  bnnetn 
beten  23nber  fmte  banevc 
voil  bn  lere  batnsfnn  fvuftjc 
onbe  ft)tt  bot  •  6n  ftr>avc 
Inbent  onbe  fnne  uninbcn  vot. 
Hierzu  vgl.  Inschrift  Ernst- 
August-Straße  2,  Seite  der 
Rademacherstraße. 
[2ßolj  beut  be  bar  butoe  op 

bc  bere  •  33nbc  fr>clf  oä  ben  befpottere  afferc.    33ortrutt>et  gobt. 
bev  2ubc  fyot.    ftanftu  bavaucr  bat  frufc  nnebt  entgä.    ©ebe 
o5  gäbe  bat  ewige  leuet  roirft  ctfä. 
(Vgl.  Inschrift   Kreuzstraße  6.) 

Köbelingerstraß'e  12: 

Giebelhaus,  um  1600,  Massivbau,  Ziegel  geputzt,  Eckverzahnung, 
Fensterumrahmungen,  Simse,  Lisenen,  Zier  in  Sandstein.  3  Geschosse. 
Erdgeschoß  verändert,  Giebel  in  3  Geschossen  mit  Abtreppungen  und 
Geschoßteilungen  durch  friesartige  Bandsimse.  Giebelansatz  seitlich  aus- 
kragend. Lisenenteilung  (im  untersten  Giebelgeschoß  1861  beseitigt).  Ab- 
treppungen mit  Volutenfüllungen,  die  übereinstimmen  mit  Osterstraße 73 
von  1600.  Obelisken  fehlen  heute,  ebenso  Wetterfahne  der  Giebelspitze. 
Abbildung  bei  Galland,  Tafel  26. 

Köbelingerstraße  17: 

Fachwerkhaus  mit   Giebelerker,    1639;    2    Geschosse,    5    Achsen,    Erd- 


Abb.  358. 
Hannover;  Köbelingerstr.  11 


33oracbtet 
efe  bat  bu 


Abb.  35(1 


*)    Diele    ungefähr    im    ursprünglichen    Zustand    wiederhergestellt.      Hofflügel. 
Erbauer:  Barnstorf,  (16)19,  s.  H.  G.  1924,  S.  98. 


524 


Köbelingerstraße 

geschoß    verändert.       Obergeschoß   vorgekragt    über  durchgehobeltem 
Sims.    An  der  Setzschwelle  ANNO  •  DOMINI  •  MDCXXXIX. 
Traufsims  klassizistisch.  . 

Köbelingerstraße  27: 

Giebelhaus,  massiv  in  Ziegeln 
mit  Sandsteinverwendung,  um 
1590;  3  Geschosse.  Erdgeschoß 
ganz  verändert  1827.  Damals 
waren  rundbogige  Durchfahrt 
links  und  zwei  sandsteinum- 
rahmte, rechteckige  Fenster 
rechts.  Die  geschoßteilenden 
Sandsteinsimse  1802  zum  Teil 
entfernt.  Im  Giebel  schießen 
die  Simse  durch  das  Decksims 
der  Giebelschräge  hindurch. 
Giebelbekrönung  durch  Zirbel- 
nuß. 

Hof,  Quergebäude,  Fachwerk, 
1635,  Meister  Dierich  Stunkel. 
3  Geschosse,  7  Gefache,  an  der 
Stadtseite  sichtbar  nur  3  Ge- 
schosse. Durchfahrt  hier  rund- 
bogig  in  Stein,  an  der  Masch- 
seite flachbogig  in  Holz.  Im 
Zwickel  der  steinernen  Umrah- 
mung Allianzwappen    und   1035 


m 


JOHANNES 
WILCKEN 


C.ATHARINA 
HALSBANT 


Traufsims  mit  Konsolen,  die  in 
Einzelheiten  des  Schmuckes 
untereinander  verschieden  sind. 
Meisterzeichen  an  einem  Pfosten 
in  Kartusche  M.  D.  S.  mit  Em- 
blemen. Schwelleninschriften 
hochdeutsch  in  lateinischen 
Großbuchstaben. 


— — — =— — ~ ~ — =— — — 

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Abb.  359.  Hannover;  Köbelingerstraße  12.  Das 
Erdgeschoß  ist  im  Zustande  vor  1855,  das  Giebel- 
fußgeschoß im  Zustande  vor  1861  dargestellt.  Obe- 
lisken ergänzt ;  Giebelbekrönung  ist  etwa  mit  Obelisk 
oder  mit  Wetterfahne  zu  denken.     N.,  1925. 


Oben: 

EWIGE  •  EREVDE  ODER  PEIN  •  WIRD  YNSER  ALLER  LONVNG  SEN 

Unten : 

WER  GOT  VERTRAVT  •  HAT  WOLGEBAVT  •    IM  HIMEL  •  VNT  AVF 

ERDEN. 


525 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  :«'><>.    Hannover;   Köbelingerstraße  27,  zweiter  Hol.     Phot.  M.B.A.,   1928. 


526 


Köbelingerstraße 


Die  Maschseite  des  Hauses  ist  besonders  malerisch;  offene  Laube  im  Abb.  360 
2.  Übergeschoß.    Schwelleninschriften  mit   Ideogrammen: 

DES  MENSCHEN  »  IN  jg)  GEHT  •  WENS  MITTEN  VNTERM  f  STEHT  • 
DAS  f  IST  SCHWER  DAS  GLVCK  IST  (iVHT  •  TRVBSAL  DIE  ® 
BRINGEN  THVT.     (Wappenspruch  Martin  Luthers). 

RES  VATERS  SEGEN  •  RAVWET  •  DEN  KINDERN  •  HEVSER  •  ABER 
DER  MVTTER  FLVCH  REISSET  SIE  •  NIEDER  •  ANNO  ■  1  •  6  •  3  •  5. 


Über  der  Durchfahrt: 

DER  •  HERDVRCHDER  •  ENGEL 

GANG  BEWAHR. 


SCHAR  •  ME1NEEINVNDAYS- 


Köbelingerstraße  28: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  vielleicht  um  1580,  besonderer  Meister;  3  Ge- 
schosse, 5  Gefache,  Giebel  in  2  Geschossen.  Die  Untergeschosse  ver- 
ändert. Vorgekragt  sind  2.  Obergeschoß,  Giebelfuß  und  Giebelgeschosse; 
S-Konsolen  alt,  jedoch  neu  am  Giebel.  Füllhölzer  nur  am  Giebelfuß 
mit  doppelt  übereinander  angeordneter  Rundstabprofilierung.  Im 
Giebel  drehstabartige  Brüstungsleisten  vorgenagelt.  Füllholz  in  der 
Giebelspitze  mit  Zahnschnitt.  Spitzendreieck. gefüllt  mit  Halbrosetten; 
ungewöhnlich  für  Hannover.  Schräggestellte  Konsolen. 
Unter  dem   1.   Obergeschoß  Zierkonsolen,  Rokoko. 


Köbelingerstraße  29:  abgebrochen   1891. 

Das  Haus  war  von  Erasmus  von  Berkhusen  gebaut,  eine  Abbildung 
aus  dem  Jahre  1846  bringt  Mithoff  (Arch.,  Tafel  XVIII);  außerdem 
H.  G.  1915,  S.  526.  Mithoffs  Lesung  der  Wappenbeischrift  MCCCCCI 
scheint  zu  lesen  zu  sein  MCCCCCL.  Zweigeschossiges  Giebelhaus,  ur- 
sprünglich mit  Zwischengeschoß;  vierstufiger  Treppengiebel  mit  spitz- 
bogigen  Blendnischen  und  spitzbogigen  Fenstern;  diese  zu  Mithoffs 
Zeiten  schon  verändert.  Eine  hohe  spitzbogige  Durchfahrt  lag  in  flach- 
geschlossener Blendnische. 


Abb.  361  a. 


Eine  glasierte  Ritterfigur  (hl.  Mau- 
ritius?), die  angeblich  im  Giebel 
gestanden  hat,  ist  jetzt  am  Leibniz- 
hause,  Hofseite,  eingelassen.  Die 
Jahresinschrift  war,  auf  zwei 
Wappensteine  verteilt,  unter  dem 
Friese  des  1.  Obergeschosses  links 
angebracht,  rechts  entsprach  ihr 
eine  Platte  mit  Hausmarke. 


Abb.  361b. 


527 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Köbelingerstraße  30/31:  abgebrochen  1889. 

Traufenhaus,  Mischbau,  1023;  Meister  H.  S.  Erdgeschoß  und  niedriges 
1.  Obergeschoß  in  Sandstein;  zwei  Fachwerkgeschosse  -  davon  das 
obere  später  -  mit  9  Gefachen.  Giebelerker  von  5  Gefachen  über  der 
Frontmitte.  Erdgeschoß  verändert.  Wahrscheinlich  hatten  die  Türen 
geraden  Sturz.  Geometrischer  Gurtfries  unterhalb  des  1.  Übergeschosses 
entsprach  dem  des  Hauses  Knochenhauerstraße  61.  Fläche  des  1.  Ober- 
geschosses fast  ganz  aufgelöst  in  Fenster,  die  zu  3,  2,  2,  3  gekuppelt 
und  mit  Säulchen  ausgestattet  waren.  Fachwerkaufbau  auf  S-Kon- 
solen  vorgekragt;  auch  unter  dem  ursprünglichen  Traufsims  waren 
solche.  Füllhölzer  reich  mit  Eierstab  und  Zahnschnitt. 
Die  Jahreszahl  1622  soll  am  massiven  und  am  Fachwerkteil  gestanden 
haben;  außerdem  an  einem  Pfosten:  M.  H.  S.  Hinrich  Stunkel,  wie  er 
sich  Kramerstraße  16  nennt,  ist  als  hannoverscher  Bürger  nachweis- 
bar 1623-27.     (Vgl.  H.  G.  1914,   S.  253.) 

Köbelingerstraße  33:  abgebrochen  um   1889. 

Traufenhaus,  Mischbau  um  1620.  2  massive  Geschosse,  2  in  Fachwerk 
auf  Konsolen  vorgekragte  Geschosse.  Aufnahme  von  C.  Saß  aus  dem 
Jahre   1840  im  Stadtarchiv. 


Köbelingerstraße  37: 

Traufenhaus,  Fachwerk  um  1595;  4  Geschosse,  4  Gefache;  2.  und  3.  Ober- 
geschoß vorgekragt,  davon  das  3.  auf  S-Konsolen.  Füllhölzer  nicht 
erhalten. 


Köbelingerstraße  39 : 

Traufenhaus,  Mischbau,  Meister  H.  P. 
=  Hinrich  Pape,  um  1625,  Bildhauer- 
schmuck. 2  Geschosse  in  Ziegeln, 
geputzt;  Eckverzahnungen  usw.  in 
Sandstein;  ursprünglich  nur  ein  vor- 
gekragtes  Fachwerkgeschoß.  1870  ist 
Abb.  362  ein  zweites  aufgesetzt.  Erdgeschoß 
verändert,  Mitteldurchfahrt  rund- 
bogig,  Schlußstein  mit  Engelskopf, 
Fasenverzierung  in  Eierstab  und 
Zahnschnitt.  Das  Meisterzeichen  am 
rechten  Pfosten  (s.  Verz.).  Dasselbe 
Zeichen  mit  den  Buchstaben  H.  P. 
am  Ziegelobergeschoß.  Die  ehemalige 
Geschoßteilungen  durch  Simse  und 
Fries  an  Spuren  erkennbar.    Fenster 


Abb.   362. 


Hannover;    Köbelingerstraße  39, 
Grundriß. 


528 


Kommandanturstraße 

verändert.  Unter  dem  Fachwerkgeschoß  Konsolenreste  vorhanden; 
Fenster  zu  3  X  2  gepaart. 

Hof-Seitengebäude  Fachwerk  mit  reichen  Vorkragungen  in  der  Art 
des  Meisters  Hinrich   Stunkel  oder  vom  gleichen  Meister. 

Köbelingerstraße  46: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  Neubau  nach  1536  in  der  Art  Arnd  Hagemanns, 
4  Geschosse,  4  Gefache,  2.  und  3.  Obergeschoß  weit  vorgekragt.  Krallen- 
konsolen. Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses  mit  Inschrift  in  gotischen 
Kleinbuchstaben  mit  Großbuchstaben,  schwer  leserlich: 
SIcenmcbman  Dam  anbete  fprtct't  Befrachte  bc  n?abt  em  fwlucft  gebrtebt 
£>e  ftpccjc  tvol  fülle  unbc  febe  t>ä  nemanbe  nnd)t. 
Schmiedeamtshaus  seit   1665. 

Köbelingerstraße  50: 

Eckhaus  zur  Schulstraße,  Fachwerk,  1802.  Haustür  bemerkenswert. 
Die  Häuser:  Schoßregister  Köbelingerstraße  8,  Marktstraße  69  und  68 
wurden  1754  zum  Sozietätsbrauhause  eingerichtet;  Köbelingerstraße  8 
mit  dem  an  der  Köbelingerstraße  belegenen  Teil  von  Marktstraße  68  im 
Jahre  1802  zur  Stadttöchterschule  umgebaut;  seitdem  die  Bullenstraße 
den  Namen   Schulstraße  erhalten  hat. 

Köbelingerstraße  56/57:  abgebrochen  1887. 

Zwei  Fachwerkhäuser,  1585,  von  gleicher  Art.  Nach  H.  G.  1914,  S.  218 
mit  der  Inschrift:  Wenn  du  in  diner  Joget  nicht  sammelst,  wat  wultu 
im  older  finden  (vgl.  Inschrift  Leinstraße  8). 

Königstraße  50  A: 
Wohnhaus,  Putzbau,   1858  durch  Rasch  erbaut. 

Königstraße  51: 

Wohnhaus,  Putzbau,  1859  durch  Rasch  erbaut  (s.  Zs.  d.  Arch.-  u.  Ing.- 
Vs.  1860,   S.  159). 

Königsworther  Platz  2: 

Wohnhaus  Ilsemann,  1823  von  Hellner  erbaut,   heute  ganz  verändert. 
Fassadenzeichnungen    von     Hellner    und    spätere    Photographien    im  Abb.  363 
Stadtarchiv. 

Kommandanturstraße   1: 

Fachwerkhaus,  ursprünglich  1660 — 90,  verändert  um  1730 — 40, 
3    Geschosse,    3    Achsen,    segmentförmige    Fenster,    Mansardendach, 
Giebelerker,  Rokokotür  mit  Oberlicht.    Tür  einflügelig. 
Abb.  364. 

34  529 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Kramerstraße  4: 

Über  der  ehemaligen  Einfahrt: 

ANNO    1054  CURDT  HOSENHAGEN. 

Die  Wüstefeld- Inschriftensammlung  (im   Stadtarchiv)  verzeichnet  das 

Meisterzeichen  M.  A.  S.  (Adrian   Siemerding?) 

Kramerstraße  6: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1590,  mit  späterem  obersten  Geschoß  und 
Zwerggiebel,  ursprünglich  3  Geschosse,  1  Gefache.  Vorkragung  des 
ehemaligen  Traufsimses  auf  S- Konsolen.  Neubau  des  Hans  Busse 
nach  1589. 

Kramerstraße  7: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  1552,  Art  des  T.  G.  (Tileke  Gering),  4  Geschosse, 
9  Gefache,  Giebel  in  3  Geschossen,  2.  und  3.  Obergeschoß  auf  Krallen- 
konsolen vorgekragt,  Konsolen  zumeist  erhalten,  Giebel  glatt.  Im 
2,  Obergeschoß  Andreaskreuze.    Setzschwelle  des  2.  und  3.  Obergeschosses 


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Abb.  363.     Hannover;  Königsworther  Platz  2.    Entwurfszeichnung  von  Hellner,  1823. 


530 


Kramerstraße 

mit  Fries  von  Halbrosetten  und  Zwickelblättern.  Aufgemalte  Inschrift 
ANNO  1552  stimmt  überein  mit  früher  in  der  Diele  eingeschnitzt 
gewesener.    Kellergewölbe  ursprünglich. 


Abb.  364.     Hannover;  Konimandanturstraße  1, 
zweiflügelige  Haustür.     Aufgen.  u.  gez.  D.,  1912. 

Kramerstraße  12: 

Fachwerkhaus,  1 680 — 1 700,  4  Geschosse,  5  Gefache,  2.  und  3.  Obergeschoß 
mit  Vorkragungen,   Balkenköpfe   sichtbar  und   den   Füllhölzern   gleich 
profiliert.    Andreaskreuze. 
Haustür  Spätbarock. 

Kramerstraße   16: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1620 — 30,  Meister  Hinrich  Stunkel,  4  Geschosse, 
ursprünglich  6  Gefache.  2.  Obergeschoß  hat  in  der  Vorkragung  keine 
Konsolen  mehr,  weil  Fachteilung  geändert.  Ebenso  fehlen  am  3.  Ober- 
geschoß Konsolen.  Nur  am  Traufsims  sind  über  der  alten  Facheinteilung 

531 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Abb,  365  S-Konsolen.  Füllhölzer  mit  Eierstab,  Perlschnur  und  andere  Schnur- 
profile. Rahm  nii l  Zahnschnitt.  Im  gleichen  Geschoß  Andreaskreuze. 
Am  Mittelpfosten  Meistername  voll  ausgeschrieben  über  Emblemen. 
Windenerker,   1    Gefach  breit,  mit  Konsolen. 


Abb.  365.    Hannover;  Kramerstraße  10.   Teilbild.    Phot.  1905. 

Inschriften  auf  allen  drei  Schwellen  hochdeutsch  in  lateinischen  Groß- 
buchstaben. 
Trauf  schwelle : 

ACH  GOT  •  WIE  •  GEHT  •  DAS  •  IMER  •  ZV  DAS  DIE  MICH  HASSEN 
DEN  ICH  •  NICHT  THV  •  MICH  •  VERGÖNNEN  •  AVCH  NICHTS  •  GE[B]N 
NOCH  •  MVSSEN  SIE  •  LEIDEN  •  DAS  ICH  •  LE[B]E 


532 


Kramerstraße 

Setzschwelle  3.  Obergeschoß: 

GOT  •  DER  HERRE  •  WEIS  •  HVLF  •  VNT  •  RAHT  •  WEN  MENSCHEN  • 

HVLF  •  EIN  •  ENDE  •  HAT 

Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

MENSCHEN  •  GVNST  •  IST  •  GANS  •  VMSVNST  •  AN  •  GOTTES  •  SEGEN  • 

IST  •  ALLES  •  GELEGEN. 

Kramerstraße  17:  abgebrochen  1907. 

Das  Haus  war  von  dem  Kantor  Andreas  Kroppe  -  erstes  Drittel 
des  17.   Jahrhunderts  —  erbaut. 

Schwelle  des  2.  Obergeschosses:  Großbuchstaben  auf  vertieftem  Grunde: 
MIT  •  GODT  •  VND  •  VILER  •  FREVNDE  •  GYN  ST  •  VND  •  HVLF  •  DER  • 
EDLEN  •  MVSIC  •  KVNST  •  DIS  •  HAVS  •  VON  •  NEW  •  IST  •  VFGERAWET  • 
GANTZ  •  WOL  •  DER  •  RAWET  •  DER  •  GODT  •  VERTRAWET. 
Darunter  einfache  Balkenköpfe  mit  geschnitzten  Rundstäben  auf 
einfachen  geschnitzten  Renaissancekonsoleu.  Zwischen  den  Balken- 
köpfen geschnitzte  Füllhölzer. 

Schwelle  des  3.  Geschosses:  glatt,  darunter  Balkenköpfe,  Konsolen  und 
Füllhölzer  wie  vorher. 

Kramerstraße  18: 

Fachwerkhaus  um  1650.  5  Geschosse,  5  Gefache.  Doppelpfosten  ohne 
Querriegel.    Meisterinschrift  M.  D.  S.  mit  Emblemen  (Dirick  Stünckel). 

Kramerstraße   19: 

Fachwerkhaus   um    1665.     4    Geschosse,   6  -Gefache.     Vielleicht  gehört 
hierher  der  Inschriftrest,  den  Mithoff  (Kdm.   S.  94)  überliefert: 
RVTA  VIRET  FLORENTQVE  ROSAE  SEDTEMPVS  VTRVMQVE . 

Kramerstraße  20: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  etwa  1594  erbaut.    Art  des  C.  H.    4  Geschosse, 
4  Gefache.    Vorkragungen  des  2.  Obergeschosses,  3.  Obergeschosses  und 
der  Traufe  auf  S-Konsolen.    Füllhölzer  mit   Girlandenmotiv. 
Setzschwelle    des    2.   Obergeschosses    mit     Inschrift,     hochdeutsch    in 
lateinischen   Großbuchstaben. 

REWAR  •  DIS  •  HAUS  •  UND  •  G  [ib  o  Gott  allen  denen  Deinen 
Segen  die  da  gehen  ein  und  aus].  (Ergänzt  nach  Leonhardt  in  H.  G. 
1924,   S.   108.) 

Kramerstraße  22: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  4   Geschosse,  6   Gefache.    Vorkragungen  vom 
2.   Obergeschoß  an.    Fußstreben  in  jedem  Brüstungsgefache.    Meister- 
zeichen am  Mittelpfosten  des  2.  Obergeschosses  M  •  C  •  H  •  S  • 
Das  Haus  ist  1664  für  Moritz  Duve  gebaut. 

533 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Am  Kreuz kirchhof: 
Abb.  366      Pfarrhaus,  abgebrochen  1867.    Fachwerkhaus  von  1579. 

Die  Baurechnungen  weisen   nach  als  Lieferanten  des  Fachwerkes  den 
Sägemüller  Hans  Müller,  als  Maurermeister  den  Dirik  Berndes  und  als 


Abb.  366.    Hannover;  Am  Kreuzkirchhof,  altes  Pfarrhaus,  abgebrochen  1867. 
Druckstock  H.  G. 

den  Verfertiger   von   64  Kopfbändern,    30  Füllhölzern   und   ,,27  Ellen 

Bokstaven"  den   Schottilier  Ludeke  Prekel. 

Andreaskreuze,   bunte  Ziegelausmauerung.     Große   Einfahrt.     Inschrift 

nach  H.  G.   1914,   S.  205: 

WER  MIT  CHRISTO  EWICH  WIL  LEREN  VND   ERREN  /  DER  MVS 

MIT  IME  AVCH  ZEITLICH  LEIDEN  VND  STERREN.  /  WER  DIE  CRONEN 

DER  HERLICHEN  WIL  ERREICHEN  VND  RESITZEN  /  DER  MVES 

SICH  CHRISTI  DORNECRON  LASSEN  STECHEN  VND  RITZEN. 


534 


Kreuzstraße 

Kreuzstraße  3/4: 

Traufenhaus,  Doppelhaus,  Fachwerk  1661,  Meister  Hinrich  Lussenhop. 
Sandsteinsockel  mit  abgefaßter  Oberkante.  2.  Obergeschoß  vorgekragt, 
Balkenköpfe  gleich  den  Füllhölzern  profiliert.  Rahm  auch  mit  Pro- 
filierung. Fußstreben  in  beiden  Obergeschossen.  An  einem  Pfosten 
des  Hauses  Nr.  4  Kartusche  mit  Zimmermannsemblemen  und  darüber: 
M.  H.  L.  Türsturz  von  Nr.  3  trägt  die  Datierung:  ANNO  1661. 
Das  Haus  war  2.  Pfarre  der  Kreuzkirche  (s.  darüber  H.  G.  1914,  S.  284). 
Spruch  über  der  Tür  des  Konfirmandensaales:  Verflucht  sei,  wer  des 
Herren  Werk  lässig  tue. 

Kreuzstraße  5:  Hokenamtshaus. 

Traufenhaus,  Fachwerk,  wohl  1546  vom  Ratszimmermeister  Amt 
Hagemann.  3  Geschosse  (Zwischengeschoß),  5  Gefache,  Erdgeschoß 
verändert.  Über  der  rechteckigen  Mitteltür  (ursprünglich  am  Hinter- 
hause) das  Hokenamtswappen  von  1649  von  Meister  Ludolf  Witte  Abb.  465,  Seite  655 
(Schuchhardt,  Hannoversche  Bildhauer  der  Renaissance,  S.  1 10).  2.  Ober- 
geschoß und  Traufe  auf  Konkavkonsolen  vorgekragt,  gerade  Fuß- 
streben. Inschrift  auf  der  Setzschwelle  des  vorgekragten  Geschosses 
schlecht  restauriert: 

tool  mit  be  grunbtlttcn  toarbcit  i  i  boren.    33nbe  be  toerlbt  mnt 

ber  u>arbei)t  roren.     5>c  fumpt  mt  angst  namer  onbe  nobt.    93nbe  mach 
od  entlieh  barummc  üben  ben  bobt. 
Das  Hofhaus  von  1577  s.  unter:   Gildenhäuser. 

Kreuzstraße  6: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  erbaut  1546  (n.  Leonh.),  Meister  T.  G.,  3  Ge- 
schosse, 7  Gefache,  2.  Obergeschoß  und  Traufe  auf  Krallenkonsolen 
vorgekragt.  Setzschwelle  2.  Obergeschoß  mit  Inschrift  in  gotischen 
Kleinbuchstaben  mit   Großbuchstaben: 

93ortrut»et  gobt  •  ooraebtet  ber  habe  fpot  •  3Bol  beme  bc  bar  butoet  op  ben 
bereit  •  93ttbc  fntf  oan  ben  befpotteren  öfteren  ■  2Bentc  got  toerbt  crem  t>ufc 
geuen  •  33nbe  na  buffer  tqbt  bat  etongbe  leuenbt  • 
Meisterzeichen  T  G  zwischen  Richtscheit  und  Axt. 

Kreuzstraße  8: 

Traufenhaus,   Fachwerk,  erbaut   1553  (nach  Dr.   Leonhardt).    Fassade 
um  1850  überputzt  und  modernisiert.    Konkavkonsolen.    Nach  Wüste- 
feld von  Meister  T.  G.  mit  Inschrift  (nicht  mehr  vorhanden)  in  gotischen 
Kleinbuchstaben : 
gruebte  gobt  fo  maa)  bn  gelnngcn  t»nbe  tbu  bn  von  allen  bolen  bongen 


nnd)t  funbnge  noeb  t>cntclr>df  oftc  offenbar  be  b^e  fc T.  G 


Kreuzstraße  9: 

Traufenhaus,    Fachwerk,    vielleicht    1555;    Meister   TG.     3    Geschosse, 

535 


Liste  der  Bürgerhäuser 

1  Gefache.  2.  Obergeschoß  und  Traufe  auf  Krallenkonsolen  vorgekragt; 
Fußstreben  auswärts  geschwungen.  Setzschwellen  2.  Obergeschoß  und 
Traufschwelle  mit  Halbrosettenfriesen.  Meisterbezeichnung  TG.  auf 
der  Setzschwelle  rechts  am  Ende. 

Kreuzstraße   10: 

Fachwerkhaus,  2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts,  ähnlich  wie  Kreuzstraße  7. 
Schneideramtshaus  seit  1640.  Auf  dem  Hofe  Amtswappen  in  Stein  von  1669. 

Kreuzstraße  11: 

Traufenhaus,  Faclvwerk  um  1580.  3  Geschosse,  7  Gefache,  Erdgeschoß 
verändert.  2.  Obergeschoß  und  Traufsims  auf  S-Konsolen  ausladend. 
Andreaskreuze  in  beiden  Obergeschossen.  2.  Obergeschoß  hat  noch 
alte  Fenster.  Inschrift  auf  der  Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses  in 
lateinischen   Großbuchstaben,  niederdeutsch: 

PSAL  •  XXXI  •  GELOVET  •  SI  •  DE  •  HERE  •  DAT  •  HE  •  HEFFT  •  EINE  • 
WVNDERLIKE  •  GVDE  •  MI  •  BEWEISEN  •  IN  •  EINER  •  VASTEN  • 
STADT  •  V  •  D  •  M  •  I  •  JE  ■*). 
Außerdem,  nicht  mehr  vor- 
handen, nach  Leonhardt, 
H.  G.  1921,  S.  79,  TOBIE  • 
AM  -4.22-  WI  -WERDEN- 
VELE ■ GVDES • HEBBEN • 
SO  •  WI  •  60DT  •  FRVCH- 
TEN  •  DE  •  SVNDE  •  VOR- 
MIDEN  •  VND  •  GVTHES  • 
THVN. 

S.  auch  Mithoff,  Kdm.S.  91. 
Haustür  um  1750.  Winden- 
erker. 

Landschaftsstraße  3  (Ge- 
werbeverein): 

Haus  der  bayerischen  Ge- 
sandten (bis  1866). 

Lange  Straße  2: 

Fachwerkhaus,  jetzt  über- 
putzt und  gequadert.  4  Ge- 
schosse, 9  Gefache,  stark 
verändert,  s.  die  Abbildung 
in  „Freudenbezeugungen". 
Abb.  36?      Holztreppe  im  Innern  mit  flach  erhabenem  Zierwerk  des  Spätrokoko. 


Abb.  367 


Hannover;  Lange  Straße  2,  Treppengeländer. 
Phot.  Stadtbauamt,  1923. 


*)  V  •  D  •  M  •  I  •  JE  =  Verbum  Domini  Manet  In  Aeternum. 


536 


Lange  Straße 


Lange  Straße  3  und  4: 

Fachwerkhäuser,  dem  folgenden  ähnlich.  Giebelpfahl  auf  dem  Erker 
bei  Nr.  3. 

Lange   Straße  5: 

Fachwerkhaus,  überputzt;  um  1660;  3  Geschosse  (Erdgeschoß  ver- 
ändert), 5  Gefache.  Starke  Vorkragungen,  später  verschalt.  Geschosse 
niedrig.    Dacherker  mit  Giebel,  3  Gefache.  Mitteltür  Empire,  zweiteilig. 

Lange   Straße  8: 

Fachwerkhaus,  ursprünglich  von  1674  laut  Inschrift.  Zwei  Obergeschosse 
von  6  Achsen,  Mitte  des  18.. Jahrhunderts  geändert;  Doppelpfosten;  gleich- 
zeitige Erweiterung  des  Hauses 
nach  links  um  4  Achsen  bei  4  Ge- 
schossen mit  Mansardendach. 
Vom  alten  Hause  ist  die  Haus- 
tür links  erhalten  mit  barockem 
Sturzgebälk  und  Voluten  und  he- 
bräischer Inschrift,  Z}v_:  b~'£  ,,Viel 

v  v  v 

Gutes!",    ptü  Nr  ai  rb~n  rro 
„Durch  diese  Tür  trete  kein  Un- 


gemach !" 


Die  hervorgehobenen 


Buchstaben  bezeichnen  als  Zah- 
len das  Jahr  (5)434  der  jüdischen 
Zeitrechnung  =  1674.  Treppe 
zurückliegend.  Ebenfalls  vom 
alten  Zustande  rührt  der  Mittel- 
erker mit  Windengiebel  und 
Giebelpfahl.  Diele  mit  alter 
Holztreppe.  Das  Grundstück 
geht  bis  zur  Neuen  Straße 
durch;  der  Gebäudegrundriß 
umschließt  einen  Hof  mit  Durch- 
fahrt von  dieser  Straße  her. 

Lange    Straße    27:    Marschners 
Wohnhaus. 

Fachwerkhaus, Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts; 3  Geschosse,  !  Achsen, 
Mansardendach.  Keine  Vor- 
kragungen und  Verschalungen. 
Segmentbogige  Sturzsimse  über- 
all. Haustür  Empire  mit  vor- 
tretender Freitreppe. 


Abb.  368.     Hannover;  Lange  Straße  28,  Zweiflügel- 
Haustür.    Aufgen.  u.  gez.  D.,  1912. 


537 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Lange  Straße  28: 

Fachwerkhaus,  Mitte  des  1«S.  Jahrhunderts,  dem  vorigen  entsprechend. 
Haustür,  Abb.  368. 

Lange   Straße  30. 
Am  Hofgebäude  Zimmermannszeichen,  vergleiche  Calenberger  Straße  20. 

Lange   Straße  37: 

Fachwerkhaus,  1  Geschosse,  5  Gefache,  1700.  Profil  von  Balkenköpfen 
und  Füllhölzern  ans  abgesetztem  Wulst  und  Kehle.  Rahm  birn- 
stabartig  profiliert.    Über  dem  Türsturz: 

IOHAN  •  ERNST  •  OLTMAN 
ILSE  •  DOROTHEA  1700. 
Lange   Straße  42: 

Fachwerkhaus,  erstes  Viertel  des  18.  Jahrhunderts,  4  Geschosse,  3  Ge- 
fache, Haustür  mit  Oberlicht;  s.Abbildung  bei  Ebel,  a.a.O.,  Tafel  4. 

Lange   Straße  52: 

Fachwerkhaus,  Ecke  Bergstraße,  um  1660 — 70,  4  Geschosse,  6  Gefache. 
Vorkragungen  später  gesimsartig  verschalt. 

Lange  Straße  55: 

Fachwerkhaus,  zweites  Viertel  des  18.  Jahrhunderts,  5  Geschosse, 
4  Achsen,  geschwungene  Sturzsimse.  Tür  abgebildet  bei  Ebel,  Text- 
abbildung 6,   S.  38.  ' 

Lange  Straße  57: 

Eckhaus  zur  Poststraße,  Fachwerk,  ursprünglich  drei,  jetzt  vier  Ge- 
schosse. Duvezeit.  Alle  Gefache  mit  Fenstern  und  Fußstreben.  Vor- 
kragungen mit  weit  hervortretenden  Balkenköpfen.    Keine  Konsolen. 

Leibnizstraße  12: 

Überputztes  Fachwerkhaus  mit  Empiretür  in  der  Mittelachse. 

Leibnizstraße  15: 

Fachwerkhaus  mit  Mansardendach.  Haustür  links.  Abbildung  bei 
Ebel,  a.  a.  O.,  Tafel  4. 

Leinstraße  : 

Hausbuchbezeichnung  106a/274.  Wintheimsches  Haus,  abgebrochen  bei 
Anlage  des  Schloßopernhauses.  Backsteinhaus  der  jüngeren  Gruppe. 
Das  Wintheimsche  Haus  neben  dem  Leineschloß  an  der  Leinstraße 
(H.  G.  1924,  S.  49,  Melchior  von  Wintheim  seit  1542)  wurde  1686 
von  einem  Nachkommen  gleichen  Namens  an  den  Herzog  Ernst  August 
verkauft.  Den  älteren  Zustand  zeigt  Zeuners  Abbildung,  den  späteren 
eine  rekonstruierende  Lithogiaphie  W.  Kretschmers:  „Das  Schloß  zu 
Hannover  im  17.  Jahrhundert".  Original  von  Kretschmer  im  Familien- 
museum, Herrenhausen. 

538 


Leinstraße 


Haus  der  Väter. 

Ursprünglich  das   Haus  vor  der  nördlichen   Ecke  an   der  Clickmolen- 
strate.     1801   kam  die   Häuserreihe  bis  zum   Opernhaus  in   Besitz   der 


BlMi  J  J 


Abb.  :5<;i).     Hannover;  Leinstraße.    Das  Haus  der  Väte 
Aufriß  nach  Aufnahme  von  Laves. 


Krone,  die  deren  Niederreißuno  plante.  Als  1836  der  Abbruch  drohend 
wurde,  rief  der  Arzt  und  Poet  Dr.  Willi.  Blumenhagen  (1781—1839) 
durch  einen  im  Vaterländischen  Archiv  für  1839  veröffentlichten  Aufsatz 


539 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Mitbürger  zum  Schutze  der  dem  Untergange  geweihten  Denkmäler  auf. 

Seitdem  wird  das  Haus  nach  der  Überschrift  jenes  Aufsatzes  „Haus  der 
Väter"  genannt.  Der  Dichter  hatte  ihm  im  Aufsätze  den  Namen 
„Zauberburg"  gegeben. 

Aus  den  Kalk- und  Ziegelrechnungen  der  Stadt  ist  zu  entnehmen,  daß  der 
Amtmann  Dietrich  von  Änderten  (f  1619),  der  seit  1617  als  Abnehmer 


Abb.  370.     Hannover;  Haus  der  Väter.    Giebelbekrönung  des  an  der  Langen  Laube 

wieder  aufgebauten  Hauses.     Die  Zusammensetzung  stimmt  mit  der  ursprünglichen 

nicht  überein.    Vgl.  die  Aufnahme  von  Laves. 


von  Kalkziegeln  erscheint,  den  Bau  der  Seitenflügel  aufführte  und 
vollendete  (Leonhardt,  H.  G.  1924,  S.  138).  Seit  1622  erst  scheint  das 
Hauptgebäude  durch  Ludolf  von  Änderten  ausgeführt,  aber  erst  ab- 
geschlossen zu  sein  durch  seinen  Schwiegersohn  Dr.  Georg  Türcke 
gegen  Ostern  1624.  Am  Hofflügel  las  Mithoff  noch  die  Jahreszahl  1619. 
Das  jetzt  über  dem  Hauptportal  angebrachte  Steinmetzzeichen  mit 
den  Buchstaben  M.  I.  P.  ist  das  des  Batsmaurermeisters  Joachim  Pape, 


540 


Leinstraße 

der  Ostern  1624  bereits  verstorben  war,  bis  dahin  aber  als  führender 
Meister  in  den  Lohnrechnungen  des  Rates  erscheint. 

Das  Haus  ist  1852  zur  Freilegung  des  Schlosses  abgebrochen.  Es  war  Abb.  369 
ein  Staffelgiebelhaus:  Schauseite  aus  Ziegel,  verputzt,  Hausteinver- 
wendung an  Sockel,  Eckverzahnung,  Gewänden,  Simsen  und  Schmuck- 
teilen. 1  Geschosse,  Giebel  in  4  Geschossen  gestaffelt;  Achsenteilung 
des  Giebels  gegen  die  der  Hauptgeschosse  verschoben.  Erdgeschoß 
mit  zwei  rundbogigen  Einfahrten;  Zwischengeschoß  und  hohes 
Wohngeschoß.  Geschoßteilungen  durch  Ornamentfriese,  teilweise 
figürlich.  Fenster,  meist  zu  zweien,  die  seitlichen  im  Zwischengeschoß 
und  2.  Obergeschoß  auch  zu  vieren  gekuppelt.  Fensterteilungen 
(Hermenkaryatiden)  in  den  Brüstungsfeldern  durch  schmale  Lisenen 
fortgesetzt.  Giebel  senkrecht  aufgeteilt  durch  wechselnd  breitere  und 
schmälere  Lisenen,  diese  in  hoher  Plastik  ornamentiert.  Staffelzwickel 
paarweise  gefüllt  durch  Löwenfiguren,  Fischweibchen,  Delphine.  Auf 
den  Staffelenden  und  als  Giebelbekrönung  Kriegergestalten  in  antiker 
Tracht.  Ein  Holzerker  war  mit  5  Seiten  in  flacher  Ausbuchtung  über 
der  linken  Seiteneinfahrt  herausgebaut.  Die  Brüstungsfelder  eines 
seiner  beiden  Geschosse  waren  mit  geschnitzten  Holztafeln  versehen, 
die  fünf  Sinne  darstellend.  Vier  davon  sind  Lange  Laube  3  als  Tür- 
füllungen eingesetzt. 

Diese  Fassade  ist  1852  beim  Bau  des  Wohnhauses  für  den  Maler 
Professor  Oesterley  an  der  Langen  Laube  Nr.  3  verwendet.  Die  Teile 
des  alten  Giebels  wurden  hier  beim  Aufbau  von  drei  Giebelchen  an  Abb.  370 
dem  damals  noch  freistehende})  Hause  auseinandergezogen.  Einzelne 
Schmuckteile  gelangten  ins  Leibnizhaus.  Die  Bauausführung  geschah 
nach  Mithoffs  Rissen  und  unter  seiner  Überwachung. 
Über  dem  Hauptportal  ist  die  ursprünglich  an  anderer 
Stelle  befindliche  Meisterinschrift  M.  I.  P.*)  mit  da- 
zwischengeschobener  Hausmarke  wieder  angebracht. 
Der  dem  Hause  Lange  Laube  3  vorgesetzte  Hausteinerker  stammt  vom 
Hause  Schmiedestraße  29,  wo  er  1621  vorgesetzt  worden  war.  1852, 
beim  Abbruch  dieses  Hauses,  wurde  er  von  Oesterley  erworben.  Zwei 
Geschosse  -  -  durch  Einfügung  eines  Zwischengliedes  mit  den  Geschoß- 
höhen des  „Haus  der  Väter"  zusammengestimmt;  ursprünglich  auch  ohne 
den  Abschluß  durch  Dreiecksgiebel.  Beide  Geschosse  mit  vierfach  ge- 
kuppelten Fenstern:  unten  weibliche  Gestalten  als  Karyatiden  an  den 
Fenstersäulchen.  oben  Putten.  Brüstung  des  Obergeschosses  durch 
puttengeschmückte  Lisenen  in  Felder  geteilt  mit  Reliefs:  Aer,  Terra, 
Aqua,  Ignis  und  den  Wappen  v.  Anderten-Bessel.  Im  oberen  Friese 
die  Jahreszahl  ANNO   1621.     Schmiedeeiserne  Tür  am    Seiteneingang, 


►)    H.  G.  1929,  S.  63,  Nr.  57. 

541 


Liste  der  Bürgerhäuser 


DD 
DD 

DD 


DD 
DD 

DD 


DD  DD 
DD  DD 
DO  DD 


Abb.  371.     Hannover;  Leinstraße  3.     Zustand  von  1841. 
Aufgen.  D.  u.  N.,  1925.     Gez.  D. 

1852  einem  Gartenbesitzer  an  der  Adolfstraße  abgekauft,  17.  Jahr- 
hundert, s.  Liier  u.  Creutz,  Geschichte  der  Metallkunst.  E.,  S.  153. 
Von  der  Holzausstattung  der  Marktkirche  erwarb  Oesterley  „vier 
Fuder"  und  verwandte  sie  in  der  Innenausstattung.  Vgl.  Zs.  d.  bist. 
Vereins  f.  Niedersachsen  1893,   S.  368. 


542 


Leinstraße 


Lein straße  3: 

Giebelhaus,    massiv   in    Ziegeln    mit    Sandsteinverwendung,    um    1610.  Abb.  371 
3  Geschosse  bei  4  Achsen,  links  zweiachsiger  Erker  vorgezogen.    Giebel 
mit    3    Geschossen.     Erdgeschoß    verändert;    rundbogige    Durchfahrt 


Abb.  372.     Hannover;  Leinstraße  3.     Phot.  1901. 


rechts,  ist  1841   beseitigt.     Fenster  rechteckig  in  Sandstein  umrahmt. 
Giebel  mit  Geschoßteilungen  durch  Friese,  ist  in  Stufen  abgesetzt  und  Abb.  372 
durch    diamantbesetzte    Lisenen    senkrecht    aufgeteilt.     Fenster    ohne 
Verwendung  von    Säulchen.     Die    Stufenzwickel   des   Giebels  sind   mit 


543 


Liste  der  Bürgerhäuser 

spiralig  geschwungenem  und  schuppenversehenem,  teilweise  figürlichem 
Schnörkelwerk  gefülH  (in  der  unteren  Staffel  Fischmann  und  Fisch- 
weibehen).   Außerdem  sind  Obelisken  fialenartig  verwendet. 

Leinstraße  8:  (Höltys  Wohn-  und   Sterbestätte). 

Traufenhaus,   Fachwerk,    1592.    4   Geschosse,   4   Gefache.    Erdgeschoß 
mit  rundbogiger,  um  1800  veränderter  Durchfahrt  rechts.    Zwickel  des 
Sturzbalkens  enthalten  Hausmarken: 
BARTELT  WELDER  •  MARGRETE  WITERSEN, 
dazwischen  die  Datierung  in  lateinischen   Großbuchstaben 
ANNO  •  DOM  INI  •  1592 

(Abbildung  des  Türsturzes  bei   Galland,  a.  a.  0.,  Figur  4). 
2.   und   3.   Obergeschoß   auf   S-Konsolen.     Keine   Füllhölzer.    Andreas- 
kreuze.    Inschriften:   Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

SIRACH  •  AM  •  25  •  WEN  •  DV  •  IN  •  DINER  •  GOGET  •  NICH  •  SAMMELST  • 
WAT  •  WVLTV  •  IM  •  OLDERV  (INDEN). 

Setzschwelle  1.  Obergeschoß:  FRVCH  •  IN  •  ALLE  •  DINEN  •  SAKEN  • 
GODT  •  VNDE  •  HOLTSIN  •  GOTLIKE  •  GEBOT. 

Leinstraße  10: 

Abb.  373      Einflügelige  Haustür,  Empire,  mit  geschwungenem  Losholz  und  Oberlicht. 

Leinstraße  12: 
Abb.  374  Traufenhaus,  Mischbau,  1608,  Meister  Hans  Behnsen.  2  massive  Geschosse, 
Erdgeschoß  in  Sandstein,  1.  Obergeschoß  Ziegel,  vermutlich  von  alters 
geputzt,  2.  Obergeschoß  in  Fachwerk  von  8  Gefachen.  Erdgeschoß  mit 
rundbogiger  Mitteldurchfahrt.  Kämpferlose  Umrahmung  mit  Beschlag- 
ornament und  Zahnschnitt  in  der  Fasung.  Fenster  verändert.  Die  alten 
Teile  imLeibnizhause :  Säulchen  mitfigürlichemSchmuck,  Fides,  Charitas, 
Engelsköpfchen.  Geschoßteilung  durchantikisierende  Friese  mit  Zahn- 
schnittstreifen. Ob  im  1.  Obergeschoß  die  paarweise  gekuppelten  Fenster 
(das  am  weitesten  rechts  mit  Doppelhalbsäulchen)  unberührt  sind, 
erscheint  fraglich. 

Das  Fachwerkgeschoß  kragt  ohne  Konsolen  vor  und  hat  auch  unter  der 
Traufe  keine  Konsolen.    Füllhölzer  sehr  reich  mit  Perlstab,  Eierstab, 
Zahnschnitt    und    Blattreihungen.     Setz-    und    Traufschwelle    mit    In- 
schriften, hochdeutsch  in  lateinischen   Großbuchstaben: 
Traufschwelle : 

JOHANNES  •  3  •  ALSO  •  HADT  •  GODT  •  DE  •  WELDT  •  GELEBEDT  • 
DAS  •  ER  •  SEINEN  •  ENI  GEN  •  SON  •  GAB  •  AVF  •  DAS  •  AL  •  DE  •  AN  • 
IN  •  GELOBEN  •  NICHT  •  VER  •  LOREN  •  WERDEN  •  SONDER  •  DAS 
EWI GELEBEND   .    .    . 

Die  Datierung  1608  findet  sich  am  Ende  der  Inschrift  auf  der  Setz- 
schwelle. Pfosten  von  Beschlagornament  bedeckt.  Meisterzeichen  am 
Mittelpfosten  unter  Emblemen:  M.  B.  H. 

544 


Leinstraße 

Setzschwelle  2.  Obergeschoß: 

SYRACH  •  AM  XI  •  BLEIBE  •  IN  •  GOTTES  •  WORT  •  VND  •  VBE  •  DICH  • 
DARINNEN  •  VND  •  BEHARRE  •  IN  •  DEINEN  •  BERVF  •  VND  •  LAS  • 
DICH  •  NICHT  •  IRREN  •  WIE  •  DIE  •  GOTLOSEN  •  NACH •  GVT •  TRACHT  • 

EN  1608. 


Abb.  373.    Hannover;  Leinstraße  10,  einflügelige  Haustür. 
Aufgen.  u.  gez.  D.,  1912. 


Das  Haus  ist  1608  für  Cord  Haspelmat  vom  Ratszimmermeister  Hans 
Beensen  erbaut,  der  1603  wegen  seiner  Verdienste  um  das  städtische 
Bauwesen  das  Bürgerrecht  unentgeltlich  bekam. 


35 


545 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  374.     Hannover;    Leinstraße  12.     Teilstück  der  Fassade. 
Aufnahme  von  O.  Kiecker,  1906. 


546 


Leinstraße 


Lein  Straße  15: 


Abb.  .575. 


Hannover;    Leinstraße  15, 
Grundriß. 


Traufenhaus  um  1570.  Fachwerk, 
1  Geschosse,  dabei  Zwischengeschoß. 
Das  3.  und  4.  Geschoß  sind  später. 
10  Gelache.  Ehemals  rundbogige  Abb.  375 
Durchfahrt  links  der  Frontmitte. 
Im  äußersten  Gefach  rechts  die  jetzt 
zugesetzte  Tür  der  Boda  mit  Gar- 
dinenbogen  und  Flachschnitzwerk 
darauf.  Vorkragung  des  2.  Ober- 
geschosses auf  S-Konsolen.  Füll- 
hölzer nach  Girlandenmotiv.  Inschrift 
auf  der  Setzschwelle  niederdeutsch 
in  lateinischen  Großbuchstaben. 
Ebenso  die  verstümmelte  Inschrift 
auf  der  Setzschwelle  des  Zwischen- 
geschosses. 

Diele    mit    Treppenanlage     aus    der 
Mitte  des   17.   .Jahrhunderts. 
Inschriften  (obere   Setzschwelle): 
ALSO  •  HEFFT  •  GOTT  •  DE  •  WELT  • 
•  ENIGEN  •  SONE  •  GAFF  •  VP  •  DAT  • 
NICHT  •  VORLOREN  •  WERDEN  • 


JOHANNES  AM  •  3  CAP1TTEL  • 

GELEVET  •  DAT  •  HE  •  SINEN 

ALLE  •  DE  •  AN  •   EN  •  GELOVEN 

SVNDER  •  DAT  •  EWIGE  •  LEVENDT  •  HEBB[ETJ. 

Untere   Setzschwelle: 

DEN  •  GODT  •  WIE  •  ERNEREN  •  KANN  •  NIEMANDT  •  VERHEREN 

Durchfahrt: 

GE  •  LVCKKE  •  KO 

Am  Hofseitenflügel  Galerie  aus  der  Mille  des  17.  Jahrhunderts.   Hinter- Abb.  376 

haus  vonl655  mit  säulengetragener  Durchfall]  l.  Barock  ausgeschnittenes 

Sattelholz  auf  Knagge.     Daran  in  lateinischen   Großbuchstaben: 

EMERENTIA  VON 

WINDHEIM 

ANNO  1655. 

Lein  straße  16: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  etwa  1660.  Erdgeschoß  mit  Zwischengeschoß 
vielleicht  älter  (1598);  1.  Obergeschoß  und  2.  Obergeschoß  vorgekragt, 
Balkenköpfe  sichtbar  und  mit  den  Füllhölzern  gleich  profiliert.  Giebel 
mit  zwei  ausgebauten  und  vorgekragten  Geschossen.  Vor  dem  1.  Ober- 
geschoß und  2.  Obergeschoß  rechts  und  links  je  ein  zweiachsiger  Erker. 
Im  Erdgeschoß  befand  sich  die  alte  Durchfahrt  links. 


547 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Über  dem  Torbogen  des  Hinterhauses: 

DANIEL  •  MEIER  •  MARGARETA  •  ELISABEDT  •  RÜDEN 
ALLES  •  NACH  •  GOTTES  •  WILLEN  •  ANNO  1687. 


Abi).  376.    Hannover;  Leinstraße  15,  Hofansicht.     Phot.  M.B.A.,  1928. 


Leinstraße  24:  abgebrochen  1889. 

Ziegelmassives  Giebelhaus  der  Renaissancegruppe  in  Putz  bei  Sand- 
steinverwendung etwa  1605  (?).  1  Hauptgeschosse,  4  Achsen,  Giebel 
in   3    Geschossen.     Die    Geschoßteilungssimse   durch   die    Giebelschräge 

548 


Leinstraße 

hindurchschießend.     Spitzenfeld    des    Giebels    mit    Volutenwerk.     Be- 
krönung  durch  Würfelaufsatz  mit  Zirbelnuß. 

Die  Front  war  schon  1837  gänzlich  entstellt  (vgl.  „Die  Denkmalpflege" 
1923,  Heft  7—9,   S.   134). 


Abb.  377.     Hannover;  Leinstraße  26     19,  teilweise  abgebrochen.     Phot.  1888. 

Leinstraße  26: 

Massives  klassizistisches  Haus,  1827,  von  Hellner  erbaut.    Erdgeschoß, 
Entresol,   2  Obergeschosse   und   ein  jüngeres  Dachgeschoß.     5  Achsen. 

Leinstraße  27: 

Massivhaus,  1856  von  Droste  erbaut  (s.  Zeitschrift  des  Arch.-u.  Ing.-Ver., 
1856,   S.  223). 


549 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Lei  n st  raße  31 : 

Traufenhaus,  massiv,  vielleicht  Anfang  des  17.  Jahrhunderts;  4  Ge- 
schosse, 1  Achsen.  Rechts  ein  Erker  durch  alle  Geschosse  vorgezogen 
mit  feinen  Simsgliedern  im  Erdgeschoß  und  3.  Obergeschoß;  Zahn- 
schnitt, geriefte  Brüstungslisenen.  Inschrift  am  Friese: 
VIRTUTEDECET  NON  SANGUINE  NITI  VIRTVS  ETENIM  NEMINEM 
DEDIGNATVR  NECSEXVMNECGENVS  ELIGIT, 

Der  Erker  ist  ans  alten,  um  1580  zu  datierenden  Teilen  dem  späteren 
Hause  vorgesetzt. 

Das  Grundstück  war  mit  dem  benachbarten  (Nr.  32)  seit  1530  in  der 
Hand  der  Familie  Stech.  Die  Mutter  des  Gevert  Stech  ließ  sich  um  die 
gleiche  Zeit  ein  Haus  bauen,  wie  das  Haus  Nr.  32  errichtet  wurde,  das 
ist  um  1583.     (Namensckreibweise   Stech,  auch  Steg). 

Leinstraße  32: 

Das  Haus  ist  1583  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  von  dem  Peters- 
hagener  Meister  Meersmann  erbaut  für  Gevert  Stech.  Das  Grundstück 
war  seit  1492  in  Händen  der  Patrizierfamilie  Stech  (s.  über  diese  „Wäsken- 
book",  H.  G.  1920,  S.  186).  Der  in  die  Verschwörung  von  1691  ver- 
wickelte Oberjägermeister  von  Moltcke  wohnte  hier  (Weiteres  s.  ,,125 
Jahre  des  Geschäftshauses  Hahnsche  Buchhandlung  in  Hannover", 
Hannover  1917). 
Abb.  378  u.  379  Staffelgiebelhaus  aus  Ziegeln  mit  Hausteinverblendung;  3  Haupt- 
geschosse und  dreigeschossiger  Giebel.  Achsen  von  Haupt-  und  Giebel- 
geschossen gegeneinander  versetzt.  Eingang  in  der  Frontmitte.  Links 
gleichzeitiger  Erker  von  3  Geschossen. 
Abb.  380  Die  Erdgeschoßfassade  ist  1830  verändert.  Vom  Schema  des  han- 
noverschen Hausgrundrisses  scheint  hier  abgewichen,  weil  vielleicht 
besondere  Niveauverhältnisse  die  Unterkellerung  und  Höherlegung 
des  rückwärtigen  Teiles  vom  Erdgeschoß  bedingt  haben.  Die  Fenster 
in  den  Hauptgeschossen  waren  ehemals  zu  zweien  und  dreien  gekuppelt 
bei  Verwendung  von  Pfeilerchen.  Geschoßteilungen  durch  Friese  und 
Sims.  Giebelfuß  seitlich  ausgekragt.  Der  Giebel  baut  sich  in  zwei 
Hauptstaffeln  auf  und  hat  einen  ädikulaartigen  Bekrönungsaufsatz  mit 
Dreieckgiebelchen;  im  Giebelfelde  ,,1583".  Senkrechte  Gliederung 
des  Giebels  durch  pilasterartige  Lisenen,  die  sich  am  Architrav  und 
Friese  verkrüpfen,  während  die  Hauptsimse  glatt  über  sie  weggehen, 
jedoch,  weil  das  Mittelfeld  des  Giebels  gegen  die  seitlichen  Flächen 
zurücktritt,   hier  entsprechend  gekröpft  sind. 

Staffelzwickel  gefüllt  durch  aufgerollte  und  abgesetzte,  mit  Diamanten- 
und  Kugelbossen  geschmückte  Bänder.  Besetzung  mit  Obelisken  und 
Halbkugeln.    Wetterfahne. 

550 


Leinstraße 

Der  Erker  hat  auf  Säulchen  gekuppelte  Fensler,  verkröpfte  Gebälke 
und  kannelierte  Lisenenstreifen  in  den  Brüstungsfeldern.  Giebel- 
abschluß durch  Volutenbänder,  zwischen  denen  ein  tafelartiger  Aufsatz 


Abb.  378.    Hannover:  Leinstraße  32, 
Grundriß. 


Abb.  379.    Hannover;  Leinstraße  32.    11128. 
Phot.  M.B.  A.,  llJ28. 


mit  der  Jahreszahl  1583  angeordnet  ist.    Die  Voluten  trugen  ehemals 

Obelisken. 

Inschriften  am  Erker: 

ANNO  DNI  1583. 

PSALMO    •    18    •    LAV-DANS    INVOCABO    DOMINVMET    AB    INIMICIS 

MEIS  SALVVS  EBO. 


551 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  380.     Hannover;  Leinstraße  32,  Zustand  vor  1830. 
Aufgen.  D.  u.  N.,  1925.     Gez.  N. 


552 


Leinstraße 

PS.  37  VND  57.  BKVEHELE  DEM  HERN  DEINE  WEGE  •  VND  HOFEE  • 
AVFF  IHNE  EHR  WIRTS  WOL  MACHEN  •  DAN  SEINE  GYETHE  IST 
SO  WEIT  DER  HIMMEL  IST  •  VND  SEINE  WARHEIT  SO  WEIT  DIE 
WOLCKEN  GEHEN  •   SEINE  EHRE  IST  VBER  ALLES. 

PSALMO  121.  AVXI-LIVM  •  MEVM  •  A  •  DOMINO  QVI  •  FECIT  COELVM 
ET  TERRAM. 

DISCITE  IVSTITIAM  ET  REGNVM  VENERABILE  CHRISTI  FERTE 
CRUCEM  VINCIT  SVB  CRVCE  VERA  FIDES. 

1.  "-pet.  1.  2Uks  flcifcb  tft  tr>ie  gras  •  rmb  alle  t>erltgtctt  ber  menfeben 
u>ie  bes  grafee  Murrten  •  i><\ö  gras  t»er=borret  unb  bie  blutttc  feilet  abe  • 
aber  bes  bern  tr-ort  bleibt  in  eungbeit. 

pfaltn.  90.  onb  39  b,er  lebre  mich  bebenden  t>a&  ich  fterben  mite  •  ba&  ein 
enbc  mit  mir  nentett  mus  mein  leben  ein  jiel  batt  onb  ict)  baoott  tnue. 

DAMNA  FER  IN  TE-RRIS  SORTIS  PACI-ENTER-  INIQVjE  POST  PARTI A 
FOELIX  DIVITE  CIVIS  ERIS. 

PS:  25.  VND  31.  HERR  •  ZEIGE  •  MIR  •  DEINE  •  WEGE  •  VND  LEHRE 
MICH  •  DEINE  •  STEIGE  •  LEITE  MICH  •  IN  •  DEINER  WARHEIT  VND 
•  LEHRE  •  MICH  DAN  •  DV  BIST  •  DER  GOTT  •  DER  MIR  HILFET  • 
VMB  DEINES  NAMENS  WILLEN  WOLLESTV  MICH  LEITEN  VND 
FVHRF.N. 

Am   Seitenflügel: 

PS.  37.    BEFEHLE  DEM  HEREN  DEINNE  WEGE  VND  HOFE  AVFE  IN 

ER  WIRT  ES  WOL  MACHEN. 

AM  PSALM  118.    DE  HER  IST  MIT  MIR  MIHR  ZV  HELLFEN  VND  ICH 

WIL  MEINE  LVST  SEHEN  AN  MEINEN  FEINDEN.    ES  IST  GVT  AVF 

DEN    HERREN    VERTRAWEN    VND    SICH    NICHT    VERLASEN    AVF 

MENSCHEN  •  MATTHIAS  RVST  •  VRSVLA  VON  (IDENSEN(?)  ANNO 

CHRISTI  1638). 

Chronik,  S.  542. 

Leinstraße  33: 

Massives,  verputztes  Barockhaus  um  1680,  4  Geschosse,  10  Achsen.  Bis 
1849  waren  nur  3  Geschosse  vorhanden  mit  vierachsigem  Giebelerker 
über  dem  Risalit.  Das  damals  veränderte  Erdgeschoß  hatte  eine  korb- 
bogige  Durchfahrt  unter  der  vierten  Achse  von  rechts;  außerdem  je 
eine  Tür  in  den  Seitenteilen  der  Fassade.  Mittelrisalit  wenig  vorgezogen. 
Ecklisenen  und  Gewände  in  Sandstein.  Das  Obergeschoß  von  1849 
hat  Hauptsims  in  weit  ausladendem   Schalwerk. 

Das  Hinterhaus  mit  massivem  Erdgeschoß  gehört  noch  dem  15.  Jahr- 
hundert an.    Flachbogige  Einfahrt. 

553 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Am  Markt  6:    abgebrochen    1  *S8 1    zur    Erweiterung    des    Marktplatzes; 
wiederaufgebaut  Lavesstraße  <S2. 
Abb.  38i      Traufenhaus,  Massivbau  von  1663,  Meister:  Adrian  Siemerding  (Meister- 


Abb.  381.  Hannover;  Am  Markt  f>,  abgebrochen  1884.  I'hot.  1884,  Stadtarchiv. 

schild  im  3.  Obergeschoß  rechts),  4  Geschosse;  die  Fenster  zu  4  +  2  +4 
gekuppelt;  hermenartige  Fensterpfosten.  Im  Erdgeschoß,  das  durch 
den  Wiederaufbau  im  übrigen  verändert  ist,  befindet  sich  das 
alte    rundbogige    Mittelportal:    Hausteinumrahmung    mit    Putten    auf 


554 


Am  Markt 


Blattstengeln;  über  dem  Bogen- 
scheitel  das  von  Engeln  gehaltene 
Ehewappen  JOHANN  OVERLACH 

-  ANNA  KLEINEN  1663. 
Geschoßteilungen  durch  Gurtfriese, 
mit       Rankenwerk       geschmückt, 
denen  desLeibnizhauses  verwandt; 
Brüstungssimse.  Senkrechte 

Fassadengliederung  durch  ornamen- 
tierte Lisenen   und   breitere  Rand- 
streifen an  den   Geschoßkanten. 
(Vgl.  Riemer,  H.  G.  1914,  S.  246  ff.) 

Am  Markt  11: 

Ganz  entstelltes  ehemaliges  Trep- 
pengiebelhaus aus  Ziegeln,  1558, 
wie  die  untenerwähnte  Wappenbei- 
schrift angibt,  erbaut.  Die  Geschosse 
bis  zum  Giebelfuß  waren  1834  noch 
äußerlich  wenig  verändert  erhalten ; 
derTreppengiebel  aber  damals  durch 
eine  Notwand  ersetzt.     Die  Wieg- 


Abb.  382.     Hannover;  Am  Markt  11,  Zustand  um 
1834,   nach   e'ner  Skizze    in  den  Baupolizeiakten. 


Abb.  383.     Hannover;  Marktplatz,  nach  Lithographie  von  Kretschmer. 

mannsche  Lithographie   von  1834  wie   auch  "Hei-nr.   Busses   Abbildung  Abb.  382 
des  Marktplatzes  zeigen  diesen  Giebel.    Nach  Handskizze  in  den  Bau- 


555 


Liste  der  Bürgerhäuser 

polizeiakten  bestand  das  alte  Haus  aus  Erdgeschoß.  Zwischengeschoß 
und  Obergeschoß,  Hauseingang  links  der  Frontmitte  --  spitzbogig  in 
flachbogiger  Blendnische.  Rechteckige  Lichtöffnungen  im  Erdgeschoß 
und  Zwischengeschoß  ebenfalls  in  flachbogigen  Blendnischen.  Eine 
Durchfahrt  flachbogig  rechts;  links  ein  Erker  aus  Haustein  bis  zum 
Obergeschoß  reichend.  Die  Lichtöffnungen  des  Obergeschosses  erscheinen 
breit  und  sind  flachbogig  geschlossen.  Unterhalb  des  Giebelfußes  ein 
Fries  aus  glasiertein  Ton. 

Heute    sind    Wappensteine    in    Höhe    des  1.  Obergeschosses  wahr- 

scheinlich von  dem  Erker  stammend  -  eingelassen:  Zwei  kleine  von 
1558  mit  Unterschrift  ANNO  DNI  •  1558  •  JAR  beziehen  sich  auf 
Tönnies  Limborg  und  seine  Frau  Margarete  Hertzog.  Außerdem  vier- 
geteilter Wappenschild  der  Weifenherzöge  (s.   H.  G.   1910,   S.  42). 

Am  Markt  14/15:  städtisches  Eigentum  seit   1.  April  1908. 

Giebelhaus,  Fachwerk,  1565,  Art  des  Apothekenflügels,  4  Geschosse 
(Zwischengeschoß),  11  Gefache.  Obere  Geschosse  und  Giebelfuß  vor- 
gekragt auf  Trommelkonsolen.  Erdgeschoß  verändert,  von  rundbogiger 
Durchfahrt  (etwa  links  der  Mitte)  Sturzbalken  erhalten.  Wappen: 
Hans  v.  Windheims  und  seiner  Gattin,  geb.  v.  Änderten;  dazwischen: 
ANNO  DNI   15G5. 


Abb.  384.     Hannover;  Am  Markt   14  15,  TeiKtück  der  Fassade.     Pliol.  M.  B.  A.,   192S. 


556 


Am  Markt 


Abb.  385b.        Hannover; 
Am  Markt  10,  Eckpfeiler. 


Abb.  385a.     Hannover;  Am  Markt  16. 

Zustand  von  1834. 

Aufgen.  D.  u.  N.,  1925.     Gez.  N. 


557 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Rechts  vom  rundbogigen  Hauseingange  ist  von  der  unter  gleichem 
Dache  angeordneten  Boda  der  Türsturz  erhalten.  Schwellen  mit  ge- 
hobelten, unterhalb  der  Pfosten  verkröpften  Profilen.  Füllbretter 
(zweifelhaft,  ob  nach  ehemals  vorhandenen)  erneuert.  Pfosten  als 
Pilasterbasen  verkröpft.  Brüstungsfüllungen  durch  Bretter  mit  Halb- 
rosettenzier  nur,  soweit  die  „domus"  reicht. 
Das  Haus  isl    1908  renoviert   und  zu   Kleinwohnungen  ausgebaut. 

Am  Mar  kl    115: 

Staffelgiebelhaus  an  der  Ecke  der  Dammstraße.  Giebelfront  am  Markte 
in  Ziegeln  mit  Putz  und  Hausleinverwendung;  an  der  Dammstraße 
in  Faehwerk.  Durch  Meister  Adrian  Siemerding  1662  erbaut.  Meister- 
zeichen und  Initialen  an  der  Giebelfußbrüstung  (Abbildung  H.  G.  1929, 
Tafel  V,  68).  Als  Zimmermeister  signiert  sich  an  der  Dammstraßen- 
seite Heinrich  Lüssenhop  (Abbildung  ebenda,  Tafel  VIII,   104). 

1  Hauptgeschosse.  Giebel  in  drei  mit  Volutenwerk  und  Halbmuscheln 
gefüllten  Staffeln.  Das  Erdgeschoß  hatte  ehemals  nach  Zeichnung  von 
1834  bei  den  Baupolizeiakten  rundbogige  Mitteltür,  deren  Schluß- 
stein mit  Engelskopf  und  Jahreszahl  1662  heute  an  der  Fensterbrüstung 
des  1.  Obergeschosses  eingesetzt  ist.  Wahrscheinlich  war  darüber  ein 
Doppelwappen  angebracht.  Der  Eckpfeiler  des  Erdgeschosses  trägt 
beiderseits  eine  von  Schuchhardt  (B.  d.  Ben.,  Nr.  99)  dem  Peter  Köster 
Abb.  385 au. b  zugeschriebene  Ornamentierung.  Geschoßaufteilüngen  durch  Gürtungs- 
friese.  Fenster  zu  vieren  mittels  schlanker  Säulchen  gekuppelt.  Brü- 
stungssimse. Senkrechte  Frontgliederung  durch  axiale  Anordnung 
von    Fenster-   und    Brüstungslisenen    durchgehend    bis   in    den    Giebel. 

Marktstraße  3:  abgebrochen   1887. 

Ursprüngliches  Treppengiebelhaus  mit  Lisenen,  in  der  Art  des  Hauses 
Osterstraße  59.  Nach  Abb.  im  Besitze  der  Familie  Volger  war  der 
Treppengiebel  durch  einen  Fachwerkaufbau  ersetzt.  Die  Wappen 
Volger  und  Wintheim  waren  getrennt  seitlich  an  der  Fassade  ange- 
bracht wie  bei  Am  Markt  11. 

Markt straße    1:  abgebrochen   1887. 

Massivbau  mit  geputzter  Front,  um  1710  erbaut.  3  Geschosse,  7  Achsen, 
die  mittleren  drei  in  schwach  vorgezogenem  Bisalit.  Giebelerker  mit 
Vasenbekrönung.  Ouaderlisenen,  Bandsimse,  Fenstergewände  aus  Sand- 
stein.   Lichtöffnungen  segmentbogig. 

Bis  1860  bestand  ein  Mittelportal  mit  segmentförmiger,  auf  Voluten- 
konsolen   vorgekröpfter   Verdachung,    ähnlich   dem   des    Hauses   Burg- 


straße 6.    Einfluß  durch  Bemy  de  la  Fosse  möglich. 


558 


Marktstraße 

Markt  Straße  7/8. 

Doppelhaus  mit  Giebel,  Fachwerk,  1550 — 60,  wahrscheinlich  von  Meister 
Jürgen  Geringes  für  Franz  v.  Wintheim  erbaut;  3  Geschosse,  14  Ge- 
fache, davon  8  Gefache  zum  Giebel  gehörig.  Erdgeschoß  verändert 
schon    16(50 — 70,     wo     Durchfahrt     und    Treppenhaus     neu     angelegt 


Abb.  386.     Hannover;   Marktstraße  TS,  Hof.     I'hol.  M.B.A.,  1928. 


wurden.  2.  Obergeschoß  und  Giebelfuß  bzw.  Traufe  auf  Krallenkon- 
solen vorgekragt.  Giebel  glatt.  Fußstreben  im  1.  Obergeschoß  als 
konkav  ausgeschnittene  Füllbretter,  im  2.  Obergeschoß  und  im  Giebel 
als  konvex  geschnittene  Hölzer,  so  daß  eine  ornamentale  Wirkung 
erzielt  wird.  Setzschwelle  1.  und  2.  Obergeschoß  mit  Inschriften  in 
lateinischen  Großbuchstaben,  niederdeutsch,  sind  jüngst  nach  Maßgabe 
der  Inschriften  im  Hofe,  aber  entstellt,   restauriert. 

559 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Abb.  386      Im    Hofe   finden   sich   am   (alteren)    Giebelbau   von   oben   nach   unten 
die   Inschriften: 

De  •  VALSCHEN  •  WIL  •  GODT  •  VAN  •  SICK  •  DRIVEN  •  AVER  ST  •  DE  • 
WARHEIT  •  SCHfALL  •  EWIG  ■  BLIVEN.]  WEN  •  ENER  •  SINER  •  EGEN  • 
SVNDE  •  VNDE  •  SCHANDE  •  NEME  •  WAR  •  DE  •  VORSWEGE  •  OCK. 
ENES  •  ANDEREN  •  LICHTLICK  •  GHAR  • 

DE  •  GADE  •  DEM  •  HEREN  •  VAN  •  HERTEN  •  VORTRVWEN  •  KAN  • 
DE  •  BLIFT  •  IN  •  EWICHEIT. 
EN  •  VNVOR  •  [DORVEN  •  MAN] 
Am  (wenig  jüngeren)    Querbau: 

ALLE  •  SCHALKHEIT  •  DE  •  VORGEIT  •  DE  •  GELOVE  •  EWICHEIT. 
GAS  •  WAST  •  (so!)  ■  HOLDT  •  DINE  •  REDE  •  TRVWE  •  NEMENDE  • 
ALTOVELE  •  VELE  •  WES  •  OCK  •  NICHT  •  TO  •  REH[ENDE  •  ACHT  • 
WAT]  •  DV  •  DE  IST  •  BEDENKE  •  DEN  •  END. 


Abb.  387.     Hannover;  Marktstraße  9/8. 
Druckst.  Verk.-A. 


560 


Marktstraße 

Marktstraße  9: 

Giebelhaus,     Eckhaus,     Fachwerk,     1556,     Meister     Jürgen     Geringes, 
4    Geschosse    einschließlich    Zwischengeschoß,    9    Gefache,    Erdgeschoß  Abb.  387 
verändert.    Von  der  alten  Einfahrt  ist  der  Sturzbalken  mit  Rundbogen 
scheitel    erhalten.     Zwischen   zwei   Hausmarken:   C[ord]    J[sere]n    und 
A.  L.   die    Datierung    ANNO    •    DOMINI    ffi    CCCCCLVI     eingeschnitzt 
(ein  sechstes  ,,C"  war  nur  aufgemalt).  In  den  Brüstungsgefachen  größten- 
teils Andreaskreuze.  Alle  Setzschwellen  mit  Halbrosettenfriesen.  Meister- 
zeichen an  der  Setzschwelle  des  3.  Obergeschosses:    I  G  in  einem  von 
Richtscheit  und  Axt  gebildeten  Felde. 
Vgl.  H.  G.  1914,   S.  113,  wo  irrig  „T  G"  gelesen  ist. 

Marktstraße   15:  abgebrochen   1875. 

Wappen  von  1593.    Das  Haus,  an  dem  das  Wappen  ursprünglich  saß, 
war    ein    Fachwerkhaus;    2.  Obergeschoß    auf    Konsolen    vorgekragt. 

Marktstraße  24: 

Traufenhaus,  Mischbau,  1652,  erbaut  für  den  Hauptmann  Hans 
Barteides.  2  massive  Geschosse,  Erdgeschoß  Sandstein,  verbl.  1.  Ober- 
geschoß Ziegel;  1  Fachwerkgeschoß.  Erdgeschoß  verändert.  Zwei 
rundbogig  geschlossene  Eingänge;  davon  ist  der  linke  (1839)  aus  Teilen 
der  alten  Durchfahrt  zusammengebaut.  Stark  abgeschrägte  Kanten, 
Barockschnörkel  als  Eckübermittlung,  vgl.  Portale  Neustädter  Kirche; 
Schlußstein  des  einen  Portals  mit  Engelskopf,  des  anderen  mit  Löwen-  Abb.  388 
köpf.  Meister  unbekannt.  Geschoßteilung  durch  Fries  zwischen  üblich 
profilierten  Simsen.  Im  massiven  Obergeschoß  sind  4mal  je  3  Fenster 
gekuppelt.  Fenstersäulchen.  Fachwerkgeschoß  ohne  Konsolen  vor- 
gekragt. Füllhölzer  anders  profiliert  als  die  Balkenköpfe;  Fußstreben. 
Traufsims  ohne  Konsolen  vorgekragt.  Giebelerker  von  3  Gefachen 
rechts  der  Frontmitte  und  je  eine  Gaube  beiderseits. 
Die  Hofgebäude  s.  unter  Köbelingerstraße  39. 

Marktstraße  28: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1580,  3  Geschosse  mit  jüngerem,  zwei- 
geschossigem Giebelerker,  2.  Obergeschoß  und  Traufe  auf  S-Konsolen 
vorgekragt;  Füllhölzer  mit  Girlandenmotiv'  in  der  rechten  Hälfte  des 
2.  Obergeschosses  erhalten.  Inschrift  auf  Setzschwelle  des  2.  Ober- 
geschosses niederdeutsch,  in  lateinischen  Großbuchstaben: 
WOLL  •  GODT  •  VOR  •  TRVWEN  •  KAN  •  DIE  •  BLIFT  •  EIN  •  VN  •  VOR  • 
DORVEN • MAN 
WOLL  •  GODT  •  VORTRVWET  •  DER  •  HEFT  •  WOLL  •    GEBVWET  • 

36  561 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  388.    Hannover;  Marktstraße  24,  Haustür. 
Phot.  M.B.A.,  1928. 


Marktstraße  29: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  wahrscheinlich  1652.  Eckhaus  zur  Köbelinger- 
straße.  3  Geschosse  mit  geringen  Vorkragungen.  Keine  Konsolen, 
Abb.  389  Balkenköpfe  sichtbar,  Füllhölzer  gerundet.  Giebelfront  an  der  Markt- 
straße; an  der  Köbelingerstraße  Windenerker.  Wetterfahne  mit  Wasser- 
jungfer. 

Im  Straßenbilde  wertvolles  Denkmal. 


562 


Marktstraße 

Marktstraße  30—34: 

Traufenhäuser  in  Fachwerk,  zu  dem  1582  gleichartig  bebauten  Block 
am  Ägidienkirchhof  gehörend,  unter  Leitung  des  Ratsmaurermeisters 
Dietrich  Berndes  und  Mitwirkung  des  Ratsmaurermeisters  Cord  Meier 
und  des  Schottiliers  Ludeke  Prekell  entstanden.  M.  Cord  Hoyer  war 
als  Zimmermann  beteiligt  und  Hans  Moller  als  Sägemüller.  Des  letzteren 
Zeichen  M.  H.  M.  mit  Mühlrad,  Beil  und  Richtscheit  am  Eckständer 
des  Hauses  Ägidienkirchhof  6. 

Nr.  30  mit  dem  anstoßenden  Hause  am  Ägidienkirchhof  6  unter 
gleichem    Dach     ist     im     Erdgeschoß     verändert.       2.    und    3.    Ober- 


Abb.  38!).     Hannover;  Marktstraße,  Straßenbikl.    Links  Nr.  29.     Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


563 


Liste  der  Bürgerhäuser 

geschoß  vorgekragt,  Konsolen  fehlen  heute.  Füllhölzer  nach  Gir- 
landenmotiv. 

Nr.  31,  an  dessen  Stelle  ein  um  1850  entstandener  Neubau  die  Gruppe 
unterbricht,  hatte  geknickte  Front,  2  massive  Untergeschosse  und  1  Ge- 
schoß in  Fachwerk.  Oberhalb  einer  rundbogigen  Durchfahrt  rechts 
befand  sich  das  von  Schuchhardt  (a.  a.  ().,  Nr.  22)  abgebildete  Stadt- 
wappen (jetzt  im  Leibnizhause)  mit  der  Jahresangabe: 
ANNO  DOM  INI   1  •  5  •  8  •  2  • 

Über  das  Wappen  s.  a.  Red.,  Chron.  S.  520.  Zeichnung  des  Hauses 
von  C.  Saß   1 83 1  im  Stadtarchiv. 

Die  übrigen  Häuser  sind  durch  Aufstocken  verändert.  Eine  Inschrift 
auf  der  Setzschwelle  des  Fachwerkgeschosses,  unterbrochen  durch 
das  fehlende    Stück   von   Nr.  31,   zieht   sich   fortlaufend    darüber   hin: 

SIS  •  ANIMO  •  LIN  [G]  VAQUE  •  HVMILIS  •  PRODESSE  •  BENIGNE  • 

OMNIBVS  •  ET  •  NVLLI  •  SIT  •  NOCVISSE  ■  LABOR  • 

SEDVLVS  •  IN  •  PROPRIIS  •  ALIIS  ■  ALIENA  •  RELINQV[E] 

PRVDENTEBQVE  •  FIDES  •  CVI  •  SIT  •  HABENDA  •  VIDE  • 

QVAE  •  SGIS  •  ....     Fortsetzung  auf  der  Marktstraßenseite  des  Hauses 

Agidienkirchhof  6: 

TERNA  •  HABEAS  •  POCIORA  •  CODVCIS  • 

PRAEQVE  •  HOMINVM  •  TIBI  •  SIT  •  GRATIA  •  GRATA  •  DEI 
ANNO  •  DOM  INI  •  M  •  D  •  CCCCC  •  LXXXII  • 

Marktstraße  35: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1530 — 40,  heute  stark  verändert.  Die  Datierung 
1583  oder  1581,  die  H.  G.  1914,  S.  108,  gegeben  wird,  kann  nicht  in 
Einklang  gebracht  werden  mit  Krallenkonsolen  und  Schwellenfries  aus 
Weinranke. 

Marktstraße  36: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1880,  stark  verändert:  ursprünglich  dem 
Hause  Marktstraße  45  ähnlich.  Hinterhäuser  mit  schwachen  Vor- 
kragungen, um   1730. 

Marktstraße  37: 

Frühestes  Beispiel  eines  Traufenhauses  in  Fachwerk,  wahrscheinlich  1531 
Abb.  390  zu  datieren.  Erdgeschoß,  Zwischengeschoß  und  ein  Obergeschoß, 
9  Gefache.  Die  von  Mithoff  (Archiv,  Tafel  19)  abgebildete  spitzbogige 
Durchfahrt  ist  1924  beseitigt,  die  Diele  durch  eine  Längswand  aus- 
einandergeschnitten, das  Zwischengeschoß  oberhalb  davon  ausgebaut. 
Obergeschoß  und  Traufsims  sind  auf  Konkavkonsolen  weit  vorgekragt, 

564 


Marktstraße 

deren  Vorderflächen  --  für  Hannover  einzigartig  --  mit  einer  Reihung 
von  flach  geschnitzten,  vierblätterigen  Rosetten  geschmückt  sind. 
Die  Balkenköpfe  tragen  je  eine  Rosette  der  gleichen  Art.  Füllbretter 
fehlen,  wie  stets  in  Hannover.  Setzschwelle  (s.  Mithoff,  Archiv,  Tafel  XX) 
mit  stilisiertem  Weinrankenfries  und  Fratzen.  Pfosten  mit  Fußstreben 
abgestützt.   Hohes  Satteldach  mit  drei  Gauben  im  unteren  Dachgeschoß. 


I 


s 


Abb.  390.     Hannover;  Marktstraße  37. 
Aufgen.  D.  u.  N.,  1925.     Gez.  N. 


Der  jetzt  im  Vaterländischen  Museum  aufbewahrte  Sturzbalken  der 
Einfahrt  trägt  zwischen  zwei  Wappen  die  zweizeilige   Inschrift: 

2Jnno  •  bitt  •  SMGSee  •  £  •  %%%  ■ 
3t)efus  — 2Iiarta. 

Die  Jahreszahl  entspricht  nicht  der  Errichtung  des  Hauses;  sie  ist 
durch  Veränderung  der  ursprünglich  für  L  und  das  letzte  X  vorhanden 
gewesenen  Zeichen  entstanden,  so  daß  sie  wahrscheinlich  MCCCCCXXXI 


565 


Liste  der  Bürgerhäuser 

zu  lesen  war.  Das  auf  dem 
Wappenschilde  des  Ehe- 
mannes erscheinende  Mono- 
gramm G  •  E  ist  ebenfalls 
nicht  ursprünglich  und  be- 
zieht sich  auf  den  Besitzer 
des  Hauses  zwischen  1580 
und  1631,  Gert  Evers,  der 
also  diese  Umänderungen 
hat  vornehmen  lassen. 

Der  alte  Grundriß  des 
Hauses  ist  durch  eben- 
denselben Gert  Evers  ver- 
ändert, insofern  dieser  hof- 
wärts  einen  Giebelbau  an- 
fügte, so  daß  die  Diele 
eine  sehr  große  Tiefen- 
ausdehnung bekam  (s. 
Zeichnung  von  Mithoff, 
Archiv,  Tafel  XIX,  Quer- 
schnitt bei  Galland,  a.  a.  0., 
1886,  Abb.   1). 

Marktstraße  38: 

Traufenhaus,  Fachwerk, 
um  1580,  Meister  CM, 
3  Geschosse,  9  Gefache, 
Erdgeschoß  verändert. 

Rundbogige  Einfahrt  auf 
der  rechten  Frontseite. 
Darüber  ehemals  Zwischen- 
geschoß. Vorkragungen  auf 
S-Konsolen  beim  2.  Ober- 
geschoß und  Traufsims. 
Füllhölzer  nach  Girlanden- 
motiv nur  an  der  Traufe 
erhalten.  Inschrift  nieder- 
deutsch in  lateinischen 
Großbuchstaben : 


Abb.   391.     Hannover;   Marktstraße  37,    Grundriß,  1925. 


PSAL  •  XC  •  DE  •  HERE  •  VNSE  •  GODT  ■  SI  •  VNS  •  FRVNDELICK  •  VNDE 
VORDERE  •  DAT  •  WERCK  •  VNSER  •  HENDE  •  BI  ■  VNS  •  IA  •  DAT 
WERCK  •  VNSER  •  HENDE  •  WOLDE  •  HE  •  DOCH  •  VORDEREN  • 


566 


Marktstraße 

Meisterzeichen  mit  Emblemen  am  Mittelpfosten  des  Zwischengeschosses 
über  der  Einfahrt:  M  •  C [Ml (vgl.  Knochenhauerstraße  20,  Osterstraße  66; 
s.  auch  H.  G.  1914,   S.  203). 


Abb.  392.     Hannover,  Marktstraße  37.     1025.  Gez.  N. 
Mit  teilweiser  Benutzung  einer  Aufn.  von  O.  WinkelmüHcr  a.  d.  J.  1921. 


Marktstraße  39: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1550,  Art  des  Jürgen  Gering,  3  Geschosse, 
3  Gefache.  Erdgeschoß  verändert,  2.  Obergeschoß  und  Traufe  auf 
Krallenkonsolen  vorgekragt.  Auf  der  Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses 
Halbrosettenfries. 

567 


Liste  der  Bürgerhäuser 


^7 


^^ 


'\2    4LJy)  K^r 


Abb.  393.    Hannover;  Marktstraße  37,  Vorkragung  und  Schwellenzier.    Aulgen.  D.,  1925. 


Abb.  394.     Hannover;   Marktstraße  37.        Phot.  M.  B.  A.,  1928.         Druckst.:  Verk.-Amt. 


568 


Markt  straße 


Abb.  395. 
Hannover ;  Marktstr.  39. 


Marktstraße  40: 

Traufenhaus  in  Fachwerk,  stark  verändert.  2.  Obergeschoß  auf  S 
Konsolen;  die  Setzschwelle  mit  Inschriftenresten  rechts.  2.  und  3.  Ober 
geschoß  aus  dem  18.  Jahrhundert. 

Marktstraße  41 : 

Ziegelmassives  Giebelhaus  in  Putz  bei  Sandstein- 
verwendung, Ende  des  16.  Jahrhunderts.  Im  Giebel 
schießen  die  Simse  durch  die  Schrägen  hindurch. 
Die  Achsen  des  Giebels  sind  gegen  die  der  Haupt- 
geschosse verschoben.  Einfache,  geschoßteilende  Simse 
überall.  Giebelfuß  seitlich  ausgekragt.  Bekrönung 
durch  Würfel  (Beschlagornament),  Kugel  und 
Wetterfahne. 

Erdgeschoß  verändert,  rundbogige  Einfahrt  links 
der  Frontmitte  mit  barocker  Tür.  Treppenanlage 
wenig  verändert. 

Die  Hinterhäuser  in  Fachwerk,  um  1580;  zweigeschossig,  mit  überge- 
kragtem  Obergeschoß  und  Traufsims.  Unverzierte  konvexe  Konsolen; 
Füllhölzer  stark  verschmiert;  Andreaskreuze. 

Marktstraße  43: 

Massives  Giebelhaus  in  Putz  mit  Sandsteinverwendung,  um  1710, 
3  Geschosse,  5  Achsen.  Der  Giebel  ist  über  starkem  Hauptsims  abgesetzt. 
Von  seinen  drei  Geschossen  ist  das  des  Giebelfußes  voll  ausgebaut; 
seitliche  Postamentpfeiler  mit  Kugelbekrönung.  Die  Schrägung  hebt  in 
konkaver  Linienführung  an  und  schließt  flachdreieckig. 
Erdgeschoß  und  1.  Obergeschoß  1850  verändert.  Die  Baupolizeiakten 
geben  rundbogige  Durchfahrt  rechts  an,  hochrechteckige  Tür  in  der 
Mittelachse  und  rechteckige  Fenster  links.  Im  1.  Obergeschoß  sind  die 
Solbänke  tiefer  gelegt. 

Der  ursprüngliche,  typisch-hannoversche  Grundriß  ist  verändert.  Lüne- 
burger Einfluß  ist  zu  vermuten. 

Marktstraße  44: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1540,  3  Geschosse,  6  Gefache.  Erdgeschoß 
und  1 .  Obergeschoß  verändert.  2.  Obergeschoß  und  Giebelfuß  vorgekragt, 
nur  am  Giebelfuß  sind  Krallenkonsolen  erhalten.  Giebel  gewalmt, 
Fußstreben  einwärts  gebogen.  Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses  mit 
Inschrift  in  gotischen  Kleinbuchstaben  mit  Großbuchstaben,  nicht 
leserlich. 

Rechts  Brandmauer  mit  Vorkragungen:  im  unteren  Teil  Eckverzahnung. 
Das  1.  Obergeschoß,  im  18.  Jahrhundert  verändert,  hat  4  Achsen 
zwischen  Doppelstielen. 


569 


Liste  der  Bürgerhäuser 


570 


Marktstraße 


571 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Marktstraße  45: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  3  Geschosse,  1  Achsen,  ursprünglich  gotisch. 
Erdgeschoß  neuzeitlich.  Obergeschosse  um  1700.  Giebel  zweimal  vor- 
gekragt.    Giebelpfahl. 

Marktstraße    l(i:  abgebrochen  um  1895. 

Giebelhaus,  Fachwerk,  1544  erbaut,  gehörte  mit  Marktstraße  37  wahr- 
scheinlich in  die  gleiche  Gruppe,  abgebildet  H.  G.  1914,  S.  192.  4  Ge- 
schosse (Zwischengeschoß),  7  Gefache,  Giebel  in  drei  Geschossen, 
rundbogige  Einfahrt,  2.  und  3.  Obergeschoß  und  Giebelfuß  auf  Krallen- 
konsolen. Giebelgeschoß  mit  geringerer  Vorkragung,  zuletzt  ohne 
Konsolen.  Inschrift  auf  der  unteren  Setzschwelle  in  lateinischen  Groß- 
buchstaben:  DEO HANG  TVEARE  DOMVM.     Auf   der   oberen 

Schwelle  Weinrankenfries. 

Marktstraße  47:  das  südliche  der  auf  Nr.  47  stehenden  Häuser. 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1540  (vgl.  Marktstraße  44),  3  Geschosse, 
Erdgeschoß  verändert,  7  Gefache.  1.,  2.  Obergeschoß  und  Traufe  auf 
Krallenkonsolen  vorgekragt.  Im  2.  Obergeschoß  einwärts  geschwungene 
Fußstreben  und  Reste  einer  Brüstungsleiste.  Setzschwelle  des  2.  Ober- 
geschosses mit  niederdeutscher  Inschrift  in  gotischen  Kleinbuchstaben 
mit   Großbuchstaben: 

V>v\ä  Öemc  l)uiiri$cii  Öp  brot.  Vitöc  De  Öc  um  clcitöe  [mit  vove  mit  mit  htte. 
Dufte  fo  ölt  cnett  nafcfcen  fuft  fo  tletc  onc.  Vn  tei  M  nt)Ayt  vo  ötjtic  flfcfc. 
3föi  •  'Sl\.     lUol  fij  orc  to  floppet  vor  fcem  fmge  ös  avme.    Vc  wert  oef  rope 

vn  ittjcht  crfjcrct  wcvüc 

Das  zwei  Grundstücksbreiten  einnehmende  Hauptgebäude  auf  Nr.  47 
ist  ein  Traufenhaus  in  Ziegeln,  wahrscheinlich  das  älteste  seiner  Art  am 
Orte;  dem  Wäskenbook  (451)  nach  erbaut  von  Johann  Scheele,  der  1419 
Bischof  von  Lübeck  wurde*),  1 139.  Dieser  stiftete  auf  dem  Grundstück, 
an  das  von  der  Böselerstraße  und  Osterstraße  her  die  Höfe  der  Augustiner 
und  Karmeliter  anstießen,  auch  eine  Kapelle.  Bedecker  bildet  die 
Marktstraßenfront  des  Hauses  ab  (Chron.,  S.  318)  mit  Maßwerkfenstern 
im  Erdgeschoß  und  hochrechteckigen  im  Obergeschoß:  links  einen 
zweigeschossigen  Erker.  Danach  ist  die  Front  wohl  schon  im 
17.  Jahrhundert  verändert.  1852 — 1924  beherbergte  das  Haus  das 
vom  Thalia-Verein  begründete  Theater  und  ist  zu  diesem  Zweck 
im  Inneren  ausgebaut  worden.  Jetzt  ist  es  Kraftwagenhalle.  1924 
sind    die    Profilsteine    des    gotischen    Traufsimses    abgeschlagen,    das 


*)   Über   ihn   s.  Becker.    Umständl.  Gesch.  d.  Stadt  Lübeck,  T.  1,  S.  356,  373 
bis  379. 

572 


Marktstraße 

Haus  hat  durch  Anstrich  das  Ansehen  eines  Fachwerkbaues  erhalten. 
Nur  am  Querflügel  sind  die  mittelalterlichen  Fenster  im  Obergeschoß 
erhalten.    Der  Denkmalswert  ist  so  gut  wie  vernichtet. 


Abb.  400.     Hannover;  Marktstraße  -18,  Isern  Forte.     Abgebrochen  188(1. 


Marktstraße  48:  abgebrochen  1886. 

Das  im  Verlassungsbuche  1439  „Isern  Porte"  genannte  Familienhaus  der 
Volger  ererbte  Bertold  Volger  und  baute  es  neu.  Der  Zeit  und  dem 
Meister  nach  stand  es  dem  Rathausflügel  von  1455  sehr  nahe.  Nach 
Mithoffs  Aufnahme  aus  dem  Jahre  1844  (Archiv,  Tafel  XIII)  war  das  Abb.  4oo 

573 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  401.    Hannover;  Marktstraße  19.   Fassadenaufnahme  1860.    Stadtareh. 


574 


Marktstraße 


Erdgeschoß  im  18.  Jahrhundert  verändert  und  geputzt.  Der  Giebel  mit 
acht  gestaffelten,  übereck  gestellten  Bündelpfeilern  als  Fialen  setzte 
unmittelbar  über  diesem  an  und  hatte  5  Geschosse  mit  gekuppelten 
kleeblattbogigen  Lichtöffnungen  und  Blendnischen  außerhalb  der  Dach- 


Abb.  402.     Hannover;  die  abgebrochenen  Häuser   IX  (Isern  Porte)  und  49. 
Druckst.:  11.  (.. 

schräge.    Die  Bogenfelder  darüber  trugen  Lilienornamente;  die  Giebel- 
stufen   je    einen    kreisförmig    durchbrochenen    Aufsatz.      Die     Fialen 
endeten    in    Pyramiden,    aus    denen    Wetterfahnen    hervorragten    (vgl. 
Knochenhauerstraße  28). 
Aufnahmezeichnung  bei  Mithoff  (Archiv,  Tafel  XIII). 

575 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Marktstraße    19:  abgebrochen  1878. 

Staffelgiebelhaus  von  1606,  Eckhaus  zur  Röselerstraße,  Giebel  an  der 
Marktstraße.  Geputzter  Ziegelbau  mit  Hausteinverwendung.  3  Haupt- 
geschosse.      Giebel    in    5    Staffeln.     Erd- 

Abb.  40i  geschoß  war  um  1840  schon  verändert. 
Der  Eingang  war  ausgestattet  mit  dem 
Allianzwappen  Volger-Herbst.  Schuch- 
hardl  (a.  a.  ().,  Nr.  41)  vermutet  richtig 
den  gleichen  Meister  wie  bei  Osterstraße  (i8 
(s.    daselbst),    nämlich    Nottelmann.     Das 

Abb.  4o:<  Wappen  ist  beim  Neubau  an  der  Röseler- 
straße wieder  angebracht.  Die  Haupt- 
geschosse waren  sechsachsig;  Fenster 
hochrechteckig  mit  Sandsteinumrahmung; 
Geschoßteilnngen  durch  antikisierende 
Gurtungsfriese  angegeben.  Im  Giebel 
Brüstungssimse.  Senkrechte  Gliederung 
des  Giebels  durch  breite  Lisenenstreifen 
(Diamanten  in  Beschlagornament).  Staffel- 
zwickel gefüllt  durch  Volutenwerk  und 
mit  Obelisken  bestanden. 
Eine  Aufnahme  von  üppler  findet  sich  in  dessen  Nachlaß. 


Abb.  403.    Hannover,  MarktstiaUe  49, 

jetzt  Röselerstraße. 
Allianzwappen   Volger-Herbest,  1006. 


Marktstraße  50: 

Giebelhaus,  Ziegel  geputzt,  vielleicht  im  Urzustände  zur  Gruppe  der 
Häuser  mit  glattem  Schräggiebel  bei  durchschießenden  Geschoßteilungs- 
simsen um  1590  gehörig.  4  Geschosse,  4  Achsen.  Geschoßteilung  durch 
Hausteinsimse.    Fensterumrahmungen  teilweise  erneuert. 

Marktstraße  51: 

Traufenhaus,  ursprünglich  gotischer  Ziegelbau,  1661  umgebaut  und 
verputzt  und  mit  Erkeranbau  versehen,  4  Geschosse,  6  Achsen.  Der 
ehemals  dreigeschossige  Erker  rechts  der  Frontmitte  ist  1887  durch 
Wegnahme  des  Untergeschosses  zweigeschossig  geworden.  Links  der 
Frontmitte  befand  sich  ein  rundbogiger  Eingang;  Hausteingewände  mit 
Kämpfer,  Schlußstein  mit  geflügeltem  Engelskopf. 
Das  Zwischengeschoß  hat  quadratische  Lichtöffnungen  in  Haustein- 
gewänden. Geschoßteilung  durch  breiten  Fries  zwischen  barocken 
Simsen. 

Das  dritte  Obergeschoß  ist  nicht  ursprünglich.  Hauptsims  in  Holz- 
verschalung, weit  ausladend. 

Am  Erker  sind  die  Fenster  zu  vieren  gekuppelt  bei  Verwendung  von 
toskanischen   Säulen. 


576 


Marktstraße 


Das  Haus  war  1529  für  Magnus  Volger  erbaut  (s.  H.  G.  1925,   S.  53). 
Die   Grundstückseinteilung  ist  noch  die  mittelalterliche.     Scheune  mit 
Wappen  der  Volger  und  v.  Windheim  und  der  Jahresangabe: 
ANNO  •  DOMINI  •  MCCCCCLXXX. 

Marktstraße  54:  abgebrochen   1887. 

Mithoffsches  Haus.  Dreigeschossiger  Massivbau,  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts, 2+3+2  Achsen,  Mittelrisalit.  Erdgeschoß  mit  Rustika. 
Hauptgeschoß  sehr  hoch  mit  waagerechter  Simsverdachung  der  Fenster. 
Mezzanin  ohne  geschoßteilendes  Sims.  Das  Hauptsims  in  hohen  Architrav 
und  Fries  geteilt;  weit  ausladende  Sima.  Dreiecksgiebel  über  dem  Risalit. 
Mansardendach.   Abbildung  im  Stadtarchiv  (Grupenstraßenansicht). 

Marktstraße  58:  abgebrochen   1841. 

Fachwerkgiebelhaus,    zuletzt    Hofpredigerwohnung,    Art    des    Meisters 

Cord  Meier,  Ende  des  16.  Jahrhunderts. 

Auf  dem  Grundstück  wurde 
durch  Droste  1841  die  neue 
Marktwache  erbaut  (s. 
daselbst). 

Marktstraße  60  und  61: 
Reide  Häuser  um  1752 
mit  einheitlicher  Front 
versehen  durch  den  Ge- 
heimen Rat  Freiherrn  von 
Steinberg  (Weiteres  s. 
Wohngeb.  von  Hofwelt 
und  Adel,  S.  346). 
Am  Sockel  des  Seitenge- 
bäudes zum  Hause  Nr.  60 
findet  sich  ein  Stein  mit 
dem  Wappen  v.  Lünde— 
v.Wintheim  und  der  Jahres- 
zahl 1526. 

Marktstraße  63: 

An  der  Hofseite  oberhalb 
des  Sturzes  der  Durchfahrt 
in  dieWTand  eingelassen  ein 
Kalksandsteinrelief,  dar- 
stellend den  hl.  Christo-  Abb.  404 
phorus,     H.  70  cm,  wahr- 


Abb.    104.     Hannover,    Marktstraße   63, 
Christophorusrelief  im  Hofe.  Phot.  1923. 


scheinlich    noch    14.   Jahrhundert.     Nahe   Beziehung    zu    dem    Kreuzi- 
gungsrelief der  Marktkirche;    dem  Kunstkreise    des  Meisters  Bertram 

37  _77 

o77 


Liste  der  Bürgerhäuser 


und  seiner  Vorgänger  nahestehend  (s.  Habicht,  H.  G.  1915,  S.  343  ff.). 
Vermutlich  stammt  das  Relief  von  der  Marktkirche.  Mehrere  der  Eigen- 
tümer des  Hauses  Marktstraße  63  hatten  an  der  Sodenschen  Kapelle  der 
Marktkirche  besondere  Anrechte.  Bei  der  Anlage  dieser  Kapelle  könnte 
das  Relief  seinen  ursprünglichen  Platz  in  der  Kirche  verloren  haben. 

Marstallstraße  10: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1530,  3  Geschosse,  glatt.  3.  Obergeschoß 
und  Traufe  mit  Vorkragung  auf  Konsolen  konkaver  Form  (ähnlich  in 
Celle,  Schuhstraße  15,  um  1530).  Setzschwelle  der  Vorkragung  mit 
Treppenfries  (vielleicht  in  zweiter  Verwendung).  Ein  zweites  -  -  doch 
nicht  in  situ  —  Rückseite  des  Arbeitervereinshauses,  Burgstraße  29. 
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Abb.   105.    Hannover;   Marstallstraße  10.     Aufgen.  D.,  1927. 

Marstallstraße:  33  abgebrochen. 

„Der  von  Holle  Haus",  Abbildung  in  H.  G.  1924,  Tafel  IV.  Die  Haupt- 
front lag  wahrscheinlich  nach  Nr.  34  hin.  Das  Bild  zeigt  die  Giebelseite 
an  der  „Mauerstraße":  Mischbau,  1571  erbaut,  3  Geschosse,  Erdgeschoß 
massiv  mit  Kreuzpfostenfenstern.  Die  übrigen  Geschosse  Fachwerk  mit 
Vorkragungen,  auch  im  Giebel,  auf  Trommelkonsolen,  Füllhölzer  nach 
Fruchtgirlandenmotiv. 
Setzschwelle  des  1.  Obergeschosses: 

1)V  TREWER  •  GODT  •  HER  •  IESV  CHRIST  •  DER  ■  1)V  •  DER  •  RFXHTE  • 
BAWHER  •  RIST  •  BEWER  •  VNS  •  JA  •  FVR  •  FEWERSNOD  •  VND  • 
NACHMALS  •  FVR  •  DEN  •  EWGEN  •  TODT 
S.  Leonhardt,  H.  G.  1924,    S.  121. 
Abbildung   Stadtarchiv,  Mappe  22. 

Maschstraße  4: 

Wohnhaus  des  Hofbaumeisters  Molthan.  Zweigeschossiger  Putzbau  mit 
romanischen  Anklängen.  Reiches  Maßwerk  in  den  rundbogigen  Fenstern. 
Überhängendes  Hauptsims  aus  Holz. 


578 


Mittelstraße 

Maschstraße  5: 

Putzbau  in  romanischen  Formen  von  Droste,   1855.  Abb.  406 

Maschstraße  6: 

Putzbau,  1846  für  v.  Werlhof  erbaut,  angeblich  durch  Molthan,  italieni-  Abb.  wi 
scher  Landvillenstil,  Loggia  und  halbkreisförmig  vorspringendes  Blumen- 
haus. 


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Abb.    100.     Hannover;    Maschstraße  5.     Droste,  1855. 


Mittelstraße  1: 

Fachwerkhaus,  um  1750,  3  hohe  Geschosse,  5  Achsen,  Mansarden- 
dach. Dacherker  von  3  Achsen  mit  Dreiecksgiebel.  Doppelpfosten, 
Querriegel,  Schalsimse  architravartig.  Hohe  rechteckige  Haustür. 
Treppenanlage   alt. 

579 


Liste  der  Bürgerhäuser 


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Abb.  407.    Hannover;  Gartenhaus  von  Werlhof,  Masch.stral.lr  6.     1846. 

Mittelstraße  2:  Ehemals  Gasthof. 

Abb.  408  Eckhaus  Wagenerstraße,  Fachwerk,  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  3  Ge- 
schosse, 4  Gefache  (Wagenerstraßenseite  mit  8  Gefachen).  1.  Obergeschoß 
mit  geringer  Vorkragung.  2.  Obergeschoß  glatt  mit  verschalter  Geschoß- 
teilung. Das  hohe  2.  Obergeschoß  schließt  mit  an  der  Hauptfront 
geschwungenem  Giebel;  Seitenfront  hat  geschwungen  in  Knopf  aus- 
laufenden   Giebel    nur    über    den    4    Mittelgefachen.     Mansardendach 

Abb.  409  mit  Ochsenaugen.  An  der  Mittelstraßenfront  rechts  die  einflügelige 
Haustür  mit  geschnitztem  Gewände;  Oberlicht.  In  den  Fenstern  des 
2.  Obergeschosses  alte   Sprossenteilung. 

Mittelstraße  5: 

Fachwerkhaus,  um  1660 — 70,  3  Geschosse,  4  Gefache,  Erker  von  2  Ge- 
fachen mit  Dreiecksgiebel  in  der  Mitte.  Vorkragungen  mit  gleich- 
profilierten Balkenköpfen  und  Füllhölzern.  Setzschwelle  des  1.  Ober- 
geschosses: 

ALLES  WAS  MS'IN  TVHN  VNDANFANGIST  • 

GESCHE  IM  NAMENESVCHRIS  •  DER  STEHE  MR  BEIFRVH 
VND  SPÄHT  BISAL1VEIN  THVNE  INENDE  HATT. 

Mittelstraße  8: 

Fachwerkhaus,  Eckhaus,  erstes  Viertel  des  18.  Jahrhunderts,  3  Geschosse, 
später    verschalt;     Achsenteilung    nicht    ursprünglich.      Ebenso    Vor- 


580 


Mittelstraße 


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581 


Liste  der  Bürgerhäuser 

kragungen    mit    antikisierenden    Simsen  spater.     Haustür    rechteckig 

mit   vorgelegter  Freitreppe.    Geländer  in  Schmiedeeisen  alt.    Die  Tür 

selbst  einflügelig  mit  Oberlicht,  Empire.  Haus  der  1711  gegründeten 
Weingroßhandlung  von  Ahles. 

Mühlenstraße  3: 
Abb.  410  Traufenhaus,  Fachwerk,  go- 
tisch (um  1525).  Erdgeschoß 
und  1.  Obergeschoß  glatt; 
2.  Obergeschoß  und  Traufe 
mit  Krallenkonsolen.  1  Ge- 
fache. Füllhölzer  fehlen. 
Setzschwelle  des  2.  Oberge- 
schosses mit  feinem  Fasen- 
profil, ,, Leistentrapez".  Ehe- 
mals Einfahrt  rechts.  Wohn- 
haus des  Cord  Broyhan. 

Neue  Straße  1 : 

Fachwerkhaus,  1683,  3  Ge- 
schosse, 7  Achsen.  Hoher 
Sandsteinsockel  mit  barock 
profiliertem  Absatz.  Geringe 
Vorkragungen;  Balkenköpfe 
und  Füllhölzer  verschieden 
profiliert.  Rahm  birnstab- 
ähnlich.  Fußstreben  verein- 
zelt. Giebelerker  von  5  Achsen, 
rundbogige  Durchfahrt  links, 
Sturz:  J[JfJ&.    1683. 

Neue  Straße  2—5: 

Einheitlich  1681  bei  Anle- 
gung der  Straße  erbaute  Fach- 
werkhäuser. Vorkragungen 
mit  gleichprofilierten  Balken- 
köpfen und  Füllhölzern. 

Neue   Straße   11: 

Fachwerkhaus    (die    Bemer- 
kung H.  G.  1914,   S.  290,  be- 
zieht   sich  auf  Nr.  44)  ursprünglich  3  Geschosse,  6  Gefache,  2.  Ober- 
geschoß jünger.      Setzschwelle   1.  Obergeschosses: 

WIRBAWENALHIERFESTEVND   SINTDOCHFREMBDEGESTE  o 
VNDDA  WIREWIGSOLLENSEINDABAWENWIRGARWENIGEIN. 


Abb.  410.    Hannover;  Mühlenstraße  3. 

Sctzsehwolle  dos  2.  O.-G.  mit  Lcistentrapozen. 

Phot.  1905. 


582 


Neue  Straße 

Neue   Straße  16: 

Fachwerkhaus,  größtenteils  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  Haustür  recht- 
eckig mit  Oberlicht  und  einflügeliger  Rokokotür.  Abbildung  bei  Ebel, 
S.  37. 

Neue   Straße   17: 

Fachwerkhaus,  entsprechend  dem  vorigen;  Tür  links,  Rokoko. 

Neue   Straße   l.S: 

Fachwerkhaus,  den  vorigen  entsprechend,  auf  den  Resten  des  mittel- 
alterlichen Zwingers  aufgebaut,  der  dort  in  den  Graben  hinaussprang. 
Am  Fundament  des  Hinterhauses  ein  Steinmetzzeichen  M.  H.  W.  1691. 

Neue   Straße   19  und   19a: 

Fachwerkhaus  als  Wagenremise  und  Fouragespeicher  von  der  Landes- 
herrschaft zu  Ende  des  17.  Jahrhunderts  errichtet  (s.  Hofmarstall- 
wesen,   Seite  323). 

Neue   Straße  21   s.   London-Schenke. 

Neue   Straße  23: 

Fachwerkhaus  vornehmerer  Art,  1707  (?);  3  hohe  Geschosse,  7  Haupt- 
gefache, dabei  5  Fenstergefache.  Mittelerker  mit  flachem  Giebel. 
Rechts  war  eine  Einfahrt.  Sturz  mit  unleserlicher  Inschrift.  Jahres- 
zahl 1707  (?).  Empiretür,  zweiflügelig.  Treppenanlage  alt,  aber  ohne 
Besonderheit. 

Neue   Straße  24: 

Hinterhaus  von  Lange   Straße  20.     Neue  Inschrift: 

MIEN  HUS  MIEN  STOLT  STAH  LAST  AS  EEKEN  HOLT    A-D-  1682. 

Neue   Straße  27: 

Fachwerkhaus,  letztes  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts,  3  Geschosse, 
gebrochene  Front.  Vorkragungen  aller  Obergeschosse  mit  gleicher 
Profilierung  von  Köpfen  und  Füllhölzern;  Giebelerker  mit  Giebel- 
pfahl. Rechts  zugesetzte  Durchfahrt.  Hauseingang  mit  zurückliegender 
Treppe.  Die  Haustür  einflügelig  mit  Oberlicht,  Ornamentik  aufgelegt, 
ist  etwa   1790  entstanden. 

Das  Haus  war  von  1740 — 97  im  Besitz  der  Familie  Kestner.  Charlotte 
Kestner,  geb.  Buff,  Werthers  Lotte,  wohnte  hier  bei  ihrer  Schwieger- 
mutter in  den  ersten  Jahren  ihres  Aufenthaltes  zu  Hannover. 

Neue   Straße  28—31: 

Gleichzeitig  um  1681  erbaute  Fachwerkhäuser  mit  gleichgebildeten 
Vorkragungen.  Nr.  28  mit  einflügeliger  Spätrokokotür  und  Ober- 
licht. 

583 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Neue   Straße  33  und  34: 

Ursprünglich  Doppclhaus  für  Ratsdiener,  Fachwerk  um  1681, 
3  Geschosse,  1  1  Gelache,  Giebelerker  von  6  Gefachen  in  der  Mitte; 
Giebelpfahl.  Vorkragungen  in  allen  Geschossen  wie  vorher.  Links 
flachbogige  Durchfahrt,  rechts  rechteckige  Tür,  dreiteilig,  mit  Ober- 
licht, Regenzemerkmale.    Treppenanlage  alt. 

Neue   Straße  35:   Simonsche  Stiftung. 

Mischbau,  1681  (s.  Lange  Straße  <S),  3  Geschosse,  Erdgeschoß  massiv, 
Sockel  ohne  Absatz,  aus  Sandstein.  Die  beiden  Fachwerkgeschosse 
von  18  Gefachen.  Vorkragungen  wie  vorher.  2.  Obergeschoß  sehr  hoch. 
Alle  Fenster  außenbündig.  Hauptsims  auf  klassizistischen  Konsolen 
vorgekragt;  Mansardendach.  Windenerker.  Mitteleinfahrt  mit  Sand- 
steinumrahmung, rundbogig.    Hebräische   Inschrift  im   Scheitel. 

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„Jahr  Wahrheit  nach  der  minderen  Zahl."   Das  mittlere  Wort  „Wahr- 
heit" bedeutet    als  Zahl    gelesen  441    der    jüdischen  Zeitrechnung   = 
1681   der  christlichen  Ära. 

Neue  Straße  37: 

Fachwerkhaus,  letztes  Viertel  des  17.  Jahrhunderts,  4  Geschosse,  5  Ge- 
fache, Haustür  bei  Ebel,  Textabb.  S.  46. 

Am  Neuen  Wege  3A:  abgebrochen   1890. 
Abb.  4ii      Fachwerkhaus,    Mitte    des    18.  Jahrhunderts;    2    Geschosse,    7   Achsen, 


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Abb.  411.    Hannover;  Neuer  Weg  HA,  Haus  des  Vise-Oberjägerraeisters  Graf  Hardenberg,  1836, 


584 


Osterstraße 


Giebelerker  von  3  Achsen,  Mansardendach  mit  Gauben.  Dem  Eingange 
in  der  Mittelachse  war  eine  doppelarmige  Freitreppe  vorgelegt.  Um 
1836  Haus  des  Vize-Oberjägermeisters   Graf  Hardenberg. 


Abb.  412.     Hannover;  Osterstraße  1,  Schmiedestraßenfront.     Phot.  1924. 

Osterstraße   1:      ,, Plenterburg",     später     Gasthaus     „Zum     römischen 
Kaiser". 
Giebelhaus,  Eckhaus  zur  Schmiedestraße,  Giebelseite  massiv  in  Ziegeln  Abb.  «s 
unter   Verwendung  von  Haustein;   Flächen  geputzt.    Osterstraßenseite 
hat  in  den  übergeschossen  Fachwerk  ohne  Konsolen;  Andreaskreuze. 


585 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Meisterzeichen  Adrian  Siemerdings  seitlich  des  Giebelfußes.  Die 
Jahresangabe  1658  findet  sich  in  der  Wetterfahne. 
•1  Geschosse,  Staffelgiebel  in  3  Geschossen.  Fenster  zu  je  vier  und  zu 
je  zwei  gekuppelt,  alle  mit  Säulchen.  Geschoßteilungen  durch  antiki- 
sierende Gurtfriese.  Brüstungssimse;  senkrechte  Lisenen.  Achsen- 
anordnung bis  in  den  Giebel  hinein  senkrecht  untereinander.  Rechts 
Erker  von  3  Geschossen  mit  zu  je  fünf  gekuppelten  Fenstern.  Nach 
der  Osterstraße  sind  das  2.  und  3.  Obergeschoß  wie  der  Giebelfuß 
vorgekragt.  Der  Giebel  hat  in  den  Stufenzwickeln  Füllungen  durch 
Halbmuscheln  und  Volutenwerk,  ähnlich  wie  am  Hause  „Am  Markt  16". 
Obelisken.  Giebelbekrönung  mit  Muschel,  Volutenwerk  und  Wetter- 
fahne auf  kupferner  Kugel. 

Der  Hauseingang  befand  sich  in  Mitte  der  Osterstraßenfront. 

Osterstraße  3: 

Traufenhaus,  Fachwerk  überputzt,  vielleicht  ursprünglich  2  Geschosse, 
2  Gefache,  2.  Obergeschoß  vorgekragt  und  verschalt.  3.  Obergeschoß 
hat  noch  drei  Konsolen  mit  Taustab,  um  1560,  ähnlich  Kaiserstraße  2. 

Osterstraße  4: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1550,  stark  verändert.  6  breite  Gefache, 
Fußstreben  stellenweise  erhalten.    Malerischer  Hof. 

Osterstraße  8: 

Traufenhaus,    Fachwerk,    um    1550;    Erdgeschoß    und    1.  Obergeschoß 

sind    noch    gotisch,    Balkenköpfe    mit     Krallenverzierung.      Konsolen 

nirgend    mehr    vorhanden.      2.  und    3.  Obergeschoß     18.  Jahrhundert. 

Über  der  Durchfahrt  innen: 

HILF  GOT  REICHLICH  •  EWIG  •  VND  ZEITLICH. 

Der  Hofflügel  von  Meister  D.  S.   (Dirik   Stünckel),   1635,    Inschriften: 

TRACHT  ■  STETS  •  DARNACH  •  WAS  •  RECHT  •  ISTGETHAN  •  OB  DICH  • 

SCHON  NICHT  •  LOBT  IDERMAN  •  ES  KANS  •  DOCH  MACHEN  •  KEINER 

ALSO  •  DAS  •  IDERMAN  GEFALLEN  (THO) 

DER  •  CHI  PSAL  •  LOBE  DEN  HERN  MEINE  •  SELE  VND  VERGIS  • 

NICHT  •  WAS  ER  MIR   (iVTES   GETHAN  HAT  HANS  •   HANSINCK    • 

ELISABET  •  BERNS  •  ANNO  1635 

(vgl.  H.  G.  1914,   S.  117). 

Osterstraße  9: 

Fachwerkhaus,  um  1730;  3  Geschosse,  1  Achsen,  Vorkragungen  des 
2.  Obergeschosses  und  des  4>aufsimses  mit  sichtbaren  Balkenköpfen. 
Fensterstürze  in  Segmentform.  Mansardendach  mit  Giebelerker  von 
2   Gefachen. 

586 


Osterstraße 

Osterstraße  10: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  Erdgeschoß  um  1550,  5  Gefache.  Ein  jüngeres 
Obergeschoß  von  6   Gelachen. 

Osterstraße   11: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1550.    Art  des  T.  G.,  3  Geschosse  (Zwischen- 
geschoß),    9    Gefache;     Giebel     in    3    Geschossen.     Vorkragungen    des 
2.  Obergeschosses    und    Giebelfuß    auf    Krallenkonsolen,    Setzschwellen 
mit  Halbrosettenf riesen. 
Durchfahrt  war  bis   1860  rechts. 

Osterstraße   12: 

Mithoff,   Kdm.  S.  95,   überliefert  die   Inschrift : 
LOBE  DEN  HERRN  MEINE  SEELE  — 

Osterstraße   13: 

Mithoff,  Kdm.  S.  91,  verzeichnet  die   Inschrift: 

DAS  BLVT  JESV  CHRISTI  MACHT  VNS  REIN  VON  ALLEN  SINDTEN 

Osterstraße  22:  abgebrochen  beim  Durchbruch  der  Grupenstraße. 
Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1600 — 10,  2  Geschosse,  6  Gefache,  Gicbelfuß 
auf  S-Konsolen  vorgekragt,  Füllhölzer  mit  Kymation  und  Zahnschnitt. 
Rechts  ein  Erker  durch  zwei  Geschosse  vorgezogen.  Fenstersäulchen. 
Vielleicht  um   1630.     Abb.   H.  G.  1926,  Taf.  IX. 

Osterstraße  26:  abgebrochen  um   1890. 

Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1565.  Vielleicht  vom  Meister  des  Apotheken- 
flügels. 2  Geschosse,  Giebel  in  2  Geschossen,  7  Gelache.  Erdgeschoß 
mit  spitzbogiger  Einfahrt  links  der  Mitte.  Giebelfuß  und  Giebelgeschoß 
auf  Trommelkonsolen  vorgekragt.  Keine  Füllhölzer  erhalten.  Pfosten 
mit  pilasterartiger  Fußausbildung  und  Verkröpfungen  an  den  Setz- 
schwellen. Brüstungsbretter  mit  Halbrosetten.  Gardinenbögen;  an 
der  Giebelschräge  schräggestellte  Konsolen.  Abb.  H.  G.  1916,  S.  216. 
Inschrift  der   Scheune  s.  Osterstraße  28. 

Osterstraße  27: 

Mithoff,  Kdm.,  S.  95,  las  die  unter  einer  Verschalung  wahrscheinlich 
noch  vorhandene   Inschrift : 

HER  CHRIST  BEWA.R  DK  STADT  VND  HAVS  SONST  ISTS  MIT  VNS 
GANTZ  VND   GAR  AUS 

Osterstraße  28: 

Mischbau,  1608,  Erdgeschoß  und  1.  Obergeschoß  Ziegel  verputzt  mit 
Sandsteinverwendung  an  der  Durchfahrt  (links).  Nach  Zeichnung 
von  1855  in  den  B.  P.  A.  war  der  rundbogige  Hauseingang  damals  rechts, 
im  Hintergrunde  der  Diele  rechts  die  Treppe.     Sims  über  Erdgeschoß 

587 


Lisle  der  Bürgerhäuser 

erhalten,  unterhalb  der  Fensterbrüstung  überputzt.  Im  1.  Ober- 
geschoß jetzt  Fenster  nül  Segmentbögen.  2.  Obergeschoß  in  Fachwerk 
vorgekragt  ohne  Konsolen.  Füllhölzer  reich  mit  Zahnschnitt,  Kymation 
und  Konsolenschnitt.  Der  Oberbau  ist  vermutlich  von  Hans  Behnsen. 
Setzschwelle  des  Fachwerkgeschosses  mit  hochdeutscher  Inschrift 
in  lateinischen   Großbuchstaben: 

HILF-  GODT-AVSNODT-  DERABGVNST-  IST- GROS- WERABERGQDT- 
VERTRAWET-  HADT  •  WOL  •  GEBVET  ■  ICH  •  ZWEIFEL  •  N ICH  •  GODT- 
WIRT  •  HILFEN  •  MICH  ■  1  ■  6  •  0  •  8  • 
Schlußstein  der  Durchfahrt  mit  Hausmarke. 

Hintergebäude  ungefähr  aus  gleicher  Zeit;  über  der  Durchfahrt  an  der 
Setzschwelle: 

....  FINK    IN  ALLEN  DINGEN  •  SO  KAJNES  DI[R  NICHT 
MISGELINGEN]  ANNO   DOMINI  1(304. 
Unter  der  Traufe   S-Konsolcn. 

Osterstraße  33:  abgebrochen. 

Als  Steinhaus  seit  1428  oft  erwähnt  und  auf  älteren  Stadtplänen 
gezeichnet.  Über  das  auf  diesem  Grundstück  1686  erbaute  von  Reden- 
sche  Haus  s.  S.   113. 

Osterstraße  34  und  35: 

Zwei  gleich  ausgestattete  Fachwerkhäuser,   1732  erbaut,  4   Geschosse, 

je  5   Achsen. 

Die  Grundstücke  1 158  an  Hinrik  Reseler,  1586  .lobst  Knigge;  ,,Kniggen 

Hof",    zu    dem    auch    die    nächsten    beiden    Grundstücke    der   Röseler- 

straße  gehörten,  wurde  durch  üvn  Bürgermeister  Grupen  1729  für  die 

Stadt  erworben  und  dann  neu   bebaut. 

Über    die    nicht    mehr    vorhandenen    Bauinschriften    s. 

H.  G.  19U5,  S.  498. 

Osterstraße  36: 

Giebelhaus,  Eckhaus,  Fachwerk,  datiert  1589,  Meister 
wohl  C.  H.  (vgl.  Osterstraße  38).  3  Geschosse,  8 
Gefache,  Giebel  in  3  Geschossen.  Erdgeschoß  ver- 
ändert. 2.  Obergeschoß  und  alle  Giebelgeschosse  auf 
Abb.  413  S-Konsolen  vorgekragt.  Keine  Füllhölzer.  Verkröpfte 
Brüstungsleisten  wie  an  der  Röselerstraßenfront  waren 
wohl  vorhanden,  bevor  die  Fenster  verändert  sind. 
Andreaskreuze  in  allen  Obergeschossen.  Seitenfront 
aus  großformatigen  Ziegeln  bei  Vorkragung  des 
2.  Obergeschosses  in  Fachwerk.  Vielfache  Veränderun- 
gen.   Keine  Inschriften.  straße 36, s-Konsoie. 

588 


Abb.  413. 
Hannover;  Oster- 


Osterstraße 

Osterstraße  38: 

Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1590  (Abb.  bei  Galland  1886,  Tai.  28). 
4  Geschosse,  Giebel  in  2  Geschossen,  <S  Gefache  (vgl.  Dammstraße  5). 
Erdgeschoß  1854  verändert.  Einfahrt  hatte  damals  schon  geraden 
Sturz.  Fachteilung  der  Obergeschosse  bis  auf  das  3.  Obergeschoß 
nicht  ursprünglich.  Alle  Geschosse,  auch  im  (Hebel,  vorgekragt;  nur 
im  Giebel  sind  die  S-Konsolen  alt.  Die  Pfosten  und  Konsolen  des 
Giebels  neigen  sich  nach  der  Giebelspitze  hin.  Füllhölzer  fehlen.  Andreas- 
kreuze und  vorgenagelte  Brüstungsleisten.  Inschriften  niederdeutsch 
in  lateinischen  Großbuchstaben. 
Giebelfuß : 

DE  CXII  PSALM  •  WüLDEM  •  DE  •  DEN  •  FERN  •  FRVCHTET  •  DE  • 
GROTE  •  LVST  •  HEFT  •  AN  •  SINEN  •  GERODEN  ■  DES  •  SAT  •  WARTH  • 
WELDICH  •  SIN  •  VP  •  ERDEN  • 
Auf  der  nächsten   Setzschwelle  darunter: 

WOL  •  GOT  •  VORTRVWET  •  HEFT  •  VAST  •  VND  •  WOL  •  GEBVWET  • 
WOR  •  GOT  •  NICHT  •  GEIET  •  DAR  •  HELPT  •  NEIEN  •  ARREIT  • 
Untere    Setzschwelle:    die   großenteils    verdorbene    Inschrift    ist    durch 
Bemalung  nachgearbeitet : 

DE  •  XXV  •  PSALM  •  THO  ■  1)1  •  HERE  •  VORLANGET  •  MIE  •  MIN  •  GODT  • 
ICK  ■  DOPE  •  VP  •  DI  •  LAT  •  MI  •  NICHT  •  THO  •  SCHANDEN  •  WARDFN. 

Osterstraße  39: 

Giebelhaus,  Ziegel  verputzt  bei  Hausteinverwendung,  um  1610.  3  Haupt-  Abb.  tu 
geschosse,  Giebel  in  4  Geschossen  gestaffelt,  Erdgeschoß  und  1.  Ober- 
geschoß verändert;  2.  Obergeschoß  hat  5  Achsen  von  paarweise  ge- 
kuppelten Fenstern  mit  Säulchen.  Staffelgiebel  beiderseits  ausgekragt, 
hat  andere  Achsenteilung,  breite  diamantbesetzte  Lisenen,  Staffel- 
zwickel gefüllt  durch  Bandwerk  mit  barocken  Ansätzen  wie  Schmiede- 
straße  5.     Obelisken    fehlen    heute.     Abb.  bei    Galland,    1886,    Tai'.  28. 

Osterstraße    11  : 

Traufenhaus,  3  Geschosse,  3  Achsen,  Fachwerk.  1712  neu  gebaut 
und  dem  conrector  scholae  zugewiesen  (s.  Leonhardt,  H.  G.  1926, 
S.  65). 

Osterstraße  42: 

Traufenhaus,   3    Geschosse,   4   Achsen.     Erdgeschoß   massiv  mit.  flach- 
bogiger  Durchfahrt  links;  darüber 
SOLI   DEO   GLORIA   1720. 

In  den  hohen  Obergeschossen  Doppelpfosten;  geringe  Vorkragung. 
Traufsims  klassizistisch. 

589 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  414.     Hannover;    Osterstraße  39.     Phot.  M.B.  A„  1928. 

Osterstraße  44: 

Fachwerkhaus,  ähnlich  Osterstraße  41 ;  3  Geschosse,  4  Achsen,  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts. 

Über    der    Einfahrt    der    ehemaligen    Scheune    ANNO    DOM  INI    1596. 
IOBST  •    SCHRODES   •   HILLE   •   DEPMER1NG  (statt  Dethmering). 


590 


Osterstraße 

Osterstraße  46:  Geburtshaus  des  Rechtsgelehrteu  Justus  Henning 
Böhmer. 
Giebelhaus,  Fachwerk,  Art  des  Hinr.  Stünkel.  5  Geschosse,  Erd- 
geschoß mit  Eckverzahnung  in  Sandstein.  Durchfahrt  links  der  Mitte. 
Die  Obergeschosse  -  7  Gefache,  Giebel  in  2  Geschossen  -  -  sämtlich 
vorgekragt,  bis  auf  das  1.  Obergeschoß  auf  S-Konsolen.  Füllhölzer 
reich  mit  Eierstab  und  Zahnschnitt  im  1.  Obergeschoß,  mit  Konsolen- 
fries im  2.  Obergeschoß  und  mit  einfachem  Zahnschnitt  im  3.  Ober- 
geschoß.   Erbauer  Hinrich  Behrens. 

Fenster  im  1.  Obergeschoß  und  2.  Obergeschoß  vergrößert.  Die  ehemals 
rundbogige  Durchfahrt  enthielt  auf  dem  Sturzbalken  zwischen  Wappen- 
schilden Namen  und  Jahresangabe;   nicht  lesbar. 

Osterstraße  47: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1570,  1  Geschosse,  7  Gefache,  Erdgeschoß 
1885  verändert;  segmentförmig  geschlossene  Durchfahrt  war  links. 
3.  Obergeschoß  mit  Giebelerker  jünger.  2.  und  3.  Obergeschoß  (ehe- 
malige Traufe)  auf  JYommelkonsolen  vorgekragt.  Andreaskreuze. 
Inschrift  auf  der.  Setzschwelle: 
DAT  •  IS  •  DAT  •  LAM  •  GADES  •  WELCKEB  •  DER  •  WERLT  •  SVNDE  • 


DRECHT •  GODT • DE ■ HERE •  SI  • VNS • GNE  |DIG 


Am  Hofseitenflügel  eingefügter  Balken  mit  Datierung:  ANNO  •  DOMINI  • 
1584  •  zwischen  2  Wappenschilden,  deren  einer  mit  C  E  (Cord  Eggers) 
bezeichnet  ist. 

Osterstraße  48/49: 

Traufenhaus  in   Fachwerk,   Mitte  des   18.  Jahrhunderts. 

Osterstraße  50: 

Traufenhaus,  1001  vom  Meister  Hans  Beensen.  Mischbau  von  2  massiven  Abb.  415 
Geschossen  mit  besonders  starken  Mauern  und  einem  vorgekragten 
Obergeschoß  von  5  Gefachen.  Traufsims  ebenfalls  vorgekragt. 
Eckverzahnung,  Gewände  und  Gesimse  aus  Haustein.  Erdgeschoß 
durch  Fenstereinbau  verändert,  mit  rundbogiger  Durchfahrt  rechts; 
im  Schlußstein  Wappenschild  (Hilmer?),  Geschoßteilung  durch  Gurt- 
fries. Brüstungssims  des  1.  Obergeschosses  mit  Zahnschnitt.  Fenster- 
teilung verändert.  Vorkragung  des  Fachwerkgeschosses  mit  niedrigen 
S-Konsolen.  Die  Unterkanten  von  Füllhölzern  und  Setzschwelle  sind 
stark  gefast.  Unter  dem  4>aufsims  höhere,  von  lesbischem  Kyma 
umrahmte  S-Konsolen.  Andreaskreuze.  Meisterzeichen  mit  Emblemen 
am  Pfosten  rechts  der  Mitte  M.  H.  B.  Auf  der  Setzschwelle  in  Groß- 
buchstaben (Hammer  und  Zange): 

HERE  GODT  RIS  DV  MEIN  ZVVERSICHT  •  SO  MIN  MVNT  KEIN  WORT 
MER  SPRICHT    ANNO  16[0]1. 

591 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Frühester  nachweisbarer  Hau  des  Hans  Beensen,  der  1603  Ratszimmer- 
meister und  steuerfrei  wurde  wegen  seiner  Verdienste  um  den  städtischen 
Wohnbau. 


Abb.  416. 
Hannover;    Osterstr.   51. 


den 


Osterstraße    51;      s. 
Grundriß,  Abb.  416. 

Osterstraße  54: 

Traufenhaus,  etwa  1650 
erbaut  und  1850  mit  neuer 
Front  verseilen.  Im  Zu- 
stande vor  1850  gehörte 
es  zu  den  Mischbauten: 
Erdgeschoß  massiv,  über- 
putzt, rundbogige  Durch- 
fahrt rechts.  Fenster  mit 
Sandsteinumrahmungen, 
hoher  Gurtfries.  2  Ober- 
geschosse in  Fachwerk  um  1730,  eingeschossiger  Dacherker.  Treppen- 
haus ursprünglich;  gedrehte  Docken. 

Osterstraße  56: 

Giebelhaus,  Mischbau,  ursprünglich  ganz  in  Fachwerk.  Um  1550 
durch  Meister  Jürgen  Geringes  für  Hinrich  Kobart  erbaut.  Erdgeschoß 
1645  in  Sandstein  erneuert:  Durchfahrt  rundbogig  mit  Flachornament 


Abi).   115.     Hannover;  Osterstraße  50. 


592 


Osterstraße 


auf  der  Umrahmung;  Kanten  mit  Eierstababfasung;  in  den  Zwickeln  Abb.  417 
Hausmarken   H.  E.  und   J.  N.  und   die   Jahreszahl   16/45.    Die  Fenster 
des    Erdgeschosses    hatten    Teilung    mit    Säulchen    (Zeichnung   in    den 
Baupolizeiakten  von   1873).    Wiederherstellungsarbeiten   1884.     Wahr- 


Abb.  417.      Hannover;    Osterstraße  56,  Durchfahrt.      Phot.  M.B.A.,  1928. 


scheinlich  war  ein  Zwischengeschoß  bis  1645  vorhanden,  dessen  Setz- 
schwelle, mit  Fächerfries  verziert,  sich  noch  in  alter  Lage  befindet. 
Giebelfußschwelle  ebenfalls  mit  Fächerfries.  Vorkragungen  auf  Krallen- 
konsolen. Füllbretter  und  Streben  neuzeitliche  Zutat.  Meisterzeichen 
am  Giebelfuß  J.  G.  Auf  den  Setzschwellen  des  Seitenflügels  findet 
sich  die  Jahresinschrift  ANNO  1565  und  die  Hausmarke  des  Hinrich 
Kobart  nebst  den  Anfangsbuchstaben  seines  Namens  H.  K.,  außerdem 
die   Meisterbezeichnung  C.  K. 


38 


593 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Über  der  Hauseinfahrt  war  ehemals  das  Herbergszeichen  der  Tischler 
angebracht,  jetzt  im  Vaterlandischen  Museum. 

Abbildung  des  Hauses  in  H.  G.  1926,  Tat.  VII. 

Osterstraße  57: 

Traufenhaus,  etwa  1630,  2  Geschosse  massiv  und  überputzt;  ursprüng- 
lich ein  Fachwerkobergeschoß  von  6  Gefachen,  wenig  vorgekragt. 
Ein  zweites  Fachwerkobergeschoß  1837  aufgestockt.  Erdgeschoß 
durch  Schaufenstereinbau  verändert,  enthält  das  alte  Hausportal 
rechts  der  Frontmitte:  schmal,  rundbogig  mit  Kämpfer;  Fasen  des 
Bogens  mit  Eierstab;  im  Scheitel  Rosette  mit  Engelsköpfchen.  Tür 
aus  der  Erbauungszeit.  Fenstergewände  aus  Sandstein.  Keine  Ver- 
wendung von   Säulchen.    Vgl.  Osterstraße  52. 

Abbildung  des  Zustandes  von   1837  im  Stadtarchiv. 

I  )as  Haus  gehört  der  St.-Ägidien-Kirchengemeinde  und  war  Pfarr- 
witwenhaus. 

Osterstraße  59:  (sogenannte  „Alte   Kanzlei")  vorübergehend   Sitz  der 
Justizkanzlei,   1742—60). 

Giebelhaus  in  Ziegelbau,  Eckhaus  zur  Breiten  Straße.  Nach  dem 
Wäskenbook  §  582  ist  das  Haus  erst  um  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
erbaut,  und  zwar  von  Hans  Gercken  dem  Jüngeren,  der  es  seit  1554 
Abb.  419  besaß.  Der  Giebel  überragt  alle  Häuser  der  Nachbarschaft.  Erd- 
geschoß mit  hohem  Zwischengeschoß,  2  Obergeschosse,  gotischer 
Lisenen-Staffelgiebel  (Profilziegel- und  Glasurverwendung)  in  6  Staffeln 

II  achsig  angesetzt. 

Veränderungen  des  Erdgeschosses  liegen  schon  im  17.  Jahrhundert. 
Der  seit  1689  im  Hause  wohnende  Oberzahlkommissar  Johannes 
Reinbolt  ließ  an  der  Osterstraße  ein  Portal  mit  seinem  Wappen  und 
Abb.  ns  der  Jahreszahl  1691  einbauen,  das  jetzt  an  die  Front  der  Breiten  Straße 
verlegt  ist.  Ein  neuerdings  beseitigter  Erker  saß  an  der  Ecke.  Das 
Erdgeschoß  ist  heute  verputzt,  läßt  aber  Eckverzahnungen  in  Sand- 
stein erkennen.  Am  Giebelfuß  ist  die  Rahmung  eines  Frieses  sichtbar. 
Die  alte  flachbogige  Durchfahrt  links  ist  neuerdings  wieder  geöffnet. 
Die  Veränderungen  des  Dielengrundrisses  lassen  den  alten  Zustand 
nicht  einwandfrei  erkennen.  In  einem  nach  der  Breiten  Straße  zu 
belegenen,  ursprünglich  durch  zwei  Geschosse  reichenden  Erdgeschoß- 
raum fanden  sich  1926  unter  Putz  Wandmalereien  in  Leimfarben,  die 
nicht  erhalten  werden  konnten:  Renaissancekartusche  und  Spruch 
Psalm  55,   Vers   23;    Farben:    Schwarz,    Grün,    Gelb. 

594 


Osterstraße 


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595 


Abb.  418.     Hannover;  Osterstraße  59,  Zustand  von  1850. 
Aufn.  D.  u.  N.,  1925.    Reinzciclm.  D. 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  41i>.     Hannover;  Osterstraße  59.     Pliot.  1928. 
Druckst.:  Vcrk.-A. 

Osterstraße  63 : 
Abb.  420  Spätbarockes,  französisch  beeinflußtes  Massivhaus  in  Ziegeln  mit  Putz. 
Gewände,  Simse,  Quaderlisenen  in  Sandstein.  Das  Haus  bestand 
schon  1732,  wie  aus  dem  Tagebuch  des  Abtes  von  Loccum,  Ebel,  hervor- 
geht, wo  es  als  Geh.  Justizrat  Denichens  Haus  bezeichnet  wird.  Ur- 
sprünglich 2  Geschosse  bei  5  Achsen.  An  Stelle  des  Mansardendaches 
ist  1827  1  Geschoß  mit  klassizistischem  Giebel  aufgestockt.  Das  Mittel- 
portal -  -  ehemals  mit  zweiarmiger  Freitreppe  hat  verkröpfte  Sims- 
verdachuug  von  geschwungener  Form;  das  Mittelfenster  darüber  zeigt  am 
Brüstungsfelde  unter  der  konsolengetragenen  Solbank  Blumengehänge. 

Osterstraße  65: 

Ursprünglich  Giebelhaus  von  1530,  mit  offener  Hofeinfahrt  links; 
etwa  1620  wurde  die  Einfahrt  überbaut,  der  Giebel  abgewalmt.  Das 
Gewände  der  damaligen  Einfahrt  ist  um  1890  am  Hofe  der  Reichs- 
bank  eingebaut. 

596 


Osterstraße 


Abb.  420.     Hannover;  Osterstraße  63.     Phot.  1914. 


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Abb.   121.     Hannover;  Osterstraße  65.     D.,  1925. 


597 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Abb.  121  An  der  Rückseite  des  Vorderhauses  spitzbogige  Durchfahrt  in  Fach- 
werk.  In  den  Zwickeln  die  Jahresinschrift  1530  zwischen  zwei  Wappen- 
schilden, deren   ursprünglicher  Inhalt  getilgt  ist. 

Neben  der  Durchfahrt  rechts  spitzbogige,  in  Profilziegeln  gemauerte  Tür 
von  der  Diele  zum  Hofseitenflügel,  jetzt  zugesetzt.  (Tür  zur  Kemenate?) 
Über  dem  Torbogen  des  Quergebäudes  im  Hofe  Doppelwappen  von 
etwa   1620:   Iochim  Brvwer  •  Anna  Polmans  (Gioßbuchstaben). 

Osterstraße  66: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1586  vom  Meister  Cord  Meier  erbaut;  3  Ge- 
schosse, 6  Gefache;  links  ein  2  Gefache  breiter  Erker  bis  zum  2.  Ober- 
geschoß vorgezogen.  Erdgeschoß  und  1.  Obergeschoß  verändert;  Durch- 
fahrt ehemals  rechts.  2.  Obergeschoß  und  Traufe  auf  S-Konsolen 
vorgekragt.    Füllhölzer  nach   Girlandenmotiv.    Andreaskreuze. 

Inschrift  auf  der  Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses  in  lateinischen 
Großbuchstaben  jetzt  nur  teilweise  sichtbar: 

SPES  MIHI  SOLA  DEVS  SPES  COETERA  FALLIT  ET  ERRAT. 

Das  Meisterzeichen  MCM  innerhalb  der  Embleme  im  2.  Obergeschoß 
am  Pfosten  über  der  Einfahrtsmitte.  Mithoff  las  noch  über  dem  Erd- 
geschoß: 

ANNO  DOMINI  1586  FLEBILE  PRINCIPIVM  SED  FINIS  LAETA  BO- 
NORV. 

An  der  Hausrückseite  Spitzbogen  der  Durchfahrt  erhalten.  Hof- 
seitenflügel von   1592  mit  der  Inschrift: 

ANNO  I.  5.  92  FIDE  DEO  CAVSA  QVEM  DESTITVERE  SECVND^ 
QVIDQVUID  ET  HUMANA  EST  IN  RATIONE  BONI 

QVEM  PATER  ET  GENETRIX  QVEM  DESERVERE  PRO  PINQVI 
DESERTVM  PATITVR  NONTAMEN  ESSE  DEVS 

Osterstraße  68: 

Traufenhaus,  laut  Inschrift  von  1609:  wohl  dem  Meister  Hans 
Nottelmann  zuzuschreiben.  Ursprünglich  3  Geschosse;  ein  viertes  ist 
Abb.  422  straßenwärts  durch  Aufklappen  der  Dachfläche  aufgestockt.  Nur  das 
Erdgeschoß  in  Haustein,  1.  und  2.  Obergeschoß  in  Ziegeln,  geputzt 
bei  Hausteinverwendung;  die  übrigen  beiden  Geschosse  in  Fachwerk. 
Die  Fassade  ist,  abgesehen  vorn  Aufstocken,  verändert,  indem  die  drei- 
teilig gekuppelten  Fenster  in  zweiteilige  umgestaltet  wurden.  Das 
Erdgeschoß  hat  rundbogigen  Eingang  und  ursprünglich  vorgelegte 
Treppe.  Sandsteingewände  mit  Beschlagornament,  Zahnschnittfasen, 
Schlußstein    als    Engelskopf;    darüber    Allianzewappen:    Rosenhagen- 

598 


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Osterstraße 

Wiering  und  die  Jahreszahl  1609. 
Das  Wappen  schreibt  Schuchhardt  Abb.  423 
(B.  d.  R.,  Nr.  42)  dem  Meister  mit 
der  Signatur  ,,M.  H.  F."  zu,  die 
gelesen  werden  muß  M[eister]H[ans 
Nottelmann]  F[ecit].  Die  Fenster 
rechts  waren  ehemals  zu  dreien 
gekuppelt;  Säulchen  toskanisch. 
Im  1.  Obergeschoß  war  die  ent- 
sprechende Fensteranordnung  mit 
jonischen  Säulchen.  Geschoßteilun- 
gen durch  Friese.  Brüstungssimse 
waren  überall  vorhanden. 


Abb.   122.     Hannover;  Osterstraße  68, 
Zustand  nach  der  Aufstockung. 
Aut'n.  D.  u.  N.,  1025.       Gez.  N. 


Abb.    12.S.     Hannover;  Osterstraße  68, 
Ehewappen  über  der  Haustür. 


Osterstraße  69: 

Traufenhaus,  Mischbau,  1570 — 80,   2  Geschosse  massiv,  2  in  Fachwerk,  Abb.  124 
Erdgeschoß    verändert,    das    2.  Fachwerkgeschoß    von    1864    (lt.  Bau- 
polizeiakten).   Vorkragung  des  1.  Fachwerkgeschosses  auf  (erneuerten) 
Konsolen;   Andreaskreuze,    Setzschwelle   mit    Inschrift    in   lateinischen 
Großbuchstaben,   niederdeutsch : 


599 


Liste  der  Bürgerhäuser 

HERE  SIMI  GNEDICH  •  WENTICK  ROPE  DAGELIKES  THODI  • 
VORFROVWDE  •  SEILLE  •  DINES  KNECHTES  NA  • 

Osterstraße  70:  abgebrochen   1864,  s.  die  Abb.  der  Gruppe  68 — 70. 


Abb.   124.     Hannover;  Gruppe  der  Häuser  Osterstraße  68,  69,  70,  Zustand  um  1850.    Nach  Zeichnungen 
in  den  Baupolizeiakten  und  Phot.  Stadtarchiv;  gez.  N.,  1926. 

Osterstraße  72:  abgebrochen  1898. 

Giebelhaus,  in  Fachwerk,  überputzt;  erbaut  1692  (Zeichnung  in  Bau- 
polizeiakten von  1856),  3  Geschosse,  6  Achsen.  Mitteltür  mit  ge- 
schwungenem Losholz  und  durchbrochenem  Oberlicht.  Durchfahrt 
rechts.  Auf  dem  Schlußstein  des  Torbogens  stand  nach  Wüstefeld 
SOLI  DEO  GLORIA  •  ANNO  1709. 
Im  Hof  über  der  Einfahrt: 

IORST  CHRISTOF  SCHRÖDER  ANNO  1692  ILSE  MARGARETHA  BÖT- 
GERS. 

Unter  den  beiden  Namen  die  zugehörigen  Wappen. 
Am  Hinterhause  die  gleichen  Familienwappen  und  an  einem  Balkenkopfe 
St.  Georg,  den  Drachen  tötend. 


600 


Abb.  425.     Hannover;  OsterstralJe  ~'.i. 
Aufn.  D.  u.  N.,  1925.     Gez.  N. 


Osterstraße 

Osterstraße  73: 

Massivhaus  mit  gestaf- 
feltem Volutengiebel, 
laut  Inschrift  1600  er- 
baut. Ziegel,  verputzt, 
und  roter  Sandstein. 
1  Hauptgeschosse  und 
ebensoviel  Geschosse  im 
Giebel.  Die  Fenster  Abb.  425 
der  Hauptgeschosse  sind 
noch  im  17.  Jahrhundert 
erweitert :  dabei  die  alten 
Brüstungs-  und  Archi- 
travsimse  abgeschlagen, 
wie  an  Spuren  erkennbar 
ist.  Die  Fassadenauftei- 
lung ist  symmetrisch  auf 
die  Mittelachse  bezogen. 
Achsenanordnung  im 
Giebel  gegen  die  der 
Hauptgeschosse  ver- 
schoben. Im  Erdgeschoß 
liegt  die  rundbogige 
Durchfahrt  rechts  der 
Mitte.  Im  ursprünglichen 
Zustande  scheinen  die 
Hauptgeschoüfenster  zu 
zweien  auf  Pfeilerchen 
gekuppelt  gewesen.  Der 
Giebel  ist  in  Lisenen- 
streifen  aufgeteilt. 

Zwickelfüllungen  mit 
Volutenwerk,  Beschlag- 
ornament und  Obelisken, 
ähnlich  Köbelinger- 

straße  12.  Meister  ist 
wohl  H.  Nottelmann. 
Die  Jahresinschrift  1600 
findet  sich  über  dem 
1855  durch  Hunaeus 
veränderten  Fenster 

rechts  der  Durchfahrt. 
Treppenanlage  etwa  1660. 


601 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Die  Hofgebäude  in  Fachwerk  sind  1923  abgebrochen.  Seitenflügel,  1597, 
Art  des  Cord  Meier,  2  Geschosse.  Obergeschoß  und  Traufe  auf  S-Konsolen 
vorgekragt.  Füllhölzer  reich  behandelt  nach  Fruchtgirlandenmotiv; 
Andreaskreuze.  Inschrift  auf  der  Setzschwelle  in  lateinischen  Groß- 
buchstaben,  niederdeutsch: 

WO  •  GODT  •  NICHT  •  SVLVEST  •  DAT  •  HVS  •  VPRICHTET  •  VNDE 
SCHAFFET  •  ALLE  •  DINGK  •  DARINNE  •  SO  •  ISMIT  •  VNS  •  NICHT 
VTH  •  GERICHTET  •  VORLAREN  •  IS  •  STARCK  •  VNDE  •  SINNE 
ALLE  •  MOIE  •  VNDE  •  SORGE  •  VORGEVES  •  GEIT  •  WO  •  GADES 
HVLPE  •  NICHT  •  RI  •  VNS  •  STEIT  •  ALL  ■  ARREIT  •  IS  •  VORLAREN 

Über  zwei  Pfosten  verteilt  je  unter  Hausmarke: 

ANNO 
DOM 


1  •  5 
9  •  7 


INI 

Die  Scheune,  Fachwerk,  war  wenig  älter,  2  Geschosse,  teilweise  verdeckt. 
Durchfahrt.  Inschrift  in  lateinischen  Großbuchstaben,  teilweise  ver- 
dorben : 

GEN  •  VND  •  TRVL IN  •  ALLEN  •  DINGEN  •  . 

Gemälde  des  Hofes  im  Besitze  des  Prokuristen  der  Hauseigenttimerin, 
Firma  Brauns. 

Osterstraße  78: 

Scheune,  Fachwerk:  ANNO  DOMINI  1614. 

Osterstraße  80: 

Am  Hofflügel,  Fachwerk  von   1635,  die   Inschriften: 

Obere   Setzschwelle : 

DIE  MITTHRENEN  SEIEN- WERDEN  MIT  FREVDEN  ERNDTEN  •  SIE 

GEHENHIN    VND    WEINEN    VND    TRAGEN   EDLEN    SAMEN   •   VND 

KOMMEN  MIT  FREVDEN  VN  BRINGEN  IHRE  GARREN  •  PSALM  176 

(176  fälschlich  statt  126)  10.  IVNY. 

Untere  Setzschwelle: 

WOLL  GOTT  VERTRAWT  •  HAT  WOL  GEBAWT  •   IM  HIMMEL  VND 

AVF  ERDEN  •  WER  SICH  VERLEST  AVF  IESVM  CHRIST  •  DEM  MVS 

DER  HIMMEL  WERDEN  •  HANS  HERBST  •  ELISABET  GROVE  •  AD. 

1635. 

Osterstraße  81 : 

Massives  Staffelgiebelhaus  in  Putz;  Ziegel-  und  Sandsteinverwendung. 
Ursprünglich  4  Hauptgeschosse  (jetzt  3)  mit  dreigeschossigem  ge- 
Abb.  126  staffelten  Giebel.  Erdgeschoß  ehemals  mit  rundbogiger  Durchfahrt 
rechts  (geändert  1859).  Geschoßteilungen  durch  Friese.  Giebel  durch 
Lisenen    aufgeteilt.      Die     Staffelzwickel    werden    durch    Volutenwerk 

602 


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Abb.  426.     Hannover;  Osterstraße  81.    Zustand  1859. 
Aufn.  D.  u.  N.,  1925.     Gez.  D. 

geschossiger  Erker  war  auf  musche 
geschoß    herausgekragt    und    hatte 
Haus  war  bald  nach   1600  für  Seba 


Osterstraf3e 

gefüllt,  innerhalb  dessen  die 
4  Evangelisten  mit  ihren  Abb.  127 
Attributen  und  Engelsköpfe 
eingefügt  sind.  Als  Giebel- 
bekrönung  Christus  der  Über- 
winder, der  Schlange  den 
Kopf  zertretend.  Am  Posta- 
ment dieser  Figur  die  Jahres- 
zahl 1611. 

Das  Haus  war  ehemals  Gilde- 
haus der  Zimmerleute  (Re- 
decker, Chron.,  S.  629;  H.  G. 
1908,  S.  60  und  246:  H.  G. 
1914,  S.  167).  Redecker  sagt: 
Bevor  der  königliche  und  kur- 
fürstliche Kammersekretarius 
Friedrich  Julius  Bütemeister 
die  beiden  untersten  Stock- 
werke im  Jahre  1728  ändern 
ließ,  war  eine  Auslage  daran 
mit  folgender,  damals  noch 
übrigen  in  Holze  erhöhet  ge- 
hauenen Schrift: 
CVRIA  FABRORVM  EX  PS.  127. 
Nach  Jugler  (S.  178)  war  der 
Innung  1666  das  Wappen  des 
Rates  geschenkt. 

Osterstraße  82:     abgebrochen 
1878. 

Nach  flüchtigen  Rissen  in  den 
Baupolizeiakten  ein  Massh- 
haus  der  Renaissance,  geputzt, 
bei  Sandsteinverwendung,  von 
2  Geschossen,  mit  fünfmal 
gestaffeltem  Giebel.  Die  Vo- 
lutenfüllungen in  den  Staffeln 
waren  verwandt  denen  des 
gleichfalls  abgebrochenen  Hau- 
ses Marktstraße  48.  Ein  zwei- 
teiliger Auskragung  vor  dem  Erd- 
dreieckigen Giebelabschluß.  Das 
stian  Florich  erbaut. 


603 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Hofgebäude:  zweigeschossiges,  gotisches  Fachwerkhaus,  auf  dem  Ge- 
lände des  ehemaligen  (anderen)  Potthofes.  Setzschwelle  mit  Klein- 
buchstabeninschrift, zurzeit  nicht  lesbar,  1546  erbaut  durch  H.  1). 
(Heinrich  Deierling). 


Abb.  427.    Hannover;  Osterstraße  81.     Giebelbekrönung. 

Oster straße  83: 

Brauergildehaus  (s.  S.  653). 

Osterstraße  84: 
Osterstove  (s.  S.  663). 

Osterstraße  88: 

Traufenhaus,  Mischbau,  1644,  für  den  Hof  rat  Block  ausgeführt.  Die 
Zahl  steht  im  Bogenscheitel  der  rückwärtigen  Durchfahrt.  2  Ge- 
schosse in  Ziegeln,  verputzt.  Hausteinverwendung  an  Eckver- 
zahnung, Tor-  und  Fensterumrahmung  und  Simsen.  2  Geschosse  in 
Fachwerk,  ohne  Vorkragungen.    Erker  durch  3   Geschosse,  rechts  der 

604 


Osterstraße 

Frontmitte.  Erdgeschoß  ganz  verändert  (1854).  Ehemals  war  außer 
der  rundbogigen  (rechts)  Durchfahrt  noch  ein  Eingang  mit  Säulenstellung 
und  Konchen  (links)  vorhanden.  1.  Obergeschoß  hat  7  rechteckig 
umrahmte  Achsen.  Gürtung  durch  Fries  zwischen  barocken  Simsen. 
Die  hohen  Fachwerkgeschosse  ganz  in  Fenster  aufgelöst.  Abbildung 
des  Erdgeschosses  im  Stadtarchiv,  s.  Abb.  428. 


Abb.    12S.    Hannover;   Osterstraße 


Aufriß  des  Krutfeschosses,  1854. 


Osterstraße  89,  90,  91: 

Königliches   Schatzkollegium  bis  1866. 

Osterstraße  92: 

Haus  der  Allgemeinen   Ständeversammlung  (s.  S.  373). 

Osterstraße  93: 

Kriegsministerium  (s.  S.  380). 

Osterstraße  94: 
Generalkriegsgericht. 

Osterstraße  99:  abgebrochen. 

Giebelhaus,  Fachwerk,  um  1585,  Art  des  Meisters  C.  H.,  3  Geschosse, 
Giebel  mit  2  vorgeklagten  Geschossen  und  Walm,  9  Gefache.  Erdgeschoß 
war  im  19.  Jahrhundert  verändert,  rundbogige  Einfahrt  ganz  links. 
2.  Obergeschoß  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  Andreaskreuze.  Die  seit- 
lichen Giebelpfosten  konvergierten.  Abb.  429 
Inschriften  in  lateinischen  Großbuchstaben  nach  H.  G.  1914,  S.  206: 
Obere   Schwelle : 

DE  CXXIV.   PS.   UNSE  HULPE   STEIT  IM  NAMEN  DES  HERRN,   DE 

HIMMEL  UND  ERDE  GEMACHET  HEFFT. 

Mittlere   Schwelle : 

DE  XXVII  SAL|OMONIS]  DE  HERRE  IS  MIN  LICHT  UND  MIN  HEIL, 

VOR   WEME    SCHOLDE    IK   MI   FRUCHTEN.     DE   HERRE    IS   MINES 

LEVENDES  KRAFT,  VOR  WEME  SCHOLDE  MI   GRUWEN. 

605 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Untere  Schwelle : 

WO  DE  HERRE  DAT  HUES  NICHT  BUWET,  SO  ARBEIDEN  VOR- 
GEWES,  DE  DARAN  BUWEN.  WO  DE  HERRE  DE  STADT  NICHT 
VORWAHRE,  SO  WACHTEN  DE  WECHTER  UMMESUS. 


Abb.  429.    Hannover;  Osterstraße   99,    abgebrochen.     Phot.  1905. 

Osterstraße  101: 

Giebelhaus,  vermutlich  erste  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts.    Erdgeschoß 


606 


Osterstraße 


ganz   verändert,    die   beiden    Obergeschosvse   wahrscheinlich    Fachwerk, 
geputzt,   Giebel  in  3  Geschossen,  Vorkragungen  ohne  Konsolen. 
Das  Haus  gehörte  zu  Brand   Smerjohans  Hof. 


Abb.  430. 


Hannover;   abgebrochene   Häusergruppe   bei   der   Einmündung   der  Osterstraße   in  die 
Schmiedestraße.     Phot.  1889. 


Osterstraße  104: 

Traufenhaus,  Mischbau,  von  1655,  3  Geschosse.  Erdgeschoß  in  Haustein, 
2  Fachwerksgeschosse.  Am  rechten  und  linken  Frontende  je  ein  zwei- 
achsiger Erker  vorgezogen,  derjenige  rechts  über  der  Durchfahrt  zum 
Johanneshof  hat  nur  zwei  Geschosse.    Erdgeschoß,  1849  teilweise  ver- 

607 


Liste  der  Bürgerhäuser 

ändert,     hat     rundbogigen     Hauseingang,     Leibungskanten     profiliert, 
Schlußstein  mit  geflügeltem  Engelskopf,  Zwickel  mit  Familienwappen. 

Im    Zustande    vor    1  <S  19    waren    rechts    des    Einganges    drei    gekuppelte 

Fenster  mit    Säulchen;  links  der  Tür  ist  ein  entsprechendes  erhalten. 

Von   den    Fachwerkgeschossen   ist   das   untere   bündig,   das   obere    mit 

barocker   Verschalung   vorgekragt;    die   Traufe   auf   Konsolen.     In    der 

Fachteilung  scheint   mir  das  2.  Obergeschoß  ursprünglich. 

Die   Datierung  ANNO   1655   steht   im    Friese    der    oberen    Gürtung  des 

Erdgeschosses  oberhalb  der  Tür. 

Das   Grundstück  war    1413    von    den     1   Rodeherren    gekauft    worden 

und  hieß   davon  ,,Rodehns".     1448 — 53  besaßen  es  die   Beginen. 

Osterstraße   109:  abgebrochen   1891. 

Gasthaus  zur  Stadt  Lyon.    Abbildung  und   Grundriß  im   Stadtarchiv, 
Gr.  M.  48.     Abb.  430. 


Kleine  Packhoi's traße  7: 

Traufenhaus,    Fachwerk,    um    1530,    ähnlich    Kleine    Packhofstraße    8. 

Kleine  Packhofstraße  8: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1533,  4  Geschosse  (vermutlich  ehemals  3), 
3  breite  Gefache,  Erdgeschoß  und  1.  Obergeschoß  glatt,  2.  Obergeschoß 
gering  vorgekragt,  Konsolen  fehlen,  Balkenköpfe  mit  Krallenverzierung. 


Abb.  431 


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Abb.  431.    Hannover;  Kleine  Packhofstraße  8  (1533),   Konsolen  ergänzt.     1926,  D. 

Die  Schwelle  des  3.  Obergeschosses  (vermutlich  ehemals  Traufsims)  hat 
noch  3  Krallenkonsolen,  Fachteilung  verändert.  Setzschwelle  des 
2.  Obergeschosses  mit  flacher  Wellenranke,  von  rechts  und  links  gegen 
die  Mitte  in  Fratzen  auslaufend  (ähnlich  wie  Mithoff,  Archiv,  Tafel  XX, 
Abb.  b,  hier  falsch  datiert).  Im  Erdgeschoß  rechts  Sturz  einer 
spitzbogigen  Tür  mit  Zwickelinschrift  in  gotischen  Klein-  und  Groß- 
buchstaben: Ano  •  dm  •  MCCCCC  •  XXXIII. 


608 


Rote  Reihe 

Potthofstraße   1   (über  den  Potthof  s.  Leonhardt,  H.  G.  1926,  S.  110): 

Fachwerkbude,  1607  unter  Wiederverwendung  von  Teilen  einer  alteren 
Bude  neu  erbaut.     Setzschwelle  mit   Palmettenfries.     Inschrift: 
WOL  GODT  VORTRVWET  DE  HEFT  WOLDERGEHN   1607. 

Potthof  4: 

Fachwerkhaus,  Setzschwelle  des  Obergeschosses  mit  Fächerfries,  Art  des 
Meisters  T.  G.,  in  zweiter  Verwendung  mit  samt  einem  anderen  Stück 
Schwelle,  auf  dem  die  Jahreszahl   1563  steht. 

Potthof  16: 

Fachwerkhaus,   über  der  Tür:   1619. 

Potthof  17: 

Fachwerkhaus,  Herberge  der  Zimmer-  und  Maurergesellen.  Aushänge- 
schild von   1803.    Rest  einer  Hausinschrift   HANS  | WUNDRAM  1632?]. 

K  a  d  e  m  a  c  h  e  r  s  t  r  a  ß  e  : 

früher   Stovenweg,   als    Weg    zur    Leinstove    auf    dem    Stovenwerder,  Abb. 432 
s.  H.  G.  1921,    S.  58. 

Rote  Reihe  3:  Rühmkorffs   Geburtshaus. 

Fachwerkhaus,  um  1730,  2  Geschosse,  3  Gefache,  Giebelerker  mit  Giebel- 
pfahl etwas  jünger.    Geringe  Vorkragungen  mit  sichtbaren  Balkenköpfen, 
genäherte  Pfosten,  segmentbogige  Fenster.   Haustür  mit  zierlichem  Ober-  Abb.  433  u. 43t 
licht,  zweiflügelig. 

Rote  Reihe  6  bis   15: 

Gruppe  von  gleichgearteten  Häusern,  von  Joh.  Duve  etwa  1662  erbaut. 

Die   früheste   Abbildung   der   Häuser   in   „Freudenbezeugungen"    vom 

Jahre  1724.    Meist  4  Geschosse,   Giebelerker  mit  Giebelpfahl.     Geringe  Abb.  96,  Seite  156 

Vorkragungen   mit   sichtbaren   Balkenköpfen.     In    den   Obergeschossen 

trägt  fast  jedes  Gefach  ein  Fenster,  außenbündig.   Bei  Nr.  7  Umrahmung 

der  Haustür  bemerkenswert:  flachgeschnitztes  Blumenwerk. 

Rote  Reihe   17: 

Eckhaus  zur  Calenberger  Straße,  Fachwerk,  um  1700,  3  hohe  Geschosse, 
6  Achsen,  an  der  Calenberger  Straße  3  Achsen.  Geschoßteilungen  durch 
architravartige  Simse.  Hauptsims  mit  Zahnschnitt,  weit  ausladend.  Abb.  322,  Seite  488 
Mansardendach,  Windenerker,  genäherte  Pfosten  mit  Querriegeln. 
Fenster  mit  Segmentverdachung.  Haustür  an  der  Roten  Reihe  mit 
Vortreppe.      Im  1.  Obergeschoß  Plafondgemälde. 

39  609 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  132.     Hannover;   Rademacherstraße,  Straßenbild,  1905. 


Rösehof  18 — 23:  abgebrochene  Buden,  s.  Abb.  435. 

Rösehof  26  und  27:  abgebrochen. 

Zwei  Mischbauten,   Erdgeschoß    Sandstein,    1.  Obergeschoß   in   Ziegeln, 
Volutenkonsolen.     Portal    von    Nr.  27    im    Leibnizhause.     Inschriften: 

Nr.  26: 

BEWAR  DIS  HAVS  VND  GANZP:   STADT 

O  FROMMER  GODT  IN  ALLER  GNADT. 

Nr.  27: 

DER  HERR  DVHCH  DER  ENGEL  SCHAR 

DEINEN  EIN  VND  AVSGANG  STEDES  BEWAR 

610 


Röselerstraße 


Rechts:  Abb.  433:    Hannover;  Rote  Reihe  3. 
Phot.  M.R.  A.,  1928. 


Unten:  Abb.  434.     Hannover;  Rote  Reihe  3, 

zweiflügelige   Haustür. 

Aufgen.  u.  gez.  D.,  1912. 


Röselerstraße: 

Alter  Name:  Grüttemekerstrate;  seit  1498  nach  Hinrik  Reseler,  dem 
das  Haus  Osterstraße  35  gehörte,  benannt.  Über  die  Familie  Reseler 
s.  Ernst  Büttner,  „Kulturbilder  aus  dem  mittelalterlichen  Hannover" 
1926,   S.  32/33. 

Röselerstraße  3: 

Traufenhaus,  Mischbau,  um  1590,  1  Geschosse,  17  Gefache,  2.  und 
3.  Obergeschoß  auf  erneuerten  S-Konsolen.  Andreaskreuze.  Fallhölzer? 
(vgl.  Schuhstraße   10/15.) 

Röselerstraße  4  (Augustinerhof): 

Die  Augustiner  von  Herford  erwarben  1331  oder  kurz  vorher  von  der 
Witwe  des  Ludolf  von  Dornde  das  Grundstück  (Grupen,  S.  292  f.,  Üb.  172). 
Hinterhaus  in  der  Art  von  Meister  DirikStünkel,  um  1640.  Erdgeschoß  alt. 


611 


Liste  der  Bürgerhäuser 


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Abb.  435.     Hannover;  Rös'ehof,  Budenbildung.     Haus   Nr.  22    ist  1875,   die    übrigen    Häuser   sind  1898 
abgebrochen. 

Röselerstraße  6 : 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1561,  3  Geschosse,  6  Gefache;  2.  Obergeschoß 
und  Traufe  auf  Krallenkonsolen  vorgekragt.  Von  der  ehemaligen  Ein- 
fahrt links  Sturzbalken  erhalten;  darauf  Inschrift:  ANNO  1561.  Da- 
hinter I.  P.,  Name  des  Bauherrn  Jost  Polman. 

Röselerstraße   10: 

Traufenhaus,  Fachwerk,  1566,  wohl  vom  Meister  des  Apothekenflügels 
(Abb.  s.  Mithoff,  Aren.,  Tafel  XX;  auch  Galland  1886,  Tafel  29). 
Ursprünglich  3,  jetzt  4  Geschosse,  3  Gefache;  Vorkragungen  des  2.  Ober- 
geschosses und  des  ehemaligen  Traufsimses  mit  Trommelkonsolen. 
Eckpfosten  des  Erdgeschosses,  Pfosten  im  1.  Obergeschoß  sämtlich, 
im  2.  Obergeschoß  nur  die  Eckpfosten  mit  Flachschnittornament. 
Brüstungsfüllungen  im  1.  Obergeschoß  mit  Brettern,  darauf  je  eine 
Halbrosette  in  Flachschnitt.  Füllhölzer  an  beiden  Vorkragungen  erhalten 
mit  dem  Motiv  der  stilisierten  Fruchtgirlande. 

Die  von  Mithoff  abgebildete  Datierung  der  Brüstungsfüllung  ist  nicht 
mehr  vorhanden. 

Hausgrundriß:  schmaler,  nach  dem  Hofe  durchgehender  Gang  rechts; 
links  hintereinander  angeordnet  2  Räume  und  die  Treppe. 


612 


Roßmühle 

R  o  0  m  ü  h  1  e  : 

Haus  Nr.  1  war  „des  Rades  Roßmühle". 

Ehemals   Piperstraße.     Erst   1<S86   durchgeführte   Straße,   war  ehemals  Abb. 436 
durch  den  nördlichen  Teil  des  Zeughauses  gesperrt.    Vor  dessen  Errich- 
tung lag  dort   das   Gallentor  (porta    que    ducit   ab   urbe   ad   oppidum 
[Altstadt]  (U.  B.  49  von   1284). 


Abi).  -136.     Hannover;  Roßmühle  vor  dem  Durchbruch.     Phot.   1884. 


Roß  müh  le  7: 

Mithoff,  Kdm.  S.  91,  überliefert  vom  ehemals  dort  vorhandenen  Hause 
die   Inschrift: 

(WOL)  GODT  DEM  HEREN  VORTRVWE  KAN  DE  RUFT  EIN  VNBE- 
DORVEN  MANN. 


613 


Liste  der  Bürgerhäuser 


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kgeschoß 


Roßmühle  8: 
Traufenhaus,  Mischbau,  1624,  von  Meister  llliu 
geschosse  und  ein  auf  kurzen  S-Konsolen  vorgekr 
von  10  Gefachen.  Traufsims  eben- 
falls mit  Konsolen.  Giebelerker  von 
3  Gefachen,  vermutlich  jünger. 
Ebenso  isl  jünger  ein  rechts  vom 
1. Obergeschoß  anvorgezogenerAus- 
bau  von  2  Gefachen.  Erdgeschoß 
verändert.  Die  alte  Einfahrt,  in 
Spuren  sichtbar,  wurde  mit  dem  ge- 
kuppelten Fenster  von  rechts  ver- 
tauscht. Gurtfries  unter  dem  1. Ober- 
geschoß ohne  Ornament.  Fenster 
des  1.  Obergeschosses  zu  5,  3,  3 
gekuppelt.  Säulchen  entsprechen 
denen  am  Hause  Knochenhauer- 
straße 61.  Im  Fachwerkgeschoß 
verzierte  Pullhölzer  (Eierstab. 
Zahnschnitt)  und  Andreaskreuze  in 
den  Brüstungsgefachen.  Steinmetz- 
zeichen des  Hinrich  Pape  an  einem 
Fenstersäulcheh  im  Erdgeschoß  wie 
am    Portal     Köbelingerstraße    39. 

Am  Schiff  graben   16: 

Eigenhaus  des  Erbauers,  Hofbau- 
meisters Tramm.  Putzbau  in  roma- 
nischen Formen,  1853  (s.Zs.  d.Arch.- 
u.     Ing.-Vereins     1853/54,     S.    68). 

Schillerstraße  33: 
Wohnhaus    in    hellen    Ziegeln    mit 
Sandstein,  romanischeFormen,1855 
durch  Debo  erbaut  (s.  Zs.  d.  Arch.- 
u.   Ing.-Vereins   1856,    S.  360). 

Schule:  straße  35: 
Wohnhaus  auf  stumpfer  Ecke,   ro- 
manische Sandsteinarchitektur  von 
Droste,  1856  (Zs.  d.  Arch.-  u.  Ing.- 
Vereins  1859,   S.  413). 

Schloßstraße,  ehemals  Schustrate,  da  hier  im  15.  und  16.  Jahr- 
hundert vorwiegend  Schuhmacher  wohnten.  Seit  Abbruch  des  Leintor- 
turmes,  1798,   Schloßstraße. 


Abb.   137. 

Hannover;  Roßmühle  8. 

Phot.  M.  H.A.,  1928. 


614 


Schmiedestraße 

Schloß straße  1 : 
Traufenhaus,  Fachwerk,  1510 — 50,  5  Geschosse.  1  Gefache,  Erdgeschoß 
und    1.  Obergeschoß   bündig,    übrige    Geschosse   vorgekragt.     Konsolen 
fehlen  heute.    Vielfache  Veränderungen.    Andreaskreuze. 

Schloßstraße  2: 

Wie  voriges.  Vorkragungen  sind  später  durch  Vorziehen  der  Geschoß- 
fronten ausgeglichen.  Konvexe  Fußstreben.  Haikenköpfe  mit  Krallen- 
verzierung. 

Schloßstraße  4: 

Wie  voriges.  4  Geschosse,  4  Gefache,  1540 — 50,  angeblich  signiert:  T  G. 
2.  und  3.  Obergeschoß  mit  Krallenkonsolen  und  Andreaskreuzen.  Auf 
den   Setzschwellen  Halbrosettenfries.    Erdgeschoß   1875  geändert. 

Schloßstraße  5: 

Wie  voriges.  4  Geschosse,  3  Gefache  mit  Giebelerker  (etwa  1680). 
Vorkragungen  des  2.  und  3.  Obergeschosses  mit  Krallenkonsolen. 
Setzschwelle  des  2.  Obergeschosses  mit  Halbrosettenfries.  Dasselbe 
Geschoß  hat  doppelte  Andreaskreuze. 

Schmiedestraße  u  n d  FI o k e n m a r k t : 

(Der  Baublock  des  Hokenmarktes  ist  1838/39  abgebrochen.) 
An  der  Stelle  des  jetzigen  Bödekerdenkmals  und  östlich  davon  am 
Rande  des  Kirchhofes  an  der  Nordseite  der  Marktkirche  standen  eine 
Reihe  der  Kirche  gehöriger  Verkaufsbuden,  die  für  die  auswärtigen 
Buchhändler  (Bockforer)  bestimmt  gewesen  waren.  Von  dieser  Einrich- 
tung ist  der  später  zu  Bedeutung  gelangte  hannoversche  Buchhandel 
ausgegangen.  Außerdem  befanden  sich  hier  der  Brotscharren,  die  Bude 
des  Luchtemakers,  die  Garküche  und  andere  Verkaufsstande,  auch  die 
Stadtwaage  (Näheres  in  H.  G.  1926,   S.  22  ff.). 

Die  Gebäude  bestanden  durchweg  aus  Fachwerk;  Abbildung  ebenda, 
Tafel    II. 

Schmiedestraße  2 : 

Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1550,  4  Geschosse  (Zwischengeschosse), 
6  Gefache.  2.  und  3.  Obergeschoß  vorgekragt;  Konsolen  nicht  erhalten. 
Rundbogige  Einfahrt  im  Oberteil  erhalten  (Hausmarke  und  Zwickel- 
schnitzwerk).   Am  Hofseitenflügel  kommen  Krallenkonsolen  vor. 

Schmiedestraße  4: 

Traufenluuis,  Fachwerk,  1737,  4  Geschosse,  1  Achsen  bei  ungleichmäßiger 
Fachteilung.  Obergeschosse  vorgekragt  mit  sichtbaren  Balkenköpfen. 
Zwerggiebelerker  mit  Wetterfahne.  Fensterstürze  mit  Segmentver- 
dachungen.  An  der  Hofseite  trägt  der  Sturz  der  Durchfahrt  die  Inschrift : 

615 


Liste  der  Bürgerhäuser 

NICOLAUS  BURCHARD 
WOLCKENHAER  ■  ANNO  1737 


CHRISTINA  JULIANA 
EGGERS  % 


Das  zweit-   1  Iofhaus  hat  am  Türsturz:    WOLCKENHAER  ANNO  1670. 


Abb.  438.    Hannover;   Schmiedestraße,  Straßenbilrl. 


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Schmiede  Straße  5: 

Giebelhaus,  Ziegel  geputzt,  bei  Hausteinvenvendung;  vielleicht  1601/02 
(H.  Nottelmann?)*). 


*)  Das  Haus  war  von  1602 — 06  schoßfrei,  muß  also  kurz  vor  1602  erbaut 
sein.  Eigentümer  w?ar  der  Goldschmied  Jürgen  Siemerding,  der  Großvater  von 
Adrian  Siemerding.     (Frdl.  Mitt.  von  Dr.  Leonhardt.) 

616 


Schmiedestraße 


fr 


Oben:    Abb.   110.    Hannover;  Schmiedestraße  5.     Phot.  190."». 


Links:    Abb.  439.     Hannover;    Schmiedestraße  5.      Znstand  von  1872. 
Anfn.  D.  n.  N.,  192.").     Gez.  N. 


617 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.  441.     Hannover;  Schmiedestraße  9.    N.,  1922. 


4  Hauptgeschosse,  Giebel  in  drei  Geschossen  gestaffelt.  Erdgeschoß  1872 
ganz  verändert;  ein  Erker  an  der  linken  Frontseite  über  der  ehemaligen 
Durchfahrt  wurde  damals  entfernt.  Achsen  der  Hauptgeschosse  zu  2,  3, 
2   Fenstern   gekuppelt    mit   Fenstersäulchen.     Geschoßteilungen    durch 


618 


Schmiedestraße 

Friese  mit  flachem  Bandornament.  Zahnselmitt.  Die  senkrechte 
Gliederung  in  den  Hauptgeschossen  wird  unterstützt  durch  schmale 
diamantenbesetzte  Lisenen  in  den  Brüstungsfeldern.  Der  beiderseits 
auskragende  Giebel  weicht  in  der  senkrechten  Achsenanordnung  von  der 
der  Hauptgeschosse  ab  und  hat  wechselnd  breitere  und  schmalere, 
ebenfalls  diamantenbesetzte  Lisenen.  Die  Staffelzwickel  werden  gefüllt 
durch  Bandwerk  mit  barocken  Anklängen.  Beichliche  Verwendung  von 
Obelisken  (vgl.  Osterstraße  39). 

Schmiedestraße  8: 

Traufenhaus,  massiv,  um  1640,  1  Geschosse,  5  Achsen,  ursprünglich 
Giebelhaus.  Nach  Zeichnung  bei  den  Baupolizeiakten  war  das  Haus  bis 
1839  ein  Mischbau.  Erdgeschoß  massiv  mit  rundbogiger  Durchfahrt. 
Fenster  rechteckig,  ohne  Säulchen,  vielleicht  damals  schon  geändert. 
Fries  wie  bei  Nr.  9.     Zwei   Geschosse  waren  in  Fachwerk  mit  Giebel. 

Schmiedestraße  9: 

Schräggiebelhaus  in  Ziegeln  mit  Putz  und  Sandsteinverwendung. 
Das  Haus  ist  bald  nach  1653  erbaut  (s.  H.  G.  1926,  S.  37).  Drei  Haupt- 
geschosse, Giebel  in  3  Geschossen  ausgebaut.  Achsenanordnung  senk- 
recht übereinander  bis  in  den  Giebel  hinein.  Ein  dreigeschossiger  Erker 
ist  links  vorgezogen.  Aufbau  und  Grundriß  sind  wenig  verändert.  Abb.  441 
Restauration  durch  A.Haupt   1892. 

Rundbogige  Durchfahrt  in  der  gegen  die  wirkliche  Mitte  etwas  rechts 
verschobenen  Mittelachse  der  Fassadenaufteilung.  Geschosse  durch 
Friese  geteilt.  Fenster  mittels  Säulchen  gekuppelt;  dabei  am  Erker 
einige   mit    Meisterzeichen : 


Durch  das  Sims  der  Giebelschräge  schießen  die  Simen  der  Geschoß- 
teilungsfriese hindurch. 

In  der  Diele  rechts  Verkaufsbank  mit  Klappläden;  links  erhöhtes  Erker- 
zimmer mit  Fliesenverkleidung.  Treppenanlage  weiter  dahinter  links. 
Windeluken  und   Haspel  sind  erhalten. 

Schmiedest  r  aß  e  10: 

Fiskalisch,  1648 — 52  erbaut.  Leibnizhaus  genannt,  weil  hier  der 
Philosoph  Leibniz  gewohnt  hat  und  am  14.  November  1716  verstorben 
ist.  Der  Schauspieler  Iffland  wurde  1759  in  diesem  Hause  geboren. 
Auf  dem  Eckgrundstück  Schmiedestraße-Vrenschenhagen  stand  vorher 
ein  viel  schmäleres,  1499  oder  schon  um  1  182  (s.  Mithoff  in  Zs.  d.  bist. 
Vereins  f.  Niedersachsen  1872,  S.  130)  erbautes,  von  Sodesches  Staffel- 

619 


Liste  der  Bürgerhäuser 

giebelhaus  in  Ziegeln.  Dies  Haus  ist  nach  dein  Besitzwechsel  von  Sode- 
Oberkriegssekretär  Carl  von  Lühde,  1648,  bis  auf  die  Kellergewölbe  nieder- 
gelegt,  Abb.  1 12  (gedrückte  Birnstabrippen;  in  den  Schlußsteinen  kommt 
zweimal  das  Sodesche  Wappen  vor).  An  seine  Stelle  trat  der  heutige 
Fachwerkbau  mit  der  berühmten  Steinfassade,  an  der  der  Tonfries  des 
älteren  Hauses  wiederverwendet  wurde.  Das  Haus  war  nicht  als  Kauf- 
mannshaus  gedacht,  hat  auch  vor  Ende  des  18.  Jahrhunderts  als  solches 
nicht    gedient    und    muß   als    Patrizierhaus    angesprochen   werden.     Die 


\bb     14i      SchmledestrSße  10    Lubnizhaus    Grundriß  fier  Unterki :Tcri>ng 


Uranlage  ist  1890 — 93  durch  Albrecht  Haupt  nach  Möglichkeit  wieder- 
um, m  hergestellt.  Als  1811  der  damalige  Besitzer  die  Erdgeschoßfassade 
abzureißen  beabsichtigte,  griff  der  König  Ernst  August  ein  und  kaufte 
das  Haus  für  das  Öomanium.  Als  fiskalisches  Gut  kam  es  1866  an  den 
preußischen  Staat.  Der  um  die  Wiederherstellung  verdiente  Kunst- 
gewerbeverein  benutzte  es  seit  1893  als  Museum.  (Über  die  Hauptsche 
Restauration  s.  „Deutsche  Bauzeitung"   1895,   S.  121  ff.) 

Als  Architekt  des  Hauses  signiert  sich  zweimal  an  der  Fassade  Hinrich 
Alfers.  Als  Bildhauer  haben  sich  drei  Meister  mit  Steinmetzzeichen  und 
Initialen  signiert:  Peter  Köster,  Ludolf  Fiene  (s.  Schuchhardt,  Nr.  84) 
und  H.  F.,  dessen  Buchstaben  wohl  Hans  Frömeling  zu  lesen  sind 
(vgl.  H.  G.  1929,  S.  85).  Als  Zimmermeister  ist  Hans  Deierberg  beteiligt. 
Staffelgiebelhaus  in  Ziegeln  mit  verputzten  Flächen,  Hausteinverwendung 
an  Sockel,  Simsen  und  Schmuckteilen,  1  Hauptgeschosse,  Giebel  in  4 
Geschossen  gestaffelt.  Rechts  ein  Erker  durch  3  Geschosse  vorgezogen. 
Das  Erdgeschoß  hat  links  der  Frontmitte  eine  rundbogige  Einfahrt  mit 
Säulenstellung  und  verkröpflem   Gebälk.     Am  Fries  „POSTER ITATI". 

620 


Schmiedestraße 


Abb.  443.    Hannover;  Schmiedestraße  10,  Leibnizhaus.     Phot.  1905. 


621 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Das  jetzt  verschollene  Friesstück  über  dem  Portal  enthielt  vielleicht 
das  Wappen  Carls  von  Lühde  zwischen  Lisenenkaryatiden  (Phot.  Stadt- 
areh.,  Käst.  11,  Bl.  252).  Die  Achsen  in  Hauptgeschossen  und  Giebel 
sind  senkrecht  übereinander  angeordnet.  Fenster  zu  je  zweien  auf 
Säülchen  gekuppelt.  Geschoßteilungen  durch  ornamentierte  Gebälk- 
friese. Der  gotische  Tonfries  von  1 199  ist  am  Giebelfuß  eingelassen. 
Brüstungssimse  überall. 

Die  senkrechte  Fassadengliederung  wird  betont  durch  Schmucklisenen : 
breilere  an  den  Frontkanten,  schmälere  in  den  Brüstungsfeldern.  Die 
Staffelzwickel  des  Giebels  sind  gefüllt  durch  barockes  Volutenwerk. 
Obelisken.  Giebelbekrönung  durch  (erneuerte)  Figur  und  Wetterfahne. 
Abb.  in  ])er  Erker  hat  in  jedem  Geschoß  drei  gekuppelte  Fenster  mit  reichen 
Säulchen,  verkröpften  Gebälken  und  Brüstungssimsen.  Giebelbekrönung 
von  1893.  Plastik  des  Erkers:  im  Giebel  Erschaffung  Evas;  Adam  und 
Eva  unter  dem  Baum;  Vertreibung  aus  dem  Paradiese.  Am  3.  Geschoß 
Kain  und  Abel;  Isaaks  Opferung- Wappen  der  von  Lühde;  Jakobs  Traum; 
Venus  und  Amor  (Anspielung  auf  den  damaligen  Brautstand  des  Künst- 
lers, Peter  Köster,  der  1653  heiratete);  darunter  ganz  klein  Selbstporträt 
Kösters  mit  Meißel  und  Schlägel.  Am  zweiten  Geschoß  Christus  in 
Gethsemane;  Aufrichtung  des  Kreuzes;  Grablegung;  Auferstehung; 
Gang  nach  Emmaus.  Am  Erdgeschoß  einzelner  Krieger;  Judith  mit  dem 
Abb.  445a-i  Haupte  des  Holofcmes;  Salomos  Urteil;  Simson  und  der  Löwe;  David 
und   Goliath. 

Der  Tonfries  ist  wahrscheinlich  in  zwei  Reihen  zu  trennen  und  durch 
2  oder  3  Tafeln  zu  ergänzen.  Die  Inschrift  des  Frieses  muß  nach 
Matth.  19,  V.  17  vervollständigt  werden:  Si  vis  vitam  ingredi  serva 
mandata  dei.  Die  Reihen  von  je  4  Tafeln  mit  Heiligenbildern  werden 
dreimal  durch  das  Sodesche  Wappen  mit  der  Rose  unterbrochen.  Über 
den  letzten  4  Tafeln  steht  die  Inschrift  „Anno  dni  MCCCCXCIX". 
Bei  der  Restauration  von  1890  sind  an  der  Kaiserstraßenseite  die 
übereinanderliegenden  Fenster  vom  Erd-  und  ersten  Obergeschoß  zu 
je  einer  Achse  vereinigt.  Von  den  durch  zwei  Vollgeschosse  durch- 
gehenden Holzsäulen  der  Diele  sind  zwei  alt,  die  dritte  ist  neu  her- 
gestellt. 

Schmiede  straße   11: 

Fachwerkhaus.  Inschrift  über  dem  Türbogen:  ANNO  1628.  Meister 
vielleicht  H.  Stünkel. 

Schmiedestraße   12:  abgebrochen  um   1885. 

Spätbarocke,  wahrscheinlich  massive  Fassade,  geputzt,  um  1700. 
Abb.  in  H.  G.  1926,  Tafel   IV. 

622 


Abb.   141.    Hannover;  Schmiedestraße  10,  Leibnizhaus,  Erker,     l'hot.  1005. 


623 


Liste  der  Bürgerhäuser 


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Schmiedestraße 


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625 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Schmiedestraße  14:  abgebrochen  1862. 
Ziegelhaus  der  älteren  (".nippe  mit  Fialengiebel,  1474.  Mithoff  überliefert 
eine  Bauinschrift  (Archiv,  Tafel  XVI)  mit  dem  Limburgschen  Wappen 


Abb.   I  l(i.    Hannover;  Schmiedestraße   14,  abgebrochen  1862. 
Nach  Zeichnung  von  Mithoff,  IS  16. 

(nach  dem  Wäskenbook,  S.  91,  war  das  Haus  von  einem  Limborg  erbaut): 
Anno  dni  mcccclxx  iiii  onla  preter  |  | reter  amare  deum.    Dazu  gibt 

er    auf    Tafel    XVIII    eine    perspektivische    Zeichnung    der    Fassade, 

626 


Schmiedestraße 

s.   Abb.    146.      Eine   Photographie    findet    sich    in    H.  G.  1914,   S.  144 

wiedergegeben. 

Die  Abbildungen  zeigen  hohes,  (im  18.  Jahrhundert)  schon  verändertes 

Erdgeschoß  von  5  Achsen.  Der  Giebelaufbau  ist  fünfgeschossig  und  durch 


Abb.   117.    Hannover:  Schmiedestraße  1" 


Fialen  am  Fuß  in  9  Streifen  aufgeteilt.  Die  Lichtöffnungen  darin 
waren  teilweise  schon  nicht  mehr  in  ursprünglicher  Fassung,  größerenteils 
aber  waren  sie  unberührt  und  zeigen  gekuppelte  Fenster  mit  Kleeblatt- 
bögen. Der  Schmuck  der  freien  Felderflächen  oberhalb  derselben  ähnelte 
dem    des    Rathausgiebels    an  der  Köbelingerstraße.     Aus    Lilienfliesen 

627 


Liste  der  Bürgerhäuser 

zusammengesetzte  13blätterige  Blumen.  Die  Fialen  endeten  in  Knäufen 
und  schmiedeeisernem   Zierat. 

Die  seitliche,  im  Spitzbogen  geschlossene  Durchfahrt  rechts  war  im 
16.  Jahrhundert  überbaut  und  mit  einem  wappengeschmückten  Erker 
ausgestattet  worden,  etwa  1580.  Ein  zweiter  Erker  war  wohl  gleichzeitig 
am  Giebelfuß  links  vorgebaut,  der  ebenfalls  Wappen  in  den  Brüstungs- 
feldern enthielt.     Neubau  von  Oppler,   1862. 

Schmiedestraße  17: 

Das  massive  Vorderhaus  ist  nach  der  Inschrift  im  Giebel  1710  erbaut. 
Bauherr  war  der  Postmeister  Anton  Johann  Hinüber.  1805 — 35  hat 
der  Spediteur  Carl  Dietrich  Matthee  das  Haus  zu  Eigentum  gehabt  und 
bewohnt,  wie  eine  marmorne  Inschrifttafel  in  der  Durchfahrt  besagt. 
Ursprünglich  dreigeschossige  Fassade  bei  6  Achsen.  Durchfahrt  rechts, 
mit  dem  damaligen  Hinüberschen  Wappen  (laufendes  Boß)  im  Schluß- 
stein. Erdgeschoß  1859  durch  Lädeneinbau  verändert.  Die  oberen 
Geschosse  sind  geputzt;  Fensterumrahmung,  Bandsims  und  Quader- 
lisenen  aus  Sandstein.  Hauptsims  aus  Holz.  Zweiachsiger  Giebelerker 
mit  Quaderlisenen  und  Bundfenster  im  Giebelfeld.  Nach  1859  ist  ein 
Abb.  in      Dachgeschoß  aufgestockt. 

Der  tief  in  das  Grundstück  hineinragende  Seitenflügel  und  das  Hinter- 
haus sind  in  Fachwerk  „ANNO  1711",  wie  hier  am  Giebel  steht, 
hinzugekommen. 

Schmiedestraße  20: 

Eckhaus  zur  Schuhstraße,  Fachwerk,  um  1530,  aber  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts verändert.  Die  Vorkragungen  an  der  Schmiedestraßenfront 
samt  einem  Erker  sind  entfernt;  an  der  Seitenfront  dagegen  sind  die 
weit  ausladenden  Vorkragungen  auf  konkaven  Konsolen  von  früher 
Profilierung  erhalten. 

Schmiedestraße  21: 

Doppelhaus,  Traufenhaus,  Fachwerk,  um  1530,  4  Geschosse,  3  Gefache. 
2.  und  3.  Obergeschoß  auf  konkaven  Konsolen  vorgekragt,  die  zum  Teil 
neu  sind.  Schwellenschmuck  in  parallel  abgesetzten  Fasen.  Die  gemein- 
same Haustür  in  der  Frontmitte  hat  im  Sturzbalken  die  spätere  Inschrift 
ANNO  DOM  INI  zwischen  zwei  unkenntlichen  Wappenschilden.  Jahres- 
zahl verdeckt. 

Schmiedestraße  23,  21  und  25:  abgebrochen   1883. 

Fachwerkhäuser,  vermutlich  schon  vor  1530  einheitlich  erbaut  (Abb. 
im  Stadtarchiv.    Vgl.  hier  Abb.  448).     Schwellenschmuck  Treppenfries. 

628 


Schmiedestraße 


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Liste  der  Bürgerhäuser 

Schmiedestraße  26:  abgebrochen  1850. 

Eckhaus  am  Marktkirchhof,  Fachwerk,  3  Geschosse,  5  Gefache  (s.  die 
Ahl).  von  Mithoff  im  Stadtarchiv  und  Einzelheiten  im  Archiv  f.  Nieder- 
sachsens Kunstgeschichte,  Tafel  XXa).  Mithoff  hat  die  Jahresinschrift 
1533  aufgezeichnet.  Obergeschosse  auf  Figurenkonsolen  (Apostel) 
vorgekragt,  an  der  Schmiedestraßenseite  St.  Georg  und  die  Evangelisten. 
Einige  Figuren  im  Leibnizhause.  Schwellenschmuck  Treppenfries.  Am 
Sturzbalken  der  Diele  Hauswappen:  Bitter  in  Halbfigur  mit  Traube. 
Die  Diele  war  1840  durch  Ladeneinbau  schon  verengert.  Eine  Wendel- 
treppe im  Hintergründe  führte  zum  Zwischengeschoß. 
Eingehenderes  s.  II.  G.  1915,  S.  518.  Das  Haus  hat  seit  1565,  wo  es  der 
Buchführer  Steffan  Henkel  kaufte,  bis  in  die  Mitte  des  18.  .Jahrhunderts 
dem  Buchhandel  gedient  (s.  H.  G.  1926,   S.  25). 

Schmiedestraße  29:  abgebrochen  1852. 
Ziegelhaus  mit  gestaffeltem  Lisenengiebel,  um  1550.  Hauptgeschoß 
und  Zwischengeschoß.  Der  Giebel  umfaßt  5  Geschosse.  Erdgeschoß 
mit  flachbogiger  Durchfahrt  links;  spitzbogiger  Hauseingang  rechts 
der  Frontmitte  mit  reich  profilierter  Leibung  in  hoher  flachbogiger 
Nische.  Bogenabdeckung  von  Durchfahrt  und  Tür  mit  plastischen 
Lilienfliesen.  Die  Erdgeschoßfenster  und  die  des  Zwischengeschosses 
waren  um  1600,  also  schon  vor  der  1621  geschehenen  Anlage  des  Erkers 
(zwischen  Haustür  und  Durchfahrt),  geändert.  Im  2.  Hauptgeschoß 
gekuppelte,  flachbogige  Fenster  in  flachbogigen  Blendnischen.  In  der 
Mittelachse  eine  einfache  Blendnische  mit  Flachrelief  des  hl.  Georg. 
Geschoßteilungen  durch  Friese  zwischen  schmalen  Simsen.  Giebel  am 
Fuß  neunnischig  anhebend;  die  äußeren  Nischen  als  Blendnischen 
haben  im  Bogenfelde  jedesmal  eine  aus  Lilienfliesen  (wie  vorher')  zu- 
sammengesetzte neunblütige  Blume.  Giebelbekrönung  durch  Wetter- 
Abb.  449      fahne. 

Der  Erker  1852  von  dem  Maler  Oesterley  erworben  und  an  dessen  Hause 
an  der  Langen  Laube  (Haus  der  Väter)  angesetzt.  Beschreibung  s.  dort. 
Meister  vielleicht   Joachim  Pape. 

Mithoff,  Arch.,  1.  Abt.,  Taf.  XII;  ferner  vgl.  dazu  H.  G.  1914,  S.  149, 
178,  und  H.  G.   1926,   S.  46. 

Schmiedestraße  30:  umgebaut  1880. 

Das  im  Schoßregister  unter  M.  152  eingetragene  Haus  ist  auf  einem 
Aquarell  von  H.  S.  Stephens  (Stadtarchiv,  Kasten  IV,  Bl.  8)  teilweise 
zu  erkennen  als  dreigeschossiges,  massives  Haus  mit  rechteckigen 
Fenstern  ohne  besonderen  Schmuck*).  Der  jüngere  Uffenbach  schreibt 
(a.  a.  O.,  S.  40),  es  sei  „auswendig  von  Quatersteinen  und  mit  verschie- 


*)  Säulenportal  angeblich  1830  von  Täntzel. 
630 


Schmiedestraße 


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Abb.  449.  Hannover;  Schmieilestraße  29,  abgebrochen.  Nach  Aufn.  v.  MitholT,  1844. 


631 


Liste  der  Bürgerhäuser 

denen   Statuen  geziehret  Eine  Reyhe  von  recht  propren 

fürstlich  meublierter  Zimmer,  welche  alle  voll  köstliche   Gemälde  und 
anderem  Aufputze  wäre"  sei  vorhanden  gewesen. 

Das  Grundstück  war  ausweislich  des 
Schoßregisters  165cS  Eigentum  des  Bürger- 
meisters Amsing.  1725  ging  es  aus  dem 
Besitz  des  Vizekanzlers  von  Hugo,  der  es 
1707  erworben  hatte,  an  den  Kammerdiener 
Mehmed  (von  Königstreu)  über  und  kam 
1 735  an  den  Kammerpräsidenten  von  Grote, 
dessen  Erben  es  1857  an  die  Firma  K.&F. 
Hauers  verkauften.  Das  Anwachsen  dieser 
Firma  führte  1880  zu  einem  Umbau  des 
Hauses,  dessen  Äußeres  verändert  wurde. 
Im  Inneren  sind  einige  Zimmerdecken  aus 
Stuck  --  um  1800  —  unberührt  geblieben. 
Ein  Stuckspiegel  aus  dem  Spätbarock,  der 
unbeweglich  eingelassen  ist,  soll  von  einem 
Mitgliede  der  Familie  von  Campe,  das  bis 
1866  hier  wohnte,  in  das  Haus  gebracht  sein. 

Auf  dem  Grundstücke  stand  ehemals  die 
herrschaftliche   Zollbude. 

Schmiedestraße  37: 

Dreigeschossiger  und  dreiachsiger  Aufbau 
mit  Blendfassade  in  Sandstein  um  1745. 
Mansardendach  und  3  Gauben.  Wegen  der 
Ähnlichkeit  in  Steinschnitt  und  Profilie- 
rungen mit  den  Häusern  Breite  Straße  8 
und  dem  v.  d.  Busscheschen  Palais  an 
der  Leinstraße  kann  der  gleiche  Architekt 
in  Frage  kommen  -  -  vielleicht  I.  P.  Heu- 
mann. Die  Erdgeschoßfassade  ist  1847 
für  den  Einbau  eines  Ladens  geändert. 
Die  Zeichnung,  Abb.  450,  gibt  den  ursprüng- 
lichen Zustand  nach  den  Baupolizeiakten. 
Über  dem  4'orbogen  der  ehemaligen 
Scheune:    T  H  ÜSPAN  ANNO   1663. 


Abb.   150.     Hannover;   Schmiede- 
straße 37,  Zustand  von  1847. 


Schmiedestraße  41: 

Traufenhaus,  Fach  werk,  um  1580.  4  Geschosse,  4  Gefache.  Erdgeschoß 
verändert.  2.  und  3.  Obergeschoß  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  Trauf- 
sims verschalt.     Giebelerker  von  2   Gefachen. 


632 


Schuhstraße 

Schmiedestraße  42:  abgebrochen   1897. 

Giebelhaus,  Fachwerk,  1560 — 70.  1  Geschosse,  8  Gefache,  Giebel  in 
3  Geschossen  mit  konvergierenden  Pfosten.  Das  Haus  war  in  seinem 
letzten  Zustande  ganz  verputzt;  Erdgeschoß  verändert.  Vom  2.  Ober- 
geschoß an  alle  Geschosse  auf  Konkavkonsolen  vorgekragt.  Im  Giebel 
Gardinenbögen. 

Seitenfront    von    13    Gefachen,    rundbogige     Einfahrt     rechts,     später 
klassizistisch  verschalt. 
Abb.  H.  G.   1914,   S.   190. 

Schmiedestraße  43:  abgebrochen  1892. 

Traufenhaus,   Fachwerk,   um    1570.    4   Geschosse,   5   Gefache,   späterer 
Giebelerker  mit  Windenluke.    Vom  2.  Obergeschoß  an  waren  alle  Ober- 
geschosse, auch  die  Traufe,  auf  S-Konsolen  vorgekragt. 
Mithoff  (Kdm.,   S.  90)  teilt  die   Inschrift  mit: 

Ps.  37  CREDE  DEO  CÖFIDE  DEO  SPES  OMNIS  [IN  IPSO  SIT]  TVA, 
QVAQ'  HABITAS  JREGIONE  MANE. 

NOSSE  •  DEVM  •  ET  •  BENE  •  POSSE  •  MORI  •  SAPIENTIA  •  SVMMA  • 
EST  •  ANNO  DNI  [1]55[4]   SALVATOR. 

Abb.  s.  H.  G.  1914,  S.  193.  Die  Ergänzung  Mithoffs  zu  der  verstümmelten 
Jahreszahl   stimmt    nicht   zu    den    Stileigentümlichkeiten    des    Hauses. 

Schmiedestraße  49:  abgebrochen. 
Das  ehemals  auf  dem   Grundstück  vorhandene  Haus  von  etwa   1525 
zeigte  an  den  Schwellen  den  Treppenfries;  einige  Konsolen  waren  mit 
Schnitzfiguren  geschmückt,  dabei  der  hl.  Christophorus  (vgl.  H.  G.  1912, 
S.  91,  und  H.  G.   1926,   S.  42). 

Schmiedestraße  50:  abgebrochen. 
Torbogen  mit  der  Inschrift:  A.  D.  1531.     Treppenfries. 

Schmiedestraße  47:  abgebrochen. 

Schwelle  mit  dem  Wappen  und  Namen  von  H.  Westenholz  und  M.  Pax- 
mann,  am  Hinterhause  Schwelleninschrift  ,, juvante  Deo.  Amen." 

Schuh straße   1: 

Verändertes  Fachwerkhaus.  Türsturz  mit  Kielbogen;  daran  die  In- 
schrift: ANNO  DOM  INI  MCCCCCL  und  Allianzwappen,  der  linke  Schild 
mit  einem  Fisch  und  den  Buchstaben  E.  F.  Evert  Fischer  erwarb 
1548  das   Grundstück. 

Schuhstraße  3: 

Das  nicht  mehr  bestehende  alte  Haus  hat  die  bei  Mithoff,  Kdm.,    S.  91 
für  das  Haus  Nr.   4  aufgezeichnete    Inschrift  aus   Ovid,   Ars  amandi, 
getragen : 
Non  minor  est  virtus  quam  querere  parta  tueri. 

633 


Liste  der  Bürgerhäuser 


Abb.   151.    Hannover;   Schuhstraße  9,   abgebrochen  1890. 

Schuhstraße  5: 

Fachwerkhaus,  Ende  des  16.  Jahrhunderts.    Inschrift  der  unteren  Setz- 
schwelle: 

WOL  •   GODT  •  VORTRAWET     *  HADT  •  WOL  •   GERAWETT. 

Inschrift  der  oberen   Schwelle  zurzeit  nicht  lesbar. 

Schuhstraße  7:   1907  abgebrochen. 

Inschriften  in  Renaissance-Großbuchstaben,  verschollen. 


634 


Schuhstraße 

Schuhstraße  9:  abgebrochen  1890. 

Staffelgiebelhaus  in  Ziegeln,  um  1550,  Eckhaus  zur  Knochenhauer- Abb- 451 
straße;  stark  verändert  und  überputzt.  Über  dem  hohen  Erdgeschosse 
setzte  der  Lisenengiebel  siebenachsig  an.  Die  sämtlichen  Lichtöffnungen 
waren  schon  seit  langem  zu  rechteckigen  Fenstern  umgeändert. 
Die  zum  Grundstück  gehörende  Bude,  ein  ursprünglich  zweigeschossiges, 
um  1700  um  3  Geschosse  erhöhtes  Fachwerkhaus  griff  mit  seinem 
Obergeschoß  über  die   Staffeln  des  Ziegelhauses  hinweg. 

Schuhstraße   10 — 15,  Kornhaus  des  Rates: 

Gruppe  gleichartiger  Traufenhäuser,  1594  auf  der  Wedeme  der  Matkt- 
kirche  errichtet.  Als  Meister  der  Maurerarbeiten  des  älteren  Unter- 
geschosses kommt  Dil  ick  Berndes,  für  die  Zimmerarbeiten  der  Zimmer- 
meister Gurt  Meier  (f  1597)  in  Betracht.  Den  figürlichen  Schmuck 
an  einzelnen  Konsolen  schreibt  Leonhardt  (H.  G.  1926,  S.  28)  dem 
Schottilier  Jürgen  Blome  zu,  der  in  diesem   Gebäudeteil  wohnte. 


Abi).   152.    Hannover;   Schuhstraße  11,   Voikragun^en  des  II.  Obergeschosses. 


635 


..iste  der  Bürgerhäuser 

Die  Häuser  Nr.  10,  11  und  13  haben  Erdgeschosse  in  Fachwerk;  bei 
Nr.  12  und  15  ist  Erdgeschoß  und  Halbgeschoß  in  Ziegeln,  rundbogige 
Durchfahrten  mit  Sandsteinumrahmungen.    Jedes  Haus  hat  9  Gelache. 


Abb.  453.    Hannover;  Seilwinderstraße  gegen  die  Marktkirche. 

Nach  Aquarell  im  Stadtarchiv. 


Abb.  152  Die  Obergeschosse  sind  auf  S-Konsolen  vorgekragt.  Fallhölzer  nach 
Girlandenmotiv.  Traufsimse  verschalt.  Inschriften  auf  oberer  und 
unterer  Setzschwelle  durchgehend  in  lateinischen  Großbuchstaben,  bei 
Nr.  10  bzw.  Nr.   11  verdorben: 


636 


Simonsplatz 

Obere  Setzschwelle: 

PSALM:  34  •  FVRCHTET  DEN  HERN  IHR  SEINE  HEILIGEN  DAN  DIE 

IHNE    FVRCHTEN   HABEN   KEIN   MANGEL     /     Haus    Nr.    14:    DIE 

REICHEN  MVSSEN  DARBEN  VND  HVNGERN  ABER  DIE  DEN  HERN 

SVCHEN   HABEN   KEIN  MANGEL   /   AN    IRGENT  EINEM    GVDT     # 

PSALM:  37  •   HOFFE  AVF  DEN  HERN  VND  THV   GVTS  BLEIBE   IM 

LANDE. 

(Jetzt  nach  Leonhardts  Angaben  ergänzt.) 

Haus  Nr.   11:   Inschrift  verdorben.    Haus  Nr.   10: 

ND  VNVORZAGET  ALLE  DIE  IHR  DES  HERN  HARRET. 

Die  untere   Setzschwelle  ganz  durchgelesen: 

AVGVSTINVS  ADTE  SVSPIRO  CREATVRA  TVA  OPVS  MANVVM  TV- 
ARVM  NE  DESPICIAS  •  VVLNERA  MANVVM  TVARVM  DVLCISS  /  1ME 
IESV  PRECOR  VT  ASPICIAS  •  ECCE  IN  MANIRVS  TVIS  DOMINE 
DESCRIPSISTI  ME  LEGE  ILLAM  SCRIPTVRAM  ET  SALVA  ME  # 
ITEM  QVI  FVIT  TIBI  CARVS  AD  REDIMENDVM  NON  SIT  TIBI  VILIS 
AD  PEBDENDVM  *  DA  [PACEM  DOMINE  IN  DIEBVS  NOSTRIS 
QVIS  PVGNJET  PRO  NOBIS  NISI  TV  DEVS  NOSTER  *  ANNO 
DOMINI   1594. 

Wappenschild  an  Nr.  13  mit  Körnern  und  C.  H.  =  Kornhaus.  Eine 
Konsole  mit  dem  geschnitzten  Bilde  des  hl.  Georg  wird  in  Nr.  13, 
Gastwirtschaft  von  Müller,  Wwe.,  aufbewahrt. 

Seil winderstraße  1:  abgebrochen  um  1900. 

Dreigeschossiges  Eckhaus  zur  Marktstraße  in  Fachwerk,  Giebel  an  der 
Seilwinderstraße.    Konsolen  wie  am   Hause   Burgstraße   10  von   1666.. 
Zwei  Erker  vor  den  Obergeschossen.    Die-  frühere  Einfahrt  war  später 
durch  ein  schmales  Fachwerkhaus  überbaut. 
Abb.   Stadtarchiv,  Mappe  6. 

Simonsplatz  1 : 

Fachwerkhaus,  Eckhaus,  zur  Langen  Straße,  um   1700.    3   Geschosse, 

6  Achsen,    Giebel   in  2    Geschossen.  Genäherte    Pfosten;     Querriegel. 

Vorkragungen  in  allen  Geschossen.  Haustür  abgebildet  bei  Ebel, 
Tafel  4. 

Simonsplatz  3: 

Fachwerkhaus,  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  Haustür  mit  Treppe  ab- 
gebildet bei  Ebel,  Textabbildung  11,   S.  42. 

Simonsplatz  8: 

Fachwerkhaus,  Mitte  des  18.  Jahrhunderts,  später  mit  senkrechten 
Brettern  verschalt.    Haustür  s.  Ebel,  Tafel  4. 

637 


Abi).    !.->! 


Liste  der  Bürgerhäuser 

Sophienstraße  7: 
Ziegelbau   in   Formen  englischer   Gotik,    1862 — 64  von   Goetze  erbaut 
als  Palais  des  Grafen  Grote  (s.  Zeitschrift  des  Arch.-  und  Ing.-V.  1869, 
S.    193). 

Stift  straße  12: 

Wohnhaus  des  Erbauers,  Baurat  Mithoff.    Helle  Backsteinarchitektur 
in  italienischen  Formen,   1862. 

Tiefental   1: 

Mit  Nr.  2  unter  einem  Dach.    Der  Bosettenfries  von  Nr.  2  setzt  sich  auf 
der  Setzschwelle  des  Hauses  Nr.  1  unter  den  beiden  linken  Gefachen  fort. 

Tiefental  2: 

Traufenhaus,   Fachwerk,  um  1545.    Meister  G.  K.  —  vgl.  Tiefental  3  - 
Andreaskreuze  kommen  vor.     Setzschwelle  des  vorgekragten  2.  Ober- 
geschosses    hat     Halbrosettenfries    mit    Zwickel- 
blättern;   auf    dem  linken  Ende    der  Schwelle  in 
rechteckigem  Schilde  steht  G  K.  (vgl.  Burgstraße  28, 
Hinterhaus,  von   G.  K,). 

Tiefen tal  3: 

Mit  Nr.  4  gleichartig  und  unter  einem  Dach. 
Traufenhaus,  Fachwerk  von  1542  (s.  H.  G.  1924, 
S.  83),  Meister  B.  K. ;  3  Geschosse,  5  Gefache,  links 
Erker  von  2  Gefachen.  Erdgeschoß  um  1800  ver- 
ändert. 2.  Obergeschoß  und  Traufe  vorgekragt, 
Konsolen  nach  den  alten  Vorbildern  erneuert. 
Meisterzeichen  auf  dem  rechten  Ende  der  Setz- 
schwelle des  2.  Obergeschosses:  B.  K.  Inschrift- 
rest   ebenda,   ergänzt   nach  Mithoff,    Kdm.   S.  90: 


Abb.  454. 
Hannover;  Tiefental  3. 


|£Jbt  fraget  tttemtneb  voo  \bt  um  gent 

©mtge  nt  tun  u>ol  ji>t  voev  em  leibt 

2at  folteit  reben  alfe  bc  nbt  mettet 

60]  n>ol  j)d  lachen  toett  bc  wettet 

ftbt  fn  fmt  fcbtmtp  ebber  spot 

y&at  bc  tun  guttnet  bat  gbeuc  obm  gobt. 

Tiefen  tal  4b  (Hinterhaus): 

Von  1570.  Über  der  im  Eselsrücken  geschlossenen  Tür  Inschrift  in 
lateinischen  Großbuchstaben  zwischen  zwei  Wappenschilden:  das  eine 
,,v.  Wintheim",  das  andere  sechszackiger  Stern  mit  Böse  in  der  Mitte. 
FORTVNAE  COMES  INVIDIA  •  ANNO   1570.     Anfang  verdeckt. 


638 


Wagenerstraße 

Außerdem  griechische  Inschrift  an  der  oheren  Schwelle: 
(Psalm   128):        [EuXoytjOsi]  os    xupio;    sx    oia>v:xai   toou    Houa   -r<ov  Ho>v  a[ou] 
(Segnen  wird  dich  der  Herr  aus  Zion  und  mögest  du  sehen  Kinder  von 
deinen  Kindern  —  II  für  ui.) 

Wagenerstraße  1: 

Fachwerkhaus,  nach  Mitte  des  18.  Jahrhunderts,  3  Geschosse,  5  Gelache, 
Drempelgeschoß.  Haustür  zurückliegend,  mit  Oberlicht,  einflügelig. 
Abbildung  bei  Ebel,  Textabbildung  25,   S.  48. 

Wagenerstraße  4: 

Fachwerkhaus,  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts,  2  Geschosse,  4  Achsen. 
Mansardendach.  Keine  Vorkragungen.  Flachbogige  Einfahrt,  recht- 
eckige Haustür  mit  Oberlicht,  einflügelig. 


639 


Gebäude  und  Anlagen 

verschiedener  Zweckbestimmung. 


GASTHÄUSER,    GILDENHÄUSER,  KLUBHÄUSER. 

GESUNDHEITS-  UND  WOHLFAHRT  SAN  STALTEN. 
Bäder. 

Krankenhäuser. 

Siechen-  und   Waisenhäuser. 

KAUFHÄUSER,   LAGERHÄUSER,   POST-  UND 
EISENBAHNHÖFE. 

SCHULGEBÄUDE,  THEATER  UND  MUSEEN. 

STRAFANSTALTEN. 


641 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 


642 


Gasthäuser,  Gilcienhäuser,  Klubhäuser. 

Die  Neustadt  Hannover  entwickelte  sich  seit  dem  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts zur  Hotelvorstadt  der  Residenz  für  alle  die  Reisenden,  die 
zum  Hofe  oder  in  Geschäften  nach  Hannover  kamen.  Die  schönsten  und 
berühmtesten  Gaststätten  entstanden  am  Calenberger  Steinwege,  so  das 
Hotel  de  StreUtz,  das  Hotel  d'Hanovre,  auch  die  Neue  Schenke,  später 
British  Hotel  genannt.  Die  London-Schenke  lag  an  der  Neuen  Straße  21. 
Die  Einrichtung  des  Postetablissements  auf  der  Bergstraße  ( 1 80 1 )  brachte 
die  Neustädter  Gasthäuser  zu  hoher  Blüte. 

Der  Wohlstand  des  Calenberger  Hinterlandes  leistete  dem  örtlichen 
Verkehr  in  besonderem  Maße  Vorschub,  so  daß  auch  der  Ausspann- 
verkehr sehr  stark  war. 

Die  günstige  Stellung  der  Neustadt  hörte  teilweise  auf,  als  1843  der 
Eisenbahnverkehr  begann  und  in  den  folgenden  Jahren  ausgebaut  wurde. 
Die  Hotels  siedelten  in  die  Nähe  des  Bahnhofes  über.  Der  Neustadt 
verblieb  nur  der  Verkehr  der  ländlichen  Bevölkerung  aus  dem  Calen- 
bergischen.  Aber  auch  dieser  nahm  ab,  als  1872  die  Altenbekener  Eisen- 
bahn  das  Reisen  mit   eigenen  Fuhrwerken  überflüssig  machte. 

Die  Vollendung  der  Bahnen  von  Berlin  und  von  Köln  nach  Hannover 
ergab  1845  die  Vereinbarung  eines  durchgehenden  Fahrplanes,  der  veran- 
laßte,  daß  Hannover  das  Nachtquartier  für  alle  durchfahrenden  Reisenden 
wurde.  Infolge  davon  entstanden  in  der  Nähe  des  Bahnhofes  mehrere 
große  und  architektonisch  bemerkenswerte    Gaststätten. 

Zum  Bau  einer  öffentlichen   Gaststätte  ersten  Ranges  auf  dem  Neu-  die  neu?: 
Städter  Markt  für  die  „bei  künftig  zu  hoffender  Anwesenheit  Sr.  Königl.  schenre 

°  °      (heute  Sitz  des  Lan- 

Majestät"  zu  erwartende  Ankunft  vieler  Standes-  und  anderer  Personen  dcs-Kirchenamtes) 
erteilen  am  24.  Mai  1746  des  Königs  Geheime  Räte  gemäß  einem  Vor- 
schlage der  Neustadt  den  Auftrag.  Der  von  J.  P.  Heumann  gefertigte 
Riß  des  Gebäudes  erhält  am  12.  Juli  die  Genehmigung.  Der  Bau  scheint 
1750  fertig  gewesen  zu  sein.  Heumann  quittiert  über  sein  Douceur 
am  28.  Dezember  1752  (s.  Leonhardt  in  H.   G.  1927,   S.  239a). 

643 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 

Seil  April  1751  war  das  Gasthaus  pachtweise  in  Privathand  unter 
dem  Namen  „Neue  Schenke"  oder  „Im  Wapen  von  Engeland",  seit 
Abb.  155  dem  19.  Jahrhundert  als  British  Hotel.  Das  Gebäude  ist  1860  durch  das 
Finanzministerium  für  die  Staatsregierung  erworben  und  fortab  Sitz 
von  Behörden  gewesen.  Die  Erwerbung  geschah  mittels  Tausches  gegen 
das  unter  „Georgstraße  18/19"  im  Schoßregister  geführte,  1852  an  der 
Ecke  der  Kleinen  Packhofstraße  erbaute  Haus  der  Königl.  Bau-Kom- 
mission. Von  den  hier  sitzenden  Behörden  erhielt  namentlich  -  -  und 
seit  1872  ausschließlich  -  die  Königliche  Landdrostei  in  dem  Gebäude 
am  Neustädter  Markt  ihre  Diensträume.  1885  wurde  es  dem  Königlichen 
Konsistorium  zugewiesen. 

Abb.  456  Der  Heumannsche  Bau  grenzt  mit  seiner  Westseite  an  die  Bote 
Reihe  und  liegt  völlig  frei  auf  dem  Neustädter  Markte.  Wie  Hausmann 
(Erinnerungen,  S.  15)  schreibt,  war  die  Errichtung  des  Gebäudes  vielfach 


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Abb.  456.     Hannover;  die  Neue  Schenke,  heute  Landeskirchenamt,  Calenberger  Straße  31. 


644 


Neue  Schenke 

beklagt  worden,  weil  sie  den  einzigen  regelmäßigen  freien  Platz  der  Stadt 
beschränkte.  Es  ist  ein  langrechteckiger  Massivbau  mit  geputzten  und 
gequaderten  Flächen;  an  den  Ecklisenen  und  Umrahmungen  ist  Sand- 
stein verwandt,  ebenso  am  Sockelgeschoß,  auf  dem  zwei  Hauptgeschosse 
bei  elffacher  Achsenteilung  angeordnet  sind.  An  der  nördlichen  Schmal- 
front ist  im  rechten  Winkel  gegen  den  Markt  vorspringend  ein  Fach- 
werkflügel angefügt.  Während  die  lange  Front  am  Markte  eine  Abb.  457 
besondere  architektonische  Gliederung  nicht  erfahren  hat,  ist  die  gegen- 
überliegende durch  ein  schwach  vortretendes,  viergeschossiges  Mittel- 
risalit  von   drei   Achsen    mit   Dreiecksgiebel    ausgezeichnet.     Als   Haupt- 


Abb.  457.     Hannover;  ehem.  Neue  Schenke,  jetzt  Landeskirchenamt,  Ostfront. 
Nach   Aufnahme  des  H.  B.  A.   I,  1920. 


fassade  ist  aber  die  dreiachsige  Schmalfront  an  der  Calenberger  Straße 
ausgebildet:  eine  doppelarmige  Freitreppe  mit  schmiedeeisernem  Geländer 
ist  dem  Sockelgeschoß  vorgelegt;  der  Mitteleingang  liegt  in  einem  Schein- 
risalit, das  durch  zwei,  je  in  einem  Konsolenpaar  gegen  das  Hauptsims 
verlaufende  Pilasterlisenen  begrenzt  wird  und  sich  oberhalb  desselben, 
ebenso  begrenzt  und  mit  Dreiecksgiebel  geschlossen,  fortsetzt.  Die  Licht- 
öffnungen der  beiden  unteren  Geschosse  sind  geradlinig  umrissen,  im 
Sockelgeschoß  quadratisch,  im  I.  Obergeschoß  hochrechteckig;  im  II.  Ober- 
geschoß sind  sie  segmentbogig  geschlossen.  Die  Hauptfassade  hat  voluten- 
artige Schlußsteine  in  den   Fensterstürzen. 

Das  mächtige  gewalmte  Mansardendach  wird  durch  Gauben  in  zwei 
Reihen  belebt,  deren  Giebel  in  der  unteren  Reihe  wieder  segmentförmigen 
Schluß  haben. 

Das  Innere  des  Gebäudes  ist  völlig  verändert.  Die  beiden  stattlichen 
Treppenhäuser  mit  stückweise  erhaltenen,  alten  Treppen  sind  ursprüng- 
lich. Nach  den  Rechnungen  war  auf  die  Reschaffung  von  stadthannover- 
schen   Steingutöfen  Wert  gelegt  worden. 

645 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 


Abb.  458.     Hannover;  das  ehem.  British  Hotel,  jetzt  Landeskirchenamt,  Südfront. 
Nach  Aufnahme  H.  B.  A.  I,  1620. 


646 


Zum  grünen  Kleeblatt 

Das   Haus   war   1680  als   Weinschenke   erbaut   und   genoß   als   Hotel  stadt  strelitz 
unter   dem    Namen    „Stadt    Strelitz"    einen    besonderen    Ruf   unter   den  Calenberser  Straße 33 
Gaststätten    Hannovers.    Als  Hotel  ist   es   1889  eingegangen.    Das   noch 
bestehende   dreigeschossige   Fachwerkhaus  ist   durch   Überputzen   in   der 
Neuzeit  entstellt.    Altere  Abbildungen  im  Stadtarchiv. 

Das  Haus  Calenberger  Straße  32  führte  im  1<S.  Jahrhundert  den  Namen  zum  grünen 
Zum  grünen  Kleeblatt,  dann  ,, Prinz  von  Eutin"  und  schließlich  ,, Hotel  KLEEBLATT 
Hannover".  Fachwerkhaus,  1 685  erbaut,  von  3  Geschossen  bei  15  Ge- 
fachen. Die  Obergeschosse  sind  auf  Zierkonsolen  verschiedener  Ornamen- 
tierung bei  geschoßweise  gleicher  Form  vorgekragt.  Die  Brüstungs- 
leisten tragen  Konsolenschnitt.  Über  der  flachbogigen  Einfahrt  in  der 
rechten   Haushälfte   trägt   der   Sturzbalken  die   Inschrift: 

ANNO   1686 
EIN  ICKE  IT  MACHT   STARK 

Den   Hauseingang  erschließt   eine  doppelarmige   Freitreppe. 


Abb.   45'.».     Hannover;  Neue  Straße  21,   ;ils  London-Schenke  erbaut,  später  Duvesches  Armenhaus. 

Phot.  M.  15.  A.,  1928. 


647 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 

In  den  dreißiger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  war  das  Haus  Nr.  31 
mit  dem  eben  beschriebenen  vereint  und  bekannt  als  Launhardts  bzw. 
Höllehers  Schenke.  Die  Seitenfront  an  der  Neuen  Straße  hat  20  Gefache, 
die  Fenster  sind  in  Gruppen  zu  zwei  und  drei  geordnet.  Die  geringen 
Vorkragungen  werden  nicht  mehr  von  Konsolen  getragen. 

stadt  lonoon,  Eine  altere  „Neue  Schenke"  war  wohl  schon  1682  durch  den  Gastwirt 
Neue  suaße  21  Füller  an  der  Neuen  Straße  erbaut.  Nach  der  Thronbesteigung  Georgs  I. 
erhielt  sie  den  Namen  „Im  Schilde  von  London".  Das  an  der  Ecke  der 
Bockstraße  belegene  Fachwerkhaus  wurde  1727  durch  Ankauf  des  Neben- 
hauses an  der  Neuen  Straße,  dann  1760/61  durch  Ankauf  der  Häuser 
an  der  Rückseite  nach  der  Langen  Straße  hin  erweitert.  Seit  1824  ist 
es  Armen-  und  Waisenhaus. 
Abb.  459  An  der  Neuen  Straße  3  Geschosse,  9  Gefache,  Vorkragung  aller  Ober- 
geschosse; Balkenköpfe  und  Füllhölzer  gleich  profiliert.  Rahm  als  halber 
Birnstab.  Fensteröffnungen  in  jedem  zweiten  Gefach.  Fußstreben  in 
allen  Brüstungsgefaehen.    Giebelerker  von  4  Gefachen  mit  vorgekragtem 


Abb.  460.     Hannover;  Nene  Straße  21,  Hotel  Stadt  London,  nachmals  Duvesches  Armenhaus, 
Treppenhaus.     Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


648 


Neues  Haus 

Giebelfuß.  Giebelpfahl.  Eingang  flachbogig  mit  zurückliegender  Treppe; 
Umrahmung  in  Sandstein  mit  Kantenprofilierung  und  Blattbildung 
im  Scheitel.  Haustür  zurückliegend,  Abb.  bei  Ebel,  a.  a.  0.,  Tafel  X. 
Treppenhaus  gut  erhalten.  Das  Nebenhaus  nach  links  hin  umfaßt  sechs  Abb.  -ico 
Achsen  und  ist  gleichaltrig:  Giebelerker  von  2  Gefachen  mit  Winde 
(Grundrißaufnahme  im  Stadtarchiv,  Abb.  von  1  <S  10  im  Vaterländischen 
Museum). 

In  der  London-Schenke  stieg  1809  der  Schwarze  Herzog  von  Braun- 
schweig auf  seinem  Zuge  zur  Weser  ab.  Zur  Erinnerung  daran  wurde 
1840  eine  Tafel  mit  dem  lebensgroßen  Medaillonkopf  des  Herzogs  in  Bronze 
am  Erdgeschoß  des  Hauses  angebracht  (weiteres  s.  Duvesches  Armen- 
haus,  S.  666). 

Hotel  Rheinischer  Hof,  als  Privathaus  für  den  Hauptmann  Ahrbeck  in  rheinischer 
romanischen  Formen   1850/51    erbaut;    Ziegel,    geputzt.    Erster  Bau  von'101'  nl  .    _ 

ö  °    1  Ernst-August-Platz  2 

C.    W.    Hase,    der    in    seinem   Berichte    darüber   mit    Eifer   den    Rohbau  Abb.  491,  Seite  688 
gegenüber  dem  Putzbau  vertritt  (s.  „Ztschrift.  des  Arch.-  und  Ing. -Vereins" 
1853/51,   S.  382). 

Hartmanns  Hotel;  Erbauer  ist  Hase,  1858.   Gotische  Formen,  gewölbter  hartmanns 
Biertunnel,  gotische   Dekoration  und  gotisches  Mobiliar.  hotel 

0  °  Ernst-August- Platz  S 

Eine  Gastwirtschaft,  die  den  Namen  „Goldener  Löwe"  später  annahm,  goldener  löwe 
bestand    seil    dem    Ende    des    18.   Jahrhunderts    vor   dem    Clevertor.     Es Esohe,straße  15 A 
war  ein  einfaches  Fachwerkhaus  und  lag  in  einem  bis  an  die  Lange  Laube 
reichenden  prächtigen   Garten,  in  dem  der  Wirt  nach  dem  Abbruch  des 
Parnaßbrunnens  1802  die  damals  von  ihm  größtenteils  erworbenen  Statuen 
des   Brunnens   aufgestellt    hatte.     Unter   diesen    Figuren   befand   sich   ein' 
Löwe,    nach   dem   die   Wirtschaft   benannt   sein   soll;    doch   trug   sie   den 
Namen  schon  vorbei-. 

1857  wurde  auf  dem  Gelände  des  Gartens  das  Simonsche  Gewese 
(heute  Handelsschule)  angelegt. 

Auf  dem  inselartigen  Reste  des  Glockseeravelins,  innerhalb  des  ehe-  marieninsel 
maligen  Festungsgrabens,  wurde  1813  eine  Wirtschaft  mit  Garten 
angelegt  und  zu  Ehren  der  Kronprinzessin  Marieninsel  genannt,  ein  roman- 
tischer kleiner  Park  mit  Wirtshaus,  Badehaus,  Kegelbahn  und  einem 
dreirängigen  Freilichttheater,  wo  seit  1847  auch  Opern  aufgeführt  wurden.  Abb.  u;i 
Nach  Zuschüttung  des  Grabens  und  Herstellung  der  Humboldtstraße 
ging  1874  der  Vergnügungsort  ein. 

Das  als  Pesthaus  erbaute   Neue   Haus  am    Schiffgraben   wurde   nach  neues  haus 
dem   Erlöschen   der   Pestgefahr  als   Wirtshaus   „Zum    Güldenen   Löwen" 
stadtseits    verpachtet.     Eine    Beschreibung    des    Hauses    ist    im    Corpus 

649 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 


Marie  äsIii  sei 


aeim 


Abb.  461.    Hannover;    Marieninsel  mit  Gartentheater,   Zeichnung  von  A.  Holekamp,  1848.    Stadtarchiv. 

bonorum  von  1720  enthalten  (H.  G.  1907,  S.  135).  Im  Garten  des  Neuen 
Hauses  wurde  1837/38  ein  Theater  aus  Holz  mit  drei  Rängen  gezimmert, 
in  dem  eine  auswärtige  Truppe  zu  spielen  pflegte.  Das  alte  Wirtshaus 
ist   1893  abgebrochen  (s.  auch  „Krankenhäuser",   S.  657). 

odeon  Das  Odeon,  eine  dem  Tivoli  ähnliche  Anlage  mit  antikisierenden 
Bauten  auf  einem  Teile  des  Posthofgartens,  mit  dem  1200  Personen 
fassenden  Königssaale  wurde  1865  durch  Oppler  geschaffen  und  ist  um 
1892  als   Garten  eingegangen  (Abbildung  im   Stadtarchiv). 

kaffeehaus        Ehemaliges  Cafe  Robby.  Pavillon  in  Eisenkonstruktion,  1809  von  Goetze 

Theater-[Rathenau-]   erHchtet 
platz  16  B 

Tivoli  Die  Stadt  erhielt  -  -  wie  Redecker  (Chronik,  S.  709)  angibt  -  -  von 
der  Landesherrschaft  im  Jahre  1681  das  Privileg,  Schänken  und  Wirts- 
häuser vor  der  Eilenriede  anzulegen  und  errichtete  daraufhin  am  Schiff- 


650 


Gildenhäuser 

graben  das  Wirtshaus  „Zum  Grünen  Walde",  das  in  späterer  Zeit  auch 
einen  Saal  an  der  ,, Herrenweide"  (Königstraße)  hatte.  Nach  Eröffnung 
der  Eisenbahn  (1844)  erbaute  an  dessen  Stelle  der  Wirt  ein  Kaffeehaus, 
das  er  „Tivoli"  bezeichnete.  Nach  den  Bahngleisen  zu  bestand  eine 
Terrasse;  in  den  Sommermonaten  fanden  Theateraufführungen  im  Saale 
statt.  Der  Kommissionsrat  Röpke,  der  das  Gewese  1860  erwarb,  ließ 
durch  den  Architekten  Goetze  den  Garten  mit  Beleuchtungsanlagen, 
Terrassen,  Springbrunnen  und  Grotten  ausstatten.  (Abbildung  des 
Wirtshauses  „Zum  Grünen  Walde"  im  Stadtarchiv,  des  Tivoligartens 
im  Denkmalarchiv.) 

Die  Vergnügungsstätte  Vaux  Hall  war  1768  nach  dem  Muster  des  vaux  hall 
Londoner  Vergnügungsortes  auf  dem  abgetragenen  Walle  beim  Rats- 
fischteich gegenüber  dem  Schlosse  eingerichtet.  Es  wurde  eine  Kaffee- 
wirtschaft in  einem  zweigeschossigen,  mit  Mansardendach  versehenen 
Fachwerkgebäude  betrieben,  das  etwa  1780  nach  Entwürfen  von  Maurer- 
meister G.  C.  Müller  neu  erbaut  war  (Lageplan,  Grundriß,  Seitenansicht 
im  Staatsarchiv:  Karten  I  A,  b.  81).  Die  feinere  Gesellschaft  gab  in 
Vaux  Hall  Diners  und  kleinere  Bälle.  Als  1802  kein  Pachtlustiger  sich 
fand,  verlegte  man  nach  erfolgtem  Umbau  das  Lyzeum  in  das  Gebäude. 
1847  wurde  es  abgerissen. 

Walhalla,  Wirtshaus  in  der  Windmühlenstraße:   Saal   durch  ein   und  walhalla,  wind- 
einhalb  Geschosse;  1860  von  Goetze  eingerichtet.  Romanisierende  innen- mühlens,raßc  4 
architektur   in   farbiger   Behandlung.   Gußeiserne  Säulen. 


Gildenhäuser. 

Die  Gilden  pflegten  ihre  Tagungen  in  den  Häusern  wohlhabender 
Gildegenossen  abzuhalten.  Erst  im  17.  Jahrhundert  haben  einige  reiche 
Gilden,  z.  B.  die  Kramer,  bisherige  Bürgerhäuser  erworben,  um  sie  als 
Gildehäuser  zu  benutzen.  Das  einzige,  für  die  Gilde  eigens  erbaute  Haus 
ist  das  Brauer- Gildehaus  an  der  üsterstraße. 

Nach  Zunftgebrauch  verfügten  die  Gilden  über  teilweise  bemerkens- 
wertes Trinkgerät  aus  Silber  oder  Zinn.  Die  wertvollen  Silbergeräte  der 
Bäcker-,  Hoken-,  Schlachter-,  Schmiede-,  Schneider-,  Schuhmacherämter 
werden  jetzt  im  Vaterländischen  Museum  aufbewahrt. 

Kleiner  Willkommen   des   Bäckeramtes   von  1626.     Silber,   vergoldet  bäckeramt 
mit  graviertem  Wappen.  Meisterzeichen:  H.  R.  (Hans  Rhaders).  Beschau- 
stempel fehlt.  Der  Deckel  hat  das  Meisterzeichen  A.  S.  (Andreas  Schel- 
len) und  Kleeblatt  mit  44. 

651 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 


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652 


Brauergildehaus 

Großer  Willkommen  des  Bäckeramtes  von   1650.    Hoher  Deckelkelch  Abb-  462 
aus    Silber.    Auf   dem  Kopf  schildhaltender  Putto.    Meisterzeichen  A.   S. 

(Andreas     Scheuen).     Beschaustempel:     Klee- 
blatt. 

Willkommen  der  Bäckergesellen.  Zylindri- 
scher hoher  Deckelkelch  aus  Silber.  Auf  dem 
Deckelknopf  Schildhalter  mit  Wappen  an  einer 

Stange. 

Die    Brauergilde,    die    sich    aus    den   317  brauer-gilde- 

HAUS 
(abgebrochen  1894) 


Abb.  162.    Hannover;  Willkommen 

des  Bäckeramtes  von  1650. 
Phot.   des   Vaterl.  Museums,  19.32. 


Gebäude   1 878    in 


brauberechtigten  Bürgern  der  Altstadt  zu- 
sammensetzte, übte  wesentliche  Hechte  in  der 
Stadtregierung  aus  und  bildete  in  der  soge- 
nannten Ehrlichen  Gemeinde  die  zweite  Klasse. 
Diese  also  sehr  angesehene  Gilde  (über  die 
Näheres    bei    Spilcke'r,     S.    208    und    S.    128, 

ILöhdefink,  H.G.  1925,  S.  19 ff.,  nachzulesen  ist) 
ließ  sich  1642  angeblich  durch  Johann  Duye 
ein  eigenes  Gildehaus  an  der  Osterstraße  83 
erbauen,  wo  seitdem  auch  die  Festlichkeiten 
der  Bürgerschaft  geleiert  wurden.  Auf  dem 
bis  zur  Stadtmauer  reichenden  Grundstück 
entstand  nach  Hedecker  (Chronik.  S.  782/783) 
im  Jähre  1711  12  hinter  dem  Brauer-Gilde- 
hause  ein  rnassi-v.es  allgemeines  Brauhaus, 
dessen  Ansicht  vom  Walle  aus  Hedccker  ab- 
bildet (wiedergegeben  II.  G.  1907.  S.  358). 
Dieses  Hintergebäude  ist  1738  abgebrannt. 
Die  Keller  werden  heute  noch  verwandt 
(Pilsener  Bierkeller).  Eni  im  Denkmalarchiv 
vorhandener  Lageplan  aus  dem  Jahre  1859 
gibt  die  spätere  Bebauung  des  Grundstückes 
an.  Da  die  Baulichkeiten  schon  damals  nicht 
mehr  ausreichten,  wurde  eine  neue  Brauerei 
an  der  Hildesheimer  Straße  73  erbaut,  deren 
Gebrauch  genommen  sind. 


Das  Gildehaus  auf  dem  Vordergrundstücke  wurde  in  der  Nacht  des 
1.  auf  den  5.  Dezember  1893  durch  einen  Brand  stark  beschädigt  und  im 
März  1891  abgebrochen. 

Das  Brauer-Gildehaus  an  der  Osterstraße  83  gehörte  zu   den  Misch-  Beschreibung 
bauten  und  war  ein  Traufenhaus:    Zwei   Geschosse  in  Ziegeln,  verputzt, 


653 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 

bei  Hausteinverwendung;  zwei  Geschosse  in  Fachwerk  bei  21  Gefachen. 
Das  Erdgeschoß  war  um  1840  verändert  (Aufrisse  von  1846/47  im  Denk- 
malarchiv, Grundriß  im  Stadtarchiv:  Kartenschrank).  Bundbogige 
Mitteldurchfahrt  mit  Wappenstein  (über  diesen  s.  unten),  zwei  Neben- 
durchfahrten  symmetrisch  dazu;  Geschoßteilungen  im  Zustande  vor 
1817  durch  eine  Simsgürtung  mit  hohem  Fries.  Im  Erdgeschoß  waren  die 
Fenster  wahrscheinlich  zu  fünf,  im  Obergeschoß  zu  zwei  und  über  den 
Durchfahrten  zu  drei  und  vier  gekuppelt  unter  Verwendung  von  Säulchen. 
Reide  Fachwerkgeschosse,  auch  die  Traufe,  kragten  ohne  Konsolen  vor. 
Abb.  463  Füllhölzer  mit  reichem  Zahnschnitt  und  Eierstab.  Windenerker  links 
der  Frontmitte.    Die  Fachwerkgeschosse  dienten  als  Gerstenspeicher. 

In  die  Fenster  hatten  sämtliche  Ämter  ihre  Wappen  verehrt;  auch  viele 
Bürgerfamilien  taten  dasselbe,  wenn  sie  ihre  Hochzeiten  im  Brauer- 
Gildehause  gefeiert  hatten.  Über  die  Glaswappen  s.  auch  Jugler,  „Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Stadt  Hannover"  1865,  II.  Heft,  S.  32,  Anm.  2. 

Ein  Teil  der  Fenster  befindet  sich  heute  im  Provinzialmuseum. 

Kunstuh  r  Eine  Kuiistuhr  mit  biblischen  Gestalten,  die  allstündlich  auftraten, 
war  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  noch  vorhanden.  Über  den  Auf- 
stellungsort dieser  Uhr  und  ihren  Verbleib  ist  nichts  bekannt  (s  Spilcker, 
S.    199). 

Reliefs         Im  Hofe  des  jetzt  an  Stelle  des  Rrauer-Gildehauses  getretenen  Hauses 

Nr.  83  der  Osterstraße  sind  zwei  Flachreliefs  aus  Kalkstein  in  der  Mauer 

eingelassen  mit  den  Inschriften:  „NEPTUNI  CONJ."  und  „CALLIRHOE". 

Es  sind  Tafeln  von  dem  1619  von  Jonas  Wulfes  errichteten  Marktbrunnen, 

Abb.  518,  Seite  735  der  schon  1719  umgebaut  wurde  (H.  G.  1926,  S.  105.) 

Der  über  der  Durchfahrt  angebracht  gewesene,  jetzt  am  Geschäfts- 
hause der  Städtischen  Brauerei,  Hildesheimer  Straße  73,  eingemauerte 
Wappenstein  wird  von  Bedecker  beschrieben  (H.  G.  1908,  S.  61):  „darin 
10  Malzkörner,  3  Gerstenähren  und  2  Braukellen  mit  dem  Kleeblatte"; 
Beischrift:  „DER  RRAWER  HAVS.  PRO  COMMODITATE  PATRIAE".  Das 
Wappen  war  farbig  bemalt  (Abb.  bei  Redecker).  Redecker  irrt  in  bezug 
auf  die  Braukellen.  Die  Helmzier  hat  Hörner.  Das  Wappen  ist  Hans 
Nottelmann  zuzuschreiben. 

hoken-amxs-  Je  ein  Hokenamt  bestand  ebenfalls  in  Alt-  und  Neustadt,  dessen 
haus  Mitglieder  mit  Fettwaren,  Käse  und  Heringen  handelten.  Die  50  Ge- 
nossen der  Altstadt  hatten  ein  Amtshaus  am  Kreuzkirchhofe,  heute 
Hinterhaus  zu  Kreuzstraße  5,  das  --  wie  die  Inschrift  an  der  Setzschwelle 
schließen  läßt  -  -  der  Herzog  von  Braunschweig-Lüneburg  1577  an  den 
früheren    Besitzer,    den    Iltener    Amtsvoigt    Schlüter,    geschenkt    hatte. 

654 


Hoken-Amtshaus 


Das  Obergeschoß  enthielt  einen  in  Holz  gewölbten  Saal.  Das  verwahr- 
loste Fachwerkhaus  scheint  ehemals  höher  gewesen,  jetzt  hat  es  zwei 
Geschosse;  fünf  Gefache  liegen  frei;  Traufsims  auf  Eckkonsolen  vorge- 
kragt; Füllhölzer  mit  Schiffskehlen  und  Zahnschnitt;  Pfosten  verkröpft; 
Brüstungsgefache  durch  Bretter  mit  Bautenmuster  geschlossen.  Inschriften 
auf   beiden    Setzschwellen    in    lateinischen   Großbuchstaben: 

LLA  ■  PARATVR  •  QVAM  •  VOLET  •  HVMANV'S  •  CONSTITVISSE  • 

LABOR  •  ANNO  •  DOMI  •  1577  ■ 

Traufschwelle  (jetzt  verschalt): 

BRVNSWICKENSTVM  •  KT  •  LVNEBVBGENSIVM  •  PRINCIPIS  •  DONVM 

Am    Hause    Kreuzstraße    5    ist    das    von  Wappen 
Meister  Ludolf  Witte  gearbeitete  Hokenamts- 
wappen    von    1649    angebracht,    das    vorher 
am    zugehörigen    Hinterhause    gesessen   hatte 
(s.    darüber    „Bürgerhäuser"    Kreuzstraße    5). 

Von  der   Innung  der  Hoken   befindet  sich  willkommen 
ein  silberner  Willkommen  von  1640  im  Vater- Abb- 464 
kindischen    Museum.      Meisterzeichen:    H.    R. 
(Hans  Rhaders)  und  Kleeblatt. 


Abb.  164.    Hannover;  Willkommen 

des  Hokenamtes  von  1640. 
Phot.   des   Vaterl.   Museums,   1932. 


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Abb.  465.      Hannover;    Hokenamtswappen,   Kreuzstraße  •">, 
signiert   von  Ludolf  Witte. 


655 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 


KRAMER-AMTS- 
HAUS 


In   der   Altstadt    und    in    der  Neustadt   bestand    je    ein    Krameramt. 
)as    Altstädter    Krameramt     zahlte     zu     Ende     des     18.   .Jahrhunderts 

59  Amtsgenossen,    von   denen   32  mit    Gewürz    und   Materialien,    27   mit 

Ellen-   und    Kurzwaren    handelten.    Ihr  Amtshaus   lag   seit    1653   an    der 

Leinstraße  20   und   hat   1892  beim  Hau  der  Markthalle  fallen  müssen. 
Wappen         Das  K ramera m t swa ppe n  von  diesem  Hanse  ist  1891   an  der  nordwest- 
Abb-  t66  liehen  Ecke  der  Markthalle  wieder  eingefügt  (Schuchhardt,  a.  a.  ().,  Nr.  103): 

kniende  Justitia  in  Barockkartusche;  Meister  unbekannt.    Inschrift: 

ANNO   DOM  INI   1653 

EIN  AMBTYNI)  INNVNGE  DEM 

KRAMER. 

schmiede-amts-  Als,,curia  fabrorum"  wird  von 
HAUS  Redecker  das  Haus  Osterstr.  «Sl 
Gerät  bezeichnet,  s.  das.  „Julius- 
becher", 1585  von  Herzog  Julius 
zu  Braunschweig  und  Lüne- 
burg dem  Gesamt- Schmiede- 
amt zu  Hannover  als  Zeichen 
seiner  Anerkennung  geschenkt. 
Vaterländisches  Museum. 

Achtkantbecher,  Silber,  mit 
Deckel  und  Knauf,  auf  dem  ein 
bannerhaltender  Pntto  steht. 
Die  Seitenflächen  enthalten 
unterhalb  des  Randes  in  Ziselier- 
arbeit Kartuschen  mit  alle- 
gorischen Figuren.  Ziseliertes 
Wappen  mit  Unterschrift,  1585. 

Schneider-        Das  Schneider-  Amtshaus  lag 
„      GtIL,?E"AHS;  vor  1669  auf  der  Ringstraße/ 

kreuzstralJe   10,  Hof  n 

Wappen        Steinerne   Wappentafel   von 
breitrechteckiger  Form  mit  der 

Inschrift:    DAS    AMPT    DER    SCHNEIDER   GILHAUS    IST   GEBAU  WET 
ANNO  DOMINI   1669  (wahrscheinlich  Peter  Köster.  Vaterl.  Mus.). 
Gerät         Das  Vaterländische  Museum   bewahrt  einen  Gesellen-WTillkommen  des 
Schneideramtes  aus  dem   Jahre   1655  auf.    Meisterzeichen  H.  S.  (Hinrich 
Sädeler). 

Schuhmacher-        Nach    Grupen   (Orig.,  S.  359)   hatte   der  Rat    das   alte    Schusteramts- 

amtshaus  Gehrnaus  zwischen   Klickmühle  und   dem  Werder      -  auf  der   Stelle  des 

späteren  Banhofes         im   Jahre   1512  abbrechen  lassen   und  dem  Amte 

einen  Platz  neben  dem  Leintore  außerhalb  der  Mauer  zugewiesen.    Dort 

bauten  sie   1593  ein  eigenes  Amtshaus. 


Abb.  166.  Hannover;  Wappen  des  Krameramtes,  1653. 
An  der  Stadt.  Markthalle,  Leinstraße  19. 


656 


Klub-  und  Gesellschaftshäuser 

Der  Schuhhof  war  aber  an  der  Köbelingerstraße  eingerichtet  worden 
und  im  Jahre  1565  samt  dem  daraufstehenden  Schuster-Amtshause 
wegen  der  damals  begonnenen  Erweiterung  des  Rathauses  durch  den 
Apothekenflügel  eingegangen.  Der  Rat  entschädigte  das  Amt  dadurch, 
daß  er  den  Platz  vor  der  Mauer  durch  eine  Streichwehr  sicherte  (Grupen, 
S.  340).  1639  erwarb  das  Schusteramt  den  verfallenen  Leintorzwinger 
und  errichtete  an  seiner  Stelle  ein  neues  Gehrhaus,  das  um  etwa  3  m 
tiefer  als  der  Wächtergang  belegen  war.  Das  Gelände  ist  später  ange- 
schüttet worden,  so  daß  die  Setzschwelle  des  Schusteramtshauses  sich 
jetzt  ebenerdig  befindet.  An  der  Setzschwelle  sind  die  Namen  der  damaligen 
Vorsteher  des  Schusteramtes  angebracht  gewesen;  noch  lesbar  sind  fol- 
gende: CORDT  HENCKE.  ABEL.  V.  D.  (WISCH).  HÄRMEN  BOCKHOLT. 
HANS  KRACK.  CHRI STOFFER  SCHELLERMAN.  HANS  LVPKE 
VAN  WEGEN   außerdem  das  Baujahr  ANNO  •  DOMINI  •  1593. 

Den  ehemaligen  Eingang  des  Schusteramtshauses  bezeichnet  noch 
heute  ein  Sturzbalken  am  Klostergange,  der  zu  Seiten  des  Schuster- 
wappens und  der  Jahreszahl  1639  den  Spruch  trägt: 
2Ber  ©ott  in  ratb  urtb  ©laubcn  traut  /  l\nt>  nicht  auf  funb  unb  laftcr  bau>t  / 
S>cn  left  ©ott  cnblicb  nicht  in  notb  /  noä)  feinen  6af)tncn  fuebett  23root  / 
(nach  Psalm  37,  Vers  25  und  28.  Abb.  bei  Redecker,  s.  H.  G.  1905,  S.  438. 
Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1871,  S.  149.   Mithoff,  Kdm.  I,  S.  86). 

1821  ist  das  alte  Innungshaus  verkauft  und  ein  neuerworbenes  am 
Johanneshofe  bezogen.  1825  vereinigten  sich  die  beiden  Schuhmacher- 
gilden der  Alt-  und  Neustadt.  Die  Organisation  blieb  auch  nach  Ein- 
führung der  Gewerbefreiheit  1869  bestehen.  Als  Ausdruck  ihrer  Be- 
deutung ließ  die  Innung  das  alte  Gehrhaus  im  Klostergange  renovieren. 

Klub-  und  Gesellschaftshäuser. 

Wie  Spilcker  angibt,  geschah  die  erste  Klubgründung  in  Hannover 
im  Jahre  1752.  Die  seitdem  ins  Leben  getretenen  zahlreichen  Klubs 
pflegten  in  den  namhaften  Gasthäusern,  wie  der  Neuen  Schänke,  der 
Londonschänke,  Vaux  Hall,  Ballhof  usw.,  zu  tagen  oder  auch  in  anderen 
Wirtslokalen,  wo  sie  Mietsräume  besaßen  (über  das  Gesellschafts-  und 
Geistesleben  der  Zeit  s.  Spilcker,  S.  560,  ferner  Gunkel  „Zweihundert 
Jahre  Rechtsleben  in  Hannover",   S.   174). 

Der  Alte  Billardklub,  dem  vorzugsweise  der  Adel,  das  Militär  und  die  alter  billard- 
höheren    Staatsdiener    angehörten,    benutzte    ein    dem    Gastwirt    Goette  KLUB 
abgemietetes  Haus  an  der  Friedrichstraße  (katastriert  sub.  Nr.  739  zur 
Leinstraße),    das    durch    die    Schapersche    Kopie    eines    älteren    Abbildes 
überliefert  ist  (Stadtarchiv,  Mappe  34,  Bl.  13).    Das  Haus  war  1800  schon  Abb.  467 
vorhanden  und  wurde   1828  vom  Hofmarschall   Georg  von  Wangenheim 
angekauft,  der  es  abbrechen  ließ,  um  sein  Palais  dort  aufzuführen.    Es 

657 


Gasthäuser,  Gildenhäuser,  Klubhäuser 

war  ein  bemerkenswerter  vierachsiger  Bau  auf  rechteckigem  Grundriß 
von  nur  einem  Geschoß  in  streng  klassizistischen  Formen.  Die  Treppe 
lag  an  der  Seite  des  Mühlenplatzes  eingebaut  unter  einem  hohen  Por- 
tikus. Den  Akten  nach  (Cumberl.  Verm.-Verw.  XI.  Hofbausachen  Conv.  I, 
Nr.  73g)  scheint  1821  der  Plan  bestanden  zu  haben,  das  Klubhaus  mit 
Portikus    und   Freitreppe    nach    dem   Himmelreiche    hin    zu    vergrößern. 


Abb.  407.  Hannover;  Klubhaus  am  Friedrichswalle,  abgebrochen  1828. 
Aquarell  von  Schaper  nach  älterem  Original,  Stadtarchiv. 

Börse  Zur  Förderung  des  Handels  hatte  sich  im  Jahre  1785  ein  eigenes 
Kommerz-Kollegium  gebildet  und  eine  Börse  ins  Leben  gerufen  (s.  darüber 
Brönnenberg,  a.  a.  ().,  S.  81).  Die  Handelsinnung  erwarb  1814  das  der 
Gräfl.  Hardenbergschen  Familie  gehörige  Haus  an  der  Ecke  der  Oster- 
und  Seilwinderstraße,  ein  zweigeschossiges,  massives,  im  Anfange  des 
Abb.  los  18.  Jahrhunderts  erbautes  Haus,  in  dem  ein  Saal  war. 

Gemälde  Wie  Spilcker  mitteilt,  waren  in  diesem  Saale  zwei  allegorische  Gemälde 
von  Bamberg  „aufgestellt",  die  Kindheit  des  Handels  und  den  Triumph 
des  Handels  darstellend  (s.  a.  a.  0.,  S.  497.  Die  dort  gegebenen  Beschrei- 
bungen der  Bilder  stammen  von  Bamberg  selbst).  Die  Bilder  sind  verschollen. 

658 


Börse 


Im  Jahre  1858  entstand  ein  Hinteranbau,  in  dem  zwei  große  Säle 
durch  C.  W.  Hase  geschaffen  wurden,  von  deren  Dekoration  noch  Teile 
in  dem  heutigen  Warenhause,  Seilwinderstraße  4/5,  erhalten  sind.  1875 
wurde  das  Vorderhaus  an  der  Osterstraße  verkauft  und  später  abgerissen. 


r^™*"" 


Abb.  IfiX.    Hannover;    Gräflich  v.  Hardenbergsches    Haus,    Osterstraße  1(>,   später    Börse,  abgebrochen 
um  1890     Druckstock  H.  G.,  1926. 

Die  Klubs  Harmonie  und  Ressource,  zwei  zahlreiche,  aus  bürgerlichen  Harmonie  und 
Familien   und   dem  wohlhabenden  Mittelstande  bestehende,  geschlossene  RESSOURCE 
Gesellschaften,    die    nach   den    Freiheitskriegen   emporblühten,   bedienten 
sich    zu    ihren    geselligen    Unterhaltungen    eines    Wirtslokales    in    Remys 
Hof  auf  der  Neustadt.    Der  Saal  der  Harmonie  beherbergte  ein  Gemälde  Gemälde 
von    Ramberg:    „Die    alten    Philosophen    schauen    dem   Tanze    der    Gra- 
zien zu". 


659 


Gasthäuser,  Gesellschaftshäuser,  Klubhäuser 

museumsklub  Der  Museumsklub,  aus  einer  1799  gegründeten  Lesegesellschaft, 
welche  eine  Bibliothek  und  ein  Museum  hielt,  nach  den  Freiheitskriegen 
hervorgegangen  (Hausmann,  Erinnerungen,  S.  1CKS),  erwarb  1838  das 
einstige  Haus  der  Gräfin  Yarmouth  an  der  Leinstraße.  Über  dieses  und 
die  miterworbene  Ausstattung  desselben  s.  ,, Gesandtenhaus". 


schützenhaus  Das  Schützenwesen  Hannovers  als  Bestandteil  des  Stadtverteidigungs- 
wesens überhaupt,  geht  in  die  Anfänge  der  Stadt  zurück.  Schon  1397 
findet  sich  im  Kämmereiregister  die  Verzeichnung  einer  Ausgabe  an  Bier 
für  die  Schützen,  welche  den  „Papagoien"  schössen.  Nach  der  Zerstörung 
der  Burg  Lauenrode  stand  der  Papagoienbaum  auf  deren  Ruinen.  Noch  1609 
hielten  hier  die  Schützen  Schießübungen  mit  der  Armbrust  ab  (Näheres 
über  das  hannoversche  Schützenwesen  hat  Jugler,  S.  52  f.,  zusammen- 
getragen). 

Angeblich  wurde  von  Herzog  Erich  d.  Alt.  das  von  seinen  Vorfahren 
der  Stadt  Hannover  im  Jahre  1529  erteilte  Privileg,  „einen  Schützenhof  zu 
halten",  im  Jahre  1574  bestätigt.  Daraufhin  wurde  im  gleichen  Jahre  aus 
städtischen  Mitteln  vor  dem  Steintore  in  unmittelbarer  Nähe  des  St.  Ni- 
colaihospitals ein  Schützenhaus  erbaut.  Die  Festlichkeiten  der  Schützen 
wurden   aber   nicht  hier,   sondern  auf  dem  Brauer-Gildehause  begangen. 

Seit  der  Kurfürst  Ernst  August  1696  die  gewöhnlichen  Bürgerwachen 
in  den  Stadttoren  abgeschafft  hatte,  verlor  die  Bürgerbewaffnung  ihre 
letzte  Bedeutung,  und  mehr  und  mehr  gewannen  die  Veranstaltungen  der 
Schützen  den  Charakter  der  reinen  Lustbarkeit,  an  der  die  Bürgerschaft 
bis  heute  eine  unveränderte  Anhänglichkeit  hegt. 

Der  Plan,  ein  neues  Schützenhaus  zu  bauen,  wurde  1794  dem  Magistrat 
vorgelegt,  ist  aber  trotz  des  empfehlenden  Berichtes  des  mit  der  Begut- 


A.bb.  400.     Hannover;  Schützenhaus  in  der  Ohe.     Phot.  1895. 


660 


Schützenhaus 

achtung  betrauten  Cammerarius  (s.  Jugler,   S.  75)  nicht  zur  Ausführung 
gekommen. 

Das  Schützenhaus  am  heutigen  Klagesmarkte,  wie  es  im  18.  Jahr- 
hundert beschaffen  war,  ist  im  Corpus  bonorum  von  1720  beschrieben 
(H.  G.  1917,  S.  138).  Es  gehörten  mehrere  kleinere  Gebäude  dazu;  das 
eigentliche  Haus  war  zweigeschossig  aus  Fachwerk  erbaut.  Im  Ober- 
geschoß lag  der  große  Schützensaal  mit  den  Gewehrschränken  und 
-börtern.  Im  Hofe  standen  Tische  und  Bänke.  Eine  Abbildung  auf 
einem  alten  Schützenbrett  von  Jahre  1653  erwähnt  Jugler  (S.  60,  Anm.). 
Eine  andere  Abbildung,  die  einen  Jahrmarkt  auf  dem  Klagesmarkte  zu 
Anfang  des  19.  Jahrhunderts  darstellt,  bewahrt  das  Stadtarchiv  auf. 

Die  Lage  des  alten  Schützenhauses  wird  durch  den  heutigen  Gasthof 
„Zur  Stadt  Petersburg"  bezeichnet.  Am  Ende  des  Klagesmarktes  er- 
hoben sich  drei  Scheibenberge,  nach  denen  mit  den  Standbüchsen  auf 
350  Schritt,  mit  gezogenen  Gewehren  freihändig  auf  150  Schritt  ge- 
schossen wurde  (Hausmann,   Erinnerungen,   S.  24). 

Die  Absicht,  ein  neues  Schützenhaus,  und  zwar  in  der  Ohe  zu  bauen, 
trat  1818  wiederum  auf.  Schon  ehemals  hatte  die  Altstädter  Bürger- 
schaft in  der  Ohe  vor  dem  späteren  Neuen  Tore  ihr  Freischießen  abge- 
halten. Der  Stadtdirektor  Rumann  führte  1826  den  Plan  aus,  als  nach 
der  Vereinigung  der  Neustadt  mit  der  Altstadt  das  Schützenhaus  beim 
St.  Nicolaistift  zu  klein  geworden  war.  Am  15.  Juli  1826  konnten  die 
vereinigten  Städte  die  Einweihung  des  neuen  Schützenhauses  mit  dem 
Freischießen  begehen. 

Einige  von  Laves  herrührenden  Pläne  der  Anlage  befinden  sich  im 
Stadtarchiv.  Die  den  Zuweg  zum  Schützenhause  bildende  Allee  war 
von  Laves  im  Zusammenhange  mit  dem  Projekte  der  Platzanlage  für  das 
Waterloomonument  geplant.  Das  Hauptgebäude  des  Schützenhofes 
und  seine  Nebenbauten  bilden  eine  dreiteilige  symmetrische  Gruppe.  Abb.  469 
Der  Mittelbau,  welcher  im  Obergeschoß  den  queraxial  angeordneten 
Festsaal  birgt,  ist  durch  ein  fünfachsiges  Risalit  ausgezeichnet,  welches 
im  rustizicrten  Sockelgeschoß  in  rundbogigen  Portalen,  im  Hauptgeschoß 
in  einer  Säulenstellung  von  sechs  jonischen  Säulen  mit  zwischengesetzten, 
rechteckig  umrahmten  Fenstern  sich  öffnet  und  durch  einen  flachen, 
mit  dem  königlichen  Wappen  im  Felde  geschmückten  Dreiecksgiebel 
abgeschlossen  ist.  Die  Grundrißaufteilung  zeigt  im  Erdgeschoß  eine 
geräumige  Vorhalle,  rechts  und  links  je  eine  breite  Treppe,  geradeaus 
das  Deputiertenzimmer,  rechts  Gaststuben,  ergänzt  durch  Hilfssäle, 
links  Küche  und  Pächterwohnung.  Das  Obergeschoß  enthält  außer  dem 
Festsaale  beiderseits  des  Treppenhauses  Kleiderablagen  und  Schank- 
räume.  Die  beiden  eingeschossigen  Nebengebäude  sind  durch  rustizierte 
Terrassen  dem  Haupthause  angegliedert.   Lauben,  Hallen,  Schießschuppen 

661 


Gasthäuser.  Gildenhäuser,  Klubhäuser 

ergänzen    die    Anlage.     Als    Abbildung    sei    auf    Rambergs    aquarellierte 
Zeichnung  hingewiesen. 

Bildnisse  In  den  Sälen  des  Schützenhauses  waren  nach  Brönnenberg,  S.  77, 
die  Bildnisse  der  vier  „letztverstorbenen  Landesherren,  des  jetzt  (1830) 
regierenden  Königs  und  Vizekönigs"  aufgestellt.    (Jetzt  in  der  Stadthalle.) 

willkommen  Der  bei  der  Kollation  zum  Ehrentrunk  benutzte  „Willkommen" 
ist  ein  1665  gestifteter  Kelch  aus  Silber,  innen  ganz,  außen  teilweise 
vergoldet.  Verfertiger  war  Meister  Heinrich  Sädeler  aus  Hannover  (über 
die  Anschaffung  s.  Jugler,  a.  a.  0.,  S.  73.  Daselbst  auch  die  Inschriften). 
Höhe  des  Kelches  fast  2  Fuß.  Oberfläche  bedeckt  von  den  Namen  und 
Wappen  früherer  „Schaffer".  Inschriften  auf  und  im  Deckel,  am  Bauche 
und  am  Fuße.  Die  Deckenbekrönung  bildet  die  Figur  eines  Gewappneten, 
der  in  der  Rechten  eine  Fahne  hält,  während  die  Linke  sich  auf  einen 
Schild  stützt,  gefertigt  aus  einem  Speziesthaler  von  1665.  Der  Meister- 
name ergibt  sich  aus  den  Aufzeichnungen  der  Gilde. 


662 


Gesundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten. 


Mittelalterliche  Badestuben. 

Die  künstlichen  Bäder  im  Mittelalter  waren  Schwitzbäder,  die  ur- 
sprünglich durch  heiße  Luft,  nach  dem  12.  Jahrhundert  durch  Wasser- 
dampf wirkten.  Der  Dampf  wurde  dabei  durch  Begießen  erhitzter  Steine 
mit  Wasser  erzeugt.  Die  Badestuben  wurden  in  Hannover  gegen  einen 
Zins  an  städtische  Bader  verpachtet. 

Hannover  hatte  zwei,  unter  Aufsicht  des  Bates  stehende,  öffentliche 
Badestuben:  eine  ältere  an  der  Osterstraße,  1389  angelegt,  eine  andere 
an  der  Leinstraße.  Für  den  Bau  dieser  „stadtstoue  geheten  de  nyge 
stoue  an  der  Leynstrate"  stiftete  Richard  von  Linden  1393  100  Mark 
lübische  Pfennige,  damit  auch  notdürftige  Leute  -  -  ausgenommen  Aus- 
sätzige -  in  der  neuen  Badestube  ein  Bad  „in  de  ere  Godes"  genießen 
könnten.  Das  Freibad  wurde  zweimal  im  Jahre  in  der  Kirche  St.  Jürgen 
und  bei  den  Barfüßern  vom  Predigtstuhle  aus  verkündet  und  galt  als 
geistliche  Handlung. 

Die  Leynstove  war  1463  von  denen  von  dem  Steinhause  erworben  Lcinstove 
und  baulich  erneuert  worden.  Auf  dem  Stadtplan  bei  Grupen  (Origines, 
S.  274)  wird  sie  auf  der  Insel  angegeben;  die  zu  ihr  führende  Straße, 
der  Stovenweg,  ist  die  spätere  Rademacherstraße.  Das  Haus  am  Holz- 
markt, das  Redecker  (Chronik,  S.  304)  abbildet,  und  in  dem  nach  seiner 
Meinung  die  „Schwestern  vom  Bade"  wohnten,  kommt  als  Leinstove 
sicher  nicht  in  Betracht  (vgl.  darüber  H.   G.   1926,   S.  66). 

Von  der  Osterstove  sagt  Bedecker  (S.  376):  „1479  ward  das  Seelenbad  osterstove 
auf  der  Osterstraße,  die  Neue  Stove,  item  die  Osterstove  genannt,  Heinrich 
Trümpern  auf  fünf  Jahre  für  2  Pfund  und  daß  er  die  Kieserlinge  im  Ofen 
stehen  sollte,  eingetan."  Er  läßt  dann  eine  Abbildung  des  Hauses  folgen, 
„welches  eine  in  der  Riege  der  Ostseite  selbiger  Straße  stehende  Bad- 
stube ist  und  dein  Bader  Haasen  zugehöret"  und  fügt  hinzu:  „Der  von 
Holz  und  Steinen  gebauete  Theil  scheinet  vorzeiten  nicht  dazugehöret 
zu  haben,  sondern  ein  Acquisitum  zu  seyn."    Vom  Äußern  des  Hauses 

663 


Gesundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten 

bestellt  auch  von  Mit  hoff  eine  Aufnahme*)  im  Stadtarchive.  Über  die 
innere  Einrichtung  der  beiden  Stoven  sind  wir  indes  nicht  genauer  unter- 
richtet. 

das  rode-  Das  an  der  Köbelingerstraße  15,  Ecke  des  Knappenortes,  belegene 
kloster  Rode-Kloster,  auch  als  das  nyge  closter  (Kämmereiregister  1403  f.), 
ruffum  claustrum  (Lohnregister  1441)  usw.  bezeichnete  Haus  scheint 
1402  erbaut  oder  umgebaut  zu  sein.  Es  war  ein  dem  Rate  gehöriges 
Frauenhaus  und  wird  als  solches  noch  im  Jahre  1531  im  Verlassungs- 
buche  bezeichnet  (vgl.  das  Rode-Kloster  in  Braunschweig  an  der  Echtern- 
straße).  Nach  Einführung  der  Reformation  mußte  der  Rat  unter  dem 
Druck  der  öffentlichen  Meinung  das  Haus  schließen.  Es  ging  1543  als 
Wohnhaus  in  Privatbesitz  über  (vgl.  Grupen,  S.  329,  Hartmann,  S.  281, 
Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1871,  S.  152,  und  1860,  S.  185  ff.). 


römische        Auf  dem  Gelände  des  1842  abgebrochenen  Kornmagazins  wurde  in  den 
schwimm-bade-  ja]iren    1865 — 67   eine   Badehalle   mit    Schwimmbassin   auf  Aktien   nach 

HALLE 

Plänen  des  Architekten  Gersting  erbaut.  Ein  Bau  von  gelben  Ziegeln 
mit  Verwendung  von  Deistersandstein.  Die  Badeanstalt  enthält  zwei 
Schwimmhallen,  Dampf-  und  Römische  Bäder.  Renaissancearchitektur, 
Arkaden  an  der  Vorderfront.  Das  Gebäude  ist  als  Badehalle  gegenwärtig 
nicht  im   Gebrauch. 

russisches        Auf   dem    Gelände   des   zugeschütteten    Stadtgrabens   am   Friedrichs- 
dampfbad,  wape  Wurde  im  März  1829  der  Bau  eines  russischen  Dampfbades  begonnen. 

Friedrichstraße  1  . 

Das  Gebäude  enthielt  einen  Salon,  in  dem  Erfrischungen  gereicht  wurden. 
Die  gärtnerischen  Anlagen  in  der  Nähe  des  Gebäudes  und  die  daselbst 
veranstalteten  Musikaufführungen  waren  für  die  Kurbrunnen  trinkende 
Gesellschaft  Hannovers  von  Anziehungskraft.  Man  nannte  das  Eta- 
blissement „Klein  Pyrmont". 

Das  noch  bestehende  Badehaus  enthielt  beiderseits  des  genannten 
Salons  zwei  „aus  Blockwänden  konstruierte"  Dampfbäder  (Brönnenberg, 
S.  79,  Sievert,  S.  16).  In  zwei  vorspringenden  Flügeln  waren  je  vier 
Gemächer  mit  steinernen  Bädern  angeordnet.  Flügel-  und  Hauptbau 
umrahmten  eine  niedrige  Terrasse  mit  vorgelegten  Stufen.  Die  Archi- 
tektur ist  klassizistisch;  sie  verwendet  Bundbogen,  Dreiecksgiebel  und 
Abb.  470  flache  Pfannendächer  bei  spärlicher  Ornamentik. 

*)  Nach  dieser  ist  die  Zeichnung  auf  Seite  p44i  gefertigt.  —  Über  Bade- 
stuben s.  Mithoff,  Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1871,  S.  131;  Uhlhorn, 
2  Bilder  aus  dem  kirchlichen  Leben  der  Stadt  Hannover,  I.  Das  Mittelalter; 
Joh.  Falke,  Die  Badestuben  im  Mittelalter,  Westermanns  Monatshefte  1861, 
Oktober,  S,  35. 

664 


Altstädter  Stadtlazarett 


Abb.   170.     Hannover;   Hi 


Dampfbad,  Friedrichstraße  1,  1829  begonnen.     Phot.  KHK). 


Krankenhäuser. 

Um  der  Pest  zu  wehren,  die  im  Jahre  1712  aus  Süddeutschland  bis  neues  haus 
zum  Harz  vorgedrungen  war,  ließ  der  Magistrat  1713  auf  Grund  eines  Abgebrochen  1893 
älteren,  schon  vom  Kürfürsten  Ernst  August  1 682  erteilten  und  nun 
erneuerten  Privilegs  weit  vor  der  Stadt  in  der  Eilenriede  am  Schiffgraben 
ein  Pesthaus  erbauen,  das  sogenannte  Neue  Maus.  Da  die  Stadt  von  der 
Plage  verschont  blieb,  wurde  das  Gebäude  als  Lazarett  nicht  einge- 
richtet, sondern  als  Wirthaus  zum  „Güldenen  Löwen"  verpachtet. 

Das  Äußere  des   1<S93  abgebrochenen   Hauses  ist   durch  mehrere  Ab-  Abb.  m 
bildungen  überliefert.    Ein  Aquarell  von  A.Voigt,  1896,  im  Vaterländischen 
Museum.    Über  die  Raumverteilung  berichtet  das  Corpus  bonorum  von 
1720  (H.  G.  1907,  S.  135,  s.  ferner  Sievert,  a.  a.  ().,  S.  105.  und  „Illustrierte 
Rundschau"   1914,   S.  350). 

Das  Neue  Haus  war  zweigeschossig  in  Fachwerk  erbaut  und  hatte  ein 
Mansardendach  mit  Gauben.  An  seine  Stelle  ist  1893/94  ein  massiver 
Neubau  als  städtisches  Kaffeehaus  getreten. 

Hospitale,   deren    Stiftung   nicht   wie  im   Mittelaller  ein   religiöses  Re- altstädter 
dürfnis    des    Stifters    zugrunde    lag,    sondern    die    auf    breilerer,    sozialer  Stadtlazarett 

&  &  Pferdestraße  9 

Grundlage  und  in  Verbindung  mit  einer  gehobenen  ärztlichen  Kunst 
wirken  wollten,  entstanden  in  Hannover  erst  im  LS.  Jahrhundert.  Die 
Landesherrschaft  regte  1720  unter  Hinweis  auf  eine  frühere  Verordnung, 
„um  die  Chirurgie  hiesigen  Ortes  in  guten  Stand  zu  setzen",  die  Erbauung 
eines  herrschaftlichen  Hospitales  an,  auf  einem  Gartengrundstücke  an 
der  Leine  (s.  Anatomieschule),  doch  ist  dieser  Anregung  nicht  sogleich 
stattgegeben. 


665 


Gesundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten 

Ers1  1730  konnte  mit  der  Unterstützung  von  Menschenfreunden 
durch  Vermächtnisse  und  Stiftungen  ein  Lazarett  neben  der  Sommer- 
brücke vollendet  und  am  23.  Mai  1737  eingeweiht  werden,  dessen  Patron 
der  Magistrat  war.  Andere  Anstalten  dieser  Art  gab  es  in  der  Altstadt 
nicht  (Näheres  s.  bei  Spilcker,  S.  392  ff.).  Nach  Vollendung  des  Neuen 
Stadtischen  Krankenhauses  in  Linden  im  .Jahre  1833  wurde  die  Benutzung 


Abb.   171.     Hannover;  Neues  Haus.    Nach  dem  Stich  von  Salzenberg: 
„Am  neuen  Haufe  bey  Hannover". 

aufgegeben.  Das  Stadtlazarett  enthielt  zwei  große  und  drei  kleine  Kran- 
kenstuben; insgesamt  konnten  25  Betten  gestellt  werden.  Im  Erdgeschoß 
wohnte  der  Verwalter;  außerdem  waren  hier  zwei  Bader,  deren  sich  auch 
die  sonstige  Einwohnerschaft  gegen  Entgelt  bedienen  konnte. 

Das  noch  bestehende  Gebäude  ist  ein  dreigeschossiges  Fachwerkhaus 
von  7  Achsen  mit  flachem  Giebel  über  einem  dreiachsigen  Mittelerker 
(dieser  nicht  ursprünglich).  Die  Geschoßteilungen  sind  durch  architrav- 
artige  Schalsimse  verkleidet.  Eine  Ansicht  von  1834  in  den  Baupolizei- 
akten zeigt  eine  korbbogige  Durchfahrt  links,  der  Dacherker  fehlt  noch. 
nelstädter  Für  die  Neustadt  wurde  1802  ein  Haus,  „das  Kleeblatt"  genannt, 
LNZARKTT  zwischen  Clevertor  und  Steintor  außerhalb  der  Stadt  mit  königlicher 
Beihilfe  angekauft.  Die  Einrichtung  zum  Lazarett  kam  nicht  zustande 
(s.  Spilcker,  a.  a.  0.,   S.  395). 

neueskranken-        Für  das  nach  den  Plänen  des  Stadtbaumeisters  Andreae  auszuführende 
IIAl.,s.^^,ÜTAL?JT  Neue  Krankenhaus  der  Stadt  Hannover  war  in  dem  gartenreichen  Linden 

HANNOVER  IN  ° 

linden,  ein   Bauplatz   zwischen    der    Ihme    und    der   Bicklinger    Straße   gewählt, 
nickiinger  straße  62  Das   Gebäude   war  im   November   1830  unter  Dach  gebracht:   hufeisen- 

666 


Ratsapotheke 

förmige,  zweigeschossige  Anlage  in  Florentiner  Palazzoformen;  Südflügel 
für  medizinische,  Nordflügel  für  chirurgische  Kranke  vorgesehen.  Im 
Mittelbau  Küche,  Speisekammer,  Vorratskammer  für  die  Apotheke, 
Dienstwohnung  und  Diensträume  des  Verwalters,  Vestibül  und  Treppen- 
haus (Näheres  s.  Brönnenberg,  S.  59).  Das  Gebäude  ist  1856 — 58  um  ein 
Geschoß  und  einen  Kniestock  erhöht  worden  (Pläne  im   Stadtbauamt). 

Die  Königin  Marie  stiftete  1859  zum  Gedächtnis  an  ihre  Großmutter,  henrietten- 
die  Herzogin  Henriette  von  Württemberg,  die  nach  dieser  Henriettenstift  STIFT 
genannte  Krankenanstalt,  verbunden  mit  einer  Bildungsstätte  für  evan- 
gelisch-lutherische Diakonissinnen.  Der  vom  Hofbaumeister  Tramm 
stammende  Entwurf  der  Anstalt  wurde  1860  ausgeführt.  Später  ist  die 
Anlage  wiederholt  erweitert  worden,  insbesondere  1886  durch  den  Anbau 
einer  Kirche. 

Das  Gebäude  des  Henriettenstiftes  ist  aus  gelben  Ziegeln  mit  geputzten 
Lisenen  in  romanischen   Stilformen  ausgeführt. 

Der  die  Ratsapotheke  enthaltende,  1842  abgebrochene  Apothekenflügel  ratsapotheke 
des  Rathauses  ist  im  Zusammenhange  mit  diesem  auf  Seite  364  ff.  behandelt. 

Schon  vor  dem  Abbruch  des  Apothekenflügels  ließ  1830  der  Magistrat 
das    gegenüberliegende    Haus    des    Stadtkommandanten,    ein    Fachwerk- 


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Abb.  472.    Hannover;  Patsapotheke,  Köbelingerstraße  4.    Entwurf  von  Andreae,  1829. 


667 


Gesundheit*-  und  Wohlfahrtsanstalten 


Abb.  47: 


gebäude,  durch  Andiene  zur  Ratsapotheke  umbauen.  Die  Front  erhielt 
dabei  rustizierte  Flächen,  in  die  im  Erdgeschoß  Hundbogenfenster,  in 
den  beiden  Obergeschossen  rechteckige  Lichtöffnungen  eingeschnitten 
waren.  Davon  waren  diejenigen  der  Beletage  mit  waagerechter  Sims- 
verdachung  versehen.  Das  Gebäude  ist  1890  abgebrochen.  Neben  der 
Mitteleinfahrt  standen  auf  beiderseits  vorgekröpften,  bis  zum  ersten 
Obergeschoß  reichenden  Vorlagen  die  Skulpturen  des  Äskulap  und  der 
Hygieia,  Werke  des  Hofbildhauers  Bernhard  Wessel.  Die  Figuren  sind 
an  der  neuen  Batsapotheke,   Grupenstraße  9,  wieder  aufgestellt. 


Ratskloster  und  Sodensches  Kloster. 

geschichtk  Die  beiden  nach  der  Beformation  ins  Leben  gerufenen  Stiftungen 
des  Batsklosters  und  des  Sodenschen  Klosters  waren  Armenhäuser. 
Das  Batskloster  oder  Alte  Kloster  hatte  der  Bat  in  dem  verlassenen 
Minoritenkloster   mit    Hilfe    des    Vermächtnisses    der   beiden  Schwestern 


Abb.    17:!.     Hannover;     Soden-   oder  Neues    Kloster,    Klostergang    .'i,    mit    Tafeln    des    Aktüonbiunnens 
über  der  Tür.     Um  1870. 


668 


Ratskloster  und  Sodensches  Kloster 


Romeis  (über  deren  Wandmal  an  der  Marktkirche  s.  vorn  S.  102)  im  Jahre 
1551  als  Hospitium  für  alte  Frauen  eingerichtet.  Das  Sodensche  Kloster, 
eine  Stiftung  des  Moritz  v.  Soden  aus  dem  Jahre  1587,  bestimmt  für 
neun  arme  Männer  und  ebensoviel  arme  Frauen,  lag  ebenfalls  auf  dem 
Grund  und  Boden  des  Minoritenklosters  hinter  der  Klosterkirche. 

Bei  der  Errichtung  des  landesherrlichen  Palatiums  mußten  die  beiden 
Hospitien  1637  hinweggeräumt  werden.  Das  Ratskloster  wurde  dann  auf 
Kämmereikosten  ganz  neu  aufgebaut;  das  Sodensche  Kloster  aus  dem 
Fachwerk  des  bisher  von  ihm  benutzt  gewesenen  Gebäudes  wieder- 
errichtet, und  zwar  erhielten  beide  nebeneinander  ihren  Platz  an  dem  Abb.  473  u.  474 
Wächtergange  zwischen  dem  Leintorzwinger  und  dem  Beginenturm 
außerhalb  der  Stadtmauer  am  Leineufer,  wo  die  dort  verlaufende  Streich- 
mauer den   Gebäuden  als  Fundament  für  die  Rückseite  dienen  konnte. 


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Abb.  171.    Hannover;  Ratskloster  und  Sodenklostor  im  Klostergang.    Grundrißzeichnung.    Stadtbauamt. 

Das  Untergeschoß  des  Ratsklosters  wurde  später  als  Stadtmünze 
verwandt  (Redecker,  Chronik  S.  481,  H.  G.  1906,  S.  210);  es  geschah 
das  bis  zum  Jahre  1675*). 

Die  beiden  Hospitien  sind  1908  in  das  an  der  Schwesternhausstraße  10 
neu  erbaute  Schwesternhaus  verlegt.  Die  alten  Gebäude  dienen  heute  zu 
Wohnzwecken.   Bei  Redecker  (a.  a.  O.)  findet  sich  eine  Zeichnung  beider. 


*)  In  den  Räumen  der  Münze   waren   die   Reliefplatten  des   Pipenborns  zum 
Teil  niedergelegt  worden,  die  1927  wieder  aufgefunden  wurden. 


669 


Gesundheit«-  und  Wohlfahrtsanstalten 

Beschreibung  Die  Fachwerkgebäude  des  Rats-  und  Sodenschen  Klosters  am  Kloster- 
gange bilden  heute  eine  zweigeschossige  Front  von  23  Gefachen.  Nur 
die  Traute  ist  auf  Konsolen  vorgekragt,  und  zwar  die  des  1637  oder  1638 
ganz  neu  errichteten  Ratsklosters  auf  S-Konsolen;  die  des  Sodenschen 
Klosters  auf  Konsolen  gotischer  Form.  Die  Setzschwelle  des  Ober- 
Abb.  475  geschosses  ist  nur  beim  Ratskloster  mit  gotisierender  Ranke  in  Schnitz- 
arbeit geschmückt.  Der  bei  Mithoff  erwähnte  Türsturz  am  Sodenschen 
Kloster  von  Eselsrückenform  mit  Wappen  in  den  Zwickeln  ist  nicht  mehr 
vorhanden. 


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Abb.  475.     Hannover;  Fries  am  Ratskloster,  Klostergang  1/2.     Gez.  D.,  1926. 


Altar         Im    Sodenschen    Kloster    war  nach   der   Reformation   der  Altar    aus 
der  Minoritenkirche   aufgestellt.     S.  über  ihn   S.  219. 

Krmifixus        Ein  Kruzifixus,  Eichenholz,  Höhe  des  Korpus  51  cm,    jetzt  im  Pro- 
Abb.  476  vinzialmuseum.    2.  Viertel   des    15.  Jahrhunderts.     Reste   von   Bemalung 
auf  Kreidegrund. 

Inschrift  Die  über  der  Tür  des  Sodenschen  Klosters  ehemals  angebracht  ge- 
wesene, jetzt  im  neuen  Sodenkloster  befindliche,  in  Holz  erhöht  ge- 
schnittene Inschrift  (vgl.  Mithoff,  Kdm.   S.  82)  lautet: 

MAVRITIUS  DE   SODE  CANONICVS 

ECCLESIAE   SANCTAE  CRUZ  IS  ET 

PRAEPOSITVS  DIVAE  MARIAE  MAGDA- 

LENAE   IN  URBE  HILDE SIANA 

HAS    AEDES    PRO    PAVPARIBVS  ET   /   EGENIS   EN   CENSIBVS    SUIS 

ANNVIS  EXTBVXIT.  ANNO.  A.  CHRISTO 

NATO.  M:  D:  LXXXVII 

Der  Sturzbalken  der  Tür  des  Sodenschen  Klosters  hat  zwischen  den 
Wappen,  links  der  von  Sode,  rechts  des  Geschlechtes  Kruedener  (nach 
Mithoff  ebenda)  die  Inschrift  getragen: 

670 


Ratskloster  und   Sodensches  Kloster 


HER  MORITZ  VOM   SODE  HIR   GEBORN 

VF  DISSEN  PLATZ  DARZV  ERKOREN 

ERBAWTE   SYCHEN  HOSPITAL 

DIE  ARMEN  DANCKEN   IM  ALZVMAL 


(vgl.  Redecker,  Chronik,   S.  534). 


Abb.  47C>.     Hannover;    Kruzifixus  aus  dem  Sodenschen  Stift,  jetzt  im 
Provinzialmuseum.  Höhe  der  Figur  51  cm. 


Am  Sodenschen  Kloster  zeigen  Redeckers  Abbildung  (H.  G.  1906,  steinreiiefs 
S.  211)  und  ältere  Photographien  in  den  Brüstungsfächern  über  der  Tür 
beiderseits  der  vorhin  erwähnten  Inschrift  zwei  Reliefplatten  aus  Stein;  Abb.  473 
Mithoff  meldet,  daß  eine  dritte  Platte  verschwunden  sei.  Andere  an  der 
Leineseite  des  Ratsklosters  angebracht  gewesene  Bildsteine  erwähnt 
Redecker.  Auch  sie  sind  nachmals  verschollen  gewesen.  Sechs  Platten 
wurden  bis  1927  wiedergefunden  und  als  zum  alten  Marktbrunnen  von 
1521  gehörig  von  dem  Finder,  Dr.  Leonhardt,  erkannt  und  durch  den 
zuletzt  aufgefundenen  Eckpfeiler  mit  dieser  Jahreszahl  bestätigt.  Sie 
werden  jetzt  im  Leibnizhause  aufbewahrt  (s.   Piepenborn,   S.   731). 

671 


(resundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten 

Armen-  und  Waisenhaus. 

Seit  dem  17.  Jahrhundert  verwaltete  ein  Armenkollegium  das  Armen- 
wesen der  Stadt,  die  zu  diesem  Behüte  in  92  Distrikte  geteilt  war,  durch 
Pfleger  und  Armenvögte.  Um  dem  Übel  vorzubeugen,  soweit  die  Schuld 
an  der  Verarmung  durch  mangelnde  Erziehung  bedingt  sein  konnte, 
stiftete  Johann  Duve  und  seine  Frau  1642  ein  Armen-  und  Waisenhaus 
vor  dem  Steintore  und  stattete  es  vollständig  aus.  Die  von  Duve  gestiftete 
sogenannte  Herberge  des  Herrn  war  bestimmt,  30  Knaben,  30  Mädchen 
und  40  alten,  lahmen,  blinden  und  elenden  Personen  ganz  umsonst  und 
um  Gottes  willen  Wohnung,  Essen  und  Pflege  zu  geben.  Dazu  sollte  ein 
regelmäßiger  wöchentlicher  Gottesdienst  abgehalten  werden. 

Die  Anstalt  wurde  nach  Redecker  am  3.  Oktober  1643  eingeweiht 
(s.  H.  G.  1903,  S.  49 — 51).  Redecker  überliefert  außer  näheren  Angaben 
über  die  Stiftung  auch  eine  Handzeichnung  des  Armen-  und  Waisenhauses, 


Abb.  477.     Hannover;  das  Armen-  und  Waisenhaus  vom  Steintorwalle  aus. 
Nach   Redecker,  Chron.  S.  631,  umgezeichnet. 


Abb.  477  gesehen  vom  Steintorwalle  aus,  etwa  um  1720  samt  einem  Grundriß  der 
ganzen  Anlage  (s.  H.  G.  1906,  S.  213,  216  und  217).  Diese  dehnte  sich 
danach  fast  unmittelbar  vom  mittelalterlichen  Steintorturme  nach  Westen 
vor  der  Stadtmauer  aus  und  bezog  die  beiden  nächsten  Stadtmauertürme 

mit  in  sich  ein.  Nordwärts 
war  sie  durch  eine  Stein- 
mauer umfriedigt,  welche  Hof 
und  Gärten  einschloß.  Das 
dreigeschossige  Hauptgebäu- 
de linker  Hand  enthielt  die 
Kirche,  die  längs  der  Stadt- 
mauer eine  Empore  hatte, 
also  durch  mindestens  zwei 
Geschosse    ging.     Unter   der 

Abb.  4/S.    Hannover;  Duvescnes  Armennaus.     hhewappen 

Duve-Koiienrodt,  1642.   von  Ludoit  Witte.  Empore  befanden  sich  Wirt- 


672 


Armen-  und  Waisenhaus 

Schaftsräume.  Als  Gotteshaus  war  das  Gebäude  durch  einen  vier- 
seitigen Dachreiter  mit  offener  Laterne  gekennzeichnet.  In  den  übrigen 
Gebäuden  waren  Wohnungen,  Wirtschafts-  und  Arbeitsgemächer  unter- 
gebracht.    Die   beiden  Mauertürme  dienten  zu  Redeckers   Zeit    als    Ge- 


Abb.  479.  Hannover;  Sandsteinrelief  dos  hl.  Christophorus am Duveschen  Armenhause. 

fängnisse,  denn  es  bestand  damals  im  Anschluß  an  das  Armen-  und  Waisen- 
haus ein  Werk-  und  Zuchthaus.  Über  der  Hauspforte  neben  dem  Steintore 
war  das  Ehewappen  der  Stifter  mit  der  Jahreszahl  1642  angebracht.         Abb.  478 

Dicht  neben  der  Pforte  war  das  Christophorusrelief  in  die  Mauer  ein-  Abb.  479 
gelassen,  das  wie  das  Wappen  und  die   Inschrift  später  an  das  Haus  der 

43  673 


Gesundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten 

London-Schenke,  Neue  Straße  21,  übertragen  worden  ist.  (Über  den  von 
Meister  Ludolf  Witte  signierten  Wappenslein  und  das  Christophorus- 
relief  s.  unten.)  Hartmann  (a.  a.  ().,  S.  275)  erwähnt  noch,  daß  über  dem 
Christophorusrelief  ein  von  Wind  und  Wetter  zerzaustes  Gemälde  sich 
befunden  habe,  das  1766  hatte  repariert  werden  müssen. 


Abb.  ISO.    Hannover;  Duvesches  Armenhaus,  Apostelfiguren  vom  Altar. 
Holz,  H.  =  43  cm.     Phot.  Bleibaum,  1912. 

Bis  zur  Vereinigung  der  Alt-  und  Neustadt  (1.  Dezember  1824)  war 
das  Armen-  und  Waisenhaus  vorzugsweise  für  verarmte  Bürger  und  eben- 
solche Waisenkinder  der  Altstadt  bestimmt.  Dem  durch  die  Verschmelzung 
erweiterten  Zwecke  genügten  jedoch  weder  die  bisher  zur  Verfügung 
stehenden  Mittel,  noch  die  inzwischen  verfallenen  Gebäude  des  Armen- 
hauses. Deshalb  wurde  die  Neustädter  Legatenkasse  der  Anstalt  über- 
wiesen und  mit  Hilfe  von  deren  Kapitalien  die  vormalige  vLondon- 
Schenke"  am  22.  Januar  1825  angekauft,  deren  Gebäude  dem  künftigen 
Zweck  angepaßt  und  das  Armen-  und  Waisenhaus  dorthin  verlegt  (s.  ,, Hotel 
Stadt  London").   Die  feierliche  Einweihung  war  am  4.  Juli  1826.    Im  Jahre 


674 


Armen-  und  Waisenhaus 

1920  ist   die  Anstalt  von   liier  in   ein   neues   Gebäude   nach   Köthenwald 
übergesiedelt. 

Der  in  Redeekers  Grundrißzeichnung  in  der  Kirche  der  Anstalt  an-  Aitar 
gegebene  Kanzelaltar  ist  noch  nicht  der  später  zum  Armen-  und  Waisen- 
haus gehörige  Altar.  Der  seit  1925  im  Leibnizhause  stehende  Altar, 
der  mit  Wahrscheinlichkeit  Johann  Friedrich  Ziesenis  zuzuschreiben 
ist,  hat  eine  Rokokomensa  aus  Lindenholz  mit  kleinem  Aufsatz  in  Giebel-  Abb.  48i 
form,  der  im  wesentlichen  ein  Abendmahlrelief  enthält;  H.  =  1,53, 
Br.  =  1,80  (vgl.  Bleibaum,  a.  a.  ü.,  S.  301).  Auf  den  Seitenstücken 
steht  jederseits  eine  kleine  Apostelfigur,  H.  =  43  cm,  aus  Holz,  deren 
Verfertiger  dem  gleichen  Meister  vermutlich  nicht  ganz  fern  steht.  Abb.  tsu 


Abb.   181.    Hannover;  Duvesches  Armenhaus,  Altar.     I'hot.  Bleibaum,  1911 


Bei  der  Verlegung  des  Duveschen  Armenhauses  in  das  Gebäude  der  christophorus 
London-Schenke,    1824,    wurde   der  ursprünglich   im   alten    Steintorturm 
eingelassen   gewesene   Relicfstein   des   Christophorus   am    Sockel   des   ge- 
nannten Hauses,  rechts  des  Einganges,  eingesetzt. 

Der  Reliefstein,  H.  — -  1,30,  Br.  =  1,00,  Frührenaissance,  deutet  eine 
umrahmte,  flachbogige  Konche  an,  ans  der  die  Figur  des  Christophorus 
stark  erhaben  herausgearbeitet  ist:  blusenartiges  kurzes  Gewand,  Schulter- 
kragen,   zurückgeschlagene    Kapuze,    darin    das    Kind    sitzend,    welches 

675 


Gesundheits-  und  Wohlfahrtsanstalten 

die  Rechte  segnend  emporhält  und  in  der  Linken  die  Weltkugel  tragt. 
Das  Antlitz  des  Christophorus,  von  einem  Vollbart  umrahmt,  ist  nach  dem 
Kinde  hingewandt,  seine  Knie  sind  von  dessen  Schwere  gebeugt;  mit 
beiden  Händen  hält  er  einen  Eichenstab.  Im  Wasser  sind  Schwäne  dar- 
gestellt. Links  am  Ufer  der  Eremit  mit  Rosenkranz,  die  Hände  vors 
Gesicht  haltend,  vor  einem  kuppelgekrönten   Gebäude. 

Wappen  Die  obenerwähnte  Bauinschrift  des  Duveschen  Armenhauses  mit  den 
Wappen  Johann  Daves  und  Elisabeth  Kolvenrotts  von  1642  (behandelt 
bei  Schuchhardt  unter  Nr.  74),  H.  =  0,75,  Br.  =  1,44;  Meister  L.  W. 
=  Ludolf  Witte,  die  ebenfalls  bei  der  Verlegung  des  Armenhauses  hierher 
kam,  ist  im  Treppenhause  Neue  Straße  21   eingelassen: 

16 42 

Johan  Duve,  Gotschalck  Duven  Sohn  und  fein  fraw  /  Eliefabet 
Kolvenrott  Haben  Gott  Zu  Ehren  diefs  /  Armenhaufs  Bawen 
Laffen  und  den  armen  verehrdt. 


676 


Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof. 


Altstädter  Fleischscharren 

(abgebrochen  1842). 

Im  Mittelalter  haben  die  Schuster,  die  Schlachter  und  die  Gewand- 
schneider städtische   Gebäude  zu  ihren  Verkaufsstellen  benutzt. 

Die  Knochenhauergilde  erbaute  1541  der  Inschrift  nach  auf  der  Stätte 
der  1428  abgebrannten  domus  consulum  den  Fleischscharren  („Coldunen- 
borch",  s.  Grupen,  S.  331).  Dieses  an  der  Ecke  der  Damm-  und  Köbelinger- 
straße  gelegene  Haus  wurde  1842  abgebrochen.  Seine  Art  ist  durch 
Zeichnungen  von  Andrae  (wiedergegeben  H.  G.  1914,  S.  106)  und  von  Abb.  482 
Mithoff  (Arch.  Taf.  XXII)  überliefert.  Einzelheiten  bildet  Mithoff,  a.  a.  0., 
im  Text  Seite  15  ab  (s.  auch  H.  G.  1914,  S.  188).  Einige  Originalzeichnun- 
gen Mithoffs  von  weiteren  Einzelheiten  sind  im  Stadtarchive. 

Die  ursprüngliche  Inneneinrichtung  und  Verwendungsart  der  Räum- 
lichkeiten läßt  sich  nicht  mehr  erkennen.  In  späterer  Zeit,  um  1720, 
hatte  die  Diele  als  Fleischhalle  rechts  sieben,  links  neun  Stände  für  die 
Innungsmeister.  Im  Obergeschoß  lag  die  Wohnung  des  Gerichtsschreibers. 
Das  dann  folgende  Geschoß  diente  1712  einem  Braumeister  als  Speicher. 
Der  Dachraum  war  in  drei  Böden  geteilt.  Die  gewölbten  Keller  waren 
1719  teilweise  als  königliches  Gefängnis  vermietet.  Die  Knochenhauer- 
Amtsstube  war  von  der  Dammstraße  aus  zugänglich  (s.  Corpus  bonorum 
von  1720  in  H.   G.   1906,   S.  220). 

Der  Fleischscharren  war  ein  Fachwerk-Giebelhaus  von  drei  Geschossen 
mit  Zwischengeschoß  bei  etwa  12  Gefachen.  Vorkragungen  mit  Krallen- 
konsolen; Schwellenzierat  wahrscheinlich  mit  Ranken.  Der  Eckständer 
trug  in  einer  Renaissancenische  ein  flachgeschnitztes  Bild  (s.  H.  G.  1914, 
S.  188)  der  Justitia  mit  der  Unterschrift  (Minuskeln  mit  Großbuchstaben 
am  Versanfange): 

Gerechticheit  byn  yck  ghenät 

Gyft  vjide  ghall(?)  fynt  my  vnbekant 

Jck  fe  nycht  an  de  perfonen  arm  edder  ryck 

Jck  weghe  dem  keyser  vnde  dem  arme  bur  ghelick. 

677 


Kaufhäuser.  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof 

Eine   andere   Darstellung  einer  weihlichen   Figur  (Obrigkeit)   in   ent- 
sprechender Umrahmung  trug  zur  Unterschrift: 

Goddes  denerine  hy  ick  ghenät 

Der  hilligen  fchrift  gas  wol  bekant. 

De  Ironie  loue  ick  vnde  krönet  fe  myt  eren 

De  holen  ftraffe  ick  myt  dem  fwerde. 


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Abb.  482.    Hannover;  ,,I)ie  Laube  am  Rathause  und  der  alte  Fleischscharren". 
Zeichnung  im  Stadtarchiv.     Signiert:  „14.  Juni  1837  A.  A." 

Mithoffs  Ilandksizzen  im  Stadtarchive  überliefern  noch  ein  Holz- 
schnitzwerk vom  Eckständer,  das  David  und  Goliath  vorstellte  (wieder- 
gegeben in  H.  G.  1914,  S.  148).   Die  Anordnung  der  Bildwerke  war  so,  daß 


678 


Städtisches  Kornmagazin 

auf  jeder  Seite  des  Eckständers  über  einem  unteren  Felde  ein  Spruch- 
schild mit  begleitenden  Gestalten  lag,  überragt  von  den  sinnbildlichen 
Frauengestalten  der  Obrigkeit  und  der  Gerechtigkeit  (Riemer,  H.  G.  1914, 
S.   189). 

Neustädter  Fleischscharren 
(abgebrochen  etwa   1748). 

Die  Lauben  des  kurz  vor  1700  erbauten  Neustädter  Fleischscharrens 
standen  an  der  Stelle  des  heutigen  Landeskirchenamtes  vor  den  Häusern 
der  Roten  Reihe  am  Neustädter  Markt.  Ihr  Aussehen  ist  durch  den 
Stich  in  den  „Freudenbezeugungen"  von  1727  überliefert.  Es  waren  Abb.  r.\~ 
eingeschossige,  an  der  Marktseite  offene  Lauben  aus  Fachwerk  mit  korb- 
bogigen  Rogenöffnungen  und   Satteldach. 


Seite  51'.) 


Kornmagazine 
(abgebrochen   1842). 

Auf  die  Anregung  des  Rürgermeisters  Heiliger  geht  die  Anlage  eines  städtisches 
Städtischen  Kornmagazins  zurück,  als  Lagerstelle  des  von  der  Stadt KORNMA(iAZIN 
zum  eigenen  Gebrauch  erforderlichen  Kornes.  Einen  für  diesen  Zweck 
bestimmten  Speicher  errichtete  die  Stadt  im  Jahre  1795  an  dem  neu- 
angelegten Friedrichswalle  gegenüber  der  Klickmühle.  Die  Roden  des 
riesigen,  vier  Geschosse  hohen  Fachwerkspeiehers  konnten  etwa  15000  bis 
16000  Malter  Korn  fassen;  wenn  sie  für  eigene  Zwecke  nicht  beansprucht 
wurden,  so  vermietete  sie  die  Stadt  anderweitig. 


Abb. 483.     Hannover;   nachmaliger   Friederikenplatz  mit    Schloßbrücke,  Klickmühle,  Kornmagazin   und 

Hoher  Schule,  um  1810.     Nach  Aquarell  im  Stadtarchiv. 

679 


Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof 

Das  Kornmagazin  ist  1842  abgebrochen  zur  Freilegung  des  Platzes 
vor  dem  Schlosse.  Das  Gebäude  nennt  Hausmann  (a.  a.  O.,  S.  38)  „von 
geschmacklosester  Form,  mit  äußerster  Verschwendung  aus  der  Eilenriede 
entnommenen  Holzes".  Eine  Abbildung  um  1810,  die  den  nachmaligen 
Abb.  (83  Friederikenplatz  darstellt,  gewährt  eine  Anschauung  des  Kornmagazins. 
Landes-  Mehrere  Landes-Kornmagazine  waren  als  Sammel-  und  Lagerstätten 
MmNMAGAziN  von  Brotgetreide  und  Saatgut  über  das  ganze  Land  verteilt  und  standen 
unter  Aufsicht  der  Domanialverwaltung.  Auch  in  der  Landeshauptstadt 
war  1713  ein  Landes-Kornmagazin  eingerichtet,  bestimmt,  bei  Teuerung 
und  Ernteausfall  in  den  näherliegenden  Landesbezirken  Getreide  abzu- 
geben. Die  Verkehrserleichterung,  welche  durch  die  Eisenbahn  ge- 
schaffen wurde,  überhob  den  Staat  der  Haltung  solcher  Versorgungs- 
anstalten, die  deshalb  aufgegeben  wurden.  Das  Landes-Kornmagazin 
zu  Hannover  hat  ein  für  seine  Zwecke  besonders  geschaffenes  Gebäude 
nicht  gehabt.  Es  wurde  1819  in  den  zur  Vermietung  freistehenden  Böden 
des    städtischen    Kornmagazins    untergebracht    (vgl.    Spilcker,    S.    370). 

In  seiner  Spätzeit  griff  Dinglinger  -  -  wie  viele  Architekten  seiner 
Zeit  --  zur  Feder;  er  schrieb,  von  seinem  Hauptwerk  über  das  Palais 
an  der  Leinstraße  abgesehen,  eine  theoretische  Abhandlung  über  Korn- 
magazine, 1768:  „Die  beste  Art,  Korn-Magazine  und  Frucht-Böden  an- 
zulegen, auf  welchen  das  Getrayde  niemahl,  weder  vom  weissen  noch 
schwarzen  Wurm,  angestecket  werden  kann.  Eine  Preis-Schrift.  Mit 
in  Kupfer  gestochenen  Bau-Bissen.  Im  Verlag  der  Bichter'schen  Buch- 
handlung in  Hannover,  1768."  Die  5  Tafeln  sind  gestochen  vom  Braun- 
schweiger Architekturstecher  A.  A.  Beck. 

Städtischer  Packhof. 

Zur  Erleichterung  der  Ausfuhr  diente  als  Niederlage  der  steuer- 
baren Waren  der  nach  den  Freiheitskriegen  eingerichtete  städtische 
Packhof.  Als  solchen  benutzte  man  das  bisherige  städtische  Holz-  und 
Torfmagazin,  das  in  der  entfestigten  Norder-Bothfelder  Bastion  lag  und 
ehedem  landesherrliches  Pulvermagazin  gewesen  war.  Der  Packhof 
wurde  1823  durch  ein  geräumiges  Lagerhaus  und  Nebenräume  vergrößert. 
Ein  Plan  der  aus  Fachwerkbauten  bestehenden  Anlage  aus  dem  Jahre 
1846  befindet  sich  im  Stadtarchiv.  Akten  über  den  Packhof  im  Staats- 
archiv. Beg.-Bepert.  der  Königl.  Landdrostei  Hannover,  39.  Bd.  (XXXIX. 
B.);    Spezialakten    Stadt   Hannover,    I.Teil,    S.  249ff.,    1823. 

Nach  Anlegung  des  Eisenbahnhofes  ließ  die  Stadt  durch  Droste 
einen  günstiger  gelegenen  Packhof  mit  Gleisanschluß  in  Nähe  des 
Bahnhofes  an  der  Artilleriestraße  aufführen.  Der  Bau  währte  von 
1862 — 64.   Der  alte  Packhof  wurde  nach  dessen  Fertigstellung  abgebrochen. 

680 


Städtischer  Packhof 

Der    neue,    an    drei    Straßen    belegene   Packhof    umfaßt    eine   Mittel-  Abb.  484 
halle,   die    ursprünglich    für  Woll-,   Leinen-   und    Ledermärkte   bestimmt 
war   und    mit   drei    umlaufenden   Holzgalerien  versehen    ist. 


Abb.  481.     Hannover;  Städtischer  Packhof,    Innenansicht.     Phot.  1900. 


Abb.  485.    Hannover;  Städtischer  Packhof,  Artilleriestraße  24.    Entwurfszeichnung  von  Droste. 


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Die    Fassadenarchitektur,    in    gelben    und    roten    Ziegeln    bei    dekorativ 
verwandtem    Sandstein,   entwickelt   reiche  Portale   mit  Giebelüberbauten  Abb.  485 
im   Rundbogenstil. 

681 


Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof 

Posthof. 

Außer  der  seit  1516  eingerichteten  Turn-  und  Taxisschen  Post  bestanden 
in  vielen  einzelnen  deutschen  Staaten  besondere  Posten.  In  der  Nach- 
barschaft des  Herzogtums  Braunschweig-Lüneburg  hatten  Braunschweig- 
Wolfenbüttel  1641,  Hessen  1642  Postprivilegien  erteilt;  die  damals 
schwedischen   Lande  Bremen- Verden   und   das  kurkölnische  Stift  Hildes- 


Abb.  48ti.     Hannover;    „Plan  des  Hinüberschen  Gartens  vor  dem  Steinthore  zu  Hannover.     Vermessen 
von  dem  Fehndrich  Hagemann,  1778."  Nach  Kopie  des  Originals  in  Prov.-Bibl.,  Mappe  XVII. 


heim  besaßen  um  die  gleiche  Zeit  ihre  Posten.  Der  hildesheimische, 
später  auch  von  Brandenburg  privilegierte  Postmeister  Rütger  Hinüber 
erhielt  am  15.  März  1643  von  Herzog  Christian  Ludwig  die  Genehmigung, 
vor  der  Stadt  Hannover  an  der  Heerstraße  nach  Celle  an  einer  zurVogtei 
Langenhagen  gehörigen  Stelle  ,, unter  St.  Nicolaus  Kirchen,  vor  der 
Türken  Camp  belegen"  ein  „geringes  Posthaus"  zu  erbauen.  Diese  Nieder- 
lassung durfte  der  Stadtverteidigung  nicht  hinderlich  sein  und  mußte 
leicht  entfernt  werden  können.  In  den  nächsten  Jahrzehnten  mehrte 
sich  der  Umfang  des  Unternehmens;  zugleich  wurden  mit  dem  Besitze 

682 


Posthof 

die  Befreiung  von  bürgerlichen  Lasten,  die  Braugerechtsame,  Schmiede- 
freiheit, Hude-  und  Weiderecht,  Zoll-  und  Akzisefreiheit  verbunden. 
Herzog  Johann  Friedrich  gestattete  am  31.  Juli  1672  ,,zu  Beförderung 
des  gemeinnützigen  Postwesens  undt  der  Beisenden  desto  besserer 
accomodität",  ein  größeres  Posthaus  aufzubauen.  Dazu  kam  1689  eine 
ein  Waschhaus  und  einen  Kornboden  umfassende  Schmiede.  Diese 
älteren,  einen  kleinen  Hof  bildenden  Gebäude  sind  größtenteils  an  der 
Celler  Straße  noch  vorhanden. 

Ein  neuer  Abschnitt  in  der  Geschichte  des  Posthofes  beginnt  mit  der 
Übernahme  des  Postwesens  durch  Georg  II.  für  die  Krone  im  Jahre  1735. 
Die  nunmehr  Königlich-Kurfürstliche  Post  ließ  die  bewährten  Einrich- 
tungen bestehen.  Das  Amt  des  Postmeisters  vererbte  sich  durch  Genera- 
tionen vom  Vater  auf  den  Sohn  in  der  in  den  Adelstand  erhobenen  Familie 
von  Hinüber.  Die  wachsende  Ausdehnung  des  Postwesens  machte  die 
Bebauung  des  Grundstückes  an  der  Cellischen  Landstraße  mit  weiteren 
Ställen  für  Pferde  und  Vieh,  Wagenschauern,  Scheunen  für  Korn  und 
Stroh  notwendig;  eine  Anzahl  von  diesen  Gebäuden  steht  noch  heute. 
Wie  der  Bestand  im  Jahre  1751  war,  gibt  ein  Versicherungsvertrag  von 
damals  an  (von  Hinübersches  Familienarchiv).  Dazu  ist  ein  vom  Fähn- 
rich Hagemann  gezeichneter  Plan  des  Posthofes  aus  dem  Jahre  1778 
in  der  Provinzialbibliothek  vorhanden,  der  die  gesamte  Anlage  ver-  Abb.  486 
anschaulicht. 


Abb.  487.     Hannover;   ['osthol,  Herrenhaus. 


Das  Herrenhaus,  zwei   Geschosse  in  Fachwerk,   Satteldach,  zu  Ende  Herrenhaus 
des   17.  Jahrhunderts   erbaut,  zeigt  die   gewöhnliche   Grundrißanordnung  Abb.  487 
der  Landhäuser  mit  Treppenhaus  und  Gartenzimmer  in  der  Mittelachse; 


683 


Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof 


Abb.  488.     Hannover;  Posthof,   Kamin  im  von  Hinüberschen  Hause. 
Aufaen.  u.  gez.  D.,  1924. 


gartenwärts  liegen  einerseits  die  Küche  (Fliesen  und  Rauchfang),  anderer- 
seits ein  Saal.  Der  heute  vorhandene  Ausbau  eines  Teiles  der  Räume 
entstammt  dem  frühen  Rokoko.  Der  Saal  ist  ausgezeichnet  durch  einen 
Kamin  in  Weiß  und  Gold  (Abb.  488),  Tür  mit  gemalter  Supraporte  in  Gold- 
umrahmung, niedrige  Paneele.  Ein  Porzellanofen  aus  der  gleichen  Zeit  —  ein 
Parallelstück  dazu  ist  im  Kestnermuseum  —  findet  sich  ebenda  (Abb.  489). 
Auch    der  straßenwärts  gelegene  Vorraum   hat    Supraporten;    der  Raum 


684 


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Abb.  489.     Hannover;  Ofen  im  von  Hinüberschen  Hause  auf  dem  I'osthofe. 
Bleizeichnung.    D.,  1925. 


685 


Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhol' 

über  dem  Saal  einen  Kamin.  Das  Haus  ist  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
ostwärts  hinter  dem  Saal  durch  einen  absidenartigen  Anbau  in  Fach- 
werk   mit    Mansardendach  erweitert. 

Unter  den  Hofgebäuden  ist  bemerkenswert  wegen  seiner  Abmessungen 
und  technischen  Ausführung  das  Wagenhaus  mit  darüber  angeordnetem 
Futterspeicher  längs  der  Heerstraße,  nordostwärts  des  Wohnhauses. 
Es  entstammt  wahrscheinlich  dem  vierten  Jahrzehnt  des  17.  Jahr- 
hunderts. 

i>ark  Das  einst  recht  große  Gewese  des  Posthofes  ist  seit  dem  Ende  des 
19.  Jahrhunderts  wesentlich  beschnitten  worden.  Ein  großer  Teil  des 
berühmten  Parkes  ist  der  neuzeitlichen  Bebauung  zum  Opfer  gefallen. 
Dieser  Park  gehörte  zu  den  frühesten  im  landschaftlich-romantischen 
Gartenstil  angelegten  Gärten  des  Landes  (Hirschfeld,  Gartenkunst, 
Bd.  V,  S.  197  ff.).  Er  ist  eine  Schöpfung  des  1784  verstorbenen  Kgl. 
Großbritannischen  und  Kurfürstlich  Hannoverschen  Legationsrates  Jobst 
Anton  von  Hinüber,  dem  auch  die  Anlage  des  Klosterparks  zu  Marien- 
werder zuzuschreiben  ist.  Hirschfeld  begeistert  sich  an  der  erstaunlichen 
Mannigfaltigkeit  der  Ansichten  und  der  beständigen  Abänderung  der 
Szenen  auf  einem  so  wenig  ausgebreiteten  Platze.  Die  Anordnung  des 
Parkes  ist  auf  dem  genannten  Plane  zu  erkennen,  doch  bildet  Hirsch- 
felds Beschreibung  eine  willkommene  Auslegung  dazu.  Er  sagt:  Aus- 
ländische, besonders  amerikanische  Sträucher  seien  mit  einheimischen 
Holzarten  wie  auf  einer  Malerei  zu  Wirkungen  durch  lichte  und  dunkle 
Farben  gemischt.  Die  Perspektive  sei  erhöht  durch  dunkle  Hinter 
gründe  und  passend  gewählte  Größenunterschiede  der  Bäume.  Die 
Kirchtürme  Hannovers  und  die  neuen  Baumpflanzungen  der  Wälle 
waren  als  Hintergrund  in  das  Bild  einbezogen.  Beim  Eingange  Jinks 
stand  eine  Kapelle:  davor  die  Statue  eines  Heiligen  mit  Harke  und 
Bischofsstab  -  eine  Anspielung  auf  den  hl.  Paulinus  zu  Nola,  der  sich 
vom  Gärtner  zum  Bischof  erhoben  hatte.  Die  Kapelle,  weinberankt, 
innen  mit  Kupferstichen,  Büsten,  Statuen  nach  Antiken  ausgestattet; 
an  der  Seite  ein  Vogelhaus.  Man  gelangte,  an  einem  Wasser  mit  Brücke 
wandelnd,  zu  Ruinen  in  der  Ecke  des  Gartens.  Eine  hohe  chinesische 
Brücke  umrahmte  einen  besonderen  Durchblick.  Gleich  hinter  der 
Ruine  'ag  eine  kleine  Totenkapelle:  gotisches  Schnitzwerk,  Bilder  der 
Sterblichkeit,  eine  Totenkammer  darin;  die  Ausstattung  nach  katho- 
lischem Brauch.  Eine  Tür  öffnet  sich:  das  Licht  und  die  Schönheit  der 
Schöpfung  strahlt  hervor.  Ferner  ab  fand  sich  ein  chinesisches  Kabinett 
zu  heiterer  Stimmung  bei  geselligen  Vergnügungen. 

Am  Rande  des  Parkes  waren  sanfte  Erhöhungen  mit  Ausblicken   in 
die  Landschaft. 

Das   Wohnhaus    war   in    die    Gartenlandschaft    einbezogen;    im    Vor 
garten  standen  amerikanische  Nadelhölzer. 

686 


Eisenbahnhöf 

Das  Königlich-Kurfürstliche  Postetablissement  „Am  Berge",  seit  1801. 

1800/01  wurden  die  zum  Fürstenhofe  bzw.  Osnabrücker  Hofe  ge- 
hörenden Gebäude,  mit  Ausnahme  des  Hauptwohnhauses,  in  denen  bis 
dahin  die  Hofbauschreiberei  mit  Schuppen  und  Ställen  untergebracht 
war,  zum  Königlich-Kurfürstlichen  Postetablissement  verwendbar  ge- 
macht (Pläne  darüber  im  Staatsarchiv,  Karten,  I.  A.  b.  07  und  68).  Von 
dem  Haupteingange  an  der  Poststraße  gelangte  man  auf  einen  geräumigen 
Hof,  wo  drei  Schalter  und  eine  Wartehalle  aus  Holz  für  die  Reisenden 
eingerichtet  waren.  Die  Ankunft  und  Abfahrt  der  Posten  erfolgte  von 
dem  zweiten  Hofe  an  der  Roten  Reihe.  1851  wurde  das  Postamt  in  ein 
kleines  einstöckiges  Gebäude  an  der  westlichen  Seite  des  Ernst-August- 
Platzes  verlegt.  Da  dieses  sich  für  dvn  zunehmenden  Verkehr  als  nicht 
ausreichend  erwies,  wurde  es  1878  abgerissen  und  statt  seiner  1879—82 
das  gegenwärtig  vorhandene  Postgebäude  errichtet. 

Der  Grundstücksteil  des  Postetablissements  am  Berge  wurde  1861 
der  israelitischen    Gemeinde   zum    Bau   der   neuen    Synagoge   abgetreten. 

In  dem  alten  Postamt  am  Berge  hatte  auch  das  hannoversche  General- 
Postdirektorium  seine  Dienstlokale  gehabt,  welche  1856  von  da  in  das 
frühere  Münzgebäude  am  Friederikenplatze  und  1862  in  ein  Miethaus 
am  Klagesmarkt  verlegt  wurde.  1868  kaufte  man  ein  Haus  an  der  Theater- 
straße für  die  Oberpostdirektion  an. 

Eisenbahnhof 

(abgebrochen   1876). 

Die  Vorgeschichte  der  Eisenbahn  im  Königreiche  Hannover  geht  auf- 
das  Jahr  1831  zurück,  wo  von  englischen  Kapitalisten  die  Anregung 
zur  Gründung  einer  Aktiengesellschaft  gegeben  wurde,  um  eine  Eisen- 
bahn von  Hamburg  nach  Hannover  zu  bauen.  Nach  den  gehörigen  Vor- 
arbeiten errichtete  man  in  Hannover  eine  staatliche  Kommission,  die 
im  April  1842  die  Bewilligung  der  Mittel  für  den  Bau  einer  Eisenbahn 
von  Hannover  bis  zur  braunschweigischen  Grenze  und  von  Celle  nach 
Hildesheini  durchsetzte  mit  dem  Zentralbahnhof  in  Hannover. 

Die  Anlage  des  Bahnhofs  begriff  -  -  abgesehen  von  dem  allgemeinen 
verkehrstechnischen    Gesichtspunkte  besonders    eisenbahntechnische 

und  -  im  heutigen  Sinne  -  städtebauliche  Probleme  in  sich.  Über  die 
Wahl  des  Platzes  im  Gebiete  des  Steintorfeldes  bestanden  kaum  Zweifel. 
Für  die  Form  eines  beim  Neuen  Hause  beginnenden  Endbahnhofes  setzten 
sich  der  der  Kommission  angehörende  Eisenbahntechniker  und  Laves 
als  Architekt  ein.  Dieser  vertrat  mit  Hartnäckigkeit  die  Forderung, 
die  Mitte  des  Bahnhofes  in  eine  Linie  mit  dem  Marktturm  und  der  Water- 
loosäule   und   außerdem   genau    gegenüber   der   stumpfen    Ecke    des    Ge- 

687 


Kaufhäuser,  Lagerhäuser,  Post-  und  Eisenbahnhof 

Abb.  mo  bäudes  der  Militär-Bekleidungskommission  zu  bringen.  Wie  Hausmann 
(Erinnerungen,  S.  181)  schreibt,  kostete  es  Mühe,  eine  Abänderung  dieses 
Planes  zu  erreichen.  Der  Anlage  eines  Durchgangsbahnhofes,  die  nun 
beschlossen  wurde,  legte  man  die  Kopie  eines  Planes  vom  Bahnhofe  zu 
Derby  bei   London  zugrunde. 

Der  Geländeankauf  für  den  Zentralbahnhof  im  Jahre  1844  war  in 
Anbetracht  der  beabsichtigten  Vereinigung  des  Personen-,  Güter-,  Pro- 
dukten-, Rangier-  und  Werkstättenverkehrs  auf  einer  Stelle  knapp 
bemessen.  Als  Empfangsgebäude  hatte  vorläufig  ein  holzverschaltes  Fach- 
werkhaus,   als    Maschinenhalle    ein    Bretterschuppen    gedient.     Der    Bau 


Abb. 490.    Hannover;   die   Bahnhofstraße   vom  Krnst-August-IMatze   ans   gegen    die   stumpfe  Ecke   des 
Gebäudes  der  Militär-Bekleidungskommission  und  den  Marktturm. 


des  Hauptbahnhofes  wurde  1844  in  Angriff  genommen  und  in  drei  Jahren 
zu  Ende  geführt.  Das  Gebäude  war  mit  seiner  Front  gegen  die  zur 
Erschließung  des  Bahnhofgeländes  erst  angelegte  Bahnhofstraße  gerichtet 
und  in  drei  Hauptteile  gruppiert:  einen  dreigeschossigen  Mittelbau  und 
zwei  durch  rundbogige  Pergolen  damit  verbundene  Flügelbauten.  Da- 
hinter erhob  sich  die  Bahnsteighalle,  deren  Ein-  und  Ausfahrt  je  ein 
4'urmpaar  bezeichnete.  Um  die  Architektur  soll  sich  der  Bauinspektor 
Schwarz  verdient  gemacht  haben;  sicher  wird  man  aber  Laves  einigen 
Einfluß  darauf  einräumen  müssen,  der  ja  auch  die  Einbeziehung  des  Mittel- 
baues in  die  Linie  Waterloosäule — Markthalle  durchgesetzt  hatte.  Der 
Abb.  4<)i  Mittelbau  enthielt  im  Erdgeschoß  die  Bahnhofswirtschaft,  in  den  Ober- 
geschossen Verwaltungszimmer,  die  beiden  Flügel  beherbergten  Warte- 
säle für  die   Heisenden  und  Expeditionsräume. 

688 


Eisenbahnhof' 


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Kaufhäuser.  Lagerhäuser,   l'ost-  und  Eisenbahnhof 

Ein  Aufriß,  Grundrisse  sowie  eine  Ansicht  von  der  Stadtseite  in  Stahl- 
stich ans  dem  Jahre  1853  sind  in  der  Bibliothek  des  hist.  Vereins  f.  Nieder- 
sachsen vorhanden  (Mappe  X  der  Kartensammlung,  Großfolio). 

In  städtebaulichem  Betracht  sind  zur  Bahnhofsanlage  folgende  Pläne 
im  Staatsarchiv  zu  nennen  (Karten,  Katalog  B.  G.  7):  vier  Pläne  über 
die  Erweiterung  der  Königlichen  Residenzstadt  Hannover  in  betreff 
der  Anlegung  des  Bahnhofes.  Und  (G.  8)  „Plan  des  Steintorfeldes  und  der 
Kleinen  Bult  mit  der  Erweiterung  der  Königl.  Residenzstadt  Hannover 
und  der  Anlage  des  Zentralbahnhofes.   Gezeichnet  von  H.  Thielen". 

Dem  ungeahnten  Anwachsen  des  Bahnverkehrs  vermochte  der  1844 
eröffnete  Bahnhof  verhältnismäßig  bald  nicht  mehr  zu  entsprechen. 
1876  wurde  er  abgerissen  und  durch  den  heutigen  ersetzt. 


Gebäude  der  Generaldirektion  der  Eisenbahnen  und  Telegraphen. 

Thielenplatz. 

Das  Hauptgebäude  in  der  Mitte  des  Bahnhofes  von  1843  genügte 
zur  Unterbringung  der  Büroräume  für  die  Verwaltung,  solange  das  Eisen- 
bahnnetz eine  Ausdehnung  von  100  Meilen  noch  nicht  überschritt.  Die 
weitere  Vergrößerung  zwang  1860  zur  Aufstellung  von  Plänen  für  ein 
eigenes  Verwaltungsgebäude,  in  dem  die  Geschäftsräume  der  General- 
direktion der  Eisenbahnen  und  Telegraphen  Platz  finden  konnten. 

Der  Bauplatz  an  der  Ecke  der  Königstraße  und  der  Straße  Am  Bahn- 
hofe schrieb  die  Grundrißform  des  Gebäudes  ziemlich  fest  vor.  Die 
Bauausführung  fiel  in  die  Jahre  1861 — 63.  Urheber  der  Pläne  war  Bau- 
inspektor Rasch.  Das  Gebäude  besteht  im  Sockel  und  I.  Geschoß  aus 
Sandstein,  im  übrigen  aus  gelben  gepreßten  Ziegeln;  Simse  und  Säulen 
sind  wieder  aus  Sandstein.  Die  Architektur  ist  in  romanischen  Formen 
durchgebildet;  in  dem  besonders  bemerkenswerten  Treppenhause  ist 
die  Treppe  auf  gußeisernen  Säulen  angeordnet. 


690 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen. 


Die  Anatomische  Schule 
(abgebrochen  1853  bzw.   1877). 

Cinc  Anatomiekammer  wurde  bald  nach  1610  im  Obergeschosse  des 
nach  dein  Brande  des:  Zwingers  wiederhergestellten  Torhauses  des  Agidien- 
tores  eingerichtet  (s.  darüber  S.  60).  Die  auf  der  Alt-  und  Neustadt 
berechtigten  acht  Chirurgen  erhielten  1716  das  Privileg,  ein  anatomisch- 
chirurgisches Kollegium  zu  bilden,  aus  dem  bei  Mitwirkung  tüchtiger 
Ärzte  unter  der  Leitung  des  Stadtphysikus  eine  Lehranstalt  mit  größerem 
Wirkungskreise  hervorging.  1720  wurde  sogar  herrschaftlicherseits  zur 
Förderung  dieser  Anstalt  empfohlen,  ihr  ein  Hospital  anzugliedern,  wo 
die  „manual  operationes"  erlernt  und  die  Chirurgen  ausgebildet  werden 
könnten  (Staatsarch.,  Calenb.  Des.  8,  Altstadt  Hannover,  Nr.  161,  über 
das  Collegium  anatom.  chir.  s.  Jugler,  Repertor.  p.  68.  Spilcker,  a.  a.  0., 
S.  268  ff.). 

Diese  anatomische  Schule  hatte  samt  einem  anatomischen  Museum 
ihre  Unterkunft  im  oberen  Stockwerk  des  Stadizeughauses  auf  der  Wind- 
mühlen- oder  Sparrenbergbastion  gefunden  (Stelle  des  heutigen  Opern- 
hauses). Als  diese  1787  abgetragen  wurde,  erbaute  das  Kollegium  sein 
eigenes  Haus  am  Steintore  beim  Königlichen  Gießhofe  mit  den  Mate- 
rialien des  abgebrochenen  Zeughauses.  Die  Anstalt  wurde  etwa  1828 
zur  chirurgischen  Schule  des  Königreiches  umgewandelt;  der  Zweck 
war,  Ärzte  und  Wundärzte  heranzubilden,  weiche  ohne  eigentliche  ge- 
lehrte Bildung  unter  ärztlicher  Aufsicht  medizinischen  und  chirurgischen 
Beistand  zu  leisten  imstande  waren.  Das  Institut  besaß  eine  Bibliothek. 
Die  Schule  ging  1853  ein;  die  anatomische  Anstalt  siedelte  1877  nach  der 
Lavesstraße26  über,  wo  Wallbrecht  ein  Haus  als  Tauschobjekt  geliefert  halte. 

Das  Anatomiegebäude  von  1787,  von  dem  photographische  Abbil- 
dungen (Stadtarch.,  Kasten  VIII,  Bl.  1)  vorliegen,  war  ein  zweigeschossiger 
Fachwerkbau  von  sieben  Achsen  mit  einem  Walmdach,  über  das  zwei 
mächtige  Kamine  hinausragten.  Dem  mit  Simsverdachung  versehenen 
Mittelporta]  war  eine  Freitreppe  vorgelegt. 

691 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

Tierarzneischule. 

baugeschichte  Zwischen  der  Clevertorbrücke  und  dem  Clevertor  von  1713  stand 
westlich  der  Straße  auf  dem  rechten  Leineufer  das  Garnisonbackhaus 
oder  die  Kommißbäckerei,  die  auch  als  Herrschaftliche  Bäckerei  be- 
zeichnet wird  (vgl.  den  Stadtplan  von  1715).  Dieses  Backhaus  winde  auf 
Grund  der  Wünsche  des  von  Kassel  herberufenen  Oberhofroßarztes 
.Johann  Adolf  Kersting  (Verfügung,  gegeben  zu  Celle  18.  Januar  1778) 
nach  Plänen  von  Mackensen  und  Kört  je,  die  am  29.  April  1778  der  König- 
lichen Kammer  vorgelegt  waren,  zu  einer  Pferdearzneischüle  umgebaut*). 
Der  Wille  des  Kurfürsten  und  Königs  Georg  III.  war:  „Es  sollte  eine 
mit  der  Zeit  auch  auf  die  Lehren  von  der  Curart  anderer  Thiere,  mit- 
hin auf  den  Umfang  einer  Vieh-Arzney-Schule  zu  erstreckende  Roß- 
Arzney-Schule  errichtet  und  unterhalten  werden".  Der  Umbau  kann 
mit  der  Einreichung  der  Schlußabrechnung  am  28.  Oktober  1779  als 
beendet  gelten.    Verausgabt  waren  2019  Rthlr.  35  Mariengroschen  4  Pf. 

Das  Gebäude  von  etwa  quadratischem  Grundriß  enthielt  beiderseits 
eines  Längsganges  mehrere  Räume:  links  Schmiede  und  vier  Stallungen, 
am  nördlichen  Ende  die  Anatomieküche,  rechts  Apotheke,  Hörsaal, 
Museum  und  ein  Zimmer  für  anatomische  Übungen;  im  Obergeschoß 
die  Wohnung  des  Anstaltsleiters. 

Über  eine  Besichtigung  der  Arbeiten  im  Beisein  von  Kersting  am 
28.  Juli  1779  liegt  ein  Bericht  vor  (Cumherl.  Verm.-Verw.,  Rep.  Bd.  IV. 
I.  57  „Tierarzneischule"),  nach  dem  Kersting  den  Vorschlag  macht, 
„den  Hörsaal  zu  besserem  Anstände  für  Fremde  auszuzieren,  derart,  daß 
alles  in  Kolonnen  vertheilet  und  an  der  Wand  nach  der  Leineseite  in  Kalch 
vermalet,  ein  Pferdescelet  nach  den  Regeln  der  Anatomie  vorgestellet, 
auch  auf  der  anderen  Seite  und  über  den  Türen,  die  zur  Roßarzneikunst 
gehörende  Instrumente  und  die  Büsten  der  alten  berühmten  Roßarznei- 
lehrer vorgestellet  würden",  wofür  der  Hofdekorateur  Hunnemann 
60  Rthlr.  zu  haben  verlange.  „Es  ist  ferner  beschlossen,  das  Gebäude 
selbst  von  außen  nach  holländischer  Art  rot  in  Backsteinen  abgeteilet 
und  an  den  Fenstern  mit  Architraven  anstreichen  zu  lassen,  welches 
klafterweise  so  gering  wie  möglich  zu   verdingen " 

Ein  Inventarium  vom  31.  August  1780  nennt  sämtliche  in  der  Tier- 
arzneischule enthaltene   Gegenstände  (ebenda). 

Der  Gedanke,  diese  Lehranstalt  auf  die  Arzneikunde  der  übrigen 
Haustiere  zu  erweitern,  beschäftigt  in  den  Jahren  1781/85  den  Feld- 
marschall und  Oberstallmeister  Grafen  Wallmoden-Gimborn.  Er  wandte 
sich  mit  Fragen  über  die  Einrichtung,  Unterstellung  und  die  Ausdehnung 
einer  Ecole   Veterinaire   nach  Wien   und   Dresden,   wo   solche  Anstalten 


*)  Arch.  d.  Herzogl.  Vermög.-Verw.,    Rep.  4,    Marstalisaehen,    P.   Vieharznei- 
schulensachen. 

692 


Ticrarzneischule 

vor  kurzem  begründet  waren  (Wallmodensches  Fam.-Arch.  IX.  4).  Die 
neue  Schule  wurde  dann  1793  unter  der  Leitung  des  Feldmarschalls 
auf  der  anderen  Seite  der  Straße  zwischen  Clevertorbrücke  und  Clevertor 
erbaut.  Dieses  Gebäude  nannte  man  zum  Unterschiede  von  der  älteren 
die  Neue  Vieharzneyschule:  es  enthielt  mehrere  Hörsäle,  Museumsräume 
und  eine  Apotheke  *). 

Der  fortschreitende  Verfall  des  älteren  Gebäudes,  in  dem  zuletzt 
praktisch  und  theoretisch  Hufbeschlag  gelehrt  wurde,  veranlaßte  1846 
die  Abtretung  des  Grund  und  Bodens  samt  dem  daraufstehenden  Gebäude 
an  die  Stadt,  die  es  bald  abbrechen  ließ.  Die  Beschlagschmiede  errichtete 
man  1817  auf  dem  gegenüberliegenden  Grundstücke  neu.  Wenig  später 
fand  hier  der  Neubau  einer  Anatomie  (l.S  LS  19),  einer  größeren  Opera- 
tionshalle (1850)  und  einer  Anzahl  sonstiger  Gebäude  statt.  Entwurfs- 
zeichnungen aus  dieser  Zeit  (früher  im  Staatsarchiv,  Karten,  Katalog 
B.  J.  7,  27  Blatt  ad  acta  des  Ministeriums  des  Innern  überwiesen)  stammen 
von  Comperl  (LS  17). 

Unter  den  weiteren  Baulichkeiten,  die  mein  und  mehr  das  Grund- 
stück besetzten,  sind  hervorzuheben  das  1868  geschaffene  neue  Ver- 
waltungsgebäude dicht  an  der  Clevertorstraße  und  das  pathologisch- 
anatomische Institut.  Das  alle  Verwaltungsgebäude  wurde  im  Innern 
1874  umgebaut  (Näheres  mit  Lageplänen  s.  Tierärztliche  Wochenschrift 
1913,  Nr.  25,  Aufsatz  von  Mießner:  Die  Hannoversche  l'ierärztliche 
Hochschule   1778     1913). 


*)  Staatsarch.,  Karten,  Katalog  A,   IV  B.  7,  enthält    einen  Entwurf   zu   einer 
Tierarzneischule  v.  Hellner,   zwei  Blätter  um  1825,  der  aber  nicht  ausgeführt  ist. 


Abb.  11)2.     Hannover;  ,.Neue  Vieharzneyschule"  von  1793.     Grundriß  des  Erdgeschosses. 
Nach  Aufnahme  von  1874. 


693 


Schulgebäude;  Theater  und  Museen 

Nach  Vollendung  eines  im  Jahre  1891  begonnenen  Neubaues  am 
Misburger  Damm  für  die  inzwischen  mit  den  Eigenschaften  einer  staat- 
lichen Hochschule  ausgestattete  Lehranstalt  und  nach  deren  Über- 
siedlung dorthin  im  Jahre  1899  wurden  die  Gebäude  am  Clevertore  dem 
Landeskulturamt  zu  dessen  Dienstzwecken  überwiesen. 

Beschreibung  Vermutlich  um  eine  äußere  Übereinstimmung  mit  der  Architektur 
der  alten  Schule  zu  erzielen,  war  für  die  neue  tierärztliche  Schule  von 
1793  die  holländische  klassizistische  Bauweise  in  Ziegeln  mit  Sandstein- 
verwendung gewählt  worden.  Der  Entwurf  ist  vielleicht  Körtje  zuzu- 
Abb.  i'.tü  schreiben.  Auf  langrechteckigem  Grundriß  ist  das  Gebäude  in  einem 
Hauptgeschoß  und  einem  Mezzanin  aufgebaut  bei  einer  Fronteinteilung 
in  neun  Achsen.  Die  mittleren  drei  Achsen  sind  als  Risalit  schwach  vor- 
gezogen, dessen  Pilasterarchitektur  ein  mächtiges  vorgekröpftes  Gebälk 
jonischer  Ordnung  mit  flachem  Dreiecksgiebel  trägt.  Dem  rechteckig 
umrahmten  Mittelportal  ist  eine  einarmige  Freitreppe  vorgelegt.  Die 
Fenster,  im  Erdgeschoß  hochrechteckig,  im  Mezzanin  quadratisch,  sind 
in  wenig  vortretenden  unprofilierten  Sandsteinumrahmungen  gefaßt. 
Die  wiederholt,  zuletzt  1871  geänderte  Inneneinteilung  hatte  ursprünglich 
ein  Vestibül  in  der  Mittelachse  mit  Säulenstellung.  Die  nach  oben  führende 
Treppe  liegt  am  nördlichen  Kopfende  des  Gebäudes.  Das  Mezzanin- 
geschoß  hat   einen   durch    die   Länge   des    Hauses   geführten   Mittelgang. 

Technische  Hochschule. 

baugeschichte  Auf  eine  Anregung  des  1828  durch  Königliche  Verordnung  ge- 
stifteten Gewerbevereins  zu  Hannover  zur  Schaffung  einer  technischen 
Lehranstalt  erhielt  1830  der  Wiener  Technologe  Karmarsch  (geb.  1803, 
gest.  1879)  den  Ruf  nach  Hannover  zur  Vorbereitung  der  Anstalt.  Als 
Höhere  Gewerbeschule  konnte  diese  mit  etwa  50  Schülern  am  2.  Mai  1831 
in  einigen  Zimmern  des  gemieteten  zweiten  Stockes  im  Bierbrauer 
Bornemannschen  Hause  am  Altstädter  Markt  Nr.  61  eröffnet  werden. 
Die  Hörerzahl  wuchs  im  ersten  Studienjahr  bereits  auf  123.  Das  Lehrer- 
kollegium bestand  außer  Karmarsch  aus  10  Lehrern.  Im  zweiten  Studien- 
jahr mietete  man  das  erste  Geschoß  des  Hauses  am  Markte  hinzu.  Gleich- 
zeitig erwog  man  einen  Neubau  für  die  Anstalt.  Als  Bauplatz  wurde  das 
1831  vom  Kriegsministerium  an  das  Königliche  Ministerium  des  Handels 
und  der  Finanzen  überlassene  Grundstück  an  der  Georgstraße  neben 
dem  Garten  des  Landständehauses  gewählt.  Die  Pläne  des  Gebäudes 
bearbeitete  der  Kriegsbaumeister  Ebeling,  der  selbst  Lehrer  der  Archi- 
tektur an  der  Anstalt  war  und  in  den  Jahren  1835 — 37  den  Bau  aus- 
führte (die  Pläne  Ebelings  im  Staatsarchive,  Kartensmlg.  Katalog  B.N.  13). 
Die  Gründung  hatte  auf  Pfahlrosten,  teilweise  auf  dem  Festungsgraben 
zu  geschehen;  vor  Ende  1835  war  der  Sockel  gelegt,   1836  das  Gebäude 

694 


Technische  Hochschule 

unter  Dach  gebracht,  Ende  Oktober  1837  erfolgte  die  Übersiedlung  der  Abb.  im 
Schule  und  die  Eröffnung  des  ersten  Lehrkursus.  Die  Zahl  der  Hörer 
betrug  damals  175,  vermehrte  sich  aber  bald,  wie  auch  Sammlungen 
und  Laboratorien  hinzukamen.  1817  wurde  der  Name  der  Anstalt  offiziell 
in  die  Bezeichnung  „Polytechnische  Schule"  umgeändert,  die  zu  verleihen 
man  bislang  gezögert  hatte,  weil  sie  durch  die  Beteiligung  der  Eleven 
der  Pariser  Polytechnischen  Schule  an  der  .Julirevolution  anrüchig  ge- 
worden war. 


Abb.  193.     Hannover;  das  Polytechnikum  an  der  Georgstraße  von  Ebeling  und  das  Gebäude  der  Militär- 
Bekleidungskommission  von  Tramm.    Nach  Kretschmer. 


Nach  Erweiterung  der  Lehranstalt  LS  15  — 17  wurde  1853  eine  Ver- 
längerung des  südlichen  Hofflügels  unternommen,  gleichzeitig  in  der 
Nordwestecke  des  Gartens  von  Debo  ein  Observatorium  erbaut.  1860 
erhielt  die  Polytechnische  Schule  das  Dienstgebäude  der  Militär-Beklei- 
dungskommission  überwiesen,  das  ebenfalls  von  Debo  durch  einen 
Zwischenbau  mit  ihr  in  baulichen  Zusammenhang  gebracht  wurde.  Im 
Hofraum  entstand  1866  ein  eingeschossiger  Bau  für  Zeichensäle,  1873 
ebenda  ein  Hörsaal  mit  Sägedach  für  200 — 250  Hörer.  1875  war  die 
Zahl  der  Hörer  auf  868  angewachsen;  es  wurden  „Im  Palm"  am  Königs- 
worther Platz  Räume  hinzugemietet. 

Schon  1872  war  an  einen  umfassenden  Erweiterungsbau,  bald  darauf 
an   einen    Neubau   gedacht.     Wallbrecht    schlug   gegen    den   Ankauf   des 

695 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

alten  Gebäudes  die  Hergabe  eines  Bauplatzes  an  der  Humboldtstraße 
vor.  Die  Bearbeitung  des  Planes  für  einen  Neubau  an  dieser  Stelle  lag 
Hunaens  ob.  Die  preußische  Regierung  wandte  sich  jedoch  dein  Gedanken 
zu,  das  Weifenschloß  zur  Polytechnischen  Schule  auszubauen.  Den 
Entwurf  dazu  bearbeitete  wiederum  Hunaeus;  sein  Plan  wurde  am  20.  Juli 
Abb.  m  INT.")  genehmigt  (Akten  im  Staatsarch.  Hnvr.,  Des.  122a).  1S79  hielt 
die  Anstalt  ihren  Einzug  in  das  umgebaute  Weifenschloß,  bei  welcher 
Gelegenheit  ihr  die  Bezeichnung  „Technische  Hochschule"  verliehen 
wurde.    (Pläne    beim   IL  B.  A.  II    Hannover.) 


Abb.  494.     Hannover,  Technische  Hochschule.    I'hot.   102.S. 
Druckstock  des  Stadt.  Verk.-Amtes. 


Das  alte  Gebäude  an  der  Georgstraße  baute  Wallbrecht  in  Gemein- 
schaft mit  dem  Architekten  Heine  1879  zu  einem  monumentalen  Hotel 
um,  indem  er  es  noch  um  zwei  Geschosse  erhöhte. 


Beschreibung  Der  Ebeliugsche  Bau  des  Polytechnikums  an  der  Georgstraße  war  ein 
dreigeschossiger  Ziegelbau  in  Putz  von  15  Achsen  an  der  Vorderfront. 
Der  Grundriß  sah  die  Anordnung  des  im  Laufe  der  Zeil  zn  erweiternden 
Gebäudes  um  einen  rechteckigen  Hof  vor.  Die  Umschließung  des  Hofes 
ist  aber  nur  zu  etwa  3/4  vervollständigt  worden;  mit  der  Anlage  des  Ob- 
servatoriums (1X53)  durchbrach  man  den  Baugedanken.  Die  in  der 
Hauptmittelachse  angeordnete  Eingangshalle  mit  dem  sich  daran  an- 
schließenden geräumigen  Treppenhause  ist  in  dem  späteren  Hotelbau 
erhalten  geblieben.  Die  Korridore  verlaufen  an  der  Hofseite.  Die  Archi- 
Abb.  195  tektur  der  Fassaden  bildete  Ebeling  Florentiner  Bauwerken,  dem  Palazzo 

696 


Technische  Hochschule 


^rn^k 


fct 


3 


Abb.  1!)5.    Hannover;  Polytechnische  Schule,  System  des  Aufrisses. 
Nach  Zeichnung  von  1860.    Stadtarch. 


697 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

Strozzi  und  demPalazzo  Riccardi,  nacli.  Der  hohe  Sockel,  kräftig  bossiert, 
die  oberen  Geschosse  in  Verhältnissen  und  Mauerflächen  leichter  gehalten ; 
Erdgeschoß  und  1.  Obergeschoß  mit  starken  Horizontalfugen,  das  2.  Ober- 
geschoß glatt  gequadert.  Mittelportal  und  Fensler  rundbogig,  letztere 
auf  Säulchen  gekuppelt.  Geschoßteilungen  durch  Sandsteinsimse;  Haupt- 
sims  stark   betont    durch    Konsolenreihung.     Flachgeneigtes   Ziegeldach. 

Nähere  Beschreibung  mit  Grundrissen  und  Aufriß  s.  „Ztschrft.  des 
Hann.  Arch.-  und  Ing. -Vereins"  1857,  S.  58,  Tafel  68 ff.  Den  Umbau 
des  Welfenschlosses  betreffend  s.  dieselbe  Ztschrft.  1879,  S.  351  ff.,  und 
1880,  S.  19 ff.,  Dr.  Kannarsch,  Die  Polytechnische  Schule  zu  Hannover, 
1856.  Dr.  Karmarsch,  Die  Höhere  Gewerbeschule  in  Hannover,  1831, 
II.  Aufl.  1844.  Launhardt,  Die  Königl.  Techn.  Hochschule  zu  Hannover 
von  1831 — 81.  Hannover  1881.  Entwürfe  für  das  Gebäude  an  der 
Humboldtstraße  von  Hunaeus  bewahrt  das  Hochbauanil    II   auf. 

„Hohe  Schulen." 

(Literatur  und  Quellenangaben  s.  bei  H.  Hertram,  Geschichte  des  Rats- 
gymnasiums.    Sonderabdruck  aus  den  II.    (1.,   Hannover,   1915.) 

Ein  Rektor  der  hannoverschen  Schule  wird  in  einer  am  21.  August  1267 
von  diesem  selbst  geschriebenen  Urkunde  erwähnt  (Ahrens,  Geschichte 
des  Lyzeums  zu  Hannover,  im  .Jahresbericht  der  Schule  1869/70,  Urk., 
S.  8),  die  somit  die  erste  sichere  Nachricht  über  diese  Schule  erbringt. 
Mangels  weiterer  Urkunden  lassen  sich  zusammenhängende  Angaben 
weder  über  die  Gründung  der  Schule  noch  über  ihren  ersten  Standort 
gewinnen.  Vermutlich  hatte  sie  anfänglich  Beziehungen  zur  Burg  Lauen- 
rode  (s.  Bertram,  a.  a.  0.,  S.  9).  Auf  Vorschläge  des  Rates  hin  gestaltete 
der  Herzog  Otto  von  Braunschweig  am  16.  November  1315  (Urk.  B.  der 
Stadt  Hann.,  Nr.  129)  dem  Rate  und  der  Bürgerschaft  die  Erbauung  eines 
Schulgebäudes  auf  dem  Platze  zwischen  Pfarrhaus  und  Hokenhalle,  der 
zur  Wedeme  der  Marktkirche  gehörte  (Kataster-Nr.  281b  der  Köbelinger- 
straße).  An  dieser  Stelle  blieb  die  Schule  auch  nach  einem  am  11.  Dezember 
1579  stattgehabten  Brande,  der  das  Gebäude  stark  beschädigt  hatte. 
Wahrscheinlich  ist  es  darauf  von  Grund  auf  erneuert  worden.  Am  10.  De- 
zember 1583  fand  ein  Fest  zur  Einweihung  des  fertiggestellten  Schul- 
hauses statt. 

Über  das  Äußere  des  Gebäudes  um  diese  Zeit  ist  aus  der  „Laus  Hanno- 
verae"  des  Pastors  Niemeyer  von  1603  zu  entnehmen,  daß  es  an  mannig- 
fachem Schmuck  in  Stein-  und  Malerarbeit  daran  gefehlt  habe.  Johann 
Duve  soll  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  einen  Umbau  vorgenommen 
haben.  Vielleicht  ließ  er  die  Tafel  mit  Jacobs  Himmelsleiter  anbringen, 
von  der  später  Redecker  berichtet.    1726  fand  ein  abermaliger  gründlicher 

698 


„Hohe  Schulen" 

Umbau  statt.  Den  Zustand,  in  den  das  Gebäude  durch  ihn  versetzt  war, 
schildert  Redecker  und  bildet  zugleich  die  hohe  Giebelfront  des  Schul- 
hauses in  einer  Handzeichnung  ab.  Redeckers  Abbildung  stimmt  im 
wesentlichen  mit  einer  späteren,  im  Stadtarchive  aufbewahrten  Hand- 
zeichnung überein  (s.  H.  G.  1915,  S.  538).  Wir  haben  es  zu  tun  mit  einem 
zweigeschossigen  Giebelhause,  dessen  Erdgeschoß  massiv  war  und  vielleicht 
hinsichtlich  seiner  Schmuckbehandlung  neben  die  frühen  Bürgerhäuser 
der  Renaissance  von  der  Art  der  Hahnschen  Hofbuchhandlung  von  1583 
zu  stellen  ist  (s.  Bürgerhäuser,  S.  552).  Das  Obergeschoß  und  der  Giebel 
hatten  vermutlich  die  Fachwerkarchitektur  ihrer  Zeit:  Vorkragungen  mit 
Volutenkonsolen,  Füllhölzer  nach  dem  Motive  der  Fruchtgirlande  und 
Inschriftfriese  auf  den  Setzschwellen.  Die  Inschriften  sind  durch  Heiliger 
überliefert  (Monumenta  et    Inscriptiones,   S.  27,   Stadtarch.): 

„über  dem  untersten   Stockwerk,  zu  beiden   Seiten  der  Thüre" 

Non  casus  sed   cura   Dei   de   pulvere   tollit    Sorte   hominem   tenui 

£  duris  quem  in  rebus  egestas 

Urget  ab  illuvie  vehit  ad  fastigia  rerum  -  -  lateri  latus 

applicet   huius  A  inter  Primos  sui   populi  caritati  inserat  agmina 

iuvat. 

Das  zweite   Stockwerk  trug  die  Überschrift: 

Istos  enim  igniculos  seminaria  ista  queis  sevit  Agios  ingenii  beata 
rerum  Natura  parens  studiis  augescere  par  est  aut  splendor  abit 
perditus  Erugine  tetra.     1583. 

Über  dem  dritten   Stockwerk  befanden  sich  die  Worte: 

Lasciva  iuventus  fugiens  dieta  magistri  facilem  stolide  vendit 
inauspicata  risum  moeroris  emit   Se-mina  poenitentia  mota. 

Über  der  Tür  war  in  halbkreisförmiger  Umrahmung  das  Kleeblatt- 
wappen mit  den  beiden  wilden  Männern  als  Schildhaltern  und  neben  der 
Tür  die  erwähnte  Belieftafel  eingelassen,  die  .Jacobs  Traum  darstellte. 
Bei  der  Wiederherstellung  von  1726  halte  man  die  Jahreszahl  der  Ent- 
stehung des  Gebäudes  ,,1583"  und  das  Datum  „Renovatum  1720"  an- 
bringen lassen. 

Die  Verteilung  der  Klassenzimmer  und  sonstigen  Räumlichkeiten  ist 
auf  Grund  des  Corpus  bonorum  von  1720  von  Bertram,  a.  a.  0.,  S.  412  ff., 
dargestellt. 

Die  amtliche  Bezeichnung  „Lyceum"   tritt   1788  auf. 

Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  gaben  die  alten  Mängel  so  das  Fehlen 
eines  Schulhofes  und  die  immerwährende  Flickarbeiten  erfordernde  Bau- 
fälligkeit —  mehr  und  mehr  Anlaß,  an  eine  Verlegung  der  Schule  zu  denken. 
Von  dem  Plan  einer  am  Markt  und  an  der  Köbelingerstraße  zu  errichtenden 

699 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

Doppelschule  stand  man  ab,  auch  auf  einen  1709  von  dem  Baumeister 
Meißner  eingereichten  Entwurf  zu  einem  „für  die  hiesige  lateinische  Schule 
zu  errichtenden  Gebäude"  (Erläuterung  dazu  im  Stadtarchiv  1800  zu 
Nr.   135)  ging  man  nicht  ein. 

Angeblich  hat  auch  Friedrich  Weinbrenner  einen  Entwurf  für  die 
Lyzeen  in  Hannover  in  dieser  Zeit  geliefert  (s.  A.  Valdenaire,  Fr.  Wein- 
brenner,  Karlsruhe   1010,   S.  70—72.) 

Als  sieh  1802  die  Gelegenheit  bot,  das  dem  Schlosse  gegenüber  am 
Mühlenplatze  belegene  Gebäude  der  Kaffeewirtschaft  Vaux  Hall,  das  1770 
erbaut  war,  zu  erwerben,  kaufte  die  Stadt  mit  Genehmigung  der  könig- 
lichen Ministerien  dieses  für  12000  Thlr.  an.  Nach  einem  Umbau  für  die 
Zwecke  der  Schule  siedelte  diese  im  Oktober  1803  hierher  über  (Plane  des 
Hauses  um  1802  in  der  Rathausregistratur). 

Das  alte  Gebäude  der  Hohen  Schule  am  Markt  diente,  nachdem  es  1803 
geräumt  war,  eine  Zeitlang  als  Militär-Feldapotheke  und  wurde  1814  auf 
Abbruch  verkauft.  Dabei  sind  die  Zierst  ticke  des  Wappens  und  der  Relief- 
tafel verlorengegangen. 

Der  Huf  der  Hohen  Schule  halte  seit  Grotefend  in  den  Jahren  1821 — 24 
einen  solchen  Zuwachs  der  Schülerzahl  bewirkt,  daß  der  Raum  im  Hause 
nicht  mehr  ausreichte.  Grotefend  teilte  die  Lehrfächer,  auch  den  Realien 
Rechnung  tragend;  es  entstand  somit  eine  mit  dem  Lyzeum  verbundene 
Realschule  und  eine  höhere  Bürgerschule.  Der  Magistrat  entschloß  sich 
1821  zu  einer  Erweiterung  des  Gebäudes,  das  nun  die  aus  den  Abbildungen 
bekannte  Gestalt  erhielt  (s.  H.  G.  1915,  S.  308).  Es  war  ein  schmuckloser, 
dreigeschossiger  Fachwerkbau  auf  langrechteckigem  Grundriß  von  15 
zu  i  Achsen  mit  Walmdach.  Die  beiden  Fortale,  die  der  Hauptfront  eine 
Dreiteilung  gaben,  waren  durch  eine  Simsverdachung  auf  Konsolen  hervor- 
gehoben und  durch  eine  Freitreppe  ausgezeichnet.  Die  beiden  oberen 
Stockwerke  des  damals  entstandenen  Anbaues  waren  für  den  Direktor  als 
Wohnung  bestimmt;  das  untere  Stockwerk  hatte  nach  dem  Mühlenplatze 
zu  zwei  sehr  geräumige  Unterrichtszimmer  und  nach  dem  Hofe  eine 
Wohnung  für  den  Kustos  (s.  H.  G.  1915,  S.  351);  die  auf  den  Lau  des  neuen 
Schulhauses  bezüglichen  Akten  sind  im  Staatsarchiv).  Zu  Michaelis  1825 
war  der  Bau  fertig. 

Zur  Freilegung  des  Mühlenplatzes,  die  zu  den  Lavesschen  Plänen  der 
Ausgestaltung  der  Umgebung  des  Besidenzschlosses  gehörte,  ließ  der 
König  Ernst  August  1817  den  Platz  der  Hohen  Schule  ankaufen,  die  dann 
auf  des  Königs  besonderen  Wunsch  bis  zum  5.  Juni  —  seinem  Geburtstage 
—  niedergelegt  werden  mußte. 

Eine  notdürftige  Unterbringung  fand  die  Schule  in  dem  v.  d.  Decken- 
scheu  Hause  an  der  Braunschweiger  Straße  Nr.  10.    Als  Aula  diente  der 

700 


701 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 


Abb.  497 


Hannover;  Schule  am  Clevertor  von  Droste,  Portalrisalit. 
l'hot  1913. 


Ballhofsaal.  Für  einen  Neubau  waren  die  Mittel  zwar  vorhanden,  doch 
bereitete  die  Wahl  des  Platzes  Schwierigkeiten.  Anfangs  hatte  man  das 
Gelände  der  alten  Tierarzneischule  am  Clevertor  in  Betracht  gezogen, 
entschied  sich  aber  1850  für  den  Georgsplatz.  Baurisse  und  Kosten- 
anschläge lagen  seit  1<X18  für  die  beiden  höheren  Schulen,  das  Lyzeum  und 
die  Höhere  Bürgerschule,  die  nachmalige  Realschule,  dem  Magistrat  vor. 
Abb.  49ß.  Erst  Mitte  September  1850  begann  der  Bau  nach  dem  Plane  des  Stadtbau- 
meisters Droste.  Am  3.  Mai  1851  konnte  das  neue  Schulgebäude  ein- 
geweiht werden. 

Beschreibung         Das  Gebäude  der  Hohen  Schulen  ist  ein  dreigeschossiger  Ziegelbau  mit 
reichlicher  Verwendung  von  weißem   Deistersandstein      -  an  den  Bück- 


702 


Hof-Söhne-  und  Töchterschule 

Seiten  teils  auch  von  Putz  —  in  romanischen  Formen.  Die  wenig  gegliederte 
Hauptfront  liegt  nach  dem  Georgsplatze  zu.  Der  Grundriß  hat  Hufeisen- 
form; der  umschlossene  Hof  wird  aber  durch  einen  für  beide  Anstalten 
gemeinsamen,  ursprünglich  für  die  Stadtbibliothek  im  Erdgeschoß  und  die 
Aula  im  Obergeschoß  vorgesehenen  Flügel  in  der  Hauptmittelachse  in 
zwei  gleichgroße  Spielhöfe  geteilt.  Die  Hauptfront  ist  im  Erdgeschoß 
durch  eine  gewölbte  Wandelhalle  auf  Bündelpfeilern  geöffnet  (des  näheren 
s.  Drostes  Beschreibung  in  „Ztschr.  d.  Arch.-  u.  Ing. -Vereins"  1855,  S.  155, 
mit  den  Tafeln  9,   10,   11). 


Schulgebäude  am  Clevertcr. 

Nachdem  die  Stadt  1847  das  Gelände  der  Alten  Tierarzneischule  am 
Clevertore  im  Austausch  gegen  das  Grundstück  des  Lyzeums  am  Frie- 
derikenplatze erworben  hatte,  ließ  sie  dort  in  den  Jahren  1854 — 56  nach 
Drostes  Plänen  ein  Schulgebäude  für  die  Mittelschule  errichten  (Clever- 
tor 4);  ein  zweites  Schulgebäude  wurde  1860,  ebenfalls  durch  Droste, 
unmittelbar  daneben  erbaut. 

Die  Architektur  der  beiden  Schulen  entspricht  derjenigen  des  Schul-  Abb.  497 
gebäudes  am  Georgsplatze.    Die  Ziegelflächen  sind  1914  überputzt. 


Georgianum 
(abgebrochen    1874). 

Das  1796  gestiftete  Erziehungsinstitut  für  Pagen,  die  spätere  Lehr- 
anstalt für  altadelige  Landeskinder,  erhielt  im  Jahre  1800  in  dem  von  der 
kurfürstlichen  Begierung  angekauften  Schmahleschen  Hause  am  Calen- 
berger  Steinwege  Unterkunft.  Das  Institut  wurde  1803  aufgelöst. 
Akten  des  Georgianums  befinden  sich  bei  der  Cumberländischen 
Vermögensverwaltung  (Bepert.  VI.  1;  Akt.  von  1796 — 1804,  und  VI.  7; 
Geschichte  des  Georgianums).  Über  das  Gebäude  s.  v.  Harlingscher 
Hof,   S.  411  ff.) 


Hof-Söhne-  und  Töchterschule 
(abgebrochen  1889). 

Der  spätere  Abt  Salfeld  rief  1787  ein  Vorbereitungsinstitut  für  gelehrte 
Schulen  ins  Leben,  das  zugleich  Bildungsanstalt  für  die  sein  sollte,  die 
ohne   Universitätsstudium   den    Stand   eines   Offiziers,    Kaufmannes   oder 

703 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

Staatsdieners  erwählen  wollten.  Die  Zöglinge  pflegten  die  Anstalt  bis 
zum  15.  Jahre  zu  besuchen;  vornehmlich  entstammten  sie  der  Hofge- 
meinde. Die  Schule  gliederte  sich  in  eine  Knaben-  und  eine  Mädchen- 
Abteilung  und  stand  unter  dvv  Aufsicht  des  Geistlichen  der  Schloßkirche. 
(Näheres  s.  Kurze  Nachricht  von  der  ersten  Entstehung  und  gegen- 
wärtigen Verfassung  und  Einrichtung  der  Söhne-  und  Töchter- Schule  bei 
der  Hofgemeinde  zu  Hannover,  von  dem  Zweiten  Hofprediger  und  Kon- 
sistorialassessor  Salfeld,  1791.) 

Als    Schulgebäude   diente   das   auf   dem    Grundstück   des   ehemaligen 

Barsinghäuser    und   Marienwerder   Klosterhofes   um    1600    erbaute    Haus 

Abb.  315,  Seite  479  Burgstraße   23,   das   1791,   nachdem   es  zuletzt   als   Hofpredigerwohnung 

gedient    hatte,  zur   Schule  eingerichtet  wurde  (s.   dris.). 

Altstädter  Töchterschule. 

Um  zugleich  die  Unterbringungsverhältnisse  der  Schulanstalt  für 
Bürgertöchter  und  der  hohen  Schule  am  Markte  zu  regeln,  beabsichtigte 
der  Magistrat  1799  beide  Anstalten  in  einer  Doppelschule  am  Eingange 
der  Köbelingerstraßc  beim  Marktplatze  zu  vereinen  (Erläuterung  eines 
Entwurfes  dazu  von  dem  Baumeister  Meißner  im  Stadt-Arch.  1M00  zu 
Nr.  135).  Statt  dieses  Planes  kam  ein  anderer  zur  Ausführung,  demgemäß 
die  Altstädter  Töchterschule  allein  im  Jahre  1802  an  der  Ecke  der  Köbe- 
lingerstraßc und  Bullenstraße  (gen.  nach  Dr.  Bulle)  erbaut  wurde.  Die 
Spezial aufsieht  über  die  Schule  führte  ein  Magistratsdeputierter,  drei 
Lehrer  und  sieben  Lehrerinnen  unterrichteten  an  der  Anstalt. 

Das  noch  erhaltene  dreigeschossige  Fachwerkgebäude  ist  ein  unge- 
putzter Zweckbau  ohne  Zierat,  auch  ohne  Geschoßabsetzungen  und 
bezeichnend  für  die  Zeit  seiner  Erbauung. 

Ratsschreibschule. 

Die  nach  der  Reformation  im  Minoritenkloster  untergebrachte  Rats- 
schreibschule und  Mägdleinschule  verlegte  man  lo3(5,  als  das  Grundstück 
zur  Erbauung  des  Residenzschlosses  in  Anspruch  genommen  wurde,  in 
ein  Gebäude  des  eingegangenen  Beginenklosters  an  der  Ecke  des  Kloster- 
ganges in  der  Pferdestraße.  Redecker  bringt  davon  eine  Abbildung 
(s.  H.  G.  1906,  S.  112;  vgl.  dazu  das  zum  Beginenhause  Gesagte,  S.  227). 

Neustädter  Lateinschule. 
S.   darüber  das  zur  Neustädter  Marienkirche   S.  209   Gesagte. 
704 


Blindenanstalt 

Schullehrerseminar. 

Der  Stifter  des  Schullehrerseminars  und  der  Seminarien  schule,  der 
Kaufmann  Ernst  Christoph  Böttcher,  kaufte  auf  der  Ägidienneustadt  im 
Jahre  1751  drei  Bauplatze  an  der  Südostecke  des  Hundemarktes,  auf 
denen  er  drei  Gebäude  für  die  genannten  Schulanstalten  errichten  ließ. 
(Näheres  über  diese  s.  v.  Spilcker,  S.  259  ff.,  Brönnenberg,  S.  63,  Sievert 
S.  37.)  Seit  der  Errichtung  des  Schullehrerseminars  am  Volgersweg  im 
Jahre  1880  sind  die  Gebäude  am  Hundemarkt  für  Wohnzwecke  ver- 
wendet (Abb.  im  Stadtarchiv). 


Hebammenschule. 

Die  mit  einer  Entbindungsanstalt  verbundene,  zur  Heranbildung 
von  Hebammen  1 780  unter  Bürgermeister  Alemann  begründete  Lehr- 
anstalt wurde  zuerst  in  einem  zum  Armen-  und  Waisenhause  im  Großen 
Wulfeshorn  gehörenden  Gebäude  untergebracht.  1812  kaufte  der  Magi- 
strat ein  Haus  an  der  Osterstraße  (Ü.  188),  zugleich  als  Dienstwohnung 
des  leitenden  Arztes  für  die  Anstalt.  Bei  der  Anlage  der  Baringstraße  ist 
das  Haus  abgebrochen  (1864);  Abbildungen  desselben  sind  nicht  nach- 
zuweisen. Zu  seinem  Ersatz  war  1862/63  an  der  Meterstraße  2<S  ein 
zweigeschossiger  Neubau  aus  gelben  Ziegeln  und  weißem  Deistersandstein 
in  romanischen  Formen  errichtet.  Architekt  war  der  Baurat  Basch. 
(Näheres  s.  „Ztschrft.  des  Arch.-  und  Ing.-Vereins"  1861,  S.  293,  mit 
Abbildungen,  und   1865,   S.  217.) 


Blindenanstalt. 

Die  Gründung  einer  Blindenanstalt  für  das  Königreich  war  seit  Beginn 
der  1830er  Jahre  beabsichtigt.  1842  war  durch  Sammlungen  und  Stif- 
tungen unter  Förderung  des  Königs  eine  hinlängliche  Summe  zum  Be- 
ginn des  Baues  zusammengekommen  (vgl.  Sievert,  S.  126).  Die  Gründung 
war  bestimmt  für  Knaben  und  Mädchen  aller  Glaubensbekenntnisse, 
denen  die  Sehkraft  in  dem  Maße  abging,  daß  sie  an  dem  Unterricht  in 
gewöhnlichen  Schulen  nicht  teilnehmen  konnten.  1815  konnte  das  an  der 
Hildesheimer  Straße  errichtete  Anstaltsgebäude  bezogen  werden.  Im 
Laufe  der  Jahre  wurde  die  Anstalt  erweitert.  Nach  1866  ist  sie  der  Provin- 
zialverwaltung  unterstellt  worden.  Die  Gebäude  sind  1893  nach  Ver- 
legung der  Anstalt  nach  Kirchrode  abgebrochen.     (Abb.   im   Stadtarch.) 

45  705 


Schuigebiuule,  Theater  imd  Museen 

Turnhallen. 

Maschstraße  11        Maschstraße  11:  Geputzte  Fassade  mit  drei  Rundbogenportalen,  fialen- 
artigen   Scheintürmchen    und    Rundbogenfriesen;    1<S59   von   Droste   auf- 


. 


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Abb.  498.     Hannover;  Turnhalle,  Maschstraße  11.    Entwurfszeichnung  von  Droste,  1859. 

Abb.  498  geführt  (Zeichnung  im  Stadtarch.).  Die  eigentliche  Halle  ist  die  wieder- 
verwandte Theaterhalle  des  ,,  Grünen  Waldes"  (Mitteilung  von  Dr.  Leon- 
hardt). 

Maschstraße  3        Turnhalle  des  Turnklubbs,  Maschstraße  3 :  Gotischer  Ziegelbau  von  1864. 
Architekten :  Schulz  und  Hauers. 


706 


Städtisches  Opernhaus 


Städtisches  Opernhaus 
(ehemaliges  Hof'theater*). 

Mit  der  Frage  der  Fortsetzung  des  Schloßbaues  (s.  Seite  282)  verquickte  baugeschichte 
sich  die  Frage  der  Beseitigung  des  Schloßopernhauses.  In  einem  Berichte 
vom  21.  Dezember  1842  an  den  König  Ernst  August  wird  auf  die  Feuer- 
gef ährlich keit  des  Theaters  hingewiesen  und  der  König  gebeten,  ,, alier- 
gnädigst  beschließen  zu  wollen,  sofort  ein  neues  Theater  erbauen  zu 
lassen"  (Akten  des  Oberhofmarschallamtes,  Cumb.  Verm.-Verw.,  Bep.  I, 
Abt.  XIII,  136).  Im  März  1813  wird  abermals  auf  die  Feuergefährlichkeit 
des  Theaters  hingewiesen,  derentwegen  man  beim  Weiterbau  des  Schlosses 
hinsichtlich  der  Geldmittel  auf  Mitwirkung  der  Stände  nicht  würde 
rechnen  können.  Im  April  1843  beauftragte  der  König  den  Oberbaurat 
Laves  mit  Aufstellung  eines  Projektes  für  ein  neues  Hoftheater.  Am 
8.  Dezember  des  gleichen  Jahres  legte  Laves,  der  sich  seit  langem  mit  dem 
Gegenstande  beschäftigt  hatte,  zwei  Projekte,  A  und  B,  vor,  die  sich  aus 
mehreren  Planungen  ergeben  hatten  (s.  die  Hoftheaterakte  Abt.  XIII, 
136).  Wegen  der  Platzwahl  werden  zwei  Tage  später  drei  Vorschläge 
eingereicht.  Sie  beziehen  sich  erstens  auf  den  v.  Altenschen  (Vaux  Hall) 
Garten,  zweitens  auf  die  Anlagen  am  Friedrichswall  in  der  Nähe  des 
Schlosses  und  drittens  auf  die  Georgstraße,  und  zwar  entweder  auf  den 
Platz  vor  dem  Gräflich  Platenschen  Palais  (Georgsplatz)  oder  beim  Wind- 
miihlenberge.  Das  Projekt  A  sah  einen  Konzertsaal  vor  und  nahm  in  einer 
Variante  bereits  Bücksicht  auf  den  Platz  beim  Windmühlenberge.  Das  Pro- 
jekt B  verzichtete  auf  Festräume  und  hatte  den  Vorzug  geringerer  Baukosten. 

Der  Brand  des  Berliner  Opernhauses  im  August   1843  fiel  zugunsten 
eines    einzelstehenden    44ieaters    in    die    Waagschale.     Dazu    warf    Laves 


*)  Die  Titelvignette  zeigt  ein  Akroterion  vom  Giebel  des  Hoftheaters. 


707 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

um  der  Erweiterungsmöglichkeit  willen  die  Forderung  nach  freier  Lage 
ins  Gewicht.  Der  König  entschied  sich  im  Juni  1844  für  den  Platz  der 
alten  Sparrenbergbastion  an  der  Georgstraße  und  bestimmte,  daß  der 
Bauplan  einen  Konzertsaal  einbegreifen,  und  der  vorläufige  Grundriß 
deshalb  um  ein  Drittel  größer  als  das  Schloßopernhaus  angenommen 
werden  solle.  Die  Anlage  eines  Restaurations-  und  Festlokales  mißbilligte 
der  König.  Um  der  Gefährdung  von  Menschen  bei  Feuer  vorzubeugen, 
waren  zu  jedem  der  vier  Ränge  zwei  Treppen  vorzusehen.  Die  Einzel- 
heiten der  Ausführung  sollten  kommissarisch  bearbeitet  werden;  hin- 
sichtlich der  königlichen  Loge  behielt  sich  der  König  vor,  bei  fortge- 
schrittenem Bau  an  Ort  und   Stelle  Anordnungen  zu  treffen. 

Laves  unternahm  nun  wiederholt  Studienreisen  nach  Dresden  und 
Berlin,  um  die  dortigen  neuen  Theater  kennenzulernen,  und  arbeitete 
sein  Projekt  danach  um.  Den  Konzertsaal  behielt  er  noch  vor  der  Plaupt- 
front  bei  und  ordnete  die  große  Treppenanlage  zwischen  Konzertsaal 
und  Foyer  des  Amphitheaters  an  (Projekt  III). 

Im  Dezember  1844  kam  die  Forderung  nach  einem  Raum  für  Kunst- 
ausstellungen hinzu.  Laves  arbeitete  daraufhin  mit  unermüdlichem 
Fleiß  ein  viertes  Projekt  aus,  bei  dem  der  Konzertsaal  in  den  linken  Seiten- 
flügel gelegt,  der  Mittelbau  zusammengeschlossen  und  eine  ruhige  Glie- 
derung des  Gesamtbaukörpers  vermittels  der  zweigeschossigen  Durch- 
führung der  Nebentrakte  erreicht  war. 

Seine  Risse  und  aus  Papier  gefertigten  Theatermodelle  hatte  Laves 
auf    königlichen    Befehl    dem    gerade    in    Hannover    weilenden    Prinzen 


Abb.  199.  Hannover;  ehem.  Hoftheater,  „Seitenfassade  eines  in  Hannover  zu  erbauenden  Hoftheaters" 
(Proj.  II).  Die  Klappe  bezeichnet  den  nach  dem  Projekt  III  vorgeschlagenen  Anbau,  statt  des 
isolierten  Gebäudes  im  Projekt   II. 


708 


Städtisches  Opernhaus 

Friedrich  von  Preußen  vorgelegt;  er  berichtet  darüber  am  16.  März  1845. 
Der  Prinz  bevorzugte  das  vierte  Projekt  und  empfahl  für  die  Ausbildung 
des  Amphitheaters  eine  Kombination  der  Galerien  und  Logen. 

Am  22.  März  des  zweiten  Jahres  wurde  eine  sechsköpfige  Hoftheater- 
kommission gebildet,  deren  Vorsitz  der  Finanzminister  v.  Schulte  führte. 
Laves  gehörte  ihr  als  Techniker  ohne  Votum  an.  Erst  auf  seine  Be- 
schwerde hin  erhielt  er  eine  Stimme;  zugleich  mit  ihm  wurde  der  Hof- 
bauinspektor Molthan  der  Kommission  als  stimmberechtigtes  Mitglied 
beigegeben. 

Ein  fünftes,  nunmehr  entstandenes  Projekt  legte  die  formale  Durch- 
bildung des  Baues  fest. 

Im  Juli  1845  begann  auf  der  eingeebneten  Fläche  des  Windmühlen- 
berges der  Hoftheaterbau.  Unter  der  Direktion  von  Laves  wurde  Molthan 
mit  der  besonderen  Leitung  der  Bauarbeiten  beauftragt  und  ihm  der 
Hofbaukondukteur  Tramm  zur  Hilfe  beigegeben,  dem  die  Anfertigung 
der  Detailzeichnungen  oblag. 

Als  im  Herbst  1847  der  Bohbau  weit  genug  fortgeschritten  war, 
wurden  Laves  und  Molthan  auf  königliche  Genehmigung  nach  Paris 
entsandt,   um  für  den  inneren  Ausbau  die  Einrichtung  und   Dekoration 


Abb.  500.     Hannover;    ehem.  Hoftheater,   Unterfahrt    an  der  Georgstraße.     Phot.  Theatermuseum  1027. 


709 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 


£  a 


710 


Städtisches  Opernhaus 

von  Zuschauerraum  und  Bühne  Studien  zu  sammeln  (Bericht  vom 
4.  November  1847).  Die  Hoffnung,  den  Bau  bis  1849  zu  vollenden, 
täuschte,  da  die  ausgeschriebene  Theateranleihe  nicht  den  gewünschten 
Ertrag  lieferte.  So  wurde  1848  eine  Unterbrechung  der  Bauarbeiten 
erwogen,  man  beschloß  aber,  aus  innerpolitischen  Gründen  den  Bau 
langsam  seiner  Vollendung  entgegenzuführen. 

Nachdem  Konzertsaal,  Treppenhaus  und  Foyer  fertiggestellt  waren, 
konnte  1850  mit  dem  Ausbau  des  Logenhauses  begonnen  werden.  Durch 
die    Pariser    Beise    im   November/Dezember   1847    angeregte    Vorschläge 


Abb.  503.    Hannover;  ehem.  Hoftheater,  Logengang  des  I.  Ranges. 
Phot.  Theatermuseum  1927. 


wurden  ausgearbeitet  unter  Beratung  des  in  Theaterfragen  bewanderten 
Grafen  v.  Kielmannsegg,  damaligen  hannoverschen  Gesandten  in  London. 
1850  fertigte  Laves  das  heute  im  Vaterländischen  Museum  aufbewahrte 
Modell  an,  nach  dem  die  Ausführung  vor  sich  gehen  sollte.  Die  Farb- 
gebung des  Zuschauerraumes  in  Weiß  und  Gold  und  der  Bezüge  in  Bot 
entsprach  dem  Wunsche  des  Königs.  Die  Deckenbilder  zu  malen,  erhielt 
der  Münchener  Maler  Kreling  den  Auftrag.  Für  die  Ausführung  der 
zwölf  Plastiken  auf  den  Arkaden  der  Vorfahrt  wurden  neun  hannoversche 
Künstler  herangezogen,  darunter  Bändel  und  Wessel.  Die  Giebelinschrift 
an  der  Georgstraße  ERNESTUS  AUGUSTES  REX  CONDIDIT  ARTIBUS 

ET  MUSIS   hat  auf  Befehl   Georgs  V.  der  königliche  Bibliothekar 

und  Archivar  Dr.   Schaumann  verfaßt. 


711 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

Ende  1851  war  die  Innenausstattung  so  weit  gediehen,  daß  der  Rat 
eines  der  Bühnentechnik  kundigen  Intendanten  angesucht  wurde  (Bericht 
vom  12.  Dezember  1851).  Seit  Juli  des  gleichen  .Jahres  bestand  ein  Ver- 
trag mit  der  Londoner  Gas-Association  in  Hannover  auf  Lieferung  von 
Gas  zur  Beleuchtung  des  Hauses. 

Die  Fertigstellung  des  Gebäudes  fällt  unter  die  Begierungszeit  Georgs  V. 
Die  vollendete  ,, Hoftheater-Anstalt"  ging  am  21.  Juli  1852  durch  Gesetz 
aus  der  Verwaltung  des  Oberhofmarschallamtes  in  diejenige  der  König- 
lichen Intendanz  über,  die  außer  der  baulichen  Fürsorge  auch  die  artistische 
und  finanzielle  Leitung  des  Theaters  im  Namen  des  Königs  zu  vertreten 
hatte.  Die  Einweihung  des  Konzertsaales  war  bereits  am  8.  Mai  1852 
durch  ein  Festkonzert  vollzogen,  während  die  erste  JJieatervorstellung 
am  1.  September  1852  stattfand.  (Über  angebliche  Mängel  des  Logen- 
hauses und  Laves'  Verteidigung  dagegen  siehe  Notizblatt  des  Arch.-  u. 
Ing.-Vereins  1853/54,  Teil  III,  Seite  197,  mit  Plänen  des  Hoftheaters 
und  anderer  Theater.) 

Beschreibung  Das  Hoftheatcr  ist  größtenteils  aus  Deistersandstein  in  klassizistischen 
Formen  Lavesscher  Prägung  erbaut.  Den  Grundriß  bildet  ein  breit  zur 
Georgstraße  gelagertes  Bechteck  von  82  x  55,5  m  mit  vier  Binnenhöfen, 
derart,  daß  Bühnen-  und  Logenhaus  nebst  Eingangshalle  und  darüber 
gelagertem  Foyer  als  Hauptmasse  querrechteckig,  die  zweigeschossigen 
Seitenteile  und  einen  das  Vestibül  und  die  Eingangshalle  enthaltenden 
Vorbau  von  29  x  17,5  m  Grundfläche  sowie  einen  Hinterbühnenbau 
von  8,8  m  Tiefe  überhöhen.  Der  Zugang  für  Zuschauer  erschließen  an 
der  Georgstraßenfront  seitliche  Bampen  und  eine  frontale  Freitreppe, 
ausgehend  unter  fünfachsiger  Arkadenhalle.  Durch  diese  erscheinen  die 
Baumassen  in  Staffeln  gruppiert,  deren  Silhouette  durch  vielfache  Ver- 
wendung von  Balustraden  mit  Figuren  aufgelöst  ist.  Die  Bückfassade 
mit  der  Freitreppe  des  Bühnenzuganges  ist  auf  die  Wirkung  als  Blick- 
abschluß in  der  Achse  der  Theaterstraße  berechnet  und  durch  eine  zwei- 
geschossige  Säulenstellung  ausgezeichnet. 

Das  Bühnenhaus  mißt  28,6  x  33,3  m  bei  einer  Höhe  von  25  m.  Die 
Bühnenöffnung  beträgt  12,5  m.  Als  Bühnenabschluß  wurde  der  alte 
Bambergsche  Vorhang  übernommen.  Das  Amphitheater  umfaßte  an- 
fänglich 1900  Plätze  im  Parkett,  Parterre  und  den  vier  Bangen.  Decken 
und  Dach  sind  von  Ursprung  in  einer  Holzkonstruktion  ausgeführt; 
1894/95  wurden  die  Dachbinder  über  dem  Bühnenhause  in  Eisenkon- 
struktion erneuert. 

Der  linke  Seitenbau  enthält  ein  Mittelfoyer  und  den  Konzertsaal 
von  den  Abmessungen  12,3  x  32,7  m  nebst  einem  Vorsaal.  Der  rechte 
Flügelbau:  Probesäle,  Garderoben,  Geschäftsräume  und  die  ursprüng- 
lichen Dekorationsmagazine. 

712 


Städtisches  Opernhaus 


713 


Schulgebäude,  Theater  und  Museen 

Die  Theaterverwaltung  bewahrt  Akten  zur  Baugeschichte  des  Theaters 
auf  und  steht  im  Begriff,  ein  Theatermuseum  einzurichten.  Die  Lavesschen 
Theaterentwürfe  befinden  sich  im  Nachlasse  des  Meisters,  den  der  Nieder- 
sächsische Baumuseumsverein  zu  Hannover  im  Besitz  hat. 


Thaliatheater. 

Das  Thaliatheater,  die  Gründung  eines  Theatervereins,  war  in  dem 
v.  Steinbergschen  Hause,  Marktstraße  47,  eingerichtet  und  bestand  in 
einem  großen  Saale  mit  Bühne.  Nach  der  Auflösung  des  Vereins  1879 
stellte  der  neue  Besitzer  ein  Logenhaus  mit  Bühne  als  Theater  in  aller 
Form  in  dem  erweiterten  Gewese  her  (s.  Fischer,  Musik  in  Hannover. 
Über  die  Freilichttheater  auf  der  Marieninsel  und  im  Neuen  Hause 
siehe  unter  diesen  Titeln). 


Museum  für  Kunst  und  Wissenschaft. 

Ansätze  zu  bildungsförderndem  Vereinsleben  sind  in  Hannover  zu 
Ende  des  18.  Jahrhunderts  zu  verzeichnen,  so  besonders  in  der  Gründung 
der  Naturhistorischen  Gesellschaft  1797.  Die  zehnjährige  Zeit  der  Fremd- 
herrschaft beeinträchtigte  derartige  Bestrehungen. 


Abb.  f>()5.    Hannover;  ehemaliges  Provinzialrmiseum.    I'hot.  181)5. 


714 


Aquarium 

Nach  der  Befreiung  leitete  das  Ministerium  des  Innern  Schritte  zur 
Begründung  von  Sammlungen  für  Naturkunde  und  für  Werke  der  Kunst 
in  Verbindung  mit  einer  Sammlung  landesgeschichtlicher  Altertümer  ein, 
die  aber  aus  Mangel  an  Mitteln  nicht  sehr  weit  führten.  Aus  dem  Schöße 
der  Naturhistorischen  Gesellschaft  heraus  erfolgte  im  Jahre  1850  die 
Anregung  zur  Gründung  eines  naturhistorischen  Museums  mittels  eines 
eigenen  Museumsvereins.  Der  König  überwies  einige  Bäume  des  Prinzen- 
hauses für  die  der  Gesellschaft  überlassenen  Sammlungen  und  literarischen 
Werke.  Die  im  Frühjahr  1852  erfolgte  Verbindung  mit  dem  Historischen 
Verein  für  Niedersachsen  und  mit  dem  Verein  zur  Gründung  einer  öffent- 
lichen Kunstsammlung  bewirkte  nicht  nur  eine  Vereinigung  der  Samm- 
lungen der  drei  Gesellschaften,  zunächst  in  einigen  Bäumen  des  graflich 
Kielmannseggschen  Hauses  an  der  Calenberger  Straße;  es  konnte  sogar 
1853  ein  eigener  Museumsbau  an  der  Sophienstraße  in  Angriff  genommen 
werden.  Dieser  1855  beendete  Bau  ist  ein  Frühwerk  Hases  und  für  den  Abb.  505 
Anfang  der  Architektur  hannoverscher  Schule  bezeichnend. 

Näheres  s.  Zeitschrift  des  Arch.-  u.   Ing. -Vereins,   1859. 


Zoologischer  Garten. 

Die  in  Hannover  seit  1797  bestehende  Naturhistorische  Gesellschaft 
regte  im  Jahre  1861  beim  Magistrat  die  Gründung  eines  zoologischen 
Gartens  an.  Der  Magistrat  erklärte  sich  bereit,  das  erforderliche  Gelände 
in  der  Eilenriede  bei  Hanebuths  Block  pachtweise  herzugeben  und  ver- 
zichtete auf  das  Kündigungsrecht  innerhalb  der  ersten  50  Jahre. 

Mit  der  Anlage  des  zunächst  mit  12  Morgen  bemessenen  Gartens 
wurde  1863  begonnen  und  unter  Leitung  des  Architekten  Liier  wurde 
sie  so  schnell  gefördert,  daß  die  Eröffnung  am  1.  Mai  1865  erfolgen  konnte. 
Bald  darauf  wurden  weitere  16  Morgen  vom  Magistrat  zur  Vergrößerung 
des   Gartens  hergegeben. 

Die  von  Liier  erbauten  Tierhäuser  zeigen  die  gotische  Formgebung 
der  hannoverschen  Schule.  Der  1870  in  ebensolchen  Stilformen  errichtete 
Eingangsbau  stammt  von  Boesser. 


Aquarium. 

Aquarium,  Hinüberstraße  16.  Fassade  als  gotische  Portalgrotte 
in  Sand  und  Schlackenstein  1865  von  Liier  erbaut.  Im  Inneren  gewölbte 
Halle  aus   Schlackenstein.    Als  Aquarium  eingegangen. 


715 


Strafanstalten. 


Werk-  und  Arbeitshaus 
(abgebrochen  1853). 

Cine  vor  dem  Steintore  an  der  Langen  Laube  durch  Grupen  1758 
ins  Leben  gerufene  Parchentfabrik  benutzte,  nachdem  schon  Grupen  die 
Anregung  dazu  gegeben  hatte,  der  Bürgermeister  Alemann  1779,  um  darin 
„ein  Institut  einzurichten,  in  welchem  die  älteren  dürftigen  Menschen 
mit  Arbeit  versehen  werden  könnten  und  die  dürftige  Jugend  zur  Arbeit 
angeleitet  und  zu  gleicher  Zeit  moralisch  gebildet  würde"  (Brönnenberg, 
S.  73;  Weiteres  über  die  Anstalt  s.  Neues  Vaterländisches  Archiv,  Jahr- 
gang 1829,  2.  Band,  pag.  48  ff.,  und  H.  G.  1905,  S.  158  f.). 

Das  Gebäude  konnte  1782  von  der  Anstalt  käuflich  erworben  werden 
und  ist  1853  auf  Abbruch  verkauft.  Die  letzten  Insassen  überführte 
man  ins  Armenhaus.  Abb.  des  Gebäudes  im  Stadtarch. 

Die   Inschrift  am  Werk-  und  Arbeitshause  lautete  nach  Heiliger: 
Anno   1760  IN  COMMODA  PAVPERVM  - 
C.  PATRON   I  CHR.   V.   GRYPEN.  COS.   usw. 

Silberne  Abendmahlsgeräte  aus  dem  früheren  Arbeitshause,  die 
diesem  1786  von  der  Freimaurerloge  Friedrich  zum  Weißen  Pferde  ge- 
schenkt worden  waren,  sind  jetzt  im  Vaterländischen  Museum  zu  Hannover. 

Clevertor-Gefängnis 

(abgebrochen  1859). 

Das  für  peinliche  Verbrecher  bestimmte  Clevertor-Gefängnis  lag  als 
letztes  Haus  der  Langen  Straße,  mit  der  Rückseite  gegen  die  Leine  gerichtet, 
neben  der  Kavalierbrücke.  Über  dem  Gewölbe  des  Clevertores  befand 
sich  die  dazugehörige  Verhörstube  (H.  G.  1927,  S.  179).  Auf  dem  Gelände 
des  alten  Walles,  östlich  des  alten  Tores  -  der  Wall  war  1713  weiter 
hinausgeschoben  wurde    1738    unter    Einbeziehung    des    Pforthauses 

das  Gefangenenhaus  errichtet.  Das  der  Königlichen  Kriminal-Juris- 
diktion unterstehende  Gefängnis  ist  1738  durch  einen  Flügelanbau  längs 
der  Leine  erweitert  worden.    Nach  einer  aus  dem  Jahre  1791  vorliegenden 

716 


Clevertor-  Gefängnis 

Zeichnung  des  Hofbaumeisters  J.  B.  Hase  (Denkm. -Archiv)  ist  damals 
das  Gefangenenhaus  nach  Abbrechung  des  Clevertorgewölbes  „neu  ein- 
gerichtet" worden.  Patje  (S.  54)  und  Brönnenberg  (S.  73)  geben  an,  Abb.  506  u.  507 
es  sei  1791  die  Front  des  Hauses,  wie  sie  zuletzt  beschaffen  war,  ent- 
standen. Das  ältere  Gefangenenhaus  hatte  sich  nämlich  der  Zeichnung 
nach  mit  seiner  Front  an  das  Widerlager  des  Torgewölbes  angelehnt, 
so  daß  nach  dessen  Abbruch  die  Fassade  in  ihrer  späteren  vollen  Breite 
erst  entwickelt  werden  konnte,  ein  Werk,  das  also  dem  Hofbaumeister 
J.  B.  Hase  zuzuschreiben  ist. 

Die  Anlage  umfaßte  nun  mit  vier  Flügeln  einen  rechteckigen  Binnen- 
hof und  war  längs  der  Leinstraße  zweigeschossig,  während  den  drei  Hinter- 
flügeln das  Obergeschoß  fehlte.  Wegen  des  abfallenden  Ufergeländes 
hatten  diese  aber  mit  einem  ausgebauten  Souterrain  ausgestattet  werden 
können. 

Die  Hauptfront  zählte  neun  Achsen,  wobei  die  drei  mittleren  in 
schwachem,  mit  Dreiecksgiebel  geschlossenem  Risalit  lagen.  Die  Gebäude- 
kanten hatten  Sandsteinverzahnungen,  die  Flächen  waren  geputzt. 
Die  Grundrißaufteilung  konnte  wegen  der  Entstehungsgeschichte  des 
Gebäudes  nicht  regelmäßig  gestaltet  werden.  In  den  Flügeln  von  1738 
war  das  Korridorsystem  durchgeführt.  In  den  Frontgeschossen  waren 
Verhörstuben,  Wachtstuben  und  Vorzimmer  angeordnet.  Die  Zellen 
im  Kellergeschosse  hatte  man  für  schwere,  die  darüber  befindlichen 
für  leichte  Verbrecher  bestimmt.  Die  Gefangenenzäh]  konnte  bis  30 
betragen. 


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Abb.  506.     Hannover;  das  Clevertor-Gefängnis.    Ansieht  von  der  Langen  Straße. 
Nach  Riß  von  J.  B.  Hase,  1791. 


717 


Strafanstalten 


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718 


Technische  Bauten  und  Anlagen 


BRÜCKEN. 

BRUNNEN  UND  WASSERWERKE. 

MÜHLEN. 

WEHRE. 

WERKANLAGEN. 


719 


Brücken. 

Unter  den  Brücken,  welche  innerhalb  des  hannoverschen  Stadt- 
gebietes die  Leinearme  und  die  Festungsgräben  überspannten,  bildeten 
die  öffentlichen  eine  Zehnzahl,  auf  die  der  hannoversche  Bürger  stolz 
war.  Lohmann  zählt  die  zehn  in  seinem  „Geschichtlichen  Abriß"  im 
Anfange  des  19.  Jahrhunderts  auf.  Diejenigen  davon,  welche  Bürger- 
meister und  Rat  zu  bauen  schuldig  waren,  nennt  das  Corpus  bonorum 
von  1720  (H.  G.  1906,  S.  30).  Einige  der  mittel-niederdeutschen  termini 
technici  des  spät-mittelalterlichen  Brückenbaues  teilt  Mithoff  aus  den 
Lohnregistern  mit   (Zs.   d.   bist.   Vereins  f.   Niedersachsen   1871,    S.    173). 

leintorbrücke  Obwohl  die  Leintorbrücke  nicht  die  älteste  der  hannoverschen  Brücken 
ist,  war  die  etwa  an  ihrer  Stelle  vorhandene  --  die  Urkunde  141  (U.  B. 
d.  St.  H.)  von  1320  nennt  den  pons  antiquus,  die  alte  Wasserhofbrücke  - 
doch  bereits  im  14.  Jahrhundert  die  wichtigste,  da  sie  zum  Wasserhofe 
führte  (s.  auch  S.  267,  Schloßbrücke).  Ihre  Bezeichnung  als  „der  Stadt 
Brücke",  wie  sie  in  mehreren  Urkunden  vorkommt  (Urk.  217  von  1340, 
Urk.  246  von  1347,  Urk.  356  von  1356),  stellt  sie  als  die  Brücke  schlechthin 
dar.  Die  Benennung  ,,in  ponte"  (Urk.  388  von  1359),  „Brügge",  „auf 
der  Brücken"  (Grupen)  gilt  auch  der  über  den  Werder  führenden  Straße 
bis  zur  Zugbrücke  über  den  Brückmühlenarm,  die  bis  1842  „Brückstraße" 
hieß. 

Die  1570  neu  angelegte  Brücke  vor  dem  Leintorturm  war  bis  1713 
eine  einfache  hölzerne  Laufbrücke  und  wurde  damals  des  anwachsenden 
Verkehres  wegen  einbogig  in  Quadersteinen  neu  erbaut.  Es  ist  die  noch 
gegenwärtig  vorhandene. 

sommerbrücke  Eine  im  Zuge  der  mittelalterlichen  „porta,  quae  ducit  ab  urbe  ad 
oppidum"  über  die  Leine  führende  Brücke  gilt  als  die  älteste  der  Stadt- 
brücken und  soll  eine  Zugbrücke  gewesen  sein.  Wahrscheinlich  hat  aber 
die  Insel  so  weit  stromab  gereicht,  daß  der  zwischen  der  Lauenrode  und 
dem  Gallentor  an  der  Boßmühle  zu  denkende  Straßenzug  die  Insel  über- 
queren mußte  und  daher  zwei  Brücken  voraussetzen  würde  (in  Urkunde  1  11 
von  1320  ist  die  Rede  von  einem  neuen  Teil  der  Brücke  am  Stovenwege). 

720 


Marstallbrücke 

Als  die  Roßmühle  durch  den  Bau  des  Zeughauses  zur  Sackgasse  geworden 
war,  wurde  weiter  südlich  im  Jahre  1646  eine  hölzerne  Laufbrücke  angelegt. 

Die  alte  und  die  neue  Sommerbrücke  beim  Stadtlazarett  und  an  der 
Insel  sollen,  wie  mehrfach  berichtet  wird,  Holzbrücken  gewesen  sein. 
Redecker  schreibt:  1682  sei  „die  Sommerbrücke,  die  vor  der  Insel  über 
der  Leine  lag,  weggenommen  und  gegen  den  Beginen-Thurm  über  an 
die  Insel  geleget"  (Chron.,  S.  711).  Die  alte  Sommerbrücke  war  nur  für  Fuß- 
gänger bestimmt,  die  neue  für  Wagen  und  Pferde.  Beide  sind  um 
1818  und  im  Jahre  1861  wiederholt  diesmal  mit  eisernen  Tragern 

neu  gelegt  worden. 

Zum  Ganzen  ist  zu  verweisen  auf  das  Manuskript  des  Kämmerers 
Georg  Christian  Ludolph  Meyer  im  Stadtarchiv:  Beschreibung  von  der 
Leine,  der  daher  entstehenden  WasserFluthen  und  den  Stadt  Wasser- 
Werken,  entworfen  im  Jahre   1795   vom   Camerar:    Meyer. 

Bei   der  Klickmühle  führten  zwei   hölzerne   Brücken   über  die   Leine,  klickmühlen- 
deren  Erhaltung  dem  Rate  oblag,  eine  Laufbrücke  und  die  Fischerhaus- BRÜCKEN 
brücke    (Corp.    bon.    von    1720).     Beide    bestehen    nicht    mehr;    sie    sind 
abgebildet  durch  Wiegmann.     Vgl.  auch  Abb.  513. 

Nach   der  Eröffnung  des   nordwestlichen   Eckturmes  der   Stadtmauer  marstall- 
als  Tordurchlaß  wurde  zwischen   1680  und  1082  die  Leinebrücke  erbaut,  BRÜCKE 


Abb.  uns.    Hannover;  Marstallbrücke,  stromabwärts  gesehen.     Phot.  1896. 


46 


721 


Brücken 

um  die  auf  dem  anderen  Leineufer  damals  gerade  geschaffene  Neue  Straße 
in  bessere  Verbindung  mit  der  Altstadt  zu  bringen.  Nach  dem  beim 
Austritte  der  Brücke  an  der  Neuen  Straße  belegenen  Gasthause  hieß 
sie  früher  ,, Brücke  bei  London-Schenke",  später  wegen  der  Nähe  der 
landesherrlichen   Ställe  „Marstallbrücke".      Dies    war    eine    Holzbrücke. 

Die  gegenwärtig  bestehende  Brücke  ist  laut  Beischrift  zu  dem 
daran  befindlichen  Wappen  im  Jahre  1732  unter  Georg  I.  erbaut. 
Abb.  508  Redecker  (Chfon.  S.  1036)  gibt  an:  1 746  für  4000  Thaler.  Sie  überspannt 
die  Leine  mit  drei  Ilalbkreisbögen  aus  Quadern;  die  Hintermauerungen 
sind  in  Ziegeln  ausgeführt.  Das  aus  schmiedeeisernen  Stäben  hergestellte 
Geländer  ist  zwischen  schmalen,  postamentartig  gebildeten  Sandstein- 
pfeilern eingefügt. 

Oberstromwärts  befindet  sich  am  mittleren  Geländerpfeiler  das  Mono- 
gramm Georgs  IL,  unterstromwärts  das  königliche  Wappen  in  Sandstein 
ausgehauen. 


cavalier-  Die  Cavalier-  oder  Jungfernbrücke  beim  Gefangenenhause,  eine  nur 
brücke  jm.  pußgänger  bestimmte  hölzerne  Laufbrücke,  führte  aus  dem  Cavalier 
gegenüber  dem  Clevertore  heraus  nach  Westen  über  die  Leine;  sie  wird  erst 
um  die  Wende  des  17.  Jahrhunderts  angelegt  sein.  1791  wurde  ihrer 
Bahn  eine  höhere  Lage  gegeben,  als  man  das  Torgewölbe  neben  dem 
Gefangenenhause  niedergerissen  hatte.  Bis  dahin  führten  Stufen  zur 
Brücke  hinab  (Mappe  VII  im  Stadtarchiv  enthält  einen  Plan*),  vermutlich 
aus  dieser  Zeit).  Die  Brücke  ist  1875,  als  man  im  Zuge  der  Goethestraße 
die  heute  dort  befindliche  massive  Goethebrücke  fertiggestellt  hatte, 
abgebrochen  und  bei  Bella  Vista  auf  dem  Wege  zum  Schützenplatz 
wieder  aufgebaut;  an  ihre  Stelle  ist  inzwischen  eine  neue  Brücke  getreten. 

clevertor-  Von  der  alten,  1650  angelegten  Clevertorbastion  aus  führte  nordwärts 
brücke  ukei.  cjje  Lejne  eme  mehrjochige  Holzbrücke  mit  einem  aufklappbaren 
Joch.  Statt  ihrer  wurde  gelegentlich  der  Einrichtung  des  neuen  Clever- 
tores an  der  Brühlstraße  um  1781  eine  massive,  in  einem  Bogen  den  Fluß 
überspannende  Brücke  erbaut  durch  den  damaligen  Ingenieur-Haupt- 
Abb.  509  mann  Müller,  der  nachmals  Professor  in  Göttingen  war.  Busch  erwähnt 
in  seiner  „Mathematik  zu  Nutzen  und  Vergnügen",  Teil  III,  Bd.  I, 
S.   170  diese  Brücke  (Spilcker,   S.  500). 

*)  Plan  der  Leine,  wie  solche  in  Ansehung  der  Direction  ihres  Laufes  von 
der  Cavalier-Brücke  an  bis  zur  neuen  massiven  Brücke  aa  könne  verbessert,  am 
rechten  Ufer  denselben  mit  einer  Einfassung  von  Quadern  bbb,  am  linken  Ufer 
aber  mit  einer  niedrigen  hölzernen  Vorsetznng  ccc  versehen  auch  demnächst  die 
neue  Cavalierbrücke  dd  gerade  über  den  Fluß  gelegt  werden.    Jahresangabe  fehlt. 

722 


Ihmeb  rücke 


Abb.  509.    „Die   neue   Brücke   am   Clever  Thor   zu  Hannover,  Ansicht  aus  dem  Andreaeschen 

Garten".  Nach  Stich  von  Salzenberg.  Links  Torwache:  „WeyhenLöbe",  rechts  das  Kg!.  Reithaus 

und  das  Militärhospital.   Wo  die  Fischer  stehen,  war  1813 — 66  die  Pionierkaserne. 

Die    beiden     am    Mühlenplatze    über   den    Klickmühlen-   und    Brück-  friederiken- 
mühlenarm  der  Leine  führenden  Brücken  waren  ursprünglich  Fußgänger-  RR^JpRLO°" 
brücken,    aber   um    1767   im   Zusammenhange   mit    der   Einrichtung   des 
landesherrlichen  Holzhofes  Auf  der  Koppel  zum  Verkehr  mit  Wagen   neu 
gebaut. 

Bei  der  Schaffung  des  Friederikenplatzes  1841  wurde  die  ostliche, 
1825  unter  Verwendung  von  Lavesschen  Tragern  erneuerte  Brücke, 
die  den  Namen  Friederikenbrücke  erhielt.,  wesentlich  verbreitert,  die 
andere,  die  Waterloobrücke,  1846  durch  eine  neue  ersetzt,  an  deren 
Stelle  schon  1870  wiederum  eine  neue  Brücke  auf  gußeisernen  Pfählen 
erbaut  werden  mußte. 

Nach   dem   Corpus  bonorum  von    1720  ist  von   Seiten   der   Stadt  die  brücken  am 
Holzbrücke  bei  dem  v.  Harlingschen  Hause  (auf  der  Stelle  des  heutigen  CALE^pRGER 
Begierungsgebäudes)  1720  ganz  neu  erbaut.    Lohmann      -  und  nach  ihm 
Hartmann        gibt  1737  an.    Die  vorher  an  dieser  Stelle  vor  dem  Zwinger 
über  den   Brückmühlenarm  führende  Brücke  war  eine  Zugbrücke.     Der 
Arm  floß  vor  der  Befestigung  der  Neustadt  weiter  westlich. 


Außerhalb  des  Leintores  überschritt  der  Steinweg  vier  Arme  des 
Leine-Ihme-Systems  auf  ebenso  vielen  Brücken,  deren  Unterhaltung 
wie  die  des  Steinweges  selbst  bis  zum  Brüningskreuz  der  Stadt  oblag. 
Es  ist  nicht  möglich,  was  ältere  Chronisten  versucht  haben,  che  in  den 

723 


Brücken 

Lohnregistern  häufig  wiederkehrenden  Reparaturen  auf  eine  jeweils  be- 
stimmbare Brücke  zu  beziehen.  Umfangreiche  Arbeiten  der  Art  fallen 
in  die  Jahre  159(5 — 9<S,  bei  denen  die  der  Stadt  nächstgelegene 
Brücke  über  den  äußersten  Mühlenstrang,  den  eigentlichen,  jedoch  meist 
Ihme  genannten  Hauptstrom  der  Leine  -  -  sie  lag  etwa  bei  der  heutigen 
Mittelstraße  —  durch  eine  in  drei  Jochen  gewölbte  Steinbrücke  ersetzt 
(Grupen,  handschriftl.),  die  nächste  gegenüber  von  Altens  Hofe  und  die 
dritte  beim  Roten  Turm  in  der  Glocksee  mit  Kieserlingen  gepflastert 
wurden  (Lohnreg.). 

Vom  Steinweg  führte  bei  von  Aliens  Hofe  eine  zweite  Brücke, 
Schwartzers  Brücke  genannt,  auf  die  Krumme  Straße  der  Neustadt, 
eine  dritte,  die  sogenannte  Hakebrücke,  die  jeden  Winter  abgebrochen 
wurde,  ist  weiter  nordwärts,  etwa  bei  der  heutigen  Sackgasse  Im  Töge, 
zu  suchen;  doch  bedeutet  der  Name  Im  Töge  nicht,  wie  oft  vermutet, 
eine  Zugbrücke,  sondern  eine  Fischerstelle. 

Östlich  der  großen  Steinbrücke,  bei  der  jetzigen  Archivstraße,  führte 
eine   weitere  Brücke  über  den  äußeren  Mühlenarm  auf  die  Danzelmasch. 

Endlich  ist  eine  Laufbrücke  über  den  Stadtgraben  im  Zuge  der 
heutigen  Inselbrücke  zu  erwähnen,  die  der  Neustädter  Vogt  1606  zur 
Umgehung  der  Leintorsperre  anlegen  ließ. 

Alle  diese  Brücken  sind,  beginnend  1616  mit  der  Brücke  beim  Roten 
Turm,  der  Neubefestigung  der  Calenberger  Neustadt  zum  Opfer  gefallen. 

ihmebrücke  1  )er  Meriausche  Stich  von  1651  zeigt  die  Holzbrücke  über  der  heutigen 
Ihme,  welche  1603  für  2160  Gulden  (Red.,  Chron.  S.662)  unter  Leitung 
des  Zimmermeisters  Hans  Behnsen  und  des  Maurermeisters  Hans  Behre 


Abb.  510.    Hannover;  Ihmebrücke, .1909. 


724 


Ihmebrücke 

erbaut  worden  war.  Bei  der  Gelegenheit  hatte  übrigens  auch  die  Brücke 
gegenüber  von  Altens  Hof  ein  zweites  Joch  erhalten  (Lohnreg.).  Man 
hatte  das  Jahr  vorher  den  ganzen  Steinweg  vom  Roten  Turm  bis  zum 
Leintor  neu  gepflastert  und  die  Bote-Turm-Brücke  erneuert.  Die  Brücke 
von  1603  ist  im  Jahre  1658  durch  einen  starken  Eisgang  fortgerissen 
worden.  Darauf  vermittelte  eine  Notbrücke  (\vn  Verkehr  mit  dem  Calen- 
berger  Lande  Die  etwa  aus  dem  Jahre  1665  stammende  älteste  Karte 
der  Stadt  gibt  in  Punktierung  eine  neue  Steinbrücke  über  die  Ihme  an, 
die  damals  also  geplant  wurde.  Dem  Plane  nach  lag  sie  oberhalb  der 
älteren  Brücke,  nicht  im  Zuge  des  Flußlaufes,  sondern  dieser  sollte  nach 


Abb.  511.     Hannover;   Ihmebrücke.     Querschnitt  einer  1808  gefertigten  Zeichnung  Täntzels. 


Fertigstellung  der  Brücke  unter  ihr  hindurchgeführt  werden.  P^s  scheint' 
als  ob  dieser  Plan  damals  noch  nicht  verwirklicht  worden  sei. .  Am  10.  Apri 
1693  erinnert  der  Bauschreiber  Brand  Westermann  auf  Anordnung  des 
Kammerpräsidenten  von  Grote,  „daß  die  Brücke  über  die  Ihme  vor  dem 
Calenberger  Thore  diesen  Sommer  über  zu  bauen  nicht  versäumet  werde". 
Der  Bau  kam  1696  erst  in  Gang  und  zog  sich  bis  in  das  Jahr  1698  hin 
(Akten  im  Staatsarchiv,  Cal.  Des.  (S,  Gen.  der  Stadt  Hannover,  Nr.  20). 
Diese  Brücke  hatte  eine  Länge  von  etwa  1<S  m  bei  einer  Breite  von  etwa 
10  m  und  überspannte  mit  fünf  Tonnen  auf  vier  sandsteinernen  Strom- 
pfeilern den  Fluß.  Es  sollen  zwischen  den  Pfeilern  Stauwehre  zu  Zwecken 
der  Landesverteidigung  angebracht  gewesen  sein  (Illustr.  Bdsch.  1913, 
S.  637).  Die  Stiche  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrhunderts,  soweit  sie 
eine  Ansicht  der  Stadt  vom  Lindener  Berge  aus  darstellen,  zeigen  die 
Ihmebrücke  mit  steinernen,  viermal  im  Halbkreise  ausgebuchteten  Brü- 
stungen längs  der  Fußgängerwege.    Am  Aus-  und   Eingange  trugen  die 

725 


Brücken 


Abb.  r>12.     Hannover;  Ihmebrücke,  Teilansicht  aus  einem  1X0X  gefertigten  Plane  Täntzels. 

Brüstungen  je  ein  paar  Postamentvasen.  Für  den  Fußgängerverkehr 
wurden  1775  hölzerne  Seitenstege  hinausgebaut  und  auch  sonstige  Ver- 
änderungen vorgenommen.  Mehrere  Situationspläne,  Grundrisse  und 
Ansichten  darüber  finden  sich  im  Staatsarchive  (Karten  I.  A.  b.  64). 
Das  Sinken  des  Strompfeilers  auf  der  hannoverschen  Seite  infolge  von 
Unterspülung  bei  einem  bis  an  die  Brückenbahn  reichenden  Hochwasser 
im  April  1808  machte  schwierige  Wiederherstellungsarbeiten  nötig,  die 
der  Ingenieurkapitän  Bergmann  leitete.  Die  Grundsteininschrift  von  1808 
ist  abgedruckt  in  Haan.  Illustr.  Rdsch.  1913,  S.  637.  Die  Ausführung 
besorgte  der  Steinhauer-  und  Maurermeister  Georg  Täntzel;  seine  Zeich- 
Abb.  öii  u.  5i2  nungen  dazu  werden  beim  Landesbauamt  I  aufbewahrt.  Bei  einer  aber- 
maligen Veränderung  1855  sind  von  der  Brückenbrüstung  die  Vasen 
und  das  kurfürstliche  Wappen  entfernt.  Die  Vasen  wurden  in  Herren- 
hausen auf  den  Portalen  II  und  VII  des  Großen  Gartens,  das  Wappen 
an  der  Nordseite  des  Galeriegebäudes  wieder  angebracht*).  1010  mußte 
die  bei  Hochwasser  stark  gefährdete  Brücke  abgebrochen  werden;  ein 
Neubau   trat  an  ihre   Stelle. 


*)  Akten  des  O.-H.-M.-A.,  Vermögensverwaltung,   XI  Hofbausachen  U  LXII. 


726 


Brunnen  und  Wasserwerke 


Stadtwasserkunst. 

L)ie  Wasserversorgung  der  Haushalte  in  der  Stadt  geschah  im  Mittel- 
alter einmal  durch  Hausbrunnen,  sodann  in  größeren  Mengen  zum  Zwecke 
des  Brauens  durch  die  Watertucht,  welche  Leinewasser  schöpfte.  Die 
Schöpfstelle  war  die  curia  aquarum,  der  Wasserhof  auf  dem  Otten- Werder 
zwischen  den  Leinearmen.  Außer  dem  städtischen  gab  es  noch  den 
Iltenschen  Wasserhof  beim  Minoritenkloster.  Zur  besseren  Wasserver- 
sorgung hatte  die  Stadt  1423  vom  Landesherrn  die  Erlaubnis  erhalten, 
den  Dieckborn  in  Linden  zu  fassen  und  Wasser  von  dort  in  die  Stadt 
zu  leiten.  Zur  Anlage  der  Leitung  mußten  die  Abnehmer  des  Wassers 
anteilgemäß  beisteuern.  Der  städtische  Wasserhof  ging  allmählich  ein, 
als  man  vor  1487  eine  neue  Watertucht  am  Himmelreiche  anlegte  (vgl. 
Zs.  d.  hist.  Vereins  f.  Niedersachsen  1871,  S.  159).  An  eisernen  Ketten 
wurde  das  Wasser  aus  der  Leine  emporgewunden  und  durch  Gespanne 
abgefahren.  Die  Watertucht  pflegte  gegen  einen  geringen  Zins  verpachtet 
zu  werden,  und  der  Pächter  hatte  gegen  eine  Vergütung  auf  jedes  Faß 
die  Bürger  mit   Wasser  zu  versorgen  (vgl.   H.   G.   1921,   S.   190). 

4. 


Abb.  513.     Hannover;  Plan  der  Röhrenleitungen  vom  'Marktplatze  aus  im  18.  Jahrhundert. 
Kopie  von  einem  Plane  i.  d.  Prov.-Bibl.    Kart.  M.  17.  XIX.  122. 


727 


Stadtwasserkunst 


Im  Jahre  1  Ki.S  baute  man  ein  großes  Schöpfrad  hinter  dem  Iltenschen 
Wasserhofe  in  der  Verlängerung  der  Dammstraße,  welches  das  aus  der 
Leine  geschöpfte  Wasser  in  einen  Hochbehälter  goß,  von  dem  aus  es  in  den 


ii      i     i     i     i 


Abb.  öl!2.     Hannover;  Wasserkunst  der  Klickmühle:   Schnitt  durch  den  Turm. 
„GHemesfen  im  September  1791  von  J.  H.  Borchers"  (Stadtarchiv). 

städtischen  Born  auf  dem  Markte  durch  eine  Röhre  floß.  Von  diesem 
Brunnen  aus  wurde  das  Wasser  mittels  Nebenröhren  auf  die  ganze  Stadt 
verteilt.     Die   Bürger,   welche   an   der  Wasserleitung  teil   hatten,   zahlten 


728 


Brunnen  und  Wasserwerke 

dafür  einen  jährlichen  Bornzins.  Die  Verlegung  der  Röhren  geschah 
durch  den  Bornemeister  zum  Teil  auf  eigene  Rechnung;  die  Anlage 
schätzte  der  Rat  nach  ihrer  Fertigstellung  ab,  übernahm  und  bezahlte  sie. 

1535  wurde  ein  größerer  Neubau  der  Bornkunst  bei  der  Klickmühle 
errichtet,  ein  quadratischer  Ziegelturm,  der  1845  umgebaut  und  1896 
abgebrochen  wurde.    Das  Äußere  des  Wasserturmes  ist  außer  durch  eine 


Abb.  513.     Hannover;  Wasserkunst  an  der  Klickmühle. 
Nach  Kretschmer. 


Zeichnung  Redeckers  (wiedergegeben  H.  G.  1906,  S.  176)   durch  mehrere  Abb.  512  u.  513 
andere  Abbildungen   überliefert.    Ein  geometrischer  Aufriß  befindet  sich 
im  Stadtarchive  (wiedergegeben  H.   G.   1914,   S.   185).    Ein  Durchschnitt 
der    Kunst   mit    Darstellungen    der    Piepenposten    in    ,,Grunt-Ries"    und 
„Proviel"  aus  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts  ist  ebenda. 

Der  Körper  des  Kunstturmes  war  mit  einem  Rautenmuster  aus 
glasierten  Ziegeln  überzogen.  In  der  südwärts  gerichteten  Front  lag  eine 
spitzbogige  Tür  mit  einem  Inschriftstein  darüber;  nach  Redecker  war  ein 

729 


Brunnen  und  Wasserwerke 

Kleeblattschild  mit  der  .Jahreszahl  1535  darauf  (Abb.  H.  G.  1906,  S.  175). 
Das  auf  Konsolen  vorgekragte  Walmdach  war  an  der  Südseite  aufgeklappt, 
so  daß  hier  ein  in  Fachwerk  ausgebildetes  Geschoß  mit  spitzbogiger 
Windenluke  hervortrat.  Die  Brüstungsfelder  waren  mi1  Andreaskreuzen 
ausgesetzt.  Die  Fachwerkarchitektur  isl  vielleicht  dem  Meister  T.  (i. 
zuzuschreiben.    Auf  der  Setzsehwelle  stund  die   Inschrift: 

Godt  leth  uns  borne,  dar  to  de  water  rieten, 
To  syner  ere,  dat  wy  der  scholen  geneten, 
De  wvl  uns  gode  alhir  tho  gude  geven, 
Und  ock  dat  water,  dat  quellet  int  ewyge  levent. 
(Vgl.   11.   G.   191  1.   S.   1,S5).  doli.   1. 

Über  die  ,, Bornkunst",  das  durch  Wasserkraft  getriebene  Pumpwerk, 
welches  der  Wasserturm  enthielt,  gibt  die  erwähnte  Zeichnung  im  Stadt- 
archiv Auskunft.  Bei  Merian,  Topogr.  S.  101,  1051,  findet  sich  darüber 
folgende  Mitteilung:  „Da  treibet  ein  großes  Rad  am  Leinstrom  16  Stampfen, 
wodurch  das  Wasser  etliche  Ellen  in  die  Höhe  gezucket  und  geführet 
wird,  darnach  durch  kupferne  Canäle  herunterfällt  und  unter  der  Erden 
bis  auf  den  Markt  geleitet  wird,  da  es  in  künstlich  gehauenen  steinernen 
Canälen  oder  Röhren  in  die  Höhe  steiget  und  vermittelst  10  Röhren 
durch  die  ganze  Stadt  geführet  wird.  Es  seyn  auch  Nothbrunnen  in  der 
Erden,  so  in  Feuersnot  eröffnet  werden  können."  Nach  Brönnenberg 
(a.  a.  0.,  S.  74)  hob  das  unterschlächtige  Wasserrad  der  Kunst  das  Wasser 
50  Fuß  hoch  in  ein  Bassin,  von  wo  es  teils  nach  dem  Altstädter  Markt, 
teils  in  die  verschiedenen  Quartiere  der  Stadt,  teils  nach  den  Brau- 
häusern geleitet  wurde  (vgl.  weiter  über  die  Bornkunst  Hannoversches 
Magazin  1800,  S.  73 — 74;  Jugler,  Repert.  pag.  109;  Supplem.  der  hanno- 
verschen  Feuerordnung   1733,   pag.   5;    Seutterscher  Plan  von   1715). 


Wasserkunst  vor  dem  Clevertore. 

Der  Ingenieur-Kapitän  Maillet  deto  Fourton  legte  auf  eigene  Rechnung 
um  das  Jahr  1706  vor  dem  Clevertore,  etwa  in  der  heutigen  Andertenschen 
Wiese,  eine  Wasserkunst  an  in  Spekulation  auf  die  Abnehmerschaft  der 
Adelsgärten  in  der  Steintormasch  und  besonders  des  Großen  Gartens  in 
Herrenhausen.  Mit  der  kurfürstlichen  Kammer  schloß  Maillet  am 
8.  Februar  1706  einen  Pachtvertrag  auf  25  Jahre,  demgemäß  außer  dem 
Herrenhäuser  Garten  auch  der  Neustädter  Parnaßbrunnen  mit  Wasser 
zu  beliefern  war.  Maillets  Wassermaschine  entsprach  nicht  den  Er- 
wartungen, die  man  in  sie  gesetzt  hatte;  deshalb  ließ  die  Landesherrschaft, 


*)    Die  Anlage   wird    auch    im  Corpus  bonorum  von  1720  beschrieben.     H.   G. 
1906,  Seite  234. 

730 


Brunnen  und  Wasserwerke 

die  nach  Ablauf  des  Vertrages  1731  Eigentümerin  derselben  geworden 
war,  sie  zerfallen..  Nach  Landersheimers  Bemerkung  auf  seinem  Plan  IV 
ist  die  Kunst  am  24.  Dezember  1732  eingestürzt  und  1733  abgebrochen. 
Aus  einem  1731  aufgestellten  Inventar  (Schuster,  K.  u.  K.,  S.  130) 
ist  die  Einrichtung  des  Mailletschen  Wasserwerkes  ersichtlich.  Ein 
Wasserrad  am  Ufer  des  aufgestauten  Leineflusses  hob  mittels  eiserner 
Pumpen  das  Wasser  zu  drei  übereinander  in  einem  Wasserturm  ange- 
ordneten, mit  Blei  ausgeschlagenen  Holzbehältern  empor,  die  als  „Pfannen" 
bezeichnet  sind.  Die  Anbringung  der  Pfannen  in  unterschiedlichen  Höhen 
war  in  den  Höhenlagen  der  zu  versorgenden  Künste  in  der  Neustadt, 
in  der  Steintormasch  und  in  Herrenhausen  begründet. 


Piepenborn. 

Als  Wasserverteiler  für  das  aus  der  Bornkunst  am  Himmelreiche 
hergeleitete  Wasser  war  am  Markte  der  Piepenborn  aufgestellt.  Die 
Stätte,  wo  er  stand,  ist  auf  den  vorhandenen  Planen  in  der  Nähe  der 
nordöstlichen    Bathausecke   angegeben   (s.    den    Plan   in    (k'v   Prov.-Bibl., 

Kart.Mappel7,XIXC.,Calen- 
berg  122).  Von  dem  Hause 
Marktstraße  60  heißt  es  im 
Verlassungsbuche  von  1111, 
daß  es  ,,bi  dem  borne"  liege. 

Dieser  altere  Born  wurde  corn  von  i:,.,i 
1551  durch  eine  Neuanlage 
ersetzt,  für  die  ausweislich 
der  Kämmereirechnungen 
dieses  Jahres  die  erhebliche 
Summe  von  2(1 13  Pfd.  Pfenni- 
gen, allerdings  einschließlich 
der  Röhrenleitung.,  durch  die 
Stadt  verausgabt  wurde.  Der 
Brunnen  als  solcher  war  nach 
dem  Bornguldenregister  das 
Weik  des  Steinmetzen  Arndt 
Siemerding,  während  vier  der 
Bildtafeln  daran  von  einem 
Hildesheimer  Meister  ge- 
schaffen sind.  Die  Art  des 
Bornes  entsprach  derjenigen 
des  Rolandbrunnens  auf  dem 
Marktplätze  zu  Hildesheim: 
aus  einem  achtseitigen  Becken 

731 


Abb.    51ft.     Hannover;   Teile   vom   Hecken   des    Aklion- 
hiiinnciis  im  Leibnizhause.     Phot.  Siedentopf,  1298. 


JornS-S   v«-  lSi>1 


Abb.  515 
KL  ISA   u.  NAEMAN 


Abb.  516 

ELASER 

u.  REBECKE 


Abb 


.   515  u.  516.     Hannover:    Marktbrunnen   von   .).  Wulff,    Reliefplatten   des 

Phot.  1927.     V 


Reckens. 


732 


A^> 


51 


Piepenborn 

erhob  sich  eine  Mittelsäule,  welche  die  Piepen  barg  und  vier  Löwen- 
köpfe als  Wasserspeier  hatte.  Daraul'  ruhte  ein  zweites  Hecken, 
überragt  von  einer  kleinen  Figur,  dem  sogenannten  Häuschen  auf  dem 
Piepenborn.  Das  Steinmaterial  für  den  Brunnen  stammte  aus  Obern- 
kirchen. Der  Brunnen  war  bemalt.  Von  den  bislang  verschollen  ge- 
wesenen Beckenplatten  des  Piepenbornes  von  1551  sind  bisher  fünf  im  Abb.  :>n 
und  am  Sodenschen  und  Batskloster  (durch  Leonhardt)  wieder  aufge- 
funden; dazu  ein  Kantenstück  des  Beckens,  das  die  .Jahreszahl  1551 
enthält.     Die   Skulpturen  werden  im  Leibnizhaüse  aufbewahrt. 

Die  Themata  und  die  bildhauerische  Behandlung  der  auf  den  Platten 
dargestellten  Halbfiguren  stimmen  mit  denen  des  Hildesheimer  Brunnens 
überein.  Die  Tafeln  zeigen  in  starkem  Relief  vor  landschaftlichen  Hinter- 
gründen alttestamehtliche  Szenen,  die  Beziehung  auf  das  Wasser  haben. 
Beischriften,  teils  schwer  lesbar,  geben  die  betreffenden  Bibelsfellen 
und  die  Namen  der  Dargestellten  an:  Eleasar  mit  Rebekka,  Gideon  Abb.  515  u. 516 
und  Simson,  Elisa  und  Naeman,  Tobias  und  der  Engel.  Nach  einer 
Beschreibung  des  Sodenklosters  von  Redecker  sind  die  noch  fehlenden 
Platten  des  Beckens  als  mit  David  und  Bathseba,  ferner  mit  Josua  und 
mit  dem  Stadtwappen  reliefiert  zu  denken. 

Die  aus  der  Mitte  des  Brunnenbeckens  hervorragende  Säule  gilt  als 
verloren.  Die  Figur  des  „Häuschen"  soll  nach  Redecker  eine  zweite 
Verwendung  auf  dem  Bährenturme  eines  der  Stadtsiele  gefunden  haben, 
ist  aber  ebenfalls  verschollen. 

Ein  Doppeldistichon,  das  an  dem  Brunnen  angebracht  war  und  die 
Erfindung  des  Broyhans  verherrlichte,  ist  in  den  Handschriften  des 
Stadtarchives  überliefert : 

Sodeniana  domus  Broehanam  prima  coquebat  Broehanus  coctor 

nomina  fecit  ei. 
Secula    si    quindena    super    numeraveris    anhum    Vicenum    hoc 
anno  prima  Broehana  fuit. 

Johann  Broehan, 
Inventore  Volksmaro  ab  Änderten. 
(Vgl.  H.   G.   1914,   S.  259). 

Nach    Redecker   wurde    1619   ein    neuer    Brunnen    erbaut.     Er   hatte  aktäon- 
offenbar  den  Zweck,  die  Wasserverteilung  zu  verbessern  und  das  Wasser  Brunnen 
den    nun   in   einzelnen    Straßen    aufgestellten   „Zucken"    zuzuleiten   (vgl. 
das  oben   angeführte   Zitat  aus   Merian   von    1654). 

Nach  den  Kämmereiregistern  wurden  schon  1618  -  -  am  10.  April 
und  23.  Juni  je  90  M.  und  am  2.  August  47  M.  -  -  Auszahlungen  zum 
„Borngebuwnis"  an  den  Borneherrn  geleistet.  Der  Rat  schloß  am  20.  Mai 
1618    einen    Lieferungsvertrag    mit    dem    der    Hildesheimer    Bildhauer- 

733 


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Abb.  .")17.    Aktäonbrunnen :  Grund-,  Auf-  und  Profilriß  von  Borchers.    Stadtarchiv. 


734 


Piepenborn 

familie    Wulf   angehörigen   ,, Steinmetz    und    Bildhauer"  wie   er   sich 

selbst  nennt  -  Meister  Jonas  Wulf,  nachdem  dieser  seine  Zeichnungen 
vorgelegt  hatte.  Am  Werke  waren  ferner  der  Kleinschmied  Karsten 
Beteken  und  der  Botgießer  Meister  Heinrich  Meier,  als  Maurer  Hinrich 
Pape  und  als  Maler  der  Meister  Wedemeier  beteiligt.  Die  Herstellung 
des  Brunnens  dauerte  bis  Ende  1620;  Wulf  war  zu  dieser  Zeit  bereits 
gestorben.  Die  Baurechnung  berichtet,  daß  Jeremias  Sutel,  der  als 
Geselle  Wulfs  nach  Hannover  gekommen  zu  sein  scheint,  sich  erboten 
habe,  zwei  ursprünglich  nicht  vorgesehene  „mannsgroße"  Bildwerke  fin- 
den Brunnen  zu  schaffen.  Vermutlich  sind  das  die  beiden  weiter  unten 
genannten   Platten  im   Hofe   des   Hauses   Osterstraße  83, 


Abb.  518.     Hannover;  Reliefplatten  Qsterstr.  83,  Hof: 
„NEPTVNIA  CONJ."  und  „CALLIRHOE". 


Bedecker  erzählt,  daß  der  Brunnen  im  Jahre  1719  von  neuem  gebaut 
sei:  es  scheint,  als  ob  damals  lediglich  das  Gewände  des  Brunnenhauses 
erneuert  wurde.  Um  1800  ist  der  Brunnen,  der  nach  der  Hauptfigur, 
die  seine  Haube  krönte,  den  Namen  „Aktäonbrunnen"  trug,  abgebrochen, 
seine  Teile  sind  verschollen.  Der  Dichter  Blumenhagen  hat  ihn  in  seiner 
Jugend  noch  gekannt,  und  schreibt  davon  1839  im  Vaterländischen 
Archive  des  historischen  Vereins  für  Niedersachsen. 

Das  Stadtarchiv  besitzt  im  ganzen  drei  aus  dem  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts stammende  Darstellungen  des  Aktäonbrunnens,  also  in  der 
Gestalt,  die  er  1719  erhalten  hatte.  Als  die  vertrauenswürdigste  sei 
hier    die  Zeichnung    des    Ingenieurs    Borchers   wiedergegeben.      Ein    auf  A1)1)  51- 

735 


Brunnen  und  Wasserwerke 

achteckigem  Sockel  angelegtes  Brunnengehäuse,  an  den  Kanten  mit 
barocken  Pilastern  versehen,  um  die  sich  ein  schweres  Abschlußsims 
herumkröpft,  ist  abgedeckt  mit  einer  achtteiligen,  geschwungenen  Brunnen- 
haube aus  Kupfer.  Darüber  hinaus  erhebt  sich  ein  kelchartiges  offenes 
Becken,  aus  dessen  Mitte  die  als  Säule  ausgebildete  Steigröhre  emporragt, 
welche  die  Figur  des  Aktäon  trägt.  Zu  ergänzen  ist  die  Borcherssche 
Zeichnung  insofern,  als  einst  von  den  Kantenverkröpfungen  am  oberen 
Gehäuserande  zu  dem  kupfernen  I  »ecken  hinüber,  sich  in  Kupfer  gearbeitete 
Voluten  gespannt  haben.  Nach  Blumenhagen  waren  auf  der  Haube  die 
badende  Göttin  Diana  und  neun  Nymphen  in  voller  Plastik  angebracht. 

Die  Wiederauffindung  von  drei  Reliefplatten  im  Jahre  1907  im  Keller 

des    Brauergildehauses    und    die    Feststellung    ihrer    Zugehörigkeit    zum 

Aktäonbrunnen    erbringen    einen    positiven    Beitrag    für   die    Erkenntnis 

des  Wulfschen  Meisterwerkes:   die  eine   der  Platten  trägt   die   Inschrift: 

Anno    1619     Ist     dieser    brunne    RENOVIRT    und    in    diese 

form  gesetzet  durch  Jonaf  Wulvef; 

Abb. 518  zwei  andere  zeigen  die   Halbfiguren  von  Wassergöttinnen:   „Amphitrite, 

Neptunia  Conjunx"  und  ,,Calirhoe".      Die  Tafeln  (62x92  cm)   sind  jetzt 

im  Hofe  des  neuerbauten  Hauses  Osterstraße  83,  eingemauert. 

Diese  drei  Platten  und  die  noch  nicht  wiedergefundenen  übrigen 
fünf  des  Brunnengehäuses  scheinen  1719  durch  ebenso  viele  Platten  mit 
lateinischen  Doppeldistichen  ersetzt  zu  sein,  deren  Wortlaut  die  Reichesche 
Handschriftensammlung   des    Stadtarchives   aufbewahrt   hat. 


Parnaßbrunnen. 

Auf  des  Herzogs  Johann  Friedrich  Veranlassung  und  Rechnung 
übernahm  -  wie  es  heißt  -  Johann  Duve  die  Versorgung  der  Neustadt 
mit  Brunnenwasser:  nach  Angabe  Barings  im  Jahre  1668.  Auf  dem  durch 
Zuschütten  des  sogenannten  Judenteiches  gewonnenen  Neustädter  Markt- 
platze wurde  darauf  ein  Kunstbrunnen  eingerichtet.  Bleiröhren  schafften 
aus  einem  Brunnen  am  Eeineschlosse  beim  späteren  Lavesschen  Pavillon 
das  durch  ein  Rad  hochgepumpte  Leinewasser  dorthin.  Später  speisten 
doppelte  Röhren  aus  dem  Teiche  im  Lindener  Küchengarten  den  Brunnen, 
teils  auch  schöpfte  die  etwa  1706  vollendete  Mailletsche  Wassermaschine 
auf  dem  Stapel  das  Wasser;  schließlich  lieferte  die  Herrenhäuser  Kunst 
dasselbe  durch  den  Hochbehälter  am  Schneiderberge.  1672  scheint  mit 
dem  Bau  der  Wasserkunst  begonnen  zu  sein,  aber  erst  1679  wurde  sie  in 
Gang  gesetzt. 

Der  Kunstbrunnen  auf  dem  Neustädter  Markte  war  als  besonderer 
Schmuck  für  die  Neustadt  geplant.  Der  Bauverwalter  Sartorio  mußte 
1671    auf  des   Herzogs  Anweisung  ein   Modell   des   Brunnens  anfertigen. 

736 


Brunnen  und  Wasserwerke 


S 


47 


737 


Parnaßbrunnen 

Gelder  zur  Ausführung  wurden  nach  den  Kammerrechnungen  etwas 
später  bewilligt  (Schuster,  K.  u.  K.,  S.  21).  Baring  nennt  als  Erbauer 
den  ,, Hochfürstlichen  Italienischen  Baumeister"  (Kirchen-  und  Schulhist., 
S.  40).  .Johann  David  Meyer  schreibt  ähnlich:  „der  italiänische  Hauver- 
walter". Wer  der  Verfertiger  der  Bildhauerarbeiten  war,  bleibt  unge- 
wiß. Die  technische  Einrichtung  hat  seit.  1 678  in  den  Händen  des  aus 
Augsburg  herbeigeholten  Brunnenmeisters  Michael  Biggus  gelegen 
(Schuster,  K.  u.  K.,  S.  25;  vgl.  auch  das  zur  Ausführung  der  Grotte  in 
Herrenhausen   Gesagte  bei   Schuster,   S.  (SO). 

Der  Brunnen  scheint  nie  zuverlässig  in  Gang  gekommen  zu  sein,  denn 
die  Kammerrechnungen  verzeichnen  vielfache  Flickereien  an  den  Bohren 
und  auch  am  Grottenwerk.  So  wurde  schließlich  im  Jahre  1802  die  ganze 
Brunnenanlage  abgebrochen:  ein  einfacher  Brunnen  mit  Becken  in 
gotischem  Geschmack  trat  zunächst  an  seine  Stelle;  um  1830  machte 
auch  dieser  einem  anderen  Platz  (vgl.  Siedentopf,  Adreßbuch  1929.  S.  10). 

Der  Wirt  einer  unmittelbar  vor  dem  Clevertore  an  der  Escherstraße 
belegenen  Gartenwirtschaft  erwarb  1802  den  größten  Teil  der  steinernen 
Figuren  des  Parnaßbrunnens  und  stellte  sie  in  seinem  Garten  auf.  Seit 
dem  Erwerb  des  Gartengeweses  durch  den  Oberkommerzienrat  Ezechiel 
Simon  1857,  der  sich  auf  dem  Grundstücke  das  schloßartige  Wohnhaus 
Brühlstraße  1  erbauen  ließ,  sind  die  Steinfiguren  des  Parnaßbrunnens 
verloren. 

Es  bestehen  nur  mangelhafte  Abbildungen  des  Parnaßbrunnens; 
das  Modell  Satorios  ist  verschollen.  Die  älteste  Darstellung  ist  auf  Zeuners 
Tuschzeichnung  von  der  Neustädter  Kirche  gegeben;  am  wertvollsten 
Abb.  519  ist  der  Stich  in  den  „Freudenbezeugungen"  von  1725.  Bei  Bedecker 
finden  sich  (Chronik,  S.  688)  einige  Handzeichnungen,  und  schließlich 
bietet  das  Neustädter  Wappen  noch  ein  Abbild  des  WTerkes. 

Die  Abbildungen  stellen  übereinstimmend  eine  erhöhte  Plattform 
von  vierpassigem  Grundriß  dar,  umgeben  von  einer  Balustrade,  auf  deren 
Pfeilern  20  Standbilder,  nämlich  der  Tugenden  und  Laster,  aufgestellt 
waren.  Blumenhagen  (a.  a.  O.)  gibt  an,  das  Bassin  sei  ein  Best  des  Juden- 
teiches gewesen.  In  der  Mitte  der  Plattform  war  das  Brunnenbecken 
eingetieft,  aus  dem  sich  der  etwas  ungegliedert  wirkende  Felsenberg  des 
Parnasses  erhob.  In  ihm  eröffneten  sich  in  den  Achsen  der  Anlage  vier 
rundbogige  Grottennischen,  in  denen  lebensgroße  Allegorien  der  vier 
Weltteile  erschienen:  Europa  auf  dem  Stiere  reitend,  ein  Mohr  auf  einem 
Krokodile  als  Afrika,  eine  weibliche  Gestalt  auf  einem  Elefanten  oder 
Nashorn  als  Asien,  ein  Wilder  auf  einem  Löwen  als  Amerika.  Auf  dem 
Parnaßberge  waren  sitzend  Apoll  mit  den  neun  Musen  verteilt;  die  Be- 
krönung  bildete  -  -  zugleich  als  Wappensinnbild  -  der  das  herzogliche 
Wappen  haltende  Pegasus.    Das  Wasser  entsprang  aus  dem  Berge,  den 

738 


Heiligers  Brunnen 

Instrumenten  der  Musen  und  den  Ohren  des  Pferdes.  Auf  Landers- 
heimers  Plan  IV  findet  sich  die  Bemerkung,  die  Statuen  seien  1729  weiß 
angestrichen  worden. 

Heiligers  Brunnen. 

Der  Hof-  und  Konsistorialrat  Heiliger  ließ  1791  in  der  Eilenriede 
beim  Pferdeturm  eine  länger  bekannte  schwache  Schwefelquelle,  der  heil- 
kräftige Wirkung  zugeschrieben  wurde,  fassen  und  an  dem  viereckigen, 
sandsteinernen   Brunnengehäuse    die    Inschrift    anbringen: 

Westseite: 
FONTI  INEST  NUMEN  HOSPES  VENERARE  LIQVOREM  E.A.HEILIGER. 

Nordseite: 
VENI  VIDE  RIRE. 

Ostseite: 
UNDE  BIBENS  HAU  SIT  LATIGEM   SANCTORIVS  OLIM  MDCCXCIV. 

„Die  Quelle  war  ein  beliebtes  Ziel  der  lustwandelnden  Hannoveraner" 
(Hausmann,  Erinnerungen,   S.  22). 


739 


Mühlen. 


Wassermühlen. 

L)ie  Mehrzahl  der  Mühlen  im  Stadtgebiet  erscheinen  in  früher  Zeit 
als  landesherrliches  bzw.  dynastisches  Eigentum  und  sind  es  auch  später 
gewesen.  Meist  waren  die  Mühlen  als  Lehen  oder  Pfand  vergeben;  bei 
einigen  wird  erwähnt,  daß  sie  dem  Herzoge  einen  Getreidezins  zu  zahlen 
schuldig  waren  (s.  Jürgens,  H.  G.  1929,  S.  63).  In  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts,  mit  der  Ausdehnung  des  städt.  Rechts,  zieht  die 
Stadt  das   Eigentum    an  den  Mühlengerechtigkeiten  an  sich. 

klickmühle  Das  starke  Gefälle  und  die  Flußspaltung,  die  den  Ottenwerder  bildete 
beim  Eintritt  der  Leine  in  das  hannoversche  Weichbild,  bot  die  besten 
Bedingungen  zur  Anlage  einer  Wassermühle,  so  daß  der  Vorrang  als 
ältester   der  dort  liegenden   Klickmühle   zuerkannt   werden   darf. 

Das  in  einer  Urkunde  vom  Jahre  1226  (Urk.  B.  5)  genannte 
„molandinum  Hoinovere"  -  schlechthin  „die  Mühle  von  Hannover" 
ist  die  Klickmühle.  Die  von  Roden  hatten  diese  Mühle  von  den  Edel- 
herren  von  Meinersen  zu  Lehen.  Drei  Urkunden  vom  15.  Juni  des  Jahres 
1347  (Urk.  B.  246,  247,  248)  betreffen  den  Verkauf  des  Ottenwerders 
und  der  ,,Klikmoelen,  de  ghelegen  is  bi  der  muren  to  Honovere"  an  den 
Rat  der  Stadt  und  die  Bürgerschaft.  Der  Rat  baute  1442  die  Mühle  neu, 
daher  sie  auch  als  Neue  Mühle  bezeichnet  wird. 

Die  Klickmühle  bestand  aus  drei  Kornmühlen;  sie  ist  als  Mahlmühle 
1897  aufgegeben  und  abgebrochen  worden.  An  ihrer  Stelle  ist  die  neue 
Flußwasserkunst  eingerichtet. 

Zur  Baugeschichte  der  Klickmühle  enthält  ein  heute  an  der  Fluß- 
wasserkunst eingelassener  Inschriftstein  von  1615  wesentliche  Angaben 
(s.  unten).  Das  Corpus  bonorum  von  1720  teilt  mit,  das  Mühlengebäude 
sei  anno  1712  neu  erbaut  worden.  Zum  Gewese  der  Mühle  gehörten 
einige  Stallungen  an  der  Stadtmauer  für  des  Mühlmeisters  Vieh.  Mehrere 
Abbildungen  stellen  das  Äußere  der  Mühle  dar,  wie  es  im  19.  Jahrhundert 
beschaffen  war. 

740 


Klickmühle 

Der  Inschriftstein  von  1615  ist  eine  hochrechteckige  Tafel  ans  Deister- 
sandstein  H.  =  1,95  +  Br.  =  1,()<S,  und  enthält  im  oberen  Drittel  in  ein  kreis- 
rundes Feld  eingetieft  und  umgeben  von  Beschlagornament  das  hanno- 
versche   Stadtwappen.     Meister    des    Steines   ist  entgegen    Schuchhardt 


Rechts:    Abb.  521.    Hannover;  Brückmühle, 
Inschriftstein  mit  Stadtwappen,  1670. 


Unten:     Abb.    520.     Hannover;   Klickmühle, 
Stein  mit  Stadtwappen  mit  Bauinschrift,  1615. 


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(B.  d.  B.,  Nr.  53)  urkundlich  Hans  Nottelmann.    Die  unteren  zwei  Drittel 
des   Steines  werden  von    der   Inschrift   eingenommen  (Großbuchstaben): 

ANNO  1612  IST  AN  DER  KLIP-  UND  FLOTH  /  MÜHLEN  UND  1614 
AN  DER  BEUTERST  MUH  /  LEN  DIE  HERDE-  UND  GRUNDTWERCK 
GANTZ  /  UND  AN  DEN  HEUSERN  DAS  MEURWERCK  MERER  /  THEILS 
AUS  DEM  GRUNDE  NEWE  GEBAWT,  DIE  /  FUNDAMENT  VIEL  TIEFFER 
ALS  UNTEN  DIE  /  FULPFEHLE  BEFUNDEN  GELECHT,  DARAUF  ERST-  / 


741 


Mühlen 

LICH  QUADERNSTUCKE  DIESELBEN  MIT  EINEM  /  FESTE  MEUR- 
WERCK  UBERMEURET  UNDT  OBEN  WIDER  MIT  BREIDEN  STENERN 
ÜBER-  LECHT  UND  BEFESTET  WURDEN,  DIE  FLOTH  /MÜHLE  UF 
NEWE  ARTH  MIT  HANGENDEN  /GETZEUGE  FUNDIRT,  DIE  GRUNDT- 
BEUME  /  ABER  IN  VORIGER  SCHRODUNG  WIEDER  /  GELECHT. 
ANNO  1615  DER  SCHNELLE  /  GRABE  UF  ('.LEICHE  ABTH  AUCH 
NEW  /  AUS  DEM  GRUNDE  GEBAWET.  COT  ER  /  HALTE  DIE  GE- 
BEWDE  LANGE, 
brückmühle  Auf  dem  Ottenwerder  selbst,  rechtsufrig  des  Brückmühlenarmes, 
lag  eine  zweite  Mühle,  1329  Brucmole  juxta  Honovere  genannt  (.Jürgens, 
unveröffentlichte  Urkundenauszüge,  n.  163).  Eine  bei  Grupen  (Orig., 
Seite  387)  abgedruckte  Urkunde  vom  Jahre  1330  nennt  die  Mühle  eben- 
falls. Die  von  Roden  hatten  die  Mühle  vom  Herzoge  zu  Lehen.  1356  er- 
warb die  Stadt  das  Obereigentum,  während  die  Nutzung  die  von 
Roden  bis  1386  beibehielten.  In  diesem  Jahre  übertrugen  die  Herzöge 
Wenzeslaus,  Friedrich  und  Bernhard  das  Eigentum  dem  Rate  zugunsten 
der  Armen  im  Hospital  St.  Spiritus.  Die  beiden  Kornmühlen,  aus  denen 
die  Brückmühle  bestand,  werden  später  als  Rats-Kornmühlen  bezeichnet. 
Das  Corpus  bonorum  von  1720  (H.  G.  1906,  S.  231)  gibt  an,  daß  im 
Jahre  1563  eine  Flutmühle  neu  gebaut  sei;  diese  sei  aber  1626  zur  Loh- 


Abb.  b'Z'l.     Hannover;  Brückmühle,  Grundriß.     Gez.  1711  von  Vick. 


742 


Luchtenmühle 

mühle  umgewandelt,  weil  die  Lohmühle  vor  dem  Leintore  in  den  Kriegs- 
läuften  durch  dänisches  Militär  zerstört  worden  war.  Für  das  Jahr  1572 
wird  eine  Erweiterung  verzeichnet:  ,,l)er  äußerste  Mühlenheerd"  und 
eine  Walkemühle  wurden  gebaut.  Schließlich  ist  1586  und  -  -  der  unten 
wiedergegebenen  Bauinschrift  zufolge  -  -  abermals  1670  die  ganze  Mühle 
von  Grund  auf  neu  gebaut.  Die  Mühle  ist  im  Zustande  von  1711  durch 
G.  Vick  dem  Grundriß  nach  aufgenommen  (Stadtarchiv,  Kart.  M.  I.). 
Die  Zeichnung  gibt  die  Lage  der  damals  vorhandenen  Mühlengänge  und 
zweier  neu  anzulegender  an.  Als  Ergänzung  zu  den  Angaben  dieser  Abb.  r.22 
Zeichnung  finden  sich  im  Corpus  bonorum  von  1720  weitere  Bemerkungen. 

Die  alte  Brückmühle  ist  1858  wegen  ihrer  Baufälligkeit  abgebrochen 
und  1859 — 61  durch  Droste  von  Grund  aus  neu  errichtet.  Zur  Gründung 
bedurfte  es  eines  Pfahlrostes  auf  600  Pfählen. 

Inschriftstein.  Ein  die  Brückmühle  betreffender  Bauinschriftstein 
von  1670  (Reiche,  Inscriptiones  Ms.,  Stadtarchiv)  ist  heute  an  der  neuen 
Flußwasserkunst  angebracht.  Der  Stein  von  1670,  H.  =  1,91,  Br.  =  1,19, 
ist  von  ähnlicher  Gliederung  wie  der  bei  der  Klickmühle  beschriebene.  Abi>.  521 
Oben  in  Rundmedaillon  das  Stadtwappen,  darunter  auf  nahezu  quadra- 
tischer Fläche  die  Inschrift  in  Großbuchstaben.  Als  Meister  vermutet 
Schuchhardt  (B.  d.  R.,  Nr.  115)  einen  Bildhauer  aus  dem  Kreise  Küsters. 
Die   Inschrift  lautet : 

ANNO  1670  IST  AUF  DER  HERRN  /  BÜRGERMEISTERE  DES  RATHS 
UND  /  DER  HERRN  GESCHWORNNEN  BEWIL  /  LIGUNG  DIESE  FLOT- 
MÜHLE  AUS  DEM  /  GRUNDE  NEWE  WIEDER  AUFGEBAWET  /4  FUS 
BREIDER  UND  4  FUES  LENGER/;  IM  GLEICHEN  SEIN  DIE  DEHL: 
FLOT  /  MÜHLEN:  UND  FREY:  RENNEN  /WIE  AUCH  DER  GRUNDT- 
BAUM  MIT  /  SEINER  ZUBEHÖRUNG  GÄNTZ  /  NEW  GEMACHT  UND 
DER  HEERDT  /  NACH  NOTTURFFT  AUSGEBES  /  SERT:  GOTT  ER- 
HALTE DIESE  GE  /  BEUDE  VIELE  JAHR  IN  GUTEN  STANDE  / 
BAWMEISTERE  SEIN  GEWESEN  /  J.  H.  HANS  BABTELDES  /  J.  H. 
H  INR  ICH  ALERDES. 

Der  westlich  des  Brückmühlenstranges  nach  dem  Neustädter  Gebiet  luchtenmühle 
zu  verlaufende  Leinearm,  der  in  der  Gegend  des  Archives  und  der  Brand- 
straße zwei  Inseln  bildete  und  1377  als  Ihme  bezeichnet  wird,  trieb  bereits 
im  14.  Jahrhundert  drei  Mühlen.  Die  Nachrichten  über  diese  sind  oft 
schwer  auseinanderzuhalten.  Die  Neustadtbefestigung  1641  hat  dem 
Bestände  der  drei  Mühlen  ein  Ende  gemacht. 

Anscheinend  ist  die  an  der  Seite  des  Eilikenwerders  belegen  gewesene 
Mühle,  die  nach  dem  Müller  Buchte  (Urk.  B.  154,  1325)  genannte 
Luchtenmühle.  Der  Ritter  Wulbrand  von  Reden  besaß  sie  1312  zum 
Pfände    von    der   Landesherrschaft   (Urk.  B.   110).      Nach    dem    Corpus 

743 


Mühlen 

bonorum  von  1720  ist  die  Mühle  im  Jahre  1  127  vom  Rate  übernommen. 
Später  befand  sich  hier  die  Ratssägemühle,  die  unter  Verwaltuni»  eines 
Ratszimmermeisters  stand  (II.  G.  1927,  S.  235). 

danzelmühle  T 1 1  gleicher  Höhe  mit  der  vorigen  auf  der  einen  (h'v  beiden  Leine- 
inseln lag  die  Danzelmühle  novum  molendinum  in  pratis  (Urk. 
B.  115,  1314)  oder  de  nie  molen  bi  der  Danzelmersch  (1371,  .Jürgens 
Urkundenauszüge  Ms.)  genannt.  Die  Mühle  hatte  1314  samt  der  weiter 
unterhalb  gelegenen  Trippenmühle  der  Ritter  Heinrich  von  Wetbergen 
von  der  Landesherrschaft  pfandweise  erhalten.  1351  wurden  Johan 
Snellegreve  und  Jordan  Reynoldung  damit  belehnt,  die  sie  1358  an  das 
Heilige-Geist-Stift  verkauften  ad  manus  consulum  (Urk.  B.  303  und  373, 
auch  Corpus  bonorum  von  1720).  Die  Mühle  war  Mahlmühle,  1458  war 
eine  Walkemühle  mit  ihr  verbunden  (H.  G.  1927,  S.  236.  Nach  Redecker 
(Chronik,  S.  4<S2)  wurde  1552  bei  der  Danzelmühle  auch  eine  Kupfer- 
mühle gebaut.  Im  Jahre  1614  ist  die  Mühle  „fast  ganz  neu  aus  dem  Grunde 
gebaut"  (Chronik,   S.  579). 

hamel-  odeb         Die  auf  der  anderen  Leineinsel  belegene  Hamel-  oder  Trippenmühle 
trippenmühle  f^ß  S()  n;)ch  dem  Mü]ler     Lehnsinhaberin  wurde  1331  die  Müllerswitwe 

Mechthild  Trippen.  Noch  1384  war  ein  Johann  Tripp  der  Müller;  seit 
1377  war  das  Eigentum  an  das  Heilige- Geist-Stift  übertragen.  Die  Mühle 
war  eine  Lohmühle;  später  war  eine  Pulvermühle  damit  verbunden, 
die  1589  in  die  Luft  flog,  worauf  sie  als  Oelmühle  erneuert  wurde. 

hofmühle  Die  oft  mit  der  Hamelmühle  verwechselte,  am  Osthange  des  Lauen- 
roder  Berges  belegene  Hofmühle  -  -  ihre  Stelle  war  der  untere  Teil  der 
heutigen  Langen  Straße  —  erwähnen  Urkunden  von  1316  und  von  1329 
(Urk.  B.  130  und  166)  als  im  Besitz  von  hannoverschen  Bürgern 
befindlich.    Sie  wurde  1357  (Urk.  B.  360)  von  der  Stadt  angekauft. 

stapelmühle  Die  am  Austritt  der  Leine  aus  dem  Weichbilde  gelegene  Stapelmühle 
wird  schon  1303  im  Bürgerbuche  genannt,  wo  unter  den  neuen  Bürgern 
„Conradus  molendinarius  de  Stapelmolen"  aufgeführt  ist.  Sie  lag  in  der 
Gegend  der  späteren  Schleifmühle  (Urk.  B.  116,  Anm.  I).  Der  Rat 
kaufte  die  Mühle  von  den  von  Alten  im  Jahre  1384.  Sie  ist  1440  ein- 
gegangen (Patje,   S.  80/81). 

schleifmühle  Die  Glasur-  und  Schleifmühle  findet  sich  angegeben  auf  einer  Karte 
etwa  aus  dem  Jahre  1781  (Stadtarchiv  M.  VII.,  Nr.  29). 


Windmühlen. 

Die  1558  erbaute  Windmühle  auf  dem  Himmelreich-Rondell  gehörte 
der  Stadtkämmerei,    ist  später   auf  das  Bähren-Rondell   und  von  da  im 

744 


Göpelmühlen 

Jahre    1747    auf    die    Sparrenberg-Rastion    verlegt.     Nach    deren    Demo- 
lierung übertrug  man   sie   nach   der   Gegend   der  heutigen   Sextrostraße. 

Auf  der  Südwestbastion  der  Neustadt  geben  die  Stadtansichten  eine 
Bockwindmühle  an.  Sie  war  eine  Zeitlang  dem  Zimmermeister  Dietrich 
Heinsohn    verpachtet   und   ging   um  1760  ein. 

Göpelmühlen. 

Daß  eine  ,, Hersemole"  im  Großen  Wulveshorne  bestanden  habe, 
besagt  eine  Urkunde  aus  dem  .Jahre  1334  (Grupen,  Origines,  S.  285, 
und  Urk.  190).  Ob  die  Bezeichnung  als  ,, Boßmühle"  gedeutet  werden 
kann,  ist  ungewiß.  Um  1  132  hielt  der  Bat  ebenda  eine  Roßmühle,  an- 
scheinend aber  nur  etwa  ein  Jahrzehnt  lang.  Gegen  1531  richtete  der 
Bat  an  der  Burgstraße  die  Boßmühle  ein,  die  der  Sackgasse,  in  der  sie 
lag,  ihren  Namen  gab. 


745 


Wehre. 

Diner  der  natürlichen  Überfall-  und  Durchbruchsgräben,  welche 
oberhalb  der  Stadt  das  überfließende  Leinewasser  zur  Ihme  ableiteten, 
wird  im  Stadtprotokollbuche  ad  anniim  1449  genannt;  ad  1474  wird 
„de  Were"  daselbst  erwähnt.  Das  hier  gemeinte  Überfallwehr  lag  bei 
Bella  Vista.  Das  1 876  zugeschüttete  „Englische  Loch"  war  der  letzte 
Rest  des  Grabens.  Der  gleiche  oder  ein  anderer  der  Gräben  heißt  im 
Anfange  des  17.  Jahrhunderts  „Schneller  Graben"  und  hatte  damals 
ein  Überfallwehr.  Nach  Grupens  Meinung  (Origines  S.  69)  ist  der  Name 
älter  und  hängt  zusammen  mit  der  Bürgerfamilie  Snellegrave,  die  sich 
1351  im  Mitbesitz  der  Ihmemühle,  d.  h.  der  Danzelmühle  an  dem  ge- 
legentlich   Ihme   genannten   äußeren   Mühlenstrang   der   Leine,    befindet. 

Infolge  der  mit  der  Neustadtbefestigung  zusammenhängenden  Zu- 
schüttung des  äußeren  Mühlenstranges  geschah  1651  ein  Durchbruch 
der  Leine  durch  den  heutigen  Bella- Vista- Garten.  Diesen  Durchbruch 
hat  Duve,  der  gerade  das  erforderliche  Material  dazu  wegen  des  Baues 
des  Kreuzkirchturmes  liegen  hatte,  abgedämmt,  indem  er  den  Damm 
zwischen  der  heutigen  Bella- Vista-Brücke  und  dem  Schützenhause  an- 
legte, den  sogenannten  „Duvendamm".    Der  Durchbruch  bei  Bella  Vista 


Abb.  523.     Hannover;  Schneller  Graben.     Phot.  1900. 


746 


Der  schnelle  Graben 

gab  später  den  Anlaß  zur  Verbreiterung  und  Befestigung  des  Schnellen 
Grabens  an  der  jetzigen  Stelle,  nachdem  vorher  die  Landesregierung 
einen  anderen  Plan  hatte  ausarbeiten  lassen,  der  die  Anlage  eines  neuen 
Überfallwehres  zwischen  dem  Englischen  Loch  und  dem  Schützenhause 
bezweckt  hatte. 

Die  Ausführung  des  Überfallwehres  an  der  Stelle  des  heutigen  Schnellen  der  schnelle 
Grabens  geschah  1732.  Eine  Zeichnung  davon  gibt  Redecker,  Chronik  GRABEN 
S.  693.  Nach  den  Winterf] uteri  1737/38  und  1739,  die  das  Wehr  stark 
beschädigt  hatten,  riß  am  25.  Juli  1739  eine  Flut  die  Mauern  weg.  Erst 
1742  begann  man  den  Neubau,  bei  dem  Material  des  soeben  abgebrochenen 
Steintorturmes  verwandt  sein  soll.  Die  Arbeiten  dauerten  bis  zum 
Herbst  1745,  wie  ein  von  Job.  Friedr.  Ziesenis  gearbeiteter  Stein  mit 
Kleeblattwappen  an  der  Brüstungsmauer  angibt. 

Das  mit  Schützen  versehene  Überfallwehr  besteht  aus  drei  schrägen,  Abb.  ö2:s 
in  Sandstein  hergerichteten  und  zwischen  den  Uferkajen  und  zwei  abge- 
treppten   Pfeilern   eingespannten   Bahnen,    die    das    überfallende    Wasser 
zu  der  fast  3  m  tiefer  liegenden  Ihme  hinabschießen  lassen. 


747 


\Yerkanlagen 


2  W 


ia 


a,  s 


748 


^D 


Werkanlagen. 

Der  Stadt-Holz-  oder  -Bauhof    befand    sich    1352    auf    der    Burgstraße  bauhof 
„auf  der  Ecke  an  dem  Stadtmauerturm,  da  durch  jetzo  das  neue  Thor 
gehet"   (Bedecker,   Chronik    S.   25.S). 

Mehrere  brauberechtigte  Bürger  traten  1753  zu  einer  Brausozietät  brauhai  s, 
zusammen,  um  gemeinsam  brauen  zu  lassen.  Zu  diesem  Zwecke  kaufte  Köbehnserstraße  !- 
die  Sozietät  zwei  Häuser  an  der  Bullenstraße  (Bedecker,  S.  1070;  H.  G.  1907, 
S.  360)  an,  verlegte  aber  1794  ihren  Betrieb  nach  der  Köbelingerstraße 
in  drei  Häuser,  in  deren  einem  bislang  eine  Zuckersiederei  betrieben 
worden  war.  Nach  einem  Brande  1827  wurde  ein  ganz  neues,  massives 
Gebäude  im  Jahre  1830  aufgeführt,  in  dem  seit  März  1831  gebraut  werden 
konnte.  Das  Gewese  bestand  nun  aus  einem  Hause  für  die  Verwaltung, 
zugleich  als  Wohnung  für  Brau-  und  Mulzmeister,  aus  dem  Brauhause, 
in  dem  unten  drei  Bäume  zum  Brauen  von  Broyhan-,  Braun-  und  Lager- 
bier sich  befanden,  während  oben  darüber  zwei  massive  Malzdarren 
lagen,  und  schließlich  aus  dem  Malzhause,  das  sieben  Böden  und  einen 
Keller  enthielt.  Die  Brauerei  wetteiferte,  wie  Brönnenberg  (a.  a.  O., 
S.  80)  sagt,  an  Zweckmäßigkeit  der  Anlage'  mit  jeder  anderen  in  Nord- 
deutschland.   Das  in  Ziegeln  gebaute,  unverputzte  Brauhaus  besteht  noch. 

In  der  Tuchbereitung  wurden  zur  Erzielung  der  ,, Badengleichheit"  rehmen 
Spannrahmen  verwandt,  überdachte  Anlagen,  die  auf  mehreren  Höfen 
an  der  Stadtmauer  im  Wulveshorn  und  längs  der  Osterstraße  bestanden. 
Ein  derartiger  „Behmen"  auf  dem  Grundstücke  an  der  kleinen  Packhof- 
straße 13  wird  1495  genannt  und  war  dort  noch  1608  in  Gebrauch  (H.  G. 
1926,   S.  81). 

Ein  städtischer  Boesehof  befand  sich  außerhalb  des  Ägidientores  roesen 
bei  der  Einmündung  des  Schiffgrabens  in  die  Masch,  wo  der  Name  des 
in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  abgebrochenen  ,,Boeserondels"  auf 
seine  einstige  Lage  deutet.  Eine  zweite  städtische  Boese  lag  bei  den  Kalk- 
steinbrüchen auf  dem  Lindener  Berge,  von  der  aus  Kalk  an  die  Dörfer 
der  Umgegend  abgegeben  wurde.  Der  1179  zuerst  im  Hausbuche  ein- 
getragene ,, Boesehof"  im  Wulveshorn  beim  Johannishofe  trägt  seinen 
Namen  nicht  nach  einer  Boese,  sondern  hieß  richtig  ursprünglich  Bode- 
hof  (H.   G.   1926,   S.  82). 

749 


Werkanlagen 

Das  Brennholz  wurde  zur  Roese  an  der  Masch  ebenso  wie  für  den 
Ziegelhof  (s.  daselbst)  auf  dem  Schiffgraben  herangeführt.  Nach  den 
Lohnregisterauszügen  von  Mithoff  (s.  Zs.  d.  bist.  Vereins  f.  Niedersachsen 
1N71,  S.  1(S7)  war  (\cv  Roeseofen  eine  Art  von  Meiler  mit  einer  gemauerten 
Vertiefung  (rosehol)  von  runder  oder  anderer  Grundform  und  gemauerter 
Halsöffnung  (munt  der  roze).  Die  gestapelten  Kalksteine  wurden  mit 
einer  Strohlehmschicht  umgeben  und  der  Ofen  dann  entzündet.  Ein 
Meister  und   seine   „rozevente"   besorgten   die   Roese. 

ziegelhof  Die  Einrichtung  des  städtischen  Ziegelhofes  steht  mutmaßlich  mit  der 
Erbauung  der  Marktkirche  in  Zusammenhang.  Seine  früheste  Nennung 
findet  sich  1371.  Der  Ratsziegelhof  lag  ursprünglich  an  der  Masch,  südlich 
des  städtischen  Roesehofes,  bis  wohin  die  Feuerung  aus  dem  Ratstorf- 
moore an  die  Tongruben  durch  ,,dat  Tegelscheep"  (Grupen,  Origines, 
S.  71)  herangebracht  werden  konnte.  Er  wurde  163cS  auf  fürstliches  Ver- 
langen von  dort  nach  dem  Reenkolke  am  Engesohder  Berge  verlegt; 
auf  seiner  ehemaligen   Stätte  richtete  man  den  Apothekengarten  ein. 

Über  die  Bedeutung  des  Ziegelhofes  geben  die  Ziegeleiregister  im 
Stadtarchive  Auskunft.  Im  Jahre  1399  lieferte  der  städtische  Ziegelhof 
2000  kleine  und  2000  große  Dachziegel  für  den  Bau  des  Barfüßerklosters; 
1  134  eine  Anzahl  von  großen  Ziegelsteinen  an  Marienrode.  1476  wurden 
in  14  Öfen  209960  Steine  gebrannt;  in  anderen  Jahren  mehr.  So  waren 
1531  26  Ölen  in  Brand,  ein  27.  mußte  vorgerichtet  werden.  1531  erfolgte 
Abb.  r>24  n.  :>25  ein  Neubau  der  Ziegelei.  Zeichnungen  des  Ziegelhofes  liegen  erst  aus  der 
Mitte   des  18.   Jahrhunderts  vor  (Stadtarchiv,    Karten-Mappe   II). 


75Ü 


Ehrenmäler. 

Durch    private,    1787    eingeleitete    Subskriptionen    wurden    die    Mittel  leibniz- 
zusammengebraeht,   um   dem   großen    Gelehrten   Leibniz  gegenüber   dem  MONUMENT 
Archive,  der  Stätte  seines  Wirkens,  auf  dem  Esplanadeplatz  ein  Monument 
zu  errichten.    Der  König  stiftete  dazu  eine  größere  Summe  und  hat  später 
die  Unterhaltung  des  Ehrenmals  übernommen. 


Abb.  .">26.     Hannover;  I.eibniz-Denkmal  von  SO.     Phot.  M.  B.  A.,  1928. 


751 


Ehrenmäler 


\i)h. 


Abb.  527.    Hannover;  Standbild  des  Generals  von  Alten,  Am  Archive.   Phot.  1897. 

Die  Risse  des  in  Tempelform  gedachten  Denkmals  im  ganzen  wie  in 
den  Einzelheiten  fertigte  der  Hofrat  Ramberg,  der  Vater  des  Malers; 
auch  die  Ausführung  unterstand  seiner  Leitung  (Wilh.  Lohmann,  a.  a.  0., 
S.  75).  Die  Büste  modellierte  Hewetson  in  Rom;  sie  ist  1790  fertig  ge- 
worden. Die  Inschrift  „GENIO  LEIBNITII"  hat  der  Göttinger  Philologe 
Heyne  erdacht   (Brönnenberg,    S.   71). 

Das  auf  einem  Reste  des  Esplanadeplatzes  als  point  de  vue  errichtete 
Monument  ist  ein  zwölfsäuliger  offener  Rundtempel  aus  Sandstein  mit 
,26  Flachkuppel,  in  dessen  Mitte  die  Kolossalbüste  Leibniz'  auf  einfachem, 
vierkantigem   Postament  beides  aus  weißem  Marmor      -  steht.     Erst 

Laves  gab  der  Anlage  des  Exerzierplatzes  (späteren  Waterlooplatzes) 
die  Achse,  welche  den  Leibniztempel  in  eine  Nebenstellung  versetzte. 


STANDBILD  DES 

GENERALS 

VON  ALTEN 


Dem  Führer  der  hannoverschen  Truppen  in  Spanien  und  bei  Waterloo, 
General  K.  von  Alten,  wurde  1849  das  Standbild  vor  dem  Archivgebäude 
an  der  Seite  des  Waterlooplatzes  gesetzt.    Die  von  Kümmel  modellierte 
Abb.  r.27  Figur  des  Generals  besteht  aus  Bronze,  das  Postament  aus  grauem  Marmor. 


752 


Waterloosäule 


Dem    am    LS.    November    1851    verstorbenen    Könige    Ernst    August  reiterstand- 
setzte    man   auf   dem    Bahnhofsplatze   ein    Reiterstandbild.     Die    Grund- BILD  DES KÖNIGS 
steinlegung  fand  am  5.  Juni   1861   slaü.    Der  Sockel  ist  ein  monolither 


Granitblock  ans  dem  Harz.    Die 


Abb.  5E8.     Hannover;   Waterloosäule.     Entwurf  signiert: 

Laves  inv.   et  fiel.  Ohne  Jahr.     Staatsaich.,   Karten   I.   1. 


Figur  des  Königs  zu  Pferde  wurde  vom 
Bildhauer  A.  Wolff  in  Berlin 
modelliert.  Der  König  isl  in 
Husarenuniform  auf  sehrei- 
tendem Roß  dargestelll.  Den 
Bronzeguß  führten  Bernstorff 
und  Eichwede  in  Hannover 
ans.  Die  feierliche  Ent- 
hüllung des  Denkmals  geschah 
am  21.  September  1861  (Nähe- 
res s.  Sievert,  S.  97). 

Zur  Feier  des  lOO.Geburts-  schiller- 
lages  Friedrichs  von  Schiller,  denkmal 
1859,  huldigte  die  Stadl  den 
Manen  des  Dichters  vor  einer 
auf  dem  Theaterplatz  aufge- 
stellten Kolossalfigur  Schi  Hers, 
die  von  Bändel  aus  Gips 
und  Leinwand  hergestellt  war. 
Man  beschloß  an  diesem  Tage 
die  Errichtung  eines  Ehren- 
denkmals für  Schiller.  Die 
Ausführung  wurde  später  dem 
Bildhauer  Harald  Engelhardt 
übertragen;  das  Modell  isL 
in  Bronze  gegossen  durch 
Bernstorff  und  Eichwede. 
Am  Sterbetage  des  Dichters, 
dem  9.  Mai  1863,  konnte  das 
auf  dem  Georgsplatze  aufge- 
stellte Monument  mit  einer 
Feier  enthüllt  werden. 


Nach  handschriftlichen  Aufzeichnungen  von  Laves,  dem  Erbauer  waterloosäule 
der  Waterloosäule  (abgedruckt  „Hannoversches  Tageblatt",  30.  März 
LS(S  1 :  „Einige  Bemerkungen  und  Nachrichten,  die  Erbauung  des  Water- 
loomonumentes  in  Hannover  betreffend"),  hat  Laves  1816  nach  seiner 
Rückkehr  von  England  sich  an  einem  schon  im  Juni  des  gleichen  .Jahres 
ausgeschriebenen  Wettbewerbe  mit  drei  Entwürfen  für  ein  Denkmal  der 
in  der  Schlacht  bei  Waterloo  Gebliebenen  beteiligt. 

48  753 


Ehrenmäler 

Der  erste  Entwurf  plante  eine  70  Fuß  hohe  Säule  auf  einem  mit  er- 
Abh.  52s  oberteii   Kanonen  verzierten  Postamente  stellend  und  gekrönt  von  einer 
bronzenen  Siegesgöttin  auf  dem  gegenüber  dem  Schlosse  einzurichtenden 
Esplanadeplatz. 

Der  zweite  Entwurf  sah  einen  mindestens  200  Fuß  hohen  Sandstein- 
obelisken auf  einem  Stufenunterbau  vor.  Das  Denkmal  sollte  am  Ende 
der  Georgstraße  bei  der  Ägidienneustadt  seinen  Platz  finden. 


Abb.  529.     Hannover;  Waterloosäule.     Phot.  1900. 


Endlich  der  (bitte  Entwurf  schlug  auf  dem  Lindener  oder  dem  Tönjes- 
berge  einen  Rundtempel  vor,  unter  dessen  Mitte  eine  Statue  Wellingtons 
und  an  dessen  Wänden  in  Nischen  die  Büsten  anderer  Befehlshaber  von 
Waterloo  aufgestellt  werden  sollten. 

Der  erste  Entwurf  von  Laves  fand  unter  den  von  anderen  Künstlern 
vorgelegten  Entwürfen  (.Wn  Vorzug  des  Komitees  und  wurde  zur  Aus- 
führung gewählt. 

754 


Waterloosäule 

Bei  der  Anwesenheit  des  Königs  Georg  IV.  in  Hannover  im  Jahre  1<S21  Abb.  521» 
genehmigte  dieser  die  Ausführung  des  gewühlten  Entwurfes  und  be- 
stimmte den  vorgeschlagenen  Platz  zwischen  Esplanade  und  Schloß  zur 
Errichtung  des  Denkmals.  Die  Ausführung  verzögerte  sich  indes.  Laves 
legte  nun  1X20  mehrere  Entwürfe  zur  Erweiterung  des  Paradeplatzes 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Waterloomonumentes  vor.  Der 
vom  Könige  genehmigte  Plan  gab  dem  Platze  die  Ausdehnung  von 
800  x  100  Fuß  ohne  die  Halbkreisausbuchtung  gegen  die  Ohe  hin.  Im 
Hintergrunde  des  Platzes  auf  dem  auszufüllenden  Stadtgraben  sollte  das 
Monument  gegründet  werden.  Die  Alleen  zum  Calenberger  Tore  einer- Abb.  530 
seits  über  cWn  damals  noch  bestehenden  Wall  und  andererseits  zu  dem 
neu  anzulegenden  Tor  in  der  Richtung  auf  das  Schützenhaus  gehörten 
zum  Projekte.  Da  bei  dessen  Ausführung  im  Jahre  1828  die  Begrenzung 
des  Platzes  in  Rücksicht  auf  die  bereits  im  Bau  befindliche  Jägerkaserne 
noch  erweitert  wurde,  gelangte  man  für  das  Monument  zur  Annahme 
eines  größeren  Maßstabes:  die  Höhe  der  Säule  samt  dem  Postamente 
wurde  auf  156  Fuß  festgesetzt ;  die  Säule  sollte  im  Innern  mit  Treppen 
versehen  werden. 


A 


«u  *t 


■  - 

Abb.  .">30.    Hannover;  Plan  zur  Anlage  des  Waterlooplatzes  von  Laves.   Original  Stadtarch.,   Karten  L  1. 


755 


I  luvnmüler 

Die  Gründung  des  Denkmals  halle  Schwierigkeiten  zu  überwinden, 
deren  man  Herr  wurde  durch  die  Versenkung  von  36  je  I  Fuß  im  Quadrat 
haltenden,  aus  Quaderplatten  konstruierten  Kästen,  welche  man  nach  der 
Versenkung  ausmauerte.  Der  Aufbau  der  Säule  war  im  Frühjahr  1832 
zu  Ende  geführt.  Die  Victoria,  nach  einem  Modell  des  Bildhauers  Hengst 
in  Kupfer  getrieben  von  den  Blechschmieden  Conrad  und  Franz  Beck- 
mann, war  am  8.  Juni  1832  fertig  aufgestellt.  Die  Einweihung  des  Monu- 
mentes fand  unter  großer  Pompentfaltung  am  17.  Jahrestage  des  Sieges 
von  Waterloo  statt  (18.   .Juni   1832). 

Das  64,7  m  hoho  Siegesdenkmal  aus  Barsinghäuser  Sandstein  steht 
auf  einem  sechsstufigen  Sockelunterbau.  Die  Säule  selbst  von  47  m 
Höhe  erhebt  sich  auf  kubischem  Postament,  an  dem  die  Namen  der 
Gefallenen  verzeichnet  sind,  und  ist  nach  toskanischer  Ordnung  mit 
Kannelierungen  gebildet.  Oberhalb  der  Deckplatte  ist  auf  hoher  Sand- 
steintrommel die  auf  einer  Kugel  schwebende  Siegesgöttin  aufgestellt. 
Die  6,30  m  hohe  Figur  trägt  in  der  gesenkten  Linken  zwei  Kränze  als 
Widmungsgabe  für  die  Gefallenen,  während  die  erhobene  Hechte  den 
Siegern  einen  Kranz  zu  bieten  scheint.  Die  kühne  Haltung  der  Figur 
und  die  Entfaltung  ihrer  Schwingen  erforderte  ein  sorgfältig  konstruiertes 
Eisengerüst  und  eine  geschickte  Verankerung. 


756 


N 

6874 
H34X8 
Bd.l 
Heft  1 


Die  Kunstdenkraäler  der 
Provinz  Hannover 


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